Vorlesungsskriptumaus Betonbau S-3-01/2004 Sparowitz Lutz Institut für Betonbau Technische Universität Graz Forschungsberichte | Diplomarbeiten | Skripten | Vorträge/Tagungen Inhaltsverzeichnis Präambel 6 1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen 7 1.1 Allgemeines 7 1.2 Umwelteinflüsse 8 1.3 Mindestbetondeckung 10 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 10 10 11 11 11 Allgemeines Schutz der Bewehrung vor Korrosion Sicherstellung der Übertragung von Verbundkräften Mindestbetondeckung für den Brandschutz Nominale Betondeckung 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 12 2.1 Allgemeines 12 2.2 Einwirkungskombinationen (EK) im ULS 15 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 15 17 17 17 17 17 2.3 2.4 Maßgebende EK für die Bemessung bei reiner Biegung (N=0) Maßgebende EK für die Bemessung bei reiner Normalkraft (M=0) Maßgebende EK für die Bemessung bei Biegung mit Längskraft Maßgebende EK für die Querkraftbemessung Maßgebende EK für die Bemessung bei Torsion Maßgebende EK für die Bemessung bei Querkraft und Torsion Mechanische Materialeigenschaften 18 2.3.1 2.3.2 2.3.3 18 23 26 Beton Bewehrungsstahl Verbundwirkung Ermittlung des Querschnittswiderstandes bei Biegung 38 2.4.1 2.4.2 38 2.4.3 Einführung Berechnung der reaktiven Schnittgrößen zu einem vorgegebenen Dehnungszustand Gleichgewicht zwischen aktiven und reaktiven Schnittgrößen 39 42 2.5 Grenzdehnungszustände 43 2.6 Nachweis der Tragfähigkeit bei überwiegender Biegebeanspruchung 45 2.7 Bemessung bei reiner Biegung (NSd = 0) 46 2.7.1 2.7.2 2.7.3 46 47 50 2.8 Fragestellung Iterative Ermittlung des Grenzdehnungszustandes Bemessung der Biegezugbewehrung Verstärken der Druckzone mit einer Druckbewehrung 51 2.9 Bemessung bei Biegung mit Längskraft und großer Lastausmitte 54 2.10 Bemessung eines zentrisch beanspruchten Druckstabes 55 2.11 Bemessung eines Zugstabes im ULS 56 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit Serviceability Limit State (SLS) 57 3.1 Einführung 57 3.2 Maßgebende Einwirkungskombinationen (EK) im SLS 58 14.11.01 1 Inhaltsverzeichnis 3.3 3.4 3.5 3.6 Materialeigenschaften 59 3.3.1 3.3.2 3.3.3 59 60 60 Zugfestigkeiten von Beton Elastizitätsmodul von Beton Stoffgesetze im SLS Spannungsnachweise im SLS 61 3.4.1 3.4.2 3.4.3 Druckstab Zugstab Biegestab 61 63 64 Rißbreitennachweis 67 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 67 68 73 75 Einführung Rißbildungs- und Rißentwicklungsmechanismus Rechnerische Rißbreite Rißformeln Verformungsnachweis 82 3.6.1 3.6.2 3.6.3 82 83 3.6.4 3.6.5 3.6.6 3.6.7 3.6.8 3.6.9 Verformungsgrenzen Einführung Berechnung der Durchbiegung nach dem Prinzip der virtuellen Arbeit (Wiederholung aus der LV Baustatik) Momenten-Krümmungs-Beziehung Krümmungszunahme durch Kriechen und Schwinden Durchbiegungsberechnung auf der Basis der nichtlinearen M/J-Beziehung Vereinfachte Durchbiegungsberechnung aus elastischer Lösung abgeleitet Begrenzung der Durchbiegung durch eine entsprechende Festlegung der Biegeschlankheit Maßnahmen zur Steuerung der Verformung 4. Platten 84 87 91 95 96 98 100 101 4.1 Allgemeines 101 4.2 Liniengestützte Platten 107 4.2.1 4.2.2 4.2.3 107 119 121 4.3 Näherungsweise Ermittlung der Schnittgrößen Auswirkung der Querdehnung Drillmomente Punktförmig gestützte Platten 127 4.3.1 4.3.2 127 132 Schnittgrößen Begrenzung der Durchbiegung 4.4 Fundamentplatten 134 4.5 Öffnungen in Platten 135 5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung 137 5.1 Interaktionsdiagramme für einachsige Biegung 137 5.2 Interaktionsdiagramme für zweiachsige Biegung 141 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 144 6.1 Allgemeines 144 6.2 Schlankheitsgrad l 145 6.3 Geometrische Imperfektionen 147 14.11.01 2 Inhaltsverzeichnis 6.4 Einzelstütze 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.7 6.4.8 6.5 Der Zusammenhang zwischen Stabverformung e2 und der Krümmung Jm2 im maßgebenden Querschnitt m Gleichgewicht am verformten Stab (Theorie 2.Ordnung) Instabilitätsfall Der „kritische Punkt“ K Bemessung der erforderlichen Bewehrung (Modellstützenverfahren) Genauigkeitssteigerung beim Modellstützenverfahren Ersatzstabverfahren Wände 162 164 167 177 179 6.5.1 6.5.2 179 181 Allgemeines zum Tragverhalten Vereinfachte Systemanalyse mit Sekantensteifigkeiten 184 Allgemeines 184 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.1.6 7.1.7 7.1.8 7.1.9 7.1.10 184 192 193 201 203 229 231 233 239 246 Das Grundprinzip des Spannbetons Grad der Vorspannung Vorspannarten Vor- und Nachteile der Spannbetonbauweise Spannsysteme Spannkabelführung Reibungsverluste Spannkraftverlauf Spannweg Spannanweisung und Spannprotokoll 7.2 Sicherheitskonzept und Nachweise für vorgespannte Stahlbetonstabwerke 7.2.1 7.2.2 7.3 149 154 156 158 Systemanalyse 7. Spannbeton 7.1 149 Nachweise im SLS Nachweise im ULS 247 247 269 Vorgespannte Flachdecken 275 7.3.1 7.3.2 Tragwirkung Spanngliedführung 275 278 8. Stahlbeton - Schubelement 280 8.1 Schubfluß 280 8.2 Schubscheibenelement mit orthogonaler Bewehrungsanordnung 281 8.3 Schiefwinkeliges Bewehrungsnetz 284 8.4 Schubscheibe mit zusätzlichen Normalkräften 286 8.5 Ersatzscheibenmethode für Stahlbeton - Membranplatten 288 9. Querkraft 290 9.1 Einführung 290 9.2 Gurtkräfte 292 9.2.1 9.2.2 9.2.3 292 293 295 14.11.01 Gurtkraft infolge M Gurtkräfte infolge V Zugkraftdeckungslinie 3 Inhaltsverzeichnis 9.3 Betondruckdiagonale bei vertikaler Bügelanordnung 296 9.4 Schubbewehrung - Querbewehrung mit vertikalen Bügeln 298 9.5 Schrägbügel 300 9.6 Schubbewehrung bei veränderlicher Trägerhöhe 302 9.7 Querkrafttragfähigkeit von vorgespannten Balken 305 9.7.1 9.7.2 305 Reduktion der Stegbeanspruchung durch geneigte Spanngliedführung Alternative Begründung der Querkraftwirkung mit Hilfe der Umlenkkräfte (MC90) 307 9.8 Schubtragwirkung bei fehlender Schubbewehrung 310 9.9 Sekundäre Schubtragwirkungen 312 9.10 Querbewehrung in Flanschen 315 9.11 Mitwirkende Plattenbreite 320 9.11.1 Allgemeines 10.Torsion 320 324 10.1 Arten der Torsionseinwirkung 324 10.2 Definition der Bezeichnungen 326 10.3 Querkraftanalogie zur Ermittlung von Torsionsmomentenlinien 327 10.4 Torsionsverformung 329 10.5 Wölbfreie Hohlquerschnitte (St. Venant’sche Torsion) 330 10.6 Vollquerschnitte und dickwandige Hohlquerschnitte 333 10.7 Überlagerung von Querkraft und Torsion 335 11.Durchstanzen von Platten 338 11.1 Zum Bruchmechanismus 338 11.2 Nachweis des Durchstanzwiderstandes ohne Schubbewehrung (Durchstanzbewehrung) 340 11.3 Rechenwert der einwirkenden Querkraft 342 11.4 Nachweisverfahren 344 11.5 Durchstanzbewehrung 345 11.6 Mindestbiegebewehrung im Bereich der Punktstützung 347 11.7 Durchstanznachweis bei Stützenkopfverstärkung (Pilzdecken) 349 11.8 Berücksichtigung der Vorspannung im Durchstanznachweis 350 12.Fachwerkmodelle - strut and tie models 351 12.1 Allgemeines 351 12.2 Tragfähigkeit von Zugstäben (ties) 352 12.2.1 12.2.2 Unbewehrtes Betonzugspannungsfeld Bewehrter Zugstab 12.3 Tragfähigkeit von Druckspannungsfeldern (stuts) 12.3.1 12.3.2 14.11.01 Tragfähigkeit von unbewehrten Druckstreben Tragfähigkeit von bewehrten Druckstreben 352 352 353 353 353 4 Inhaltsverzeichnis 12.3.3 12.3.4 Umschnürte Druckstreben 353 Reduktion der Tragfähigkeit von Druckstreben durch querlaufende Stäbe oder Hüllrohre 355 12.4 Fachwerkknoten 12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4 12.4.5 12.4.6 Verankerung von Bewehrungsstäben Überlappungsstoß Druck-Druck-Zug-Knoten Druck-Druck-Druck-Knoten Zug-Zug-Zug-Knoten Zug-Druck-Zug-Knoten 12.5 Diskontinuitätsbereiche 12.5.1 12.5.2 12.5.3 12.5.4 12.5.5 12.5.6 Konzentrierte Lasteinleitung Endauflager bei Balken Indirekte Lagerung Auflagernahe Lasten Konsolen Geometrische Diskontinuitäten 12.6 Rahmenknoten 12.6.1 12.6.2 12.6.3 Rahmenecken T-Knoten Kreuzknoten 12.7 Wandscheiben und wandartige Träger 12.7.1 Abgrenzung zwischen Balken und Scheiben 356 356 359 360 363 364 365 367 367 376 378 380 383 389 394 394 402 407 409 409 12.8 Scheiben nach der Elastizitätstheorie (Zustand I) 411 12.9 Stahlbetonscheiben 415 12.9.1 12.9.2 Wandartige Einfeldträger (Einfeldrige Wandscheibe) Wandartige Durchlaufträger (mehrfeldrige Wandscheiben) 418 427 12.10 Fundamente 429 12.10.1 12.10.2 12.10.3 12.10.4 429 434 439 441 Anmerkungen Streifenfundamente unter Wänden (Linienlasten) Streifenfundamente unter Stützen (Einzellasten) Einzelfundamente 13.Umlenkkräfte 462 13.1 Allgemeines 462 13.2 Ohne Verbügelung aufnehmbare Umlenkkräfte 465 13.3 Rückverankerung gekrümmter Spannglieder 466 13.4 Schlanke vorgespannte Druckstäbe 467 13.5 Einspringende geknickte Betonleibung 469 13.6 Nach außen wirkende Umlenkkräfte in der Druckzone 471 14.11.01 5 Präambel Präambel Das „Design“ von Tragwerken sollte folgende Schritte umfassen: • Nachweise in den Grenzzuständen der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) • Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit (Serviceability Limit State SLS) • praxisgerechte konstruktive Durchbildung (Bewehrungsführung etc.). Dabei ist besonderes Augenmerk auf einen klaren und effizienten (direkten) Kraftfluß zu legen. • Erfüllung der materialtechnologischen Anforderungen (Betontechnologie, Nachbehandlung etc.) • Erfüllung der Anforderungen hinsichtlich der Dauerhaftigkeit; auf aggressive Umwelteinflüsse ist zu achten Obige Nachweise verfolgen u.a. das Ziel der • Sicherstellung der Duktilität; d.h., das Tragwerk soll derart verformbar konstruiert sein, daß die Systemtragfähigkeit erreicht wird ohne daß ein lokaler Sprödbruch eintritt. In duktilen Tragstrukturen sind die Auswirkungen von Zwängen (Temperatur, Kriechen, Schwinden, Fundamentsetzungen etc.) auf die Tragfähigkeit im allgemeinen nicht signifikant. • Sicherstellung der Stabilität und Robustheit; d.h. u.a. sind die verschiedenen lastabtragenden Elemente des Tragwerkes derart miteinander zu verbinden, daß insgesamt ein zufriedenstellendes Systemtragverhalten gegeben ist. • Sicherstellung, daß das Tragwerk bei einem lokalen Versagen durch eine außergewöhnliche Einwirkung (unvorhergesehene Nutzung oder Unfall) nicht global einstürzt (progressives Versagen). Auf besondere Gefährdungspotentiale ist zu achten. Abhängig von der Art der Tragkonstruktion und des Bauverfahrens kann entweder der ULS oder der SLS das dominante Bemessungskriterium darstellen. In vielen Fällen genügt lediglich ein Teil oder sogar nur einer dieser Nachweise, wenn die Erfahrung vorliegt, daß die anderen Kriterien zweifelsfrei a priori erfüllt sind. Stets ist auf eine einwandfreie konstruktive Durchbildung und auf materialtechnologische Aspekte zu achten, weil diese für die Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit von Betonkonstruktionen gleich wichtig sind, wie die rechnerischen Nachweise. 14.11.01 6 1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen 1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen 1.1 Allgemeines Ein Tragwerk ist „dauerhaft“, wenn es während der vorgesehenen Nutzungsdauer seine Funktion hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit, Standfestigkeit, Tragfähigkeit und Stabilität bei einem angemessenen Instandhaltungsaufwand erfüllt. Die Dauerhaftigkeit gilt als gewährleistet, wenn neben den Nachweisen in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit und den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit auch die Betontechnologie (Festigkeit, Dichtigkeit etc.) und die Betondeckung den Umwelteinflüssen Rechnung trägt. Ein Tragwerk ist derart zu gestalten, daß es robust ist gegenüber flüssigen und gasförmigen Substanzen, die in die Struktur eindringen können. Insbesondere sind kritische Bereiche, wie Kanten, Ecken, Fugen etc. entsprechend konstruktiv durchzubilden. Alle der Witterung ausgesetzten Betonoberflächen sollten mit Gefälle planmäßig entwässert oder abgedeckt werden. (Verblechung, Abdichtung etc.) Alle hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit kritischen Bereiche sollten für Inspektion und Wartung zugänglich sein. 14.11.01 7 1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen 1.2 Umwelteinflüsse Umwelteinflüsse sind chemische und physikalische Einwirkungen, denen der Beton ausgesetzt ist und die Auswirkungen zur Folge haben, die nicht in den Lastannahmen für die Tragwerksplanung berücksichtigt werden können. Chemischer Angriff kann verursacht sein durch: • die Nutzung (z.B. Lagerung von Flüssigkeiten usw.) • aggressive Umweltbedingungen • Berührung mit Gasen oder Lösungen (Säurelösungen, Lösungen aus Schwefelsalzen etc.) • im Beton enthaltene Chloride • Reaktionen zwischen Betonbestandteilen (z.B. Alkalireaktion von Zuschlägen) Physikalischer Angriff kann erfolgen durch: • Abnutzung (Abrieb) • Temperaturwechsel • Frost-Tau-Wechselwirkung • Eindringen von Wasser Die Aggressivität der Umwelteinflüsse wird durch sog. Expositionsklassen (Umweltklassen) in der Tabelle 1.1 und der Tabelle 1.2 definiert. Klassenbezeichnung Beschreibung der Umwelteinflüsse Beispiele für Umweltbedingungen Mindestbetonfestigkeit Kein Angriffsrisiko XO kein Risiko Unbewehrte Bauteile in nicht betonangreifender Umgebung C12 Angriff durch aggressive chemische Umgebung XA1 chemisch leicht aggressive Umgebung Behälter von Kläranlagen C25 XA2 chemisch mäßig aggressive Umgebung Bauteile mit Meerwasserberührung oder in stark betonangreifenden Böden C35 XA3 chemisch hoch aggressive Umgebung Industrieabwasseranlagen mit sehr stark chemisch angreifendnen Abwässern (z.B. Käsereien) C35 Angriff durch Frost-Tauwechsel XF1 mäßige Wassersättigung ohne Taumittel Außenbauteile C30 XF2 mäßige Wassersättigung mit Taumittel Bauteile im Sprühnebelbereich von Straßen C30 XF3 hohe Wassersättigung ohne Taumittel Offene Wasserbehälter C30 XF4 hohe Wassersättigung mit Taumittel Straßenbeläge und Randbalken bei Brücken, die mit Tausalz behandelt werden C30 Angriff durch Abrieb 14.11.01 8 1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen Klassenbezeichnung Beschreibung der Umwelteinflüsse Beispiele für Umweltbedingungen Mindestbetonfestigkeit XM1 mäßiger Verschleiß Straßenbeläge von Wohnstraßen C30 XM2 schwerer Verschleiß Straßenbeläge von Hauptverkehrsstraßen, Verkehrsflächen mit Gabelstaplerverkehr C30 XM3 extremer Verschleiß Betonflächen, die häufig mit Kettenfahrzeugen befahren werden C30 Tabelle 1.1 Klassenbezeichnung Expositionsklassen hinsichtlich „Betonangriff“ Beschreibung der Umwelteinflüsse Beispiele für Umweltbedingungen Mindestbetonfestigkeit Korrosion verursacht durch Karbonatisierung XC1 trocken Bauteile in Innenräumen mit normaler Luftfeuchte C20 XC2 naß, selten trocken Teile von Wasserbehältern, Gründungsbauteile C25 XC3 mäßige Luftfeuchtigkeit Bauteile, zu denen die Außenluft häufig Zugang hat; z.B. offene Hallen und Garagen und Innenräume mit hoher Luftfeuchtigkeit C30 XC4 zyklisch naß und trocken Außenbauteile mit direkter Beregnung, Bauteile in Wasserwechselzonen C30 Korrosion verursacht durch Chloride XD1 mäßige Feuchtigkeit Bauteile im Bereich chloridhaltiger Sprühnebel C30 XD2 naß, selten trocken Schwimmbecken, Bauteile, die chloridhaltigen Indurstriewässern ausgesetzt sind C30 XD3 zyklisch naß und trocken Bauteile im Spritzwasserbereich von tausalzbehandelten Straßen und Parkdecks C35 Korrosion verursacht durch Chloride aus Meerwasser XS1 salzhältige Luft, kein direkter Meerwasserkontakt Außenbauteile in Küstennähe C30 XS2 unter Wasser Bauteile, die ständig unter Meerwasser liegen C35 XS3 Gezeitenzonen, Spritzund Sprühwasserzonen Kaimauern in Hafenanlagen C35 Tabelle 1.2 Expositionsklassen hinsichtlich Korrosion der Bewehrung Um die Bewehrung wirksam vor Korrosion zu schützen, sind folgende Kriterien zu erfüllen: (1) ausreichende Betongüte (Dichtheit) (2) ausreichende Betondeckung (3) ausreichend kleine Rißbreiten Die Forderung (1) gilt als erfüllt, wenn die in der Tabelle 1.1 und der Tabelle 1.2 angeführten Mindestbetongüten und die Mindestbetondeckungen nach Tabelle 1.3 eingehalten sind. Die Forderung (3) wird rechnerisch nachgewiesen (Abschnitt 3.5). 14.11.01 9 1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen 1.3 Mindestbetondeckung 1.3.1 Allgemeines Die Betondeckung ist der Abstand zwischen der äußeren Oberfläche der Bewehrung (einschließlich der Bügel) und der zugehörigen Betonoberfläche. Die Betondeckung hat folgende Funktionen: (1) Schutz des Stahles gegen Korrosion (2) Sicherstellung der Übertragung von Verbundkräften (3) angemessener Brandschutz 1.3.2 Schutz der Bewehrung vor Korrosion Der Schutz der Bewehrung gegen Korrosion hängt vom ständigen Vorhandensein eines alkalischen Milieus ab, das durch eine angemessene Dicke und gute Qualität des entsprechend nachbehandelten Betons erzielt wird. Die erforderliche Betondeckung hängt sowohl von den Umweltbedingungen als auch von der Güte des Betons ab. Unter Einhaltung der Mindestbetongüte nach der Tabelle 1.1 und der Tabelle 1.2 kann die Mindestbetondeckung der Tabelle 1.3 entnommen werden. Karbonatisierungsinduzierte Korrosion XC3 XC4 XD1 XD2 XD3 Chloridinduzierte Korrosion aus Meerwasser Expositionsklasse XC1 Schlaffstahl 10 20 25 40 40 Spannstahl 20 30 35 50 50 Tabelle 1.3 XC2 Chloridinduzierte Korrosion XS1 XS2 XS3 Mindestbetondeckung cmin [mm] Für plattenförmige Bauteile darf die Mindestbetondeckung nach Tabelle 1.3 um 5 mm reduziert werden - mit Ausnahme der Klasse XC1. Dasselbe gilt auch für andere Bauteile, wenn die Betongüte um zwei Klassen höher ist als die Mindestfestigkeiten in den Tabellen 1.1 und 1.2 und eine entsprechende Anzahl von Abstandhaltern vorhanden ist. Für Spannstahl sind weitere Regelungen hinsichtlich der Randabstände der Spannglieder und der Spannanker gemäß Zulassung zu beachten. Zusätzliche Betonüberdeckung (Opferbeton) bei Angriff durch Abrieb ∆c1 Tabelle 1.4 XM1 XM2 XM3 5 10 15 Zusätzliche Verschleißschicht ∆c1 [mm] Bei hoher chemischer Aggressivität (XD3) kann es in speziellen Fällen erforderlich sein, die Bewehrung vor Korrosion zu schützen (Kunststoffummantelung, rostfreie Stähle, Bewehrungen aus glasfaser- oder kohlenstofffaser-verstärktem Kunststoff). Die Werte der Tabelle 1.3 sind zu erhöhen, wenn es sich um massige Bauteile (h ≥ 80 cm) handelt (Min- 14.11.01 10 1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen destfestigkeit C30; Mindestbetondeckung cmin + 20 mm). Wenn Beton gegen unebene Flächen geschüttet wird: Beton auf Sauberkeitsschicht: cmin = 40 mm Beton direkt gegen Baugrund geschüttet: c ≥ 75mm 1.3.3 Sicherstellung der Übertragung von Verbundkräften Um Verbundkräfte zwischen Stahl und Beton sicher übertragen zu können und um auch in der Betondeckung eine angemessene Verdichtbarkeit zu erreichen, sollte die Mindestbetondeckung der maßgebenden Bewehrungsstäbe nicht kleiner sein als cmin = ∅ oder ∅n bzw. wenn dg > 16 mm cmin = ∅ + 5 mm oder ∅n+ 5 mm Hierin bedeuten: ∅ ......................Durchmeser der Bewehrung ∅n ....................Vergleichsdurchmesser eines Stabbündels dg .....................Größtkorndurchmesser des Betonschotters (Zuschlag) 1.3.4 Mindestbetondeckung für den Brandschutz Die bisher besprochenen Mindestbetondeckungen können für den Brandschutz unzureichend sein. Die erforderliche Mindestbetondeckung für eine vorgegebene Brandwiderstandsdauer hängt u.a. auch von den Bauteilabmessungen ab. Sie ist den einschlägigen Normen zu entnehmen. 1.3.5 Nominale Betondeckung Die bisher besprochene Mindestbetondeckung ist durch ein Vorhaltemaß ∆c2 für Abweichungen von der planmäßigen Bewehrungslage zu vergrößern: cnom = c min + ∆c1 + ∆c2 Das Nennmaß cnom der Betondeckung ist in den Bewehrungszeichnungen anzugeben. Das Vorhaltemaß ∆c2 beträgt 10 mm für die Expositionsklasse XC1 und 15 mm für die Klassen XC2 bis XS3 in der Tabelle 1.3. Diese Werte dürfen abgemindert werden, wenn dies durch eine entsprechende Qualitätskontrolle gerechtfertigt ist (beispielsweise bei Betonfertigteilen). 14.11.01 11 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.1 Allgemeines Sd ≤ Rd (2.1) a) Bei linearer Schnittgrößenermittlung: Sd .....................einwirkende Schnittgrößen Rd .....................den einwirkenden Schnittgrößen entgegenwirkende Querschnittswiderstände (reaktive Schnittgrößen, auch „verallgemeinerte Spannungen“ genannt) b) Bei nichtlinearer Schnittgrößenermittlung: Sd .....................direkte Einwirkungen: Lasten, Kräfte indirekte Einwirkungen: aufgezwungene Verformungen (Zwang): Temperaturveränderung, Lagerverschiebung (Senkung, Hebung), etc. Rd .....................Systemwiderstand: Gleichgewichtslasten Bei Berechnung der Schnittgrößen nach der Elastizitätstheorie (Fall a) gilt das Superpositionsgesetz. Die Lastfaktoren (Sicherheitsbeiwerte) γF können entweder vor der Schnittgrößenermittlung eingebracht werden, oder erst bei der Überlagerung der Schnittgrößen zum Auffinden der ungünstigsten Einwirkungskombination. Bei der Berechnung der Schnittgrößen nach nichtlinearen Verfahren oder nach der Plastizitätstheorie gilt das Superpositionsgesetz nicht. Daher sind die Einwirkungen (Lasten) direkt mit den Sicherheitsbeiwerten zu multiplizieren und danach entsprechend zu kombinieren. Bei der Ermittlung der Schnittgrößen lassen sich die nichtlinearen Stoffgesetze der verwendeten Baustoffe Beton und Stahl nur durch nichtlineare Analysen erfassen (Bild 2.2) Die Stoffgesetze werden auch als Arbeitslinien bezeichnet, weil die im Bild 2.2 hinterlegten Flächen unter den Kurven in mechanischem Sinn einer Arbeit/Volumseinheit entsprechen. 14.11.01 12 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) Q d = γ Q ⋅ Q = 1, 5 ⋅ Q Fall a : Fall b : Q gd = γg ⋅ g = 1, 35 ⋅ g g MG g ⋅ l2 -----------8 MQ Q⋅l ---------4 MSd MSd Q⋅l 1, 5 ⋅ ---------4 g ⋅ l2 1, 35 ⋅ ----------8 g,G.......ständige Lasten g,Q.......Lasten auf Gebrauchslastniveau gd,Qd....Lasten auf Traglastniveau q,Q.......veränderliche Lasten M Sd = γG ⋅ M G + γ Q ⋅ M Q = 1, 35 ⋅ M G + 1, 5 ⋅ M Q (2.2) γG, γQ .......... Teilsicherheitsbeiwerte, siehe Tabelle 2.1 Bild 2.1 Fall a: Mit den Sicherheitsbeiwerten gewichtete Überlagerung der Gebrauchslastschnittgrößen MG und MQ Fall b: Direkte Berechnung der Traglastschnittgrößen MSd für die Bemessungslasten gd und Qd a σ s( + ) b σ (+) c (- ) εs (- ) εc (+ ) εc ε (+) s (-) σc σ s( - ) Bild 2.2 14.11.01 a) Stoffgesetz (σ / ε - Diagramm) für Beton (qualitativ) b) Stoffgesetz für Bewehrungsstahl (qualitativ) 13 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) F σ c = -----Ac F Ac ... Betonfläche (c ... concrete) τb ... Verbundspannung (b ... bond) Beton τb τb F Beton δ Bild 2.3 Prinzip der Verbundwirkung Stahlbeton ist ein „Verbundbaustoff“ bestehend aus den beiden Komponenten Beton und Stahl. Zwischen dem Beton und dem Stahl (und umgekehrt) können Kräfte übertragen werden. Diese Verbundwirkung ist mit örtlichen Verformungen verbunden. D.h. es kommt zu einer Relativverschiebung δ zwischen den beiden Materialkomponenten (verschieblicher Verbund). Das Bild 2.4 zeigt qualitativ den Zusammenhang zwischen der übertragbaren Verbundkraft (in Form der Verbundspannung τb) und der Relativverschiebung δ (Schlupf) zwischen Beton und Stahl. τ b δ Bild 2.4 Verbundgesetz (qualitativ) Auch die Verbundwirkung liefert einen Beitrag zum nichtlinearen Last-Verformungsverhalten des Stahlbetons. Neben der materialbedingten Nichtlinearität kann auch eine geometrisch bedingte Nichtlinearität auftreten, wenn die Tragwerksverformung die Schnittgrößen beeinflußt (Theorie 2. Ordnung). Die Tatsache, daß bei materialbedingt und/oder geometrisch-bedingt nichtlinearen Problemen das Superpositionsgesetz nicht gilt, erschwert die Berechnung signifikant. Deshalb versucht man in der Praxis mit vereinfachenden Linearisierungen auszukommen. Nichtlineare Berechnungsmethoden werden in der Vertiefungsausbildung behandelt (LV: Betonbau VA). In der Grundausbildung (LV: Betonbau) wird von der linear-elastischen Schnittgrößenermittlung ausgegangen (Fall a im Bild 2.1). 14.11.01 14 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.2 Einwirkungskombinationen (EK) im ULS 2.2.1 Maßgebende EK für die Bemessung bei reiner Biegung (N=0) Es sind folgende Einwirkungskombinationen in der jeweils ungünstigsten Überlagerung zu untersuchen. Die daraus resultierende größte Beanspruchung wird zur maßgebenden Bemessungssituation: 1. Bemessungssituation (Grundkombination) M Sd = å j γ G, j ⋅ M G, j + γ Q, 1 ⋅ M Q, 1 + å i>1 γQ, i ⋅ ψ o, i ⋅ M Q, i (2.3) 2. Bemessungssituation (außergewöhnliche Bemessungssituation) M Sd = å j M G, j + M A + ψ 1, 1 ⋅ M Q, 1 + å i>1 ψ 2, i ⋅ M Q, i (2.4) Hierin bedeuten: MSd ..................Bemessungswert des Biegemoments im ULS MG,j ..................Biegemoment aus den ständig einwirkenden Lasten j (z.B. Eigengewicht) MQ,i ..................Biegemoment aus vorübergehend einwirkendem Lastfall i (Nutzlast, Verkehrslast, etc.) i = 1 ..................Leiteinwirkung i > 1 ..................Begleiteinwirkung γG, γQ ................Teilsicherheitsbeiwerte, siehe Tabelle 2.1 ψ0,i ...................Kombinationsbeiwert, siehe Tabelle 2.3. Er erfaßt jenen Anteil des Lastfalles i, der mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit gleichzeitig mit der Leiteinwirkung auftritt ψ1,i ...................Kombinationsbeiwert, der den häufig auftretenden Anteil der Nutzlast i (z.B. 300 x pro Jahr) definiert ψ2,i ...................Kombinationsbeiwert, der den quasi-ständig wirkenden Anteil der veränderlichen Last i beschreibt MA ....................Biegemoment für eine außergewöhnliche Einwirkung (Unfalleinwirkung), beispielsweise Anprall von Fahrzeugen, Steinschlag, Lawinen, Seilriß, Explosion (Gas), Erdbeben, Brand. Bei Gebäuden darf vereinfachend die Gleichung (2.3) wie folgt ersetzt werden: 1. Bemessungssituation mit einer veränderlichen Leiteinwirkung M Sd = å j γ G ⋅ M G, j + 1.5 0 ⋅ M Q, 1 (2.5) 2. Bemessungssituation mit zwei oder mehreren veränderlichen Einwirkungen M Sd = å j γ G ⋅ M G, j + å 1.35 i 0 ⋅ M Q, i (2.6) Das ungünstigere Moment MSd aus (2.5) und (2.6) ist maßgebend. Diese Vereinfachung ist in den neuen eurocode-nahen ÖNORMEN (B 4700 und B 4750) generell zugelassen. Für die außergewöhnliche Bemessungssituation ist in diesen ÖNORMEN folgende Vereinfachung zulässig: 14.11.01 15 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 3. Bemessungssituation - außergewöhnliche Einwirkungen M Sd = å j M G, j + M A + å i ψ 2, i ⋅ M Q, i (2.7) Zum Auffinden der ungünstigsten - und damit maßgebenden Einwirkungskombination geht man derart vor, daß jede veränderliche Einwirkung einmal zur Leiteinwirkung in den Gleichungen (2.3), (2.4) bzw. (2.5) wird („Probierverfahren“). Ständige E. γG veränderliche E. γQ Vorspannung γP günstige Auswirkung 1,00 0,00 1,00 ungünstige Auswirkung 1,35 1,50 1,00 Einwirkung Tabelle 2.1 Teilsicherheitsbeiwerte γF für Einwirkungen (EC2, 2.3.3.1, Seite 24, Tab. 2.2) Beton γc Betonstahl, Spannstahl γs Grundkombination 1,50 1,15 Außergewöhnliche Kombination 1,30 1,00 Kombination Tabelle 2.2 Teilsicherheitsbeiwerte γM für Baustoffeigenschaften (EC2, 2.3.3.2, Seite 25, Tab. 2.3) Einwirkung Kombinationsbeiwerte ψ0 ψ1 ψ2 0,7 0,5 0,3 - Versammlungsräume; Garagen und Parkhäuser; Turnhallen; Tribünen; Flure in Lehrgebäuden; Büchereien; Archive 0,8 0,8 0,5 - Ausstellungs- und Verkaufsräume; Geschäftsund Warenhäuser 0,8 0,8 0,8 Windlasten 0,6 0,5 0 Schneelasten 0,7 0,2 0 alle anderen Einwirkungen 0,8 0,7 0,5 Nutzlast auf Decken - Wohnräume, Büroräume, Verkaufsräume bis 50 m2; Flure; Balkone; Räume in Krankenhäusern Tabelle 2.3 14.11.01 Kombinationsbeiwerte ψ (EC1) 16 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.2.2 Maßgebende EK für die Bemessung bei reiner Normalkraft (M=0) Es gilt der Abschnitt 2.2.1 uneingeschränkt, wenn man in den Gleichungen (2.3) bis (2.7) M durch N ersetzt. 2.2.3 Maßgebende EK für die Bemessung bei Biegung mit Längskraft 1. Erstens ist nach Abschnitt 2.2.1 vorzugehen („führende“ Auswertung der EK nach M), wobei die Normalkraft nach demselben Kombinationsschema überlagert wird („zugehörige“ Normalkraft). 2. Zweitens ist zusätzlich auch noch gemäß Abschnitt 2.2.2 eine führende Auswertung der EK nach N durchzuführen. In diesem Falle ist das jeweils zugehörige Biegemoment in der Überlagerung mitzuführen. Damit ist einerseits das betragmäßig größte Biegemoment mit der zugehörigen Normalkraft und andererseits die betragsmäßig größte Normalkraft mit dem zugehörigen Biegemoment bekannt. Man erhält die erforderliche Bewehrung, indem man für diese beiden Extremfälle eine Querschnittsbemessung (Biegung mit Längskraft) durchführt. Die größere Bewehrungsmenge ist einzulegen. Anmerkung: 2.2.4 Theoretisch könnte eine andere M-N-Kombination bei der weder M noch N ihren Maximalwert erreichen, eine etwas größere Bewehrungsmenge ergeben. Dies bleibt jedoch in der Praxis unberücksichtigt. Maßgebende EK für die Querkraftbemessung Es gilt der Abschnitt 2.2.1 uneingeschränkt, wenn man in den Gleichungen (2.3) bis (2.7) M durch V ersetzt. 2.2.5 Maßgebende EK für die Bemessung bei Torsion Es gilt der Abschnitt 2.2.1 uneingeschränkt, wenn man M durch Mx ersetzt. 2.2.6 Maßgebende EK für die Bemessung bei Querkraft und Torsion Ähnlich wie bei Biegung mit Längskraft ist auch hier für die beiden Grenzfälle „führende Auswertung nach V“ (max V, zug Mx) und „führende Auswertung nach Mx“ (max Mx, zug V) in den maßgebenden Querschnitten die Bemessung durchzuführen. Anmerkung: 14.11.01 Da für die Schubtragwirkung von Stahlbeton nicht nur eine Querbewehrung (Bügel), sondern auch eine Längsbewehrung erforderlich ist, muß - wie später gezeigt wird - bei der Bemessung der Längsbewehrung auch die Auswirkung der zugehörigen Querkraft und gegebenenfalls des zugehörigen Torsionsmomentes Berücksichtigung finden. 17 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.3 Mechanische Materialeigenschaften 2.3.1 Beton 2.3.1.1 Tragverhalten von Beton Beton ist ein künstliches Gestein, ein künstliches Konglomerat, das aus Zement, Zuschlagstoffen (Schotter, Kies, Sand) und Wasser hergestellt wird. Wenn erforderlich werden chemische Zusatzmittel, wie Verflüssiger und Verzögerer sowie puzzolan reagierende Zusätze, wie Flugasche oder Mikrosilica zugegeben. Das Tragverhalten von Beton unter Druckbeanspruchung läßt sich mit dem Bild 2.5 veranschaulichen. seitliche Stützung Bild 2.5 Tragverhalten eines Kies-Sand-Gemisches in einem Stahlrohr Füllt man ein nach einer Beton-Schotter-Sieblinie abgestuftes Kies-Sand-Gemisch in ein Stahlrohr, so entsteht nach intensivem Verdichten ein stabiles Korngerippe. Über die Kontaktflächen der Körner können erhebliche Druckkräfte in vertikaler Richtung übertragen werden, wenn durch das Stahlrohr die horizontalen Kraftkomponenten aufgenommen werden. Wenn man sich den Zementstein zwischen den Körnern als eine Art Klebstoff vorstellt, kann dieser in gewissem Rahmen die seitlichen Abtriebskräfte mit Hilfe von Querzugspannungen übernehmen. Das „schwächste Glied in der Kette“ ist bei Normalbeton der Verbund zwischen den Zugschlagkörnern und dem Zementstein (Bild 2.6 b) an der Oberfläche der Körner (Kontaktflächen). Anmerkung: Bei hochfestem Beton verläuft die Bruchfläche vorwiegend durch den Zuschlagstoff. Diese Modellvorstellung verdeutlicht, daß Beton unter einachsiger Druckbeanspruchung versagt, wenn die seitliche Stützung durch die Klebewirkung des Zementsteines versagt (Bild 2.6). Da die erforderliche seitliche Kraft im Vergleich zur vertikalen Druckkraft klein ist, können relativ große Druckkräfte über das Korngerüst abgetragen werden. Anmerkung: 14.11.01 Wird die Querdehnung des Betons behindert (durch eine Querbewehrung oder eine Umschnürungswendel oder ein Metallrohr gemäß Bild 2.5), so entsteht ein 3-dimensionaler Druckspannungszustand, wodurch sich die Druckfestigkeit gegenüber der einachsigen Druckfestigkeit wesentlich erhöht. 18 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) a b c Kontaktflächen Bild 2.6 Tragverhalten von Beton unter einachsiger Druckbeanspruchung a) innere Rißbildung (Mikrorißbildung) bei mittlerer Belastung b) Lastabtragung (Zementstein durch Federn idealisiert) c) äußere Rißbildung (Makrorißbildung) unter hoher Belastung 2.3.1.2 Druckfestigkeit von Beton Die Betongüte wird mit Hilfe von Festigkeitsklassen definiert (ENV 206); siehe Tabelle 2.4. Als Druckfestigkeit des Betons bei einachsiger Beanspruchung wird die charakteristische Zylinderdruckfestigkeit fck angesetzt (Zylinder 150 x 300, 28 Tage unter Wasser gelagert). Die charakteristische Zylinderdruckfestigkeit entspricht definitionsgemäß der 5%-Fraktile einer statistisch relevanten Serie von Zylinderproben, die im Alter von 28 Tagen nach normengerechter Lagerung in speziellen Prüfmaschinen bis zum Bruch belastet wurden. Nur maximal 5% dieser Proben dürfen die charakteristische Festigkeit unterschreiten. Insbesondere beim Nachweis von Bauzständen bei jungem Beton t < 28 Tage ist mit der zum Zeitpunkt des Nachweises vorhandenen Betonfestigkeit fck (t) zu rechnen (Bild 2.7). f ck ( t ) --------------f ck ( 28 ) normalerhärtender Zement 1.5 1.0 frühhochfester Zement 0.5 0.0 3 7 14 28 56 90 180 t(Tage) Bild 2.7 Zeitliche Entwicklung der Druckfestigkeit (Soul’sche Kurve) Anmerkung: Das Bild 2.7 liefert Richtwerte, wenn keine genaueren Daten zur Verfügung stehen Bei Nachweisen zum Zeitpunkt t > 28 Tage ist mit der 28-Tage-Festigkeit zu rechnen. Als Bemessungs- 14.11.01 19 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) wert (Design-Wert) fcd der Betondruckfestigkeit bezeichnet man die um den Teilsicherheitsbeiwert γc reduzierte charakteristische Festigkeit. (Teilsicherheitsbeiwerte für Baustoffeigenschaften siehe Tabelle 2.2.) Betonfestigkeitsklassen C 12/15 C 16/20 C20/25 C 25/30 C 30/37 C 35/45 C 40/50 C 45/55 C 50/60 fck [N/mm2] 12 16 20 25 30 35 40 45 50 fctm [N/mm2] 1,6 1,9 2,2 2,6 2,9 3,2 3,5 3,8 4,1 fctk,0.05[N/mm2] 1,1 1,3 1,5 1,8 2,0 2,2 2,5 2,7 2,9 fctk,0.95[N/mm2] 2,0 2,5 2,9 3,3 3,8 4,2 4,6 4,9 5,3 Ecm[kN/mm2] 27 29 30 31,5 33 34 35 36 37 Betonfestigkeitsklassen C 55/67 C 60/75 C 70/85 C 80/95 C 90/105 C 100/115 fck [N/mm2] 55 60 70 80 90 100 fctm [N/mm2] 4,2 4,4 4,6 4,8 5,0 5,2 fctk,0.05[N/mm2] 3,0 3,1 3,2 3,4 3,5 3,7 fctk,0.95[N/mm2] 5,5 5,7 6,0 6,3 6,6 6,8 Ecm[kN/mm2] 38 39 41 42 44 45 Tabelle 2.4 Festigkeitsklassen für Beton aus dem EC2 Der Beiwert α (Gleichung (2.8)) berücksichtigt die Tatsache, daß zwischen der Festigkeit im Bauwerk und der Festigkeit des Prüfzylinders ein Unterschied besteht (auch hinsichtlich der Belastungsdauer etc.). Es gilt α = 1,0 für SLS und α = 0,85 für ULS. Fallweise können auch andere Werte Anwendung finden. In der ÖNORM B 4700 ist der Beiwert α in der Umrechnung zwischen der Würfelfestigkeit und der charakteristischen einachsigen Festigkeit enthalten. fc k f ck α ⋅ f cd = α ⋅ ------- = 0, 85 ⋅ --------γc 1, 5 (2.8) Die Festigkeitsentwicklung des Betons und sein Verformungsverhalten hängt von vielen Parametern ab; von der Betontechnologie (Zementart, Zementgehalt, Wasser/Zement-Faktor, Zuschlagstoffe, Kornabstufung (Sieblinie), chemische Zusatzmittel), der Betoneinbringung, der Verdichtung, der Nachbehandlung, den Umweltbedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit), der wirksamen Bauteildicke, dem Belastungsalter, der Belastungsgeschwindigkeit, etc. Infolgedessen ist die Spannungs-/Dehnungsbeziehung (Stoffgesetz, Arbeitslinie) keine konstante Materialeigenschaft, sondern eine schwer voraussehbare Kurve die - wie erwähnt - von vielen Parametern beeinflußt wird. Um trotzdem praktisch arbeiten zu können, wird für die nichtlineare Schnittgrößenermittlung und oft auch für Verformungsberechnungen (Kurzzeitdurchbiegung) als Stoffgesetz die im Bild 2.8 skizzierte Linie angenommen. Sie ist durch folgende Parameter festgelegt: Ecm ...................Mittelwert des Elastizitätsmoduls (Sekantemodul) fcm ....................Mittelwert der Betonfestigkeit 14.11.01 20 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) εcp ....................Betonstauchung unter dem Kurvenscheitel (peak) εcu ....................maximale Betonstauchung (Bruchstauchung) fctm ...................Mittelwert der Betonzugfestigkeit 2 σ kη – η -------c- = -----------------------------1 – ( k – 2 )η f cm η = εc ⁄ εc p mit ε cp = – 0.0022 – 1.1 ⋅ E cm ⋅ ε cp k = --------------------------------------f cm (2.9) σ c( + ) εc(−) εcu ε cp f ctm E cm ε c( + ) 0.4f c m f cm σc(−) Bild 2.8 Spannungs-/Dehnungslinie für die Ermittlung von Verformungs- und Schnittgrößen Für die Querschnittsbemessung läßt sich die Spannungs-Dehnungslinie dem Bild 2.9 entsprechend vereinfachen. Die Grenzstauchung εcu des Betons wird wie folgt definiert: εcu = − 0,0035 Die Prismenstauchung εcp (Index p für ’peak’) wird einheitlich mit εcp = - 0,002 angesetzt. Anmerkung: 14.11.01 Für hochfeste Betone (fck > 50 MPa) gelten andere Festlegungen ( ε cu < 0,0035) 21 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) εc(−) ε cu = – 0, 0035 ε cp = – 0, 002 σc εc quadratische Parabel: Bemessungswert f cd εc æ σ εc ö ------c- = ------- ⋅ 2 – ------f cd ε cp è ε cpø charakterist. Wert f ck (5% Fraktile) Mittelwert f cm f cm σc(−) Bild 2.9 2.3.1.3 Spannungs-/Dehnungslinie für den Tragsicherheitsnachweis und die Bemessung Zugfestigkeit Die Betonzugfestigkeit wird erst im Kapitel 3.3.1 besprochen, weil sie bei den Nachweisen in den Grenzzuständen der Tragsicherheit (ULS) normalerweise unberücksichtigt bleibt. 14.11.01 22 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.3.2 Bewehrungsstahl Im Bild 2.10 ist das Stoffgesetz für die heute üblichen Bewehrungsstähle qualitativ dargestellt. σs f yk = σ s0, 2k f tk σ ek Es 0, 002 εs G ε uk εs bleibende Dehnung nach Entlastung Bild 2.10 Spannungs-Dehnungslinie für Bewehrungsstahl ftk ......................charakteristische Bruchfestigkeit (5% -Fraktile) σs0,2k ................begriffliche Streckgrenze (5%-Fraktile) σek ....................charakteristische Elastizitätsgrenze Es .....................Elastizitätsmodul εsG ....................Gleichmaßdehnung εuk ....................charakteristische Bruchdehnung Man kann näherungsweise den Kurvenverlauf im Druckbereich gleich annehmen wie im Zugbereich. Vereinfachend kann das σ/ε - Diagramm bi-linear (Bild 2.11) oder elastisch/plastisch (Bild 2.12) angenähert werden. Für Bewehrungsstähle mit hoher Duktilität gilt die Anforderung f tk ------ ≥ 1, 08 und ε uk ≥ 5% f yk Im Bild 2.11 b und im Bild 2.12 b sind die um den Teilsicherheitsbeiwert γs abgeminderten SpannungsDehnungs-Linien dargestellt, die bei der Bemessung bzw. beim Nachweis der Tragsicherheit Anwendung finden. f tk f td = -----γs σ s 0.2k f yk f yd = ------- = ---------------γs γs (2.10) Im ULS ist der Teilsicherheitsbeiwert für Stahl γs = 1,15 14.11.01 (2.11) 23 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) kleiner als der Teilsicherheitsbeiwert für Beton, γc = 1,5 (2.12) weil im Herstellungsprozeß die Stahlfestigkeit wesentlich exakter erreicht wird als die Betonfestigkeit (geringere Streuung der Materialeigenschaften). Im SLS wird γs = 1,0 und γc = 1,0 angesetzt. a b σs σs f tk f tk linearisiert f yk tatsächlicher Kurvenverlauf f yk f yd Es Es 0,002 Bild 2.11 f td εs ε yd ε yk εs εsu = ε uk bi-lineare Annäherung mit ansteigendem plastischem Ast (verfestigend) b a σs σs f yk f yk f yd Es Es 0,002 Bild 2.12 εs εyd ε yk εs bi-lineare Annäherung mit idealer Plastifizierung (horizontaler Ast) Der Elastizitätsmodul von Bewehrungsstahl darf einheitlich mit Es = 200 GPa = 20000 kN/cm2 angesetzt werden. 14.11.01 24 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) f tk, 0.95 f yk, 0.95 f tm fy m f tk, 0.05 f yk, 0.05 Es εs εyk, 0.95 ftk,0.95Überfestigkeit (95%-Fraktile) ftmmittlere Bruchfestigkeit ftk,0.05charakteristische Bruchfestigkeit (5%-Fraktile) Bild 2.13 Definition von εyk,0.95 Die Bruchfestigkeit ftk des Stahles ist ebenfalls einer Streuung unterworfen. Als charakteristische Festigkeit bezeichnet man die 5% - Fraktile ftk, 0.05. ftk = ftk,0.05 f tk ,0.05 Für den Rechenwert ftd der Stahlfestigkeit ergibt sich damit als untere Schranke f td ⋅ ----------------γ s Anmerkung: Wenn sicher zu stellen ist, daß die Bewehrung im ULS ins Fließen kommt, ist mit einer oberen Schranke für die Fließspannung γ s 14.11.01 ⋅ f yk,0.95 zu arbeiten. 25 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.3.3 Verbundwirkung 2.3.3.1 Bruchmechanismen Der Verbund ermöglicht eine Kraftübertragung zwischen dem Bewehrungsstahl und dem ihn umgebenden Beton oder Injektionsmörtel. Er ist somit für die Tragwirkung des Verbundbaustoffes Stahlbeton von grundlegender Bedeutung. Als schlaffe Bewehrung werden heute ausschließlich gerippte Stäbe verwendet, bei denen eine dübelartige Verzahnung (Scherverbund) zwischen Stahl und Beton besteht (Bild 2.14). Für die Kraftübertragung sorgen Betonkonsolen, die sich auf die aufgewalzten Rippen des Stahles abstützen. Umlenkkraft u bewirkt u Ringzugkraft Längszugkraft Sekundärrisse Bild 2.14 Verbundwirkung bei Rippenstahl (schematisch) Als Maß für die Güte des Verbundes dient die bezogene Rippenfläche fR (Bild 2.15) AR f R = -------AM (2.13) AR.....................die auf eine Ebene senkrecht zur Stabachse projizierte Fläche aller Rippen am Stabumfang AM ....................die Mantelfläche des Stabes zwischen den Rippen am Nenndurchmesser ds c Betonkonsole a ds σr a τbd Abscherfläche (Scherbruch) a ⋅ ( ds + a ) ⋅ π a f R = ------------------------------------ = --c ⋅ ds ⋅ π c Bild 2.15 14.11.01 Definition der bezogenen Rippenfläche fR und Scherbruchmechanismus 26 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) Aus dem Bild 2.14 und Bild 2.15 lassen sich zwei unterschiedliche Verbundbrucharten ableiten: 1. Scherbruch: Abscheren der zylindischen Betonkonsole zwischen den Rippen 2. Ringzugbruch: Längsrisse ider Absprengungen als Folge zu hoher Ringzugspannungen Zwischen den Sekundärrissen bilden sich im Beton um die Bewehrung Druckkegel aus, die außerhalb der Sekundärrisse in Zylinder (Druck oder Zug) übergehen. In diesem Umlenkbereich entstehen Ringzugkräfte, die, wenn die Betonzugfestigkeit überschritten wird, zu Längsrissen führen. Längsrisse a Kegel Kreisring Zylinder Querdruck b Bild 2.16 Verbundwirkung im Verankerungsbereich eines Bewehrungsstabes a) Spannungsfelder: Kegel - Kreisring - Kreiszylinder b) Querdruck: Querpressung stützt den Zugring Der Verbundwiderstand wächst, wenn eine entsprechend hohe Querspannung (z.B. durch ein Lager) vorhanden ist (Bild 2.16 b), oder wenn man die Umlenkkräfte u (Bild 2.14) durch die Querbewehrung (Bügel) verschließt. 14.11.01 27 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.3.3.2 Tragwirkung zwischen den Rissen 1 3 Betondruckkegel Betonzugzylinder 2 Ts Ts Bewehrungsstab Primärriß 1-1 Bild 2.17 Sekundärrisse x 1 3 neuer Primärriß 3-3 2 Primärriß 2-2 Verbundwirkung zwischen zwei Primärrissen Das Bild 2.17 zeigt schematisch die Verbundtragwirkung zwischen zwei Rissen. Man kann erkennen, daß der Beton, auf Zug beansprucht, zwischen den Rissen mitträgt. Diese Tragwirkung wird als Zugversteifung (tension stiffening effect) bezeichnet. Wenn im Querschnitt 3-3 die Betonzugfestigkeit erreicht wird, entsteht dort ein neuer Riß 3-3. Es kommt in der Folge zu einer Spannungsumlagerung, sodaß sich etwa gleiche Zustände, wie im Bild 2.17 zwischen dem neuen Riß 3-3 und den beiden benachbarten Rissen 1-1 bzw. 2-2 einstellen. 2.3.3.3 Verschieblicher Verbund Auf Gebrauchslastniveau liegt die Beanspruchung der Bewehrung bei etwa σs = 300 MPa. Die zugehörige Stahldehnung beträgt etwa εs = 0,0015. Die Zugbruchdehnung des Betons liegt etwa bei ε ct, u ≈ 0,00015 Sie ist also um etwa eine 10er-Potenz kleiner als die tatsächlich im SLS auftretende Stahldehnung. Ausgehend vom Querschnitt 3-3 im Bild 2.17, der als Verschiebungsnullpunkt bezeichnet wird, verlängert sich der Stahl mindestens zehnmal stärker als der ihn umgebende Beton. Dies ist kinematisch nur möglich, wenn es zu einer Relativverschiebung zwischen den beiden Materialien kommt. 14.11.01 28 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 1 Primärriß 3 Verschiebungsnullpunkt Sekundärrisse 1 δ6 wr 3 δ5 δ4 δ3 δ2 δ1 a Bild 2.18 „Kammechanismus“ des verschieblichen Verbundes (schematisch) Das Bild 2.18 zeigt in einer vereinfachten Darstellung, wie es mit Hilfe von Sekundärrissen zu einer verschieblichen Verbundwirkung kommen kann. Dabei verdrehen sich die Betonzähne zwischen den Sekundärrissen. Wenn man die Betondehnung vernachläßigt, entspricht die Längenänderung des Stahles auf des Länge a ∆l s = a ⋅ ε s (2.14) der Summe der Rißbreiten alles Sekungärrisse 1 bis 6 bzw. der halben Breite wr des Promärrisses 1-1. Anmerkung: Das Bild 2.18 erklärt auch, warum die Rißbreite zur Bewehrung hin abnimmt. Der Zusammenhang zwischen der Verbundspannung τbd und der Relativverschiebung δ wird als Verbundgesetz bezeichnet (Bild 2.19). Das Verbundgesetz wird ähnlich ei Stoffgesetze (Arbeitslinien) von Stahl und Beton als ein aus Versuchen abgeleitetes Materialgesetz eingeführt. 14.11.01 29 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) τb d -------fc m 0,1 Bild 2.19 2.3.3.4 0,2 0,3 δ Verbundgesetz (schematisch) Der Zusammenhang zwischen der Relativverschiebung δ und den Dehnungen εs und εc Das Bild 2.20 zeigt einen in einem Betonzylinder eingebetteten Bewehrungsstab, der mit einer Zugkraft T belastet ist. Ausgehend vom Verschiebungsnullpunkt 0-0, der aus Symmetriegründen in der Mitte liegt, verlängert sich der Stahl bis zum Querschnitt x-x um δs(x). δs ( x ) = ò x ε s ( x ) dx (2.15) 0 Der Beton verlängert sich um δc(x). δc ( x ) = ò x ε c ( x ) dx (2.16) 0 Infolge dessen beträgt die Relativverschiebung (Schlupf) δ zwischen Stahl und Beton δ ( x ) = δs ( x ) – δc ( x ) (2.17) Die Integrale in den Gleichungen (2.16) und (2.17) entsprechen den im Bild 2.20 b bzw. d grau hinterlegten Flächen. 14.11.01 30 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 1 a 0 x 2 T T 1 0 x 2 b εs(x) x c Bild 2.20 δs(x) d εc(x) e δc(x) Verschieblicher Verbund: Relativverschiebung δ = δs − δc zwischen Stahl und Beton a) Systemskizze: In Betonzylinder eingebetteter Bewehrungsstab b) Stahldehnung εs c) Verschiebung δs d) Betondehnung εc e) Verschiebung δc Das Verbundgesetz (Bild 2.19) beschreibt den Zusammenhang zwischen der Verbundspannung τbd(x) und dem Schlupf δ(x). 14.11.01 31 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.3.3.5 Die Differentialgleichung des verschieblichen Verbundes a 0 T T τbd 0 x b εs0 U ∆ε s ( x ) = ------------- ⋅ A E s As εs(x) A = c τbd d ò x τ bd ( x ) dx 0 σc(x) σc0 U ∆ε c ( x ) = ------------- ⋅ A E c Ac e εc0 εc(x) f A = Bild 2.21 ò x τ bd ( x ) dx 0 Beziehung zwischen der Verbundspannung und der Stahl- bzw. Betondeckung a) Bewehungsstab mit der Belastung T, τbd b) Stahldehnung εs c) Verbundspannung τbd auf Stahl einwirkend d) Betonstab mit Belastund τbd e) Betondehnung εc f) Verbundspannung τbd auf Beton einwirkend Im Bild 2.21 ist der Zusammenhang zwischen der Verbundspannung τbd und der Stahl- bzw. Betondekkung dargestellt. Aus der Kraft Ts(x) im Stahl am Ort x-x 14.11.01 T s ( x ) = T s0 + ∆T s ( x ) (2.18) T s0 = E s ⋅ A s ⋅ ε s0 (2.19) 32 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) ∆T s ( x ) = U ⋅ ò x τ bd ( x ) dx (2.20) 0 U = 2πd s (2.21) ds .....................Umfang des Bewehrungsstabes erhält man die Stahldehnung es(x). ε s ( x ) = εs 0 + ∆ε s ( x ) ò (2.22) x U ∆εs ( x ) = ------------- ⋅ τ bd ( x ) dx Es A s 0 (2.23) In analoger Weise kommt man zur Betondeckung ε c ( x ) = εc 0 + ∆εc ( x ) ò (2.24) x U ∆ε c ( x ) = ------------- ⋅ τ bd ( x ) dx E c Ac 0 1 a 0 (2.25) 2 T T 1 0 2 τbd(x) δ´´ b c δ´ εs0 ∆ε0 ∆ε(x) εc0 d εc0 δc εs0 δ δs δ a Bild 2.22 14.11.01 a Grundlegende Zusammenhänge zwischen den Spannungen und den Relativverschiebungen a) Systemskizze des in Beton eingebetteten Bewehrungsstabes b) Verbundgesetz c) Dehnungsdifferenz 33 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) d) Relativverschiebung Mit Hilfe dieser Beziehung lasen sich die im Bild 2.22 skizzierten Zusammenhänge zwischen den Spannungen und den Verschiebungen herstellen. Wenn man den Verlauf von τbd(x) als bekannt vorraussetzt, folgt für die Dehnungsdifferenz ∆ε(x) aus den Gleichungen (2.13), (2.14) und (2.15) die Integralfunktion ò x U U ∆ε ( x ) = ε s0 – εc 0 + æ ------------- + ------------- ö ⋅ τbd ( x ) dx èE A ø E s s cAc 0 (2.26) Die Dehnungsdifferenz kann somit durch Integration aus der Verbundspannung gewonnen werden. Vorausgesetzt der Verlauf der Funktion ∆ε(x) wäre bekannt, so folgt für die Relativverschiebung δ(x) die Integralfunktion δ(x) = ò x ∆ε ( x ) dx (2.27) 0 Die Relativverschiebung δ(x) geht somit durch Integration aus der Dehungsdifferenz hervor. Umgekehrt vorgegangen stellt die Dehnungsdifferenz ∆ε die erste und die Verbundspanung τbd die zweite Ableitung der Verschiebung δ dar. Die Differentialgleichung des verschieblichen Verbundes lautet demnach δ″ ( x ) = C ⋅ τbd ( x ) U U C = ------------- + ------------Es As Ec Ac (2.28) Unabhängig davon ist die Relativverschiebung δ(x) mit der Verbundspannung τbd(x) über das Verbundgesetz (Bild 2.19) gekoppelt. Wenn man das Verbundgesetz durch analytische Funktionen annähert (z.B. Splines) läßt sich die Differntialgleichung (2.28) geschlossen lösen. Damit sind dann die Spannungs- bzw. Dehnungsverläufe in Bild 2.20 bis Bild 2.22 bekannt. Anmerkung: 2.3.3.6 Einfache geschlossene Lösungen liefert eine Linearisierung des Verbundgesetzes gemäß Bild 2.19. Sonderfall: Starr-plastisches Verbundverhalten τ bd τy δ Bild 2.23 14.11.01 Starr-plastisches Verbundgesetz 34 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) Bei einem starr-plastischen Verbundgesetz sind die Verbundspannungen τbd unabhängig von der Relativverschiebung δ. τ bd ( x ) = τ y (2.29) Wie im Bild 2.24 dargestellt, verläuft in diesem Falle die Verbundspannung über den Bereich 0 ≤ x < a konstant. Die Dehnungen εs(x) und εc(x) verlaufen linear und die Relativverschiebung δ(x) als quadratische Parabel. Die starr-plastische Formulierung des Verbundgesetzes eignet sich gut für glatte Schlaffund Spannstähle. Für Rippenstähle kann sie für eine Grenzfallbetrachtung von Nutzen sein. T T a a x ∆ε ( x ) = ε s ( x ) – εc ( x ) δc δc(x) = δs(x) − δc(x) δs Bild 2.24 2.3.3.7 Verschieblicher Verbund bei starr-plastischem Verbundgesetz Erstrißbildung Wir betrachten nun einen langen in einem Betonzylinder eingebetteten Bewehrungsstab und nehmen an, daß die einwirkende Zugkraft exakt jene Größe annimmt, die zur Bildung des ersten Risses an der zufällig schwächsten Stelle des Stahlbetonzugstabes führt (Bild 2.25). Im Rißquerschnitt übernimmt der Stahl die gesamte Zugkraft Tcr T cr ε s2 = ------------Es As (2.30) während der Beton an der Rißoberfläche spannungslos ist (εc2 = 0). Außerhalb des durch die Rißbildung „gestörten“ Bereiches befindet sich der Stab noch im (ungerissenen) Zustand I. Dort sind die Dehnungen im Stahl εs1 und im Beton εc1 gleich groß 14.11.01 35 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) ε c1 = ε s1 (2.31) Diese Dehnung liegt voraussetzungsgemäß geringfügig unter der Betonbruchdehnung. Im Bild 2.22 c wird ∆ε0 = 0. Die Lasteinleitungslänge läßt sich berechnen. Riß a Tcr Tcr ... Rißlast a a b τbd εc c εc1 εc2 d εs εs2 εs1 ε c1 = ε s1 Bild 2.25 Verbundbereich durch Riß gestörte Zone δs ε c1 = ε s1 Erstrißbildung Zwischen dem Rißquerschnitt und dem ungestörten Bereich existiert ein Lasteintragungsbereich mit der Länge a in dem ein Teil der Zugkraft Tcr über den Verbund vom Stahl auf den Beton übertragen (umgelagert) wird und in diesem sukzessive Zugspannungen aufbaut. Bereits eine geringfügige Laststeigerung führt zu weiteren Rissen an stochastisch verteilten, nicht vorhersehbaren Schwachstellen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, daß Risse innerhalb der obern erwähnten Lasteintragungslänge a entstehen, weil dort die Betonspannung kleiner ist als in den ungestörten Bereichen. Daraus folgt, daß der Rißabstand größer oder gleich sein wird als die Eintragungslänge a min s r = a (2.32) Wenn der Rißabstand größer ist, als die doppelte Eintragungslänge a, verbleibt zwischen den Rissen noch ein ungestörter Bereich, in dem sich ein weiterer Riß bilden kann. Der bei konstanter Zugkraft einwirkung zu erwartende Rißabstand sr läßt sich nur in groben Grenzen voraussagen. a ≤ s r ≤ 2a (2.33) Häufig wird deshalb der mittlere Rißabstand mit s r = 1, 5a 14.11.01 (2.34) 36 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) angesetzt. 2.3.3.8 Abgeschlossenes Rißbild Die Erstrißbildung ist abgeschlossen, wenn sich überall die gestörten Bereiche überschneiden (Bild 2.26 a). Bei einer weiteren Laststeigerung entstehen kaum neue Risse, die Rißbreiten nehmen aber entsprechend zu. Die äußere Zugkraft kan noch bis zum Fließen des Stahles gesteigert werden. Dabei wächst der Dehnungsunterschied gemäß Bild 2.26 b stark zu. Riß T T εs ε s1 = ε c1 ≤ ε ct εs2 εs1 = εc1 εc λ⋅T λ⋅T εs εs1 >> εc1 εs2 εc1 < εct Bild 2.26 14.11.01 Stadien der Rißentwicklung a) Erstrißbildung εs1 = εc1 b) abgeschlossene Rißbildung εs >> εc 37 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.4 Ermittlung des Querschnittswiderstandes bei Biegung 2.4.1 Einführung a ϑ ϑ ( -) (- ) ε2 ε2 2 Ma Ma 1 1 1 (+ ) (+) ε1 ε1 ( -) ε2 b ϑ 1 Bild 2.27 (+) ε1 Stabelement unter „reiner“ Biegung a) tatsächliche Situation b) vereinfachte Darstellung als „Dehnung im Querschnitt“ Das Bild 2.27 zeigt ein Stabelement mit der Länge „2“, welches an beiden Enden durch ein äußeres (aktives) Biegemoment belastet ist. Unter dieser in Stablängsrichtung konstanten Momenteneinwirkung verbiegt sich der Stab kreisförmig. Es gilt die Hypothese von Bernoulli-Navier: Alle Stabquerschnitte bleiben bei der Verformung eben und normal zur (verformten) Stabachse. Der Stab wird an der unteren Randfaser 1 um 2ε1 länger und an der oberen Randfaser um 2ε2 kürzer. Die Längenänderung eines Stabelements mit der Länge „1“ wird als Dehnung ε, die gegenseitige Verdrehung der Endquerschnitte eines Stabes mit der Länge „1“ wird als Krümmung ϑ definiert. 14.11.01 38 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.4.2 Berechnung der reaktiven Schnittgrößen zu einem vorgegebenen Dehnungszustand Das Bild 2.28 zeigt eine axonometrische Darstellung eines rechteckigen Stahlbetonquerschnittes mit einer Dehnungsebene, wie sie sich bei einachsiger (gerader) Biegung entsprechend Bild 2.27 b einstellt. εc2 Betonstauchung Dehnungsnullinie Dehnungsebene Stahldehnung εs Bild 2.28 Rechteckquerschnitt mit vorgegebener Dehnungsebene b( z) ε c2 dA c ( z ) = b ( z ) ⋅ dz εc( z ) dz z2 Biegedruckzone z z0 y zs ϑ Biegezugzone ε0 As z Bild 2.29 εs ε c1 Allgemeiner einfach symmetrischer Querschnitt mit vorgegebener Dehnungsebene Mit der durch die beiden Parameter ε0 und ϑ festgelegten Dehnungsebene ε ( z) = ε0 + ϑ ⋅ z (2.35) läßt sich mit Hilfe von Stoffgesetzen an jeder Stelle z die dort vorhandene Spannung berechnen. Die reaktiven Schnittkräfte werden durch Integration der Spannungen über die Querschnittsfläche berechnet. 14.11.01 39 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) Betonanteil der reaktiven Schnittgrößen: Bei dem im Bild 2.9 definierten Stoffgesetz werden keine Betonzugspannungen berücksichtigt. Die Integration erstreckt sich deshalb nur über die Biegedruckzone. z2 (-) Nc = ò (-) dN c zo z2 ( +) Mc = ò z ( -) ( -) ⋅ dNc (2.36) zo dN c ( z ) = σ c ( z ) ⋅ dA c = σ c ( z ) ⋅ b ( z ) ⋅ dz Anmerkung: (2.37) Bei einer vom Rechteck abweichenden Querschnittsform ist die Querschnittsbreite b in Gleichung (2.37) eine Funktion von z. Aus Bild 2.9 folgt: ( -) εc( z) σ c ( z ) = f cd ⋅ ------------- ⋅ æ 2 – è ε ε c > ε cp : cp ε c ≤ ε cp : σc ( z ) = εc ( z ) ------------ö ε cp ø ( -) fc d (2.38) Wenn man die Gleichung (2.35) in die Gleichung (2.38) einsetzt und danach die Gleichung (2.38) in die Gleichung (2.37), lassen sich die Integrale in Gleichung (2.36) geschlossen oder numerisch lösen. Damit ist der Betonanteil an den reaktiven Schnittgrößen für die vorgegebene Dehnungsebene - ausgedrückt durch die Dehnungsparameter ε0 und ϑ - berechnet: Stahlanteil an den reaktiven Schnittgrößen: Im vorliegenden Beispiel ist nur ein Bewehrungsstab am Ort zs vorhanden. N s( + ) = σ s( + ) ( ε s ) ⋅ A s M s( + ) = z s( + ) ⋅ N s( + ) (2.39) Die Stahlspannung ergibt sich für die Stahldehnung εs (Bild 2.29 und Gleichung (2.35)) ε s = ε o + ϑ ⋅ zs (2.40) aus dem Stoffgesetz (Bild 2.11 oder Bild 2.12) ε s ≤ ε yd : bi-linear ε s > ε yd : elastisch-plastisch ε s > ε yd : 14.11.01 σs = Es ⋅ ε s f td – f yd σ s = f yd + ---------------------- ⋅ ( ε s – ε yd ) ε s u – ε yd σ s = f yd (2.41) 40 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) Man erhält den Stahlanteil an den reaktiven Schnittgrößen, indem man Gleichung (2.40) in Gleichung (2.41) und Gleichung (2.41) in Gleichung (2.39) einsetzt. Wenn n-Bewehrungslagen gegeben sind, lautet die Gleichung (2.39) (Bild 2.30): å å n Ns = Ms = Ns i i=1 z si ⋅ N si N si = σ s ( z s i ) ⋅ A s i (2.42) A s3 z s3 εs 3 y z s1 z s2 A s2 ε s2 ε s1 A s1 z Bild 2.30 Definition der Bezeichnungen bei n = 3 Bewehrungslagen Damit sind die reaktiven Schnittgrößen für einen vorgegebenen Dehnungszustand bekannt; Gleichungen (2.36), (2.39) bzw. (2.42). N r = N c + Ns Mr = Mc + Ms Anmerkung: 14.11.01 (2.43) Die reaktiven Schnittgrößen sind auf das lokale Koordinatensystem bezogen. Nr greift im Koordinatenursprung an. Mr dreht um die y-Achse. 41 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.4.3 Gleichgewicht zwischen aktiven und reaktiven Schnittgrößen Wie im vorigen Abschnitt gezeigt wurde, liefert jeder Dehnungszustand (ε0, ϑ) einen eindeutig bestimmten Schnittgrößenzustand (Nr, Mr). Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß die Gleichgewichtsbedingungen zwischen einwirkenden (aktiven) Schnittgrößen und den entgegenwirkenden inneren (reaktiven) Schnittgrößen nur für einen einzigen Dehnungszustand erfüllt sind. Für vorgegebene Einwirkungen (Na, Ma) läßt sich der zugehörige Dehnungszustand, bei dem das Gleichgewicht Na = Nr Ma = Mr (2.44) erfüllt ist, im allgemeinen nur auf iterativem Weg auffinden (siehe Abschnitt 2.7.2), wobei die Dehnungsebene gezielt variiert wird, bis die Gleichgewichtsbedingungen (Gleichung (2.44)) erfüllt sind. 14.11.01 42 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.5 Grenzdehnungszustände Als Grenzdehnungszustand wird eine Dehnungsebene bezeichnet, bei der innerhalb des Querschnittes mindestens eine Grenzdehnung auftritt, gleichzeitig an keiner Stelle im Querschnitteine Grenzdehnung überschritten wird. Das Bild 2.31 zeigt die im EC 2 definierten Grenzdehnungszustände. εc u εc p εs u B 2 D A s2 4 3 A h 5 2 A s1 1 C 1 0 b zentrischer Druck, wenn As1 =As2 Bild 2.31 ε y k0, 95 ε su zentrischer Zug, wenn As1 = As2 Grenzdehnungszustände Bei zentrischem Druck ist der Grenzdehnungszustand erreicht, wenn die der rechnerischen Betondruckfestigkeit fcd zugehörige Stauchung εcp vorhanden ist. Das heißt, für zentrischen Druck ist die Grenzdehnung des Betons εcp. Als nächsten markanten Grenzdehnungszustand betrachten wir jene Dehnungsebene, die durch die Punkte 0 und B gegeben ist. Hier ist die Grenzdehnung durch die Bruchstauchung εc2 = εcu des Betons am oberen Querschnittsrand festgelegt. Am unteren Querschnittsrand ist keine Dehnung vorhanden (εc1 = 0, Zustand der Dekompression). Aber auch bei allen anderen Dehnungszuständen zwischen den beiden oben genannten Grenzdehnungszuständen sind Grenzdehnungen erreicht, solange die Dehnungsebene durch den Punkt A verläuft (A ist vom äußersten Druckrand 3/7·h entfernt). Die Grenzdehnungen εc2 des Betons liegen in diesem Dehnungsbereich (Bereich 1) zwischen εcu und εcp (εcu ≤ εc2 ≤ εcp). Ein nächster markanter Grenzdehnungszustand ist der, wenn der Beton am Biegedruckrand ausgenützt ist (Punkt B, εc2 = εcu ) und gleichzeitig die Bewehrung As1 mit Sicherheit ins Fließen kommt (εs1 = εyk,0.95). (εyk,0.95 siehe Bild 2.13) Alle Dehnungsebenen des Bereiches 2 und 3 sind Grenzdehnungszustände, solange der Beton am Biegedruckrand ausgenützt ist, also solange die Dehnungsebene durch den Punkt B geht. Die Bewehrung As1 wird im Bereich 2 gedehnt, kommt aber erst im Bereich 3 ins Fließen. Die äußerste Grenzdehnungsebene des Bereiches 3 ist durch die Punkte B und C gegeben. Am Biegedruckrand ist der Beton durch die Grenzstauchung εcu ausgenützt und die Bewehrung As1 hat die cha- 14.11.01 43 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) rakteristische Maximaldehnung erreicht. Die Grenzdehnungen des Bereiches 4 sind durch Erreichen der Stahlgrenzdehnung in der Bewehrung As1 bestimmt (εs1 = εsu). Bei jedem einzelnen dieser Grenzdehnungszustände wird der Beton zwar noch gedrückt, aber nicht mehr in seiner vollen Tragfähigkeit ausgenützt ( εcu < εc2 ≤ 0). Der Dehnungsbereich 5 ist dadurch gekennzeichnet, daß der Stahl in der Biegezugzone (As1) ausgenützt ist (εs1 = εsu) (Drehpunkt C), während am gegenüber liegendem Rand ebenfalls eine positive Dehnung herrscht. Dieser Dehnungsbereich stellt sich ein, wenn neben einem Biegemoment eine relativ große Zugkraft einwirkt. 14.11.01 44 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.6 Nachweis der Tragfähigkeit bei überwiegender Biegebeanspruchung Gegeben sind ein Stahlbetonquerschnitt (Querschnittsabmessungen, Stahlfläche, Beton- und Stahlgüte) und einwirkende Schnittgrößen NSd und MSd (ULS). Fragestellung: Ist der maximale Biegewiderstand MRd größer als das einwirkende Biegemoment MSd, wenn gleichzeitig das Normalkraftsgleichgewicht N Rd = N Sd (2.45) erfüllt ist? Mit anderen Worten: Ist in der Gleichung (2.46) die Bedingung λ ≥ 1 erfüllt? λ ⋅ M Sd = M Rd Anmerkung: Für λ ≥ 1 ist die normengemäße Tragsicherheit gegeben. ( M (2.46) Sd ≤M Rd ) Vorgangsweise: M Sd Bei überwiegender Biegebeanspruchung ( e = ----------- >> , große Ausmitte) ist jener GrenzdehnungszuN Sd stand, für den das Normalkraftgleichgewicht (2.45) erfüllt ist, in den Dehnungsbereichen 2 bis 4 zu suchen (Bild 2.31). Man beginnt beispielsweise mit dem Grenzdehnungszustand durch die Punkte B und C und ermittelt sich für diesen Dehnungszustand nach Abschnitt 2.4.2 die reaktive Normalkraft NRd. Wenn NRd > NSd ist, liegt der gesuchte Grenzdehnungszustand im Dehnungsbereich 2 oder 3 (Beton ausgenützt). Man dreht die Dehnungsebene um den Punkt B bis das Normalkraftgleichgewicht (Gleichung (2.45)) erfüllt ist. Wenn NRd < NSd liegt der gesuchte Grenzdehnungszustand im Bereich 4 (Stahl ausgenützt). Man dreht in diesem Falle die Dehnungsebene um den Punkt C, bis das Normalkraftgleichgewicht (Gleichung (2.45)) erfüllt ist. Für den nunmehr bekannten Grenzdehnungszustand - bei dem die Bedingung NRd = NSd erfüllt ist - berechnet man nun das reaktive Biegemoment MRd und den Faktor λ. M Rd λ = ----------M Sd (2.47) Für λ ≥ 1 ist die Tragsicherheit erfüllt. 14.11.01 45 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.7 Bemessung bei reiner Biegung (NSd = 0) 2.7.1 Fragestellung Gegeben ist ein Betonquerschnitt mit den Querschnittsabmessungen sowie die Beton- und die Stahlgüte. Gegeben ist auch das einwirkende Biegemoment MSd. Die Normalkraft ist Null. Gesucht ist die erforderliche Biegezugbewehrung erf As. 14.11.01 46 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.7.2 Iterative Ermittlung des Grenzdehnungszustandes Vorgangsweise: Wieder geht man von dem Grenzdehnungszustand B - C im Bild 2.31 aus (εc2 = εcu , εs1 = εsu). Für diesen Dehnungszustand ermittelt man die Betonanteile (Nc, Mc) an den reaktiven Schittgrößen nach Abschnitt 2.4.2, Gleichung (2.36). ε cu a B y M Sd Mc Nc Ns C ε su Grenzdehnungsebene B-C As Reaktion z b Druckgurt σc y B Nc (-) ec Aktion M Sd za zs As Ns Zuggurt Reaktion Spannungen z Bild 2.32 C Dehnungen Aktion Ausgangszustand für die iterative Ermittlung jenes Dehnungszustandes, der das Momentengleichgewicht erfüllt Da voraussetzungsgemäß keine äußere (aktive) Normalkraft einwirkt (NSd = 0) lautet die Normalkraftgleichgewichtsbedingung (Bild 2.32 a) (- ) (+ ) N Rd = N c + N s Mit Mc e c = ------Nc = 0 (2.48) (2.49) ist der Angriffspunkt der resultierenden Betondruckkraft in der Biegedruckzone bekannt (Bild 2.32 b). Der Abstand za zwischen der Druckgurtkraft N c und der Zuggurtkraft N s wird als innerer Hebelarm bezeichnet. z a = ec + zs 14.11.01 (2.50) 47 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) Das reaktive Moment lautet M Rd = – N c ⋅ z a (2.51) ( -) a B (- ) ε c > ε cu Nc x za C As εc u εs u b B Nc x za C As ε yk0, 95 < ε s < ε s u c B Nc x za C As Bild 2.33 εs < ε yk0, 95 Fallunterscheidungen (schematisch) a) „unterbewehrter Querschnitt“, Stahl ausgenützt, Beton nicht ausgenützt b) „normalbewehrter Querschnitt“, Stahl fließt, Beton ausgenützt c) „überbewehrter Querschnitt“, Stahl kommt nicht ins Fließen, Beton ausgenützt Fallunterscheidungen: Fall a: Bild 2.33 a Wenn MRd > MSd ist, liegt jener gesuchte Grenzdehnungszustand, für den das Momentengleichgewicht erfüllt ist, im Dehnungsbreich 4 (Stahl ausgenützt εs = εsu, Beton nicht ausgenützt εc2 > εcu). Die Dehnungsebene wird iterativ um C verdreht bis das Momtentengleichgewicht MRd = M Sd erfüllt ist. Der Querschnitt versagt durch Reißen der Biegezugbewehrung, bevor der Biegedruckgurt bricht. Das Versagen kündigt sich durch sehr große Stahldehnungen und starke Rißbildung an (sehr duktiles Verhalten). Anmerkung: 14.11.01 Das reaktive Moment MRd = - Nc· z a nimmt von Fall a) nach c) zu, weil Nc stärker anwächst als za abnimmt. 48 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) Fall b: Bild 2.33 b Wenn MRd < MSd wird, ist die Kraft N c im Biegedruckgurt zu klein, um das Moment MSd aufzunehmen. Um die Querschnittsfläche des Biegedruckgurtes zu vergrößern, muß man die Stahldehung reduzieren (Bild 2.33 b). Die Grenzdehnungsebene wird iterativ um den Punkt B verdreht (Dehnungsbereich 3) bis das Momentengleichgewicht MRd = MSd gegeben ist. Das Querschnittsversagen wird in diesem Fall ursächlich durch Fließen der Bewehrung ausgelöst, jedoch bricht die durch das Stahlfließen eingeschnürte Druckzone, bevor die Bewehrung reißt. Das Versagen kündigt sich durch starke Rißbildung an (duktiles Verhalten). Fall c: Bild 2.33 c Wenn man bei der Dehnungsiteration im Dehnungsbereich 3 kein Momentengleichgewicht findet, geht die Iteration in den Dehnungsbereich 2 über. D.h. die Stahldehnung wird kleiner als die Fließdehnung bei Überfestigkeit (εs< εyk,0.95). Die Biegezugbewehrung kommt nicht ins Fließen. In diesem Fall tritt ein vorwarnungsloser Sprödbruch der Biegedruckzone ein. Der Biegedruckgurt ist zur Aufnahme des einwirkenden Momentes M Sd zu schwach. Derartige Querschnitte sind nicht zulässig. Der Druckgurt muß verstärkt werden. Mögliche Maßnahmen: • Bessere Betongüte (meist nicht zweckmäßig) • Querschnittshöhe (Hebelarm za) vergrößern und/oder • Druckgurt vergrößern (Breite b) • Druckbewehrung anordnen (siehe Abschnitt 2.8) 14.11.01 49 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.7.3 Bemessung der Biegezugbewehrung Nachdem jener Grenzdehnungszustand aufgefunden ist, für den das Momentengleichgewicht M Rd = – N c ⋅ z a = M Sd (2.52) erfüllt ist, läßt sich die Kraft Ns im Biegezuggurt entweder aus dem Momentengleichgewicht M Sd N s = ----------za (2.53) oder aus dem Normalkraftgleichgewicht N Rd = N s + N c = N Sd = 0 N s = – Nc (2.54) ermitteln. Damit erhält man die erforderliche Stahlfläche Ns erfA s = ---------------σ s ( εs ) (2.55) Grundsätzlich folgt σs über das Stoffgesetz aus dem bekannten Dehnungszustand. Weil der Fall c ausgeschlossen wurde, ergibt sich für das bi-lineare Stoffgesetz (Bild 2.11) f yd ≤ σ s ( ε s ) ≤ f td (2.56) bzw. für das elastisch-plastische Stoffgesetz (Bild 2.12) σ s = f yd 14.11.01 (2.57) 50 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.8 Verstärken der Druckzone mit einer Druckbewehrung Wie bereits erwähnt, ist der Fall c) im Bild 2.33 c wegen der Sprödbruchgefahr unzulässig. Die Biegedruckzone muß verstärkt werden. Als Verstärkung kann man eine Druckbewehrung am Biegedruckrand einlegen. Man geht von dem in Bild 2.34 skizzierten Grenzdehnungszustand (εc2 = εcu, εs1 = εyk,0.95) aus, der definitionsgemäß noch zulässig ist (Bedingung: ε s1 ≥ ε yk, 0.95 ). Für diesen Dehnungszustand läßt sich Nc und za ermitteln und damit jenes reaktive Biegemoment Mc, welches die Betondruckzone (ohne Druckbewehrung) tragen kann: M c = – Nc ⋅ za (2.58) Die zugehörige Kraft Ns im Biegezuggurt Ns = –Nc (2.59) erfordert die Bewehrungsfläche Ns Nc A s = ------- = – ------f yd f yd (2.60) Da voraussetzungsgemäß MSd größer ist als Mc, muß das Differenzmoment ∆M = M Sd – M c (2.61) mit Hilfe zusätzlicher Bewehrungen am Zug- und Druckrand (Bild 2.34 b) aufgenommen werden. Für das Kräftepaar ∆Ns1 und ∆N s2 gilt ∆M ∆N s1 = -------a (2.62) – ∆M ∆N s2 = – ----------a (2.63) Aus Gleichung (2.63) erhält man die erforderliche Druckbewehrung ∆N s2 A s 2 = ---------------------σ s2 ( ε s2 ) 14.11.01 (2.64) 51 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) ε cu f cd a x0 Nc za Þ M Sd – ∆M Mc Ns ε yk, 0.95 = εs1 As ε cu ∆A s2 b ∆N s2 a ε s2 Þ ∆M r ∆M ∆N s1 ∆A s1 Bild 2.34 ε y k, 0.95 = ε s1 Verstärken der Biegedruckzone durch eine Druckbewehrung a) Momentenanteil Mc, den die Betondruckzone trägt b) Momentenanteil ∆M, den die Druckbewehrung übernimmt Die Stauchung εs2 folgt aus dem Grenzdehnungszustand im Bild 2.34 b. Die zugehörige Stahlspannung σs2 erhält man aus dem Stoffgesetz (Bild 2.35). Die Zusatzbewehrung ∆As1 in der Biegezugzone lautet ∆N s1 ∆A s1 = ------------σs 1 (2.65) Aus den Gleichungen (2.60) und (2.65) ergibt sich die erforderliche Gesamtbewehrung in der Biegezugzone: A s 1 = A s + ∆A s 1 14.11.01 (2.66) 52 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) (+) σs ( + ) f td σs 1 ( -) εs f yd ( -) ε s2 Es (+ ) (+ ) ε s1 εs ( -) σs 2 f yd f td ( -) σs Bild 2.35 14.11.01 Stahlspannung σs1 und σs2 53 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.9 Bemessung bei Biegung mit Längskraft und großer Lastausmitte Es wird hier vorausgesetzt, daß das einwirkende Biegemoment im Vergleich zur Normalkraft derart überwiegt, daß sich ein Grenzdehnungszustand einstellt, der innerhalb der Dehnungsbereiche 3 oder 4 im Bild 2.31 liegt. Die Querschnittsbemessung bei Biegung mit Längskraft (Zug oder Druck) läßt sich mit einem einfachen Trick auf den im Abschnitt 2.7 behandelten Fall der reinen Biegung zurückführen: a c b c2 Ms 1 M Sd y N Sd zs N Sd s1 As A s, M A s, N z Bild 2.36 Transformation der Schnittgrößen auf die Biegezugfaser s1 a) Ausgangssituation b) einwirkendes Biegemoment auf die Biegezugbewehrung s1 bezogen c) einwirkende Normalkraft auf die Biegezugbewehrung bezogen Statt die einwirkenden Schnittgrößen gemäß Bild 2.36 a auf den lokalen Koordinatenursprung zu beziehen, transformiert man sie auf die Biegezugbewehrung. Das Biegemoment Ms1 um den Zugmittelpunkt M s1 ,Sd = M Sd – N Sd ⋅ z s (2.67) beansprucht den Querschnitt wie im Abschnitt 2.7 besprochen. Die Biegebemessung liefert die Stahlfläche As,M M s1,Sd A s, M = -----------------za ⋅ fy d (2.68) Da außerdem noch die Normalkraft NSd im Zugmittelpunkt einwirkt, ist dort noch die zusätzliche Stahlfläche As,N erforderlich. Sie nimmt NSd auf: N Sd A s, N = ---------f yd (2.69) Für die gesuchte Bewehrung ergibt sich somit die Summe As = A s,M + As,N Anmerkung: 14.11.01 (2.70) Die Gleichungen (2.67) bis (2.70) gelten unabhängig vom Vorzeichen der Normalkraft NSd, d.h. sowohl für Druck (NSd < 0) als auch für Zug (NSd > 0). 54 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.10 Bemessung eines zentrisch beanspruchten Druckstabes ε s = ε cp As 2 a N Rd N Sd ε cp A s1 Reaktion b εc 1 Aktion ( -) ε cp εs εs f cd (- ) σs σc f yd σs Bild 2.37 zentrischer Druck im ULS a) Grenzdehnungszustand b) Beton- und Stahlspannung im Grenzdehnungszustand Bei symmetrischer Bewehrungsanordnung stellt sich dem Bild 2.31 entsprechend der im Bild 2.37 dargestellte Grenzdehnungszustand ein. Mit den im Bild 2.37 b definierten Dehnungen εs = εcp und Spannungen σc = fcd und σs = Es. εcp erhält man die reaktive Normalkraft (-) (- ) N Rd = f cd ⋅ A c + σ s ⋅ ( A s1 + A s2 ) 14.11.01 (2.71) 55 2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) 2.11 Bemessung eines Zugstabes im ULS 2 A s2 NRd NSd 1 A s1 Bild 2.38 Reaktion 1 ε su Aktion Zentrischer Zug im ULS Bei symmetrischer Bewehrung As1 = As2 stellt sich der Grenzdehnungszustand C-D (εs1 = εs2 = εsu) gemäß Bild 2.31 ein. In den Rißquerschnitten (σc = 0) lautet der Querschnittswiderstand N Rd = f td ⋅ ( A s1 + A s2 ) Anmerkung: (2.72) Bisher wurden folgende Bemessungsfälle behandelt: „Reiner Zug“ (M = 0), „Reiner Druck“ (M = 0), „Reine Biegung“ (N = 0) und „Biegung mit Längskraft“ (Zug oder Druck), wenn die Normalkraft relativ klein bzw. die Lastexzentrizität e M Sd e = ------------N Sd (2.73) so groß ist, daß die Biegezugbewehrung ins Fließen kommt (große Lastausmitte). Die Bemessungsfälle „kleine Lastausmitte“ und „mittlere Lastausmitte“ werden im Abschnitt 5 (Stützen) behandelt. Bei einer Druckbeanspruchung mit kleiner Ausmitte bleibt der gesamte Querschnitt unter Druck (Zustand I). Im Falle der mittleren Ausmitte reißt der Querschnitt zwar in der Biegezugzone auf (Zustand II), die Biegezugbewehrung kommt jedoch nicht ins Fließen (εs1< εyk,0.95). 14.11.01 56 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit Serviceability Limit State (SLS) 3.1 Einführung Mit den Nachweisen in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit soll einerseits die geplante Nutzung und anderseits auch die Dauerhaftigkeit über die vorgesehene Nutzungsdauer sichergestellt werden. In der Regel sind folgende Nachweise zu führen: 1. Spannungsnachweise 2. Rißbreitennachweise 3. Verformungsnachweise Gegebenenfalls sind auch andere Gebrauchszustände, wie beispielsweise die Schwingungsanfälligkeit oder die Wasserdichtheit zu untersuchen. 14.11.01 57 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.2 Maßgebende Einwirkungskombinationen (EK) im SLS Für die Nachweise in den SLS sind drei Einwirkungsniveaus zu unterscheiden. Anmerkung: Sie werden nachfolgend am Beispiel der führenden Auswertung nach den Biegemomenten dargestellt. Sie gelten auch für die führende Auswertung nach den Normalkräften, wenn man in den Überlagerunsformeln formal M durch N ersetzt. 1. Selten auftretende EK (charakteristische EK) Sie repräsentiert das höchste Lastniveau der Gebrauchslasten (geringe Auftretenswahrscheinlichkeit: etwa 1 x pro Jahr) M0 = å j≥1 M G, j + M Q, 1 + å ψ o, i ⋅ M Q, i i>1 (3.1) 2. Häufig auftretende EK Sie repräsentiert ein „mittleres“ Lastniveau der Gebrauchslasten (hohe Auftretenswahrscheinlichkeit: etwa 300 x pro Jahr) M1 = å j≥1 M G, j + ψ 1 , 1 ⋅ M Q, 1 + å i>1 ψ 2, i ⋅ M Q, i (3.2) 3. Quasi-ständig vorhandene EK Sie repräsentiert ein „unteres“ Lastniveau im Gebrauchszustand. M2 = å j≥1 M G, j + å i ψ 2 , i ⋅ M Q, i (3.3) ψ0,i ...................Kombinationsbeiwert. Er erfaßt jenen Anteil des Lastfalles i, der mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit gleichzeitig mit der Leiteinwirkung auftritt ψ1,1 ...................Kombinationsbeiwert für den häufig auftretenden Anteil der Nutzlast 1 ψ2,1 ...................Kombinationsbeiwert für den quasi-ständig wirkenden Anteil der Nutzlast i Anmerkung: Beispiele für Kombinationsbeiwerte ψ finden sich in Tabelle 2.3 • Die seltene EK wird beispielsweise den Spannungsnachweisen zu Grunde gelegt. • Die häufige EK wird vorzugsweise für die Rißbreitennachweise eingesetzt. • Die quasi-ständige EK wird zur Berechnung der Auswirkungen des Kriechens und Schwindens und in der Regel auch für die Verformungsnachweise verwendet. 14.11.01 58 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.3 Materialeigenschaften Anmerkung: 3.3.1 Dieser Abschnitt ergänzt das Kapitel 2.3. mit Materialeigenschaften, die für den SLS von Bedeutung sind. Zugfestigkeiten von Beton Das Tragverhalten unter Zugbeanspruchung hängt in erster Linie von der Zugfestigkeit des Zementsteines ab (Bild 3.1). Bild 3.1 Tragverhalten von Beton unter Zugbeanspruchung Deshalb ist die Betonzugfestigkeit nur etwa 10% der einachsigen Betondruckfestigkeit. Auch hier ist die Kontaktfläche zwischen Zementstein und Zuschlagkorn für das Versagen bei normalfestem Beton verantwortlich. Anmerkung: Bei hochfesten Betonen oder bei Beton mit Zuschlägen von geringer Festigkeit (Leichtbeton) ist die Festigkeit des Zementsteines und der Verbundschicht so groß, daß die Bruchfläche durch die Zuschlagkörner verläuft. In Abhängigkeit vom gewählten Prüfverfahren unterscheidet man drei Zugfestigkeiten: • Biegezugfestigkeit fct,fl fl . . . . . . . . . . . flectural • Spaltzugfestigkeit fct,sp sp . . . . . . . . . . splitting • zentrische Zugfestigkeit fct,ax ax . . . . . . . . . . axial Gesucht erreicht normalerweise die zentrische Zugfestigkeit. Da die Versuchstechnik zur Ermittlung der zentrischen Zugfestigkeit aufwendig ist, werden in der Regel die Biegezug- bzw. die Spaltzugfestigkeit ermittelt. Nach EC 2 läßt sich daraus die zentrische Zugfestigkeit wie folgt errechnen: f ct, ax = 0.5 ⋅ f c t, fl (3.4) f ct, ax = 0.9 ⋅ f c t, sp (3.5) Wenn die Zugfestigkeit nicht experimentell ermittelt werden kann, dürfen die Werte der charakteristischen Zugfestigkeit für die entsprechende Festigkeitsklasse aus Tabelle 2.4 angenommen werden. fctm ...................Mittelwert der Zugfestigkeit fct,0.05 ...............untere Schranke der charakteristischen Zugfestigkeit (5% Fraktile) fct,0.95 ...............obere Schranke der charakteristischen Zugfestigkeit (95% Fraktile) 14.11.01 59 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) Die untere Schranke (5%-Fraktile) der Zugfestigkeit lautet dann: f ctk = f ct, 0.05 = 0.7 ⋅ f ctm (3.6) Die obere Schranke (95%-Fraktile) der Zugfestigkeit lautet: f ct, 0.95 = 1.3 ⋅ f c tm (3.7) Der Rechenwert für die untere Schranke der einachsigen Zugfestigkeit lautet: f ctk f c td = -------γc t (3.8) Je nach Aufgabenstellung werden unterschiedliche Sicherheitsbeiwerte innerhalb der nachfolgenden Schranken angenommen. 1, 0 ≤ γct ≤ 2, 0 im ULS (3.9) 1, 0 ≤ γct ≤ 1, 3 im SLS (3.10) Bei der Berechnung von Rißschnittgrößen kann fctk,0.05 als Zugfestigkeit eingesetzt werden ( γct =1) Die charakteristischen Zugfestigkeiten sind in der Tabelle 2.4 in Abhängigkeit von der Betonfestigkeitsklasse nach EC 2 zusammengestellt. 3.3.2 Elastizitätsmodul von Beton Wenn keine Meßergebnisse vorliegen, kann näherungsweise der Elastizitätsmodul in Abhängigkeit von der Betongüte der Tabelle 2.4 entnommen werden. 3.3.3 Stoffgesetze im SLS Sowohl für den Bewehrungsstahl als auch für den Beton darf im SLS das Hooke’sche Gesetz angesetzt werden: 14.11.01 σ c = E cm ⋅ ε c (3.11) σ s = Es ⋅ εs (3.12) 60 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.4 Spannungsnachweise im SLS 3.4.1 Druckstab Voraussetzungsgemäß bleiben die Querschnitte bei der Verformung eben und es herrscht starrer Verbund. Damit gilt gemäß Bild 3.2 ε = εc = εs (3.13) As/2 Ns/2 N Ac Na c Ns/2 As/2 Bild 3.2 εs εc Reaktion Aktion Verteilungsgrößen Die reaktive Normalkraft Nr setzt sich aus dem Betonanteil N c = E c ⋅ Ac ⋅ ε (3.14) und dem Stahlanteil N s = E s ⋅ As ⋅ ε (3.15) N r = N c + Ns (3.16) zusammen: Wenn man die Gleichungen (3.14) und (3.15) in die Gleichung (3.16) einsetzt, ergibt sich (3.17). Es N r = E c ⋅ æ A c + ------ ⋅ A sö ⋅ ε è ø E (3.17) c Mit der Gleichgewichtsbedingung Nr = Na (3.18) erhält man aus Gleichung (3.17) die Stauchung ε ε 14.11.01 (- ) (- ) Na = ---------------Ec ⋅ Ai (3.19) 61 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) mit der ideelen Querschnittsfläche Ai Ai = Ac + αs ⋅ As oder A i = A c, b + ( α s – 1 ) ⋅ A s (3.20) Ai ......................ideele Querschnittsfläche Ac .....................Netto-Betonquerschnittsfläche Ac,b ...................Brutto-Betonquerschnittsfläche αs .....................E-Modulverhältnis Es α s = -----Ec (3.21) Wenn man ε aus Gleichung (3.19) in die Gleichungen (3.14) und (3.15) einsetzt, erhält man die sogenannten Verteilungsgrößen. Ac N c = ------ ⋅ N a Ai (3.22) αs ⋅ As N s = ----------------- ⋅ N a Ai (3.23) Das sind jene Anteile der Kraft Na, die auf die beiden Materialkomponenten Beton und Bewehrungsstahl entfallen. Die Beanspruchung σ c lautet: (- ) σc = (- ) Ec ⋅ εc (-) ( -) Na Nc = ---------- = ---------Ac Ai (3.24) Hinsichtlich der Betondruckspannungen sind zwei Nachweise zu führen: 1. Für die seltene EK darf die Betondruckspannung den zulässigen Wert zul σ c = 0.6 ⋅ f ck (3.25) nicht überschreiten. Dieser Nachweis soll eine progressive Mikrorißbildung verhindern, welche zu Längsrissen führen kann (besonders für die Umweltklassen 3+4). Anmerkung: Wenn die Druckzone durch Bügel umschlossen ist, kann dieser Nachweis entfallen. 2. Für die quasi-ständige EK darf die Betondruckspannung den zulässigen Wert zul σ c = 0.45 ⋅ f ck (3.26) nicht überschreiten. Dieser Nachweis verhindert überhöhte Kriechverformungen (nichtlineares Kriechen). 14.11.01 62 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.4.2 Zugstab Wenn die einwirkende Zugkraft kleiner ist als die Rißlast Ncr (Index „cr“ für crack) N cr = f ctk, 0.05 ⋅ A i (3.27) bleibt der Zugstab im Zustand I. Es gelten die Formeln (3.13) bis (3.24) mit dem Unterschied, daß Na > 0 ist und sich damit alle Vorzeichen umkehren. Beim Überschreiten der Rißlast Ncr entstehen in den schwächsten Querschnitten Risse. Anmerkung: Querschnitte, in denen Bügel angeordnet sind, neigen zur Rißbildung („Perforierung“ des Querschnittes durch die Bügel). Im Rißquerschnitt wirkt lediglich die Bewehrung Na σ s = ------As (3.28) Für die seltene EK darf die Stahlspannung σs den zulässigen Grenzwert zul σ s = 0.8 ⋅ f yk (3.29) nicht überschreiten. Dieser Nachweis soll sicherstellen, daß die Stahldehnung unter Gebrauchslast im elastischen Bereich (Hooke’scher Bereich) bleibt. Dadurch können sich Risse nach der Entlastung wieder schließen. 14.11.01 63 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.4.3 Biegestab Ermittlung des Rißmomentes Wenn das ungünstigste einwirkende Moment M0 (unter der seltenen EK) kleiner ist als das Rißmoment Mcr M cr = f ctk 0,05 ⋅ W i (3.30) bleibt der Biegequerschnitt im Zustand I. • Ideeller Querschnitt im ungerissenen Zustand (Zustand I) 2 y z Sn c c z i Schwerpunkt des Nettobetonquerschnittes i c i h–z Schwerpunkt des ideellen Querschnittes zs Si h i 1 As Bild 3.3 z Ideeler Querschnitt: Definition der Bezeichnungen Ac ⋅ zc + α s ⋅ A s ⋅ z s z i = -------------------------------------------------Ai Ai = A c + αs ⋅ As Es αs = -----Ec (3.31) siehe Gleichung (3.20) siehe Gleichung (3.21) Satz von Steiner: 2 Ji = Jc + Ac ⋅ ( zi – z c ) + α s ⋅ As ⋅ ( zs – z i ) 2 (3.32) Ji W 1i = ------------h – zi (3.33) Ii W 2i = – ---zi (3.34) Hierin bedeuten: zi..................Abstand des ideelen Schwerpunktes vom Biegedruckrand Ai .................ideele Querschnittsfläche Ji..................ideeles Trägheitsmoment Wi ................ideeles Widerstandsmoment 14.11.01 64 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) • Ideeler Querschnitt im gerissenen Zustand (Zustand II) Beim Überschreiten des Rißmomentes Mcr fällt die Betonzugzone schlagartig aus. Der Dehnungszustand des Querschnittes geht in den Zustand II über (Bild 3.4). Bei reiner Biegung (N = 0) fällt die Nullinie in die ideele Schwerachse des gerissenen Querschnittes (bestehend aus der Biegedruckzone und der Biegezugbewehrung). Für den Rechteckquerschnitt und den Plattenbalkenquerschnitt läßt sich der gesuchte Dehnungszustand direkt berechnen: εc zc y xo Nc d i Ma i za Ns As εs z Bild 3.4 • Biegequerschnitt im Zustand II; Spannungsnachweis für den Rechteckquerschnitt ohne Druckbewehrung gilt: α s ⋅ A s1 2bd x = -------------------- ⋅ æ – 1 + 1 + --------------------ö è b α s ⋅ A s1ø • Es α s = -----Ec (3.35) x z = d – --3 (3.36) 2M σ c = -----------------b⋅x⋅z (3.37) αs ⋅ ( d – x) M σ s1 = ----------------- = σ c ⋅ ---------------------------z ⋅ A s1 x (3.38) für den Rechteckquerschnitt mit Druckbewehrung gilt: α s ⋅ ( A s1 + A s2 ) x = – ----------------------------------------- + b α s ⋅ ( A s1 + A s2 ) æ ----------------------------------------ö è ø b 2 2α s + ---------- ⋅ ( A s1 ⋅ d + A s 2 ⋅ d 2 ) b M σ c = -----------------------------------------------------------------------------------------------------------x – d2 b ⋅x ---------⋅ ( 3d – x ) + α s ⋅ A s2 ⋅ ( d – d 2 ) ⋅ --------------6 x αe ⋅ ( d – x) σ s1 = σ c ⋅ ---------------------------x 14.11.01 (3.39) (3.40) (3.41) 65 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) • für den Plattenbalkenquerschnitt gilt: – k 2 + k 22 + b w ⋅ ( 2 ⋅ d ⋅ A e + hf ⋅ k 1 ) x = ---------------------------------------------------------------------------------------------bw mit hf k 1 ⋅ h f ⋅ æ 3 – 2 ⋅ ----ö + b w ⋅ x 2 è xø z = d – ----------------------------------------------------------------------hf 3 ⋅ bw ⋅ x + k 1 ⋅ æ 2 – ----ö è xø Es α s = -----Ae = αs ⋅ As Ec (3.42) k1 = h f ⋅ ( b – bw ) k2 = Ae + k1 (3.43) lautet die Stahlspannung M σ s = ----------------z ⋅ A s1 (3.44) und die Betonrandspannung x σ c = – σ s ⋅ ---------------------------α ⋅ ( x – d) (3.45) s Für den nunmehr bekannten Dehnungszustand ist nachzuweisen, daß σ c = E c ⋅ ε c ≤ zulσ c σ s = E s ⋅ ε s ≤ zulσ s (3.46) zul σc nach Gleichung (3.25) bzw. (3.26) zul σs nach Gleichung (3.29). Für allgemeine Querschnittsformen ist der Dehnungszustand (εc, εs) iterativ zu variieren, bis folgende Gleichgewichtsbedingungen erfüllt sind: N c + Ns = 0 N s ⋅ za = Ma (3.47) ò σc ( z ) ⋅ b ( z ) ⋅ dz (3.48) σ c ( z ) ⋅ b ( z ) ⋅ z ⋅ dz (3.49) Nc = Mc = 14.11.01 x0 0 ò x0 0 Mc z c = ------Nc (3.50) za = d – zc (3.51) N s = E s ⋅ As ⋅ εs (3.52) 66 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.5 Rißbreitennachweis 3.5.1 Einführung Risse sind in Stahlbetonkonstruktionen nicht zu vermeiden. Erst durch Rißbildung erhält der Bewehrungsstahl die ihm bei der Bemessung im Zustand II zugewiesene Zugkraft. Neuere Untersuchungen zeigen, daß unter normalen Umweltbedingungen vor allem die Dicke und Dichte der Betondeckung für den Korrosionsschutz ausschlaggebend ist und erst in zweiter Linie die Rißbreite, soferne die Rißbreiten entsprechend klein bleiben. Bei fachgerechter Konstruktion sind Schäden infolge von Rißbildung meist auf Zwang-Beanspruchungen zurückzuführen. Durch eine risseverteilende und rissbreitenbeschränkende Bewehrung (kleiner Rißabstand srm und begrenzte Stahldehnung εsm , sowie durch eine entsprechende Betontechnologie und eine zweckmäßige konstruktive Durchbildung lassen sich die Rißbreiten wirksam steuern, d.h. klein halten. In trockener Umgebung sind Rißbreiten von 0,3 mm bis 0,5 mm zulässig. Um Dichtigkeit gegen Flüssigkeiten zu erreichen, sind die rechnerischen Rißbreiten mit 0,1 mm bis 0,2 mm zu begrenzen. Die Rißbildung und Rißbreite hängt von verschiedenen Einflußparametern ab, vor allem von : • Art und Größe der Einwirkungen (Schnittgrößen) • Betonzugfestigkeit • Verbundfestigkeit und Verbundwirkung (Stabdurchmesser) • Bewehrungsgrad bezogen auf die Zugzone • Betondeckung • Bauteildicke und Bauteilform • Verteilung der Zugspannungen (vor der Rißbildung) Da von diesen Parametern insbesondere die Zugfestigkeit und die Verbundwirkung großen Streuungen unterworfen sind, besitzen die zur Bestimmung von Rißbreite und Rißabstand abgeleiteten Rißformeln unabhängig von ihrem Aufbau nur eine begrenzte Aussagefähigkeit. So treten Risse häufig in Querschnitten auf, wo eine Querbewehrung (ein Bügel) angeordnet ist, da diese eine Querschnittsschwächung bewirkt. Um die Herleitung von Rißformeln zu verstehen, muß zunächst das Last-Verformungsverhalten eines Zuggliedes näher betrachtet werden: 14.11.01 67 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.5.2 Rißbildungs- und Rißentwicklungsmechanismus 3.5.2.1 Zustand I Wird ein Stahlbetonzugstab mit einer zunehmenden Zugkraft Na belastet, so treten zunächst keine Risse auf (Zustand I) und die Dehnungen von Beton (εc) und Stahl (εs) sind gleich (Gleichung (3.13)). Unter Ansatz der ideelen Querschnittswerte kann die Dehnung wie folgt bestimmt werden. (Gleichung (3.19) und (3.20)) Na Na ε s = ε c = ---------------- = ---------------------------------------------------Ec ⋅ Ai Ec ⋅ A c ⋅ ( 1 + α s ⋅ ρt ) (3.53) mit Es α s = ------ ..........E-Modul-Verhältnis Ec As ρ t = ------ ...........Bewehrungsgrad Ac 3.5.2.2 Erstrißbildung Der erste Riß (1) tritt auf, sobald die Zugfestigkeit bzw. die Bruchdehnung des Betons auf Zug erreicht wird und zwar in jenem (schwächsten) Querschnitt, wo der geringste Widerstand, d.h. die geringste Zugfestigkeit vorhanden ist. Die mit der Rißbildung freiwerdende Betonzugkraft muß von der Bewehrung übernommen werden und verursacht in dieser eine Zunahme der Dehnung und Spannung. Beidseitig des Risses treten Verbundspannungen (Bild 3.5) auf, die dem Verbundgesetz (Bild 2.4) entsprechend die Verträglichkeit der Verformung herstellen. Mit Hilfe dieser Verbundspannungen baut sich im Beton die im Rißquerschnitt verlorengegangene Zugkraft wieder sukzessive auf, bis am Ende der Einleitungslänge a die Dehnungen von Beton und Stahl wieder gleich groß sind (Bild 3.5). Kennzeichnend für das Stadium der Erstrißbildung ist, daß zwischen den Rissen noch ungestörte Bereiche (τbd = 0) existieren, für die εs = εc ist (Zustand I). Da in diesem Bereich die Betonzugspannung gemäß Bild 3.5 konstant verläuft, entsteht der nächste Riß bei einer (geringfügigen) Laststeigerung an einer nicht vorhersehbaren Schwachstelle, wo der Querschnittswiderstand im Zustand I mit dem Erreichen der Betonzugfestigkeit überwunden wird. Im Bild 3.6 ist dieser neue Riß (3) an „zufälliger“ Stelle eingetragen. 14.11.01 68 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) Risse Na Na ε s, ε c x 2 1 ε s, II εs( x ) ε s, I ε c, I εc( x ) τ bd x a a a a τ bd ( x ) x „ungestörter“ Verbundbereich Bild 3.5 „ungestörter“ Verbundbereich „ungestörter“ Verbundbereich Beton-, Stahldehnungen (εc, εs) und Verbundspannungen (τbd) bei Erstrißbildung Riss Riss Riss Na Na x 1 2 3 ε s, ε c εs τ bd εc a a x τ bd ( x ) x „ungestörter“ Verbundbereich Bild 3.6 14.11.01 Fortgeschrittene Phase der Erstrißbildung 69 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) Zwischen den Rissen (1) und (3) im Bild 3.6 überschneiden sich bereits die Verbundbereiche. Die Bruchdehnung bzw. Zugfestigkeit des Betons wird zwischen den Rissen (1) und (3) nicht mehr erreicht. Zwischen den Rissen (1) und (3) entsteht in der Folge kein weiterer Riß mehr. Hier haben wir es bereits mit einem abgeschlossenen Rißbild zu tun. Zwischen den Rissen (3) und (2) ist im Bild 3.6 ’zufällig’ noch ein ungestörter Bereich verblieben, weil der Abstand zwischen den Rissen (2) und (3) größer als 2a ist. Hier wird noch ein Riß entstehen, wenn nach einer geringfügigen Laststeigerung örtlich die Betonzugfestigkeit erreicht wird. Die Erstrißbildung ist abgeschlossen, wenn - entlang des Zugstabes - alle Risse einen Abstand sr zueinander aufweisen, der kleiner als 2a ist. Unter einer über die Stablänge konstant verlaufenden Zugkraft Na läßt sich demnach der Rißabstand nur in folgenden Grenzen einschränken: a ≤ s r ≤ 2a (3.54) In der Praxis führt man häufig den Mittelwert s rm = 1, 5 ⋅ a (3.55) als Rechengröße für den mittleren Rißabstand ein. Wenn, wie beispielsweise in der Biegezugzone eines Balkens sich die Zugkraft in Längsrichtung ändert, entwickeln sich die Risse bei der Erstrißbildung - ausgehend vom Querschnitt mit der größten Zugkraft - sukzessive im Abstand a. In diesem Fall gilt s rm ≈ a (3.56) wobei Risse vorzugsweise im Bereich von Bügeln entstehen. 3.5.2.3 Abgeschlossenes Rißbild Das abgeschlossene Rißbild ist dadurch gekennzeichnet, daß sich die Verbundbereiche entlang der gesamten Stablänge überschneiden. 3.5.2.4 Rißbreitenentwicklung Während der Erstrißbildung verhält sich der Zugstab relativ weich in Bezug auf die Laständerung, weil die Verformung bei geringer Laststeigerung mit jedem neuen Riß entsprechend zunimmt. Nach Erreichen des abgeschlossenen Rißbildes können bei einer weiteren Laststeigerung theoretisch zwar noch örtlich einzelne Risse entstehen. Im wesentlichen wirkt sich die Laststeigerung jedoch auf eine Zunahme der Rißbreite in allen Rissen aus. Die tangentielle Dehnsteifigkeit (DT,2) des Zugstabes gegenüber einer Laständerung ist größer als im Bereich der Erstrißbildung. Dies zeigt sich durch einen steileren Verlauf der N/ε - Linie im Bild 3.7 zwischen den Punkten 2 und 3 (abgeschlossene Rißbildung). Der wesentlichste Unterschied zwischen dem abgeschlossenen Rißbild und der Erstrißbildung besteht darin, daß zwischen den Rissen die Betonzugfestigkeit nicht mehr erreicht wird. Während im Stadium der Erstrißbildung in den ungestörten Bereichen (Zustand I) zwischen den Rissen (Bild 3.5) die Stahldehnung gleich groß ist wie die Betondehnung, kann die Stahldehnung nach Abschluß der Erstrißbildung die Betondehnung wesentlich übersteigen (Bild 3.8). εs >> εc 14.11.01 (3.57) 70 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) Na Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen (Zugversteifung) I dI ta n n itt) s u h r“ Z e rs c e t u k c q „ n a R iß ( im nd I Zu sta 1, 3N r 2 D T, 2 1 Nr D T, 1 – 2 D T, 1 = E c ⋅ A i Bild 3.7 3 abgeschlossene Rißbildung (Rißbeitenentwicklung) Erstrißbildung ungerissen (Zustand I) εy ε Zusammenhang zwischen Zugkraft Na und Dehnung ε (vereinfachte Darstellung für Erstbelastung) Na Na Risse εs εs( x ) εc x Bild 3.8 εc( x ) x Abgeschlossene Rißbildung In den im Bild 3.9 dargestellten Verschiebungsnullpunkten besteht keine Relativverschiebung (Schlupf) zwischen Stahl und Beton - wohl aber ein Dehnungsunterschied. ∆ε = ε sII – ε cI (3.58) Die Dehnungen εs(x) und εc(x) sind über das Verbundgesetz (Bild 2.4) mit der Relativverschiebung δ (Bild 3.9 d) gekoppelt. Zusätzlich müssen in jedem Querschnitt x die relativen Kräfte N c ( x ) = E c ⋅ Ac ⋅ εc ( x ) 14.11.01 (3.59) 71 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) N s ( x ) = E s ⋅ As ⋅ εs ( x ) und (3.60) εs a ε sII b N R Riß Riß Riß im Gleichgewicht stehen mit der Einwirkung Na. Damit läßt sich der Verlauf der Linien εs(x), εc(x), τbd(x) und δ(x) berechnen. N ∆ε ( x ) ε cI x sr τb d c x δ wr d x Verschiebungsnullpunkte N sr Bild 3.9 Der Dehnungsunterschied zwischen Stahl und Beton a) Stahldehnung εs, b) Betondehnung εc, c) Verbundspannung τbd, d) Relativverschiebung δ (Schlupf), zwischen Bewehrungsstahl und Beton 14.11.01 72 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.5.3 Rechnerische Rißbreite Die Rißbreite wr entspricht der Summe des Schlupfes δ (Bild 3.9 d) an den Rißufern beidseits des Risses, bzw. dem Integral der Dehnungsunterschiede ∆ε ( x ) = ε s ( x ) – ε c ( x ) (3.61) zwischen den beiden Verschiebungsnullpunkten N (Bild 3.9 d). wr = ò ∆ε ( x ) d x (3.62) sr Dieses Integral entspricht der im Bild 3.9 a hinterlegt dargestellten Fläche. Wenn man näherungsweise den Dehnungsanteil εc(x) in Gleichung (3.61) vernachlässigt, ergibt sich die mittlere Rißbreite zu w rm = ò ε s ( x ) dx (3.63) s rm oder ausgedrückt durch die mittlere Stahldehnung εsm w rm = ε sm ⋅ s rm (3.64) Hierin bedeuten wrm ...................mittlere Rißbreite εsm....................mittlere Stahldehnung (siehe Bild 3.10) srm ....................mittlerer Rißabstand (siehe auch Punkt 3.5.4.2) Die mittlere Stahldehnung εsm ergibt sich aus Bild 3.10, indem man die Fläche unter dem girlandenartigen Verlauf der Stahldehnung durch ein flächengleiches Rechteck ersetzt. Der Unterschied zwischen der Stahldehnung εs2 im Rißquerschnitt und der mittleren Stahldehnung εsm wird als Zugversteifung (tension Stiffening) ∆εsm bezeichnet. „Girlandenkurve“ εs(x) εs ∆ε s m εs 2 ε sm x s rm Bild 3.10 14.11.01 Definition der mittleren Stahldehnung εsm 73 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) Durch Umrechnung des Mittelwertes in den oberen Fraktilewert, erhält man die charakteristische Rißbreite wk Die charakteristische Rißbreite, die auch als Rechenwert (design crack width) bezeichnet wird, läßt sich aus dem Mittelwert wm (Gleichung (3.64)) mit Hilfe des Beiwertes β ermitteln: w k = β ⋅ wm (3.65) β = 1,7 ..............Rißbildung infolge von Lasten β = 1,7 ..............Rißbildung infolge von Zwang in Querschnitten größer als 800 mm β = 1,3 ..............Rißbildung infolge von Zwang in Querschnitten kleiner als 300 mm Anmerkung: Die kleinste Querschnittsabmessung ist maßgebend (Zwischenwerte sind linear interpolierbar) Der Grenzzustand der Rißbreite ist wie folgt definiert: w k ≤ w lim (3.66) wk .....................charakteristische Rißbreite (95%-Fraktile), berechnet für die in Tabelle 7.2 definierte Einwirkungskombination. wlim ...................Grenzwert für die rechnerische Rißbreite, der im Hinblick auf die Funktion und auf die Dauerhaftigkeit des Bauwerkes festgelegt wird. Für Stahlbetonkonstruktionen wird wlim normalerweise wie folgt festgelegt : w lim = 0, 3 mm (3.67) Für wasserdichte Behälter etc. sollte w lim = 0, 15 mm (3.68) eingehalten werden. 14.11.01 74 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.5.4 Rißformeln w k = β ⋅ ε sm ⋅ s rm 3.5.4.1 (3.69) Mittlere Stahldehnung εsm Bild 3.11a zeigt einen in Beton eingebetteten Bewehrungsstab auf den eine Zugkraft Na einwirkt. Na .....................einwirkende (äußere) Zugkraft Ncr ....................Normalkraft, die zur Entstehung eines Risses führt (Rißkraft) N c r = f ctm ⋅ A i εsrI ....................Stahldehnung unter der Rißlast Ncr vor der Rißbildung im Zustand I εsrII, σsrII ...........Stahldehnung, Stahlspannung unter der Rißlast Ncr nach der Rißbildung im (nackten) Zustand II ∆εr ....................Dehnungssprung beim Übergang vom Zustand I in den Zustand II unter der Rißlast εsII, σsII .............Stahldehnung, Stahlspannung unter der Last Na im (nackten) Zustand II ∆εsm .................Abnahme der Stahldehnung infolge der Zugtragwirkung des Betons zwischen den Rissen εsm....................mittlere Stahldehnung infolge der Einwirkung Na unter Berücksichtigung des TensionStiffening Effektes DI,DII ................Dehnsteifigkeit des Zugstabes im Zustand I bzw. im nackten Zustand II (Rißquerschnitt) βt ......................Beiwert zur Berücksichtigung der Belastungsdauer oder einer dynamischen Einwirkung βt = 0,4 ............für Kurzzeiteinwirkung βt = 0,25 ..........für Langzeiteinwirkung oder häufige Lastwechsel 14.11.01 75 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) a Ac As Na Na b ∆ε sm = β t ⋅ ∆ε r N Na Tension-Stiffening „nackter“ Zustand II 2 1, 3N cr N cr 1 D II = E s ⋅ A s DI = Ec ⋅ Ai ε s rI ∆εr ε s rII ε s m εsII εs c Na σ s = ------As ∆ε sm σ s II 2 σ s rII 1 Es ε s rI Bild 3.11 ε s rII εs m εsII εs Zugversteifung (Tension-Stiffening Effekt) a) In Beton eingebetteter Bewehrungsstab b) Zusammenhang zwischen der Zugkraft Na und der mittleren Stahldehnung εsm c) Stoffgesetz einer in Beton eingebetteten Bewehrung Im Bild 3.11 b ist das Last-Verformungsverhalten unter Berücksichtigung der Zugtragwirkung des Betons zwischen den Rissen dargestellt. Im Bild 3.11c wurde lediglich die Ordinate durch As dividiert. Dadurch entspricht der Ordinatenwert der Stahlspannung σsII im Rißquerschnitt. Man kann dieses Diagramm als verschmiertes, mittleres σ/ε-Diagramm für einen betonummantelten Bewehrungsstab auffassen. Für einen innerhalb eines Bauteiles liegenden Bewehrungsstab gilt: A c = A c, eff (3.70) Ac,eff .................mit dem Bewehrungsstab auf Zug mitwirkende Betonfläche (wirksame Betonzugzone, effective area). Siehe Bild 3.13 Die mittlere Stahldehnung in Bild 3.10 ist kleiner als die Dehnung εsII im Rißquerschnitt. Durch die Mit- 14.11.01 76 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) wirkung des Betons zwischen den Rissen (Zugtragwirkung) versteift sich der Zugstab im Vergleich zum nackten Bewehrungsstab im Rißquerschnitt. Man nennt diese Wirkung Zugversteifung oder TensionStiffening-Effect. Im Bild 3.11 ist gezeigt, daß sich die Zugtragwirkung des Betons zwischen den Rissen durch eine entsprechende Modifikation der Stahlarbeitslinie berücksichtigen läßt. ∆εr = ε s rII – ε srI (3.71) σ s rII ε srII = ----------Es f ct ε srI = -----Ec N cr = f ct ⋅ A i = σ s rII ⋅ A s f ct σ srII ≈ -----ρ (3.72) As mit ρ = ------ und A c ≈ A i Ac f ct ε srII ≈ -------------ρ ⋅ Es (3.73) Bei abgeschlossenem Rißbild lautet die Zugversteifung ∆εs = β t ⋅ ∆εr = β t ⋅ ( ε srII – ε srI ) (3.74) bzw. die mittlere Stahldehnung ε sm = ε sII – β t ⋅ ∆ε r = ε sII – ∆ε s m Anmerkung: (3.75) Die Formel (3.75) setzt einen guten Verbund (gerippte Bewehrungsstäbe) voraus. Bei Bauteilen, die nur im Bauteil selbst hervorgerufenen Zwängen unterworfen sind, darf εsII unter Ansatz von σ sII = σ srI I ermittelt werden. Die Bezeichnungen im Bild 3.12 entsprechen den Definitionen zu Bild 3.11. Im EC2 wird der Tension-Stiffening Effekt durch folgende Funktion angenähert: α s ⋅ A s σ sII σ sII σ srII 2 ε sm = --------- ⋅ 1 – β 1 ⋅ β 2 ⋅ æ -----------ö ≥ ----------------- ⋅ --------è ø Es σ sII Es Ai 14.11.01 (3.76) 77 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) σs σ sII E c ⋅ Ai ---------------As Es σ srII ε srII Bild 3.12 ε s m ε sII εs Stoffgesetz einer in Beton eingebetteten Bewehrung nach EC2 β1 .....................Beiwert zur Erfassung der Verbundeigenschaften β1 = 1,0 guter Verbund (Rippenstäbe) β1 = 0,5 glatte Stäbe β2 .....................Beiwert zur Erfassung der Belastungsdauer β2 = 1,0 für Kurzzeiteinwirkung β2 = 0,5 für Langzeiteinwirkung Anmerkung: 3.5.4.2 Häufige Lastwechsel wirken sich wie Langzeiteinwirkungen aus (β2 = 0,5) Mittlerer Rißabstand srm ∅ s rm = 50 + 0, 25 ⋅ k 1 ⋅ k 2 ⋅ ----ρr Anmerkung: (3.77) Die Gleichung (3.77) wurde „halbempirisch“ entwickelt k1 ......................Beiwert zur Berücksichtigung des Einflusses der Verbundeigenschaften k1 = 0,8 für Rippenstähle k1 = 1,6 für glatte Stähle k2 ......................Beiwert zur Berücksichtigung des Einflusses des Dehnungszustandes k2 = 0,5 für Biegung k2 = 1,0 für reinen Zug ∅ ......................mittlerer Stabdurchmesser in mm ρr ......................wirksamer Bewehrungsanteil As ρ r = --------------A c, eff Ac,eff .................wirksame Querschnittfläche des Betonzuggurtes Die rechnerischen Rißbreiten nach Formel (3.77) gelten für die in Bild 3.13 grau dargestellten wirksamen Zugzonen Ac,eff. Außerhalb dieser Bereiche können größere Rißbreiten auftreten. Aus Bild 3.13d folgt, daß bei einer risseverteilenden Flächenbewehrung der Stababstand s nicht wesentlich größer sein sollte als 12ds (Vorschlag: s ≤ 15d s ). Andernfalls können sich Sammelrisse mit wesentlich größeren Rißbreiten ausbilden (Bild 3.14). 14.11.01 78 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) a Balken b Platte Ac,eff Ac,eff d 1,5 ds1 kleinerer Wert von 2,5 (c + ∅/2) oder (h - x) / 3 d s1 kleinerer Wert von 2,5 (c + ∅/2) oder t/2 c Bauteil unter Zug Ac,eff d rissesteuernder Einflußbereich um einen Bewehrungsstab ds t Bild 3.13 s1 12d s ds1 wirksame Fläche nach EC2 (typische Fälle) a Sammelriß am Rand konzentrierte Bewehrung gleichmäßig verteilte Bewehrung b Bild 3.14 14.11.01 Sammelrißbildung bei a) Scheiben unter Zugbeanspruchung b) Plattenbalken mit hohem Steg (ohne Steglängsbewehrung) 79 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.5.4.3 Konstruktive Maßnahmen zur Steuerung der Rißbreiten Wenn man die Rißformeln nach Abschnitt 3.5.4.1 und 3.5.4.2 etwas vereinfacht und die rechnerische Rißbreite mit 0,3 mm begrenzt, erhält man die in Bild 3.15 und Bild 3.16 dargestellten Konstruktionsregeln für eine rißbreitenbegrenzende Bewehrung. Bei überwiegendem Zwang ist der maximale Stabdurchmesser aus Bild 3.15 einzuhalten, wobei als Eingangsgröße die Stahlspannung σsII für die Rißschnittgrößen im Zustand II verwendet wird. Bei Rissen, die durch Lasten verursacht sind, ist entweder das Bild 3.15 oder das Bild 3.16 (Begrenzung der Stababstände) anzuwenden. Wenn die Anforderungen in Bild 3.15 und Bild 3.16 eingehalten werden und außerdem die Mindestbewehrung nach Abschnitt 3.5.4.4 nirgends unterschritten wird, kann man in der Regel auf den rechnerischen Nachweis nach Abschnitt 3.5.4.1 und 3.5.4.2 verzichten. σ [ MPa ] s 400 300 Stahlbeton 200 100 Spannbeton 10 20 Stabdurchmesser Bild 3.15 30 d s [ mm ] Maximaler Stabdurchmesser σ s [ MPa ] 400 300 Stahlbeton 200 100 Spannbeton 100 200 300 s [ mm ] Bild 3.16 Maximaler Abstand zwischen den Bewehrungsstäben Anmerkung: Die Stahlspannung σs im Bild 3.15 und Bild 3.16 ist für den Rißquerschnitt - d.h. im Zustand II - zu ermitteln. 14.11.01 80 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.5.4.4 Mindestbewehrung zur Rissebeschränkung In jenen Bereichen, wo unter SLS-Bedingungen die Zugfestigkeit des Betons überschritten werden kann, ist eine Mindestbewehrung As,min der anzuwendenden Norm entsprechend einzulegen. A s, min = ρ r, min ⋅ A c, eff (3.78) ρr,min .................Mindestbewehrungsgrad bezogen auf den Zuggurt (z.B. Bild 3.17) Ac,eff ................wirksame Betonzugzone (Bild 3.13) ρ h eff ---------- = 0, 0 h t r, min [ % ] 1, 0 0, 8 0, 6 enast and K n rW he ho r eine s e ine t e itts od r u n gg Zu ersch u q 0, 2 0, 4 0, 6 0, 8 0, 4 0, 2 Dünne Pla tte 0, 0 50 100 150 200 250 300 s [ mm ] h eff ---------- = 1, 0 h t Bild 3.17 Mindestbewehrungsgrad ρr,min nach MC90 (Model Code) Anmerkung: Bild 3.17 gilt für fctm = 2,9 MPa und fyk = 460 MPa. Für andere Werte gilt die Extrapolation f ctm 460 erf ρ r, min > ρ r, min ⋅ ---------- ⋅ ---------2, 9 fyk Für S550 wird daraus ρ r, min ⋅ 0, 29f ctm In den Normen (EC2, DIN1045-1, ON B4700) und Regelwerken (MC90) bestehen unterschiedliche Vorschriften hinsichtlich einer erforderlichen Mindestbewehrung, die risseverteilend und rißbreitensteuernd wirkt. Es versteht sich von selbst, daß innerhalb eines Projektes nur das vertraglich festgelegte Normenwerk anzuwenden ist. Ein Mischen von Normen ist unzulässig! Deshalb ist die risseverteilende Mindestbewehrung der jeweils gültigen Norm zu entnehmen. 14.11.01 81 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.6 Verformungsnachweis 3.6.1 Verformungsgrenzen Zu große Verformungen können einerseits das Erscheinungsbild stören und andererseits die ordnungsgemäße Nutzung beeinträchtigen. Probleme können beispielsweise auftreten bei Trennwänden, Verglasungen und Außenwandverkleidungen, bei der Wasserableitung von Flachdächern, bei Abwasserrohren, bei der Haustechnik, bei empfindlichen Maschinen, etc. Deshalb soll die geplante Nutzung und ein entsprechendes Erscheinungsbild durch die Begrenzung der Verformung sichergestellt werden. Wenn keine diesbezüglichen Vereinbarungen vorliegen, sollte man den Durchhang f unter der Verbindungslinie der Lager (Bild 3.18) für die quasi-ständige Einwirkungskombination zwischen l ---------200 l ---------300 und (3.79) begrenzen: l f ≤ f lim = ---------250 (3.80) Überhöhung ü δ Gesamtverformung (Durchbiegung) Durchhang f Bild 3.18 Verformungen: Definition der Bezeichnungen ü .......................Überhöhungsstich f ........................Durchhang δ .......................Durchbiegung (Biegeverformung) ........................Stützweite Anmerkung: Bei Balken entspricht der Spannweite, bei Kragträgern ist für die doppelte Kraglänge einzusetzen. Wenn man die Überhöhung der Schalung mit l ü ≤ ü lim = ---------500 (3.81) l limitiert, kann die Gesamtverformung δ maximal ---------- werden (Gleichungen (3.80) und (3.81)). Die Zu167 satzdurchbiegung nach dem Einbau von spröden Zwischenwänden wird mit ∆δ begrenzt. Sofern keine genaueren Angaben von der Lieferfirma vorliegen, setzt man in der Regel ∆δlim innerhalb folgender Grenzen an: l l ------------- ≤ ∆δ lim ≤ ---------1000 500 14.11.01 (3.82) 82 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.6.2 Einführung Die Verformungen von Stahlbetonbauteilen werden von vielen Parametern beeinflußt, die zum Zeitpunkt der Projektierung meist nur abgeschätzt werden können. Daher lassen sich Verformungen nur ungefähr voraussagen. Die wichtigsten Einflußparameter sind die Zugfestigkeit, der Elastizitätsmodul des Betons und der Ausschalungszeitpunkt. Aus der Statik ist bekannt, daß sich die Durchbiegung eines Bauteils durch Integration der Krümmungen der Biegelinien über die Bauteillänge ermitteln läßt. Im Betonbau ist die Biegesteifigkeit eine lastabhängige Größe. Es besteht also kein linearer Zusammenhang zwischen dem einwirkenden Moment und der Krümmung. Darüberhinaus beeinflussen das Kriechen und das Schwinden des Betons die Verformung von Stahlbetonbauteilen deutlich. Als Grundlage für eine „wirklichkeitsnahe“ Verformungsberechnung dient die rechnerische MomentenKrümmungs-Beziehung unter Berücksichtigung der Zugtragwirkung des Betons zwischen den Rissen (Tension-Stiffening Effekt). Das heißt, es wird mit der mittleren Stahldehnung εsm gemäß Bild 3.12 gearbeitet und angenommen, daß die Querschnitte im Mittel eben bleiben. My Vereinfachung (trilinear) 1, 3M rm „nackter“Zustand II M rm ϑ ym ϑ y2 Bild 3.19 ϑy M/ϑ - Beziehung Damit erhält man die im Bild 3.19 qualitativ dargestellte M/ϑ - Linie. Sie stellt die Grundlage für die Verformungsberechnung dar und wird deshalb auch als verallgemeinertes Stoffgesetz des Stahlbetonbalkens bezeichnet. Das M/ϑ - Diagramm beschreibt das materialbedingt nichtlineare QuerschnittsVerformungs-Verhalten und stellt damit die Basis für die nichtlineare Systemanalyse dar, die wirklichkeitsnahe Verformungen und Schnittgrößen liefert. Heute ist es üblich, die Systemanalyse nach der Methode der Finiten Elemente durchzuführen. Hier wird der Zusammenhang zwischen den Schnittgrößen und den Verformungen in jedem Gauß’schen Integrationspunkt auf den Stabachsen benötigt. In der Praxis interessieren in erster Linie die Kurzzeitverformungen für Bauzustände und die Langzeitverformungen unter der quasi-ständigen EK. Nachfolgend werden vereinfachte Methoden zur Berechnung der Durchbiegungen besprochen, die zum Teil auch händisch durchführbar sind. 14.11.01 83 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.6.3 Berechnung der Durchbiegung nach dem Prinzip der virtuellen Arbeit (Wiederholung aus der LV Baustatik) v Die äußere Arbeit, die eine virtuelle Kraft F = 1 am Wege der gesuchten Verformung δ leistet v Aa = F ⋅ δ , (3.83) v entspricht der inneren Arbeit, die die virtuellen Schnittgrößen M ( x ) am Wege der realen Verzerrungen ϑq(x) leisten Ai = ò v M ( x ) ⋅ ϑ q ( x ) dx (3.84) (l ) Aa = Ai δ = ò v (3.85) M ( x ) ⋅ ϑ q ( x ) dx (3.86) (l ) Anmerkung: Bei statisch unbestimmten Systemen darf der virtuelle Lastangriff an einem beliebigen (zulässigen) statisch bestimmten Grundsystem angebracht werden (Reduktionssatz). Reale Belastung q δ l 1 Reale Momente ql 2 M m = ------8 2 3 --- ⋅ ϑ m 4 Reale Krümmungen Mq ( x ) ϑq( x ) 2 Virtuelle Belastung l --4 l --4 v ql ϑ m = ------------8 ⋅ EI F = 1 3 Virtuelle Momente v l --4 Bild 3.20 M(x) Reale und virtuelle Momente für die Durchbiegungsberechnung nach dem Prinzip der virtuellen Arbeiten Das Integral der Gleichung (3.86) läßt sich numerisch z.B. mit folgenden Überlagerungsformeln lösen: Anmerkung: 14.11.01 Solche Überlagerungsformeln bzw. Auswertungen von Integralen finden sich in jedem Bautabellen Buch 84 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) Überlagerung Trapez mit Trapez (Trapezregel): ò (a ) Beispiel: a M ( x ) ⋅ ϑ q ( x ) dx = --- ⋅ [ A ⋅ ( 2C + D ) + B ⋅ ( 2D + C ) ] 6 v (3.87) Biegeverformung eines frei aufliegenden Einfeldträgers unter Gleichlast auf Basis der Elastizitätstheorie. Mq(x ) ϑ q ( x ) = ---------------EJ (3.88) v Die Linien M ( x ) und ϑq(x) sind im Bild 3.20 dargestellt. a v A M(x) B ϑq( x) D C Überlagerung Trapez mit Parabel: ò (a) v a M ( x ) ⋅ ϑ q ( x ) dx = --- ⋅ [ A ⋅ ( C + 2 ⋅ E ) + B ⋅ ( D + 2 ⋅ E ) ] 6 (3.89) a B A C D E a --2 a --2 Mit der Formel (3.89) ergibt sich für die Überlagerung der Linien 3 mit 2 im Bild 3.20 2 l 3 3 5 l δ = 2 ⋅ ----------- ⋅ 0 ⋅ æ 0 + 2 ⋅ --- ⋅ ϑmö + --- ⋅ æ ϑ m + 2 ⋅ --- ⋅ ϑ mö = ------ ⋅ ϑ m ⋅ l è ø ø 2⋅6 4 4 48 4 è δ = kM ⋅ ϑ m ⋅ l 5 k M = -----48 14.11.01 (3.90) 2 (3.91) 85 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) kM .....................Beiwert, von den Lagerungsbedingungen abhängig ϑm ....................Krümmung in Feldmitte Aus diesen Zusammenhängen lassen sich zwei unterschiedliche Vorgangsweisen ableiten, die beide praktische Anwendung finden: 1. Unterteilung des Systems in genügend viele Abschnitte a. Dadurch läßt sich der Verlauf von ϑ q ( x ) dem Bild 3.20 entsprechend beliebig genau berücksichtigen. 2. Näherungsweise Ableitung der Durchbiegung aus der Querschnittskrümmung ϑm im maßgebenden Querschnitt entsprechend Gleichung (3.90), wobei vereinfachend angenommen wird, daß im restlichen Tragwerk die Krümmung affin zur Momentenlinie verläuft. In beiden Fällen ist der Momenten-Krümmungs-Zusammenhang von zentraler Bedeutung (Bild 3.19). Nachfolgend wird der Fall der reinen Biegung (N = 0) behandelt. 14.11.01 86 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.6.4 Momenten-Krümmungs-Beziehung 3.6.4.1 Ursprungssteifigkeit M Zustand I Zustand II M cr B II BI = Ec ⋅ Ji Bild 3.21 ϑ Ursprungssteifigkeit Rißmoment: M cr = f ctm ⋅ W i1 (3.92) Mcr ....................Rißmoment fctm ...................Mittelwert der Betonzugfestigkeit Wi1 ...................Ideeles Widerstandsmoment auf den Biegezugrand des Querschnitts bezogen Zustand I : M M ϑ I = --------------- = ----BI E c ⋅ Ji (3.93) Ji.......................ideeles Trägheitsmoment (Gleichung (3.32)) B I = Ec ⋅ J i (3.94) BI ......................Biegesteifigkeit im Zustand I 14.11.01 87 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) nackter Zustand II : x d M ϑ II d–x ε s II As Bild 3.22 Definition der Bezeichnungen M ϑ II = ------B II σ sII ε s II M ϑ II = ------------ = ---------------------------- = ------------------------------------------------d–x Es ⋅ (d – x ) Es ⋅ As ⋅ z a ⋅ ( d – x ) B II = E s ⋅ A s ⋅ z ⋅ ( d – x ) (3.95) za und x für den Zustand II werden nach Abschnitt 3.4.3 berechnet. 3.6.4.2 Abschnittsweise Linearisierung der M/ϑ-Beziehung Die im Abschnitt 3.5.4.1 Bild 3.11 angestellten Überlegungen am Stahlbeton-Zugstab (Tension-Stiffening Effekt) lassen sich sinngemäß auf die Zugzone von Biegebalken übertragen. Die Kraft M N s = ----za (3.96) im Biegezuggurt entspricht dann der Kraft Na im Bild 3.11. Der Unterschied zwischen einem Biegezuggurt und einem Stahlbetonzugstab besteht lediglich darin, daß beim Biegestab die Dehnungen im Zuggurt nicht konstant sind, sondern eine Dehnungsgradiente vorhanden ist. Nc Krümmung Zugstab (konstante Dehnung) Ns A c, eff As Bild 3.23 εs Biegestab (Dehnungsgradiente) Unterschied zwischen Biege-und Fachwerktragwirkung (Zug-/Druckgurt) An die Stelle der Normalkraft/Dehnungs-Beziehung (Bild 3.11) tritt nun die Momenten/Krümmungs-Beziehung (Bild 3.24). 14.11.01 88 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) a M β t ⋅ ∆ϑ r 7 G ϑ a,I 5 Ma 4 1, 3M cr M cr 6 1 2 3 B II B I ϑ rI ϑm3 ϑ rII ∆ϑ r ϑ a,m ϑ a,II ϑy(εs = εy m) ϑ ym ϑ ϑn b M 7 G β t ⋅ ∆ϑ r M cr 1 3 2 ϑ ∆ϑ r Bild 3.24 „mittlere“ M/ϑ-Beziehung abschnittweise linearisiert a) Erstrißbildung und Belastung b) vorwiegend Zwang und Entlastung Vorgangsweise zur Ermittlung der Punkte 1 bis 6 im Bild 3.24a: 1) Berechnung des Rißmomentes Mcr (Gleichung (3.92)) 2) Berechnung der Krümmung ϑrI (Gleichung (3.93)), das ist die Krümmung zu dem Moment, das den ersten Riß verursacht, jedoch bevor der erste Riß entstanden ist (Punkt 1). M cr ϑ rI = --------------Ec ⋅ Ji (3.97) 3) Berechnung des Dehnungszustandes (x, za) im nackten Zustand II (nachdem der Riß entstanden ist) unter dem Rißmoment und damit BII (Gleichung (3.95)) bzw. ϑrII (Punkt 2) M cr ϑ rII = --------B II 14.11.01 (3.98) 89 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 4) ∆ϑr = ϑ rII – ϑ rI 5) ϑ m3 = ϑ rII – β t ⋅ ∆ϑr (3.99) (Punkt 3) (3.100) Damit ist die Gerade 3-7 im Bild 3.24a und b bekannt. 6) Für ein einwirkendes Moment Ma > 1,3Mcr gilt (Punkt 4) Ma ϑ a,II = ------B II (3.101) 7) Für die mittlere Krümmung (Tension-Stiffening) erhält man somit (Punkt 5) ϑ a,m = ϑa,II – β t ⋅ ∆ϑ r (3.102) βt ......................Beiwert zur Berücksichtigung der Belastungsdauer βt = 0,4 ............für Kurzzeiteinwirkunge βt = 0,25 ..........für Langzeiteinwirkungen oder häufige Lastwechsel Zum Vergleich: Im Anhang 4 des EC2 wird der Tension-Stiffening Effekt wie folgt berücksichtigt ϑ m = ζ ⋅ ϑ II + ( 1 – ζ ) ⋅ ϑ I (3.103) σ s r2 2 ζ = 1 – β 1 ⋅ β 2 ⋅ æ -----------ö èσ ø s2 (3.104) Anmerkung: ζ = 0 .......für ungerissene Querschnitte ϑm ....................mittlere Krümmung, den Tension-Stiffening-Effect berücksichtigend (entspricht ϑa,m in Bild 3.24) ϑI ......................Krümmung zum Moment Ma für den (ungerissenen) Zustand I berechnet (entspricht ϑa,I in Bild 3.24) ϑII .....................Krümmung zum Moment Ma für den „nackten“ Zustand II berechnet (entspricht ϑa,II in Bild 3.24) ζ .......................Verteilbeiwert β1 = 1,0 ............für Rippenstahl β1 = 0,5 ............für glatten Stahl β2 = 1,0 ............für Kurzzeitbelastung β2 = 0,5 ............für Langzeitbelastung oder häufige Lastwechsel σsr2 ...................Spannung im Zustand II unter dem Rißmoment Mcr σs2 ....................Spannung im Zustand II unter dem Moment Ma 3.6.4.3 Ermittlung der M/ϑ-Linie als Polyline In der LV Betonbau VA wird ein Computeralgorithmus besprochen, mit dessen Hilfe der Kurvenverlauf der M/ϑ-Linie unter Einhaltung der Gleichgewichts- und Verträglichkeitsbedingungen in beliebig vielen Punkten numerisch bestimmt werden kann. 14.11.01 90 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.6.5 Krümmungszunahme durch Kriechen und Schwinden 3.6.5.1 Einführung Schwinden und Kriechen sind plastische Langzeitverformungen des Betons, die vorwiegend eine Folge des Austrocknens sind und hauptsächlich von der Feuchte der Umgebung, den Abmessungen des Bauteils und der Zusammensetzung des Betons abhängen. Während das Schwinden ein „Schrumpfungsprozeß“ ohne Lasteinwirkung ist, hängt das Kriechen linear von den einwirkenden Spannungen ab (Bild 3.25). a b ( -) Na ε cs∞ ε cc 1 1 Bild 3.25 ε c, el (a) Schwinden und (b) Kriechen des Betons ε cc ( ∞, t 0 ) = φ ( ∞, t 0 ) ⋅ ε c, el (3.105) εc,el ...................elastische (spannungserzeugende) Betonverkürzung εcc.....................plastische Kriechdehnung t0 ......................Belastungszeitpunkt εcst ....................Schwindmaß zum Zeitpunkt t εcs∞ ..................Endschwindmaß φ(t,t0) ................Kriechzahl zum Zeitpunkt t, wenn die Last zum Zeitpunkt t0 aufgebracht wird φ(∞,t0)...............Endkriechzahl (zur Zeit t = ∞ )wenn die Last zum Zeitpunkt t0 aufgebracht wird Die Gleichung (3.105) (lineares Kriechen) ist nur gültig, wenn die kriecherzeugende Spannung σ c = E c ⋅ ε c,el folgende Bedingung erfüllt: σ c ≤ 0, 45 ⋅ f ck εc s (3.106) a φ ε cs t ( t ) ε cs ∞ φ ( t, t 0 ) t t Bild 3.26 14.11.01 b t0 t φ ( ∞, t 0 ) t zeitlicher Verlauf von (a) Schwinden und (b) Kriechen 91 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) Das Kriechen hängt auch vom Reifegrad des Betons beim erstmaligen Aufbringen der Dauerlast (Ausschalen), also vom Belastungszeitpunkt t0 ab. Der zeitliche Verlauf des Schwindens und des Kriechens ist qualitativ im Bild 3.26 dargestellt. Die nachfolgenden Tabellen (Tabelle 3.1 und Tabelle 3.2) enthalten auf der sicheren Seite liegende Näherungswerte für das Endschwindmaß εcs∞ und die Endkriechzahl φ(∞,t0). Eine lineare Interpolation zwischen den Tabellenwerten ist zulässig. wirksame Bauteildicke 2A c ---------- [ mm ] u Alter t0 bei Belastung (Tage) 50 150 600 50 150 600 trockene Umgebungsbedingungen (innen) feuchte Umgebungsbedingungen (außen) 1 5,5 4,6 3,7 3,6 3,2 2,9 7 3,9 3,1 2,6 2,6 2,3 2,0 28 3,0 2,5 2,0 1,9 1,7 1,5 90 2,4 2,0 1,6 1,5 1,4 1,2 365 1,8 1,5 1,2 1,1 1,0 1,0 Tabelle 3.1 Endkriechzahl φ(∞,t0) für Normalbeton (EC2, Tab. 3.3 Seite 46) Ac .....................Querschnittsfläche (Beton) u .......................dem Austrocknen ausgesetzter Umfang des Querschnittes Lage des Bauteils relative Luftfeuchte (%) wirksame Bauteildicke 2Ac/u (mm) ≤ 150 600 innen 50 -0,60 -0,50 außen 80 -0,33 -0,28 Tabelle 3.2 3.6.5.2 Endschwindmaß εcs∞ [in ‰] für Normalbeton (EC2, Tab. 3.4, Seite 47) Näherungsweise Berechnung der Langzeitverformung Um die Krümmungsänderung infolge des Schwindens ϑcs und infolge des Kriechens ϑcc einfach abzuschätzen, kann man von folgenden Annahmen ausgehen (Bild 3.27): 1. Die Dehnung im Druckmittelpunkt repräsentiert die Verformung der Biegedruckzone: Schwinden: ε cs = ε cs∞ Kriechen: 14.11.01 ε cc = φ ( ∞, t o ) ⋅ ε cm 92 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 2. Durch das Schwinden und Kriechen der Druckzone verändert sich der innere Hebelarm nur unwesentlich. Deshalb bleibt die Stahldehnung εs näherungsweise während der Langzeitverformung konstant. Unter dieser Annahme lautet die Langzeitkrümmung näherungsweise (Bild 3.28) ε cs + ε cc εc s∞ + φ ( ∞, t 0 ) ⋅ ε cm ∆ϑ∞ = ϑ cs + ϑ cc = ---------------------- = ---------------------------------------------------za za (3.107) a ε cm ε cs ε cc ϑ cs ϑ cc m x Nc d ϑ 0, II M2 z Ns As Bild 3.27 c b εs Krümmungsänderung ϑcs und ϑcc infolge Schwinden und Kriechen im Zustand II a) Dehnungszustand zu M2 b) Schwindkrümmung ϑcs c) Kriechkrümmung ϑcc M 0, 4 ⋅ ∆ϑ r 0, 25 ⋅ ∆ϑ r t = t0 M2 t = ∞ Mc r ∆ϑ r Bild 3.28 ϑ 0, m ϑ 0, II ϑ ∞, m ϑ ϑ cs + ϑcc ∆ϑ ∞ Parallelverschiebung des M/ϑ-Diagrammes durch Schwinden und Kriechen (Dauereinwirkung M2) ϑ 0,m = ϑ0,II – β t ⋅ ∆ϑ r ϑ ∞, m = ϑ 0,II + ∆ϑ cs + ∆ϑ c c – β t ⋅ ∆ϑr 14.11.01 ϑ∞, II mit βt = 0,4 mit βt = 0,25 siehe Gleichung (3.102) (3.108) 93 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) Der Dehnungszustand im Bild 3.27a für die quasi-ständige Einwirkung M2 kann unter Berücksichtigung des Tension-Stiffening Effekts gemäß Gleichung (3.75) mit βt = 0,25 ermittelt werden. Der innere Hebelarm lautet dann M2 z a = ----------------As ⋅ σ s (3.109) Wenn man davon ausgeht, daß sich der innere Hebelarm entlang der Stabachse nicht wesentlich ändert, verläuft die Kriechkrümmung ϑcc affin zur Momentenlinie, wogegen die Schwindkrümmung ϑcs konstant bleibt. Nach EC2 darf alternativ zur Gleichung (3.107) die Auswirkung des Kriechens einfach dadurch erfaßt werden, daß der Dehnungszustand infolge M2 (Bild 3.27a) mit einem entsprechend reduzierten Ec-Modul E cm E c, eff = ----------------------------1 + φ ( ∞, t 0 ) (3.110) bestimmt wird. Die Krümmung ϑ∞ enthält dann sowohl den Kurzzeitanteil ϑ0, als auch den Kriechanteil ∆ϑcc . Nach EC2 berechnet sich die Schwindkrümmung wie folgt: M2 = As ⋅ σ s ⋅ za M2 σ s = αs ⋅ ------- ⋅ ( d – x ) J i Ss = A s ⋅ ( d – x ) Ji z = ----------------αs ⋅ Ss ε cs∞ αs ⋅ Ss ϑ cs∞ = ----------- = ε cs∞ ⋅ ----------------za Ji (3.111) Es α s = --------------E c, eff (3.112) Ss .....................statisches Moment der Bewehrung um den Schwerpunkt des ideelen Querschnittes Ji.......................ideeles Trägheitsmoment um den ideelen Schwerpunkt Je nachdem, ob es sich um den Zustand I oder II handelt, sind obige Querschnittswerte für den ungerissenen oder den gerissenen Querschnitt einzusetzen. In beiden Fällen fällt die Nullinie mit der ideelen Schwerachse zusammen (reine Biegung). Daher gelten die Gleichungen (3.110) und (3.111) für beide Fälle. 14.11.01 94 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.6.6 Durchbiegungsberechnung auf der Basis der nichtlinearen M/ϑ-Beziehung Mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Arbeiten läßt sich die Durchbiegung eines Biegeelementes gemäß Gleichung (3.113) berechnen. δ = ò v M ( x ) ⋅ ϑ q ( x ) dx (3.113) (l ) Hierin bedeuten: δ .......................Durchbiegung (Biegeverformung) v M(x) ................virtuelles Moment im Querschnitt x ϑq(x) .................Krümmung im Querschnitt infolge der die Durchbiegung verursachenden Einwirkung q Mq(x) ................Biegemoment im Querschnitt x infolge der Einwirkung q Der nichtlineare Zusammenhang zwischen den Biegemomenten Mq(x) und der zugehörigen Krümmung ϑq(x) ist durch M/ϑ-Diagramme entsprechend Abschnitt 3.6.4 (Bild 3.29) gegeben. q l Mq ( x ) M cr Mq 2 q⋅l M m = -----------8 x m ϑq( x ) ϑq ϑm v „genaue“ Methode Näherungsmethode (ϑ affin zur Momentenlinie) F = 1 v M v M (x ) Bild 3.29 14.11.01 l --4 Verlauf der Funktionen Mq(x), ϑq(x) und vM(x) 95 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.6.7 Vereinfachte Durchbiegungsberechnung aus elastischer Lösung abgeleitet Wie im Abschnitt 3.6.3 (Gleichung (3.91)) gezeigt wurde, läßt sich die Durchbiegung nach der Elastizitätstheorie mit Hilfe des Verformungsbeiwertes kM durch die Krümmung ϑm im maßgebenden Querschnitt m ausdrücken. 2 δ = k M ⋅ ϑ m ⋅ l eff (3.114) Der Beiwert kM hängt von der Belastungsart und von den Lagerbedingungen ab. Er ist für einige häufig vorkommende Fälle dem Bild 3.30 und dem Bild 3.31 zu entnehmen. Für andere Fälle läßt sich kM durch eine lineare Analyse bestimmen. System und Lastart System und Lastart kM kM q q 5 -----48 Mm l 1 -----16 Mm l P Mm l/2 P 1 -----12 Mm l/2 q 1----10 Mm 1 -----24 q MK 1 --4 lK l q Mm MK P 1 -----12 1 --3 l l P 7 ---------120 Mm MK 1 --5 l/2 Bild 3.30 14.11.01 Beiwerte kM für Einfeldträger und Kragarme für die Durchbiegung in Feldmitte oder am Ende eines starr eingespannten Kragarmes 96 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) kM 0,12 ly 3 2 1 2 3 lx 0,11 mxm lx 1 0,10 ly 4 5 6 5 6 lx 0,09 mxm 4 lx 0,08 ly 7 8 9 8 9 0,07 lx mxm 7 lx 0,06 1,0 Bild 3.31 1,5 2,0 ly / lx Beiwert kM für vierseitig gelagerte Rechteckplatten bezogen auf das Feldmoment mx in Feldmitte und auf die kürzere Spannweite lx Die nichtlinearen Effekte, wie Rißbildung, Tension-Stiffening, Kriechen und Schwinden werden lediglich im maßgebenden Querschnitt durch die Krümmung ϑm zum Biegemoment Mm entsprechend Abschnitt 3.6.4 erfaßt. Die Kurzzeitdurchbiegung erhält man mit der Gleichung (3.114), indem man für ϑm die Kurzzeitkrümmung ϑ0,m (Bild 3.28) einsetzt. Die Langzeitdurchbiegung erhält man mit der Gleichung (3.114), indem man für ϑm die Langzeitkrümmung ϑ∞m einsetzt (Bild 3.28). 14.11.01 97 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.6.8 Begrenzung der Durchbiegung durch eine entsprechende Festlegung der Biegeschlankheit Der rechnerische Nachweis der Durchbiegung von Stahlbetonbalken und -platten kann durch eine entsprechende Begrenzung der Biegeschlankheit l eff k w = ------d (3.115) ersetzt werden. Die zulässige Biegeschlankheit ergibt sich unter Berücksichtigung des statischen Systems und des Beanspruchungsniveaus aus der Tabelle im Bild 3.32. Sie wurde für die Stahlgüte S400 bzw. für eine Stahlspannung σs,häufig = 250 MPa im maßgebenden Querschnitt (Zustand II) abgeleitet. Für die erforderliche Nutzhöhe ergibt sich: l eff ⋅ σ s, häuf erf d = -----------------------------k w ⋅ k ⋅ 250 (3.116) leff .....................Stützweite gemäß Tabelle im Bild 3.32 d .......................statische Nutzhöhe kW ....................Grundwert der Biegeschlankheit aus Tabelle im Bild 3.32 k .......................Korrekturbeiwert σs,häufig .............Stahlspannung im maßgebenden Querschnitt in Feldmitte oder im Einspannquerschnitt eines Kragbalkens unter der häufigen EK Die Beanspruchung des Betons wird über den geometrischen Bewehrungsgrad As ρ = ----------b⋅d (3.117) im Bild 3.32 festgelegt. Zwischenwerte können linear interpoliert werden. Der Korrekturbeiwert k lautet: k = 1 .................normalerweise k = 0,8 ..............bei Plattenbalken, bei denen das Verhältnis von mitwirkender Plattenbreite zur Stegbreite den Wert 3 überschreitet 7 k = ------- ............bei Stützweiten l eff > 7m unter verformungsempfindlichen Trennwänden mit Ausnahme leff von Flachdecken 8, 5 k = --------- ............bei Flachdecken, deren größere Stützweite leff > 8, 5m beträgt leff Der vereinfachte Nachweis durch Begrenzung der Biegeschlankheit liegt in der Regel auf der sicheren Seite. Genauere Nachweise können zu schlankeren Bauteilen führen. 14.11.01 98 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) kw statisches System frei drehbar gelagerter Einfeldträger; frei drehbar gelagerte einachsig oder zweiachsig gespannte Platte Endfeld eines Durchlaufträgers oder einer einachsig gespannten durchlaufenden Platte; Endfeld einer zweiachsig gespannten durchlaufenden Platte Mittelfeld eines Balkens oder einer einachsig oder zweiachsig gespannten Platte l1 = leff l2 ρ ≥ 1,5% Beton hoch beansprucht ρ ≤ 0,5% Beton gering beansprucht 18 25 23 32 25 35 21 30 7 10 leff l1 = leff Endfeld l2 leff l1 = leff Mittelfeld l2 leff Platte, die ohne Unterzüge auf Stützen gelagert ist (Flachdecke) (auf der Grundlage der größeren Spannweite) l1 l2 = leff l1 Kragträger l2 = leff leff Bild 3.32 14.11.01 Grundwert kw der zulässigen Biegeschlankheit von Stahlbetonbauteilen ohne Längsdruck (nach EC2, Tab. 4.14) 99 3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS) 3.6.9 Maßnahmen zur Steuerung der Verformung Wenn die errechneten Durchbiegungen die Verformungsgrenzen im Abschnitt 3.6.1 überschreiten, sind folgende Maßnahmen möglich: • Kompensation eines Teiles der Verformung durch Überhöhen der Schalung • Vorspannen (Verformungsvorspannung) • eff - wählen kleinere Biegeschlankheit ------ • statisches System ändern (Einspannen, Durchlaufwirkung, kleinere Spannweiten, etc.) • höhere Betongüte, bessere Nachbehandlung • spätere Lastaufbringung (Ausschalfrist, Vermeiden von Überbelastung im Bauzustand) • Druckbewehrung zum „Bremsen“ der Langzeitverformung • Abmindern der Stahldehnung durch Überbemessen der Biegezugbewehrung. Das spröde Bruchverhalten bei überbewehrten Querschnitten ist allerdings nicht im Sinne der „Sicherheitsphilosophie“. l d 14.11.01 100 4. Platten 4. Platten 4.1 Allgemeines Mittelebene Bild 4.1 Definition einer zweiachsig gespannten (umfangsgelagerten) Platte Platten sind ebene Flächentragwerke, die normal zu ihrer Mittelebene belastet sind. Sie sind wohl das wichtigste Tragelement des Stahlbetons, wie Tabelle 4.1 veranschaulicht. Die Wahl eines geeigneten Plattensystems (Raster) und dessen Bemessung haben also einen erheblichen Einfluß auf die Rohbaukosten von Gebäuden. Betonvolumen % tragende Wände 4 Stützen 5 Platten (Decken) 59 Gründungen 22 Sonstiges 10 Tabelle 4.1 Anteiliges Betonvolumen verschiedener Bauteile im Hoch-und Industriebau Neben der Verwendung als Fundamentplatten und Hochbaudecken oder z.B. als Fahrbahnplatten (Straßen- und Brückenbau) werden Platten auch in vertikaler Lage als Kellerwände, Behälterwände, Silowände und Stützmauern eingesetzt. Dabei werden sie meist zusätzlich in ihrer Ebene beansprucht, sodaß neben der Plattenwirkung sich auch eine Scheibentragwirkung einstellt. In der Terminologie der technischen Mechanik handelt es sich dabei um eine „Membranplatte“ oder - allgemeiner - um eine „ebene Schale“. Das Bild 4.2 zeigt die Schnittkräfte eines allgemein belasteten ebenen Schalenelementes (Platte + Scheibe) in vektorieller Indizierung (1. Index: Achse auf die die Schnittebene normal steht. 2.Index: Achsrichtung in die die Schnittgröße orientiert ist). nxx, nyy .............Normalkräfte vxz, vyx ..............Querkräfte mxy , myx ...........Biegemomente mxx , myy ...........Drillmomente 14.11.01 101 4. Platten a b 1 1 x 1 mxx mxy y z myy x 1 nxx mxy mx vxz my myx y z myx vyz nyy Bild 4.2 Definition der Schnittgrößen (a) rektorielle Notation (b) klassische Notation Leider wird diese eindeutige Bezeichnung der Schnittgrößen (Bild 4.2 a) von der Praxis nur zögernd angenommen. Sie wird zwar in FE-Computerprogrammen intern verwendet. Nach außen wird die Indizierung jedoch häufig auf die Spannungsrichtung bezogen, das heißt das beispielsweise die Biegemomente mit mx bezeichnet werden, wenn sie in x-Richtung Normalspannungen erzeugen. Drillmomente werden mit mxy bezeichnet, wenn sie in y-Richtung Schubspannungen bewirken. Deshalb wird nachfolgend die auf die Spannungsrichtung bezogene Indizierung verwendet (Bild 4.2 b) Nach Art der Lagerung unterscheidet man zwischen liniengestützten und punktgestützten Platten (Flachdecken), sowie zwischen einachsig und zweiachsig gespannten Platten (Bild 4.3). a b ≥ ly Mittelbereich ≥ ly x ly lx y c d e lx ly Bild 4.3 14.11.01 Platten mit verschiedenen Auflagerbedingungen a) einachsig gespannt mit freien Rändern auf beiden Seiten b) umfangsgelagerte Platte, im Mittelbereich einachsig gespannt c) zweiachsig gespannt (rechts und unten unverdrehbar gelagert) d) zweiachsig gespannt (lx ≤ 1,5 ly, freier Rand rechts) e) zweiachsig gespannt (punktgestützte Platte) 102 4. Platten Lagersymbolik: ...........frei drehbarer Rand (Linienlagerung) ..........(starr) eingespannter Rand (Linienlagerung) ..........freier Rand 2 4 x − w(y) y 3 2 Plattenstreifen 1-1 4 frei drehbar gelagerte Ränder my w(x) ql y2 -------8 1 WP ly 1 Plattenstreifen 2-2 WP + 3 q eingespannte Ränder ql y2 -------8 ....................Punktstützung q Lx w(x) ≈ const mx ϑx ≈ 0 mx ≈ 0 − + ~2ly Bild 4.4 + ~ly qualitative Ermittlung des Biegemomentenverlaufes mx und my, abgeleitet aus der Biegefläche w(x,y) Einachsig gespannte Platte: Grundsätzlich entstehen in Platten stets Schnittgrößen in beiden Achsrichtungen. Bei einachsig gespannten Platten ist jedoch eine Tragrichtung dominant. Eine rechteckige Platte unter Gleichlast gilt als einachsig gespannt, wenn sich eine zylindrische Biegefläche einstellt. Dies ist der Fall, wenn sie zwei freie (ungelagerte) Ränder aufweist, die nahezu parallel verlaufen (Bild 4.3 a). Auch im Mittelteil von langgestreckten Platten stellt sich unter Gleichlast eine vorwiegend einachsige Tragwirkung über die kürzere Spannweite ein, wenn die Bedingung ly ---- > 2 lx (4.1) erfüllt ist (Bild 4.3 b). In Richtung dieser Haupttragwirkung verläuft auch die Hauptbewehrung (Längsbewehrung). Eine orthogonal dazu orientierte Bewehrung wird als Querbewehrung bezeichnet. Bei einachsig gespannten Platten kann die Berechnung und Bemessung in guter Näherung an frei nebeneinander liegenden Plattenstreifen (mit der Breite b = 1m) ohne Torsionssteifigkeit durchgeführt werden. 14.11.01 103 4. Platten b= 1m h x y d z as mx v xz Bild 4.5 Plattenstreifen : Definition der Bezeichnungen b = 1m ..............Breite des Plattenstreifens h .......................Plattenstärke (Plattendicke) d .......................statische Nutzhöhe as [cm2/m] ........Stahlfläche in einem Plattenstreifen von 1m Breite (Stahlfläche pro Laufmeter) mx [kNm/m] ......Biegemoment bezogen auf den Plattenstreifen (b = 1m), welches in x-Richtung Spannungen bewirkt. vxz [kN/m] .........Querkraft in Richtung z bezogen auf den Plattenstreifen (b = 1m), wirkend in der Ebene normal zur x-Achse. Anmerkung : Der Index von Biegemomenten mx unterscheidet sich vom Index bei Balken M y, weil letztere vektoriell orientiert sind. Indexregel siehe Bild 4.2 b. Damit gelten die Abschnitte 1 bis 3 sinngemäß auch für derartige Plattenstreifen. Abweichungen von der einachsigen Tragwirkung treten auf, wenn parallel zur Spannrichtung Unterstützungen verlaufen, bzw. wenn Öffnungen oder konzentrierte Einzellasten vorhanden sind. Zweiachsig gespannte Platte: In einer ersten Annäherung kann man sich die Tragwirkung einer Platte durch zwei Scharen von Plattenstreifen (Bild 4.7) vorstellen. Bei Rechteckplatten verlaufen diese Streifen orthogonal zueinander. Bei von einem Rechteck abweichender Grundrißform ist die Richtung der Plattenstreifen dem Kraftverlauf anzupassen (z.B. bei schief gelagerten Platten oder Trapezplatten). Die Tragwirkung der Platte wird auf diese Weise durch ein Stabwerk (Trägerrost) vereinfacht. Es handelt sich dabei bekanntlich um ein hochgradig statisch unbestimmtes System - welches wegen seiner Fähigkeit möglicher Schnittkraftumlagerung - beachtliche Tragreserven aufweist. Deshalb sind für die Bemessung von Platten in der Regel die SLS’s wie z.B. der Verformungsnachweis von vorrangiger Bedeutung. Wenn man den Stäben (Plattenstreifen) keine Torsionssteifigkeit zuweist, bleibt die Verformung des Stabwerkes mit der Biegefläche der Platte verträglich. Allerdings ist in diesem Modell die Drillsteifigkeit der Platte nicht berücksichtigt, wodurch einerseits gewisse Tragreserven nicht genützt werden und andererseits es zu einer erhöhten Rißbildung in jenen Bereichen kommt, wo wesentliche Drillmomente auftreten. 14.11.01 104 4. Platten a x mx 1 asx y x 1 b my asy y as [cm2/m] c d h d ... Nutzhöhe h ... Gesamthöhe b = 1,0 m Bild 4.6 Biegebemessung einer Stahlbetonplatte a) Bewehrung asx in x-Richtung b) Bewehrung asy in y-Richtung c) Bemessungsquerschnitt des Plattenstreifens Die obige Betrachtungsweise als Trägerrost dient in erster Linie dem ingenieurmäßigen Denken. Mit den heute allgemein vorhandenen FE-Programmen ist die Berechnung von Platten nach der Elastizitätstheorie alltägliche Praxis. Sie setzt lineare Stoffgesetze (Rissefreiheit, Zustand I) und normalerweise auch Isotropie (gleiche Steifigkeit in allen Richtungen) voraus. Nichtlineare FE-Plattenprogramme, die nichtlineare Materialgesetze (inklusive Rißbildung und verschieblichen Verbund) und das Kriechen und Schwinden des Betons in den Zuständen I und II berücksichtigen, haben sich dagegen bisher in der Praxis kaum etabliert - nicht zuletzt deshalb, weil ihre Bedienung ein spezifisches know how erfordert. 14.11.01 105 4. Platten a b 2 c x 1 y d lx ≈ ly e lx >> ly q2 = qy wm q1 = q x ly 1 lx 2 Bild 4.7 Modellierung drillweicher Platten durch einen Trägerrost a) Trägerreihe 1 in x-Richtung gespannt b) Trägerreihe 2 in y-Richtung gespannt c) Verbindung von a und b zu einem Trägerrost d) Verträglichkeit der Durchbiegung wm e) auf die Trägerreihen 1 bzw. 2 entfallende Lastanteile q1 bzw. q2 Die obige Betrachtungsweise als Trägerrost dient nicht nur dem ingenieurmäßigen Verständnis des Tragverhaltens, sondern kann auch als Grundlage für eine praxisgerechte Durchbiegungsberechnung von Plattentragwerken dienen. Die Verformungsberechnung läßt sich nämlich näherungsweise mit Hilfe von Plattenstreifen auf die Durchbiegungsberechnung von Balken nach Abschnitt 3.6 zurückführen. Die Biegemomente im betrachteten Plattenstreifen erhält man entweder aus einer linearen FE-Analyse mit Platten- oder Schalenelementen oder aus einer Stabwerksanalyse (Platte als Trägerrost modelliert). Die Rechenergebnisse lassen sich verbessern, indem man unabhängig voneinander die Durchbiegungen δx und δy von jenen beiden Plattenstreifen ermittelt, die sich in jenem Punkt kreuzen, der die größte Verformung aufweist. Durch Mittelbildung erhält man einen brauchbaren Näherungswert für die gesuchte Durchbiegung δx + δy δ = ----------------2 (4.2) Die Langzeitdurchbiegung im Zustand II wird sich etwa fünfmal größer ergeben als die linear (Zustand I) ermittelte Kurzzeitverformung. 14.11.01 106 4. Platten 4.2 Liniengestützte Platten 4.2.1 Näherungsweise Ermittlung der Schnittgrößen Normalerweise werden Platten nach der FE-Methode berechnet. Zur Vorbemessung und für die Hörsaalübungen können auch die folgenden Verfahren Anwendung finden. 4.2.1.1 Lastaufteilungsverfahren Für eine rasche Vorbemessung der erforderlichen Bewehrung kann die weitgehende Vereinfachung nach Bild 4.7 d und e Anwendung finden (Streifenkreuzmethode). Durch Gleichsetzen der Durchbiegungen im Kreuzungspunkt läßt sich beispielsweise für eine frei drehbar umfangsgelagerte Platte die Aufteilung der Last q in die beiden Tragrichtungen x und y wie folgt ermitteln: (4.3) q = qx + qy Die Durchbiegung eines freiaufliegenden Einfeldträgers unter Gleichlast lautet: 4 5 qx ⋅ lx δ x = ---------- ⋅ -------------384 EI (4.4) 4 5 qy ⋅ ly δ y = ---------- ⋅ -------------384 EI (4.5) Durch Gleichsetzen der Durchbiegungen δ = δx = δy (4.6) ergibt sich aus den Gleichungen (4.4) und (4.5) qx l 4 ----- = æ ---yö èl ø qy x (4.7) Demnach trägt sich die Last vorwiegend über die kürzere Spannweite ab (Bild 4.7 e). Für ly > lx wird q y « q x (Bild 4.3 b). In analoger Weise ergeben sich die im Bild 4.8 dargestellten Formeln für Einfeldplatten mit unterschiedlichen Lagerungsbedingungen. Die Verwendung dieses Verfahrens ist allerdings nur sinnvoll für Längenverhältnisse von 2/3 ≤ lx / ly ≤ 3/2, da außerhalb dieses Bereiches die Lastabtragung vorwiegend über die kurze Spannweite erfolgt. 14.11.01 107 4. Platten qx qy ly lx Lagerung Lastanteile 4 ly y x 1.Fall 4 -⋅q q x = ------------4 4 l y + lx 4 5 ⋅ ly -⋅q q x ≅ ----------------------------4 4 5 ⋅ ly + 2 ⋅ lx y x 2.Fall 4 5 ⋅ ly -⋅q q x = --------------------4 4 5 ⋅ ly + l x y x 3.Fall 4 ly ⋅q q x = -------------4 4 ly + lx y x 4.Fall 4 ly ⋅q q x ≅ ----------------------------4 4 l y + 1 ⁄ 2 ⋅ lx y x 5.Fall 4 ly q x = -------------⋅q 4 4 ly + lx y 6.Fall Bild 4.8 4.2.1.2 x lx q y = -------------- ⋅ q 4 4 ly + lx 4 5 ⋅ lx -⋅q q y ≅ ----------------------------4 4 5 ⋅ l y + 2 ⋅ lx 4 lx -⋅q q y = --------------------4 4 5 ⋅ ly + lx 4 lx ⋅q q y = -------------4 4 ly + lx 4 1 ⁄ 2 ⋅ lx ⋅q q y ≅ ----------------------------4 4 l y + 1 ⁄ 2 ⋅ lx 4 lx q y = -------------⋅q 4 4 ly + lx Lastabtragung qx in x-Richtung und qy in y-Richtung nach der „Streifenkreuzmethode“ (Lastaufteilungsverfahren) Lastscheidenverfahren Die Erfahrung bzw. Erkenntnis, daß sich die Lasten auf dem kürzestmöglichen Weg zu den Auflagern abtragen führt zur Lastscheidenmethode. Die Lastscheiden sind im Bild 4.9 durch strichlierte Linien dargestellt (analog zur „Dachausmittlungsmethode“ im Hochbau). 45° 45° 45° 30° 30° 60° 60° 30° Bild 4.9 60° 45° 45° Lastscheiden zu verschiedenen Lagerungsbedingungen Die Lastscheiden eignen sich auch für die näherungsweise Lastaufteilung zur Bestimmung der Auflagerkräfte. 14.11.01 108 4. Platten lx q⋅l -----------y 2 ly ly/2 ly/2 q⋅l ----------y2 Bild 4.10 Lastaufteilung zur näherungsweisen Bestimmung der Auflagerkräfte a b c Schnitt a-a Schnitt b-b c q a Schnitt c-c Bild 4.11 14.11.01 q b q Aufteilung zur näherungsweisen Bestimmung der Biegemomente 109 4. Platten 4.2.1.3 Czerny-Tafeln Tafeln für gleichmäßig vollbelastete vierseitig gelagerte Rechteckplatten 1. Einspannungsfreie Lagerung der vier Ränder 14.11.01 110 4. Platten 2. Starre Einspannung eines Randes und einspannugnefreie Lagerung der drei anderen Ränder 14.11.01 111 4. Platten 14.11.01 112 4. Platten 3. starre Einspannung von zwei gegenüberliegenden Rändern und einspannungsfreien Lagerung der beiden anderen Ränder 14.11.01 113 4. Platten 14.11.01 114 4. Platten 4. starre Einspannung von zwei benachbarten Rändern und einspannungsfreie Lagerung der beiden anderen Ränder 14.11.01 115 4. Platten 5. starre Einspannung von drei Rändern und einspannungsfreie Lagerung des vierten Randes 14.11.01 116 4. Platten 14.11.01 117 4. Platten 6. starre Einspannung der vier Ränder 14.11.01 118 4. Platten 4.2.2 Auswirkung der Querdehnung Wegen der Querdehnung ε y = –ν ⋅ ε x (4.8) ν .......................Querdehnungskoeffizient ( ν ≈ 0,2 ) verformt sich jeder Plattenstreifen in Querrichtung. Die Druckzone verbreitert sich. Die Zugzone wird schmäler. (Bild 4.12) 1 a x y 1+εy2(+) b mx ϑy 1 + εy1 (−) c my my Bild 4.12 my my my Quermomente infolge der Querdehnung a) unbelastete Platte in Plattenstreifen unterteilt b) belastete Platte; die Biegemomente mx verursachen Querverformungen ϑy c) Quermomente my = EJ ⋅ ϑy machen die Querverfomung ϑy rückgängig Aus Kontinuitätsgründen ist beim „Flächentragwerk Platte“ ein Klaffen der Fugen zwischen den Plattenstreifen nicht möglich. Daher entstehen Quermomente my, die die Querdehnung εy bzw. die Querkrümmung ϑy rückgängig machen (Bild 4.12 c). my ϑ y = ------EJ mx ϑ y = ν ⋅ ϑx = ν ⋅ ------EJ my = ν ⋅ mx (4.9) (4.10) (4.11) Diese Quermomente entstehen auch, wenn die Biegefläche in Querrichtung keine Krümmung aufweist; beispielsweise bei einer einachsig gespannten Platte unter Gleichlast, die eine zylindrische Biegefläche aufweist. Daraus leitet sich bei einer einachsig gespannten Platte die erforderliche Mindestbewehrung in Querrichtung ab (20% der Längsbewehrung). 14.11.01 119 4. Platten Der vollständige Momenten-Krümmungs-Zusammenhang lautet ∂2w ∂ 2w m x = – K ⋅ æ ---------- + ν ⋅ ---------- ö è ∂x 2 ∂y 2 ø (4.12) ∂2w ∂ 2w m y = – K ⋅ æ ---------- + ν ⋅ ---------- ö è ∂y 2 ∂x 2 ø (4.13) mit der Plattensteifigkeit K 3 3 E⋅h E⋅h K = ------------------------------- ≈ -------------- = EJ 2 12 12 ⋅ ( 1 – ν ) (4.14) w ......................vertikale Verformung (Durchbiegung) der Platte 14.11.01 120 4. Platten 4.2.3 Drillmomente 4.2.3.1 Tragverhalten Die Biegefläche einer Platte läßt sich durch zwei orthogonale Serien von Plattenstreifen nur stetig bzw. verträglich modellieren, wenn sich die Plattenstreifen entsprechend den Biegelinien der quer verlaufenden Plattenstreifen verdrillen (Bild 4.13). Die Verdrillung der Biegefläche verursacht Drillmomente, die in orthogonalen Schnitten entgegengerichtet gleich groß wirken. x8 a X1 X2 X3 X4 c X5 X6 X7 Y1 y3 X8 X9 X10 x Y1 Y2 X6 X7 Y2 X10 Y3 Y4 Y4 Y5 Y5 X10 X9 X8 X7 X6 Y6 Y7 Verdrillung des Plattenstreifens Y3 Y8 Y9 Y10 y Höhenschichtenlinien der Biegefläche Verdrillung des Plattenstreifens X8 b x8 Bild 4.13 14.11.01 Y1 Y2 Y3 Y4 Y5 Verdrillung einer Platte a) Grundriß der Platte mit Biegefläche im Form von Höhenschichtlinien b) Biegelinien entlang der Schnitte Y1 bis Y5 und Verdrillung des Plattenstreifens X8 c) Biegelinien entlang der Schnitte X6 bis X10 und Verdrillung des Plattenstreifens Y3 121 4. Platten x a b m xy y τy x m yx τ xy mx y my x d c ϑ xy ϑ yx Bild 4.14 ϑ xy Definition der Drillmomente a) Vorzeichenregelung b) Spannungen zu den Drillmomenten c) Verdrillung (2D-Verdrehung einer Platte) d) Torsion (1D-Verdrehung eines Stabes) Es liegt nahe, die Verdrillung einer Platte mit der Torsionsverformung eines Stabes zu vergleichen : Der Unterschied besteht darin, daß die Torsionsverformung (Verdrillung) eines Stabes (Bild 4.14 d) im wesentlichen eine eindimensionale Verdrehung ϑx der Querschnitte um die Stabachs x darstellt (St.Venant’sche Torsion). Die Verdrillung einer Platte ist dagegen eine zweidimensionale Verdrehung ϑxy und ϑyx zweier normal zueinander liegender Ebenen x und y (Bild 4.14 c). Das Drillmoment ergibt sich aus der Biegefläche wie folgt (Herleitung siehe C-Skriptum): ∂2w m xy = – ( 1 – ν ) ⋅ K ⋅ ------------∂x∂y (4.15) Entlang der „Höhenschichtenlinien“ der Biegeflächen bzw. - orthogonal dazu - entlang der Fallinien der Biegeflächen gilt ∂2w ------------- = 0 ∂x∂y (4.16) Damit wird - auf diese gegen x/y-verdrehte Richtung bezogen - das Drillmoment Null und die Biegemomente zu Hauptmomenten m1 bzw. m2. Die Drillmomente haben demnach den Charakter einer Transformationsgröße - wie die Schubspannungen τxy beim ebenen Spannungszustand σx/σy oder das Deviationsmoment Jxy bei der Transformation von Trägheitsmomenten. Anmerkung: Zwischen den jeweiligen Transformationsgleichungen besteht eine formale Analogie : 14.11.01 mx + my 1 2 2 m 1,2 = --------------------- ± --- ⋅ ( m x – m y ) + 4m xy 2 2 (4.17) σ x + σy 1 2 2 σ 1,2 = ------------------ ± --- ⋅ ( σ x – σ y ) + 4τ xy 2 2 (4.18) 122 4. Platten Jx + Jy 1 2 2 J 1,2 = ----------------- ± --- ⋅ ( J x – J y ) – 4J xy 2 2 (4.19) m1,2 ..................Hauptmomente bei Platten σ1,2 ...................Hauptspannungen bei Scheiben J1,2 ...................Hauptträgheitsmomente bei einem Stabquerschnitt Dasselbe gilt für die Hauptrichtungen : m xy m xy tan α0 = --------------------- = --------------------m1 – m y mx – m2 (4.20) τ xy τ xy tan α0 = ------------------ = -----------------σ 1 – σy σx – σ2 (4.21) J xy Jx y tan α0 = ----------------- = ----------------J1 – J y J x – J2 (4.22) Das Bild 4.15 zeigt die Hauptmomententrajektorien am Beispiel von verschiedenen Rechteckplatten unter Gleichlast. Überall dort, wo die Richtung der Hauptmomente von den Bewehrungsrichtungen x/y abweichen, sind neben den Biegemomenten mx und my auch Drillmomente mxy wirksam. a ly ly ly : lx = 2 lx ly : lx = 1 b lx c freier Rand ly ly lx Bild 4.15 14.11.01 lx Trajektoriendarstellung der Hauptmomente a) allseitig frei drehbar gelagerte Platte b) allseitig starr eingespannte Platte c) dreiseitig frei drehbar gelagerte Platte (der vierte Rand ist nicht unterstützt) 123 4. Platten 4.2.3.2 Bemessung bei von der Bewehrungsrichtung abweichenden Hauptmomenten Unter der Voraussetzung my ≥ mx liefert das im Bild 4.16 dargestellte Flußdiagramm jene Bemessungsmomente mud bzw. m’ud , die der Biegebemessung im ULS zu Grunde zu legen sind. Die Momente mud bewirken Zug an der Plattenunterseite und m’ud an der Plattenoberseite. Beispielsweise liefert die Bemessung eines Plattenstreifens der Breite „1“ für das einwirkende Biegemoment m’udy die obere Bewehrung in y-Richtung. Die Begründung zu Bild 4.16 folgt im Abschnitt 6. ist JA m x ≥ – m xy NEIN m udx = m x + m x y m udx = 0 m udy = m y + m x y 2 m xy m udy = m y + ---------m x ist JA m x ≤ – m xy m′ udx = – m x + m xy m′ udy = – m y + m xy Bild 4.16 4.2.3.3 NEIN 2 m xy m′ ud x = – m x + ---------m y m′ ud y = 0 Bestimmung der Bemessungsmomente aus den Werten von mx, my und mxy in den Grenzzuständen der Tragsicherheit (EC2, Anhang 2) Drillbewehrung und Ankerkraft Im Bild 4.17 sind die Biegemomente mx, my und m xy einer frei drehbar linienförmig gestützten Rechteckplatte unter Gleichlast skizziert. Man erkennt, daß in der Plattenecke lediglich Drillmomente auftreten. Die zur Aufnahme der Drillmomente erforderliche Bewehrung folgt aus Bild 4.16. m udx = m u dy = m' udx = m' udy = m x y 14.11.01 (4.23) 124 4. Platten a b my mx mxy myx mxy Re = 2mxy Bild 4.17 Ecke einer frei drehbar gelagerten Platte a) Schnittgrößenverlauf b) Ersatzschubkräfte für Drillmoment und Lagerkräfte Das Bild 4.17 b zeigt die am Plattenrand wirkenden Drillmomente in Form von Ersatzschubkräften. Während sich benachbarte Ersatzkräfte nahezu aufheben, addieren sich im Platteneck die entstehenden Schubkräfte. Um die der Schnittgrößenermittlung zu Grunde gelegten Randbedingungen (Linienlagerung) zu erfüllen, muß die negative (abhebende) Auflagerkraft im Platteneck mit der Eckkraft R e = 2 ⋅ m xy (4.24) nach unten verankert werden (Bild 4.18 a), oder durch eine ständige Auflast von mindestens 1/16 der Plattenbelastung auf die Lagerlinie gedrückt werden (Bild 4.18 b). Querstab, besser Schlaufenmatte a Anker Eckkraft Re b Auflast Querstab, besser Schlaufenmatte Bild 4.18 14.11.01 Frei drehbar gelagerte Platten: Bewehrungsführung im Eckbereich a) ohne Auflast (Anker) b) mit Auflast 125 4. Platten x a b y 1 (−) myx mxy m my = 0 m 2 (+) mx = 0 1 1 1 1 d A B c e (+ m2 m ) 1 (−) obere Bewehrung as Schnitt B-B m 2 (+) untere Bewehrung (− m1 Re Sc hn itt p A -A A B as ) as p as KF Bild 4.19 as Ecke einer frei drehbar umfangsgelagerten Platte mit Eckverankerung a) Eckschnittgrößen (Drillmomente) mxy b) Hauptmomente (m1, m2) in der Plattenecke c) Schnittkräfte (qualitativ) infolge der Eckverankerungskraft Re d) Bewehrungsführung (Trajektorienbewehrung) e) Bewehrungsführung (orthogonale Netzbewehrung) Wenn die Plattenecken nicht belastet oder verankert sind, hebt die Platte im Eckbereich von der Lagerlinie ab (Bild 4.20a). Es entsteht ein anderes statisches System (ohne Lagerung im Eckbereich). Dadurch nehmen die Feldmomente zu (Größenordnung : 20%) a Bild 4.20 14.11.01 b Biegefläche einer Platte (schematisch) a) ohne Eckverankerung b) mit Eckverankerung 126 4. Platten 4.3 Punktförmig gestützte Platten 4.3.1 Schnittgrößen Punktgestützte Platten liegen direkt auf den Stützen auf. Sie werden deshalb auch als unterzuglose Decken bezeichnet. Man unterscheidet Flachdecken (Bild 4.21) und Pilzdecken (Bild 4.22), bei denen die Platte im Stützenbereich verstärkt (pilzförmig angevoutet) ist. Punktgestützte Platten werden heute nach der Methode der Finiten Elemente linear elastisch berechnet. Zur Vorbemessung und zu Kontrollzwecken hat sich das nachfolgend beschriebene Näherungsverfahren bewährt. Wenn das Verhältnis der Rasterabmessung 0,7 nicht unterschreitet, darf man die punktgestützte Platte näherungsweise in zwei einander kreuzende Rahmenstreifen zerlegen. Pilz- und Flachdecken weisen nämlich eine ähnliche Tragwirkung auf, wie zwei Scharen sich gegenseitig durchdringender Rahmen. Normalerweise werden die Horizontalkräfte über die Deckenscheiben in vertikale Aussteifungselemente (Stiegenhauskerne, Wandscheiben etc.) abgeleitet. Dann werden die Stützen an ihren Enden durch die Deckenscheiben festgehalten. Die Tragwirkung ist vergleichbar mit einem seitlich unverschieblichen Stockwerkrahmen. Bild 4.21 Flachdecke Bild 4.22 Pilzdecke 14.11.01 127 4. Platten lx y fiktive Linienlagerungen ly ly ly ly x lx Bild 4.23 lx Ersatzrahmen Das Berechnungsmodell besteht aus den beiden im Bild 4.23 grau hinterlegten Plattenstreifen mit der Breite ly in x-Richtung bzw. mit der Breite lx in y-Richtung. Dabei wird angenommen, daß beide Plattenstreifen über den Stützen linienförmig gelagert sind. Weil die Biegesteifigkeit der Stützen normalerweise klein im Vergleich zur Biegesteifigkeit der Plattenstreifen ist, werden für die Vorbemessung meist die Plattenstreifen als Durchlaufträger modelliert. 14.11.01 128 Gurtstreifen Gurtstreifen Feldstreifen a Feldstreifen Gurtstreifen 4. Platten Y lx X lx Flachdecke: 0,4 lx 0,6 lx 0,4 lx 0,6 lx 0,4 lx Pilzdecke: 0,5 lx 0,5 lx 0,5 lx 0,5 lx 0,5 lx tatsächliche Verteilung my abgestufte Verteilung my m y = ℵ ⋅ m ym b Mittelwert mym My m ym = ------lx Bild 4.24 Plattenstreifen in y-Richtung a) Definittion der Gurt- und Feldstreifen b) Verteilung von my Anmerkung: Das Bild 4.24 gilt auch für die x-Richtung, wenn man die Indizes x und y vertauscht. Jeder Plattenstreifen ist mit der Gesamtlast in ungünstigster Anordnung und Kombination zu beheben. Die auf diese Weise erhaltenen extremalen Stützenelemente MSx bzw. MSy und Feldmomente MFx bzw. 14.11.01 129 4. Platten MFy beziehen sich auf den jeweiligen Plattenstreifen mit der Breite by bzw. bx. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, daß sich die Plattenmomente m über die Breite der Plattenstreifen stark unterschiedlich verteilen (Bild 4.24 b) werden die Plattenstreifen in Grut- und Feldstreifen unterteilt. Die Gurtstreifen, die direkt über die Punktstützungen verlaufen, werden wesentlich höher beansprucht, als die Feldstreifen. Mit dem Mittelwert My Mx m ym = ------- bzw. m xm = ------lx ly (4.25) läßt sich die im Bild 4.24 b treppenförmig angenäherte Aufteilung der Biegemomente auf die Gurt- und Feldstreifen wie folgt annehmen: my = ⋅ m y m bzw. m x = ⋅ mx m (4.26) Die Werte ?? sind in der Tabelle im Bild Bild 4.25 zusammengefaßt. FLACHDECKE PILZDECKE Gurtstreifen Feldstreifen Stützquerschnitt 1,9 0,4 Feldquerschnitt 1,3 0,8 Bild 4.25 Gurtstreifen Feldstreifen Stützquerschnitt 1,5 0,5 Feldquerschnitt 1,1 0,9 Beiwerte ?? zur Formel Dabei sind die Bemessungsmomente mx, Sd und my, Sd für die Gurt- und Feldstreifen näherungsweise ermittelt. Es folgt die Biegebemessung in den maßgebenden Querschnitten (Stütz- und Feldquerschnitt). Neben dem Nachweis der Biegetragfähigkeit ist bei punktgestützten Platten auch die Tragfähigkeit (ULS) hinsichtlich Durchstanzen nachzuweisen (11.Abschnitt). Für diesen Nachweis benötigt man die auf eine Stütze entfallende maximale Auflagerkraft. Das Bild 4.26 b zeigt den zugehörigen Lastbereich. Er ist durch die Querkraftsnullpunkte der stellvertretenden Plattenstreifen bestimmt. 14.11.01 130 4. Platten Vx y x Vy Bild 4.26 14.11.01 Lasteinwirkungsbereich für die auf eine Stütze entfallende Auflagerkraft 131 4. Platten 4.3.2 Begrenzung der Durchbiegung Lx Ly w1 w2 w1 Fel n ife rt e s ld e F Fe l dst r e if St ü n ife rt e zs üt St tz s tre i ds t r e if en fe n en mx x y my n ife rt e zs üt St Bild 4.27 14.11.01 Bildfläche einer schlaff bewehrten Flachdecke (Lx = Ly) 132 4. Platten y fCx C A fA fAy B fBx x lx lx C b=1 b=1 A fA ly D f ’A B f Bx + f Cx f A = ---------------------- + f Ay 2 f Dy + f Ey f' A = ---------------------- + f Ax 2 1 f = --- ⋅ ( f A + f' A ) 2 Bild 4.28 14.11.01 Begrenzung der Verformung 133 4. Platten 4.4 14.11.01 Fundamentplatten 134 4. Platten 4.5 Öffnungen in Platten Zur Durchführung von Installationsleitungen bzw. von Treppen etc. werden häufig Öffnungen bzw. Aussparungen benötigt. Selbstverständlich ist es kein Problem, derartige Öffnungen in FE-Analysen zu berücksichtigen. Allerdings ist die Interpretation der Ergebnisse in unmittelbarer Nähe des Lochrandes (insbesondere in den Ecken) nicht ganz einfach. Deshalb wird nachfolgend der Einfluß von Öffnungen näherungsweise durch Plattenstreifen berücksichtigt: • Kleine Rechtecköffnungen (b < lx / 5) konstruktiv s Querzulagen s s lx Schnitt s-s s Haupttragwirkung Bei kleinen Öffnungen ist es ausreichend, die auf die Öffnung entfallende Bewehrungsmenge konzentriert neben der Öffnung anzuordnen (Bild 4.29). Außerdem sollten zur Beschränkung der Rißbreiten Querzulagen vorgesehen werden. Schließlich sind die Ränder gemäß Bild 4.29 mit Steckbügeln einzufassen. Den Spannungsspitzen in einspringenden Ecken kann man mit konstruktiv eingelegten Diagonalstäben in den Ecken Rechnung tragen. h Längszulagen Bild 4.29 • Bewehrung im Bereich einer kleinen Rechtecköffnung Große Rechtecköffnungen (b > lx / 5) Um große Öffnungen werden häufig Ersatzsysteme („Auswechslungen) mit verstärkten Plattenstreifen („versteckte Unterzüge“) verwendet. Sie sollten genauer nachgewiesen werden - besonders das Verformungsverhalten. Im Bild 4.30 ist eine derartige „Auswechslung“ mittels Plattenstreifen für den Fall einer einachsig gespannten Platte dargestellt. 14.11.01 135 4. Platten verstärkte Plattenstreifen in Querrichtung y lx ungestörte einachsige Tragwirkung Bild 4.30 14.11.01 verstärkte Plattenstreifen in Längsrichtung x ungestörte einachsige Tragwirkung Anordnung verstärkter Plattenstreifen zur näherungsweisen Bemessung der Bewehrung um großen Öffnungen 136 5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung 5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung Bei Stützen überwiegt in der Regel die Längskrafteinwirkung, sodaß die Bemessungssituation keine bis mittlere Lastausmitte vorherrschen. Von den im Bild 2.18 definierten Grenzdehnungszuständen treten deshalb vorzugsweise die Dehnungsbereich (1) und (2) auf. Im Dehnungsbereich (1) bleiben die Bewehrungen As1 und As2 unter Druckbeanspruchung. Im Dehnungsbereich (2) befindet sich die Bewehrung As1 zwar unter Zugbeanspruchung, die Dehnungen bleiben aber im elastischen Bereich (εs1 < εy) . Zur Stärkung der Druckzone wird deshalb meist eine zur Bewehrung As1 symmetrische Druckbewehrung angeordnet As1 = As2 Der Iterationsprozeß zum Aufsuchen jenes Grenzdehnungszustandes, bei dem die Gleichgewichtsbedingungen erfüllbar sind und die anschließende Bemessung der Bewehrung werden üblicherweise elektronisch durchgeführt. Für die Handrechnung lassen sich Bemessungsdiagramme erstellen. 5.1 Interaktionsdiagramme für einachsige Biegung Anmerkung: Die Herleitung der Interaktionsdiagramme wird in der Vorlesung gebracht (siehe auch C-Skriptum) Die reaktiven Schnittkräfte lassen sich in eine dimensionslose Form bringen. Die bezogenen Schnittkräfte ( -) N Sd ν ( - ) = --------------------f cd ⋅ A c (5.1) M sd µ = ----------------------------f cd ⋅ A c ⋅ h (5.2) sind für eine bestimmte Querschnittsform von den Querschnittsabmessungen unabhängig. Dadurch können allgemeingültige Interaktionsdiagramme für die Handrechnung erstellt werden. Die Tafeleingangsparameter sind: 1) die Stahlgüte (z.B. S 550), 2) das Bewehrungsverhältnis (meist A s 1 = A s2 ), 3) die Randabstände der Bewehrung ds æ ----ö è hø d2 und ------ ; meist wird d1 = d2 angenommen h 4) die Querschnittsform Rechteck [ - ] Kasten [ b0 / b, h0 / h ] Kreis [-] Kreisring [ d0 / d ] 14.11.01 137 5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung h0 b0 d0 h d b Bild 5.1 Querschnittsform (Definition der Bezeichnungen) Das Bild 5.2 enthält als Beispiel ein Interaktionsdiagramm für einen Rechteckquerschnitt. Anmerkungen: Weitere Diagramme finden sich im Übungsskriptum 14.11.01 138 5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung Bild 5.2 14.11.01 Interaktionsdiagramm für die Bemessung von Stützen nach Theorie 1.Ordnung 139 5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung Der Kurvenverlauf der Interaktionssdiagramme läßt erkennen, daß im Bereich kleiner bezogener Normalkräfte (ν ≈ 0 bis − 0,4) eine Erhöhung der Druckkraft (bei gleichbleibendem Moment) die Tragfähigkeit verbessert, das heißt weniger Bewehrung erforderlich macht. Bei großer bezogener Normalkraft ( υ > 0,4) führt eine Erhöhung der Druckkraft zu einem größeren Stahlbedarf. Für die bezogenen Schnittkräfte ν und µ - gemäß den Gleichungen (5.1) und (5.2) - entnimmt man dem Diagramm den Bewehrungswert ω. Damit folgt für die erforderliche Stahlfläche fc d A s, tot = A s1 + A s2 = ω tot ⋅ ------- ⋅ A c f (5.3) yd Die Tragfähigkeit gilt als nachgewiesen, wenn die vorhandene Stahlfläche größer oder gleich der nach Gleichung (5.3) erforderlichen Fläche ist. 14.11.01 140 5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung 5.2 Interaktionsdiagramme für zweiachsige Biegung Auch bei zweiachsiger Biegung lassen sich die Schnittkräfte auf den Einheitsquerschnitt transformieren (Bild 5.3). a b As2 ρ2 b ds y My 1 ds/h η µy ν 1 N h Mz ρ1 µz bs/b ζ As1 z Bild 5.3 bs Zweiachsige Biegung a) tatsächlicher Querschnitt und tatsächliche Schnittgrößen b) Einheitsquerschnitt und bezogene Schnittgrößen Die aktiven Schnittkräfte lauten in bezogener Form: M Sdy µ y = ---------------------------f cd ⋅ b ⋅ h 2 (5.4) M Sdz µ z = ---------------------------f cd ⋅ b 2 ⋅ h (5.5) N Sd ν = ------------------------f cd ⋅ b ⋅ h (5.6) Im Vergleich zur einachsigen Biegung kommt hier eine Variable hinzu, nämlich das Biegemoment µz um die z-Achse. Da in einem zweidimensionalen Diagramm nur zwei Variable darstellbar sind, kann ein Interaktionsdiagramm nur für eine bestimmte Normalkraft ν = const (Bild 5.4) erstellt werden. 14.11.01 141 5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung µz ν = const Symmetrieachse max ω ω=0 µy Bild 5.4 µy / µz-Interaktion für ν = const Bei symmetrischer Bewehrung A s 1 = A s2 , die bei Stützen zweckmäßig und üblich ist, verlaufen die Kurven im Bild 5.4 symmetrisch zur Geraden µy = µz. Deshalb genügt es, für eine bestimmte Normalkraft einen Sektor von 45° darzustellen und die Achsen mit µ1 und µ2 zu bezeichnen. Dann gilt µy > µz : µy < µz : µ1 = µy µ1 = µz µ2 = µ z µ2 = µ y (5.7) Das Bild 5.5 besteht demnach aus acht voneinander unabhängigen Diagrammen, wobei jedes einer anderen Normalkraft ν entspricht. Für eine einwirkende Normalkraft νSd, die zwischen den Eingangsparametern ν liegt, darf zwischen den Diagrammen linear interpoliert werden. 14.11.01 142 5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung Bild 5.5 14.11.01 Interaktionsdiagramm für zweiachsige Biegung 143 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.1 Allgemeines Dieser Abschnitt behandelt schlanke Druckglieder (Stützen, Rahmenstiele, etc.), bei denen die Verformung einen signifikanten Einfluß auf die Biegemomente hat (Verformungsmomente). Dieser „second order effect“ (Theorie II. Ordnung) läßt sich mit Hilfe der nichtlinearen M/ϑ-Beziehung erfassen, wobei die Rißbildung, das Schwinden und Kriechen des Betons und die nichtlinearen Materialeigenschaften im ULS zu berücksichtigen sind. Geometrische Imperfektionen, durch die Vorkrümmung und/oder Schiefstellung der Stabachse, sowie durch einen ungenauen Lastangriff sind in Form einer Zusatzexzentrizität ea (ungewollte Ausmitte) zu berücksichtigen. Sie stellt ein additives Sicherheitselement dar - ähnlich den Toleranzen (Maßabweichungen) der Bewehrungslage. Zur Berechnung der Schnittkräfte sind konventionelle lineare Methoden zulässig, wenn man die Theorie II.Ordnung, mit reduzierten Biegesteifigkeiten BII anwendet (Sekantensteifigkeit). Wie das Bild 6.1 veranschaulicht, wird dadurch die Krümmung - besonders bei Beanspruchungen, die unter dem Rißmoment liegen - auf der sicheren Seite liegend zu groß in Rechnung gestellt und damit die Stabverformung überschätzt. a M My b (- ) N = const A s = const M Tension Stiffening K My tatsächlicher Kurvenverlauf bi-lineare Annäherung M cr nackter Zustand II MD B II B mII ϑym ϑ y II Bild 6.1 ϑu ϑ ϑ ym ϑ yII ϑ Verallgemeinertes Stoffgesetz des Stahlbetons a) mittlere M/ϑ-Beziehung (Kurzzeitverhalten) b) Linearisierung der M/ϑ-Beziehung Natürlich ist eine nichtlineare Analyse auf der Basis ebenbleibender Querschnitte (Hypothese von Bernoulli) unter Annahme „wirklichkeitsnaher Stoffgesetze“ (z.B. Bild 2.8) genauer. Eine Vereinfachung dieser Methode besteht darin, daß man nur einen Querschnitt der Stütze - den maßgebenden oder kritischen Querschnitt - nichtlinear betrachtet und entlang der Stabachse eine bestimmte Krümmungsverteilung annimmt (z.B. affin zur Momentenlinie). 14.11.01 144 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.2 Schlankheitsgrad λ Mit Hilfe der Stabschlankheit l 0 λ = ---i (6.1) l0 ......................Ersatzstablänge (wirksame Stablänge; siehe auch Abschnitt 6.4.7.3) J ---- ............Trägheitsradius A J .......................Trägheitsmoment des Querschnittes (normalerweise Jc im Zustand I) A.......................Querschnittsfläche (normalerweise Ac im Zustand I) i = Ersatzstablänge Die Ersatzstablänge lo entspricht der Länge jener Modellstütze, die bei gleichem Querschnitt dieselbe Tragfähigkeit aufweist, wie die tatsächlich in das Tragwerk eingebundene Stütze. Bei der Ermittlung der Ersatzstablänge ist gebührende Umsicht zu üben, da es schwierig ist, alle relevanten Parameter auf einfache Weise zu erfassen. Dies gilt insbesondere für die Randbedingungen an den Stabenden, die von der Steifigkeit der anschließenden Elemente im Traglastzustand abhängen. Knicklänge Zur Abschätzung der Ersatzstablänge wird diese in der Praxis häufig mit der Knicklänge gleichgesetzt. Die Knicklänge ist als Abstand der Wendepunkte der elastischen Knickbiegelinie definiert. Die im Bild 6.2 skizzierten Euler’schen Grundfälle liefern nützliche Schranken für die Eingrenzung der Ersatzstablänge. Bei kleinen Schlankheiten sind die Auswirkungen der Stabverformung auf die Biegemomente gering, das heißt die Verformungsmomente ∆M nach Theorie 2. Ordnung sind vernachlässigbar (∆M/M < 10%). Wenn die Schlankheit λ das Kriterium λ < 25 (6.2) erfüllt, gilt die Stütze als nicht schlank. Dann dürfen die Schnittgrößen nach Theorie 1.Ordnung berechnet werden. Die Bemessung erfolgt nach Abschnitt 5. Stützen mit Schlankheiten λ > 140 (6.3) gelten als extrem stabilitätsgefährdet. Sie sind deshalb besonders vorsichtig zu untersuchen. Weitere Angaben zu den Schlankheitsgrenzen finden sich im EC2. 14.11.01 145 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern Stützenkopf horizontal unverschieblich l0 ≈ 0,7 l l0 = 0,5 l l l0 = l Stützenkopf horizontal verschieblich l l0 = l Bild 6.2 14.11.01 l0 = 2 l Euler’sche Knickfälle 146 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.3 Geometrische Imperfektionen Die Auswirkung von geometrischen Abweichungen der Stabachse von der geplanten Lage läßt sich mit einem Knick αa der Stabachse simulieren. ea b a l ea l0 l0 ea = α a ⋅ ---2 αa Bild 6.3 αa Definition der geometrischen Imperfektionen a) Geknickte Stabachse bei seitlich unverschieblichen Systemen b) Schiefstellung der Stabachse bei seitlich verschieblichen Systemen Bei der Schnittgrößenermittlung am Tragwerk als Ganzes kann der Winkel αa berücksichtigt werden mit: 0,01 α a = ----------- im Bogenmaß, l (6.4) jedoch mindestens mit α a = 0, 005 (6.5) l ........................Stablänge in [m] Alternativ zu Bild 6.3 darf die Auswirkung der geometrischen Imperfektion auch durch äquivalente Horizontallasten H erfaßt werden (Bild 6.4). N N N H 0, 5l ea 0, 35l ea H H H = αa ⋅ N H = 2α a ⋅ N Bild 6.4 0, 7l H = 2α a ⋅ N Erfassung von geometrischen Imperfektionen mit Hilfe von äquivalenten Horizontallasten H Bei seitlich verschieblichen Stockwerkrahmen (Bild 6.5) wird eine mittlere Schiefstellung αam über alle Geschoße angesetzt, 14.11.01 147 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 1 α am = α a ⋅ 0,5 ⋅ æ 1 + -----ö è mø (6.6) wobei m die Anzahl der vertikal durchlaufenden Stützen bedeutet. Anmerkung: Im Falle Bild 6.5 a und b geht in die Gleichung (6.6) die Gebäudehöhe l ein. Im Falle Bild 6.5 c ist l die Geschoßhöhe und m die Gesamtanzahl aller Stützen in den beiden Geschoßen, die einen Beitrag leisten zu der zu verankernden Horizontalkraft H2. Die Imperfektionen (früher: „ungewollte Ausmitte“) bewirken Momente Ma (Theorie 1.Ordnung im maßgebenden Querschnitt m), entweder als Folge der Exzentrizität ea M a = N ⋅ ea (6.7) oder als Folge der äquivalenten Horizontallasten. Diese Momente sind den Lastmomenten nach Theorie 1.Ordnung zuzuschlagen. a b c α am Nj j H l i αam 1 Bild 6.5 2 H1 Ni H2 l αa m 3 H 1 = α am ⋅ ( N i – N j ) H 2 = αam ⋅ ( N i + N j ) Definition von geometrischen Imperfektionen a) mittlere Schiefstellung αam (m = 3; drei Stützenreihen) b) äquivalente Horizontalkräfte H1; sie ersetzen die Schiefstellung c) lokale Abtriebskraft H2 für die Bemessung der Stabilisierungskräfte zwischen den aussteifenden und den ausgesteiften Bauteilen (Beispiel: Anschluß zwischen Decke und Kern) e1 = e0 + ea M1 e 0 = ------N Ma e a = ------N M1 + Ma e 1 = ---------------------N (6.8) e1 .....................Gesamtausmitte nach Theorie 1. Ordnung (inklusive Imperfektion) e0 .....................Lastausmitte nach Theorie 1. Ordnung (ohne Imperfektion) ea .....................Ausmitte infolge einer geometrischen Imperfektion M1 ....................Lastmoment nach Theorie 1. Ordnung Ma ....................Moment nach Theorie 1. Ordnung 14.11.01 148 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.4 Einzelstütze 6.4.1 Der Zusammenhang zwischen Stabverformung e2 und der Krümmung ϑm2 im maßgebenden Querschnitt m a) Stützenkopf gehalten Wenn man den Verlauf der Krümmung ϑ(x) entlang der Stabachse vorgibt, läßt sich die Stabverformung e2 mit Hilfe des Verformungsbeiwertes kM durch die Krümmung im maßgebenden Querschnitt ausdrükken. Parabolische Krümmungsverteilung Unter der Annahme, daß die Krümmungsverteilung entlang der Stabachse einer quadratischen Parabel entspricht, wird die Biegelinie ein Polynom 4.Ordnung. Mit der Gleichung (3.91) erhält man e2 aus dem Bild 6.6: 1 l0 l0 3 e 2 = 2 ⋅ --- ⋅ ---- ⋅ ---- ⋅ æ ϑ m2 + 2 ⋅ --- ϑm 2ö ø 6 2 4 è 4 2 l 0 ( 4 ⋅ ϑ m 2 + 6 ⋅ ϑ m2 ) = e 2 = ------ ⋅ ------------------------------------------------24 4 2 l0 5 2 e 2 = ------ ⋅ l 0 ⋅ ϑ m2 ≈ ------ ⋅ ϑ m 2 48 10 (6.9) N ϑm 2 l0 e2 v F = 1 l0 ---4 3 --- ϑm2 4 Bild 6.6 14.11.01 Verformungsberechnung (Prinzip der virtuellen Arbeit) 149 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern Zum Vergleich sind nachfolgend noch andere Krümmungsverläufe angeschrieben: N a Theorie 1.Ordnung Theorie 2.Ordnung ϑm 2 q ϑ m1 5 e 2 = ------ ⋅ l 02 ⋅ ϑ m2 48 5 1 k M = ------ = -------- = 0,104 48 9,6 quadratische Parabel b N ϑo quadratische Parabel ϑ m2 ϑ m1 ϑu l 02 e 2 = ------ ⋅ ( 5ϑ m 2 + ϑ m 1 ) 48 ϑ m1 5 ⋅ æ 1 + -----------ö è ϑ m2ø k M = ---------------------------------48 N Bild 6.7 14.11.01 Verformungsbeiwert kM für parabolischen Krümmungsverlauf a) Horizontal wirkende Gleichlast (z.B. Windeinwirkung) b) Linear veränderliche Lasextzentrizität 150 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern rechteckige Krümmungsverteilung N Grenzfall: rechteckige Krümmungsverteilung ( ϑm2 = konst ) M1 M1 e 1 = ------- » N l 02 e2 = ---- ⋅ ϑ m 8 ϑm 1 k M = --8 M1 dreieckige Krümmungsverteilung N Grenzfall: dreieckige Krümmungsverteilung ϑ m qq H l 02 e2 = ------ ⋅ ϑ m 12 1 k M = -----12 sinusförmige Krümmungsverteilung N Grenzfall: sinusförmige Krümmungsverteilung ϑm 2 x xπ w ( x ) = e 2 ⋅ sin -----2 π xπ w′ ( x ) = e 2 ⋅ --- ⋅ cos -----2 2 π2 xπ w″ ( x ) = – e 2 ⋅ ------ ⋅ sin -----2 l2 π2 ϑ m 2 = – w″ ( x = l/2 ) = e2 ⋅ -----l2 l 02 e 2 = ------ ⋅ ϑ m2 π2 π 2 = 9, 87 ≈ 10 1 k M = ----------9,87 Bild 6.8 14.11.01 Verformungsbeiwert kM zu verschiedenen Annahmen für die Krümmungsverteilung 151 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern b) Stützenkopf frei 2 N e2 l0 e 2 = ------ ⋅ ( 5ϑ m 2 – 2ϑ m1 ) 48 N H H Für N = 0 wird l 2H l0 ϑm2 e2 ϑm 1 ϑ m2 = ϑ m1 und 2 lo e 2 = ------ ⋅ ϑ m1 12 ϑm 1 5 ⋅ æ 1 – -----------ö è ϑ m 2ø k M = --------------------------------48 H N e2 N ϑ m2 N 2 l0 e 2 = ------ ⋅ ( 5ϑ m 2 – 2ϑ m1 ) 48 q Für N = 0 wird l l0 q⋅l ϑ m2 = ϑ m1 ⇔ e2 l N Bild 6.9 ϑm 1 und 2 lo e 2 = ------ ⋅ ϑ m1 16 ϑm1 5 ⋅ æ 1 – 2 ⋅ -----------ö è ϑm2ø k M = ----------------------------------------48 Verformungsbeiwert kM für Kombination aus linearer und parabolischer Krümmungsverteilung Allgemein gilt für den Zusammenhang zwischen der Krümmung ϑm2 im maßgebenden Querschnitt und der Verformung e2 2 mit e2 = k M ⋅ l 0 ⋅ ϑ m2 (6.10) 1 1 --- > k M > -----8 12 (6.11) 1 Für eine der Momentenlinie angepaßte Bewehrungsabstufung sollte stets kM = --- angenommen werden. 8 Nach EC2 gilt für den Verformungsbeiwert kM näherungsweise 14.11.01 152 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 1 k M = -----10 (6.12) Beim klassischen Knicken wird die Biegelinie und damit die Krümmungsverteilung sinusförmig angenommen. 1 k M = -----π2 14.11.01 (6.13) 153 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.4.2 Gleichgewicht am verformten Stab (Theorie 2.Ordnung) Mit der Linearisierung des M/ϑ-Diagrammes nach Bild 6.1 b Mr ϑ m2 = ------B II (6.14) erhält man aus Gleichung (6.10) 2 Mr e 2 = k M ⋅ l ⋅ ------B II (6.15) einen linearen Zusammenhang zwischen dem reaktiven Biegemoment Mr im maßgebenden Querschnitt und der Stabauslenkung e2 (Bild 6.10). Mr Reaktion B II M r ( e 2 ) = --------------- ⋅ e 2 2 kM ⋅ l e2 B II --------------= N E ........Eulerlast 2 kM ⋅ l Bild 6.10 Reaktion Mr Das aktive Biegemoment nach Theorie 2.Ordnung lautet (Bild 6.11) M 2 = M 1 + ∆M = M 1 + N ⋅ e 2 (6.16) ∆M....................Verformungsmoment M1 ....................Moment nach Theorie 1.Ordnung M2 ....................Moment nach Theorie 2.Ordnung N ....................Normalkraft (Absolutbetrag) e2 .....................Stabauslenkung im maßgebenden Querschnitt Ma M1 Na e1 Bild 6.11 14.11.01 Aktion M a ( e 2 ) = N a ⋅ ( e1 + e 2 ) = M 1 + Na ⋅ e 2 e2 Aktion (Einwirkung) Ma in Abhängigkeit von der Stabverformung e2 154 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern Ein stabiles Gleichgewicht Ma = Mr herrscht im Schnittpunkt der beiden Geraden (Bild 6.12). M Reaktion M2 Aktion M1 NE Na e2 e1 Bild 6.12 e2 Kugelgleichnis für stabilen Gleichgewichtszustand Die Gleichgewichtsbedingung Ma = Mr liefert die gesuchte Stabauslenkung e2 1 e 2 = ----------------- ⋅ e1 NE ------- – 1 Na (6.17) B II N E = ---------------k M ⋅ l 02 mit 1 ------- = π2 und BII = EJ kM (6.18) ergibt sich die Formel für die klassische Eulerlast: 2 EJπ N E = ------------2 l0 14.11.01 (6.19) 155 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.4.3 Instabilitätsfall Dem Bild 6.1 entsprechend ist die Reaktion mit My begrenzt (Bild 6.13). Wenn die Aktion die Reaktion im kritischen Knickpunkt K tangiert ist der Grenzzustand der Tragfähigkeit erreicht. Wenn man die Normalkraft Na oder die Lastausmitte e 1 vergrößert, ist kein Gleichgewicht mehr möglich; die Stütze wird instabil; die Verformung e2 wächst schlagartig bis Materialversagen eintritt. Im kritischen Knickpunkt K herrscht ein labiles Gleichgewicht. a M b Aktion K Na Reaktion M1 e1 l e2 G maßgebender Querschnitt m e NE Na e2 e1 Na Kugel-Gleichnis c e2 Bild 6.13 Auswirkung einer bi-linearen M/ϑ-Beziehung auf die Tragfähigkeit eines schlanken Druckstabes a) Aktion M2 = N a · (e1 + e2) am verformten Stab b) kritischer Gleichgewichtszustand im kritischen Knickpunkt K c „Kugelgleichnis“ für labilen Gleichgewichtszustand Wenn man entsprechend Gleichung (6.10) 1 ϑ m2 = --------------- ⋅ e2 2 kM ⋅ l0 (6.20) die Abszissenachse verzerrt, erhält man das Bild 6.14, welches das komplexe Instabilitätsproblem des Stahlbetondruckstabes auf eine einfache Querschnittsbetrachtung zurückführt. Die Reaktion entspricht nämlich der M/ϑ-Beziehung im maßgebenden Querschnitt. 14.11.01 156 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern M Aktion K M2 = M K G M1 N a ⋅ k M ⋅ l0 Reaktion (M/ϑ-Diagramm) 2 Mu ϑ B II e ϑ m = --------------2 k M ⋅ l0 Bild 6.14 14.11.01 ϑ K = ϑ m2 Momenten-/Krümmungsbeziehung im maßgebenden Querschnitt m Bemessung von Stahlbetonstützen: Rückführung auf eine einfache Querschnittsanalyse 157 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.4.4 Der „kritische Punkt“ K Die Rückführung des relativ komplexen Problems der Bemessung schlanker Druckstäbe auf eine Querschnittsbetrachtung zeigt anschaulich, daß für die größtmögliche Einwirkung das Gleichgewicht nur im Punkt K erfüllbar ist (Bild 6.14). Ma = Mr Aktion Ma = M2 ⇔ Reaktion Mr = M K Dieser Gleichgewichtszustand ist labil, d.h. bei einer geringen Störung wird die Stütze instabil (Ma > Mr). Bei schlanken Stützen tritt der Instabilitätsfall ein, bevor die materialbedingte Querschnittstragfähigkeit Mu erschöpft ist. Anmerkung: Die materialbedingte Querschnittstragfähigkeit Mu entspricht dem Endpunkt G der M/ϑ-Linie im Bild 6.14. Für diesen Grenzzustand des Querschnittswiderstandes im ULS gelten die üblichen Interaktionsdiagramme. Sie wurden mit den normengemäßen Grenzdehnungszuständen nach Bild 2.31 erstellt. Für Stabilitätsprobleme ist der Grenzpunkt G nur ausnahmsweise relevant, und zwar wenn er im Bild 6.14 links vor dem kritischen Punkt K zu liegen kommt. Diesen Fall bezeichnet man als Spannungsfall 2.Ordnung. Er wird mit der oben beschriebenen bi-linearen Näherung für die M/ϑ-Linie praktisch ausgeschlossen. Die Reaktion im Bild 6.14 entspricht der M/ϑ-Beziehung im maßgebenden Querschnitt. Sie hängt bekanntlich von der Normalkraft, den Materialeigenschaften, der Querschnittsform und last not least von der Bewehrungsfläche As = As1 + As2 ab. Bei Stützen wendet man normalerweise eine symmetrische Bewehrungsanordnung As1 = As2 an. Der Knickpunkt K im M/ϑ-Diagramm (Bild 6.14) ist dadurch gekennzeichnet, daß entweder in der Biegezugbewehrung As1 die Fließdehnung εyd(+) auftritt (niedrige bezogene Normalkraft ν < 0,4) oder daß in der Biegedruckbewehrung As2 die rechnerische Fließstauchung εyd(−) erreicht wird (hohe bezogene Normalkraft ν > 0,4). Das Bild (6.15) zeigt ein N-M-W-Interaktionsdiagramm fü rden kritischen Punkt K. An Stelle der Grenzdehnungen gemäß Bild 2.31, die für den Grenzpunkt G im Bild (6.14) gelten, sind hier die Dehnungen εyd in der Druck- bzw. Zugbewehrung eingehalten. Definition der Bezeichnungen: Nc0 = fcd · Ac N Sd N Sd ν = ----------------------- = ---------f cd ⋅ b ⋅ h N c0 (6.21) (6.22) M Sd M Sd µ = ------------------------- = ----------------2 N c0 ⋅ h f cd ⋅ b ⋅ h (6.23) A s f yd N s0 ω = ----------- ⋅ ------- = ---------b ⋅ h f cd N c0 (6.24) N c 0 + A s ⋅ f yd ν 0 = ---------------------------------- = 1 + ω N c0 (6.25) ν .......................bezogene Normalkraft µ .......................bezogenes Biegemoment ω.......................bezogene Stahlfläche ν0......................bezogene Normalkrafttragfähigkeit bei zentrischer Druckeinwirkung 14.11.01 158 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern ( -) εy d zentrischer Druck ( -) ε yd ( -) ε yd ( -) εyd ν ν0 zentrischer Druck Dekompression ( -) ε yd ( -) ε yd ω ω ε c1 = 0 ( -) ε yd ν = 1,0 ( -) ε yd ω = 0 ν bal = 0,4 „balanced point“ (+ ) ε yd (+ ) ε yd Bild 6.15 Druckbewehrung ausgenützt: ν > 0,4 ε s1 = 0 Biegezugbewehrung ausgenützt:ν < 0,4 ( -) ε s2 > ε yd µ Interaktionsdiagramm für den Rechteckquerschnitt mit den Grenzdehnungen εs1 ≤ εyd und/oder εs2 ≥ −εyd Das Bild 6.15 zeigt ein spezielles Interaktionsdiagramm, welches ausschließlich für den Knickpunkt K gilt. Im oberen Bereich (ν > 0,4) wird die Stauchung der Druckbewehrung As2 mit εyd(−) festgehalten, während die Dehnung der Bewehrung As1 innerhalb der Grenzen εyd(−) ≤ εs ≤ εyd(+) - also im Hooke’schen Bereich - liegt. Im unteren Bereich des Diagrammes (ν < 0,4) ist die Biegezugbewehrung As1 mit εyd(+) festgehalten. Die Biegedruckzone ist dagegen nicht ausgenützt (εs2 > εyd(−)). Die rechnerische Fließdehnung εyd repräsentiert den Beginn des Stahlfließens, wodurch die M/ϑ-Linie in den flachen Ast (Fließplateau) übergeht. Der Knickpunkt im M/ϑ-Diagramm wird also durch den Knickpunkt im σ/ε-Diagramm des Stahles verursacht. Im Dehnungsbereich (1) (Bild 6.16) herrscht Zustand I. Im Dehnungsbereich (2) ist die Fließstauchung εyd(−) am Druckrand ausgenützt und im Dehnungsbereich (3) wird die Fließdehnung εyd(+) am Biegezugrand festgehalten. 14.11.01 159 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern (- ) ε yd As 2 B 1 2 3 N Sd y M2 = MK C 0 A s1 z (+ ) ε yd Bild 6.16 Dehnungszustände zu MK Balanced Point Am Übergang zwischen den Dehnungsbereichen (2) und (3) liegt die Dehnungsebene (B)-(C). Sie ist dadurch gekennzeichnet , daß in beiden Bewehrungen As1 und As2 gleichzeitig die rechnerische Fließdehnung εyd mit unterschiedlichen Vorzeichen auftritt. Die zugehörigen Schnittgrößen werden mit Nbal und Mbal bezeichnet. (- ) ε yd b Ns 2 As -----2 h f cd x 0, 8 ⋅ x Nc ec N bal M bal a y ϑ bal N s1 z Bild 6.17 A -----s2 εyd Dehnungszustand und Schnittkräfte im balanced point Beispielsweise lauten für einen Rechteckquerschnitt mit symmetrischer Bewehrung die reaktiven Schnittgrößen für diesen speziellen Dehnungszustand (Bild 6.17) : 14.11.01 N bal = N c + N s1 + N s2 (6.26) As N s2 = – f yd ⋅ -----2 (6.27) As N s1 = +f y d ⋅ -----2 (6.28) 160 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern N bal = N c = f cd ⋅ b ⋅ 0, 8 ⋅ x x = 0, 5 ⋅ h (6.30) N bal = 0,4 ⋅ f cd ⋅ A c (6.31) e c = 0, 3 ⋅ h (6.32) f yd ⋅ A s ⋅ a M bal = N c ⋅ 0,3h + -------------------------2 (6.33) 2 ⋅ ε yd ϑ bal = ---------------a 14.11.01 (6.29) (6.34) 161 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.4.5 Bemessung der erforderlichen Bewehrung (Modellstützenverfahren) a b ν ν zentrischer Druck ν0 ν Sd Balanced Point (BP) ν bal µ bal µ ϑK Bild 6.18 Linearisierung der N/ϑ-Beziehung Anmerkung: man kann die N/ϑ-Linie auch theoretisch genau darstellen (strichlierte Linie) ϑ ϑ bal N ud f cd ⋅ A c + f y d ⋅ A s ν 0 = ------------------ = ------------------------------------------- = 1 + ω f cd ⋅ A c f cd ⋅ A c (6.35) A s f yd ω = ------ ⋅ ------A c f cd (6.36) N Sd ν Sd = -----------------f cd ⋅ A c N bal ν bal = -----------------f cd ⋅ A c (6.37) (6.38) Rechteckquerschnitt: νbal = 0,4 Vorgangsweise: 1) Berechnung von νbal (Gleichung (6.38)) und ϑbal (Gleichung (6.34)) → Punkt BP in Bild 6.18 2) Berechnung νSd (Gleichung (6.37)) 3) Für νSd > µbal: Schätzung von ω (Gleichung (6.36)) und Berechnung von ν0 (Gleichung (6.35)) 4) Entnahme von ϑK aus Bild 6.18 b ϑ K = α r ⋅ ϑ bal für νSd > νbal: lineare Interpolation mittels αr 14.11.01 162 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern ν 0 – ν Sd α r = ---------------------- ≤ 1 ν 0 – ν bal (6.39) 5) Berechnung von e2 mit Gleichung (6.20) 2 1 e 2 = k M ⋅ l0 ⋅ ϑ K (EC2: kM = ------ ) 10 (6.40) 6) Ermittlung der Gesamtausmitte im maßgebenden Querschnitt e to t = e 0 + e a + e 2 (6.41) M Sd1 e 0 = -------------- .Theorie 1.Ordnung N Sd ea ................Imperfektion (siehe Bild 6.3) e2 ................Stabverformung nach Theorie 2. Ordnung (Gleichung (6.41)) 6) Bemessung der erforderlichen Bewehrung im maßgebenden Querschnitt für die Schnittgrößen NSd und M Sd = N Sd ⋅ etot Anmerkung: Streng genommen müßte die Bemessung mit den Interaktionsdiagrammen im Bild 6.15 erfolgen. Näherungsweise darf nach EC2 die Bemessung mit den üblichen Diagrammen durchgeführt werden, wenn diesen das elastisch-plastische Stoffgesetz zu Grunde liegt. 7) Wenn das Ergebnis As der Bemessung wesentlich von der Schätzung im Schritt (3) abweicht, muß der Bemessungsvorgang ab Schritt (3) mit einer neuen Annahme für As wiederholt werden. Anmerkung: 14.11.01 Für kleine Lastexzentrizitäten e1 < 0,1·h liefert das Verfahren zu ungenaue (auf der sicheren Seite liegende) Ergebnisse. Auch bei Schlankheiten l > 140 sollten genauere Methoden anwendet werden. 163 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.4.6 Genauigkeitssteigerung beim Modellstützenverfahren Die im vorigen Abschnitt angewendeten Vereinfachungen führen zu einer für die komplexe Aufgabenstellung erstaunlich anschaulichen und verständlichen Bemessungsmethode (Modellstützenverfahren). Das Problem wird auf eine einfache Querschnittsbetrachtung im maßgebenden (kritischen) Querschnitt zurückführt (Bild 6.14). 6.4.6.1 Anwendungen des theoretisch genauen M/ϑ-Diagrammes Eine Verbesserung der Genauigkeit erreicht man, indem man an Stelle der vereinfachten bi-linearen M/ϑ-Beziehung den theoretisch genaueren Kurvenverlauf nach Abschnitt 3.6.4 ermittelt. (Bild 6.19 und Bild 3.24). Mm n tio Ak G Reaktion K M1 N Sd ⋅ k M ⋅ l 0 2 M cr MK ϑK ϑm e1 -----------------2 k M ⋅ l0 Bild 6.19 Rückführung des Stabilitätsproblems einer Einzelstütze auf die M/ϑ-Linie im kritischen Querschnitt Mit der kritischen Krümmung erhält man die Stabauslenkung e2 2 e2 = k M ⋅ l0 ⋅ ϑK (6.42) und damit das Verformungsmoment nach Theorie 2.Ordnung ∆M = N ⋅ e 2 (6.43) welches zum Biegemoment M1 nach Theorie 1.Ordnung hinzukommt M 2 = M 1 + ∆M (6.44) Damit lauten die Bemessungsschnittgrößen im ULS N Sd = N (6.45) M Sd = M 2 (6.46) e2 .....................Stabverformung l0 ......................Ersatzstablänge (Abschnitt 6.2, bzw. Abschnitt 6.4.7.3) kM .....................Verfomrungsbeiwert, der die Krümmungsverteilung entlang der Stabachse beschreibt NSd, MSd ..........Bemessungsschnittgrößen (maßgebende EK im ULS) 14.11.01 164 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.4.6.2 Genauere Erfassung des Verformungsbeiwertes kM • Der Beiwert kM kann näherungsweise mit kM = 1/10 angenommen werden (EC2). Eine merkliche Genauigkeitssteigerung wird erreicht, wenn man kM nach Abschnitt 6.4.1 ermittelt bzw. iterativ verbessert. • Wenn die Biegemomente nach Theorie 1.Ordnung konstant verlaufen, sollte kM = 1/8 angesetzt werden. • Wenn das Moment 1.Ordnung durch eine horizontale Einzellast in Stabmitte verursacht wird oder was gleichwertig ist - durch eine Horizontalkraft am Kopf einer Kragstütze angreift, kann kM= 1/12 angenommen werden. • Wenn die Bewehrung der Momentenlinie entsprechend abgestuft wird, sollte stets kM =1/ 8 eingesetzt werden. 6.4.6.3 Näherungsweise Berücksichtigung der Kriechverformung Bei Querschnitten mit symmetrischer Bewehrung kann die kritische Krümmung ϑK wie folgt berechnet werden (MC90): ϑK = α Φ ⋅ α r ⋅ ϑ bal (6.47) mit Gleichung (6.34) ε yd ϑ bal = 2 ⋅ -------a (6.48) ϑbal ...................Krümmung im balanced point αΦ.....................Korrekturfaktor für Kriechen αr ......................Korrekturfaktor, der die Normalkraft bzw. Bewehrung berücksichtigt εyd ....................Fließdehnung a .......................Abstand zwischen den Schwerpunkten von Zug-und Druckbewehrung Mit der wirksamen Kriechzahl Φeff M g,1 Φ eff = Φ ⋅ --------------M Sd,1 (6.49) Φ eff α Φ = 1 + ---------4 (6.50) Φ ......................Kriechbeiwert (Endkriechzahl) Mg,1 ..................quasi-ständig einwirkendes Biegemoment (SLS) nach Theorie 1.Ordnung MSd,1 ................Bemessungsmoment (ULS) nach Theorie 1.Ordnung Anmerkung: Mg,1 und MSd,1 enthalten die Auswirkung der Imperfektion e a. Eine genauere Möglichkeit die Auswirkung von Kriechen und Schwinden zu berücksichtigen besteht darin, die Zunahme der Krümmung im maßgebenden Querschnitt ϑcs + ϑcc gemäß Bild 6.20 in die M/ϑ - Beziehung einzubringen. 14.11.01 165 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern Die Auswirkung des Kriechens darf vernachlässigt werden (Φ = 0), wenn zumindest zwei der nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind: λ ≤ 40 (6.51) e1 ------ ≥ 2 h (6.52) Ng ---------≤ 0, 15 N Sd (6.53) M K N K ⋅ kM ⋅ l 0 Mg 2 ϑc s + ϑc c ϑ e1 -----------------2 k M ⋅ l0 Bild 6.20 ϑK „Parallelverschiebung“ der M/ϑ-Kurve durch Kriechen Mg ....................ständige Einwirkung ϑcs ....................Krümmungszunahme durch Schwinden ϑcc ....................Krümmungszunahme durch Kriechen 14.11.01 166 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.4.7 Ersatzstabverfahren 6.4.7.1 Allgemeines Mit dem Modellstützenverfahren läßt sich eine einzelne schlanke Stahlbetonstütze mit praxisgerechter Einfachheit und ausreichender Genauigkeit bemessen. Normalerweise ist der Bewehrungsanteil von Stützen im Vergleich zu den übrigen Bauteilen eines Bauwerkes gering. Deshalb ergibt sich auch aus wirtschaftlicher Sicht keine Notwendigkeit, die Bewehrung von Stützen auf das statisch gerade noch vertretbare Mindestmaß zu minimieren. Dagegen spricht auch die zentrale Bedeutung von Stützen als Tragelement. Häufig kommen später unvorhergesehene Lastfälle hinzu. Dann ist der Bauherr dankbar, wenn in der Tragfähigkeit der Stützen noch gewisse Reserven vorhanden sind. Diese Gründe sprechen dafür, bei der Bemessung von Stützen großzügig vorzugehen. Auch die Tatsache, daß man duktile robuste Konstruktionen anstrebt, spricht dafür, plastische Gelenke möglichst außerhalb der Stützen in Biegequerschnitte zu verlegen und Instabilitätsfälle womöglich zu vermeiden. Vom restlichen Tragwerk hinsichtlich ihrer Tragwirkung isolierte Einzelstützen kommen in der Praxis häufig vor - insbesondere in Form von Kragstützen z.B. bei Hallen oder als aussteifender Kern in Hochbauten. Deshalb werden Kragstützen im Abschnitt 6.4.7.4 nochmals ausführlicher besprochen. Mit Hilfe des Ersatzstabverfahrens kann man in vielen Fällen eine in das Tragsystem eingebundene Stütze gedanklich aus diesem herauslösen und als isolierte Einzelstütze nach dem Modellstützenverfahren bemessen. Selbstverständlich besteht die Forderung, daß die Modellstütze dieselbe Beanspruchung und Tragfähigkeit aufweisen soll, wie die wirkliche in das Tragsystem (Stockwerkrahmen etc.) integrierte Stütze. Für die Definition dieses Ersatzstabes sind folgende Größen erforderlich: NSd ...................einwirkende Druckkraft im ULS für die maßgebende EK e1 .....................Ersatzausmitte nach Theorie 1.Ordnung (inklusive der Imperfektion ea) im maßgebenden Querschnitt kM .....................Verformungsbeiwert, der die Krümmungsverteilung entlang der Stabachse berücksichtigt. Er hängt von den Lagerungsbedingungen und von der Belastungsart ab, die auf die Modellstütze einwirkt (Abschnitt 6.4.1) l0 ......................Ersatzstablänge. Sie entspricht der Länge der Modellstütze, die zum Vergleich herangezogen wird. κ .......................Modellstützenbeiwert. Dieser Faktor ermöglicht es, spezielle Einwirkungen und Lagerungsbedingungen auf einfache Weise zu berücksichtigen ∆M = κ ⋅ N Sd ⋅ e2 Anmerkung: (6.54) Hinsichtlich ea gilt Abschnitt 6.3. Der Beiwert kM wurde im Abschnitt 6.4.1 behandelt. Die Ersatzausmitte ee, die Ersatzstablänge l0 und der Beiwert κ werden nachfolgend besprochen. 6.4.7.2 Ersatzausmitte ee Wenn bei einem seitlich unverschieblich gelagerten Einzelstab die Momentenlinie nach Theorie 1.Ordnung entsprechend Bild 6.21 a verläuft, liegt die maximale Stabauslenkung nicht in der Stabmitte. Um dieselbe Stabauslenkung in Stabmitte zu erhalten, arbeitet man mit einer entsprechend gewichteten Ersatzausmitte ee (Bild 6.21 b). e to t = e e + ea + e 2 e1 = ee + ea 14.11.01 (6.55) 167 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern a c b e02(+) e02(+) N N N e2 e2 ee N N N e01(+) Bild 6.21 e2 elastische Einspannung e01(-) Ersatzausmitte: Definition der Bezeichnungen a) Ausgangssituation b) Ersatzausmitte c) durchschlagende Momentenlinie Unter der Bedingung e 02 > e 01 und mit den im Bild 6.21 definierten Bezeichnungen und Vorzeichen lautet die Ersatzausmitte e e1 = 0,6 ⋅ e02 + 0,4 ⋅ e 01 (6.56) e e2 = 0,4 ⋅ e02 (6.57) Der größere der beiden Werte ee1 oder ee2 ist maßgebend e 01 ≤ ee ≥ e 02 (6.58) Zusätzlich zur Bemessung der schlanken Stützen nach dem Modellstützenverfahren sind die Stabenden für die Schnittgrößen nach Theorie 1.Ordnung (e01 bzw. e02) zu bemessen. Dabei ist die Mindestausmitte h min e 0 = -----20 (6.59) einzuhalten. Stützen mit einem Momentenverlauf gemäß Bild 6.21, deren Schlankheit λ die Grenze e 01 λ lim = 25 ⋅ æ 2 – --------ö è e 02ø (6.60) unterschreiten (Bild 6.22), gelten als nicht stabilitätsgefährdet. Sie dürfen deshalb für die Schnittgrößen nach Theorie 1.Ordnung (unter Berücksichtigung der Imperfektionen ea) bemessen werden. 14.11.01 168 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern λ krit 75 50 25 e02 Bild 6.22 6.4.7.3 e02 e02 e01 e01 e01 +1 0 –1 e 01 -------e 02 Grafische Darstellung der Gleichung (6.60) Ersatzstablänge l0 Die Randbedingungen und die Belastung der Modellstütze sind der Problemstellung anzupassen. Dies geschieht mit Hilfe der Parameter kM, e1, l0. Eine parabelförmige (Bild 6.7) oder eine sinusförmige Krümmungsverteilung (siehe Abschnitt 6.4.1) setzen streng genommen voraus, daß die Stabenden momentenfrei sind - also Gelenke aufweisen. Die zugehörige Ersatzstablänge l0 muß infolge dessen dem Abstand der Wendepunkte der Biegelinie bzw. dem Abstand der Momentennullpunkte entsprechen. In der klassischen Stabilitätstheorie geht man ähnlich vor: Man ermittelt den ersten Eigenwert und entnimmt der ersten Eigenform die Knicklängen als Abstand der Wendepunkte. Wohl als Folge der zeitlichen Entwicklung der Theorie wird auch heute noch die Ersatzstablänge l0 näherungsweise gleichgesetzt mit der Knicklänge. Im Stahlbetonbau ist es jedoch besser, in Biegelinien zu denken unter qualitativer Berücksichtigung der materialbedingten und geometrisch bedingten Nichtlinearität (Theorie 2.Ordnung). Trotzdem liefern die Knicklängen eine gewisse Hilfestellung bei der Ermittlung der Ersatzstablängen : l0 = β ⋅ l (6.61) l0 ......................Ersatzstablänge l ........................effektive Stablänge β .......................Ersatzlängenbeiwert 14.11.01 169 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 1) Seitlich unverschiebliche Systeme (β ≤ 1,0) a b c d 0,71 l l 0,5l 1,0 l β = 1 Bild 6.23 β = 0,7 β = 0,5 β⋅l 0,5 < β < 1,0 Euler’sche Knickfälle für seitlich ausgesteifte Systeme a) beidseits frei drehbar gelagert (β = 1) b) an einem Ende eingespannt, am anderen Ende frei drehbar (β = 0,7) c) beidseitig starr eingespannt (β = 0,5) d) beidseitig elastisch eingespannt (0,5 < β < 1,0) Für seitlich ausgesteifte (unverschiebliche) Rahmen kann β dem Nomogramm im Bild 6.25a entnommen werden. Es gilt grundsätzlich 0,5 < β ≤ 1,0 å å E cm ⋅ J ci ⁄ l c i (i) k A ( oder k B ) = -----------------------------------------------------E cm ⋅ α ⋅ J bi ⁄ l bi (i ) α = 1 .................das abliegende Ende ist elastisch oder starr eingespannt α = 0,5 ..............das abliegende Ende ist frei drehbar gelagert α = 0 .................für einen Kragbalken J b1 A J c2 l c2 J b2 J c1 l b1 l c1 Beispiel für Berechnung von kA in Knoten A: J c1 J c2 -------- + -------l c1 l c 2 k A = ------------------------------------Jb 1 J b2 -------+ 0,5 ⋅ -------l b1 l b2 l b2 Bild 6.24 Ermittlung der Leiterwerte kA und k B (Beispiel) Anmerkung: 1/kA bzw. 1/k B sind die Steifigkeiten von Drehfedern CA bzw.C B an den Stabenden. 14.11.01 170 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern a unverschiebliche Rahmen verschiebliche Rahmen b Nomogramm zur Ermittlung des Ersatzstablängenbeiwertes β a) seitlich unverschiebliche Rahmen b) seitlich verschiebliche Rahmen Bild 6.25 2) Seitlich verschiebliche Systeme (β ≥ 1,0) b N a α c CB l --2 l l c l0 l0 CA c = ∞: l0 = 2l c = 0 : l0 = ∞ l 0 = 2l β = 2 Bild 6.26 14.11.01 l0 = l β = 1 2l < l0 < ∞ 1,0 < β < ∞ Euler’sche Knickfälle für seitlich verschiebliche Einzelstäbe (a) und (b), sowie die Verallgemeinerung auf elastische Drehfedern an den Stabenden (c) 171 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern JR JS JR l JS l JS » J R β = 2 Bild 6.27 l JR » JS β = 1 verschiebliche Rahmen (Sonderfälle) Auch für seitlich verschiebliche Stockwerksrahmen gibt es ein Nomogramm zur Ermittlung von β (Bild 6.25 b). Grundsätzlich gilt: 1,0 < β < ∞ 6.4.7.4 Kragstütze Allgemeines Kragstützen (Bild 6.26 a) sind ein häufig verwendetes Tragelement im Betonbau. Kragstützen lassen sich mit der Ersatzstablänge l0 = 2 l auf die Modellstütze zurückführen, wobei kM > 0.1 (siehe Abschnitt 6.4.1 b) eingesetzt werden darf. Berücksichtigung einer elastischen Fußeinspannung Häufig sind Kragstützen in Einzelfundamenten eingespannt. Die Nachgiebigkeit des Baugrundes läßt sich durch eine Drehfeder am Stützenfuß als elastische Einspannung simulieren. Der Stützenfuß ist der maßgebende und kritische Querschnitt. Das reaktive Biegemoment am Stützenfuß ist für die Abtragung von Horizontal- und Vertikalkräften (Theorie 2.Ordnung) notwendig. Obwohl das Bettungsmodulverfahren in der Bodenmechanik als veraltet gilt, wird es nachfolgend angewendet, weil sich die Steifigkeit CF der Drehfeder am Stützenfuß mit dieser Methode besonders einfach ableiten läßt. Dabei wird der Baugrund durch ein System von lotrechten elastischen Federn mit der Federsteifigkeit ks simuliert, die sich unabhängig voneinander zusammendrücken lassen. Die im elastischen Halbraum gegebene Wechselwirkung der Federn untereinander bleibt unberücksichtigt. Unter der Annahme eines konstanten Bettungsmoduls ks stellt sich unter einem starren Fundamentblock eine lineare Verteilung der Bodenpressung σB ein (Bild 6.28). 14.11.01 172 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern M ϕ ks x σB Bodenpressung Bild 6.28 ∆σ B ( x ) Bettungsmodulverfahren Die Änderung der Bodenpressung infolge eines Momentes am Stützenfuß lautet M ∆σ ( x ) = ----- ⋅ x J (6.62) und die Änderung der Bodensetzung aus der Fundamentdrehung ∆s ( x ) = ϕ ⋅ x (6.63) Mit dem Bettungsmodul ks ∆σ ( x ) M k s ( x ) = --------------- = ----------- = const ∆s ( x ) ϕ⋅J (6.64) ergibt sich für die Federsteifigkeit CF der elastischen Einspannung am Stützenfuß: M C F = ----- = k s ⋅ J ϕ (6.65) J .......................Trägheitsmoment [m4] der Fundamentsohle ks ......................Bettungsmodul [kN/m3] CF .....................Drehfedersteifigkeit [kNm] Anmerkung: Die Schwierigkeit liegt in der Festlegung des Bettungsmoduls ks, der in weiten Grenzen schwankt (Literatur: Wölfer 1978). Beispielsweise: Moorboden: ks ~ 5000 kN/m3, festgelagerter Kies: ks ~ 250 000 kN/m3 14.11.01 173 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern ϕ⋅l e2 N H l ϕ ϕ CF Bild 6.29 Elastische Einspannung am Stützenfuß Das Moment nach Theorie 2.Ordnung lautet: M2 = N ⋅ (e1 + ϕ ⋅ l + e2 ) (6.66) M2 = ϕ ⋅ CF (6.67) Gleichsetzen von Gleichungen (6.66) und (6.67): N ⋅ ( e 1 + e2 ) ϕ = ----------------------------------CF – N ⋅ l (6.68) Gleichung (6.68) in Gleichung (6.67) eingesetzt, ergibt: M2 = κ ⋅ N ⋅ (e1 + e2 ) (6.69) CF κ = -------------------------CF – N ⋅ l (6.70) Die Auswirkung der elastischen Einspannung läßt sich demnach einfach dadurch erfassen, daß man die Normalkraft um den Modellstützenbeiwert κ nach Quast vergrößert. 14.11.01 174 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern Näherungsweise Berücksichtigung einer gleichmäßig verteilten Längskraft a b e2 l Bild 6.30 Biegelinie als quadratische Parabel angenähert g e2 κ⋅N e -----24 a) gleichmäßig verteilte Längskraft b) Ersatzlast am Stützenkopf ∆M = ò e2 l g ⋅ e 2 ( x ) dx = g ⋅ --- ⋅ e2 + 4 ⋅ ------ + 0 6 4 l (6.71) Simpson’sche Integrationsregel 1 1 ∆M = --- ⋅ l ⋅ g ⋅ e 2 = --- ⋅ N ⋅ e2 3 3 (6.72) 1 κ = --3 (6.73) Eine gleichmäßig verteilte Längskraft g (z.B. Eigengewicht der Stütze, oder Fassadenlast) läßt sich gleichwertig ersetzen durch die Einzellast κ · l · g am Stützenkopf. Näherungsweise Bemessung einer schlanken aussteifenden Kragstütze In Hochbauten werden meist Stiegenhauskerne inklusive Lift und Installationsschächte als aussteifende Kragkonstruktionen ausgebildet (Bild 6.31 - Stützenreihe a). Wenn man die Summe aller ausgesteiften Stützen (Bild 6.31 - Stützenreihe b) zusammenfaßt, kommt durch die seitliche Verschiebung e2,i in der i-ten Decke eine Abtriebskraft Hi hinzu. Sie kann näherungsweise dadurch erfaßt werden, daß man Fb,i am Ort a angreifen läßt (selbstverständlich ändert sich dadurch die Normalkraft in der Stützenreihe a nicht). Wir setzen voraus, daß alle Geschoßhöhen und alle Geschoßlasten gleich groß sind - wobei Fa ≠ Fb sein kann. Unter der vereinfachenden Annahme, daß die Biegelinie nach Theorie 2.Ordnung eine quadratische Parabel ist, ergibt sich näherungsweise das Verformungsmoment am Stützenfuß (Reihe a): ∆M = å n ( F a + F b ) ⋅ e 2i (6.74) i=1 Damit ergibt sich den Gleichungen (6.71) bis (6.73) entsprechend N = n ⋅ Fa (6.75) und 14.11.01 175 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern ∆M = κ ⋅ N ⋅ e 2 (6.76) Fb 1 κ = --- ⋅ æ 1 + ------ö 3 è F aø (6.77) κ⋅N e2 Fb Fa e2i Fa Fa Fa Fa a Bild 6.31 14.11.01 Hn Fb Fa e2 Fb Fb Fb Hi Hi Fb Abtriebskräfte H H2 Fb H1 b a aussteifende Kragstütze unter Stochwerkslasten a) aussteifende Stützenreihe b) ausgesteifte Stützenreihe (hier können mehrere Stützenreihen zusammengefaßt sein) 176 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.4.8 Wände 6.4.8.1 Einführung Wände und Scheiben sind Flächentragwerke, die im Gegensatz zu Platten in ihrer Ebene belastet werden. Lotrecht stehende Scheiben bezeichnet man als Wand oder Wandscheibe, horizontal angeordnete als Deckenscheiben. Im Hochbau kommen Wände meist als raumabschließender Bauteil und werden häufig zur Aussteifung des Gebäudes herangezogen. Wände sind kontinuierlich z.B. auf einem Fundament gelagert, wandartige Träger sind wie Balken punktweise unterstützt. Wegen ihrer im Verhältnis zur Spannweite großen Bauteilhöhe und damit geringen Verformung, werden wandartige Träger oft zum Abfangen großer Lasten verwendet. 6.4.8.2 Wände Wände sind meist wie Stützen überwiegend auf Druck beanspruchte Bauteile, deren Breite größer als die vierfache Dicke ist. Wird diese Bedingung nicht erfüllt, so handelt es sich gemäß EC2 um ein stabförmiges Druckglied, das als Stütze zu bemessen und zu bewehren ist. Für den Stabilitätsnachweis von schlanken Stahlbetonwänden sind in Bild 6.32 Knicklängenbeiwerte β zusammengestellt, welche von der Art der Aussteifung bzw. Lagerung abhängen (zweiseitig, dreiseitig und vierseitig gehalten). Querwände dürfen als aussteifend im Sinne von Bild 6.32 betrachtet werden, wenn • ihre Dicke mindestens gleich der Hälfte der Dicke hw der auszusteifenden Wand ist • ihre Höhe gleich der auszusteifenden Wand ist • ihre horizontale Länge lh mindestens ein Fünftel der Höhe lw der auszusteifenden Wand beträgt. Innerhalb von lh weist die Querwand keine Öffnungen auf. Die Lasteintragung darf bei Innenwänden mit beidseitig anschließenden Decken als mittig wirkend vorausgesetzt werden. Bei Wänden, die Lasten aus einseitig anschließenden Decken erhalten, ist dagegen eine Lastausmitte zu berücksichtigen. Bei zweiseitig gehaltenen Wänden, die im Bereich der Wand-Decken-Knoten eine Bewehrung zur Übertragung von Biegemomenten aufweist, darf der Knicklängenbeiwert mit β = 0,85 angesetzt werden. 14.11.01 177 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern Lagerungsbedingung lw lh β = 1, 0 für jeden Wert lw / lh lw lh lh 1 β = -------------------------lw 2 1 + æ -------ö è 3l ø h lw ≤ lh lw > lh Bild 6.32 14.11.01 1 β = ----------------------lw 2 1 + æ -----ö èl ø h 1 β = -----------------lw 2 ⋅ æ -----ö èl ø h Beiwerte zur Ermittlung der Ersatzstablängen von zweiseitig, dreiseitig und vierseitig gehaltenen Wänden (lw = lichte Höhe, lh = lichte Länge) 178 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.5 Systemanalyse 6.5.1 Allgemeines zum Tragverhalten Bei seitlich verschieblichen Rahmenkonstruktionen ist die Abtragung von Horizontalkräften nur über Querkräfte in den Stützen möglich, wie das Bild 6.33 veranschaulicht. Die Querkräfte sind mit Biegemomenten (Bild 6.34) gekoppelt. Letztere verursachen Biegeverformungen. Die Stützenverformung bewirkt nach Theorie 2.Ordnung Verformungsmomente ∆M, die die Einspannmomente in den Endquerschnitten vergrößern und zu Instabilitätsproblemen führen können. Ob und in welcher Größe - an den Stützenköpfen Querkräfte aus ∆M entstehen, hängt davon ab, ob sich die Stützen gegenseitig beeinflussen (aussteifende versus ausgesteifte Stützen). Dieser Effekt läßt sich nur durch eine Systemanalyse nachweisen. H M 1o H1 M 2o Hn H3 H2 M no M 3o l H1 M 1u Bild 6.33 H2 M 2u M 3u H3 M nu Hn Abtragung von Horizontalkräften über Querkräfte in den Stützen H i ⋅ l = M iu + M i0 H = å (6.78) n (6.79) Hi i=1 å n H⋅l = M iu + M i0 (6.80) i=1 14.11.01 179 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern N ∆M M io Hi Hi ∆M o eo M2 + Stütze i eu + Hi M iu N V = Hi ∆M u N Bild 6.34 14.11.01 Schnittkräfte entlang einer Stütze 180 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 6.5.2 Vereinfachte Systemanalyse mit Sekantensteifigkeiten Bei verschieblichen Rahmensystemen sollte das Ersatzstabverfahren nicht oder nur in der Vorbemessung angewendet werden. Eine Systemanalyse nach Theorie 2.Ordnung ist erforderlich, wobei die materialbedingte Nichtlinearität (Rißbildung, nichtlineare Stoffgesetze) in der heutigen Praxis meist noch mit linearen Stabwerkprogrammen durch entsprechend reduzierte Biegesteifigkeiten (Sekantensteifigkeit) Berücksichtigung findet. Die geometrischen Imperfektionen (Bild 6.35) werden meist durch horizontale Ersatzlasten erfaßt (Bild 6.36). N Sd, 1 N Sd, 2 N Sd, i N Sd, j α aj α a2 α a, i Bild 6.35 Geometrische Imperfektion, durch Schrägstellung der Stützen berücksichtigt In der Berechnung der Systemverformung und der Schnittkräfte nach Theorie 2.Ordnung können Arbeitslinien für die Mittelwerte der Baustoffestigkeiten Anwendung finden. f cm = f c k + 7,5 MPa f ym = f y k + 10 MPa (6.81) wobei die Stahldehnung mit f ym ε ym = -------Es (6.82) begrenzt wird. Der Tension-Stiffening-Effect wird im allgemeinen vernachlässigt, wodurch die Verformungsmomente auf der sicheren Seite liegend überschätzt werden. 14.11.01 181 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern N Sd, 1 N Sd, 2 N Sd , i H Sd, 2 H Sd, i N Sd, j H Sd , j H Sd, j = α aj ⋅ N Sd , j H Sd, 2 = α a2 ⋅ N Sd, 2 H Sd, i = α a, i ⋅ N Sd, i Bild 6.36 Geometrische Imperfektion, durch horizontale Ersatzlasten berücksichtigt Besonders im Brückenbau ist eine schwimmende Lagerung des Tragwerks auf dem Unterbau (Stützen, Pfeiler). Dieses System wird als seitlich verschieblicher Rahmen, soferne keine seitlich unverschieblichen Lagerungen existieren, durchaus gebräuchlich. Durch die Verkehrslasten kommt es zu einer Vielzahl von Laststellungen bzw. Lastfällen. Durch die nichtlinearen Effekte gilt streng genommen das Superpositionsgesetz nicht mehr. Um dennoch mit einem vertretbaren Aufwand zu den ungünstigsten Einwirkungskombinationen für die Bemessung der Stützen im ULS zu kommen, muß man vorerst rigorose Linearisierungen vornehmen : 1) materialbedingte Nichtlinearität Zur näherungsweisen Erfassung von Rißbildung (Zustand II) und des plastischen Materialverhaltens werden entsprechend reduzierte Biegesteifigkeiten (Sekantensteifigkeiten) angesetzt, die die M/ϑ-Beziehung linearisieren. (siehe Bild 6.1). Diese mittlere Biegesteifigkeit wird während der Ermittlung der maßgebenden EK festgehalten. 2) geometrisch bedingte Nichtlinearität Die Koeffizienten der lokalen geometrischen Steifigkeitsmatrix, welche die Effekte der Theorie 2.Ordnung bewirken, enthalten die Stablängskraft (Normalkraft N). Dadurch ist die geometrische Steifigkeitsmatrix lastabhängig. Setzt man für N den absolut größten Wert max |N| aus allen Lastkombinationen ein und hält die auf diese Weise berechnete geometrische Steifigkeitsmatrix unabhängig von den tatsächlichen Einwirkungen unveränderlich fest, so erreicht man eine auf der sicheren Seite liegende Linearisierung der geometrischen Nichtlinearität. Nach diesen beiden Linearisierungen gilt wieder das Superpositionsgesetz ! Vorgangsweise: 1) Berechnung des Gesamtsystems nach Theorie 1.Ordnung unter Ansatz und Überlagerung sämtlicher maßgebender Einwirkungen, wobei die Steifigkeiten auch aus den ungerissenen Querschnitten (Zustand I) ermittelt werden dürfen. Besser ist es allerdings, hier bereits mit reduzierten Sekantensteifigkeiten zu arbeiten. In diesem Rechenschritt werden die größtmöglichen Druckkräfte max |NSd| in allen Druckgliedern errechnet. 2) Bemessung der Bewehrung in den kritischen Querschnitten mit der zur maßgebenden EK gehörigen Schnittgrößen MSd, NSd (nicht max |NSd|!) und den Rechenwerten fcd bzw. fyd der Materialfestigkeit. Mindestbewehrungen sind zu beachten. 14.11.01 182 6. Bemessung von schlanken Druckgliedern 3) Ermittlung der Querschnittsbiegesteifigkeiten und daraus der Stabsteifigkeiten auf Basis der unter (1) berechneten Schnittgrößen und unter (2) bemessenen Bewehrungen. Für die Berechnung der Steifigkeit werden die Mittelwerte der Festigkeiten fcm und fym verwendet. 4) Berechnung des Gesamtsystems nach Theorie 2.Ordnung mit den unter (3) ermittelten Steifigkeiten und den unter (1) ermittelten größtmöglichen Druckkräften max |NSd|. Dadurch wird die ungünstigste Überlagerung (Superpositionsgesetz) sämtlicher Einwirkungen nach den genormten Kombinationsregeln möglich. 5) Bemessung der maßgebenden Querschnitte für die aus (4) folgenden Schnittgrößen. Anmerkung: Die Bemessung wird für zugehörige Schnittgrößen MSd, NSd durchgeführt. Die größtmöglichen Druckkräfte max |NSd| gehen in den Bemessungsvorgang nicht ein. Der Querschnittsbemessung sind die Bemessungswerte der Festigkeiten fcd und fyd zu Grunde zu legen. 6) Die aus (5) berechnete Bewehrung ist mit jener Bewehrung zu vergleichen, die der Berechnung der Steifigkeit zu Grunde liegt. Weichen die beiden Stahlflächen um mehr als 15% voneinander ab, ist die Berechnung ab (3) mit einer veränderten (gemittelten) Bewehrungsannahme zu wiederholen. Andernfalls ist die größere der beiden - zuletzt ermittelten - Bewehrungen einzulegen. Anmerkung: Wenn Betonabmessungen geändert werden, ist der Rechenablauf ab (1) zu wiederholen. Anmerkung: Die vereinfachte Systemanalyse mit reduzierten Sekantensteifigkeiten kann selbstverständlich auch für Einzelstützen angewendet werden. Damit lassen sich entsprechend adaptierte lineare Computerprogramme testen. Sekantensteifigkeit As Eine einfache Annahme für die sekante Biegesteifigkeit von Querschnitten mit ρ = ------ ≥ 0,01 lautet Ac nach MC 90: 0,4 ⋅ E c ⋅ J c B red = ----------------------------1 + Φ eff (6.83) Ec .....................Rechenwert des E-Moduls des Betons Jc ......................Brutto-Trägheitsmoment des Betonquerschnitts Φeff ...................wirksame Kriechzahl Wenn die Bewehrung bekannt ist (oder angenommen wurde), läßt sie sich wie folgt berücksichtigen: 0,2 ⋅ E c ⋅ J c B red = ----------------------------- + E s ⋅ J s 1 + Φ eff (6.84) Es .....................Rechenwert für den Elastititätsmodul des Stahles Js ......................Trägheitsmoment der Bewehrung Wenn erwiesen ist, daß der Querschnitt im Zustand I bleibt (im ULS+Theorie 2.Ordnung) : 0,8 ⋅ E c ⋅ J c B I = ----------------------------1 + Φ eff 14.11.01 (6.85) 183 7. Spannbeton 7. Spannbeton 7.1 Allgemeines 7.1.1 Das Grundprinzip des Spannbetons Die Wirkungsweise einer Vorspannung wird nachfolgend für die bisher gebräuchliche Art der Vorspannung - nämlich für die „innere Vorspannung mit nachträglichem Verbund“ (Abschnitt ) erklärt. Die Ausführungen lassen sich sinngemäß auch auf die anderen Vorspannarten im Abschnitt 7.1.3 übertragen. Unter Spannbeton versteht man eine spezielle Bauweise, bei der Tragwerke oder Bauteile aus Stahlbeton zusätzlichen Kräften unterworfen werden, die aus einer Vorspannung resultieren. Diese Kräfte überlagern sich den äußeren Lasten. Sie werden so gewählt, daß sie den äußeren Lasten möglichst entgegenwirken und damit den Spannungs- und Verformungszustand der Konstruktion günstig beeinflußen. Die Spannkräfte werden in der Regel durch Vorspannen hochfester Bewehrungsstähle (Spannstähle) erzeugt. Sie werden direkt im Tragwerk verankert und erzeugen damit einen inneren Gleichgewichtszustand, einen Selbstspannungszustand. Bei statisch bestimmten Konstruktionen entstehen durch das Spannen der Spannstähle keine zusätzlichen Auflagerkräfte. Nur wenn sich die aus der Vorspannung resultierenden Verformungen nicht ungehindert entwickeln können, entsteht ein Zwang - wie bei einer behinderten Temperaturverformung. Dieses Phänomen tritt nur bei statisch unbestimmten Systemen auf, wie beispielsweise bei Durchlaufträgern. Es führt zu Auflagerreaktionen und Zwangschnittgrößen. Die Vorspannung statisch unbestimmter Systeme wird in der Lehrveranstaltung Betonbau VA behandelt. Durch das Vorspannen werden also Spannungen in das Tragwerk eingetragen, die den Spannungen aus den äußeren Lasten entgegenwirken. Risse in der Biegezugzone können nicht entstehen, wenn die Zugspannungen durch die Vorspannung vollständig überdrückt werden (volle Vorspannung). Bei teilweise vorgespannten Konstruktionen entstehen zwar in den höchstbeanspruchten Querschnitten Risse in der Biegezugzone; insgesamt reduziert die Vorspannung aber die Rißbildung. Die Querschnittsverdrehung (Krümmung) und damit die Verformung (Durchbiegung) nehmen stark ab. Dadurch werden schlankere Tragwerke bzw. wesentlich größere Spannweiten möglich. Das Bild 7.1 zeigt das prinzipielle Tragverhalten am Beispiel eines Einfeldträgers unter Gleichlast. Um die Bewehrung vorspannen zu können, wird in den Beton ein Rohr einbetoniert. In diesem Hüllrohr liegt der Spannstahl. Er wird entweder bereits mit dem Hüllrohr als fertiges Spannglied (Spannkabel) eingebaut, oder nachträglich (nach Erhärten des Betons) eingefädelt. Beim Spannen gleitet der Spannstahl innerhalb des Hüllrohres. Um den im Bild 7.2 skizzierten gekrümmten Verlauf des Spanngliedes herzustellen, muß das Hüllrohr flexibel sein. Es darf aber nicht zu weich sein, damit es seine Lage beim Betonieren beibehält und nicht durch den Rüttler beschädigt wird. Selbstverständlich muß es auch wasserdicht sein. Wenn nämlich beim Betonieren Zementmilch in das Hüllrohr eindringt, bildet sich ein „Pfropfen“, der den Spannstahl festhält und dadurch das durchgehende Spannen des Kabels behindert. Die Vorspannung wird nach dem Erhärten des Betons aufgebracht, indem man das Kabel am Spannanker mittels einer hydraulischen Presse aus dem Hüllrohr herauszieht und dadurch anspannt. Dabei stützt sich die Presse über die Ankerplatte gegen den Beton ab. Die Vorspannkraft wirkt also einerseits als Zugkraft P(+) auf den Spannstahl und andererseits als Druckkraft P (-) auf den Beton (Bild 7.1). 14.11.01 184 7. Spannbeton q a P(+) P(+) Schwerachse Beton P(−) ep(x) P(−) Spannstahl Hüllrohr x l b P(+) P(+) Spannstahl P u ( x ) = ---------r (x ) c P(−) u ... Umlenkkräfte [kN/m] P ... Längskraft [kN] r .... Krümmungsradius [m] des Spanngliedes Hüllrohr P(−) u(x) Bild 7.1 Wirkungsweise der Vorspannung a) Schemaskizze eines vorgespannten Balkens b) auf das Spannglied einwirkende Kräfte c) auf den Beton einwirkende Kräfte Im Bild 7.1 b ist das Spannkabel alleine dargestellt, mit der Zugkraft P(+) an den Enden. Der gekrümmte Verlauf in Längsrichtung ist dadurch vorgegeben, daß das Kabel im Hüllrohr geführt ist. Wenn man das Spannglied als biegeweiches Seil idealisiert, müssen die vom Hüllrohr auf das Seil einwirkenden Kräfte im Seil einen momentenfreien Gleichgewichtszustand - also eine Stützlinie - erzeugen. Im Bild 7.1 b sind diese Kräfte eingezeichnet. Man bezeichnet sie als Umlenkkräfte u. Während des Spannungsvorganges gleitet das Kabel im Hüllrohr, wobei Reibungskräfte zwischen Spannstahl und Hüllrohr entstehen, die etwa proportional zu den Umlenkkräften sind und gegen die Gleitrichtung wirken. Vereinfachend sind diese Reibungskräfte im Bild 7.1 vernachlässigt. Auf das Hüllrohr - und damit auf den Beton - wirken exakt dieselben Kräfte ein, wie auf den Spannstahl (Bild 7.1 c) - allerdings in entgegengesetzter Richtung. 14.11.01 185 7. Spannbeton m (1 − λ) ⋅ q a λ⋅q P(-) Pz Schwerachse Beton Px ep(x) uz(x) ≈ u P(-) Pz Px(−) f m l/2 l/2 x (-) b P P(-) f Tangente am Kabelanfang Px f Parabel Tangente am Kabelende c uz Pz Pz − x Bild 7.2 Pz (−) Mp(x) = Px (x) ⋅ ep(x) Wirkung der Vorspannung auf den Beton: a) Umlenkkräfte uz, Verankerungskräfte P b) Richtung der Verankerungskraft P c) Momente aus der Vorspannung (Momente infolge der Umlenkkräfte uz) Im Bild 7.2 sind die auf den Beton einwirkenden z-Komponenten uz der Umlenkkräfte dargestellt. Es wurde ein parabolischer Kabelverlauf angenommen. Für die z-Komponenten der Umlenkkräfte uz ergibt sich in diesem Fall in erster Näherung uz = const (7.1) Das Gleichgewicht am Seil (Bild 7.1 c) liefert die z-Komponente der Verankerungskraft P. l P z = u z ⋅ --2 (7.2) Aus Bild 7.2 b ergibt sich Pz 2f ------ = --------Px l⁄2 14.11.01 (7.3) 186 7. Spannbeton Mit den Gleichungen (7.2) und (7.3) erhält man 8 ⋅ f ⋅ Px u z = -------------------l2 (7.4) Das Bild 7.2 c zeigt den Verlauf der Biegemomente aus der Vorspannung. Für das Moment in Feldmitte gilt – u z ⋅ l2 (- ) M p ( l ⁄ 2 ) = --------------- = P x ⋅ f 8 (7.5) Das Biegemoment aus den Umlenkkräften verläuft demnach affin zur Exzentrität ep des Spannkabels in Bezug auf die Schwerachse des Stabes: ( -) (- ) Mp ( x ) = P x ( x ) ⋅ ep (x ) (7.6) Die Gleichung (7.6) gilt auch, wenn die Endverankerung des Spannkabels nicht in der Schwerachse liegt. Die Normalkraft lautet: (- ) ( -) N p ( x ) = Px ( x ) (7.7) Mit den Gleichungen (7.6) und (7.7) hat man für Stabwerke sehr einfache Formeln für die Schnittgrößen infolge der Vorspannung zur Verfügung. Sie gelten allerdings nur für statisch bestimmte Stabwerke. Bei statisch unbestimmten Systemen kommen noch Zwängungsmomente hinzu. Bei Flächentragwerken und Kontinua gelten diese Gleichungen nicht. Man muß die Umlenkkräfte als Lasten aufbringen. Für diese Lasten ermittelt man die Schnittgrößen normalerweise mittels einer FE-Analyse. Obwohl für Stabwerke die einfachen Formeln (7.6) und (7.7) zur Verfügung stehen, sollte man sich die Wirkungsweise der Vorspannkraft über die Umlenk- und Verankerungskräfte vorzustellen. Für die Berechnung der Schnittgrößenanteile wird man aber stets die einfachen Formeln (7.6) und (7.7) heranziehen. Deshalb dienen die folgenden Betrachtungen in erster Linie dem Verständnis. Wir zerlegen die äußere Gleichlast q im Bild 7.2 a in den Anteil λ ⋅ q , der betragsmäßig der Umlenkkraft uz entspricht 2P z λ ⋅ q = u z = ---------l (7.8) und in den Rest ( 1 – λ ) ⋅ q . Wenn man nur den Anteil λ ⋅ q aufbringt, wird die Last λ ⋅ q direkt durch die entgegen wirkende Umlenkkraft uz aufgehoben. Unter der Einwirkung λ ⋅ q bleibt der Täger momentenfrei, also vollkommen gerade. Die äußere Last λ ⋅ q bewirkt die Auflagerreaktion R. l R = λ ⋅ q ⋅ --2 (7.9) Aus der Gleichung (7.8) folgt R = Pz 14.11.01 (7.10) 187 7. Spannbeton Die Auflagerkräfte entsprechen also der z-Komponente der Verankerungskraft P. Keinesfalls darf man daraus schließen, daß die Vorspannung eine Auflagerkraft bewirkt. Vielmehr stellt die Vorspannung stets ein in sich geschlossenes inneres Kraftsystem dar. Die Umlenkkräfte uz stehen mit Pz im Gleichgewicht und die Gleichlast λ ⋅ q mit R. Wegen λ ⋅ q = uz gilt R = Pz. Die Horizontalkomponente Px der Verankerungskraft wirkt in der Stabachse (Schwerachse) und verursacht eine zentrische Druckbeanspruchung. Das Bild 7.3 zeigt den Querschnitt m-m (Bild 7.2) mit den Spannungen aus der Vorspannung mit dem Lastanteil λ ⋅ q und den Spannungen aus dem Lastanteil ( 1 – λ ) ⋅ q . a 2 c b d e − M λq + − Px(−) = − − Np(−) + M(1−λ)q + = + 1 Px -----Ac Px σ c1, p + λ ⋅ q = -----Ac M ( 1 – λ )q σ c 1, ( 1 – λ )q = ---------------------W1 σc1 M(1−λ)q ..............Moment aus dem Lastanteil (1−λ)q W1 ....................Widerstandsmoment auf die untere Randfaser (1) bezogen Bild 7.3 Spannungen in Feldmitte a) für den Lastfall Vorspannung b) für den Lastanteil λ ⋅ q c) für den Lastfall Vorspannung plus Lastanteil λ ⋅ q d) für den Lastanteil (1 − λ)⋅ q e) für die Gesamtlast q (Überlagerung von c und d) Der Lastanteil (λ ⋅ q) wird von der vertikalen Komponente der Vorspannkraft Pz, bzw. der dadurch entstehenden Umlenkkraft uz aufgehoben. Aus dem Lastanteil (λ ⋅ q) gibt es also kein Moment. Die horizontale Komponente Px (= N p) erzeugt eine zentrische Druckbeanspruchung. Das aus dem Lastanteil (1−λ) ⋅ q entstehende Moment bezogen auf das Widerstandsmoment verursacht die Biegezugspannung σc1,(1−λ)q im Bild 7.3 d. Die Druckspannung σ c1,p+λq aus der Normalkraft überlagert sich der Biegezugspannung σc1,(1−λ)q und reduziert diese weitgehend (Bild 7.3 e). ( -) (+ ) σ c 1 = σ c1 , p + λq + σ c1, ( 1 – λ )q (7.11) Für σ c 1, p + λq ≥ σ c1, ( 1 – λ )q (7.12) werden die Biegezugspannungen vollständig überdrückt. Man bezeichnet diesen Fall als volle Vorspannung. 14.11.01 188 7. Spannbeton a 2 b c d + S − ep 1 P + − ϑp(−) + − − Mq ϑq(+) = + (−) ε c1, N Bild 7.4 Mp=P ⋅ ep Np p ε c1, M p εc1, q εc1 Volle Vorspannung: keine Biegezuspannungen, keine Biegerisse a) Dehnungsebene infolge der Normalkraft Np b) Dehnungsebene infolge des Momentes Mp c) Dehnungsebene infolge der Einwirkung Mq d) Gesamtdehungsebene infolge Np, Mp und Mq Für λ = 1 gilt u z = q , das heißt die Umlenkkräfte uz aus der Vorspannung tragen exakt die Einwirkung q. Die Momente M p = P ( - ) ⋅ ep aus der Vorspannung sind betragmäßig gleich groß wie die Momente Mq infolge der Last q. Sie weisen aber das umgekehrte Vorzeichen auf. Mq + Mp = 0 (7.13) Dasselbe gilt für die Querschnittskrümmung ϑ (Bild 7.4). Mq Mp ϑ q + ϑ p = ------- + ------- = 0 EJ EJ (7.14) Infolgedessen kommt es zu keiner Biegeverformung. Man spricht von einer formtreuen Vorspannung. Die Normalkraft Np(−) bewirkt eine Verkürzung εc der Stabachse. Im Bild 7.2 ist das Spannkabel an den Enden in der Höhe des Querschnittsschwerpunktes verankert. An den Stabenden herrscht in diesem Fall ein zentrischer Druckspannungszustand, (-) P σ c = --------Ac (7.15) weil dort weder aus der äußeren Last q noch aus der Vorspannung Biegemomente auftreten. 14.11.01 189 7. Spannbeton q a P(+) ep P(−) P(−) A P(+) E q b Np Np Mp Mp Mp = P (- ) ⋅ ep Np = P (-) c − Mp d Mq + q l2 M q = -------8 e Mp + q − − + M p + q = M p( - ) + M q( + ) Bild 7.5 exzentrisch verankertes gerades Spannkabel a) Einwirkungen q und P b) Auf den Beton einwirkende Kräfte c) Biegemomente Mp infolge der Vorspannung d) Biegemomente Mq infoge der Last q e) Überlagerung c) und d) der Biegemomente Mp+q Um die Auswirkungen einer exzentrischen Anordnung der Spanngliedverankerungen A und E zu diskutieren, zeigt das Bild 7.5 den Sonderfall eines geraden Spanngliedes. In diesem Fall treten keine Umlenkkräfte auf. Die exzentrisch angeordneten Spanngliedverankerungen führen zu einen über die Stablängsrichtung konstanten Biegemomentenverlauf. M p( - ) = P ( - ) ⋅ e p (7.16) Er überlagert sich mit den Biegemomenten Mq aus der äußeren Einwirkung. Wie das Bild 7.5 e zeigt, 14.11.01 190 7. Spannbeton entsteht an den Stabenden ein negatives Biegemoment, welches Zugspannungen am oberen Rand des Balkens hervorruft. Die Normalkraft aus der Vorspannung reduziert diese Zugspannungen. Sie kann sie überdrücken, wenn die Spanngliedverankerung innerhalb des Querschnittkernes angeordnet ist. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß beim „Lastfall Vorspannung“ sowohl die Umlenkkräfte als auch exzentrisch angeordnete Spanngliedverankerungen Biegemomente und damit Biegeverformungen bewirken. Sie sollen den Biegemomenten aus den äußeren Lasten entgegenwirken. Zusätzlich erzeugt die Vorspannung im Beton eine negative Normalkraft - d.h. eine Druckkraft. Sie überdrückt oder vermindert die Dehnungen in der Biegezugzone, d.h. sie schließt (verhindert) potentielle Biegerisse oder reduziert zumindest deren Rißbreiten. 14.11.01 191 7. Spannbeton 7.1.2 Grad der Vorspannung 7.1.2.1 Volle Vorspannung (Spannbeton) Man spricht von voller Vorspannung, wenn man die Vorspannkraft so groß wählt, daß unter allen möglichen Lastkombinationen des Gebrauchszustandes an keiner Stelle des Tragwerkes im Beton Biegezugspannungen auftreten. Eine voll vorgespannte Konstruktion bleibt zumindest im Einflußbereich der Vorspannung rissefrei, sofern alle tatsächlich auftretenden Lastfälle - auch Zwänge - erfaßt werden. Dies ist allerdings praktisch nicht möglich, weil nicht alle während der Nutzungsdauer auftretenden Einwirkungen vorhersehbar sind. Das heißt, daß man auch bei voll vorgespannten Konstruktionen mit Rissen rechnen muß. Daher ist auch bei voller Vorspannung eine risseverteilende und rißbreitenbegrenzende schlaffe Mindestbewehrung vorzusehen. In den Anfängen der Spannbetonbauweise wurden generell voll vorgespannte Konstruktionen ausgeführt. Der damals übliche geringe Anteil an schlaffer Bewehrung führte zur Bezeichnung Spannbeton. Die volle Vorspannung findet heute nur noch in Ausnahmenfällen Anwendung, wenn Rissefreiheit gefordert ist - beispielsweise im Behälterbau oder bei Bauwerken in korrosiver Umgebung. 7.1.2.2 Vorgespannter Stahlbeton In vielen Fällen führt das Prinzip der vollen Vorspannung nicht zur optimalen Lösung in wirtschaftlich und statisch-konstruktiver Hinsicht. Meist ist es zweckmäßiger, Risse zuzulassen und die Vorspannung beispielsweise so zu wählen, daß unter den ständig einwirkenden Lasten keine Risse auftreten. Damit wird erreicht, daß sich Risse, die sich unter der Nutzlast bilden, bei Wegfallen der Nutzlasten wieder schließen. (teilweise oder partielle Vorspannung) Damit keine zu großen Rißbreiten unter den häufig auftretenden Lasten entstehen, ist eine entsprechnende schlaffe Bewehrung für diese Lastkombination zu bemessen. Bei günstigen Umweltbedingungen, d.h. wenn keine Korrossionsgefahr für den Spannstahl besteht, kann man auch unter den quasi ständig wirkenden Lasten Risse zulassen. Dadurch reduziert sich die erforderliche Vorspannkraft weiter, während gegenläufig der Anteil an schlaffer Bewehrung zunimmt. Die Vorteile beider Bewehrungsarten kommen in einer konstruktiv sinnvollen und wirtschaftlichen Kombination zum Tragen. Man spricht von vorgespanntem Stahlbeton. Auch der kontinuierliche Übergang vom vorgespannten zum schlaff bewehrten Stahlbeton ist theoretisch gegeben. Allerdings darf man nicht vergessen, daß die Vorspannung ein effizientes Mittel ist, um die Durchbiegungen zu verringern. Wenn der Vorspannungsgrad ausschließlich auf den Grenzzustand der Verformung ausgelegt wird, spricht man von Verformungsvorspannung. 14.11.01 192 7. Spannbeton 7.1.3 Vorspannarten Je nachdem, ob zwischen dem Spannkabel und dem umgebenden Beton ein Verbund hergestellt wird oder nicht, unterscheidet man zwischen Vorspannung mit oder ohne Verbund. Die Vorspannung mit Verbund unterteilt sich in die Vorspannung mit sofortigem Verbund (Spannbettvorspannung) bei der die Vorspannung vor dem Betonieren aufgebracht wird, und die Vorspannung mit nachträglich hergestellten Verbund, bei der nach dem Erhärten des Betons vorgespannt wird. Auch bei der Vorspannung ohne Verbund gibt es zwei Arten. Erstens die interne Vorspannung mit innerhalb des Betons verbundlos geführten Kabeln Kabeln und zweitens die externe Vorspannung. Bei der externen Vorspannung werden die Spannglieder außerhalb des Betons - meist im Hohlraum von Kastenquerschnitten - geführt. Auch die Kabeln von Schrägseilbrücken sind als externe Spannglieder einzustufen. 7.1.3.1 Spannverfahren mit Verbund 1. Vorspannung mit sofortigem Verbund (Spannbettvorspannung) Dieses Verfahren wird vor allem in Betonfertigteilwerken angewendet. Das Bild 7.6 zeigt das Prinzip. Zwischen ortsfesten Verankerungskonsolen werden dünne Spanndrähte oder Litzen gespannt, die normalerweise gerade - also ohne Knick - durch die noch leeren Schalungen laufen. Erst nach dem Spannen erfolgt das Einbringen und Verdichten des Betons. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen wird normalerweise eine Serie von Spannbetonfertigteilen gleichzeitig gefertigt. Deshalb soll das Spannbett möglichst lang sein (Größenordnung 100 m). Der Abbindeprozeß des Betons wird sowohl betontechnologisch als auch durch eine entsprechende Nachbehandlung (mit Dampf) beschleunigt. a betoniertes Element Spanndrähte Spannbett b Bild 7.6 Spannbettverfahren (schematisch) a) Gespannte Drähte werden einbetoniert b) Durch Lösen der Drähte aus der Verankerung werden die Elemente vorgespannt Nach dem Erhärten des Betons werden die Drähte von den externen Verankerungen gelöst. Ein stoßfreies Entspannen läßt sich beispielsweise auch erreichen, indem man die Drähte an der Trennstelle bis zum Glühen erhitzt. Die nunmehr freie Vorspannkaft überträgt sich über die Verbundwirkung (siehe Abschnitt 2.3.3) vom 14.11.01 193 7. Spannbeton Spanndraht auf den Beton. Die Vordehnung im Spanndraht nimmt um jene Stauchung ab, die der Beton durch das Vorspannen erfährt. Das heißt, der Großteil der ursprünglich im Spannbett aufgebrachten initialen Vorspannkraft P(0) bleibt als effektiv wirksame Vorspannung P erhalten. Um die auf den Beton wirksame Vorspannkraft P abzuleiten, benötigt man die ideelen Querschnittswerte des Verbundquerschnittes. a εc = 0 Schwerpunkt Bruttoquerschnitt Schwerpunkt ideeler Querschnitt ei ep Schwerpunkt Spannstahl P(0) εp(0) b 2 P(0) Schwerpunkt ideeler Querschnitt P(0) ⋅ ei ei Schwerpunkt Spannstahl 3 1 εp(1) εp εp(0) Bild 7.7 14.11.01 Spannbettvorspannung a) Dehnungszustand vor dem Lösen der Spannbettverankerung b) Dehnungszustand nach dem Lösen der Spannbettverankerung (Vorspannung wirkt auf den Beton) 194 7. Spannbeton εp(0) ..................Vordehnung (initiale Dehnung) des Spannstahles εp(1) ..................Lastdehnung des Spannstahles εp ......................Gesamtdehnung des Spannstahles Ai ......................ideelle Fläche Ac, Ic .................Bruttoquerschnittswerte des Betonquerschnitts S3 .....................statisches Moment um Schwerpunkt 3 des Spannstahles Ji.......................ideeles Trägheitsmoment bzw. Ep α p = ------ – 1 Ec (7.17) A i = A c + αp ⋅ A p (7.18) S 3 = A c ⋅ e p = A i ⋅ ei (7.19) Ac e i = ------ ⋅ e p Ai (7.20) Ai e p = ------ ⋅ e i Ac (7.21) 2 2 J i = Jc + Ac ⋅ ( e p – e i ) + α p ⋅ Ap ⋅ e i (7.22) (Satz von Steiner; Eigenträgheitsmoment des Stahles vernachlässigt) Die Gleichung (7.21) in (7.22) eingesetzt ergibt Ai 2 J i = J c + α p ⋅ A p ⋅ ------ ⋅ ei Ac (7.23) Das Bild 7.7 a zeigt den Dehnungszustand vor dem Durchtrennen der Spanndrähte. Der Beton ist spannungslos. Der Spannstahl ist auf die Vordehnung (initiale Dehnung) εp(0) gedehnt. εp ( 0) (0 ) σp (0 ) P = -----= -----------------Ep Ep ⋅ Ap (7.24) Wenn man die Spanndrähte von den Verankerungen löst, wirkt die initiale Vorspannkraft P(0) wie eine äußere Druckkraft in der Faser 3 auf den ideelen Querschnitt. Dadurch verformt sich der Querschnitt gemäß Bild 7.7 b. Es kommt in der Schwerachse des Spannstahls (Faser 3) zur Lastdehnung εp(1), die sich der Vordehnung εp(0) überlagert. Infolge des Verbunds zwischen dem Beton und dem Stahl ist die Betonstauchung εc3 in der Faser 3 gleich der Lastdehnung εp(1). (1 ) ε c3 = ε p (7.25) Damit läßt sich die Lastdehnung aus der Betonspannung σ c3 in der Faser 3 ableiten. 14.11.01 195 7. Spannbeton σ c3 = æ P( 0) – ç ---------è Ai (0 ) P ⋅ ei ö + ------------------- ei÷ Ji ø (7.26) Aus den Gleichungen (7.25) und (7.26) folgt die Lastdehnung. (1 ) εp = æ –ç è 2 J i + A i ⋅ ei ( 0 )ö --------------------------⋅ P ÷ E c Ai J i ø (7.27) Damit lautet die Gesamtdehnung εp im Spannstahl nach Aktivierung der Vorspannung (0 ) (1) ε p = ε p + εp (7.28) bzw. mit den Gleichungen (7.24) und (7.27) εp = æ 1 ç -------------è Ep A p 2 Ji + Ai ⋅ ei ö ( 0) – --------------------------÷ ⋅ P E c Ai Ji ø (7.29) Für die im Spannstahl verbleibende Vorspannkraft P ergibt sich P = σ p ⋅ A p = E p Ap εp (7.30) Aus den Gleichungen (7.29) und (7.30) folgt 2 A i Ji – α p Ap J i – α p Ap Ai e i (0 ) P = ------------------------------------------------------------------ ⋅ P A i Ji (7.31) Mit den Querschnittswerten Ai und Ji nach den Gleichungen (7.18) und (7.22) läßt sich die Gleichung (7.31) wie folgt umformen: Ac ⋅ J c (0 ) P = ---------------- ⋅ P Ai ⋅ Ji (7.32) Die effektive Vorspannkraft P ist etwas kleiner als die initiale Vorspannkraft P(0), weil sich die Spannstahldehnung um die Betonstauchung reduziert. Infolge der exzentrischen Vorspannung hebt sich der Bauteil durch seine Verformung entsprechend der Schemaskizze im Bild 7.6 b vom Schalboden ab. Sein meist relativ geringes Eigengewicht g wird aktiviert. Die Momente Mg bewirken ein Ansteigen der Kraft im Spannglied um den Wert Pg. Mg σ c3, g = ------- ei Ji (7.33) σ p, g = αp ⋅ σ c3, g (7.34) Mg P g = α p A p ------- ei Ji (7.35) Die Vorspannkraft P verläuft normalerweise über die Länge der Bauteile konstant. Lediglich an den En- 14.11.01 196 7. Spannbeton den der Elemente wird beim Lösen der Spannbettkraft der Haftverbund der meist glatten Spanndrähte überfordert. Der Spanndraht schlüpft in den Beton und entspannt sich dabei. Man kann den Verbund auch künstlich aufheben, indem man beispielsweise den Spanndraht mit Bitumen streicht, oder mit einem Kunststoffüberzug versieht. Damit läßt sich lokal die Größe der Vorspannkraft steuern. In der Praxis sieht man allerdings aus Kostengründen normalerweise von solchen Maßnahmen ab. Um Risse zu vermeiden werden die Fertigteile meist für den Transport zentrisch oder geringfügig exzentrisch vorgespannt (kleine Ausmitte). 2. Vorspannung mit nachträglichem Verbund Bisher wurde in erster Linie die Vorspannung gegen den erhärteten Beton mit nachträglichem Verbund angewendet. Aus Wartungsgründen setzt sich neuerdings die verbundlose Vorspannung immer mehr durch. Bei der Vorspannung mit nachträglichem Verbund werden einzeln oder gebündelt Spannstähle in Form von Stäben, Drähten oder Litzen zu Spannkabeln zusammengefaßt. Sie werden entweder vor dem Betonieren oder auch nachher (Durchschubkabel) in die Hüllrohre eingefädelt. Die gewünschte Lage der Hüllrohre im Bauwerk wird durch steife Unterstellungsbügel (Kabelhalter, Haltebügel) erreicht. Der Abstand dieser Kabelunterstellungen hängt vom Spannverfahren bzw. vom Kaliber des Spanngliedes ab (Größenordnung ca. 1 m). Die Spannkabel sind bis zum Herstellen des Verbundes innerhalb der Hüllrohre verschieblich. Grundsätzlich hat man hinsichtlich der Kabelführung einen relativ großen Spielraum. Natürlich versucht man die zur Verfügung stehende Querschnittshöhe auszunützen, d.h. man wird den Kabelverlauf so wählen, daß die Umlenkkräfte und die Verankerungskräfte den äußeren Lasten möglichst effizient entgegenwirken. Bei der Umlenkung der Spannglieder sind minimale Krümmungsradien einzuhalten, die abhängig vom Spannverfahren zwischen 2,0 m und 30,0 m betragen. Im Bereich von Verankerungen und Kupplungen müssen die Spannglieder eine entsprechende Strecke (0,5 m bis 2,0 m) gerade verlaufen, damit der Spannstahl genau normal zur Ankerplatte ankommt und dort beim Anspannen nicht geknickt wird. Nach dem Betonieren bzw. nach dem Erhärten des Betons werden die Spannglieder mittels spezieller, hydraulischer Spanngeräte gefaßt, gespannt und verankert. Zu diesem Zweck muß im Bereich der Spannanker ein entsprechender Raum für die Spannpresse zur Verfügung stehen. Man ist deshalb bestrebt, die Spanneinrichtung möglichst klein, leicht und handlich auszubilden. Im Laufe der Entwicklung der Spannbetonbauweise gab es viele Spannsysteme, wobei sich letztlich nur wenige Konstruktionsprinzipien durchgesetzt haben. Heute scheint diese Entwicklung weitgehend abgeschlossen zu sein. a bewegliche Verankerung feste Verankerung b 14.11.01 197 7. Spannbeton Bild 7.8 Kabelverfahren mit nachträglich hergestelltem Verbund a) Die Spanndrähte liegen schlaff im Hüllrohr b) Durch Spannen der Kabel und Absetzen der Kraft auf den Beton (Verankern) wird die Vorspannkraft eingeleitet Nach dem Spannen wird der Zwischenraum zwischen dem Spannstahl und dem Hüllrohr mit einem speziellen Injektionsmörtel ausgepreßt. Dadurch wird nachträglich der Verbund zwischen dem Spannstahl und dem Beton hergestellt. Das Injektionsgut hat auch den Spannstahl vor Korrosion zu schützen. Schlecht ausgepreßte Hüllrohre sind die häufigste Ursache von Schäden an Spannbetonkonstruktionen. Die Tatsache, daß man bei der Bauabnahne nicht überprüfen kann, ob alle Hüllrohre vollständig ausgefüllt sind, ist sicherlich als Schwäche des Verfahrens zu werten. Für die Ausführung von Spannbetonbauten ist besonders qualifiziertes und erfahrenes Personal erforderlich. Die Spannbewehrung ist stabil und exakt einzubauen. Besonders im Bereich der Anker ist auf eine sorgfältige Betoneinbringung und Verdichtung zu achten. Das Vorspannen selbst und schließlich das Injizieren erfordert entsprechend geschulte Fachleute. Daher werden diese Arbeiten heute in der Regel von Spezialfirmen durchgeführt. Vor dem Spannen ist vor allem im Verankerungsbereich die Betonfestigkeit zu kontrollieren. Sie soll etwa 80% der Würfelfestigkeit betragen. Auch ist die Temperatur des Spannkabels zu berücksichtigen (Hydrationswärme, Abkühlen in der Nacht, direkte Sonneneinstrahlung am Tag). Ein Zuviel an Vorspannkraft kann unter Umständen schlechter sein, als ein Zuwenig. 7.1.3.2 Vorspannung ohne Verbund 1. Innerhalb des Betons geführte Spannglieder Die Dauerhaftigkeit von Spannbetonkonstruktionen mit nachträglichem Verbund hängt wesentlich davon ab, ob die Hüllrohre vollständig ausgepreßt sind. Korrosionsschäden, die auf schlecht injizierte Hüllrohre zurückzuführen sind, werden oft erst nach Jahrzehnten akut. Der heutige Stand der Injektionstechnik schließt dieses Risikopotential weitgehend aus. Die Forderung nach einer einfachen Überprüfbarkeit des Erhaltungszustandes der Spannkabel führte zur Entwicklung der verbundlosen Vorspannung. Bei dieser Methode wird der Korrosionsschutz beim Herstellen der Kabel aufgebracht. Das Hüllrohr - ein glattes Polyäthylenrohr - weist einen nur geringfügig größeren Innendurchmesser auf als der Spannstahl. Den Zwischenraum füllt meist ein spezielles fettähnliches Mineralölprodukt aus, welches die Reibung stark reduziert und außerdem einen dauerhaften Korrosionsschutz gewährleisten soll. Allerdings ist die Sicherstellung des Korrosionsschutzes im Bereich der Anker problematisch. Der gegenüber der Vorspannung mit nachträglichem Verbund wesentlich geringere Hüllrohrdurchmesser bringt statische und konstruktive Vorteile. Vor allem bei Plattentragwerken (z.B. Flachdecken) mit ihrer naturgemäß geringen Dicke hat sich deshalb die verbundlose Vorspannung durchgesetzt. Künftig werden die Spannglieder bei verbundloser Vorspannung nachspannbar und erforderlichenfalls austauschbar sein.. Diesem Vorteil steht als Nachteil ein höherer Stahlbedarf gegenüber, weil der Spannstahl im Grenzzustand der Tragfähigkeit meist nicht bis zum Fließen ausgenutzt wird. 2. Außerhalb des Betons geführte Spannglieder (externe Vorspannung) Bei außerhalb des Betons geführten Spanngliedern kann man den Erhaltungszustand kontrollieren, wobei die kritischen Bereiche der Anker- und Umlenkstellen nur bedingt zugänglich sind. Schadhafte Kabel können unter Verkehr, das heißt ohne Einschränkung der Nutzung ausgetauscht werden. Weil die Kabel extern angeordnet sind, werden schmälere Stege und damit leichtere Tragwerke möglich. Um die Kabel vor Brandeinwirkung und Attentaten zu schützen, wählt man meist Tragwerke mit Kastenquerschnitt und 14.11.01 198 7. Spannbeton ordnet die Spannglieder im Hohlraum an (Bild 7.9). Dabei verliert man allerdings an statischer Nutzhöhe. Externe Spannglieder werden häufig über Umlenksattel geführt. Dadurch erreicht man eine polygonale Spanngliedführung (Bild 7.9 b) mit konzentrierten Umlenkkräften an den Knickstellen. Diese Umlenkkräfte wirken der Querkraft aus den äußeren Lasten entgegen. a b c d Feldquerschnitt Bild 7.9 Querschnitt über der Mittelstütze externe Vorspannung eines Kastentragwerkes (Schemaskizze) a) gerade Spanngliedführung b) polygonale Spanngliedführung mit konzentrierten Umlenkkräften c) Alternative zu b) d) Querschnitte Externe Vorspannungen lassen sich natürlich auch außerhalb des Querschnittes in Form von Unter oder Überspannungen (z.B. Schrägseilbrücken) realisieren. Die Verwendung von Zementmörtel mit definierter Mindestdicke als Korrosionsschutz verbessert den Brandwiderstand und die Steifigkeit von Schrägkabeln. 3. Äußere Vorspannung ohne Spannkabel Es wäre grundsätzlich auch möglich eine Betonkonstruktion ohne Verwendung von Spanngliedern vorzuspannen. Man könnte beispielsweise den Beton vorspannen, indem man ihn gegen feste äußere Widerlager preßt. 14.11.01 199 7. Spannbeton Die äußere Vorspannung ohne Spannkabel wird durch Aufzwingen einer Verformung erreicht. Sie hat also den Charakter eines Zwanges. Leider wird ein Zwang durch das Kriechen des Betons stark abgebaut. Das heißt eine derartige Vorspannung verliert mit der Zeit ihre Wirkung, sie „kriecht weg“! Grundsätzlich tritt dieses Phänomen auch bei der Vorspannung mit Hilfe von Spanngliedern auf. Allerdings werden die hochfesten Spannstähle beim Spannen derart stark gedehnt, daß sich die durch das Kriechen und Schwinden des Betons bedingte Abnahme der Spannstahldehnung in Grenzen hält. In den Anfängen der Spannbetonbauweise hat man versucht normale Bewehrungseisen vorzuspannen. Die dabei erzielbaren geringenen Stahldehnungen lagen in der Größenordnung der Betonstauchungen aus dem Kriechen und Schwinden des Betons. Die Vorspannung ging verloren. Die Bauweise drohte zu scheitern. Erst als man das Problem erkannte und hochwertige Spannstähle entwickelte, gelang der Durchbruch. Bei den heutigen Vorspannsystemen betragen die zeitabhängigen Spannkraftverluste durch das Kriechen und Schwinden des Betons und durch die Relaxation des Spannstahles normalerweise weniger als 10%. Bei der Vorspannung durch Aufzwingen von Verformungen ohne Spannglieder die das Thema dieses Abschnittes ist, kann dagegen der Verlust an der Vorspannwirkung bis zu 80% ausmachen. Diese Art der Vorspannung ist also langfristig gesehen nahezu wirkungslos. Sie kommt deshalb nur in Ausnahmefällen meist als kurzfristige Maßnahme in Frage. 14.11.01 200 7. Spannbeton 7.1.4 Vor- und Nachteile der Spannbetonbauweise Vorteile des Spannbetons 1. Die Vorspannung führt zu einer wesentlichen Verringerung der Biegeverformung, wodurch schlankere Konstruktionen möglich werden. 2. Die Vorspannung überdrückt die Biegezugzone. Dadurch werden Biegerisse über weite Bereiche der Konstruktion vermieden bzw. reduziert. 3. Die Möglichkeit Spannkabel nachträglich in die Hüllrohre einzufädeln und an die vorhandenen Kabel anzukoppeln bildet die unverzichtbare Voraussetzung für die meisten Bauweisen des modernen Großbrückenbaues. Als Beispiel seien die abschnittsweisen Bauverfahren wie der klassische Freivorbau und der feldweise Vorbau erwähnt. Auch die Segmentbauweise ist hier anzuführen. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß das Tragwerk aus Fertigteilelementen besteht, die zusammengespannt werden. 4. Hochwertige Spannstähle in Verbindung mit hochfestem Beton ermöglichen geringere Querschnittsabmessungen. Dies hat leichtere Konstruktionen zur Folge. Nachteile des Spannbetons 1. Spannbeton ist teurer als Stahlbeton. Der Grund liegt nicht im Stahlpreis. (Der Stahlpreis steigt etwa linear mit der Festigkeit; gegenläufig sinkt aber die erforderliche Menge linear mit der Festigkeit). Vielmehr kommen beim Spannbeton die Kosten für die Verankerungskörper, die Haltebügel, die Hüllrohre etc. hinzu. Dazu kommen die Gerätekosten und vor allem die Lohnkosten für den Einbau, das Spannen und das Injizieren. 2. Der hochwertige Spannstahl ist korrosionsempfindlicher als normaler Betonstahl 3. Der glatte Spannstahl weist schlechtere Verbundeigenschaften auf. 4. Durch nicht vollständig injizierte Hüllrohre können Korrosionsprobleme auftreten, die kostspielige Sanierungsmaßnahmen erfordern. In einigen Fällen müssen bei älteren Tragwerken externe Spannglieder nachträglich ergänzt werden. Obwohl heute ausgereifte Systeme zur Verfügung stehen, wo derartige Probleme nahezu auszuschließen sind, stellt das Auspressen der Hüllrohre noch immer die Schwachstelle der Methode dar. Es existiert nämlich keine einfache und sichere Kontrollmöglichkeit. 5. Bei niedrigen Temperaturen (im Winter) kann nicht injiziert werden. 6. Bis der Verbund hergestellt ist muß die Tragsicherheit ohne Verbund gegeben sein. Vorteile der Vorspannung ohne Verbund 1. Werkmäßiges Aufbringen des Korrosionsschutzes. Spannsysteme für Vorspannung ohne Verbund weisen einen sehr guten - meist mehrfachen - Korrosionsschutz auf. Allerdings liegen diesbezüglich noch keine Langzeiterfahrungen vor. 2. Die Kabelkräfte lassen sich einfach kontrollieren und nachspannen ohne Beeinträchtigung der Nutzung des Bauwerkes. 3. Falls erforderlich können die Spannglieder ausgetauscht werden. 4. Im Spannstahl entstehen durch Verkehrslasten nur geringe Spannungsänderungen. a) Es treten keine Ermüdungsprobleme auf. Bei externen Spanngliedern sind eventuell auftretende Seilschwingungen zu dämpfen. b) Es sind höhere Nennkräfte (zul P = 0,7 fpk) möglich. 5. Winterbaustellen sind möglich (kein Injizieren erforderlich). 6. Die geringen Abmessungen der Spannglieder ergeben größere statische Nutzhöhen bzw. geringere Konstruktionshöhen (wichtig z.B. bei Flachdecken). 14.11.01 201 7. Spannbeton 7. Die geringen Reibungsverluste ermöglichen eine gleichmäßigere Ausnutzung der Spannstähle und sehr lange Kabel. (Es gibt Ausführungen mit bis zu 500 m Kabellänge). 8. Wirtschaftlich in Hinblick auf Dauerhaftigkeit und Folgekosten.(hoffentlich) Nachteile der Vorspannung ohne Verbund 1. In der Regel läßt sich die Tragfähigkeit des Spannstahles nicht vollständig ausnützen. Dies erhöht die insgesamt erforderliche Stahlmenge. 2. Im Bereich der Verankerung und Umlenkung von externen Spanngliedern sind Querträger, Lisenen oder Konsolen erforderlich. Die Schalung, Bewehrung und Herstellung dieser Elemente erfordert einen entsprechenden Aufwand. Auch stellen diese „Unstetigkeiten der Konstruktion“ ein gewisses Schadenspotential dar. 3. Meist werden die Ankerkörper auf der Baustelle montiert. Dadurch ist der Korrosionsschutz in diesen wichtigen Bereichen besonders sorgfältig herzustellen (Risikopotential). 4. Um die Spannpresse später wieder ansetzen zu können, muß ein entsprechender Überstand der Litzen hinter dem Spannanker korrosionsgeschützt bereitgestellt werden. Auch ist ein ausreichender Platz für die Spannpresse vorzusehen. Dies kann gegebenenfalls aufwendigere Widerlagerkonstruktionen erforderlich machen. 5. Dauerhaftigkeitsprobleme, die sich aus der Verwendung von Korrosionsschutzfetten ergeben können (Wärmeausdehnung, Veränderung der Viskosität, Beständigkeit gegen Bakterien, Brennbarkeit) sind noch nicht vollständig geklärt. 6. Die von den Drähten bzw. Litzen schneidenartig auf das Hüllrohr einwirkenden Umlenkpressungen können bei dem viskoseelastischen Werkstoff HDPE langfristig Verformungen bzw. Schädigungen verursachen. 14.11.01 202 7. Spannbeton 7.1.5 Spannsysteme 7.1.5.1 Spannsysteme für die Vorspannung mit nachträglichem Verbund Vom Prinzip her sind alle heute gebräuchlichen Spannsysteme ähnlich. Dies gilt für die Spannstähle (Stäbe, Drähte und Litzen), für die Hüllrohre, für die Verankerungen und sogar für die hydraulischen Pressen. Auch das nachträgliche Ausinjizieren durch Einpressen von Zementmörtel erfolgt bei den verschiedenen Systemen auf ähnliche Weise. Zusätzlich zu den Spaltzugbewehrungen in den Zonen der konzentrierten Einleitung von Vorspannkräften, die der Projektant zu bemessen hat, sind um die Verankerungen Umschnürungswendel angeordnet. Sie behindern die Querdehnung des Betons hinter den Ankerplatten. Es entsteht dadurch im Beton ein dreiachsiger Druckspannungszustand, der hohe Betonpressungen unter der Lasteinleitungsfläche zuläßt. Die Wendel sind meist an die Ankerplatten geschweißt. Sie werden, wenn erwünscht, mit dem Spannsystem mitgeliefert (siehe z.B. Bild 7.22). Man unterscheidet Einzelspannglieder aus Stabstahl, Monolitzen und Bündelspannglieder bei denen mehrere Drähte, Stäbe oder Litzen in einem Hüllrohr zusammengefaßt (gebündelt) sind. An den Enden und auch bei Zwischenverankerungen wird die Spannkraft über Verankerungselemente (Ankerplatten) auf den Bauwerksbeton übertragen. Beim abschnittsweisen Bauen sind neu hinzukommende Bauabschnitte an bereits fertiggestellte Bauabschnitte anzuspannen. Die neu hinzukommenden Spannkabel werden zu diesem Zweck an die Verankerungselemente von bereits eingebauten und gespannten Kabeln angekoppelt. Spannglieder können auch mittels beweglicher Muffen gestoßen werden. Für die im Handel angebotenen Spannsysteme stehen Arbeitsunterlagen und Firmenprospekte zur Verfügung. Die Bilder dieses Abschnittes sind derartigen Unterlagen entnommen. Nachfolgend werden zur Veranschaulichung der verschiedenen Konstruktionsprinzipien einige gebräuchliche Spannsysteme vorgestellt - ohne Anspruch auf Vollständigkeit. 1. Einzelspannglieder DYWIDAG - Einzelspannglied mit Gewindestabstahl Nenndurchmesser Stahlfläche Ap Stahlgüte fp0.1k / fpk P0,1k [mm] [mm] [MPa] [kN] Puk zul.P ∗) 0,85 ⋅ fp0.1k ⋅ Ap [kN] [kN] 0,75 fpk ⋅ A p [kN] 15 176,7 885/1080 156,4 190,9 132,9 143,1 16 201,1 1420/1570 285,5 315,7 242,7 236,7 835/1030 460,5 568,1 391,5 426,1 26,5 551,5 1080/1230 595,7 678,4 506,3 508,8 835/1030 671,5 828,4 570,8 621,3 1080/1230 868,6 989,2 738,3 741,9 32,0 14.11.01 804,2 203 7. Spannbeton 36,0 835/1030 849,9 1048,4 722,4 786,3 1080/1230 1099,3 1252,0 934,4 939,0 1017,9 *) die fettgedruckten Werte sind maßgebend Bild 7.10 DYWIDAG Einzelspannglied: Gewinde - Stahl Das Bild 7.10 enthält eine Tabelle mit den zur Verfügung stehenden Gewindestäben, ihrer Stahlgüte, ihrer Tragfähigkeit nach EC2 und ihren Verankerungsmöglichkeiten. Das Bild 7.11 enthält die Verankerungen und einen Muffenstoß. Durch die Längsschlitze in den keilförmig ausgebildeten Sechskantmuttern klemmt sich die Mutter beim Verankern an den Gewindestab. Dadurch ist der Verankerungsschlupf größer als beim glatten Stabstahl, jedoch kleiner als bei Keilverankerungen. a Bild 7.11 Stahlgüte [MPa] b c Gewinde-Stahl a) Spannanker b) Muffenstoß c) Festanker Schlupf [mm] Glockenverankerung Plattenverankerung Muffenstoß 885/1080 2,5 - 1,0 1325/1470 3,5 1,5 1,0 835/1030 2,5 1,0 1,0 1080/1230 4,5 1,5 1,5 Bild 7.12 Gewinde - Stahl: Verankerungsschlupf Aus walztechnischen Gründen besteht das Gewinde aus relativ groben doppelseitig aufgewalzten Gewinderippen; das heißt, das Gewinde ist zweigeteilt. Es läuft nicht um den Stabumfang herum. Der wesentliche Vorteil der Gewindestäbe besteht darin, daß das Gewinde über die gesamte Stablänge läuft. Dadurch kann man Gewindestäbe auf der Baustelle ablängen und an beliebiger Stelle stoßen oder verankern. Deshalb eignen sie sich auch hervorragend für Bauhilfsmaßnahmen, wie z.B. Abspannungen. Man verwendet Gewindestäbe vorzugsweise für gerade Spannglieder, weil die groben Gewinderippen bei gekrümmten Spanngliedern relativ hohe Reibungsverluste verursachen (Bild 7.13). Diese lassen sich reduzieren, indem man die Kabel an beiden Enden anspannt (beidseitiges Spannen). 14.11.01 204 7. Spannbeton Stabdurchmesser [mm] Reibungsbeiwert µ ungewollter Umlenkwinkel k [°/m] 15 16 0,44 0,35 0,5 26,5 32,0 36,0 0,58 0,3 Bild 7.13 Gewinde - Stahl: Reibungskennwerte Spannvorgang bei Stabstählen mit Gewinde Nach ausreichender Erhärtung des Betons werden die Einzelstäbe mit einer hydraulischen Spannpresse gespannt, die sich auf die Verankerungsplatte oder die Verankerungsglocke abstützt. Bild 7.14 Schnitt durch eine Spannpresse mit Ringkolben Der Spannstahl wird so weit gedehnt, bis die erforderliche Stahlspannung erreicht ist. Während des Spannvorganges wird die Verankerungsmutter laufend nachgedreht, die nach dem Ablassen des Drukkes der Spannpresse die Vorspannkraft auf die Verankerungsplatte überträgt. Die Umdrehungen der Mutter werden auf ein Zählwerk übertragen, von dem man die Dehnung das Stabes ablesen kann. Außerdem wird die Stahlspannung durch Ablesen des Öldruckes kontrolliert. Die Meßwerte der Dehnwege werden in das Spannprotokol eingetragen und mit den errechneten Werten verglichen. Wenn die Meßwerte von den Rechenwerten wesentlich abweichen, ist die Ursache zu ergründen (z.B.“Verstopfer“). Bis zum Verpressen des Spannkanales mit Zementmörtel kann die Stahlspannung jederzeit durch nochmaliges Aufsetzen der Presse geprüft und erforderlichenfalls korrigiert werden. Damit kann auch vorweg eine Teilvorspannung aufgebracht werden.(Weitere Informationen siehe Firmensprospekt). 2. Litzenspannkabel Litzen bestehen aus sieben glatten, kaltgezogenen Einzeldrähten, die spiralartig miteinander verwunden sind (Bild 7.15). 14.11.01 205 7. Spannbeton Bild 7.15 Litzenstähle Es werden heute Stähle der Güte S 1570/1770 oder S 1670/1870 verwendet, die zu folgenden Litzentypen verarbeitet werden: Stahlgüte St 1570/1770 Litzentyp St 1670/1870 13 mm (0,5“) 15 mm (0,6“) 15 mm (0,6‘‘) 13 mm (0,5“) 15 mm (0,6“) 15 mm (0,6‘‘) Nenndurchmesser mm 12,9 15,3 15,9 12,9 15,3 15,9 Nennquerschnitt mm2 100 140 150 100 140 150 Laufmetergewicht kg/m 0,785 1,10 1,18 0,785 1,10 1,18 P0,1 kN 157 220 236 168 234 251 Pu kN 177 248 266 187 262 281 zul P = 0,75 ⋅ Pu kN 133 186 199 140 196 210 Elastizitätsmodul MPa 200 200 200 200 200 200 Bild 7.16 Kenngrößen für gebräuchliche Litzentypen Mehrere Litzen werden zu Bündelspanngliedern (Spannkabel) zusammengefaßt. Die Bruchlast eines Kabels liegt normalerweise zwischen 180 kN und etwa 4000 kN. Technisch möglich sind Spannglieder mit Bruchlasten über 10 000 kN. Die Verankerung der Litzen erfolgt meist über dreiteilige Ringkeile, die an der Innenseite mit Kerbzähnen versehen sind (Bild 7.17). Bild 7.17 14.11.01 Kreisringkeil zum Verankern von Litzen 206 7. Spannbeton Beim Verkeilen bzw. Absetzen der Spannpresse werden die Keile in die kegelstumpfartigen Ausnehmungen im Ankerkörper gepreßt. Dadurch klemmen sich die Ringkeile über ihre rauhe Innenfläche an den Litzen fest. Dieser Vorgang ist mit einer Relativverschiebung zwischen Litze und Ankerkörper verbunden - dem Keilschlupf. Der Keilschlupf beträgt bei Litzen normalerweise etwa 5mm. Um den Keilschlupf am Festanker um etwa die Hälfte zu reduzieren, können diese werkseits mit Vorverkeilung geliefert werden. Als Verkeilkraft wird werkseits die 1,2-fache Normkraft aufgebracht. Neuerdings kann auch der Keilschlupf durch spezielle Beilagscheiben kompensiert werden. Nachfolgend sind die Spann- und Festanker, sowie die festen und beweglichen Kopplungen für verschiedene Litzenspannverfahren abgebildet. Litzensystem DYWIDAG Das Bild 7.18 zeigt die typische DSI - Verankerung für Bündelspannglieder mit 3 bis 19 Litzen 0,6“. Die Verankerungsplatte verfügt über einen Pressenbund für die Zentrierung der Spannpresse, sowie über Löcher für das Injizieren oder Entlüften des Spannkanals. Weiters verfügt die Verankerungsplatte über konische Bohrungen zur Aufnahme der Verankerungskeile. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Plattenverankerung Verankerungskeil Übergangsrohr Abstandhalter GFK--Klebeband Hüllrohr Injiziermuffe Injizierhaube Injizierschlauch Zusatzbewehrung (Wendel) Bild 7.18 9 9 8 1 4 2 3 5 6 7 10 DSI - Plattenverankerung für Spann- und Festanker Als Festanker wird für vorgefertigte Spannglieder in der Regel die Schlaufenverankerung verwendet (Bild 7.19 a). Als Alternative bietet DYWIDAG den sogenannten Verbundanker an (Bild 7.19 b). a b Bild 7.19 Festanker System DSI a) Schlaufenverankerung b) Verbundanker Das Bild 7.20 zeigt eine feste Koppelstelle System DSI. 14.11.01 207 7. Spannbeton Sie dient zum Ankoppeln (Anspannen) eines neuen Bauabschnittes an einen bereits fertiggestellten und vorgespannten Bauabschnitt. Die Koppelscheibe 3, die auf einem Distanzring 2 aufliegt, weist zur Aufnahme der ankommenden und abgehenden Litzen entsprechende konische Bohrungen für die Verankerungskeile auf. Die Litzen des abgehenden Spanngliedes werden mit mindestens 1,2 zul P vorverkeilt und durch Keilsicherungslaschen gesichert. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Glockenring Distanzrohr Koppelscheibe Verankerungskeil Abschlußrohr Überschubmuffe Übergangsrohr Abstandhalter GFK-Klebeband Injizierschlauch Zusatzbewehrung Keilsicherungslasche Bild 7.20 A-A B-B System DSI: feste Koppelstelle Das Bild 7.21 zeigt einen beweglichen Litzenstoß mittels Muffen. Das Einzelelement (Bild 7.21 a) besteht aus zwei Verankerungshülsen, welche über einem Verbindungsbolzen mit Außengewinde gekoppelt werden. Zwei Spiralfedern pressen die Verankerungskeile auf die eingeschobenen Litzenenden. Durchgangsbohrungen ermöglichen auch ein Injizieren der Hohlräume innerhalb der Muffen. (Weitere Informationen siehe Firmenprospekt). 14.11.01 208 7. Spannbeton a 5 1 2 3 4 5 Keilhülse Verankerungskeil Druckfeder Verbindungsbolzen Injizierbohrung 1 2 3 4 5 6 Litzenmuffe Muffenrohr Übergangsrohr GFK-Klebeband Hüllrohr Abstandhalter b Bild 7.21 Beweglicher Litzenstoß mit Muffen a) Detail eines Litzenstosses (Einzelmuffe) b) Stoß eines Bündelspanngliedes Litzensystem VORSPANN - TECHNIK - Freyssinet (VT) Bild 7.22 14.11.01 Spann- und Festanker 209 7. Spannbeton Bild 7.23 VT: feste Koppelstelle Bild 7.24 VT: bewegliche Koppelstelle Bild 7.25 VT: Spanngliedanordnung (Betongüte ≥ C35/40) Abstände der Verankerungen und Abstände der Hüllrohre 14.11.01 210 7. Spannbeton Bild 7.26 Platzbedarf für Spannpresse Kenndaten Nachfolgend sind als Beispiele die Kenndaten für das Spannglied VT 16-100 (VT 160L) zusammengestellt. Diese Bezeichnung bedeutet VT ...................Firma VORSPANN-TECHNIK 16 ....................Bündel aus 16 Litzen 100 ..................Querschnitt einer Litze: 100mm2 VT 160L ...........zulässige Zugkraft 160 t L.....Litzenspannverfahren (alte Bezeichnung) Spannglied St 1570/1770 Lg Querschnitt des Spannbündels rechnerische Bruchlast zulässige Spannkraft 16 cm2 2832 kN 2124 kN E-Modul Reibungsbeiwert µ µ bei reibungsvermidernden Maßnahmen Gewicht des Spannbündels ungewollter Umlenkwinkel Abstand d. Spanngliedunterstellungen max. min. Krümmungsradius Injektionsmörtelbedarf Zementbedarf 20,0 ⋅ 106 N/cm2 0,25 0,20 12,56 kg/m 0,25 °/m 140cm 4,0 m 3,7 l/m 5,2 kg/m Randabstand der Hüllrohre Achsabstand der Hüllrohre Hüllrohrdurchmesser innen/außen 85 mm 125 mm 75/82 mm Verankerungen;(Betongüte ≥ C30/37) Randabstand Achsabstand 190 mm 350 mm Ankerplatte Seitenlänge Dicke 270 mm 30 mm Trompetenlänge 290 mm Normalringkörper Ck 45 V Durchmesser Höhe 175 mm 45 mm Koppelringkörper Ck 45 V 14.11.01 211 7. Spannbeton Durchmesser Höhe 175 mm 75 mm Koppelbolzen 37 Mn Si 5 Gewinde Länge M 80 x 4 270 mm Hüllkasten Durchmesser Länge (feste Koppelstelle) Länge (bewegliche Koppelstelle) 185 mm 260 mm 910 + 1,1 ⋅ ∆L (weitere Informationen siehe Firmenprospekt) Spannvorgang Stellvertretend für alle Litzenspannverfahren wird nachfolgend der Spannvorgang für das System VT Freyssinet beschrieben: Die Litzen laufen außen in einer Nut entlang der Spannpresse und werden dort mit Ringkeilen befestigt. Das Bild 7.27 zeigt der hiefür erforderlichen Litzenüberstand. a Bild 7.27 b Spanngliedüberstände für a) beidseitiges Spannen b) einseitiges Spannen Die Presse stützt sich über den Druckring auf die Ankerplatte ab. Die Vorspannkraft wird durch Messen des Öldruckes und des Dehnweges kontrolliert. Vor Beginn des Spannens werden auf 4 Drähten Meßmarken angebracht, aus deren Verschiebung man die Dehnung der Drähte und den Keilschlupf feststellen kann. Diese Werte werden ins Spannprotkoll eingetragen und den rechnerisch ermittelten Werten gegenübergestellt. Bild 7.28 14.11.01 Schnitt durch Spannpresse in den 4 Spannfasen (Ansetzen, Spannen, Verkeilen und Lösen) 212 7. Spannbeton Wenn die Spannkraft erreicht ist, drückt der Verkeilkolben mit der Verkeilplatte über Verkeilringe die Ringkeile in die Bohrungen. Die Verkeilkraft beträgt etwa 20 kN. Nach Ablassen der Spannkraft ziehen sich die Litzen um das Maß des Keilschlupfes (ca. 6mm) in den Ringkörper ein. Danach können die Drahtüberstände abgeschnitten werden. (Weitere Informationen siehe Firmenprospekt) 3. Kabelhalter Die Höhenkoten der Spannglieder sind in den Querschnitten mit Spanngliedunterstellungen im Kabelplan enthalten. Die Vorspannkabel müssen genau nach der plangemäßen Kabellage auf genügend steife Kabelhalter verlegt werden, sodaß sie beim Betonieren nicht verschoben oder verbogen werden. Um ein lokales Durchhängen der Kabel zwischen den Unterstützungen zu verhindern bzw. klein zu halten soll der Abstand zwischen den Kabelhaltebügeln den in den Arbeitsunterlagen angegebenen Wert nicht überschreiten (Größenordnung 1m). Die Spanngliedunterstellungen bestehen aus steifen Bügeln, die eventuell durch aufgeschweißte Diagonalstäbe ausgesteift sind. Die oberen Querstäbe im Bild 7.29 a müssen zum Verlegen der unteren Kabellagen entfernbar sein. . A Schnitt A-A 1 1 5 4 4 2 2 7 3 3 5 6 6 A 1 2 3 4 5 6 7 Kabelhaltebügel ∅ 14-20 mm oberer Tragstab, auf angeschweißtes Auflager gelegt Auflagerstäbchen, an Bügel angeschweißt Hüllrohr Halbschale (Stützschale) unterster Tragstab, direkt an Bügel geschweißt Fixierdraht Bild 7.29 Spanngliedunterstellungen (Kabelhalter) Als Hüllrohre haben sich für die Vorspannung mit nachträglichem Verbund dünnwandige Wellrohre aus Stahlblech (Blechstärke ca. 0,25) oder Kunststoff durchgesetzt. Sie sind nicht zu weich und doch an den gekrümmten Kabelverlauf anpaßbar. Die einzelnen Hüllrohrschüsse werden mit Schraubenmuffen oder Schrumpfmuffen verbunden. An den Kabelstössen sind die Hüllrohre erweitert. An den Hochpunkten der Hüllrohre, am höchsten Punkt von Hüllrohrerweiterungen (Muffenstössen) und an den Verankerungen sind Entlüftungen anzuordnen. 14.11.01 213 7. Spannbeton a) Hüllrohre aus Blech Bild 7.30 Hüllrohr aus Stahlblech mit gewindeartigen Wellen Die gewindeartigen Rippen haben eine mehrfache Funktion: • Sie machen das Hüllrohr elastisch biegbar. • Sie steifen den Hüllrohrquerschnitt gegen örtliches Eindrücken an den Kabelunterstützungen aus. • Sie bilden ein Gewinde zum Anschrauben von Muffen an Stoßstellen von Hüllrohranschlüssen • Sie ermöglichen ein Durchfließen des Injektionsmörtels auch in Bereichen, wo der Spannstahl an der Hüllrohrwandung anliegt. • Sie vermindern die Reibungsverluste. b) Hüllrohre aus Kunststoff Bei erhöhten Anforderungen an den Korrosionsschutz und die Ermüdungsfestigkeit der Spannglieder bieten sich gerippte Polyäthylen - Hüllrohre an. Litzentyp 13 mm (0,5“) Litzentyp 15 mm (0,6“) Kabeleinheit Kabeleinheit d D s 5-12 6-7 59 73 2 5-19 6-12 76 91 2,5 5-31 6-19/6-22 100 116 3 Hüllrohrabmessungen [mm] andere Einheiten auf Anfrage Bild 7.31 14.11.01 geripptes Hüllrohr aus Polyäthylen 214 7. Spannbeton 4. Einstoßmethode Die Litzen werden mit Hilfe einer Einstoßmaschine aus der Litzenrolle herausgezogen und in das Hüllrohr eingestossen (Bild 7.32). Dieser Vorgang kann vor oder nach dem Betonieren stattfinden. Bild 7.32 Einstossen der Litzen in das Hüllrohr (schematisch) Einziehmethode Bei der Einziehmethode wird das Litzenbündel durch das einbetonierte Hüllrohr gezogen (Bild 7.33). Bild 7.33 Einziehen des Litzenbündels (schematisch) Werkseitge Vorfertigung Im Werk vorgefertigte Kabel (mit Hüllrohr und Verankerungen) werden vor dem Betonieren als Einheit verlegt. Die Methode ist vorteilhaft bei kleinen Kabeln und kurzen Transportwegen. 5. Injizieren Vor dem Injizieren werden die Entwässerungsschläuche geöffnet. Der Injektionsschlauch wird an einem Kabelende bzw. am tiefsten Punkt an die dafür vorgesehene Injektionsöffnung angeschlossen. Der Einpreßmörtel wird solange in das Spannglied gepumpt bis es blasenfrei in gleichmäßiger Konsistenz am ersten Hochpunkt austritt. Dann wird diese Öffnung verschlossen. Nun wird weiter injiziert, bis der zweite Hochpunkt gefüllt ist usw. Auf diese Weise werden Hochpunkte entlüftet (Bild 7.34). Wenn schließlich der Mörtel am Kabelende in gleichbleibender Konsistenz wieder austritt, werden alle Entlüftungsöffnungen nochmals geöffnet und entlüftet. Der Transport des Injektionsgutes im Hüllrohr sollte mit etwa 50 m begrenzt werden. Entsprechend den Richtlinien für Einpreßmörtel sind Prüfungen auf der Baustelle durchzuführen. Diese betreffen die Feststellung des Fließvermögens sowie die Bestimmung des Absetzmaßes und des Quellmaßes. 14.11.01 215 7. Spannbeton Bild 7.34 Anordnung von Injektionsanschlüssen, Entwässerungen und Entlüftungen (schematisch) Für die Zusammensetzung des Einpressmörtels und das Auspressen von Spannkanälen mit Zementmörtel gibt es Richtlinien. Das Injektionsgut hat folgende Forderungen zu erfüllen: • Vollständige (satte) Füllung • Verbundwirkung (Druckfestigkeit, Quellfähigkeit) • Frostbeständigkeit • Korrosionsschutz • gute Verarbeitbarkeit Diese Forderungen lassen sich durch Zementmörtel erreichen, denen Zusätze (Fließmittel, Quellmittel etc.) beigefügt werden. Es ist darauf zu achten, daß geeignete Zemtentsorten verwendet werden. Der Auspreßvorgang ist in einem eigenem Protokoll zu dokumentieren. 7.1.5.2 Spannsysteme für Vorspannung ohne Verbund Für die verbundlose Vorspannung werden dieselben Litzenspannstähle wie für Spannsysteme mit Verbund verwendet. Sie liegen in einem relativ engen glatten PE - Mantelschlauch (Polyäthylen oder Polypropylen) mit ca. 1mm Wandstärke. Der Raum zwischen den Litzen und dem Hüllrohr wird durch eine spezielle Korrosionsschutzmasse ausgefüllt (extrudert), die auch als Gleitmittel wirkt und für geringe Reibungsverluste sorgt. a Litze PE-Schlauch Korrosionsschutzmasse b 14.11.01 216 7. Spannbeton Bild 7.35 Monolitze a)Monolitzen b)Ankerkopf (Keilverankerung) Mehrere Monolitzen lassen sich zu einem Spannglied zusammenfassen. Man unterscheidet zwei Arten von verbundlosen Spannsystemen: Die interne Vorspannung ohne Verbund und die externe Vorspannung. Bei der internen Vorspannung werden die Kabel wie bei der Vorspannung mit nachträglich hergestellten Verbund innerhalb des Betons geführt. Bei der externen Vorspannung verlaufen die Kabel frei zugänglich außerhalb des Querschnittes. Auch die Abspannkabel von Schrägseilbrücken mit Spannkräften bis zu 15000 kN und Bruchlasten bis zu 34000 kN sind als externe Spannglieder anzusehen. Die Vorspannung ohne Verbund ist nicht neu. Bereits 1927 hat der deutsche Ingenieur Färber das Prinzip der internen verbundlosen Vorspannung zum Patent angemeldet. Um den Verbund auszuschalten, umgab er den Stahl mit einer Parafinschichte. 1934 patentierte der deutsche Ingenieur Dischinger die externe Vorspannung. Er baute die erste große Spannbetonbrücke (Bild 7.36) mit einer Mittelöffnung von 69 m. Sie ist heute noch in Betrieb. Bild 7.36 7.1.5.3 Die Aue - Brücke in Sachsen (BRD) mit externer Vorspannung (Dischinger 1936) Intern geführte Spannkabel ohne Verbund 1. VT - CMM - SYSTEM Dieser Spanngliedtyp der Firma VORSPANN - TECHNIK (CMM steht dabei für Compact Multi Mono) ist dadurch gekennzeichnet, daß mehrere Monolitzen nebeneinanderliegend mit einer entsprechenden PE - Ummantelung zu flachen Bändern verbunden sind (Bild 7.37). Verwendete Litzen: F150 (0,62“) St 1570/1770 Ap = 150 mm2 P uk = f pk ⋅ A p = 1770 ⋅ 150N = 265,5kN zul P = 0,7 ⋅ P u = 185,85kN 14.11.01 217 7. Spannbeton a Bild 7.37 b a) Einfach extrudierte VT - CMM - Spanngliedtypen b) Doppelt extrudierte Spanngliedtypen Das Bild 7.38 zeigt als Beispiel die Verankerungen von Bündeln aus zwei und vier Monolitzen. Sie werden sowohl als Spannanker als auch als Festanker verwendet. Die Festanker werden mit der 1,2-fachen Nennkraft vorverkeilt. Bild 7.38 Verankerungstypen für das VT - CMM System der Fa. VORSPANN-TECHNIK Spanngliedkoppelelemente dienen dazu, um zwei nacheinander hergestellte Tragwerksteile miteinander zu verbinden. Im Bild 7.39 sind Koppelstellen für 1- und 4-litzige Spannglieder dargestellt. 14.11.01 218 7. Spannbeton Bild 7.39 Koppelstellen zum VT - CMM - System Die VT-FG-Spannpressen können ohne Hilfsmittel von Hand an die Verankerungen angsetzt werden. Sie benötigen nur 250 mm Überstand der Litzen am Spannende (FG = Front Grip). Das Bild 7.40 enthält die technischen Daten für das VT-CMM-System. Type Spannstahlgüte VT-M 01-150 VT-CMM 02-150 VT-CMM 03-150 VT-CMM 04-150 ST 1570/1770 ST 1570/1770 ST 1570/1770 ST 1570/1770 Litzenanzahl Stk. 1 2 3 4 Querschn. d. Spannbündels cm2 1,5 3,0 4,5 6,0 Gewicht des Spannbündels kg/m 1,18 2,36 3,54 4,72 rechnerische Bruchlast kN 265,5 531,0 796,5 1062,0 Spannkraft bei zul P kN 199,1 398,2 597,4 796,5 Elastizitätsmodul MPa 195 ⋅ 103 195 ⋅ 103 195 ⋅ 103 195 ⋅ 103 Reibungsbeiwert µ 0,05 0,05 0,05 0,05 °/m 0,2 0,2 0,2 0,2 m 2,5 2,5 2,5 2,5 - ∅ a100/10,4+1 W. á 50mm ∅a140/10,5+1 W. á 50mm ∅ a160/12,5+1 W. á 50mm Zusatzbewehrung 1 φ 8, 160/100 2 φ 8, 160/160 3 φ 8, 220/160 3 φ 10, 280/180 Mindestbetongüte C25/30 C25/30 C25/30 C25/30 80 x 130 x 78 120 x 120 x 78 140 x 140 x 78 160 x 160 x 78 ungewollter Umlenkwinkel min. Krümmungsradius Spaltzugwendel Verankerungsabmessungen sxsxh 14.11.01 mm 219 7. Spannbeton Spannbündelabstände mm 45 50 60 60 60 50 50 50 62 84 84 74 86 108 132 50 45 45 Rand- und Achsabstände der Verankerung mm 90 150 (120) 170 100 (80) 100 190 70 100 150 70 100 70 100 (80) 150 110 130 210 100 (80) 160 270 110 100 110 100 Litzenüberstand Spannseite mm 500 250 250 250 Keilschlupf am Spannanker mm 7 7 7 7 Bild 7.40 Technische Daten für die Spannglieder VT-M 01 - 150, VT-CMM 02, 03, 04 - 150 2. DYWIDAG - Stabspannglieder ohne Verbund Es kann entweder glatter Stabstahl oder Gewinde-Stahl Verwendung finden (Bild 7.41). Bruchlast Puk / zul Last = 0,75 Puk [kN] Stahlgüte [N/mm2] - - Ø 26 Ø 32 Ø 36 glatter Stahl 835/1030 1080/1230 - 547/410 653/490 828/621 989/742 1049/787 1252/939 Gewindestahl - Ø 15 Ø 26,5 Ø 32 Ø 36 835/1030 900/1100 1080/1230 194/145 568/426 678/508 828/621 989/742 1049/787 1252/939 Bild 7.41 Bruchlast und zulässige Vorspannkraft Das Bild 7.42 zeigt ein Spannglied ohne freien Spannkanal. Hier wird das PE-Mantelrohr unmittelbar einbetoniert. Das Spannglied bleibt nachspannbar; es ist jedoch nicht als Einheit (mit dem Korrosionsschutz) auswechselbar. Bild 7.42 14.11.01 Spannglied ohne freien Spannkanal 220 7. Spannbeton Das Bild 7.43 a stellt ein Spannglied dar, welches in einem Spannkanal frei geführt ist. Bis zu drei Einzelstäben können zu einem Stabbündeln zusammengefaßt werden (Bild 7.43 b). Derartige Spannglieder sind austauschbar. a b Bild 7.43 7.1.5.4 Spannglieder mit freiem Spannkanal a) Einzelspannglied b) Bündelspannglied Externe Spannkabel 1. VT - CMM - SYSTEM Für die externe Vorspannung werden die im Bild 7.44 dargestellten doppelt extrudierten VT-CMMSpannglieder verwendet. Der innere Korossionschutzmantel hat eine Wandstärke von 1,5 mm und der äußere von 3 mm. Diese Bänder können entweder einzeln oder in Gruppen angeordnet werden (Bild 7.44). Bild 7.44 Beispiele für die Gruppenanordnung der flachen doppelt extrudierten Bänder Das Bild 7.45 zeigt einen typischen Ankerblock. Als Unterschied zu runden Kabeln sind hier die Bohrungen für die Ankerkeile nicht versetzt sondern parallel angeordnet. 14.11.01 221 7. Spannbeton Querbewehrung Wendel Bild 7.45 Ankerblock zu 4x VT-CMM 04 - 150 (zul P = 4x 796,5 = 3186 kN) Das Bild 7.46 enthält die prinzipielle Ausbildung eines Umlenksattels für das gleiche Kabel. Bild 7.46 Umlenksattel aus Stahlblech 2. Externe Spannkabel VSL (Vorspannsystem Losinger) Mit Monolitzen oder mit einem Bündel aus Litzen arbeitet ebenfalls das System VSL, die in einem runden Hüllrohr aus Polyäthylen oder Stahl geführt werden. Der Hohlraum wird mit Zementmörtel ausgepreßt. Bild 7.47 Schematischer Aufbau eines externen Spannkabels VSL Es werden 0,5“ oder 0,6“-Litzen der Güte St 1570/1770 verwendet. Das Bild 7.48 zeigt die Spanngliedverankerung, das Bild 7.71 ein Detail der Kabelumlenkung (weiter Informationen siehe Firmenprospekt). 14.11.01 222 7. Spannbeton a 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Injektionskappe Ankerbüchse Gewindeankerbüchse Ringmutter Ankerplatte Wendel Führungsrohr Übergangsrohr Stahlrohr Hüllrohr Klemmring (Umlenkring) 5 2 1 8 7 6 9 10 9 10 11 b 3 1 4 5 7 6 8 11 Bild 7.48 Spanngliedverankerung System VSL a) nicht austauschbar b) austauschbar a 3 2 1 4 2 3 1 2 3 4 Polyäthylenrohr Schlumpfschlauch Stahlrohr - Umlenksattel Litzenbündel b 1 3 1 4 1 3 1 Bild 7.49 Ausbildung der Kabelumlenkung a) PE-Rohr unterbrochen b) PE-Rohr durchlaufend Die Umlenkung des Litzenbündels erfolgt in einem exakt geformten steifen Stahlrohr. Der minimal zulässige Umlenkradius liegt je nach Spannglied-Typ zwischen 2,5 und 5,0 m (Details siehe Firmenprospekt). Wenn das PE-Rohr wie in Bild 7.49 b innerhalb des Umlenkrohres durchläuft, kann des leichter ausgetauscht werden. Es ist äußerst wichtig, daß die Umlenkkräfte (und die Reibungskräfte) sauber in das Tragwerk eingeleitet werden. Das Bild 7.50 zeigt vier Varianten für die Ausbildung der Kabelumlenkung. Es ist ratsam für die Bemessung und konstruktive Durchbildung dieser Details höhere Sicherheitsbeiwerte anzusetzen. 14.11.01 223 7. Spannbeton Bild 7.50 a b c d Umlenkstellen externer Spannglieder: Krafteinleitung in das Tragwerk über: a) Konsolen b) Querbalken (teilweise in der Bodenplatte) c) Querrahmen (günstige Eintragung der Querkraft in den Steg) d) Querverband bei Stahlkonstruktion oder für nachträglichen Einbau in Betontragwerke 3. DYWIDAG - Spannglieder ohne Verbund Abgesehen von Details sind die Dywidag-Bündelspannglieder ohne Verbund dem VSL-System (vgl. Abschnitt ) ähnlich. Auch hier besteht ein Kabel aus einem Bündel von Einzellitzen, die werkseitig mit Korrosionsschutzmasse und PE-Mantel umhüllt werden (Monolitzen). Zusätzlich wird das gesamte Bündel durch Verfüllen der Hohlräume innerhalb der Verrohrung mit Zementmörtel gegen Korrosion, mechanische Beschädigung und Brandeinwirkung geschützt. Das Bild 7.52 zeigt eine Verankerung, die als Spann- und Festanker Verwendung findet. An Umlenkstellen sorgen spezielle Abstandhalter für eine geordnet-zentrische Führung der Litzen (Bild 7.53) Anzahl Litzen Ø 0,6“ Fläche [mm2] Bruchlast PBruch [kN] zul Last pzul = 0,7 x PBruch [kN] 12 1680 2974 2082 15 2100 3717 2602 19 2660 4708 3296 Bild 7.51 14.11.01 Spannkräfte in externen Bündelspanngliedern (System DYWIDAG) 224 7. Spannbeton Verankerungsscheibe Bild 7.52 Spanngliedverankerung System DYWIDAG Bild 7.53 Umlenksattel System DYWIDAG 7.1.5.5 Schrägkabel Kabel für Schrägseilbrücken sind im Prinzip externe Spannglieder, die den Witterungsverhältnissen (Temperatur, UV-Strahlung, saures Wasser, Streusalzdämpfen, Ozon, Wind, etc.) besonders ausgesetzt sind. Moderne weit gespannte Schrägseilbrücken mit ihren leichten, schlanken Tragwerken erfahren unter Verkehrslast hohe Spannungsänderungen in den Kabeln. Infolge winderregten Schwingungen werden die Kabel dynamisch beansprucht. Ein weiterer Unterschied zur externen Vorspannung von Balkenbrücken besteht darin, daß bei großen Schrägkabelbrücken normalerweise wesentlich größere Kabelkräfte auftreten. Das Bild 7.54 zeigt den schematischen Aufbau eines Schrägkabels mit dem heute üblichen Parallel-Litzenbündel. Das äußere Schutzhüllrohr aus Polyäthylen sollte 10 bis 15 mm Wandstärke aufweisen. Dieses verfügt über eine extrem niedrige Durchlässigkeit für Gase und Flüßigkeiten. Es weist eine hohe UV-Beständigkeit auf und ist auch gegen andere atmosphärische Einflüsse resistent. Erforderlichenfalls kann auf das HDPE-Rohr eine eingefärbte Außenschicht aufextrudiert werden. Innerhalb dieser Schutzhülle können die Litzen entweder nackt oder in Form von Monolitzen bereits zweifach korrosionsgschützt geführt werden. Eine weitere Verbesserung des Korrosionsschutzes wäre durch Galvanisieren der Litzen erreichbar. Der Hohlraum zwischen dem Litzenbündel und der äußeren Umhüllung wird heute meist mit Kunststoffmodifiziertem Zementmörtel ausgepreßt. Diese für die Dauerhaftigkeit besonders wichtige Maßnahme gibt dem Kabel einen wichtigen Schutz gegen die Umwelteinflüsse und im beschränkten Maße auch gegen Brandeinwirkung. Auch erhöht sich das Gewicht und die Steifigkeit des Kabels wodurch sich das Schwingungsverhalten ändert. Das Verpressen der Kabel mit Zementmörtel ist schwierig - insbesonders bei langen Kabeln. Deshalb werden sich hier in Zukunft alternative Füllmaterialien durchsetzen. Ein mit Monolitzen gefülltes Schrägkabel verfügt demnach über einen 4-fachen Korrosionsschutz (Korrosionsschutzmasse + PE-Schlauch + Zementmörtel + Schutzhüllrohr). 14.11.01 225 7. Spannbeton HPDE-Schlauch 12-15 mm Zementinjektion Litze in PE-Schlauch Bild 7.54 Prinzipieller Aufbau eines auswechselbaren Schrägkabels Bild 7.55 Verankerungselement VT Die Schrägkabel und ihre Verankerungen müssen eine entsprechende Längssteifigkeit und statische Festigkeit aufweisen. Außerdem sollen sie eine Schwingbreite von 2σ A = 200 bis 250 MPa (7.36) auf Dauer ertragen, um einen ausreichenden Ermüdungswiderstand sicherzustellen. Dies hat zur Folge, daß man die Schrägkabel in Gebrauchszustand nur bis 45% ihrer charakteristischen Festigkeit beanspruchen darf: zulσ p = 0,45 ⋅ f pk (7.37) Besonders schwierig ist die Forderung (Gleichung (7.36)) hinsichtlich des Ermüdungswiderstandes für die Keilverankerungen der Litzen zu erfüllen. Um einen „weichen“ Übergang der Kraft von der Litze zur Verankerung zu erreichen, kann der Verankerungsbereich mit einem Mörtel ausgepreßt werden, der mit einem dauerelastischen Kunststoff versetzt ist. Beim VT-HIDYN-Schrägkabel ist das Ermüdungsproblem mit einem Doppelkeilsystem gelöst. Das Bild 7.56 veranschaulicht das VT-HIDYN-Prinzip am Beispiel der Verankerung einer Monolitze. 14.11.01 226 7. Spannbeton a b ~ 0,9 P P Bild 7.56 VT-HIDYN-Prinzip a) Doppelverankerung b) Kraftverlauf in der Litze Die Verankerung der Litze erfolgt mit zwei koaxial hintereinander angeordneten Keilverankerungen. Die Verankerung S entspricht einer herkömmlichen Stahl-Keil-Verankerung mit leichten Modifikationen. Die Verankerung P ist dagegen eine Klemmeinrichtung mit einem im Vergleich zum Stahlkeil weichen Plastikkeil (Polyamide). Diese „weiche Verankerung“ übernimmt etwa 10% der Kraft P und führt zu dem im Bild 7.56 b skizzierten Kraftverlauf in der Litze. Mit dieser Verankerungslösung erreicht man Festigkeitswerte, die nahezu dem ungestörten (nicht geklemmten) Zugglied entsprechen. Um den Eigenschwingungen der Kabel zu begegnen, werden an beiden Verankerungen entsprechende Dämpfungsringe aus Neoprene eingebaut, deren Steifigkeit über Klemmscheiben beeinflußbar ist (siehe Bild 7.57). 14.11.01 227 7. Spannbeton a B 5 4 2 1 6 7 8 D1 10 9 D2 D3 JO D‘ DP DS 3 D1 H D3 D2 11 12 13 C A b HPDE-Schlauch 12-15 mm 1 2 3 4 5 6 7 Abdeckkappe Anker S (Stahlkeile) Anker P (Polyamidkeile) Ringmutter Ankerplatte Polyäthylen - Teleskoprohre Trompete (Übergangsrohr) 8 9 10 11 12 13 Zementinjektion Schutz- und Stützrohr Umlenkring (Führungsring) Dämpfer Litzen VT-CMM-Litzenbänder Zementfüllung VT-CMM-Bänder (doppelt extrudiert) c Unit: A B Min C H DP/S D‘ D1 D2 D3 JO Puk [kN] zul P 0.45 fpk VT 7-150 150 540 100 50 140/120 185 150 93/102 90/83 230 1,858.5 836.3 VT 12-150 160 560 100 55 180/160 230 190 125/133 85/115 310 3,168.0 1,438.7 VT 19-150 170 590 110 60 210/190 280 215 156/165 110/140 370 5,044.5 2,270.0 VT 37-150 190 1000 120 70 270/250 330 300 245/232 176/200 500 9,823.5 4,420.6 VT 55-150 210 1160 130 80 310/290 380 340 263/273 226/250 610 14,602.5 6,571.1 VT 60-150 230 1330 140 90 340/320 415 370 288/299 226/250 650 15,930.0 7,168.5 VT 73-150 250 1420 150 100 360/340 440 390 313/324 256/280 700 19,381.5 8,721.7 VT 91-150 340 1710 200 140 420/400 540 450 352/368 291/315 800 24,160.5 10,872.2 VT 128-150 440 2320 260 180 490/470 640 520 399/419 331/355 940 33,718.5 15,173.3 Bild 7.57 14.11.01 VT-HIDYN Schrägkabel a) Schnitt durch die Kabelverankerung b) Kabelquerschnitt c) Abmessungen und Kabelkräfte 228 7. Spannbeton 7.1.6 Spannkabelführung Eine wichtige Aufgabe bei der Projektierung von Spannbetonkonstruktionen besteht in der Festlegung der geometrischen Anordnung der Kabel (Kabelverlauf). Hier sind sowohl statische als auch konstruktive Gesichtspunkte zu beachten. Aus der statischen Berechnung läßt sich ein sogenannter Kabelschlauch ableiten. Als Kabelschlauch bezeichnet man zwei Grenzkurven, zwischen denen die aus allen Kabeln resultierende Vorspannkraft liegen muß - also den zulässigen Bereich für die Anordnung der Spannkabel. In Hinblick auf die konstruktive Durchbildung sind die Verankerungs- und Koppelstellen besonders sorgsam zu planen. An Koppelfugen dürfen maximal 50% aller Kabel gestoßen werden. Wichtig ist, daß die Ankerplatten exakt an der Schalung zu befestigen sind. Um Knicke zu vermeiden, sind die Kabel an den Enden über die Länge von ca. 1m gerade und exakt normal zu den Ankerplatten zu führen. Dasselbe gilt beidseits von Koppelstellen. In Verankerungsbereichen sind an allen Oberflächen rechtwinkelige Bewehrungsnetze mit einem Mindestbewehrungsgrad von 0,15% in jede Richtung anzuordnen. Es sollen geschlossene Bügel verwendet werden. Selbstverständlich sind die in den Zulassungsbescheiden der Spannsysteme angegebenen Mindestabstände der Ankerkörper untereinander und vom Rand einzuhalten. Alle Ankerkörper sind von Wendeln umschlossen. Zusätzlich sind noch Spaltzugbewehrungen erforderlich (siehe Kapitel 11.5.1). Bei Spannankern ist der erforderliche Platz für die Spannpressen bereitzustellen. Auch für die Spannglieder bzw. Hüllrohre sind konstruktive Vorgaben zu erfüllen. Für die Spanngliedführung sind Mindestkrümmungsradien vorgegeben. (siehe Firmenprospekte) Auch die Betondeckung der Hüllrohre und ihr Abstand untereinander ist so festzulegen, daß der Beton ordnungsgemäß eingebracht und verdichtet werden kann und daß eine ausreichende Verbundwirkung vorhanden ist. Die Abstände sollten keinesfalls den Hüllrohrdurchmesser dduct und den Größtkorndurchmesser der Betonzuschläge (+ 5 mm) unterschreiten. Weitere Angaben finden sich im Kapitel 15 (Konstruktive Durchbildung) und in den Arbeitsunterlagen zu den Spannsystemen. Bei der Festlegung der Lage der Hüllrohre ist zu berücksichtigen, daß der Schwerpunkt des Spannstahls nicht in der Mitte des Hüllrohres liegt. Vielmehr legt sich der Spannstahl entsprechend der Umlenkung an die Hüllrohrwandung an. Um einen möglichst großen inneren Hebelarm zu erreichen, wird man in den extremalen Momentenbereichen (Bild 7.58, Querschnitte 2 und 4) die Kabel möglichst nahe beim Biegezugrand anordnen. Natürlich sind dabei die Mindestabstände der Hüllrohre zueinander und Mindestbetondeckungen einzuhalten. Konzentration der Kabel über der Stütze 1 2 Auffächerung im Bereich des Endauflagers Bild 7.58 14.11.01 3 Konzentration der Kabel im Bereich der maximalen Feldmomente 4 5 Auffächerung im Bereich der Wechselmomente bzw. der Koppelfugen Kabelführung (schematisch) 229 7. Spannbeton Im Bereich der Momentennullpunkte wo aus der Verkehrslast Momente mit wechselnden Vorzeichen (Wechselmomente) auftreten, fächert man die Kabel normalerweise auf (Bild 7.58, Querschnitt 3). Bei Koppelfugen (Bild 7.58, Querschnitt 5), die vorzugsweise in den Momentennullpunkt verlegt werden, muß man die Kabel auseinanderziehen um die Zwischenverankerungen unterzubringen. Schließlich werden die Kabelverankerungen auch an den Trägerenden über die Querschnittshöhe verteilt. Als Zuggurt für das Schubfachwerkmodell (Abschnitt 11.5.2) wird man die zur Aufnahme der Kraft T erforderlichen Kabel knapp ober dem Auflager verankern (Bild 7.59). D T R Bild 7.59 Spannkabel als Zuggurt des Querkraft-Fachwerkmodells Außerdem sollte der momentenfreie Endquerschnitt durch die Vorspannung überdrückt werden. Damit die resultierende Vorspannkraft innerhalb des Querschnittskernes angreift und um die Spaltzugkräfte klein zu halten werden die restlichen Kabel über die Querschnittshöhe entsprechend gleichmäßig verteilt. Selbstverständlich sind auch hier die Mindestabstände der Ankerkörper untereinander und zu den Berandungen hin einzuhalten. Jedes einzelne Spannglied wird im Konstruktionsplan (Kabelplan) lagegemäß in Grundriß, Aufriß und Schnitten dargestellt. Die Hüllrohre werden zumindest in jenen Querschnitten, wo sich Tragbündel (Kabelhalter) befinden, durch ihren Abstand von der unteren und von der seitlichen Schalung zahlenmäßig (tabellarisch) im Kabelplan festgelegt. Die Tragbügel werden numeriert und häufig im Biegeplan einzeln dargestellt, um durch eine übersichtliche Kotierung der Querstäbe den exakten Einbau der Spannglieder zu unterstützen. Jedes Spannglied erhält eine Kabelnummer - analog der Posititionsnummer einer schlaffen Bewehrung. Sie wird für die Herstellung, das Verlegen, das Spannen (Spannfolge) und die Abrechnung benötigt. Als Arbeitsunterlage für den Spannvorgang dient das Spannprotokoll (siehe Abschnitt 7.1.10). Zur Berechnung und Konstruktion der Kabelführung bedient man sich spezieller Modula von einschlägigen CAD-Programmsystemen. 14.11.01 230 7. Spannbeton 7.1.7 Reibungsverluste Die Längsbeweglichkeit der Vorspannkabel im Hüllrohr wird durch Gleitwiderstände beeinträchtigt. Die beiden wichtigsten Einflüsse sind: • Der Widerstand infolge Reibung des Kabels am Hüllrohr bei gekrümmter Kabelführung. • Der Widerstand infolge ungewollter Umlenkungen, die durch den Durchhang des Hüllrohres zwischen den Kabelhaltern entstehen. Damit werden auch geringfügige Ungenauigkeiten beim Verlegen und Verschiebungen bzw. Verbiegungen beim Einbringen des Betons erfaßt. Bringt man an einem Ende des Kabels eine Kraft P auf, so spannt und dehnt sich der Spannstahl. Dabei verschiebt sich das Kabel im Hüllrohr in Richtung des Spannankers und aktiviert Reibungskräfte. Sie sind eine Folge der Umlenkkräfte u. a b x r ⋅ dα r ⋅ dα dr r P − dr du P P0 α r dα Bild 7.60 dα P(β) = P0 − ∆Pµ β Umlenkreibung eines Seiles entlang eines Zylindersattels a) Zusammenhänge am Differentialelement b) Coulomb‘sches Reibungsgesetz P u = ---r (7.38) du = u r dα = P ⋅ dα (7.39) dr = µ ⋅ du (7.40) dr = P ⋅ µ dα (7.41) Coulomb‘sches Reibungsgesetz P ( β ) = P 0 ⋅ e – µβ (7.42) Für µβ << 1 gilt näherungsweise P ( β ) = P 0 ( 1 – µβ ) (7.43) Die Reibungskräfte verursachen einen Spannungsverlust ∆Pµ(x). Aus Gleichung (7.42) folgt ∆P µ ( x ) = P 0 [ 1 – e – µβ ] (7.44) bzw. für µβ << 1 (siehe Gleichung (7.43)) die schnelle Abschätzungsformel ∆P µ ( x ) ≈ P 0 ⋅ µβ 14.11.01 (7.45) 231 7. Spannbeton β = θ+k⋅x θ = mit ò (7.46) x dθ (7.47) 0 P0 .....................Vorspannkraft an der Spannstelle (x=0) µ .......................Reibungsbeiwert Richtwerte für µ: • kaltgezogener Draht0,17 • Litzen0,19 • glatter Rundstab0,33 • gerippter Stab0,65 θ .......................Summe der Umlenkwinkel (Bild 7.61) im Bogenmaß (rad) auf der Strecke x. Totaler räumlicher Ablenkwinkel - vektoriell zu bestimmen. (Bei geringer Krümmung im Grundriß: Summe der horizontalen und vertikalen Umlenkwinkel) k ......................ungewollter Umlenkwinkel (rad / lfm) 0,005 < k < 0,01 x ......................horizontaler Abstand vom Spannanker (im Bild 7.61 definiert) θ2 WP ... Wendepunkt 2 1 WP θ1 θ3 WP 3 θx θ2 x x Bild 7.61 Definition der vertikalen Umlenkwinkel θ(x) Der gesamte Umlenkwinkel zwischen den Punkten 1 und x im Bild 7.61 lautet: θ ( x ) = θ 1 + 2θ 2 + θ 3 + θ x 14.11.01 (7.48) 232 7. Spannbeton 7.1.8 Spannkraftverlauf Um den Spannkraftverlauf zu ermitteln, benötigt man die Lage der Spannglieder (Kabelplan). Da man die Größe der Vorspannkraft P0 bei der Berechnung der Spannkraftverluste herausheben kann (Gleichung (7.44)) ist eine normierte Darstellung gemäß Bild 7.62 mit Hilfe der Wirkungsfaktoren ρ(x) zweckmäßig: ρ ( x ) = ρ0 ⋅ e – µ ( θ + kx ) (7.49) Das Bild 7.62 zeigt schematisch einen Balken mit zwei parabolisch verlaufenden Spanngliedern, die beide vom linken Ende des Balkens vorgespannt sind. Der Spannkraftverlauf kann auf einfache Weise mit Hilfe des Wirkungsfaktors berechnet werden: P ( x ) = 2P mo ⋅ ρ ( x ) (7.50) Die Vorspannkraft nimmt kontinuierlich mit dem Abstand von der Spannstelle ab. Wenn der Spannkraftverlust ∆ρ (L) groß ist, wird man beidseitig vorspannen. Im Bild 7.63 ist zu erkennen, daß sich die Vorspannkraft in Feldmitte durch das beidseitige Spannen nicht erhöht. (a) 2. Pm0 L Wirkungsfaktor ρ(x) (b) ∆ρ(x) ∆ρ(L/2) 1,0 ∆ρ(L) ρ(x) ρ(L) A = x ò (L ) ρ ( x ) dx Spannkraftverlauf P(x) = 2Pm0 ⋅ ρ(x) (c) 2∆Pµ(x) 2∆Pµ(L) 2Pm0 2Pm0 ⋅ ρ(x) Bild 7.62 14.11.01 2Pm0 ⋅ ρ(L/2) Beide Kabel werden einseitig vorgespannt (von links) 233 7. Spannbeton Pm0 Pm0 L Wirkungsfaktor ρ(x) 1,0 A2 1,0 ∆ρ(L/2) A1 Spannkraftverlauf P(x) = 2Pm0 ⋅ ρ(x) 2Pm0 2Pm0 ⋅ ρ(L/2) Bild 7.63 14.11.01 2Pm0 Beide Kabel werden beiseitig vorgespannt 234 7. Spannbeton Pm0 Pm0 L x Wirkungsfaktor ρ(x) ρ1(x) ρ1 ( x ) + ρ 2 ( 2 ) ----------------------------------2 Kabel 1 ρ2(x) 1,0 ρ(L/2) + Kabel 2 ρ2(x) 1,0 = Spannkraftverlauf P(x) = Pm0 ⋅ (ρ1(x) + ρ2(x)) 2Pm0 ⋅ ρ(L/2) Bild 7.64 Kabel 1 wird einseitig von links vorgespannt, Kabel 2 von rechts Das Bild 7.64 zeigt eine Alternative zum Bild 7.63. Die beiden Kabel werden jeweils nur einseitig angespannt, allerdings von gegenüberliegenden Balkenenden. In diesem Fall lautet die Vorspannkraft an Ort x. P ( x ) = P m0 [ ρ 1 ( x ) + ρ 2 ( x ) ] 14.11.01 (7.51) 235 7. Spannbeton Das Mittel aus den Linien ρ1 (x) und ρ2 (x) ist im Bild 7.64 strichliert eingezeichnet. Es verläuft bei parabolischer Kabelführung in Trägerlängsrichtung x konstant. Damit erreicht man über den gesamten Balken dieselbe Vorspannkraft. Abschließend ist anzumerken, daß die Vorspannkraft in Feldmitte für alle drei Vorspannvarianten (Bild 7.62 bis Bild 7.64) gleich ist. Wegen ρ(L/2) < 1,0 kann das Spannglied im höchstbeanspruchten Querschnitt in Feldmitte nicht ausgenützt werden. Deshalb ist es gestattet, beim Spannen kurzfristig eine höhere Vorspannkraft P0 aufzubringen, um die Reibungsverluste zu reduzieren (Bild 7.65). Pm0 Pm0 L a ρ(x) 1 ρ = 1,0 ρe(x) ρ(x) 1,0 x a b ρ = 1,0 ρa,1 > 1,0 1,0 1 ρ e, 1 = ----------ρ a, 1 ρ2(x) ρa,2 >1,0 1,0 1 ρ e, 2 = ----------ρ a, 2 ρ(x) Bild 7.65 Kurzfristiges Überspannen zur Erhöhung des Wirkungsfaktors ρ in Feldmitte a) Spannen von links b) beidseitiges Spannen Nach dem Überspannen, muß man die Kraft an der Spannpresse nachlassen, um an jeder Stelle x die Bedingung ρ ≤ 1, 0 14.11.01 (7.52) 236 7. Spannbeton einzuhalten. Nach EC2-1-1 gelten folgende zulässige Spannkräfte P0 ≤ Pm 0 ≤ 0,8 ⋅ f pk ⋅ Ap (7.53) 0,9 ⋅ f p0,1k ⋅ A p 0,75 ⋅ f pk ⋅ Ap (7.54) 0,85 ⋅ f p0,1k ⋅ A p P0 ....................zulässige Überspannung (kurzfristig) Pm0 ...................zulässige Vorspannkraft (Mittelwert) Der jeweils kleinere Wert ist maßgebend. Sehr häufig wird in der Praxis zweimal aufgespannt (Bild 7.66), um eine gleichmäßigere Ausnützung der zulässigen Vorspannkraft Pm0 zu erreichen. Pm0 Pm0 L a 1.Aufspannen ρa,1 2.Aufspannen ρa,2 2.Nachlassen ρe,2 1.Nachlassen ρe,1 1,0 l0 b 1.Aufspannen ρa,1 2.Aufspannen ρa,2 2.Nachlassen ρe,2 1.Nachlassen ρe,1 Bild 7.66 14.11.01 3.Aufspannen ρa,3 4.Aufspannen ρa,4 4.Nachlassen ρe,4 3.Nachlassen ρe,3 Zweimaliges Überspannen um einen gleichmäßigeren Spannkraftverlauf zu erreichen a) Spannen von links b) beidseitiges Spannen 237 7. Spannbeton Insbesondere bei den Spannverfahren mit Keilverankerung wird nach dem zweiten Aufspannen verankert. Der Keilschlupf verursacht dann einen Abfall der Spannkraft, der sich wie ein „zweites Nachlassen“ auswirkt. Im nächsten Abschnitt wird abgeleitet, wieviel beim 2. Spannen überspannt werden muß, um den Keilschlupf zu kompensieren. 14.11.01 238 7. Spannbeton 7.1.9 Spannweg Nur wenn beim Spannen der Spannglieder zusätzlich zur Spannkraft am beweglichen Ankerkopf auch der Dehnweg gemessen wird, läßt sich kontrollieren, ob sich die planmäßige Vorspannung über die gesamte Trägerlänge eingestellt hat. Eine Behinderung des Spannvorganges (durch in das Hüllrohr eingedrungenen Beton, durch unvorhergesehene Umlenkungen oder ganz allgemein durch einen erhöhten Reibungswiderstand) bewirkt, daß der vorausberechnete Sollwert der Pressenkraft schon bei einem kürzeren als dem berechneten Spannweg erreicht wird. Manchmal kann man „Hüllrohrverstopfer“ durch ruckartiges Anspannen und Nachlassen überwinden d.h. gängig machen. Man kann auch versuchen den „Pfropfen“ durch Einpressen von Wasser oder Luft zu zerstören (Gefahr von explosionsartigen Abplatzungen). Schließlich besteht auch die Möglichkeit den Verstopfer mit einem Draht zu durchbohren. Die Kenntnis der zu erwartenden Dehnwege ist aber nicht nur für Kontrollzwecke wichtig, sondern bei manchen Spannsystemen auch für die Ablängung der Kabel bzw. für die Auswahl der Ankerkonstruktionen. Der Dehnweg ∆l ist gleich dem Integral der Dehnungen εp(x) des Spannstahles, vermehrt um das Integral der Stauchungen εc(x) des Betons entlang der Spanngliedachse. Mit hinreichender Genauigkeit darf über die Balkenlänge x integriert werden. Der Spannweg, gemessen gegenüber dem sich gleichzeitig verkürzenden Beton, beträgt ∆l = ò [ ε p( + ) ( x ) – ε c( - ) ( x ) ] dx (7.55) (L ) mit P m0 ⋅ ρ ( x ) ε p ( x ) = --------------------------E p ⋅ Ap (x) und (7.56) (x) M p + g1 ( x ) N p + g1 ε c ( x ) = ------------------ ⋅ e p + -----------------Ec ⋅ Jc Ec ⋅ Ac (7.57) Neben diesen beiden wichtigsten Anteilen am Spannweg kommen noch folgende Größen hinzu. • Ein gewisser Spannweg wird benötigt, um das Kabel im Hüllrohr zu strecken, ohne daß nennenswerte Spannungen im Spannstahl auftreten. Bei gekrümmtem Hüllrohrverlauf legt sich dabei das Kabel entlang der Bogeninnenseite an die Hüllrohrwandung an. Der hierfür erforderliche Spannweg läßt sich durch ein leichtes Anspannen des Kabels vorwegnehmen. • Der Verankerungsschlupf (Keilschlupf) an der Endverankerung läßt sich durch werkseitiges Vorverkeilen mit der 1,2-fachen Vorspannkraft weitgehend eliminieren. Man kann den Endverankerungsschlupf auch durch Vorbelasten des Kabels großteils ausschalten. • Damit der Spannstahl an der Spannpresse befestigt (verkeilt) werden kann, muß der Stahl um ein entsprechendes Maß lü über den Ankerkörper hinaus reichen. Diese Kabelstück erfährt beim Spannen ebenfalls eine Dehnung. P ∆lü = -------------- ⋅ l ü Ep A p (7.58) Diese Überstandsdehnung muß den übrigen Dehnwegen zugeschlagen werden. Sie ist normalerweise nicht im Spannprotokoll enthalten und wird vom Vorspannunternehmen gesondert berücksichtigt. Sie liegt in der Größenordnung der Betonverkürzung. 14.11.01 239 7. Spannbeton 7.1.9.1 Stahlanteil am Spannweg Weil die Betonstauchungen wesentlich kleiner sind als die Stahldehnungen ε c « εp (7.59) werden sie oft vernachlässigt. Dann erhält man als Spannweg ò (7.60) ρ ( x ) dx (7.61) Pm 0 ∆l = ------------------ ⋅ ρ ( x ) dx Ep ⋅ Ap ( L ) Das Integral A = ò ( L) stellt die Fläche unter der Kurve ρ (x) dar (Bild 7.62 b). Beispielsweise wird im Bild 7.63 zuerst von links mit der Kraft Pm0 gespannt und danach von rechts mit der Spannkraft Pm0. Der Spannweg am linken Anker ist affin zur Fläche A1. Der Spannweg am rechten Anker ist affin zur Fläche A2: P m0 ,1 ∆l1 = ------------------ ⋅ A 1 = c ⋅ A 1 Ep ⋅ Ap (7.62) Pm 0 ∆l2 = ------------------ ⋅ A 2 = c ⋅ A 2 Ep ⋅ Ap (7.63) Weil beim ersten Aufspannen von links auch im rechten Trägerbereich bereits ein guter Teil der Vorspannkraft aufgebaut wird, ist der Spannweg ∆l1 wesentlich größer als ∆l2. Erst wenn beim Spannen von rechts die Kraft P( L) = Pm 0 ⋅ ρ( L) (7.64) überschritten wird, beginnt sich das Kabel am Ende aus der Verankerung 2 zu lösen. Nun stellt sich die Frage, auf welche Last Pe die Spannkraft an der Presse zu entlasten ist, wenn man mit der Kraft Pa > P m0 überspannt hat (siehe Bild 7.65 a und Bild 7.67). Aus Gleichung (7.42) folgt ρa ⋅ e – µ a ⋅ β1 = ρ m0 (7.65) – µe β1 (7.66) ρe = ρ m 0 ⋅ e β1 = θ1 + k ⋅ a (7.67) Hierin bedeuten Pe .....................Index e für Entlasten Pa .....................Index a für Aufspannen ρa [-] .................Wirkungsfaktor an der Spannstelle beim Überspannen ρe [-] .................Wirkungsfaktor an der Spannstelle nach dem Entlasten 14.11.01 240 7. Spannbeton µa .....................Reibungsbeiwert beim Aufspannen µe .....................Reibungsbeiwert beim Entlasten β1 .....................Kabelumlenkung auf der Strecke a1 Aus der Gleichung (7.65) folgt mit ρm0 = 1,0 ln ρ a β 1 = ----------- → a1 µa (7.68) und aus der Gleichung (7.66) ρe = e µe – ------ ln ρ a µa = µe – -----µa ρa (7.69) bzw. für µ a = µ e = µ ρa ⋅ ρ e = 1 (7.70) Mit den in Bild 7.67 hinterlegten Flächen A lautet der jeweilige Spann- oder Nachlaßweg P m0 ∆ l = -------------- ⋅ A Ep Ap bzw. ∆ l = c ⋅ A [m ] mit P m0 c = -------------- [ - ] Ep A p (7.71) (7.72) Aus der Gleichung (7.70) erhält man ρe im Bild 7.67 a 14.11.01 1 ρ e, 1 = ----------ρ a, 1 (7.73) 1 ρ e, 2 = ----------ρ a, 2 (7.74) 241 7. Spannbeton ρa,1 a b ρa,2 1 1 1,0 2 Ae,1 ρe,1 Aa,2 ρe,1 a1 c a1 d ρa,1 ρa,2 ρa,2 2 1 Ae,2 ρe,2 Bild 7.67 2 1,0 1 1,0 ρe,2 ρe,1 q(x) Detail aus Bild 7.66 a: Spannkraftverlauf im Verankerungsbereich bei 2-fachen Überspannen (1. Aufspannen siehe Bild 7.65 a) a) 1. Nachlassen ∆l e, 1 = c ⋅ A e, 1 b) 2. Aufspannen ∆l a, 2 = c ⋅ A a, 2 c) Verankern und Keilschlupf ∆l s = ∆l e, 2 = c ⋅ A e, 2 d) endgültiger Spannkraftverlauf Der Wirkungsfaktor ρa,2 muß iterativ unter der Bedingung ermittelt werden, daß die Fläche Ae,2 im Bild 7.67 c mit der Gleichung (7.70) den vorgegebenen Schlupf ∆l s ergibt. ∆l s A e, 2 = ------c (7.75) Damit ist der in den Bildern 7.66 a und 7.67 d skizzierte sägezahnartige Verlauf des Wirkungsfaktors und damit der Vorspannkraft P(x) gefunden. 14.11.01 242 7. Spannbeton a A W S θ2 S W W θ3 W θ1 S θ4 W θ5 S B L x Welligkeit b k⋅L kx θ2 θ1 β1 β(x) β(L)/2 θ(x) θ2 Umlenkwinkel θ θ3 θ3 β(L) β‘(x) θ‘(x) θ4 θ4 θ5 kx‘ Welligkeit k⋅L x‘ c 1,0 ρ(x) Bild 7.68 Wirkungsfaktor ρ Ermittlung des Spannkraftverlaufes a) Kabelführung b) Umlenkwinkel β = θ + k ⋅ x c) Wirkungsfaktor ρ(x) Das Bild 7.68 zeigt zusammenfassend die Ermittlung des Spannkraftverlaufes. Im Bild 7.68 a ist der Kabelverlauf für einen Zweifeldträger mit Kragarm angegeben (schematisch). Die Scheitelpunkte sind mit S (horizontale Tangente), und die Wendepunkte mit W bezeichnet. Die ge- 14.11.01 243 7. Spannbeton samte Winkeländerung zwischen zwei Scheitelpunkten entspricht dem doppelten Neigungswinkel im dazwischenliegenden Wendepunkt. Im Bild 7.68 b sind dazu die Umlenkwinkel θi mit der Welligkeit zur Winkelsumme β zusammengefaßt. Dem Bild 7.68 b lassen sich beim Spannen am Anker A (von links) die Umlenkwinkel β in Abhängigkeit von Ort x entnehmen. Beim Spannen am Anker B (von rechts) benötigt man β‘ in Abhängigkeit von x‘. Für den Wirkungsfaktor am Ort x gilt: Spannen von A: ρ ( x ) = ρ 0 ⋅ e – µ ( θ + kx ) (7.76) Spannen von B: ρ ( x' ) = ρ0 ⋅ e – µ ( θ' + kx' ) (7.77) Für den Spannkraftverlauf gilt bzw. 7.1.9.2 P ( x ) = P m0 ⋅ ρ ( x ) (7.78) P ( x' ) = P m0 ⋅ ρ ( x' ) (7.79) Betonanteil am Spannweg Beim Vorspannen einer Spannbetonkonstruktion treten neben den Stahldehnungen auch Betonstauchungen auf, die normalerweise gegenüber den Stahldehnungen gering sind. Ihr Anteil an den Gesamtdehnungen nimmt mit zunehmender Stahlgüte ab. Er liegt beispielsweise für eine Stahlgüte St 1570/ 1770 in der Größenordnung von 2%. Aus diesem Grunde werden sie oft vernachlässigt. Jedenfalls erfordert ihre Berücksichtigung keine hohe Genauigkeit. Es ist zwischen direkter und indirekter Betonverkürzung zu unterscheiden. 1. Direkte Betonverkürzung Die Gesamtanzahl der zu spannenden Kabel sei n. Beim Spannen des Kabels i verkürzt sich der Beton in der Faser des Kabels i um den Betrag ∆l c, ii . ò Pi ( x ) 1 ∆l c, dir = ∆l c, ii = ------ ⋅ σ ⋅ ------------- dx E c ( L ) c i,p+g1 P ( x ) i (7.80) Hierin bedeuten: Pi (x).................Vorspannkraft im Kabel i und P(x) ..................Summe der Vorspannkräfte aller Kabel im Querschnitt x σci,p+g1 .............Spannung in der Faser i infolge der gesamten Vorspannkraft P(x) und g1 g1 .....................ständige Einwirkung während des Spannens Es wird also die gesamte Betonstauchung infolge p und g1 im Verhältnis der Vorspannkraft auf das jeweilige Kabel aufgeteilt. 2. Indirekte Betonverkürzung Wird ein Spannkabel i vor dem Kabel k gespannt, so muß das Kabel i um den Betrag ∆l c, ik überspannt werden. ∆l c, ik ist die Betonverkürzung entlang des Kabels i infolge der Vorspannung des Kabels k. 14.11.01 244 7. Spannbeton 1 ∆l c, ik = ------ ⋅ Ec ò (a ) P k (x) σ ci, p + g ⋅ ------------- dx 1 P (x ) (7.81) Dabei liefert selbstverständlich nur jener Bereich a des Kabels k Anteile zu ∆l c, ik in dem sich die beiden Kabel überlappen (Bild 7.69). k i a Bild 7.69 Gemeinsamer Bereich a der Kabel i und k Alle nach dem Kabel i gespannten Kabel ( k = i+1 bis n ) liefern einen Anteil zur indirekten Betonverkürzung ∆l c, ind des Kabels i ∆lc, ind = å n k =i+1 ∆l c, ik (7.82) Um der indirekten Betonverkürzung Rechnung zu tragen, werden alle Spannkräfte (sowohl die Aufspann- als auch die Nachlaßkräfte) mit dem Faktor f erhöht: ∆l s + ∆l c, dir + ∆l c, in d f = ----------------------------------------------------∆l s (7.83) Es bedeuten: ∆l s ...................Spannweg infolge Stahldehnung ∆l c, dir ..............Spannweg infolge direkter Betonstauchung ∆l c, ind ..............Spannweg infolge indirekter Betonstauchung ∆l c, ind wird umso größer, je früher das Kabel i in der Spannfolge vorkommt, d.h. je mehr Kabel k nach dem Kabel i gespannt werden. Für jenes Kabel, welches zuletzt gespannt wird, gilt ∆lc, ind = 0 14.11.01 (7.84) 245 7. Spannbeton 7.1.10 Spannanweisung und Spannprotokoll Die Spannanweisung enthält alle Angaben, die für das Vorspannen benötigt werden. Die Reihenfolge nach welcher die Kabel zu spannen sind, wird als Spannfolge bezeichnet. Die Spannfolge ist derart festzulegen, daß die Querschnitte in allen Spannphasen (möglichst gleichmäßig) überdrückt bleiben und nicht zu große Spaltzugwirkungen entstehen. Die Spannanweisung enthält ferner die errechneten Werte für die Aufspannkräfte, Nachlaßkräfte, Aufspannwege und Nachlaßwege (Sollwerte). Die auf der Baustelle aufgebrachten, bzw. gemessenenen Werte (Istwerte) sind in das sogenannte Spannprotokoll einzutragen. Wenn die Istwerte stark von den Sollwerten abweichen, ist die Ursache festzustellen (z.B. Betonplomben in einem verletzten Hüllrohr, gerissene Litzen etc.) Das Bild 7.70 zeigt das Formular welches sowohl die Spannanweisung (Sollwerte) als auch das Spannprotokoll (Istwerte) enthält. Spannanweisung und Spannprotokoll Objekt: Bauabschnitt: Datum: Temperatur: Spannpresse Nr.: 1.Spannstufe Dehnweg soll mm ist mm Bild 7.70 Vorspannkraft soll kN soll bar ist bar 2.Spannstufe Nachlaßweg mm soll mm ist mm Dehnweg soll mm ist mm Vorspannkraft soll kN soll bar ist bar 1.+2.Stufe Nachlaßweg mm soll mm ist mm Dehnweg soll mm ist mm Bemerkungen Spannglied Nr. Spannfolge Spannsystem: Spannstahl: E-Modul: lt Statik: tatsächl.: Reibungswert lt.Statik: Beispiel eines Spannprotokolls Schließlich sollen dem Spannprotokoll noch Anweisungen für das Absenken des Gerüstes beigefügt werden. Auf diese Problematik wird in der Lehrveranstaltung Betonbau VA eingegangen. 14.11.01 246 7. Spannbeton 7.2 Sicherheitskonzept und Nachweise für vorgespannte Stahlbetonstabwerke 7.2.1 Nachweise im SLS Grundsätzlich sind - wie auch bei schlaff bewehrten Konstruktionen - alle Grenzzustände auf Traglastniveau (ULS) und für verschiedene Lastlevel auf Gebrauchslastniveau (SLS) einzuhalten. Nachfolgend werden jene Nachweise besprochen, die der Einwirkungskombination „Biegung mit Längskraft“ zuzuordnen sind. Natürlich ist der Nachweis der Tragfähigkeit auch im Spannbetonbau von vorrangiger Bedeutung. Daneben sind folgende Nachweise im SLS zu erbringen, um die Gebrauchstauglichkeit und die Dauerhaftigekeit sicherzustellen: 1. Grenzzustand der Dekompression (Übergang vom Zustand I in den Zustand II) 2. Begrenzung der Normalspannungen (Spannungsnachweise, zul σ) 3. Begrenzung der rechnerischen Rißbreiten (Rißbreitennachweis, Korrosion der Bewehrung, Dichtigkeit) 4. Begrenzung der Verformungen (Nachweis der Langzeitdurchbiegung) 5. Schwingungsbeschränkung (Erregerfrequenz contra Eigenfrequenz) Sowohl die Menge an Spannbewehrung (Spannstahl) als auch die Menge an schlaffer Bewehrung (Bewehrungsstahl) ist derart festzulegen (zu bemessen), daß alle Grenzzustände im ULS und SLS eingehalten werden. Mit der Größe der Vorspannkraft läßt sich steuern, unter welchem einwirkenden Moment MD der Querschnitt vom ungerissenen Zustand I in den gerissenen Zustand II übergeht. Dabei wird die Betonzugfestigkeit vernachlässigt (fct = 0) (Bild 7.71 und Bild 7.72). σc2 2 y MD σ c0 S ep P 1 σc1 x Bild 7.71 Grenzzustand der Dekompression: Definition der Bezeichnungen -P σ c0 = – -----Ac MD – P ⋅ ep P σ c1 = ----------------------------- – -----Ac W1 σ c1 = 0 14.11.01 247 7. Spannbeton W1 M D = P ⋅ æ e p + -------- ö è Ac ø (7.85) b a c 2 y Ιε S 1 M<MD 0 εc1 < 0 Ιε 0 M=MD εc1 = 0 ΙΙ M > MD ε0 εc1 > 0 x Anmerkung: Bild 7.72 I P ε0 = ----------------E c ⋅ Ac II I ε 0 ≠ ε0 Definition des Dekompressionsmomentes a) M < MD: Zustand I (Querschnitt überdrückt) b) M = MD: Grenzzustand der Dekompression c) M > MD: Zustand II (Querschnitt in der Zugzone gerissen) Als Vorspanngrad η kann man das Verhältnis zwischen dem Dekompressionsmoment MD und dem maximalen Moment im SLS (seltene Einwirkungskombination) bezeichnen. MD η = -----------------max M (7.86) Bei η ≥ 1 bleibt der Querschnitt für alle einwirkenden Gebrauchslasten durch die Vorspannung überdrückt, d.h. im Zustand I. Man spricht in diesem Fall von voller Vorspannung. Im Gegensatz dazu bezeichnet man geringer vorgespannte Querschnitte (0 < η < 1) als teilweise vorgespannt. In diesem Falle ist das Dekompressionsmoment MD kleiner als max M; der Querschnitt geht unter der Gebrauchstlast in den Zustand II über. Mit Hilfe der Vorspannung läßt sich also steuern, ob und in welchem Bereich ein Balken in den Zustand II übergeht. Weil die Umlenkkräfte aus der Vorspannung normalerweise gegen die ständigen Lasten orientiert sind, reduzieren sie die verformungswirksamen Lasten. Deshalb läßt sich mit der Vorspannung die Größe der Durchbiegung verringern. Neben der Tatsache, daß die Vorspanntechnik wirtschaftliche abschnittsweise Bauverfahren möglich macht (Anspannen eines neuen Bauabschnittes an die fertiggestellten), dient sie in erster Linie zur Verformungssteuerung. Für die Bestimmung der erforderlichen Vorspannkraft ist jenes einwirkende Moment maßgebend, welches zum Grenzzustand der Dekompression führen soll. Oder die Größe der Vorspannkraft ergibt sich aus der Forderung, daß ein bestimmter vorgegebener Grenzzustand der Verformung einzuhalten ist. Für die Bemessung der Vorspannung sind somit in erster Linie, wie im Bild 7.74 dargestellt ist, die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit (SLS) maßgebend. 14.11.01 248 7. Spannbeton a εcu = −0,0035 Nc zp ϑ zs Ap MSd εp Np Ns As εs b σs σp f pd fs d Ep Es ε py Bild 7.73 εp εs y εs Bemessung im ULS a) Querschnitt im ULS b) Stoffgesetze Mit Hilfe der schlaffen Bewehrung, die zusätzlich zur Spannbewehrung eingebaut wird, kann auf wirtschaftliche Weise die Biegetragfähigkeit der Querschnitte sichergestellt werden. Beispielsweise ergibt sich aus Bild 7.73 für den Fall, daß beide Bewehrungen ins Fließen kommen (εs ≥ εsy und εp ≥ εpy) und mit M Rd = f pd ⋅ A p ⋅ z p + f sd ⋅ A s ⋅ z s (7.87) M Rd = M Sd (7.88) M Sd – ( f pd ⋅ A p ⋅ z p ) erf A s = --------------------------------------------------f sd ⋅ z s (7.89) Die Bemessung der schlaffen Bewehrung erfolgt demnach im ULS! Rippenstähle sind wegen ihrer guten Verbundeigenschaften besonders gut geeignet um Rißbreiten klein zu halten. Deshalb bildet der Grenzzustand der Rißbreite (SLS) neben der Tragfähigkeit (ULS) ein weiteres Bemessungskriterium für die schlaffe Bewehrung. Im Bild 7.74 sind die maßgebenden Grenzzustände für die Bemessung der vorgespannten und der schlaffen Bewehrung zusammengefaßt. Die Nummern am rechten Bildrand beschreiben eine zweckmäßige Reihenfolge, nach der bei der Bemessung vorzugehen ist. Nachfolgend werden die entsprechenden Nachweise in eben dieser Reihenfolge besprochen. 14.11.01 249 7. Spannbeton BEMESSUNG - MASSGEBENDE GRENZZUSTÄNDE (a) (b) Bild 7.74 7.2.1.1 vorgespannte Bewehrung Grenzzustand der Dekompression 1 Grenzzustand der Verformung 3 schlaffe Bewehrung Grenzzustand der Tragsicherheit 2 Grenzzustand der Rißbreite 4 Maßgebende Grenzzustände für die Bemessung der (a) vorgespannten, (b) schlaffen Bewehrung Einwirkungskombinationen Für die Grenzzustände im SLS sind drei Einwirkungskombinationen definiert, für die bestimmte Nachweise zu führen sind. 1. Der höchste Level wird als charakteristische oder selten auftretende Einwirkungskombination (EK0) bezeichnet. Die Auftretenswahrscheinlichkeit dieser Kombination beträgt etwa einmal pro Jahr. Sie liefert die maximal auftretenden Momente im SLS. M0 = å j M g, j + M q, 1 + å Ψ 0, i ⋅ M q, i i>1 (7.90) 2. Der mittlere Level wird als häufig auftretende Einwirkungskombination (EK 1) bezeichnet. Seine Auftretenswahrscheinlichkeit beträgt etwa einmal pro Woche. M1 = å j M g, j + Ψ 1, 1 ⋅ M q, 1 + å i>1 Ψ 2, i ⋅ M q, i (7.91) 3. Der untere Level entspricht der quasi-ständigen Einwirkung (EK2). M2 = å j 7.2.1.2 M g, j + å i Ψ 2, i ⋅ M q, i (7.92) Anforderungsklassen: Klassifizierung der Nachweiskriterien Der Vorspanngrad η (Gleichung (7.86)) ist ein Maß für die Intensität (Stärke) der Vorspannung. Sie wird im Einvernehmen mit dem Bauherrn durch Vorgabe einer betimmten Anforderungsklasse festgelegt. Mit den Anforderungsklassen werden die Nachweisbedingungen - das heißt, die maßgebenden Einwirkungskombinationen - hinsichtlich der Grenzzustände der Dekompression und der Rißbreite in Kategorien A bis E eingeteilt. Die maßgebenden Einwirkungskombinationen EK0, EK1, bzw. EK2 sind in Abschnitt 7.2.1.1 definiert (Gleichung (7.90) bis (7.92)). Die nachfolgende Tabelle zeigt in Abhängigkeit von der vorgegebenen Anforderungsklasse jene Einwirkungskombination, für die der Grenzzustand der Dekompression einzuhalten ist. 14.11.01 250 7. Spannbeton Anforderungsklasse maßgebende Einwirkungskombination EK Nachweis A EK0 ...... selten auftretende EK M0 ≤ MD B EK1 ...... häufig auftretende EK M1 ≤ MD C EK2 ...... quasi-ständige EK M2 ≤ MD D ρ · EK2: 1>ρ>0 E Tabelle 7.1 ρ · M2 ≤ MD Definition der Maßgebenden EK für den Nachweis des Grenzzustandes der Dekompression Mit der Anforderungsklasse wird auch jene Einwirkungskombination festgelegt, die dem Rißbreitennachweis zu Grunde zu legen ist: Anforderungsklasse maßgebende Einwirkungskombination EK A kein Rißbreitennachweis erforderlich (volle Vorspannung) B EK0 ..... selten auftretende EK C EK1 ..... häufig auftretende EK D EK2 ..... quasi-ständige EK E Tabelle 7.2 Definition der maßgebenden EK für den Nachweis des Grenzzustandes der Rißbreite Die rechnerisch einzuhaltenden Grenzrißbreiten sind im Kapitel 3.5 angeführt. Im Entwurf der DIN10451 (1997) sind in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen und von der Art der Vorspannung Mindestanforderungsklassen festgelegt (siehe folgende Tabelle). Vorspannung mit Expositionsklasse Stahlbeton sofortigem Verbund nachträglichem Verbund ohne Verbund X0, XC1 D D E E XC2, XC3, XC4, XF1, XF3 C C1) E E XD1, XD2, XD3, XS1, XS2, XS3, XF2, XF4 B C1) E E XA1, XA2, XA3 besondere Maßnahmen erforderlich 1) wird der Korrosionsschutz anderwertig sichergestellt, darf die Anforderungsklasse D verwendet werden Tabelle 7.3 14.11.01 Mindestanforderungsklassen nach DIN 1045-1 (Entwurf 1997) 251 7. Spannbeton Von der Anforderungsklasse A bis E nimmt der Vorspanngrad η sukzessive ab. Im internationalen Spannbetonbau besteht ein Trend hin zu geringeren Vorspanngraden und zur verbundlosen Vorspannung. Mit dieser Entwicklung sind Begriffe wie vorgespannter Stahlbeton und Verformungsvorspannung verbunden. Mit abnehmendem Vorspanngrad kommt es gegenläufig zu einer Zunahme des Bewehrungsgrades an schlaffer Bewehrung (Bild 7.75). Der höhere Anteil an schlaffer Bewehrung macht das Tragwerk robuster (z.B. gegen Zwänge im jungen Betonalter), duktiler (gute Risseverteilung durch schlaffe Bewehrung) und auch wirtschaftlicher. Spannbeton a Spannstahl Bewehrungsstahl Ap · fpd As · fsd Beschränkte Vorspannung 7.2.1.3 vorgespannter Stahlbeton Spannstahl Bewehrungsstahl 100% 100% Bild 7.75 b Ap · fpd As · fsd Verformungsvorspannung Der Trend zu geringeren Vorspanngraden (qualitativ) a) Vergangenheit (hoher Vorspanngrad) b) Zukunft (niedriger Vorspanngrad) Grenzzustand der Dekompression: Bemessung der Vorspannkraft Je nach vorgegebener Anforderungsklasse ist der Grenzzustand der Dekompression in allen Querschnitten für die in Tabelle 7.1 definierten EK einzuhalten. Beispielsweise gilt für die Anforderungsklasse C: MD = M2 Das Dekompressionsmoment MD ist demnach vorgegeben. Gesucht ist jene Vorspannkraft Pinf, die erforderlich ist, um exakt den Grenzdehnungszustand der Dekompression im Bild 7.76 zu bewirken. 14.11.01 252 7. Spannbeton a b c σc2 2 MD K1 k1 y P/A P ep K2 P MK1 MP P 1 σc1 = 0 MP = −P · ep MK1 = −P ( ep + k1) z Bild 7.76 Transformation der Vorspannkraft Pinf in den oberen Kernpunkt K1 a) Ausgangssituation: Schnittgrößen MD und P auf die Spanngliedachse bezogen b) Äquivalente Schnittgrößen MP und P auf den Schwerpunkt bezogen c) Äquivalente Schnittgrößen MK1 und P auf den oberen Kernpunkt bezogen Durch das Verschieben der Kraft P zum oberen Kernpunkt entsteht das Biegemoment MK1. M K1 = – P inf ⋅ ( e p + k 1 ) (7.93) Die nunmehr im Kernpunkt wirkende Kraft P verursacht allein das im Bild 7.76 skizzierte Spannungsbild (σ c1 = 0). Infolge dessen müssen die Biegemomente einander aufheben. ( + ) + M ( -) = 0 MD K1 (7.94) Daraus folgt die erforderliche Vorspannkraft MD P inf = -----------------ep + k 1 (7.95) Der Index „inf“ weist darauf hin, daß die Gleichung (7.95) für einen unteren Grenzwert der Vorspannkraft einzuhalten ist. Dieser tritt üblicherweise zu Zeit t = ∞ nach Abzug aller Kurz- und Langzeitverluste auf. Die Formel (7.95) zur Bemessung der erforderlichen Vorspannkraft aus dem Grenzzustand der Dekompression gilt auch für statisch unbestimmte Tragwerke, wenn in der Gleichung (7.96) M e p = -------p P (7.96) Mp auch die statisch unbestimmten Momente (Zwängungsmomente) des Lastfalles „Vorspannung“ enthält (Bild 7.76 b). Näheres siehe LV - Betonbau VA. Ermittlung der Kernweiten k1 und k2: Der Abstand k1 des Kernpunktes K1 vom Schwerpunkt wird aus der Bedingung σc1 = 0 ermittelt (Bild 7.77) 14.11.01 253 7. Spannbeton a y b σ c2 σc2 = 0 N(-) K1 k1 h k2 K2 N(-) σc1 = 0 σc1 z Bild 7.77 Kernweiten k1 und k 2: Definition der Bezeichnungen a) N ⋅ k1 N(- ) σ c1 = -------------------- + ---------- = 0 A W1 ( -) -W 1 k 1 = – ---------A (7.97) (- ) b) N ⋅ k2 N ( - ) σ c2 = – -------------------- + ---------- = 0 A W2 W2 k 2 = + -------A (7.98) Für den Rechteckquerschnitt gilt beispielsweise b ⋅ h2 W 1 = W 2 = -------------- und A = b ⋅ h 6 h – k 1 = k 2 = --6 7.2.1.4 (7.99) Kernpunktsmomentendeckung Durch den Trick, die Vorspannkraft in die Kernpunkte zu transfomieren, wird die Auswirkung der Normalkraft auf den jeweils verschränkten Querschnittsrand zu Null. Die Spannungen infolge der Vorspannung an diesen Rändern ergeben sich dadurch ausschließlich aus den Kernpunktsmomenten: mit 14.11.01 M k1 σ c1, p = + ---------W1 (7.100) – M k2 σ c2, p = ------------W2 (7.101) M k1 = – P ⋅ ( e p – k 1( - ) ) (7.102) M k2 = – P ⋅ ( e p – k 2( + ) ) (7.103) 254 7. Spannbeton Die Randspannungen infolge eines einwirkenden Momentes Mq lauten Mq σ c1, q = + -------W1 (7.104) Mq σ c2, q = – -------W2 (7.105) Normalerweise sind die Kernpunktsmomente gegen die Lastmomente Mq orientiert. Das Bild 7.78 zeigt schematisch eine grafische Darstellung der Momente Mk1(x), Mk2(x) und Mq(x), wobei die Kernpunktsmomente mit umgekehrten Vorzeichen aufgetragen sind und die Kraft P(x) in den Gleichungen (7.102) und (7.103) mit einem unteren Grenzwert Pinf einzusetzen ist. m σc2 > 0 a -P·k2 b Mk2 -P·k1 ∆Mm Mk1 Mk1 Mq ≤ M D Mq σ c1 > 0 Bild 7.78 Kernpunktsmomentendeckung (a) Mq beispielsweise > Mk1 (Grenzzustand der Dekompression bereichsweise überschritten) (b) M q ≤ M k1 (Grenzzustand der Dekompression eingehalten) Der Bereich zwischen den beiden Kernpunktsmomentenlinien Mk1 und Mk2 wird als Kabelschlauch bezeichnet. Wo einwirkende Momente Mq innerhalb des Kabelschlauches (im Bild Bild 7.78 hellgrau hinterlegt) liegen, bleiben die Querschnitte durch die Vorspannung überdrückt (im Zustand I). σ c, p + σ c, q < 0 (7.106) In jenen Bereichen, wo das einwirkende Moment Mq betragsmäßig größer ist, als das zugehörige Kernpunktsmoment, entstehen Zugspannungen σ c, p + σ c, q > 0 (7.107) Im Bild 7.78 ist dieser Bereich im linken Feld dunkelgrau hinterlegt dargestellt. Mit dem Differenzmoment 14.11.01 255 7. Spannbeton ∆M m = M q, m – M k1, m (7.108) lautet die maximale Zugspannung im ersten Feld ∆M σ c1 = -------- > 0 W1 (7.109) Da Betonzugspannungen bei den Spanngliednachweisen nicht in Rechnung gestellt werden, gehen alle Querschnitte σc1 > 0 in den Zustand II über. Folglich sind die Spannungsnachweise (siehe Abschnitt 7.2.1.5) für diese Querschnitte im Zustand II zu führen. Wenn man die Vorspannung vorh P derart erhöhen will, daß im Querschnitt m unter Mq,m keine Zugspannungen auftreten, lautet die hiefür erforderliche Kraft M q, m erf P = vorh P ⋅ ----------------M k1, m (7.110) Wenn Mq der maßgebenden EK für den Grenzzustand der Dekompression entspricht (Tabelle 7.1), so läßt sich die Nachweisbedingung Mq ≤ MD (7.111) mit Hilfe der Kernpunktsmomentendeckung durch eine entsprechende Anpassung der Spanngliedführung und der Vorspannkraft optimal erfüllen. Die Kernpunktsmomentendeckung ist ein anschauliches Verfahren zur zielsicheren Auslegung (Bemessung) der Spannbewehrung. 7.2.1.5 Spannungsnachweise 1. Grundlagen Mit den Nachweisen in den Grenzzuständen der Gebrauchsspannungen soll das Gebrauchsverhalten und die Dauerhaftigkeit günstig beeinflußt werden. Um eine „Zermürbung“ des Betons durch progressive Mikrorißbildung zu verhindern, wird die größte Betondruckspannung unter der seltenen EK (SLS) limitiert mit zul σ c0 = 0, 60 ⋅ f c k ( t ) . (7.112) Bei jungem Beton ist die Entwicklung der Betonfestigkeit mit der Zeit t in Rechnung zu stellen: fck(t) ≤ fck(28) (7.113) Um überhöhte Kriechverformungen (nichtlineares, überproportionales Kriechen) auszuschließen, dürfen die Betondruckspannungen unter der quasiständigen EK2 den Wert zul σ c∞ = 0, 45 ⋅ f ck (7.114) nicht übersteigen. Dieser Nachweis kann beispielsweise beim Aufbringen der Vorspannkraft Probleme bereiten (LK: Mg1+p, N g1+p), wenn dieser Zustand über längere Zeit erhalten bleibt. Um zu vermeiden, daß die schlaffe Bewehrung übermäßig gedehnt wird, wird die maximale Stahlspannung unter der seltenen EK0 im SLS auf 14.11.01 256 7. Spannbeton zul σ s = 0, 8 ⋅ f yk (7.115) beschränkt. Dies soll verhindern, daß plastische Stahldehnungen und große Risse auftreten, die sich nach der Entlastung nicht mehr schließen. Beim Spannstahl fürchtet man seine Empfindlichkeit hinsichtlich der Spannungsrißkorrision. Deshalb ist die Zugspannung in den Spanngliedern mit dem Mittelwert der Vorspannung unter der quasi-ständigen EK2 nach Abzug der Spannkraftverluste auf folgenden Wert zu begrenzen. zul σ p = 0, 7 ⋅ f pk (7.116) Für die Spannungsnachweise ist die Streuung der Vorspannkraft wie folgt zu berücksichtigen: p 0 ( x ) = r sup ⋅ P m0 ( x ) P ∞ ( x ) = r inf ⋅ P m∞ ( x ) (7.117) Pm0(x) ..............Mittelwert der Vorspannkraft am Ort x ohne Abzug der Langzeitverluste Pm∞(x) ..............Mittelwert der Vorspannkraft am Ort x nach Abzug aller Spannkraftverluste Vorschlag zur Abschätzung der Spannkraftverluste infolge Kriechen & Schwinden für die Vorbemessung Anforderungsklassen ∆P ∞ κ = ----------P0 A 0,20 B 0,15 C 0,10 D 0,05 E 0 Tabelle 7.4 Richtwerte für eine grobe Abschätzung der Spannkraftverluste P∞ = ( 1 – κ ) ⋅ P0 (7.118) Kriechen & Schwinden wirkt sich in einer Abnahme der Vordehnung εp(0) aus. Die Beiwerte rsup und rinf sind von den Spannkraftverlusten abhängig. 14.11.01 257 7. Spannbeton mit Verbund 1,1 rsup ohne Verbund 1,0 ohne Verbund mit Verbund 0,9 10 Bild 7.79 20 30 rinf % Spannkraftverluste κ Streuung der Vorspannkraft 2. Querschnittswerte Aus Rechtecken zusammengesetzte Querschnitte Mit Hilfe des bekannten Satzes von Steiner lassen sich die Querschnittswerte gemäß Bild 7.80 als Summe über alle n Teilrechtecke i ermitteln: Querschnittswerte des i-ten Teilrechteckes bezogen auf die y-Achse: ∆ Ai = b i ⋅ h i (7.119) ∆ S yi = ∆ A i ⋅ z i (7.120) 3 bi h i 2 ∆ J yi = ----------- + ∆ A i⋅ z i 12 (7.121) Bedeutung: A.......................Fläche Syi .....................statisches Moment Jyi .....................Trägheitsmoment Rechteckige Hohlräume lassen sich in den Gleichungen (7.119) bis (7.121) einfach mit negativem Vorzeichen erfassen. Querschnittswerte des Bewehrungstabes j ∆Asj ..................Fläche des j-ten Bewehrungsstabes ∆ S sj = ∆ A sj⋅ z j statisches Moment des j-ten Bewehrungsstabes um die y-Achse 2 ∆ J s = ∆ A sj⋅ z j Trägheitsmoment des j-ten Bewehrungsstabes um die y-Achse Querschnittswerte der Hüllrohre k (Index d für „duct“) ∆Adk .................Fläche des k-ten Hüllrohrquerschnittes ∆Sdk = ∆Adk.zk .statisches Moment des k-ten Hüllrohrquerschnittes 14.11.01 258 7. Spannbeton ∆Idk = ∆Adk.Zk2 .Trägheitsmoment des k-ten Hüllrohrquerschnittes Querschnittswerte des Spannstahles k (Index p für „prestressed“) ∆Apk ................Fläche des k-ten Spannstahlquerschnittes ∆ S pk = ∆ A pk⋅ z k ......statisches Moment des k-ten Spannstahlquerschnittes um die y-Achse 2 ∆ J pk = ∆ A pk⋅ z k ......Trägheitsmoment des k-ten Spannstahlquerschnittes um die y-Achse Das Bild 7.80 zeigt schematisch einen aus Rechtecken zusammengesetzten Querschnitt. Das Bild 7.81 enthält eine tabellarische Übersicht, wie man die Brutto-, Netto- und ideelen Querschnittswerte ermittelt. Der Zähler i läuft über alle Betonquerschnittsteile (Rechtecke); der Zähler j läuft über alle Stabquerschnitte der schlaffen Bewehrung und der Zähler k über alle Spannglieder. In der Praxis vernachlässigt man oft die schlaffe Bewehrung bei der Ermittlung der Querschnittswerte. Diese Vereinfachung kann bei der Berechnung des Rißmomentes problematisch werden. A, J a b A n , Jn i = 1 bis n Betonteile z1 h1 c z2 SP brutto Asj h3 A3 Adk b3 SP...Schwerpunkt Beispiel eines aus Rechtecken zusammengesetzten Querschnittes a) Bruttoquerschnitt (Gesamtquerschnitt, inklusive der durch die schlaffe Bewehrung und die Hüllrohre „verdrängten“ Flächen) b) Nettoquerschnitt (Bruttoquerschnitt, abzüglich der durch die schlaffe Bewehrung und die Hüllrohre „verdrängten“ Flächen, jedoch mit den Es/E c-fachen Flächen der schlaffen Bewehrung) c) Ideeler Querschnitt (Nettoquerschnitt plus Ep/E c-fache Spannstahlfläche) Brutto A Sy 14.11.01 A = S = ci SPideel A2 A2 Bild 7.80 cn SPnetto z3 h 2 b2 Ai, Ji k = 1 bis nk Spannstähle j = 1 bis nj Bewehrungsstäbe k = 1 bis nk Hüllrohre b1 A1 c å å (i ) (i ) Netto Ideel ∆ Ai An = A – å ∆A s – å Es ∆A d + -----Ec (k ) å ∆ As Ep A i = A n + -----E å ∆A p ∆ Si Sn = S – å ∆S s – å Es ∆S d + -----Ec (k ) å ∆ Ss Ep S i = S n + -----E å ∆S p ( j) ( j) ( j) ( j) c c (k) (k) 259 7. Spannbeton Jy Jy = å (i ) ∆ Ji å ( j) ∆J s – å Es ∆J d + -----Ec (k) å (j ) ∆ Js Sn c n = -----An c S c = ---A J J = Jy – A ⋅ c Bild 7.81 Jy n = J – 2 Ep J y i = J y n + -----E c å (k ) ∆J p Si c i = ----Ai 2 J n = J yn – A n ⋅ c n 2 J i = J yi – A i ⋅ c i Ermittlung der Brutto-, Netto- und ideelen Querschnittswerte A.......................Querschnittsfläche Sy .....................Statisches Moment um die y-Achse Jy ......................Trägheitsmoment um die y-Achse c .......................Abstand des Schwerpunktes von der y-Achse J .......................Trägheitsmoment um die Schwerachse Polygonartig begrenzte Querschnitte Grundsätzlich gelten die Ausführungen des vorigen Abschnittes auch für polygonartig begrenzte Querschnitte mit dem einzigen Unterschied, daß die Querschnittswerte des Bruttobetonquerschnittes nicht aus einer Summe von Rechtecken gebildet werden, sondern aus einer Summe von Trapezen. Jeder Umfangsabschnitt des durch ein Polygon begrenzten Querschnittes bildet mit der y-Achse ein Trapez (Bild 7.82). yi+1 y yi zi zi+1 i i i+1 Bild 7.82 z Trapezfläche über dem i-ten Umfangsabschnitt Die Bruttoquerschnittswerte für den i-ten Umfangsabschnitt lauten 14.11.01 ∆y i = y i + 1 – y i (7.122) ∆y i ∆A i = -------- ( z i + z i + 1 ) 2 (7.123) ∆y i 2 ∆S yi = -------- [ ( z i + z i + 1 ) – z i ⋅ z i + 1 ] 6 (7.124) ∆y i 2 2 ∆J yi = -------- ( z i + z i + 1 ) – ( z i ⋅ z i + 1 ) 12 (7.125) 260 7. Spannbeton Sie ersetzen die Gleichungen (7.119) bis (7.121). Der Zähler i durchläuft alle Umfangsabschnitte. Außenkonturen werden gegen den Uhrzeigersinn, Hohlräume im Uhrzeigersinn umlaufen. Dadurch regelt sich automatisch das Vorzeichen des Beitrages, die das jeweilige Trapez zu den Querschnittswerten liefert. Das Bild 7.83 a zeigt einen Querschnitt mit 10 Umfangsabschnitten, die Bilder Bild 7.83 b bis g die trapezförmigen Teilquerschnitte, die aus den Umfangsabschnitten gebildet werden. Die Umfangsabschnitte 3,5,7 und 10 liefern keine Beitrag zu den Querschnittswerten,weil für diese Abschnitte ∆y = 0 ist (Gleichungen (7.122) bis (7.125)). b a y y 9 8 8 1 y 1 5 4 1 5 − + 6 6 1 4 4 3 3 ∆y(−) + 10 7 d ∆y(+) y 10 9 7 4 c ∆y(+) 2 2 2 z e 3 z f ∆y(+) y 2 8 6 8 ∆y(−) y 9 − 9 9 10 6 z Bild 7.83 g − + z z ∆y(−) y 7 2 5 z z Aufbau eines polygonal begrenzten Querschnittes aus einer Serie von Trapezen (pro Umfangsabschnitt) 3. Vorgangsweise bei Spannungsnachweisen Obwohl die volle Vorspannung, wo unter der seltenen EK0 keine Zugspannungen auftreten dürfen, heute nur in Ausnahmefällen Anwendung findet (z.B. Segmentbauweise) wird nachfolgend an Hand dieses Grenzfalles die prinzipielle Vorgangsweise gezeigt. Allgemein gilt für einachsige Biegung (M = My): N M σ x ( z ) = ---- + ----- ⋅ z A J (7.126) Als Querschnittswerte im Nenner der Gleichung (7.126) werden in der Vorstatik die Bruttowerte des reinen Betonquerschnittes eingesetzt. In der Endstatik sind für alle Lastfälle, die vor dem Injizieren der Hüllrohre auftreten die Nettoquerschnittswerte und für alle Einwirkungen nach dem Injizieren die ideelen Querschnittswerte anzusetzen. Während der Bauphasen (Systemwechsel) und nach Fertigstellung sind alle auftretenden Lastfälle in ungünstigster Kombination zu überlagern und damit die Randspannungen unten (σc1) und oben (σc2 ) nachzuweisen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind dabei folgende Lastfälle zu berücksichtigen: 1. Vorspannung p 2. Zwänge infolge P bei statisch unbestimmten Systemen 14.11.01 261 7. Spannbeton 3. ständige Last g1 zum Zeitpunkt des Spannens 4. kurzfristig wirkende Baunutzlasten 5. ständige Last g2 nach dem Injizieren 6. Nutzlasten in ungünstigster Kombination (selten auftretende LK): extremale Schnittgrößen 7. Zwängungszustände (z.B. Temperatur, Stützensenkung, etc.) Fallunterscheidungen für das Beispiel „volle Vorspannung“ Für die Betonrandspannungen sind folgende vier Fälle nachzuweisen: „Unten“ befindet sich die „vorgedrückte Zugzone“. Fall 1: Druck unten σc2 EK: 2 Mg1 S 1. P0,sup 2. Mg1 für kleinere Last beim Vorspannen z.B. Eigengewicht g1 y P0,sup 1 z σc1 Nachweise: (-) σ c1 ≥ zul σco = 0,6 fck(t) σ c2 ≤ 0 Fall 2: Zug oben (darf nicht auftreten) EK: entweder Fall 1, oder: σc2 2 min M S 1. P0,sup 2. min M aus seltender EK oder Bauzustand y P0,sup 1 z σc1 Nachweise: (-) σ c1 ≥ zul σco σ c2 ≤ 0 Fall 3: Zug unten (darf nicht auftreten) σc2 EK: 2 max M S 1. P∞,inf 2. max M für seltender EK 0 y oder Pinf 1 z σc1 1. Pt,inf 2. max M für Bauzustand Nachweise: σ c1 ≤ 0 (-) σ c2 ≥ zul σco 14.11.01 262 7. Spannbeton Fall 4: Druck oben (Dauerlast) σ c2 EK: 2 Mg S 2. Dauerlast (quasi-ständige EK) y P∞,inf 1 σc1 z Bild 7.84 1. P∞,inf Nachweise: σc2 ≥ zul σco = 0,45 fck Fallunterscheidungen Bei voller Vorspannung (Zustand I) braucht die Spannung in der schlaffen Bewehrung nicht nachgewiesen werden. Für die Spannung im Spannstahl gilt allgemein: σ p = E p ⋅ εp (7.127) ε p = εp( 0 ) + ε p( 1 ) – ∆ε p ( t ) (7.128) εp(0) ..................Vordehnung εp(1) ..................Lastdehnung ε p( 1 ) = εc p (7.129) εcp ....................Betonstauchung in der Faser des Spannstahlschwerpunktes ∆P ( t ) ∆εp ( t ) = -----------------Ep ⋅ Ap (7.130) ∆εp(t) ................Abnahme der Stahldehnung εp durch die Langzeitverluste (Kriechen & Schwinden, Relaxation) Für die Betonstauchung εcp in der Spanngliedfaser gilt mit den im Bild 7.85 definierten Bezeichnungen: ( -) M g1 + p M g2 + q –P ε cp = ------------------ + ------------------- ⋅ epn + ------------------ ⋅ e pi Ec ⋅ An Ec ⋅ Jn Ec ⋅ Ji 14.11.01 (7.131) 263 7. Spannbeton a b Ep A i = A n + ------ ⋅ A p E An c n n y y Si i epn z Bild 7.85 epi i z Querschnittswerte: Definition der Bezeichnungen a) Nettoquerschnitt vor dem Injizieren b) ideeler Querschnitt nach dem Injizieren Die Ermittlung der Querschnittswerte wurde im Abschnitt behandelt. 4. Vordehnung Die Vordehnung εp(0) oder initiale Dehnung ist jene Dehnung, die im Spannstahl auftritt, wenn die Betondehnung in der Faser des Spannstahles zu Null wird. Anmerkung: Im Falle einer Spannbettvorspannung entspricht die Vordehnung jener Dehnung im Spannstahl, die im Spannstahl vor dem Betonieren herrscht. Um die Vordehnung εp(0) abzuleiten betrachten wir den Dehnungszustand unmittelbar nach dem Vorspannen (Bild 7.86). P -----------------E c ⋅ An An P Sn y epn Bild 7.86 εcp εp(1) z Mg1+p εp εp (0) Dehnungszustand unmittelbar nach dem Vorspannen Die Dehnung im Spannstahl lautet mit den im Bild 7.86 definierten Bezeichnungen: ε p = εp( 0 ) + ε p( 1 ) (0 ) εp 14.11.01 (1) = ε p – εp (7.132) (7.133) 264 7. Spannbeton Anmerkung: σp ε p = -----Ep (7.134) P σ p = -----Ap (7.135) σ cp ε p( 1 ) = εc p = --------Ec (7.136) M g1 + p P σ cp = ------------------ – -----An W pn (7.137) Ep 1 ( - )ö ε p( 0 ) = ------ ⋅ æ σ p – ------ ⋅ σ cp ø Ep è Ec (7.138) (+) – P ⋅ e M g1 + p = M g1 pn 5. Spannungsnachweise im Zustand II bei Vorspannung mit Verbund Einführung Wenn zusätzlich zur Vorspannung ein Moment M(0) einwirkt, welches den in Bild 7.87 skizzierten Dehnungszustand bewirkt, so wird die Lastdehnugn εp(1) zu Null. Die Dehnung im Spannstahl εp entspricht dann der Vordehnung εp(0). Die Vordehnung läßt sich demnach als jene Dehnung definieren, die im Spannstahl verbleibt, wenn die Lastdehnung zu Null wird. εc2 − M(0) Sn Ap epn εp = εp(0) εc1 Bild 7.87 Wenn die Lastdehnung zu Null wird, entspricht die Spannstahldehnung εp der Vordehnung εp(0) Wenn man in der Höhe des Spannstahls zusätzlich eine schlaffe Bewehrung anordnet (Bild 7.88), so entspricht die Dehnung εs der Lastdehnung εp(1). 14.11.01 265 7. Spannbeton εc2 − M > M(0) Ap εp(1) εs As Bild 7.88 εp(0) εp Lastdehnung εp(1) und Vordehnung εp(0) in einem gerissenen Querschnitt Das Bild 7.89 zeigt die Arbeitslinien des Spannstahls und des Schlaffstahls um die Vordehnung εp(0) gegeneinander verschoben. σp σs fpd fsd = fyd σ p( 1 ) σs εs σp σ p( 0 ) εp(0) εp Bild 7.89 εs εp εp(1) „gemeinsame Wirkung“ von Spannstahl und Schlaffstahl in derselben Dehnungsfaser Aufsplitten der Kraft im Spannstahl Die Kraft P im Spannstahl läßt sich in zwei Anteile P(0) und P(1) aufsplitten. mit P = P (0 ) + P( 1 ) (7.139) P ( 0 ) = E p ⋅ A p ⋅ ε p( 0 ) (7.140) P ( 1 ) = E p ⋅ A p ⋅ ε p( 1 ) (7.141) P(0) wird als initiale Vorspannungkraft bezeichnet. Sie ist unabhängig vom Dehnungszustand. Der Anteil P(1) ist dagegen vom Dehnungszustand abhängig. P(1) entspricht der Kraft einer in derselben Dehnungsfaser liegenden schlaffen Bewehrung mit der Dehnungsteifigkeit Ep · Ap. 14.11.01 266 7. Spannbeton Die schlaffe Bewehrung im Bild 7.88 enthält die Zugkraft T s = E s ⋅ A s ⋅ ε s = E s ⋅ A s ⋅ εp( 1 ) (7.142) Mit dem Anteil P(1) trägt die Spannbewehrung demnach wie eine schlaffe Bewehrung. Verschieben der initialen Vorspannkraft auf die Einwirkungsseite Da die Kraft P(0) vom Dehnungszustand unabhängig (konstant) ist, kann man sie auf die Einwirkungsseite verschieben. Dabei ändert sie ihr Vorzeichen, das heißt sie wird zu einer einwirkenden Druckkraft. Widerstand Einwirkung C d Ts+p Ap As Bild 7.90 M ϑ z P(1) Ts εp(1) εp(0) P(0) εs Spannungsnachweis im Zustand II: Die initiale Vorspannkraft P(0) wird auf der Lastseite berücksichtigt Der Kraftanteil P(1) läßt sich mit der Kraft T im Schlaffstahl zu der resultierenden Zugkraft Ts+p zusammenfassen. Sie greift im Schwerpunkt der gewichteten Stahlfläche Ep A s + p = A s + ------ ⋅ A p E (7.143) s an und ergibt sich mit der Lastdehnung in dieser Faser zu Ts + p = Es ⋅ As + p ⋅ εs + p (7.144) Damit kann der Spannungsnachweis eines vorgespannten Querschnittes im Zustand II wie bei einem schlaff bewehrten Querschnitt erfolgen, der die Bewehrung As+p aufweist und entsprechend Bild 7.90 durch ein Biegemoment und die exzentrisch in der Spannstahlachse angreifende Druckkraft P(0) belastet ist. 6. Spannungsnachweise im Zustand II bei Vorspannung ohne Verbund Bei Vorspannung ohne Verbund ist und bleibt die aufgebrachte Vorspannkraft P auf Gebrauchslastniveau eine von den einwirkenden Schnittgrößen nahezu unbeeinflußte (konstante) „äußere“ Einwirkung. Sie wird deshalb auf der Lastseite als in der Schwerachse der Spannstahlfläche angreifende äußere Druckkraft angesetzt (Bild 7.91). 14.11.01 267 7. Spannbeton Widerstand Einwirkung C d M ϑ z P Ap Ts As εs Bild 7.91 Vorspannung ohne Verbund; die Vorspannkraft P wird auf der Einwirkungsseite berücksichtigt 7.2.1.6 Langzeitverluste 7.2.1.7 Rißbreitennachweis 7.2.1.8 Verformungsnachweis 14.11.01 268 7. Spannbeton 7.2.2 Nachweise im ULS 7.2.2.1 Einwirkungskombinationen Im Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) sind folgende Einwirkungskombinationen zu unterscheiden. 1. Bemessungssituation (Grundkombination) M Sd = å j γ G, j ⋅ M G, j + γ P ⋅ M p + γ Q, 1 ⋅ M Q, 1 + å i>1 γ Q, i ⋅ ψ o, i ⋅ M Q, i Ständige E. γG veränderliche E. γQ Vorspannung γP günstige Auswirkung 1,00 0,00 1,00 ungünstige Auswirkung 1,35 1,50 1,00 Einwirkung Tabelle 7.5 (7.145) Teilsicherheitsbeiwerte γF für Einwirkungen (EC2, 2..3.3.1, Seite 24, Tab. 2.2) Die Vorspannung wird mit ihrem Mittelwert in Rechnung gestellt (für die statisch Unbestimmten). Der statisch bestimmte Anteil (−P · ep, −P) tritt auf der Widerstandsseite in Erscheinung. Der Kombinationsbeiwert Ψ0,i erfaßt jenen Anteil der Einwirkung MQ,i, der mit hoher Wahrscheinlichkeit gleichzeitig mit der vollen Leiteinwirkung MQ,1 auftritt. 2. Bemessungssituation (außergewöhnliche Einwirkung) Durch Unfälle (Anprallstöße, Explosion, Erdbeben, Brand, etc.) kommt es zu Einwirkungen, die das Tragwerk „gerade noch“ ertragen soll. M Sd = å j M G, j + M p + M A + ψ 1 , 1 ⋅ M Q, 1 + å i>1 ψ2, i ⋅ M Q, i (7.146) MA ....................Bemessungswert der außergewöhnlichen Einwirkung (festgelegter Wert) Ψ1,1 ..................häufig auftretender Anteil der Leiteinwirkung MQ,1 Ψ2,i ...................quasi ständiger Anteil der Begleiteinwirkung MQ,i 7.2.2.2 Bemessung der Bewehrung bei Vorspannung mit Verbund Bei der Biegebemessung im ULS auf Querschnittsebene ist den mit den Gleichungen (7.145) und (7.146) definierten Einwirkungen MSd ein gleich großes reaktives Moment MRd entgegenzustellen. M Rd = M Sd 14.11.01 (7.147) 269 7. Spannbeton 1. elastisch-plastisches Stoffgesetz σp 0, 9 ⋅ f pk f p ;0, 1 f py = -------------- = --------------------γp 1, 15 f py Ep εp ε py Bild 7.92 elastisch-plastisches Stoffgesetz für Spannstahl Unter der Annahme des im Bild 7.92 definierten vereinfachten Stoffgesetzes für den Spannstahl, bei dem die Bruchdehnung εpu unbegrenzt bleibt, erreicht die Betonstauchung εc2 am Biegedruckrand ihren Grenzwert εcu. Druckmittelpunkt εcu = −0,0035 C d Ap MSd ϑ z Tp T As Ts εp(1) εp(0) εs Zugmittelpunkt Bild 7.93 Vorspannung mit Verbund: Bemessung der erforderlichen Bewehrung Das Bild 7.93 zeigt jenen Grenzdehnungszustand, bei dem das reaktive Biegemoment M Rd = – C ⋅ z (7.148) die Gleichgewichtsbedingung (7.147) erfüllt. Grundsätzlich wird zum Aufsuchen des Grenzdehnungszustandes gleich vorgegangen wie beim schlaff bewehrten Balken: ε s ≥ ε sy ε p ≥ ε py (7.149) Für den Rechteck- und den Plattenbalkenquerschnitt wurden unter der vereinfachenden Annahme eines 14.11.01 270 7. Spannbeton rechteckigen Spannungsblockes geschlossene Formeln angegeben, wobei hier allerdings die Lage des Zugmittelpunktes von der Größe As abhängt. Dadurch muß die Nutzhöhe d iterativ korrigiert werden. M Rd = T p ⋅ z p + T s ⋅ z s = A p ⋅ f pd ⋅ z p + A s ⋅ f y d ⋅ z s (7.150) Daraus folgt mit Gleichung (7.147) M Sd – A p ⋅ f pd ⋅ z p erf A s = ---------------------------------------------f yd ⋅ z s (7.151) Vorgangsweise: 1. Annahme für die Nutzhöhe d 2. Ermittlung des Dehnungszustandes (x, εp(1), εs) 3. Überprüfung der Forderung (7.149) nach Duktilität 4. Berechnung der erforderlichen schlaffen Bewehrung erf As (Gleichung (7.151)) 5. Korrektur der Nutzhöhe d und Wiederholung ab 2. Anmerkung: Bei einer allgemeinen Querschnittsform, wo keine Formeln zur Ermittlung des Dehnungszustandes existieren, muß in Punkt 2. ϑ iterativ variiert werden, bis die Gleichgewichtsbedingung M Sd + C ⋅ z = 0 (7.152) erfüllt ist. 2. bi-lineares Stoffgesetz σp f pk f pk f pd = ------γp 0, 9 ⋅ f pd Ep ε py Bild 7.94 εpu εp bilineares Stoffgesetz Unter der Annahme des im Bild 7.94 definierten vereinfachten Stoffgesetzes für den Spannstahl ist die 14.11.01 271 7. Spannbeton Spannstahldehnung mit der Bruchdehnung εpu zu begrenzen. εcu εp(0) A Ap As εpu εcu B Ap As εsy Bild 7.95 Fallunterscheidungen a) Stahl ausgenützt b) Beton ausgenützt Es sind zwei Fälle zu unterscheiden: 1. Dehnungsbereich A (Bild 7.95 a): Die Grenzdehnung im Spannstahl εpu ist ausgenützt, die Betonstauchung εc2 am Biegedruckrand ist betragsmäßig kleiner als die Grenzstauchung εcu = −0,0035. Die Spannstahldehnung wird hier also mit εpu festgehalten und die Betonstauchung ε c2 < εcu variiert, bis das Momentengleichgewicht (7.152) erfüllt ist. Wieder ist z von der Größe und Lage von As abhängig. 2. Dehnungsbereich B (Bild 7.95 b): Die Grenzstauchung am Biegedruckrand ist ausgenützt ε c2 = ε cu = – 0, 00035 Die Stahldehnung im Spannstahl liegt innerhalb der Grenzen εpy und εpu ε py ≤ ε p < ε pu und ε s ≥ ε sy In diesem Fall wird ähnlich wie im Abschnitt vorgegangen, wobei die Spannung σp im Spannstahl im Bereich der plastischen Verfestigung vom Dehnungszustand εp abhängt (Bild 7.94): M Sd – A p ⋅ σ p ⋅ z p erf A s = --------------------------------------------f yd ⋅ z s 14.11.01 (7.153) 272 7. Spannbeton Um festzustellen, welcher der beiden obigen Fälle für eine vorliegende Aufgabe relevant ist, berechnet man für den Dehnungszustand ε p = εpu ε c2 = ε cu (7.154) das reaktive Biegemoment M Rd = – C ⋅ z (7.155) Wenn MRd ≥ MSd ist, liegt der gesuchte Dehnungszustand, für den das Gleichgewicht erfüllt ist (MRd = MSd) im Dehnungsbereich A (Fall1). Der Betondruckgurt ist nicht ausgenützt. ( εc2 < ε cu ). Wenn MRd ≤ M Sd ist, liegt der gesuchte Dehnungszustand im Dehnungsbereich B (Fall2). In diesem Fall ist der Stahl-Zuggurt nicht ausgenützt (εp < εpu). 7.2.2.3 Bemessung der Bewehrung bei Vorspannung ohne Verbund Die im Sinne der Statik „richtige“ Berechnung der Traglast bei Vorspannung ohne Verbund setzt eine iterativ - nichtlineare Systemanalyse voraus und ist deshalb nicht Stoff der Grundvorlesung. Im Bild 7.96 ist das prinzipielle Tragverhalten bei Vorspannung ohne Verbund gezeigt. ohne Verbund mit Verbund Versagen der Biegedruckzone FMV MF εpy εp ε (0) p εp(1) εp > εpy My εp ∆εp εp < εpy Spannstahl nicht ausgenützt Mr wr wr sr Bild 7.96 Tragverhalten im ULS bei Vorspannung ohne Verbund Bei Vorspannung mit Verbund wirkt die Spannbewehrung auch risseverteilend und rissesteuernd - jedoch mit einer schlechteren Verbundwirkung. Dadurch läßt sich die Einwirkung bis zum Fließen der Bewehrung steigern ohne daß extrem große Rißbreiten entstehen. Bei Vorspannung ohne Verbund führt eine relativ geringe Erhöhung der Vorspannkraft zu großen Rißbreiten, weil sich die Dehnungsänderung im Spannstahl über die gesamte freie Länge des Spannstahles aufsummiert und in Form eines einzigen konzentrierten Risses auswirkt. Diese Rißbreite 14.11.01 273 7. Spannbeton w = ∆ε p ⋅ l (7.156) führt zu einer extremen Einschnürung der Druckzone, die nicht nur die Druckkraft C, sondern auch die Querkraft VSd übertragen muß. Häufig kommt es zu einem Schubdruckbruch der Biegedruckzone bevor die Spannbewehrung ins Fließne kommt. Im Vergleich zur Vorspannung mit Verbund ist bei Vorspannung ohne Verbund ein höherer Anteil an schlaffer Bewehrung zur Sicherstellung der Tragfähigkeit (ULS) erforderlich. Vereinfachte Bemessung im ULS C MSd z P Ap As eps T = erf As · fyd εs Bild 7.97 Vorspannung ohne Verbund: vereinfachte Bemessung der schlaffen Bewehrung Wenn man auf der sicheren Seite liegend die Zunahme ∆P beim Anheben der Einwirkung vom SLS zum ULS vernachlässigt, läßt sich die erforderliche schlaffe Bewehrung wie bei einem Stahlbetonquerschnitt unter Biegung mit Längsdruckkraft (große Ausmitte) bemessen (Bild 7.97): M Sd + P eps P erfA s = ------------------------------ – -------z ⋅ fyd fyd 14.11.01 (7.157) 274 7. Spannbeton 7.3 Vorgespannte Flachdecken 7.3.1 Tragwirkung Bild 7.98 Vorgespannte Flachdecken mit weiten Auskragungen d [m] 0,45 0,45 St ah lb et on 0,40 0,35 in on et b n an ton p S l be n e i Stah k e c in ton h d ke be c n c a n l a F lzde Sp in Pi e ck zde l i P Fl ac hd ec ke 0,30 0,25 0,20 0,15 0,10 5 Bild 7.99 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 l [m] Deckenstärken in Abhängigkeit von den spannweiten (empfohlene Grenzschlankheiten) Punktgestützte Platten weisen wesentlich größere Durchbiegungen auf als liniengestützte Platten mit 14.11.01 275 7. Spannbeton gleicher Spannweite und Plattenstärke h. Deshalb werden Flachdecken ab einer Spannweite von ca. 8 m vorzugsweise vorgespannt ausgeführt. Heute wird in erster Linie mit verbundloser Vorspannung (Monosotzen, bzw. CMM-Bänder) gearbeitet. Kunststoffmantel Litze Dauer-Korrosionsschutzfett Bild 7.100 Aufbau einer Monolitze Die Vorspannung dient zur Verringerung der Durchbiegung (Verformungsvorspannung). Die Tragfähigkeit und die Veschränkung der Rißbreite wird mit schlaffer Bewehrung sichergestellt. Bild 7.101zeigt schematisch die Tragwirkung einer Vorspannung. Bei Flächentragwerken läßt sich die Vorspannung nur mit den Umlenkkräften als Linienlast und den Ankerkräften als konzentrische einzellasten modellieren (Bild 7.102). Die Schnittgrößen werden nach der Methode der Finiten Elemente ermittelt. Spannglieder über den Stützen Lasten Stütze Stütze Bild 7.101 Stütze Spannglieder im Feld Stütze Schematische Darstellung der Lastabtragung durch Vorspannung P P u Bild 7.102 Umlenkkräfte (Plattenwirkung) und Längskräfte (Scheibenwirkung) aus der Vorspannung Das Bild 7.103 zeigt am Beispiel eines liniengestützen Plattenfeldes die Flächentragwirkung - bestehend aus einem hängenden Seilnetz (Membran aus Spannstahl) und einem Druckgewölbe (Betonmembran) - umschlossen von einem Druckring in dem die Stahlmembran hängt, bzw. einem Zugring, auf den sich das Betongewölbe abstützt. Wenn auf Traglastniveau die Bewehrung ins Fließen kommt, überwiegt im Umschließungsring die Zugkraft. Das Druckgewölbe versagt, wenn der Zugring nachgibt. 14.11.01 276 7. Spannbeton a Betonzug - resp. Druckring Spannstahl -> Stahlmembran Beton -> Betonmemran b δ2 Bild 7.103 Flächentragwirkung einer vorgespannten Stahlbetonplatte (Membranplatte) a) Beton- und Stahlmembrane b) Durchbiegung δ bei Umfangseinspannung Im Falle der punktgestützten Platten bildet sich eine Haupttragwirkung über die Stützstreifen aus. Man kann sich vorstellen, daß die im Bild 7.103 dargestellte Membranplatte auf den Stützstreifen aufliegt. Die Durchbiegung in Feldmitte setzt sich zusammen aus einem Anteil δ1, der der Verformung der Stützstreifen entspricht und aus einem Anteil δ2, der auch bei der liniengestützten Platte auftritt (Bild 7.103 b). 14.11.01 277 7. Spannbeton 7.3.2 Spanngliedführung Um den Anteil d1 zu verringern, kann man eine sogenannte Stützstreifenvorspannung anordnen (Bild 7.104 a). Um den Anteil d2 zu reduzieren, ist eine verteilte Vorspannung in den Feldstreifen zweckmäßig (Bild 7.104 b). a c Bild 7.104 Spannkabel in Stützstreifen b verteilte Spannkabel d mögliche Spanngliedanordnungen a) reine Stützstreifenvorspannung b) Stützstreifenvorspannung (50%) plus verteilte Spanngleider (50%) im Feldbereich c) einachsige Stützstreifenvorspannung (bei stark unterschiedlichen Spannweiten ly > lx) d) einachsige Stützstreifenvorspannung in x-Richtung; verteilte Vorspannung orthogonal dazu (y-Richtung) Häufig weisen die Randfelder von Flachdecken dieselben Spannweiten auf wie die Innenfelder. Dann sind nicht nur die Feldmomente sondern auch die Durchbiegungen in den Randfeldern und besonders im Eckfeld wesentlich größer als in den Innenfeldern. Wenn es möglich ist, die Innenfelder lediglich entlang der Stützstreifen vorzuspannen, bietet sich für die Randfelder die im Bild 7.105 skizzierte Anordnung der Spannbewehrung an. 14.11.01 278 7. Spannbeton P = Px P = 1,2 Px P = 0,5 Px Bild 7.105 14.11.01 Anordnung der Vorspannung in den Randfeldern 279 8. Stahlbeton - Schubelement 8. Stahlbeton - Schubelement 8.1 Schubfluß Der Schubfluß t ist definiert als auf die Längeneinheit bezogene aus den Schubspannungen τ resultierende Schubkraft (Bild 8.1). t = τ ⋅ b0 (8.1) τ t 1 τ t b0 Bild 8.1 14.11.01 1 Definition des Schubflusses t 280 8. Stahlbeton - Schubelement 8.2 Schubscheibenelement mit orthogonaler Bewehrungsanordnung Das Bild 8.2 zeigt das orthogonal bewehrte Scheibenelement unter reiner Schubbeanspruchung. Die Rißrichtung θ ist vorgegeben. t t a · tan θ t θ t a Bild 8.2 orthogonal bewehrte Stahlbeton - Schubscheibe Das Bild 8.3 enthält das zum Bild 8.2 gehörige diskrete Fachwerkmodell unter der reinen Schubeinwirkung tSd auf Traglastniveau (ULS). t Sd = τ Sd ⋅ b 0 (8.2) Riß hd tSd · tan θ tSd 2 tan θ Riß θ 1 1 Bild 8.3 b0 Fachwerkmodell für Stahlbetonschubscheibe • Bezogene Druckkraft in den Betondiagonalen Mit hd = sin θ und den Gleichgewichtsbedingungen am Knoten 1 (Bild 8.3) ergibt sich die Diagonalkraft c. t c = ------------cos θ c ns θ (8.3) t 14.11.01 281 8. Stahlbeton - Schubelement und die bezogene Normalkraft nc c 2t n c = ------ = --------------hd sin 2θ (8.4) aus der Gleichung (8.4) ergibt sich die Betonspannung σc für t = tSd zu nc 2t Sd σ c = ------ = -------------------------b0 b 0 ⋅ sin 2θ (8.5) σc muß kleiner oder gleich der zweiachsigen Druckfestigkeit f2cd unter Zug/Druck-Einwirkung sein: f 2cd = ν 2 ⋅ f 1c d (8.6) f ck ν 2 = æ 1 – ----------ö ≥ 0, 7 è 200ø (8.7) Der Abminderungswert ν2 für die einachsige Betondruckfestigkeit f1cd begründet sich mit der Tatsache, daß infolge der Dehnung der Bewehrung in x- und z-Richtung quer zur Druckstrebe Zugdehnugnen herrschen. Der vom schrägen Druckspannungsfeld aufnehmbare Schubfluß lautet: f 2cd ⋅ b0 ⋅ sin 2θ t Rdc = ----------------------------------------2 (8.8) Die Tragsicherheit des Betondruckspannungsfeldes ist gegeben für: t Sd ≤ t Rdc (8.9) Die Kraft im vertikalen Zugstab nsz folgt aus dem Kräftegleichgewicht am Knoten 1. n sz, Sd = t Sd ⋅ tan θ (8.10) Von der Vertikalbewehrung ist die Kraft nsz aufnehmbar n sz, Rd = asz ⋅ f y d [kN/m] (8.11) [cm2/m] (8.12) • Bemessung der Vertikalbewehrung t Sd ⋅ tan θ erf as z = ------------------------f yd • Tragfähigkeitsnachweis für Vertikalbewehrung t Sd ≤ t Rd mit t Rd = vorh a sz ⋅ f yd ⋅ cot θ (8.13) [kN/m] (8.14) Die Kraft im horizontalen Zugstab nsx folgt aus dem Kräftegleichgewicht am Knoten 2 (Bild 8.3). 14.11.01 282 8. Stahlbeton - Schubelement t ⋅ tan θ sin θ = -----------------c t c = ------------cos θ t ⋅ tan θ n sx ⋅ tan θ θ c (8.15) n sx, Rd = t Sd ⋅ cot θ (8.16) n sx,Rd = a sx ⋅ f yd (8.17) • Bemessung der Horizontalbewehrung n sx t Sd ⋅ cot θ erf as x = -------- = -----------------------f yd f yd (8.18) • Tragfähigkeitsnachweis für die Horizontalbewehrung Es gilt mit 14.11.01 t Sd ≤ t Rd (8.19) t Rd = vorh a sx ⋅ f y d ⋅ tan θ (8.20) 283 8. Stahlbeton - Schubelement 8.3 Schiefwinkeliges Bewehrungsnetz a t·a θ α 2 θ t·z t·a a Bild 8.4 z ß Ri θ t·a t·z ß Ri b0 Fachwerkmodell für eine Stahlbetonscheibe mit einem schiefwinkeligen Bewehrungsnetz Nachfolgend werden die auf die Längeneinheit bezogenen Stabkräfte des Fachwerkmodelles im Bild 8.4 ohne Ableitungen angeführt. Es wird den Studierenden dringend geraten, diese Formeln in Anlehnung an die Vorgangsweise in Abschnitt 8.2 selbstständig abzuleiten. ns......................auf die Längeneinheit bezogene Kraft in der schrägen Bewehrungsschar nsx ....................auf die Längeneinheit bezogene Kraft in der Längsbewehrungsschar nc......................auf die Längeneinheit bezogene Kraft im Betonspannungsfeld t n s = ------------------------------------------------------2 sin α ⋅ ( cot θ + cot α ) (8.21) n sx = t ⋅ cot θ (8.22) –t n c = ------------------------------------------------------sin2 θ ⋅ ( cot θ + cot α ) (8.23) Sonderfälle: 1) α = 90°: n sz = t ⋅ tan θ n sx = t ⋅ cot θ – 2t n c = --------------sin 2θ (8.24) 2) α = 90°; θ = 45° n sz = t n sx = t n c = – 2t 14.11.01 (8.25) 284 8. Stahlbeton - Schubelement 3) α = 45°; θ = 45° n sz = t n sx = t nc = t 14.11.01 (8.26) 285 8. Stahlbeton - Schubelement 8.4 Schubscheibe mit zusätzlichen Normalkräften nz t t nx nx t t nz Bild 8.5 Stahlbetonscheibe unter allgemeiner Belastung (nx, nz, t) Im Bild 8.5 sind zum Bild 8.3 die Längskräfte nx und nz hinzugefügt. Damit erweitern sich die Gleichungen (8.10), (8.16) udn (8.17) auf n sx = n x + t ⋅ cot θ (8.27) n sz = n z + t ⋅ tan θ (8.28) 2t n c = – --------------sin 2θ (8.29) Die bezogenen Normalkräfte nx und nz werden demnach direkt von der jeweiligen Bewehrungsschar aufgenommen, soferne es sich um Zugkräfte handelt. Unter der Beanspruchungskombination „Druck - Druck“ herrscht ein zweiachsiger Druckspannungszustand, wenn die Bedingung n x ⋅ nz > t 2 (8.30) erfüllt ist. Unter der Kombination „Druck - Zug - Schub“ wird die Kraft nsx negativ, wenn folgende Bedingung erfüllt ist (Gleichung (8.27)): n x > t ⋅ cot θ 14.11.01 (8.31) 286 8. Stahlbeton - Schubelement nz t t nx nx t θ1 t nz Bild 8.6 Druck - Zug - Schubeinwirkung In diesem Fall (Bild 8.6) kann aus der Gleichung (8.27) jene Rißrichtung θ1 ermittelt werden, für die nsx = 0 und damit asx = 0 ist. t tan θ 1 = – ----nx (8.32) Für diese Rißrichtung θ1 liefern die Gleichungen (8.27) bis (8.29) 14.11.01 nsx a sx = -------- = 0 f yd (8.33) nz + t ⋅ tan θ 1 a sz = --------------------------------f yd (8.34) nc σ c = -----b0 (8.35) 287 8. Stahlbeton - Schubelement 8.5 Ersatzscheibenmethode für Stahlbeton - Membranplatten Stahlbetonplatten lassen sich hinsichtlich ihrer Biegetragwirkung vereinfacht in zwei Gurtscheiben zerlegen, die die Biegezugzone bzw. die Biegedruckzone bilden. Häufig überlagert sich der Plattenwirkung auch eine Scheibenwirkung, wenn die Platte nicht nur normal zur Plattenebene, sondern auch in ihrer Ebene belastet ist. a b y myx Bild 8.7 a y x my mx mxy ny tyx Bild 8.8 txy nx Auf ein Membranplattenelement einwirkende Schnittgrößen a) Plattenwirkung b) Scheibenwirkung m yx ---------zy m xy --------zx b t yx -----2 zy m y/ mx /z x zx zy t xy -----2 nx /2 n y/2 zy x tyx /2 n y/2 t xy/2 nx /2 zx Aufteilen der Schnittgrößen auf die Ersatzscheiben liefert folgende Scheibenkräfte: a) infolge der Biege- und Drillmomente aus der Plattenwirkung b) infolge der Normal- und Schubkräfte aus der Scheibenwirkung Das Bild 8.8 zeigt, wie die im Bild 8.7 definierten Schnittgrößen die Ersatzscheiben belasten. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Scheibenkräfte nx bzw. ny im Bild 8.7 entweder positiv oder klein genug sind, um in den Plattenquerschnitten in Kombination mit den Biegemomenten mx bzw. m y eine „große Lastausmitte“ zu bewirken. Andernfalls sollte der zwischen den Gurten liegende Plattenlayer in die Modellbildung einbezogen werden. Um den inneren Hebelarm zx bzw. zy zu bestimmen, kann man den Spannungsblock gemäß Bild 8.9 ansetzen, wobei man für die Betonspannung σc nur etwa 50% der einachsigen Druckfestigkeit annehmen sollte: f cd = 0, 5 ⋅ f 1 cd (8.36) Die Höhe 0,8 · x des Spannungsblocks sollte den zweifachen Randabstand der Druckbewehrung nicht unterschreiten. 14.11.01 288 8. Stahlbeton - Schubelement 0,5 f1cd h2 ds2 Drucklayer εcu 0, 8x C x mx zx h1 T Zuglayer εs ds1 1 Bild 8.9 Ermittlung der Ersatzscheibendicken h1 und h2 Damit sind die Einwirkungen entsprechend Bild 8.5 bekannt. Als Scheibendicke b0 ist für die Zugscheibe h1 = 2ds1 und für die Druckscheibe h2 = 0, 8x ≥ 2d s 2 einzusetzen. Wenn die Biegemomente mx und my unterschiedliche Vorzeichen aufweisen, entstehen in beiden Ersatzscheiben Zug-, Druck- und Schubbeanspruchungen. 14.11.01 289 9. Querkraft 9. Querkraft 9.1 Einführung Die Tragwirkung von Stahlbetonbalken läßt sich durch ein einfaches Fachwerkmodell beschreiben (Bild 9.1 b). a z θ Schubrisse b 2 m 3 O2 D1 D V2 2 V3 θ U2 U1 2 m 3 O D33 U3 z 4 5 Bügelschar zur Zugstrebe V4 c 1 2 3 4 5 z Betondruckfeld Bügelschar zur Zugstrebe V3 Bild 9.1 Beschreibung des Biege- und Schubtragverhaltens eines Balkens durch ein diskretes Fachwerkmodell a) Balken mit Streckenlast q und Rißbild b) Diskretes Fachwerkmodell c) Spannungsfelder im diskreten Fachwerk (verschmiertes Fachwerkmodell) Der Obergurt C im Bild 9.1 b entspricht der Biegedruckzone (Druckgurt); der Untergurt T repräsentiert die Biegezugbewehrung. Die Druckdiagonalen D ersetzen die Tragwirkung der schrägen Betondruckspannungsfelder (Bild 9.1 c). Die Vertikalkomponente Dz der Diagonalkraft D entspricht der Querkraft V. Sie wird auch von den vertikalen Zugstreben V getragen, die als Resultierende aller Bügelkräfte innerhalb der Bereiche a aufzufassen sind. Der Winkel θ, den die Diagonalen D mit der Horizontalen einschließen, entspricht ungefähr jener Richtung, in der sich Risse einstellen. Um schleifende Schnitte zwischen den Fachwerkstäben zu vermeiden, sollte der Winkel θ innerhalb folgender Grenzen angenommen werden. 25° < θ < 65° 14.11.01 (9.1) 290 9. Querkraft Anmerkung: Das Fachwerk im Bild 9.1 b ist für jeden Winkel θ innerhalb des in Gleichung (9.1) definierten Bereich tragfä- hig. Daher kann θ frei gewählt werden. Wenn neben dem Biegemoment auch eine Normalkraft wirkt, so wirkt sich diese auf die Rißrichtung tendenziell wir folgt aus (Bild 9.2). Dies sollte aus Verträglichkeitsgründen bei der Wahl von θ berücksichtigt werden, obwohl auch bei Biegung mit Längskraft das Fachwerkmodell im Bild 9.1 unabhängig vom Winkel θ tragfähig ist. a Risse N N N θ = 90° N Risse θ > 45° b Risse N N N θ = 0° Bild 9.2 14.11.01 N Risse θ < 45° Auswirkung einer Normalkraft auf die Rißrichtung a) Zugkraft b) Druckkraft 291 9. Querkraft 9.2 Gurtkräfte 9.2.1 Gurtkraft infolge M In einem echten Fachwerk sind die Stäbe an den Knoten gelenkig angeschlossen. Sie bekommen deshalb nur Normalkräfte ab. Die Spannungsverteilung über den Querschnitt von Fachwerkstäben ist konstant. Deshalb ist die Annahme eines Spannungsblockes in der Druckzone eines Biegebalkens (Bild 9.3) mit dem Fachwerkmodell (Bild 9.1) verträglich. f cd = 0, 85 ⋅ f 1cd ε cu = – 0, 0035 C Druckgurt 0, 8x x M Sd z Zuggurt T = As ⋅ σ s ( εs ) Reaktion Bild 9.3 εs Aktion Biegequerschnitt im ULS: Definition des Druckgurtes mit Hilfe eines Spannungsblockes nach EC2 Nach EC2 lautet der Design-Wert fcd für die einachsige Betondruckfestigkeit f cd = 0, 85 ⋅ f 1cd 14.11.01 (9.2) 292 9. Querkraft 9.2.2 Gurtkräfte infolge V a i m C i+1 z Θ T b m a Momentenlinie M(x) Mi Mi+1 ∆Mi+1 abgerückte Momentenlinie M + ∆M z ∆M i = V i ⋅ --- ⋅ cot θ 2 Vi-1(+) Bild 9.4 a 2 Abrückmaß) a v = --- (Versatzmaß Vi Vi+1 V(x) a) Fachwerkmodell für die Ermittlung der Stabkräfte im Schnitt m - m b) Erfassen der Gurtkraftänderung infolge V durch „Abrücken der Momentenlinie“ Das Bild 9.4 zeigt einen Ausschnitt aus dem Bild 9.1 und die zugehörigen Schnittgrößen M(x) und V(x). Der Querschnitt m liegt in der Mitte zwischen den Querschnitten i und i + 1. Die Gurtkräfte im Schnitt m - m lauten: 14.11.01 –M C = -------- i z (9.3) Mi + 1 T = + -------------z (9.4) a M i = M m – V i ⋅ --2 (9.5) a M i + 1 = M m + V i ⋅ --2 (9.6) a = z ⋅ cot θ (9.7) 293 9. Querkraft Mm V C = – --------- + ---- ⋅ cot θ z 2 (9.8) Mm V T = + --------- + ---- ⋅ cot θ z 2 (9.9) Infolge der Querkraft bzw. durch die geneigten Betondruckstreben entsteht im Balken eine innere Längszugkraft (Bild 9.6) Dx. D x = V ⋅ cot θ (9.10) Diese teilt sich je zur Hälfte auf die beiden Gurte auf (Gleichungen (9.8) und (9.9). Diese „innere Spreizkraft“ entlastet den Druckgurt und belastet den Zuggurt zusätzlich. Die Kraft im Biegezuggurt nimmt um V ---- ⋅ cot θ zu. 2 Wenn man die tatsächliche Momentenlinie M(x) um das Versatzmaß av=a/2 horizontal verschiebt (Bild 9.4), entsteht beispielsweise im Querschnitt i ein ∆Mi, welches exakt dem zweiten Term in der Gleichung (9.5) und (9.6) entspricht. a z ∆M i = V i ⋅ --- = V i ⋅ --- ⋅ cot θ 2 2 (9.11) Das Versatzmaß av lautet demnach z a v = --- cot θ 2 (9.12) Ein Vergleich der Gleichungen (9.9) und (9.11) zeigt, daß die Auswirkung der Querkraft auch durch Erhöhen des Biegemomentes um ∆M erfaßt werden kann; das heißt, in dem man eine Biegebemessung für die abgerückte Momentenlinie durchführt: 14.11.01 294 9. Querkraft 9.2.3 Zugkraftdeckungslinie Mit Hilfe der Gleichung (9.9) läßt sich die Kraft im Biegezuggurt wie folgt darstellen M Sd V Sd T Sd = ----------- + ---------- cot θ Z 2 (9.13) Diese ’einwirkende’ Zugkraft muß durch die Biegezugbewehrung aufgenommen werden. T Rd = erfA s ⋅ f yd = erfT s (9.14) Hiefür ist folgende Stahlfläche erforderlich (TSd = TRd) T Sd erf As = ---------f yd (9.15) Normalerweise wird man die erforderliche Bewehrung erf As auf eine konstruktiv sinnvolle Anzahl von Bewehrungskalibern aufrunden. Die tatsächlich vorhandene Stahlfläche vorh As liefert die reaktive Zugkraft TRd = vorh As · fyd = vorh TS (9.16) Das Bild 9.6 veranschaulicht, wie man mit Hilfe einer grafischen Darstellung der Gleichung (9.13) und (9.14) die Biegezugbewehrung austeilt. Bild 9.5 Austeilen der Biegezugbewehrung mit Hilfe von Zugkraftdeckungslinien An Stelle der Zugkraftdeckungslinien (Bild 9.7) kann man auch Momentendeckungslinien oder Stahldekkungslinien verwenden. Bei der letzteren wird die erforderliche Stahlfläche M Sd 1 V Sd erfA S = -------------- + --- ---------- cot θ z ⋅ f yd 2 f yd (9.17) der vorhandenen Stahlfläche vorh As gegenübergestellt. In jedem Querschnitt muß gelten vorh vorhA s ≥ erfA s 14.11.01 (9.18) 295 9. Querkraft 9.3 Betondruckdiagonale bei vertikaler Bügelanordnung Die Querkrafttragfähigkeit der Betondiagonalen D im Fachwerkmodell (Bild 9.1 b) ist neben der Tragfähigkeit der Vertikalstreben (Bügel) für die Schubtragsicherheit bestimmend. a Dx/2 C b i+1 m σc - Dx z hd Dz = V D σc θ T Dx/2 m bw Bild 9.6 a a) Diagonalkraft D und Gurtkraftänderung Dx/2 infolge der Querkraft V b) Querschnittsfläche Ad = bw ⋅ hd einer Betondruckdiagonalen Das Bild 9.6 a zeigt, wie sich die Diagonalkraft aus der Querkraft ableitet. Dz = V (9.19) D x = V ⋅ cot θ (9.20) V D = ----------sin θ (9.21) Im Bild 9.6 b ist gezeigt, wie sich die Querschnittsfläche Ad der Betondruckdiagonalen errechnet h d = a ⋅ sin θ = z ⋅ cos θ (9.22) A d = b w ⋅ h d = b w ⋅ z ⋅ cos θ (9.23) Für eine vorgegebene Querkraft V ergibt sich die Betonspannung D V σ c = ------ = – -----------------------------------------------Ac bw ⋅ z ⋅ cos θ ⋅ sin θ (9.24) 2V σ c = – ---------------------------------bw ⋅ z ⋅ sin 2θ (9.25) V σ c = – -------------- ⋅ ( tan θ + cot θ ) bw ⋅ z (9.26) wegen 14.11.01 296 9. Querkraft 1 sin θ ⋅ cos θ = -----------------------------tan θ + cot θ (9.27) Die Druckspannung σc darf die zweiachsige Zug-/Druckfestigkeit f 2cd = ν 1 ⋅ f 1c d (9.28) f ck ν 1 = 1 – ---------- ≥ 0, 7 200 (9.29) nicht überschreiten. Die Reduktion ν1 gegenüber der einachsigen Druckfestigkeit f1cd ist dadurch begründet, daß quer zum Druckspannungsfeld infolge der Bügeldehnung Zugspannungen herrschen. σ c ≤ f 2cd (9.30) Aus der Gleichung (9.26) läßt sich die Querkrafttragfähigkeit VRdc der Betondruckstreben ableiten. 1 V Rdc = --- ⋅ ν 1 ⋅ f 1cd ⋅ b w ⋅ z ⋅ sin 2θ 2 (9.31) Die Tragfähigkeit der Betondruckstreben ist gegeben, wenn V Sd ≤ V Rdc 14.11.01 (9.32) 297 9. Querkraft 9.4 Schubbewehrung - Querbewehrung mit vertikalen Bügeln a b T B = ns ⋅ a i+1 i m TB V V z TB θ m Bügel Bild 9.7 a a) die resultierende Bügelkraft TB entspricht der Querkraft V b) die über die Länge a verteilten Bügel haben gemeinsam die Kraft TB zu tragen Aus dem Kräftegleichgewicht am Knoten i+1 im Bild 9.7 a ergibt sich T B = V Sd (9.33) Diese Kraft wird von einer Serie von vertikalen Bügeln übernommen, die auf jener Länge a angeordnet sind. Auf diese Bügel stützt sich das schräge Betondruckspannungsfeld ab. a = z ⋅ cot θ (9.34) Die auf die Längeneinheit bezogene Bügelkraft ns lautet TB V Sd n s = ------- = ---------- ⋅ tan θ a z (9.35) Aus ns ergibt sich die erforderliche Querschnittsfläche erf as der Bügel pro lfm (z.B. [cm2/m]). ns V Sd erf as = ------- = -------------- ⋅ tan θ f yd z ⋅ f yd (9.36) Für die Querschnittsfläche As1 eines Bügelschenkels ergibt sich daraus as ⋅ s A s 1 = ------------n (9.37) as......................Querschnittsfläche der Bügel pro Längeneinheit [m] s .......................Bügelabstand [m] n .......................Schnittigkeit: Anzahl der vertikalen Bügelschenkel in einem Querschnitt (Bild 9.8) 14.11.01 298 9. Querkraft bw bw 2-schnittiger Bügel (n = 2) Bild 9.8 4-schnittiger Bügel (n = 4) Definition des Begriffes „Schnittigkeit“ Die von den Vertikalbügeln aufnehmbare Querkraft VRds lautet (aus Gleichung (9.36)): V Rds = vorh a s ⋅ z ⋅ f yd ⋅ cot θ (9.38) Die Tragsicherheit der Bügelbewehrung ist gegeben, wenn V Sd ≤ V Rds 14.11.01 (9.39) 299 9. Querkraft 9.5 Schrägbügel Das Bild 9.9 zeigt das Fachwerkmodell bei schräger (von der Vertikalen abweichender) Bügelanordnung. Riss Riss h d α a1 a Bild 9.9 a2 Θ a Fachwerkmodell für Schrägbügel Mit den geometrischen Größen: a 1 = z ⋅ cot θ a 2 = z ⋅ cot α a = z ⋅ ( cot θ + cot α ) (9.40) ergibt sich für die Betondruckstrebe im Bereich a1 – V Sd D = ------------sin θ (9.41) A c = b w ⋅ h d = bw ⋅ a ⋅ sin θ = bw ⋅ z ⋅ ( cot θ + cot α ) ⋅ sin θ (9.42) – V Sd D 1 σ c = ------ = – -------------- ⋅ ------------------------------------------------------Ac bw ⋅ z sin2 θ ⋅ ( cot θ + cot α ) (9.43) Wieder ist die Bedingung σ c ≤ f 2cd = ν 1 ⋅ f 1cd (9.44) einzuhalten. Alternativ zu Gl. (9.44) kann man die Tragfähigkeit der Betondruckstreben wie folgt nachweisen (aus Gl.(9.37) mit σc = f2cd): V Rdc = f 2cd ⋅ b w ⋅ z ⋅ sin2 θ ⋅ ( cot θ + cot α ) (9.45) V Sd ≤ V Rdc (9.46) Im Bereich a2 wird die Querkraft vom schrägen Zugstab getragen, das heißt die z-Komponente von Ts entspricht der Querkraft. V Sd T s = -----------sin α 14.11.01 (9.47) 300 9. Querkraft Ts V Sd n s = ------ = -------------------------------------------------------a z ⋅ sin α ( cot θ + cot α ) (9.48) ns erf a s = ------f yd (9.49) Die Tragfähigkeit der Schrägbügelbewehrung ist gegeben, wenn die Bedingung V Sd ≤ V Rds (9.50) erfüllt ist. Die von den Schrägbügeln aufnehmbare Querkraft VRds lautet (aus Gl. (9.42) und (9.43)): V Rds = vorh a s ⋅ f yd ⋅ z ⋅ sin α ⋅ ( cot θ + cot α ) 14.11.01 (9.51) 301 9. Querkraft 9.6 Schubbewehrung bei veränderlicher Trägerhöhe „Sattelbinder“ mit „Fischbauch“ a A A Schnitt A - A b α2 Cz Cx C z Vw Tz Bild 9.10 α1 T β(+) Tx geneigte Gurte übernehmen mit der z-Komponente der Gurtkräfte Anteile der Querkraft VSd a) Systemskizze b) Schnitt A - A Das Bild 9.10 zeigt einen Balken mit geneigten Gurten. Für die Gurtkräfte gilt: M Sd T x = – C x = ----------z (9.52) T z = T x ⋅ tan α 1 (9.53) C z = C x ⋅ tan α2 (9.54) Damit lautet das Kräftegleichgewicht in z-Richtung C z + V w + T z = V Sd (9.55) Für den reduzierten Querkraftanteil Vw, der im Steg mittels Bügel und Druckstreben (Betondiagonalen) abzutragen ist, ergibt sich damit: M Sd V w = V Sd – ----------- ⋅ ( tan α 1 + tan α 2 ) z (9.56) α1, bzw. α2 werden als positiv angenommen, wenn C z bzw. Tz die gleiche Richtung wie Vw aufweisen, das heißt, wenn h mit dem Biegemoment M anwächst. 14.11.01 302 9. Querkraft Anmerkung: Bei geneigten Gurten erfolgt die Querkraftdeckung wie in den Abschnitten 9.1 bis 9.5, wobei man statt VSd die reduzierte Querkraft Vw einsetzt. a A Schnitt A - A b VSd h(x) Vw α1 Tx α1(-) A Tz T x M(x) Bild 9.11 h fällt mit wachsendem M Das Bild 9.11 zeigt einen der seltenen Fälle, wo sich das Vorzeichen in Gleichung (9.56) umdreht. (+ ) (+ ) V w = V Sd + T z Vw = (+ ) V Sd (9.57) ( +) M Sd (- ) – ----------- ⋅ tan α 1 z (9.58) Im Bild 9.12 heben die z-Komponenten der Gurtkräfte einander auf. Dadurch gilt (9.59) V w = V Sd m a α α Cz Cz α Tz Bild 9.12 Querschnitt m - m U a b m α Cz Cz Tz Tz U Tz parallelgurtiger Träger mit geneigter Stabachse In jenen Querschnitt m - m, wo die Stabachse im Bild 9.12 einen Knick aufweist, addieren sich die zKomponenten zu Umlenkkräften U. 14.11.01 303 9. Querkraft U = 2 C z = 2T z (9.60) Die Umlenkkräfte werden in einem eigenen Abschnitt ausführlich behandelt. Das Bild 9.13 stellt einen sogenannten Sattelbinder dar, bei dem in Feldmitte die Querkraft Null ist (Gleichlast). Hier fallen in der Gleichung (9.55) die Terme Tz und V Sd weg. Die Stegkraft Vw hält der zKomponenten der Gurtkraft C das Gleichgewicht (Bild 9.13 b): (9.61) C z + Vw = 0 m a C T T m − VSd VSd,m-m = 0 + b Cz Vw Cz Vw c d kleine Bügel Bild 9.13 14.11.01 konzentrierte Bügel Sattelbinder: Aufnahme der Umlenkkräfte U = 2Cz a) Übersicht und Querkraftlinie für Gleichstreckenlast b) Detail im Bereich m - m c) Spannungsfelder 304 9. Querkraft 9.7 Querkrafttragfähigkeit von vorgespannten Balken 9.7.1 Reduktion der Stegbeanspruchung durch geneigte Spanngliedführung Grundsätzlich gelten die im Abschnitt 9.6 dargelegten Zusammenhänge auch für geneigte Spannglieder (Bild 9.14). VSd α Vw Pcz Pc dx Bild 9.14 Die z-Komponente der auf den Beton wirkenden Vorspannkraft Pcz (-) reduziert die aktiv einwirkende Querkraft VSd (- ) V w = V Sd + P cz (9.62) (- ) P c z = P c ⋅ sin α (9.63) Die über den Steg abzutragende Querkraft Vw ist normalerweise um Pcz kleiner als die einwirkende Schnittkraft VSd. Infolge der Neigung α der Spannglieder wird die Schubbeanspruchung des Steges und damit auch die erforderliche Schubbewehrung (Bügel) kleiner. Deshalb ist in die Gleichung (9.63) (bei positivem α gemäß der Definition im Bild 9.14) ein unterer Grenzwert Pinf für die Vorspannkraft einzusetzen. Pinf versteht sich als Vorspannkraft nach Abzug aller Kurz- und Langzeitverluste mit folgenden Sicherheitsbeiwerten: Für σ p < f p, 0,1k : P inf = P mt ⋅ γ p mit γp = 0,9 (9.64) Für σ p ≥ f p, 0,1k : A p ⋅ f p, 0,1k P inf = --------------------------γp mit γp = 1,15 (9.65) P c = – P inf Anmerkung: 14.11.01 (9.66) Die Reduktion der Stegbeanspruchung durch Pcz setzt voraus, daß die in Rechnung gestellte Neigung α im Bauwerk sicher vorhanden ist. Im Zweifelfall ist ein unterer Grenzwert für α einzusetzen. 305 9. Querkraft Schubtragwirkung uz = q1 = λq Modell 1 Gleichgewichtssystem A: Vorspannen als externes Lastsystem Das durch die Umlenkkräfte u und die Vorspannkraft Pt belastete momentenfreie Seil (Seileck) Pt uz ... Umlenkkräfte Gleichgewichtssystem B: Pz = Pt ⋅ sin α Wendepunkt Der durch q1 und die Vorspannung belastete Beton Wendepunkt q1 = λ ⋅ q Pt Pt Px Px = Pt ⋅ cos α α uz ... Umlenkkräfte λ⋅R V≈0 --> P ⋅ sin α λ ≈ -------------------R P inf = γP ⋅ P m t γP = 0,9 t = ∞ 14.11.01 306 9. Querkraft 9.7.2 Alternative Begründung der Querkraftwirkung mit Hilfe der Umlenkkräfte (MC90) Anmerkung: Die nachfolgenden Ausführungen dienen in erster Linie dem Verständnis der Querkrafttragwirkung in vorgespannten Konstruktionen Wenn man die Vorspannung als „externes Lastsystem“ betrachtet, kann man den Umlenkkräften einen Teil λ der äußeren Lasteinwirkung q zuordnen. Die Last λ ⋅ q steht also mit den Umlenkkräften uz im Gleichgewicht (Bild 9.15). Anmerkung: a Die z-Komponente uz der Umlenkkräfte kann konstant angesetzt werden, wenn der Spanngliedverlauf näherungsweise einer quadratischen Parabel entspricht. Pp(+) Pp(+) uz α0 Pz α0 x q1 = λ ⋅ q b Pc(-) α0 Pcx uz λ ⋅ Rq Auflager bzw. Wendepunkte Pcz λ ⋅ Rq l Bild 9.15 Lastanteil λ ⋅ q , den die Spanngleider mit den Umlenkkräften u abtragen a) das durch die Umlenkkräfte u und die Vorspannkraft Pp belastete Seil b) der durch den Lastanteil q1 und die Vorspannung belastete Beton Voraussetzunsgemäß gilt an jeder Stelle x q1( x) = uz( x ) (9.67) das heißt q1 und uz heben einander auf (σ z < 0). Damit bleibt der Balken gerade (keine Biegeverformung). Er erfährt lediglich eine Längsrichtung durch Pcx (-). Die z-Komponente der Ankerkraft Pcz(0) entspricht der anteiligen Auflagerreaktion λ ⋅ R . P c z ( 0 ) = P inf ⋅ sin α 0 = λ ⋅ R 14.11.01 (9.68) 307 9. Querkraft q⋅l R = --------- # 2 (9.69) Aus Gleichung (9.68) folgt mit Pinf nach den Gleichungen (9.64) und (9.65): P inf λ = ---------- ⋅ sin α 0 R (9.70) Der Lastanteil liefert keine Querkraft ( V w ≈ 0 ). F q2 = ( 1 – λ ) ⋅ q schlaffe Bewehrung vorgespannte Bewehrung Bild 9.16 Fachwerkmodell für den Nachweis der Querkrafttragfähigkeit Für den zweiten und restlichen Anteil q2 = ( 1 – λ ) ⋅ q (9.71) an der äußeren Last qSd q Sd = q 1 + q 2 (9.72) entspricht die Querkrafttragwirkung einem schlaff bewehrten Balken. Das Bild 9.16 zeigt das zugehörige Fachwerkmodell. Die Stegbewehrung (Bügel) ist demnach für den Lastanteil qz zu bemesen. Bei Vorspannung ohne Verbund ist der Spannstahl im Fachwerkmodell nicht wirksam. Der Zuggurt im Bild 9.16 besteht nur aus schlaffer Bewehrung. Wenn es sich um eine Vorspannung mit Verbund handelt, kann der Spannstahl mit seiner rechnerischen Resttragfähigkeit wie eine schlaffe Biegezugbewehgung im Fachwerkmodell Berücksichtigung finden (Bild 9.17). 14.11.01 308 9. Querkraft σp σp2 f pk f pk f pk f pd = ------- = ----------γp 1,15 f p, 0,1d = 0,9 f pd γ p ⋅ f p, 0,1d σp2 γp = 0,9 σp1 εp2 σp(0) εp1 Bild 9.17 εp2 εpu εp Vorspannung mit Verbund: Resttragfähigkeit der Spannbewehrung im Fachwerkmodell (0 ) ( 1) ε p1 = ε p + ε p, q1 (9.73) εp1 ....................Gesamtdehnung im Spannstahl für Vorspannung und Lastanteil q1 εp(0) ..................Vordehnung (1) εp,q1 ..............Lastdehnung für q1 σp1....................Spannstahlspannung zu εp1 T p1 = A p ⋅ σ p1 .... Primärtragwirkung des Spannstahles εp1 ....................zusätzliche Lastdehnung für des Lastanteil q2 σp2....................zusätzliche Spannstahlspannung, die im Fachwerkmodell in Rechnung gestellt werden kann T p2 = A p ⋅ σ p2 ... Sekundärtragwirkung des Spannstahles im Fachwerkmodell (infolge der Verbundwirkung) 14.11.01 309 9. Querkraft 9.8 Schubtragwirkung bei fehlender Schubbewehrung Bei fehlender Stegbewehrung (Bügel) stellt sich eine Druckbogen-mit-Zugbandtragwirkung gemäß Bild 9.18 ein. Die Vertikalkomponente der Längskraft im Druckbogen entspricht dann im wesentlichen der Querkraft. Diese Bogen-mit-Zugbandtragwirkung wächst mit zunehmender Stegbreite und abnehmender Biegeschlankheit (Scheibenwirkung). Bild 9.18 Druckbogen mit Zugband Während Balken nur ausnahmsweise (bei untergeordneter Tragwirkung) ohne Mindestschubbewehrungen ausgeführt werden dürfen, wird bei Platten häufig keine Schubbewehrung erforderlich. Bei Balken und Platten ohne Schubbewehrung sind Einzellasten, die im „KANI’schen Schubtal“ (Bild 9.19) angeordnet sind, besonders kritisch. a F h MSU .... Bruchmoment Schub MBU .... Bruchmoment Biegung µL ...... Längsbewehrungsgrad Bild 9.19 „Schubtal“ nach KANI Sie stehen einerseits derart nahe beim Auflager, daß die Querkraft dominant wird und sie sind andererseits so weit vom Auflager entfernt, daß eine direkte Lastabtragung über Sprengwerkwirkung (Bild 12.36) nicht mehr möglich ist. In Hinblick auf die Querkrafttragwirkung in unbewehrten Stegen wirkt sich eine Einzellast, die im Abstand x0 = 2,5 bis 3,0 d vom Auflager angreift, besonders günstig aus. Bei schlanken Balken und Platten - insbesondere bei Durchlauftragwirkungen - kann eine lokale Schubbewehrung (Aufhängebewehrung) ein „Zwischenauflager“ für die Bogen-mit-Zugband-Wirkung bilden (Bild 9.20). 14.11.01 310 9. Querkraft Bild 9.20 14.11.01 Bogen mit Zugband Wirkung bei Durchlaufträgern (Schemaskizze) 311 9. Querkraft 9.9 Sekundäre Schubtragwirkungen Bei Balken und Platten mit Schubbewehrung überlagert sich die Fachwerkwirkung die im Abschnitt 9.8 beschriebene Bogen-mit-Zugband-Wirkung gemeinsam mit weiteren sekundären Tragwirkungen. Deshalb sind die in Versuchen gemessenen Bügeldehnungen oft wesentlich kleiner als die mittels Fachwerkmodellen berechneten (Bild 9.21) V Vu (Bruch) m ge Vr (Riß) Fa s es B e en ka er w ch e eld g ü ie log a n un hn VRd1 ... Betonanteil g 5 =4 (θ °) VS&T... Fachwerkanalogie εs Bild 9.21 Vergleich der gemessenen Bügeldehnungen mit den rechnerischen Werten nach der klassischen Fachwerkanalogie (45° Fachwerk) Schubtragfähigkeit des Druckgurtes Infolge der Längsdruckkraft C im Biegedruckgurt ist die Druckzone in der Lage ohne Schubbewehrung Schubspannungen zu tragen (Bild 9.22). Die Schubtragfähigkeit des Druckgurtes nimmt mit wachsender Druckspannung σx ab und wird für σx = fcc zu Null. σ1/f cc σ2/fcc (fcc= 31,1 MPa) τ/fcc τ/fcc σ2/f cc σx/fcc fct/fcc σ1/fcc Bild 9.22 14.11.01 σx/fcc Schubtragfähigkeit τ eines Betonprismas unter einachsiger Druckbeanspruchung σx 312 9. Querkraft Rißverzahnung Als Folge der Verzahnung der rauhen Rißufer können in den Rißufern Schubkräfte übertragen werden - soferne die Rißbreiten klein bleiben (Bild 9.23). Q Vw1 Va1 Fs Vc Vd1 Va2 Vw2 Fs + ∆Fs Vd2 C1 Vw Va Vd Bild 9.23 Elemente der Querkraftabtragung Dübelwirkung der Längsbewehrung Um die Risse zu verteilen und damit die Rißbreiten klein zu halten ist insbesondere bei hohen Stegen eine Steglängsbewehrung vorzusehen. Diese Längsbewehrung uönd auch die Biegezugbewehrung (Hauptbewehrung) durchdringen die Risse und wirken wie Dübel einer Verschiebung der Rißufer in Rißrichtung entgegen. Diese Dübelwirkung überträgt einen (meist relativ kleinen) Querkraftanteil Vd2. Biegesteifigkeit der Betondiagonalen Die schrägen Betonzähne (Druckdiagonalen) zwischen den Rissen weisen eine gewisse Biegesteifigkeit auf. Dies führt zu einer vierendeelartigen Rahmentragwirkung und damit zu einem weiteren Beitrag an der Querkrafttragwirkung. Querkrafttragfähigkeit ohne Schubbewehrung Die diversen sekundären Tragwirkungen lassen sich zusammenfassen zu der Querkrafttragfähigkeit VRd1, die ein Balken oder eine Platte ohne Schubbewehrung aufweist. Für den Bemessungswert von VRd1 gilt die halbempirische Formel: VRd1 = [τRd · k · (1,2 + 40 ρ 1) - 0,15 σcN] bw·d (9.74) τRd ....................Rechenwert der Schubfestigkeit k .......................Beiwert, der die Bogen-mit-Zugband-Wirkung gewichtet ρ1 .....................Bewehrungsgrad σcN ...................Längsspannung (Druck negativ) aus einer Normalkraft infolge einer Last oder Vorspannung bw .....................kleinste Querschnittsbreite innerhalb der Nutzhöhe d .......................Nutzhöhe 14.11.01 313 9. Querkraft 0, 25f ctk,0,05 τ Rd = --------------------------------γc k = 1,6 − d ≥ 1 (d in m) (9.75) γc = 1,5 (9.76) Wenn mehr als 50% der Feldbewehrung gestaffelt ist, gilt k = 1 A s1 ρ 1 = -------------- ≤ 0, 02 bw ⋅ d (9.77) As1 ....................Fläche der Biegezugbewehrung, die mindestens um das Maß d + lbd über den betrachteten Querschnitt hinausreicht lbd .....................Verankerungslänge N Sd σ cN = ---------Ac 14.11.01 (9.78) 314 9. Querkraft 9.10 Querbewehrung in Flanschen A A M M + ∆M V V A A ∆x C C + ∆C tA z C Bild 9.24 T + ∆T Anschlußfolge A-A zwischen Gurt und Steg Schubbewehrung im Steg Im Bild 9.24 sind die Anschlußfugen zwischen den Gurten und dem Steg dargestellt, sowie der in diesen Fugen wirkende Schubfluß tA-A. – ∆C ∆M t A – A = ----------- = -------------∆x ∆x ⋅ z (9.79) dM ∆M V = -------- = --------dx ∆x (9.80) V t A – A = ---z (9.81) Alle weiteren Nachweise entsprechen den Abschnitten 9.3 und 9.4. Beispielsweise folgt die erforderliche Anschlußbewehrung aus Gleichung (8.12) oder (9.30): tA – A V erf as = ------------- tan θ = -------------- tan θ z ⋅ f yd f yd 14.11.01 (9.82) 315 9. Querkraft b bF B B B B CW CF b = bW + 2bF bF bW CF tB-B CF + ∆CF Bild 9.25 CW + ∆Cw ∆x CF + ∆CF Anschlußfuge B-B zwischen Druckgurt-Flansch und Steg Schubanschlußbewehrung zwischen Druckgurt-Flansch und Steg Der auf einen Flansch entfallende Anteil ∆CF an der Kraftänderung ∆C beträgt: bF – ∆M b F ∆CF = ∆C ------ = ------------ -----b z b (9.83) Damit lautet der Schubfluß tB-B (Bild 10.8/2) – ∆C F ∆M 1 bF tB-B = -------------- = --------- --- -----∆x ∆x z b V bF t B – B = ---- -----z b (9.84) (9.85) Damit folgt aus der Gl.(9.34) die erforderliche Anschlußbewehrung tB – B erf as = ------------- tan θ2 f yd 14.11.01 (9.86) 316 9. Querkraft b bF bW bF As = AsW + 2AsF AsF C C C C AsW TW TF AsF TF tC-C TF + ∆TF Bild 9.26 TW + TCw ∆x TF + ∆TF Anschlußfuge C-C zwischen Zuggurt-Flansch und Steg Schubanschlußbewehrung zwischen Zuggurt-Flansch und Steg Der von einem Flansch getragene Anteil ∆TF an der Zugkraft-Änderung ∆T lautet: A sF ∆M A s F ∆F F = ∆T --------- = --------- --------z As As (9.87) Damit erhält man für den Schubfluß tC-C (Bild 10.8/3) ∆T F ∆M A sF tC-C = ---------- = --------- --------z As As (9.88) V A sF tC-C = ---- --------z As (9.89) Aus der Gleichung (8.28) erhält man damit die erforderliche Anschlußbewehrung 14.11.01 317 9. Querkraft tC – C erf as = ------------- tan θ1 f yd (9.90) Die Änderung der Gurtkräfte erfüllt die Gleichgewichtsbedingungen ∆T + ∆C = 0 (9.91) ∆M = ∆T · z = V · ∆x (9.92) Das Bild 9.27zeigt jenes Fachwerkmodell, welches diesen Gleichgewichtszustand herstellt. Im Druckgurt kann für die Rißrichtung θ 2 ≤ 45° angesetzt werden. Im Zuggurt sollte dagegen der Winkel θ 1 ≥ 45° angenommen werden. a y Druckgurt (Grundriß) ∆x ∆CF Flansch a2 x Steg θ2 ∆CW ∆CF Flansch b Steg (Aufriß) Flansch hF x z Steg θ Flansch ∆T z y c Zuggurt (Grundriß) ∆Tf Flansch Steg a1 θ1 ∆Tw x Flansch ∆T ∆Tf a1 ⋅ cotθ1 Bild 9.27 ∆C z ⋅ cotθ a2 ⋅ cotθ2 Fachwerkmodell zur Änderung der Gurtkräfte infolge der Querkraft Im Bild 9.28 sind dieselben Zusammenhänge in Form von Spannungsfeldern dargestellt. 14.11.01 318 9. Querkraft Bild 9.28 14.11.01 Spannungsfelder in den Gurten 319 9. Querkraft 9.11 Mitwirkende Plattenbreite 9.11.1 Allgemeines Sogenannte Plattenbalkenquerschnitte (Bild 9.29) mit einer breiten Biegedruckzone und einem relativ schlanken Steg werden dem Verbundbaustoff Stahlbeton in besonderem Maße gerecht. Bei relativ geringem Gewicht bieten sie ein optimales Biege- und Querkraftverhalten. Der Plattenbalkenquerschnitt ist neben dem Rechteckquerschnitt die häufigste Querschnittsform im Stahlbetonbau. b h h bw Bild 9.29 Plattenbalken - Querschnitt Wie im vorigen Abschnitt ausgeführt wurde, stellt sich auch in der Druckgurtscheibe eine Fachwerkwirkung ein, die eine Querbewehrung erfordert. Bei breiten Druckgurten entzieht sich die Gurtscheibe (infolge der Dehnung der Querbewehrung) mit zunehmender Entfernung vom Steg der Druckkraftaufnahme. Die Querschnittsverformung weicht von der Bernoulli-Hypothese ab. Das Bild 9.30 zeigt qualitativ die Verteilung der Längsspannungen σcx in der Biegedruckzone. x σx obere Randspannung gekrümmt Nullinie (gekrümmt) max σcx Bild 9.30 Verteilung der Betonspannungen σcx und Verlauf der Nullinie Die mitwirkende Plattenbreite beff entsprechend Bild 9.31 ist die Ersatzbreite, die unter Annahme einer konstanten Spannung max σc in der Gurtscheibe zu der gleichen Druckkraft C führt, wie die tatsächliche Spannungsverteilung σc(y). 14.11.01 320 9. Querkraft +b ⁄ 2 1 b eff = ------------------- ⋅ ò σ ( y ) dy max σ c – b ⁄ 2 c (9.93) b a y z b c σc(y) Bild 9.31 max σc Vereinfachte Spannungsverteilung über die „mitwirkende Plattenbreite“ beff a) Querschnitt b) Fachwerkmodell für Änderung ∆C der Biegdruckkraft C c) Definition der mitwirkenden Plattenbreite beff Das Bild 9.32 zeigt einen mehrstegigen Plattenbalken, bei dem der Druckgurt gleichzeitig in Querrichtung als Platte trägt. Von dieser Plattenwirkung leitet sich die Bezeichnung „Plattenbalken“ ab. Streng genommen müßte die mitwirkende Plattenbreite als „mitwirkende Scheibenbreite“ bezeichnet werden. 14.11.01 321 9. Querkraft a b beff b1 beff bw a1 b2 bw b2 bw b2 b bw a c l 0,1 l 0,12 l 0,2 l 0,k 0,7 l 2 2lk 0,15 (l1 + l 2) 0,85 l 1 l1 l2 lk Bild 9.32 mitwirkende Plattenbreitebeff: Definition der Bezeichnungen a) b eff = b w + b 1 + b2 (9.94) b) b eff = b w + 2b 2 (9.95) l0 b 1 = -----10 und b1 ≤ a1 (9.96) l0 b 2 = -----10 und a b 1 ≤ --2 (9.97) Nach EDIN 1045-1 gilt: 2 b eff = b w + å b eff,i (9.98) i=1 b eff,i = 0,2 ⋅ bi + 0,1 ⋅ l o ≤ 0,2 ⋅ l 0 ≤ b i (9.99) Der Verlauf der Breite beff hängt von der Belastung (Einzellast, Streckenlast), der Entfernung vom Auflager, vom statischen System und vom Verhältnis der Plattensteifigkeit zur Steifigkeit des Steges ab (Bild 9.33). Im EC2 wird die mitwirkende Breite stark vereinfacht ermittelt, wobei die Ergebnisse auf der sicheren Seite liegen. 14.11.01 322 9. Querkraft p l P Bild 9.33 14.11.01 Beispiele für den Verlauf der mitwirkenden Breite beff (qualitativ) 323 10. Torsion 10. Torsion 10.1 Arten der Torsionseinwirkung Man unterscheidet zwischen der Last- oder Gleichgewichtstorsion und der Verformungs- oder Verträglichkeitstorsion. Während bei der Lasttorsion die Torsionsmomente benötigt werden, um das Gleichgewicht herzustellen (Bild 10.1), hat die Verformungstorsion den Charakter eines Zwanges; (Bild 10.2) x’ F x e MT = F ⋅ e l MT Mx Bild 10.1 14.11.01 − + Beispiel für eine Lasttorsionswirkung 324 10. Torsion A F B i F elastisch eingespannt frei drehbar gelagert Bild 10.2 MT M B α β Beispiel für eine Verträglichkeitstorsion α < β Mit abnehmender Torsionssteifigkeit im Balken A nimmt die Verdrehung α im Bild 10.2 zu und gegenläufig die Torsionseinwirkung MT ab. Der Grenzfall α = β würde nur erreicht werden, wenn die Torsionssteifigkeit im Balken A Null wäre oder wenn der Balken A nicht torsionssteif gelagert wäre. Auch in letzterem Fall bleibt das System stabil - ohne Mitwirkung eines Torsionsmomentes. In der Praxis weist man bei Verträglichkeitstorsion die Torsionstragwirkung oft gar nicht nach - oder nur näherungsweise, indem man im Kreuzungspunkt i auf den Balken A als oberen Grenzwert die Verdrehung β aufzwingt. 14.11.01 325 10. Torsion 10.2 Definition der Bezeichnungen Tordierende Lasten werden nachfolgend mit MT [kNm] bzw. mit mT [kNm/m] bezeichnet (Bild 10.3). a MT mT Bild 10.3 Torsionseinwirkungen in Form von Streckenmomenten mT und Einzelmomenten MT x y Vy N My z Mx Vz Mz Bild 10.4 14.11.01 Schnittgrößen: Orientierung und Vorzeichen der Momentenvektoren 326 10. Torsion 10.3 Querkraftanalogie zur Ermittlung von Torsionsmomentenlinien Wenn man eine verteilte Torsionseinwirkung mT [kNm/m] durch eine Streckenlast q = mT [kN/m] ersetzt und eine konzentrierte Torsionseinwirkung MT [kNm] durch eine Einzellast F = MT [kN], so entsprechen die Querkraftslinien für diese Ersatzlasten formal dem Torsionsmomentenverlauf. Torsionseinspannungen werden für die Querkraftanalogie durch Kräfteauflager ersetzt. Die in Bild 10.5 bis Bild 10.7 skizzierten Beispiele zeigen die Vorgangsweise. tatsächliches System und tatsächliche Einwirkung MT = F ⋅ e a l Querkraftanalogie: MT b Ersatzsystem und Ersatzeinwirkung x a x’ c –MT ⋅ x -----------------l − Querkraftlinie am Ersatzsystem entspricht der TorsionsM T ⋅ x’ momentenlinie Mx ---------------l am Originalsystem Bild 10.5 + Querkraftanalogie, Beispiel 1 a) tatsächliches System und Einwirkung b) Ersatzsystem mit Ersatzeinwirkung c) Mx-Linie (Torsionsmomentenlinie) a tatsächliches System und tatsächliche Einwirkung mT l b Querkraftanalogie: mT Ersatzsystem und Ersatzeinwirkung c Mx(x): − Bild 10.6 14.11.01 mt ⋅ l Querkraftanalogie, Beispiel 2 a) tatsächliches System und Einwirkung b) Ersatzsystem mit Ersatzeinwirkung c) Mx-Linie (Torsionsmomentenlinie) 327 10. Torsion Beidseitige Torsionseinspannung a a MT mT b MT mT tatsächliches System und tatsächliche Einwirkung c l a mT Ersatzsystem und Ersatzeinwirkung MT a d − Querkraftanaogie V ( x ) = Mx ( x ) + Bild 10.7 14.11.01 Querkraftanalogie, Beispiel 3 a), b) Originalsystem mit Originaleinwirkung c) Ersatzsystem mti Ersatzeinwirkung d) Torsionsmomentenlinie aus Querkraftlinie für q 328 10. Torsion 10.4 Torsionsverformung Um ein Stabelement der Länge „1“ um das Maß ϑx zu verdrillen (Bild 10.8) ist ein Torsionsmoment der Größe Mx = G ⋅ JT ⋅ ϑ x (10.1) erforderlich. 1 ϑx Mx Bild 10.8 Verdrillung ϑx E G = --------------------2(1 + υ) (10.2) Mx .....................Torsionsmoment G ......................Schubmodul (Beton: G ≈ 0, 4 E) JT .....................Drill- oder Verdrehwiderstand ϑx .....................Verdrillung E ......................Elastizitätsmodul 1 ν .......................Querdehnungszahl (Beton υ ≈ --- ) 6 Mit zunehmender Torsionseinwirkung gehen Stahlbetonstäbe in den gerissenen Zustand II über, wobei die Torsionsrisse etwa unter 45° spiralenartig den Stab umlaufen. Im Zustand II fällt die Torsionssteifigkeit stark ab. Näherungsweise kann angenommen werden. ( GI T ) II 1 ----------------- ≈ --( GI T ) I 4 (10.3) Beispielsweise errechnet sich die Verdrehung α des Balkens A im Bild 10.2 nach dem Prinzip der virtuellen Arbeiten wie folgt α = 14.11.01 v ò Mx Mx ⋅ --------- dx GI T (10.4) 329 10. Torsion 10.5 Wölbfreie Hohlquerschnitte (St. Venant’sche Torsion) p(u) b(u) du u y dA(u) z max τ Bild 10.9 min b τ(u) dt = = τ ( u ) ⋅ b ( u ) ⋅ du Ak Allgemeiner Hohlquerschnitt 1. Bredt’sche Formel Der Schubfluß t bleibt über den gesamten Umfang des Hohlquerschnittes konstant t(u )= τ(u) · b(u) = t = const (10.5) Für das Torsionsmoment gilt Mx = °ò t ⋅ p( u) ⋅ du ° Mx = 2t ò dA ( u ) = 2t Ak (10.6) (10.7) Ak .....................Mittelfläche (im Bild 10.9 grau hinterlegt) 2. Bredt’sche Formel Mx t = ---------2A k (10.8) Hohlquerschnitte (Kastenquerschnitte) eignen sich umso besser zur Aufnahme von Torsionsmomenten, je größer die Mittelfläche Ak ist. Die St. Venant’sche Torsion erzeugt reine Schubspannungszustände τ in den Wandungen der Hohlquerschnitte. Daher gelten die Ausführungen des Abschnitts 8.2 hier uneingeschränkt. 14.11.01 330 10. Torsion t t ⋅ a1 asx Ak t ⋅ a2 a2 t a1 Bild 10.10 asz θ = 45° : asx = asz quadratisches Netz Schubscheibe mit orthogonaler Netzbewehrung Auch bei einer Torsionseinwirkung entsteht - wie bei der Querkraft - eine innere Zugkraft. Für die Längsbewehrung gilt t a sx = ------- cotθ f yd (10.9) und für die Bügelbewehrung t a sz = ------- tanθ f yd (10.10) Die Beanspruchung der Betondiagonalen lautet – 2t σ c = -------------------------b 0 ⋅ sin 2θ (10.11) σ c ≤ υ 2 f cd1 (10.12) Grundsätzlich ist die Rißrichtung θ in folgenden Grenzen wählbar: 0, 4 ≤ cot θ ≤ 2, 5 . Bei reiner Torsion ist θ = 45° und damit ein quadratisches Bewehrungsnetz zweckmäßig. Häufig tritt allerdings Torsion in Kombination mit Querkraft auf. Dann wird die Rißrichtung oft kleiner als 45° angenommen. Für den Abminderungsbeiwert υ 2 für zweiachsige Zug-/Druckbeanspruchung gilt Bild 10.11 14.11.01 331 10. Torsion a Innenrand des Querschnittes nicht bewehrt fc k ν 2 = 0,7 æ 0,7 – ----------ö ≥ 0,35 è 200ø b Innenrand des Querschnittes bewehrt f ck ν 2 = 0,7 – ---------- ≥ 0,50 200 Bild 10.11 14.11.01 Abminderungsbeiwert υ 2 332 10. Torsion 10.6 Vollquerschnitte und dickwandige Hohlquerschnitte a τ b τ τ max τ Bild 10.12 Schubspannungsverteilung infolge Torsion in einem Rechteckquerschnitt (qualitativ) Das Bild 10.12 zeigt die Schubspannungsverteilung in einem Rechteckquerschnitt nach der Elastizitätstheorie. In Querschnittsmitte sind die Schubspannungen klein und außerdem ist der Abstand zur Stabachse gering. Im Vergleich zur Randzone beteiligt sich der Kernbereich des Querschnittes kaum an der Torsionstragwirkung. Dies gilt besonders auch für gerissene Stahlbetonquerschnitte TBü TL TL TL TL Bild 10.13 TBü Torsionstragwirkung eines gerissenen Rechteckquerschnittes in axonometrischer Darstellung Deshalb kann man wie im Bild 10.13 den Querschnittskern hinsichtlich der Torsionstragwirkung vernachlässigen. Das heißt, man kann auch vollwandige und dickwandige Querschnitte als Kastenquerschnitte nach Abschnitt 10.5 bemessen. Als Wandstärke b0 des Ersatzkastenquerschnittes (Bild 10.14) gilt nach EC2. 14.11.01 A b 0 ≤ ---u (10.13) b 0 ≥ 2c (10.14) 333 10. Torsion b0 A = b⋅h u = 2(b + h) h c b0 b0 b0 b Bild 10.14 Ersatzkastenquerschnitt: Definition der Bezeichnungen A.......................Bruttobetonfläche u .......................Umfang des Querschnittes c .......................Betondeckung b0 .....................Wandstärke des Ersatzkastenquerschnittes Kastenquerschnitte gelten definitionsgemäß als dickwandig, wenn ihre Wandstärke größer als b0 ist. In diesem Falle ist mit dem Ersatzquerschnitt gemäß Bild 10.14 zu rechnen. Die innere Bewehrung im Bild Bild 10.11b darf für Torsion nur in Rechnung gestellt werden, wenn ihr Randabstand b0 nach Gleichung (10.14) nicht überschreitet. 14.11.01 334 10. Torsion 10.7 Überlagerung von Querkraft und Torsion Die Schubspannungsverteilung bei Torsionseinwirkung ist im Bild 10.13 nach der Elastizitätstheorie qualitativ skizziert. Das Bild 10.15 zeigt dieselbe Darstellung für eine Querkraftseinwirkung. Man erkennt, daß die beiden Spannungsbilder völlig unterschiedliche Spannungsverteilungen darstellen. Die Überlagerung dieser beiden Einwirkungen liefert schon nach der Elastizitätstheorie eine komplizierte Spannungsverteilung. Noch komplizierter wird sie, wenn sich bei Stahlbeton noch Risse einstellen. h max τ b Bild 10.15 Schubspannungsverteilung infolge Querkraft in einem Rechteckquerschnitt (qualitativ) Für die Querkrafteinwirkung gilt V t V = ---z (10.15) für die Torsionseinwirkung gilt Mx t T = ---------2Ak (10.16) Im Bild 10.16 addieren sich in der linken Stegscheibe die Schubflüsse tV t = ----- + t T 2 (10.17) wogegen sie in der rechten Scheibe einander entgegenwirken (reduzieren). Daher ist die linke Scheibe für die Bemessung der Bewehrung maßgebend. Es gelten wieder die bereits bekannten Formeln (Gleichung (10.9)bis (10.12)) für t nach Gleichung (10.17) 14.11.01 335 10. Torsion a Zug Druck tV b V Druck Zug tT Mx Druck Bild 10.16 Überlagerung von a) Querkraft und b) Torsion Bei mehrstegigen Kastenquerschnitten kann die Querkraft auf alle Stege aufgeteilt werden. Die Torsion wird dagegen meist nur dem äußeren einzelligen Kasten zugewiesen. a b 1 c 2 Außensteg 1 2 ba Bild 10.17 2 1 7 8 Innensteg 3 4 5 6 bi Anzahl der wirksamen Bügelschnitte bei einem dreizelligen Brückenquerschnitt a) Modellbildung (Schubscheiben) b) Torsionskastenquerschnitt c) Querkraftsschubscheiben 14.11.01 336 10. Torsion Im Bild 10.17 gelten beispielsweise folgende Schubflüsse für einen Bügelschnitt: 1 V t v = --- ⋅ ---8 z (10.18) 1 Mx t T = --- ⋅ ---------2 2A k (10.19) Überlagerungsformel EC2 für Druckstreben 14.11.01 337 11. Durchstanzen von Platten 11. Durchstanzen von Platten 11.1 Zum Bruchmechanismus Konzentriert auf Platten einwirkende Einzellasten können auf Traglastniveau zu einem Schubbruch führen, der mit Durchstanzen bezeichnet wird (Bild 11.1). a b Bild 11.1 Durchstanzbruch a) Durchstanzen einer Platte b) Durchstanzen einer Fundamentplatte Diese bei Überbeanspruchung auftretende Versagensform - Herausstanzen eines kegelstumpfartigen Plattenteils - stellt ein besonderes Gefährdungspotential dar, weil sie einerseits vorwarnungslos auftritt (Sprödbruch) und andererseits schwerwiegenden Schaden verursachen kann. Das Problem tritt beispielsweise bei punktgestützen Platten (Flachdecken, Pilzdecken) auf (Bild 11.1 a), oder auch bei Plattenfundamenten unter Stützen, sowie auch bei Einzelfundamenten. Am Stützenanschluß treten Extremwerte der Plattenbiegemomente und -querkräfte auf. Bei einer Laststeigerung auf Traglastniveau treten zuerst um die Stütze schirmartige Verformungen auf - verbunden mit sternförmigen Rissen an der Plattenoberseite (Bild 11.2 a). Bei weiterer Laststeigerung entstehen zusätzlich ringförmig um die Stütze laufende Risse, die mit zunehmenden Radius immer flacher werden. Der äußerste kegelstumpfartige Riß hat eine Neigung von etwa 30° bis 35° (Bild 11.2 b). Dieser Riß dringt umso tiefer in die ebenfalls ringförmige Biegedruckzone ein, je dehnbarer, das heißt je kleiner die Biegezugbewehrung ist. Es schnürt damit die Druckzone stark ein. Wenn keine Schubbewehrung vorhanden ist, muß die Querkraft in erster Linie über die eingeschnürte Druckzone, die einen Druckring bildet, übertragen werden. Während sich die horizontalen Anteile der Biegedruckkräfte umlagern können und seitlich an den Stützen vorbeilaufen, verursacht die Querkraft den für das Durchstanzen typischen Abschervorgang (Bild 11.2 c und d). Um die Wirkungsweise des Durchstanzmechanismus sicherzustellen, darf die Biegebewehrung nicht beim Auftreten der ersten Radialrisse ins Fließen kommen. Daher ist über der Stütze unbedingt die Mindestbewehrung anzuordnen. 14.11.01 338 11. Durchstanzen von Platten a b c d v v C v C Bild 11.2 v Rißbild und Bruchvorgang a) sternförmige Biegerisse b) ringförmige Biege- und Schubrisse c) die horizontale Druckgurtkraft c wird vorwiegend vom Druckring übernommen d) die Vertikalkraft v verursacht Abschervorgang Wie erwähnt wachsen die Durchstanzlasten mit dem Bewehrungsgrad der Biegebewehrung an. Weiters steigt der Durchstanzwiderstand mit der Betongüte, mit der Plattendicke und mit der Querschnittsfläche der Stütze. 14.11.01 339 11. Durchstanzen von Platten 11.2 Nachweis des Durchstanzwiderstandes ohne Schubbewehrung (Durchstanzbewehrung) Das Bild 11.3 a zeigt den sogenannten kritischen Rundschnitt im Aufriß und das Bild 11.3b im Grundriß. Es ist dies die Schnittlinie des Durchstanzkegelstumpfes (Rißneigung 33,7°) mit der Biegebewehung (mittlere statische Nutzhöhe d) dx + dy d = -----------------2 (11.1) Durchstanzkegelstumpf a Deckenplatte θ θ 1,5 d 1,5 d θ = arctan (2/3) = 33,7° cot θ = 1,5 Fundamentplatte kritischer Umfang d h kritischer Rundschnitt Lasteinleitungsfläche 1,5 df θ 1,5 df kritischer Rundschnitt θ df hf Durchstanzkegelstumpf b Acrit 1,5 df u Bild 11.3 Definition des rechnerischen Durchstanzkegels In diesem Rundschnitt ist der Nachweis der Tragfähigkeit (ULS) hinsichtlich Durchstanzen zu führen. Es gilt die halbempirische Formel für den Durchstanzwiderstand ohne Schubbewehrung: 14.11.01 340 11. Durchstanzen von Platten d v = 1,2 ⋅ τ d ⋅ k c ⋅ æ 1,2 + 2000 ⋅ --- ⋅ ρö ⋅ d è l ø (11.2) 1,2 ....................Erhöhungsfaktor aufgrund der dreiachsigen Festigkeit τd ......................Rechenwert der Schubfestigkeit k c = ( 1,6 – d ) ≥ 1 ρ = d in [m] ρ x ⋅ ρ y ≤ 0,015 a sx ρ x = -------- .........Bewehrungsgrad der Biegezugbewehrung in x- und in dx a sy ρ y = -------- .........y-Richtung innerhalb des kritischen Rundschnittes dy l ........................bei Flachdecken: die größere an die betrachtete Stütze anschließende Stützweite; bei Einzelfundamenten: die doppelte größere Grundrißabmessung d .......................mittlere Nutzhöhe (sihe Gleichung (11.1)) l ⁄ d ≥ 20 ...........kleinere Schlankheiten als l/d = 20 dürfen in Gleichung (11.2) nicht in Rechnung gestellt werden 14.11.01 341 11. Durchstanzen von Platten 11.3 Rechenwert der einwirkenden Querkraft Für den kritischen Rundschnitt lautet die mittlere Querkrafteinwirkung V Sd v Sd = ---------u (11.3) VSd ...................Rechenwert der gesamten auf den kritischen Rundschnitt u einwirkenden Querkraft Anmerkung: Bei Platten sollte die Querkraft VSd der absolut größten Normalkraft im Ausschnittsquerschnitt der Stütze entsprechen. Bei Fundamenten darf die Stützenkraft um die Sohlpressung innerhalb des kritischen Rundschnittes abgemindert werden u .......................Umfang des kritschen Rundschnittes entsprechend Bild 11.4. 1,5d 1,5d 1,5d 1,5d b1/2 1,5d b b1/2 a1/2 a1/2 a1 ≤ ì ï í ï î a 2b 5,6d – b1 ìb b1 ≤ í î 2,8d a>b maßgebend für Durchstanzen ≤ 6d l1 ≤ l2 für l1 > l2 ist l2 durch l1 ⋅ l2 zu ersetzen freier Rand freier Rand 1,5d 1,5d 1,5d 1,5d Bild 11.4 14.11.01 Definition des kritischen Rundschnittes 342 11. Durchstanzen von Platten Die mittlere bezogene Schubkraft vSd,m stellt sich nur ein, wenn eine axial-symmetrische Einwirkung und Geometrie vorliegt. Praktisch tritt meist eine gewisse Lastexzentrizität auf: v Sd,sup = β ⋅ v Sd,m (11.4) β .......................Beiwert, der den Maximalwert vSd,sup entlang des kritischen Rundschnittes widerspiegelt β = 1,15 ............für Innenstützen β = 1,40 ............für Randstützen β = 1,50 ............für Eckstützen Wenn die auftretende Lastexzentrizität genauer nachgewiesen wird, können verbesserte β-Werte eingesetzt werden. 14.11.01 343 11. Durchstanzen von Platten 11.4 Nachweisverfahren Der Nachweis der Tragfähigkeit hinsichtlich Durchstanzen bei Platten ohne Durchstanzbewehrung gilt als erbracht, wenn v Sd,sup ≤ v Rd1 (11.5) Andernfalls können folgende Maßnahmen getroffen: • höhere Betongüte anwenden • Vergrößerung der Plattendicke • Stützenkopfverstärkung (Pilzdecke) • Erhöhen der Stützbewehrung • Durchstanzbewehrung (Bügelbewehrung, Dübelleisten) 14.11.01 344 11. Durchstanzen von Platten 11.5 Durchstanzbewehrung Duch Anordnen einer Schubbewehrung innerhalb des kritischen Umfanges kann der Durchstanzwiderstand um maximal 40% erhöht werden, v Sd ≤ 1,4 ⋅ v Rd 1 (11.6) weil andernfalls die Grenztragfähigkeit der Betondruckstreben überschritten wird. Um mit der Durchstanzbewehrung die Biegebewehrung ordentlich zu umschließen, wird eine Plattendicke von mindestens 20 cm benötigt. v Sd ≤ v Rds (11.7) k s ⋅ A sv ⋅ f yd ⋅ sin α v Rds = v Rd1 + -----------------------------------------------n (11.8) vRd1 ..................Abscherwiderstand nach Gleichung (11.2) ks ......................Wirkungsfaktor, abhängig von der gewählten Art und Anordnung der Durchstanzbewehrung Das Bild 11.5 zeigt die Anordnung von vertikalen Bügel innerhalb des kritischen Rundschnittes. a c ≤0,75 d <0,5 d d ~1,5 d b Bild 11.5 Bügelanordnung Für vertikale Bügel und Schrägaufbiegungen gilt k s = 0, 5 (11.9) Für andere Bewehrungssysteme (Dübelleisten, etc.) darf der Durchstanzwiderstand durch Versuche ermittelt und in Zulassungen geregelt werden. Schrägaufbiegungen dürfen nur in Rechnung gestellt werden, wenn diese Bewehrungsstäbe nicht weiter als d/4 vom Stützenquerschnitt entfernt an der Stütze vorbeigeführt werden (Bild 11.6). 14.11.01 345 11. Durchstanzen von Platten <0,5 d d ~2 d ~2 d 0,25 d Bild 11.6 Anordnung von Schrägaufbiegungen a b Bild 11.7 14.11.01 Alternative Durchstanzbewehrung a) Dübelleisten b) Doppelkopfdübel 346 11. Durchstanzen von Platten 11.6 Mindestbiegebewehrung im Bereich der Punktstützung Die Querkrafttragwirkung wird wesentlich durch die über den Stützen durchlaufende Biegebewehrung bestimmt. Um sicherzustellen, daß sich der im Abschnitt 11.1 beschriebene Durchstanzmechanismus einstellen kann, darf die Stützbewehrung nicht vorzeitig beim Auftreten der ersten Radialrisse ins Fließen kommen. Daher ist in den im Bild 11.9 hinterlegt dargestellten Wirkungsbereich beff folgende Mindestbewehrung anzuordnen, V Sd e a s,min = -------------- ⋅ --------z ⋅ f y d b eff (11.10) sofern die Schnittgrößenermittlung nicht zu höheren Werten führt. Die bezogene Ausmitte e/beff kann der Tabell im Bild 11.8 entnommen werden. Die Biegebewehrung nach Gleichung (11.10) ist auf die Breite beff einzulegen und außerhalb des kritischen Rundschnittes zu verankern. Lage der Stütze ex -------- für asx,min b e ff obena untenb Innenstütze 0,125 0 Randstütze Rand in x-Richtung Rand in y-Richtung 0,250 0,125 Eckstütze 0,5 beff ey -------- für asy,min b e ff beff oben unten 0,3 ly 0,125 0 0,3 lx 0 0,125 0,15 ly 0,3 ly 0,125 0,25 0,125 0 0,3 lx 0,15 lx 0,5 0,15 ly 0,5 0,5 0,15 a. „oben“ bedeutet die Biegezugzone der Platte im Stützenbereich b. „unten“ bedeutet die Biegedruckzone der Platte im Stützenbereich Bild 11.8 14.11.01 bezogenen Ausmitte e/beff im Stützenbereich 347 11. Durchstanzen von Platten 0,3 ly ly A my x x x mx A y a 0,3 lx 0,15 lx 0,15 ly y x lx y Bild 11.9 über der Stütze mitwirkende Plattenbreite (Wirkungsbereich) beff Bei Rand- und Eckstützen ist die normal zum Plattenrand verlaufende Biegebewehrung mittels U-Bügel (Haarnadeln) zu verankern (Bild 11.10). Schnitt A-A: Plattenrandbewehrung Bild 11.10 14.11.01 Randeinfassung mit U-Bügeln 348 11. Durchstanzen von Platten 11.7 Durchstanznachweis bei Stützenkopfverstärkung (Pilzdecken) Stützenkopfverstörkungen erfodern einen höheren Schalungsaufwand als Flachdecken. Der Durchstanznachweis entspricht grundsätzlich den Abschnitten 11.2 bis 11.5, wobei die kritischen Rundschnitte im Bild 11.11 und im Bild 11.12 definiert sind. dcrit dcrit kritischer Rundschnitt β hH β β d hH β Lasteinleitungsfächer lH ≤ 1,5 hH lH ≤ 1,5 hH β = arctan (2/3) = 33,7° lc Bild 11.11 kritischer Rundschnitt für eine Stützenkopfverstärkung mit lH < 1,5 hH Bei Stützenkopfverstärkungen mit einer Breite lH, die größer als 1,5 (d+h H) ist, muß der Durchstanznachweis in zwei kritischen Rundschnitten geführt werden. Der zweite Nachweis betrifft die Platte außerhalb der Stützenkopfverstärkung (Bild 11.12) dcrit,ex dcrit,ex dcrit dcrit d hH d β β hH β β lH > 1,5 (d+hH) lH > 1,5 (d+hH) kritische Rundschnitte β = arctan (2/3) = 33,7° lc Bild 11.12 14.11.01 kritischer Rundschnitt für eine Stützenkopfverstärkung mit lH > 1,5 (d+hH) 349 11. Durchstanzen von Platten 11.8 Berücksichtigung der Vorspannung im Durchstanznachweis Die Vorspannung reduziert mit ihrer z-Komponente Pz die auf den Durchstanzkegel einwirkende Querkraft. V red = V Sd – P i ⋅ sin α i å (11.11) (i ) Heute ist es üblich, bei Flachdecken die sogenannte freie Spanngliedlage anzuwenden. Dabei werden die Monolitzen zu Bändern aus zwei bis vier Litzen zusammengefaßt. Sie liegen im Feld direkt auf dem orthogonalen Netz der schlaffen Bewehrung auf und werden über den Stützen an die obere schlaffe Stützenbewehrung aufgehängt. Dazwischen hängt die Spannbewehrung wie ein Seil ohne weitere Unterstützung (Abstandhalter). Deshalb kann jener Winkel αi in Gleichung (11.11), unter dem das Spannglied i den Durchstanzkegel durchdringt, nur unsicher vorausgesehen werden. Er kann sehr klein werden. Deshalb sollte man zur Sicherheit auf die Reduktion der Querkraft auf der Einwirkungsseite gemäß Gleichung (11.11) verzichten. Weiters erhöht die Vorspannung den Durchstanzwiderstand auf der Widerstandsseite um vRdp. v Rd = v Rd1 + v Rdp mit 14.11.01 ( -) (11.12) ( -) v Rdp = – 0,1 ⋅ n p = – 0,1 ⋅ σ c p ⋅ d (11.13) 350 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.1 Allgemeines Die Fachwerkmodelle sind einfache Stabwerkmodelle (meist statisch bestimmte Fachwerke), die zur Lösung von Scheibenproblemen im konstruktiven Stahlbeton Anwendung finden. Daß sich Fachwerkmodelle hiefür eignen, läßt sich mit dem statischen Grenzwertsatz der Plastizitätstheorie begründen. Dieser sagt aus, daß ein Belastungssystem, welches zu einem „statisch zulässigen Spannungszustand“ führt und die Fließbedingungen nicht verletzt, einem unteren Grenzwert für die Traglast entspricht. Ein „statisch zulässiger Spannungszustand“ erfüllt die Gleichgewichtsbedingungen und die statischen Randbedingungen (Lagerbedingungen). Die Zugstäbe (ties) sind meist die Resultierenden einer Bewehrungsschar. Die Druckstäbe (stuts) entsprechen den Resultierenden eines Druckspannungsfeldes (Bild 12.1). a C C xc Bild 12.1 14.11.01 b C C xc typische Druckspannungsfelder a) Parallelspannungsfeld (prismatic stress field) b) fächerförmiges Spannungsfeld (fan) 351 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.2 Tragfähigkeit von Zugstäben (ties) 12.2.1 Unbewehrtes Betonzugspannungsfeld Obwohl normalerweise Zugkräfte durch eine Bewehrung aufgenommen werden, gibt es Fälle, wo die Tragfähigkeit von der Betonzugfestigkeit abhängt. Beispielsweise im Falle von Balken ohne Schubbewehrung (Bild 12.2) oder in Verbund-, Stoß- bzw. Verankerungsbereichen. z TC θ σ1 V ct = σ 1 ⋅ bw ⋅ z ⋅ cot θ Bild 12.2 bw ⋅ z T C = σ 1 ⋅ -------------sin θ Modell mit Betonzugstreben für Balken ohne Schubbewehrung Für den Rechenwert der Betonzugfestigkeit gilt f ctm f 1cd = ---------γ ct ULS: SLS: (12.1) γct = 1,8 γct = 1,0 12.2.2 Bewehrter Zugstab Im ULS kommt die Bewehrung normalerweise ins Fließen. Die reaktive Zugkraft lautet: T s = A s ⋅ f yd 14.11.01 (12.2) 352 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.3 Tragfähigkeit von Druckspannungsfeldern (stuts) 12.3.1 Tragfähigkeit von unbewehrten Druckstreben Die reaktive Kraft in einer Betondruckstrebe ergibt sich zu C c = A c ⋅ f cd, eff (12.3) Ac = b ⋅ x c (12.4) f cd, e ff = ν 2 ⋅ f 1cd (12.5) f ck f 1cd = α ⋅ ------γc (12.6) Ac .....................Querschnittsfläche des Druckspannungsfeldes fcd,eff .................effektive Druckfestigkeit des Betons α = 0,85............Faktor, der das Verhältnis zwischen der einachsigen Festigkeit im Bauwerk und der experimentell ermittelten Zylinderfestigkeit erfaßt. γc = 1,5 .............Teilsicherheitsbeiwert für Beton ν2 = 1,0 ............für gerissene Druckstreben mit gleichmäßiger Spannungsverteilung ν2 = 0,8 ............Druckspannungsfelder, die von Querbewehrungen mit Verbund durchsetzt sind. Die Abminderung ist auf den Querzug in der Bewehrung und auf Störungen des Kraftflusses in den Druckstreben durch die Bewehrung, sowie auf unregelmäßige Rißoberflächen zurückzuführen ν2 = 0,6.............Druckstreben, die Druckkräfte über Risse mit normaler Rißbreite übertragen, z.B. in Stegen von Balken ν2 = 0,45 ..........Druckstreben, die Druckkräfte über große Risse übertragen, z.B. in Flanschen (Gurtplatten) mit nahezu zentrischem Zug 12.3.2 Tragfähigkeit von bewehrten Druckstreben Wenn parallel zu den Druckspannungen Druckbewehrungen angeordnet sind, die durch eine entsprechende Querbewehrung gegen Ausknicken gesichert sind, darf diese Druckbewehrung wie in Druckgurten von Balken oder bei Stützen in Rechnung gestellt werden. C Rd = A c ⋅ f cd, eff + A sc ⋅ σ s (12.7) Asc ....................Fläche der Druckbewehrung σ s = – E s ⋅ 0, 002 ≥ f y( -d) (12.8) 12.3.3 Umschnürte Druckstreben Die Tragfähigkeit von Druckstreben kann durch eine Wendel oder eine entsprechende Querbewehrung erhöht werden, weil diese die Querdehnung behindert und dabei einen 3D-Druckspannungszustand bewirkt. 14.11.01 353 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models σ1 σ2 = σ 3 σ2 = σ 3 Spannungs-Dehnungs-Beziehung für ein-, zwei- und dreiachsig beanspruchten Beton =0 σ3 = 0 ε1 σ1 σ1 σ2 oder σ2 σ1 σ3 σ2 σ2 σ3 σ1 = Bild 12.3 =0 σ1 σ1 =0 Erhöhung der Druckfestigkeit durch Querdehnungsbehinderung Das Anwachsen der Festigkeit kann näherungsweise durch folgende Beziehung in Rechnung gestellt werden. f cc d = ( 1 + 1, 6 ⋅ α ⋅ ω W ) ⋅ f 1cd C Rd = A cc ⋅ f c cd (12.9) (12.10) CRd ...................Tragfähigkeit einer umschnürten Druckstrebe Acc ....................Fläche des Betonkernes innerhalb der Umschnürung Die Beiwerte α und ωW in Gleichung (12.9) sind in Bild 12.4 definiert. 14.11.01 354 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a Asw str Asw Acc sl bc x dc=bc d 4A sw f yd ω w = ----------------- ⋅ ------b c ⋅ s tr f cd 4A s w f yd ω w = -------------- ⋅ ------d c ⋅ s l f cd Asw Acc 9A sw f yd ω w = -------------- ⋅ ------bc ⋅ s l f cd bc b b c α 0,4 0,3 f ccd -------f 1cd 0,4 s α = 1, 6 ⋅ -----bc f ccd -------- = 1 + 1, 6 ⋅ α ⋅ ω w f 1cd 0,2 1,0 0,1 0,25 0 Bild 12.4 0,1 0,2 0,3 0,4 s -----b c 0 0,1 0,2 0,3 0,4 α ω w Tragfähigkeit von umschnürtem Beton 12.3.4 Reduktion der Tragfähigkeit von Druckstreben durch querlaufende Stäbe oder Hüllrohre Wenn eine Druckstrebe mit der Breite b von Stäben oder Hüllrohren durchkreuzt wird und die Summe ihrer Durchmesser b/6 überschreitet, sind die Druckspannungen auf der Basis der reduzierten Breite nachzuweisen. b red = b – η ⋅ å ∅ (12.11) η.......................Koeffizient, der von der Steifigkeit der Stäbe oder Hüllrohre abhängt η = 0,5..............für Stäbe im Verbund und mit Injektionsmörtel ausgepreßte Hüllrohre η = 1,2..............für Spannglieder ohne Verbund und nicht injizierte Hüllrohre Die reduzierte Tragfähigkeit der Druckstrebe lautet C Rd = x c ⋅ b red ⋅ f cd, eff 14.11.01 (12.12) 355 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.4 Fachwerkknoten 12.4.1 Verankerung von Bewehrungsstäben a über Verbundwirkung b mittels Haken d mittels Schlaufen e mittels Bügelschlaufe c Splintstab f Bild 12.5 mittels Ankerplatte Verschiedene Möglichkeiten für die Verankerung von Bewehrungsstäben Kegelstumpf Zylinder σx u C = -T T σc u u lbd Bild 12.6 Fachwerkmodell für den Verankerungsbereich (Verbundanker) Die Verankerungslänge lbd hängt von der Art der Verankerung und von der aktuellen Spannung im Bewehrungsstab ab erf A s l bd = αa ⋅ l b ⋅ -------------------vorh A (12.13) s 14.11.01 356 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models d s ⋅ f yd l b = ----------------4 ⋅ fbd (12.14) f bd = 1, 05 ⋅ f ctm (12.15) lb.......................Grundmaß der Verankerungslänge ds......................Durchmesser des Bewehrungsstabes fbd .....................Rechenwert der Verbundfestigkeit für gute Verbundbedingungen. Sie sind im Bild 12.7 definiert. In allen anderen Fällen ist fbd mit 0,7 zu multiplizieren αa .....................Beiwert, der den Typ der Verankerung erfaßt (Bild 12.8) erf As ................erforderliche Stahlfläche vorh As .............vorhandene Stahlfläche Begründung für Gleichung (12.13) siehe Bild 12.9 ( a ) 45° ≤ α ≤ 90° für alle Werte von h h (c) 250 mm < h < 600 mm α (b) h ≤ 250 mm h/2 (d) h ≥ 600 mm 300 mm h/2 a und b: gute Verbundeigenschaften für alle Stäbe c und d: gute Verbundeigenschaften für Stäbe im schraffierten Bereich schlechte Verbundeigenschaften für Stäbe außerhalb des schraffierten Bereiches Bild 12.7 14.11.01 Bedingungen für gute Verbundeigenschaften 357 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Koeffizient αa für Verankerung in Verankerungstyp Zug Druck ∅ 1,0 1,0 0,7 1,0 0,7 0,7 0,5 0,7 lb net ≥ 5∅ ≥ 5∅ db α ≥ 135° db ∅ 135° > α ≥ 90° ∅ db lb net lb net ∅ lb net ∅ lb net ≥ 5∅ Querbewehrung ≥ 5∅ db α ≥ 135° lb net db ∅ 135° > α ≥ 90° ∅ db lb net lb net Beiwert αa zur Berücksichtigung der Verankerungsart Bild 12.8 Ts Td = vorh As · fyd erf A s ( x ) T ( x ) = ---------------------------- ⋅ T d vorh A s ( x ) T(x) = erf.As(x) · fyd lbd Bild 12.9 14.11.01 ∅ erf A s l bd = l b ⋅ -------------------vorh A s x lb lb ... Grundverankerungslänge Reduktion der Verankerungslänge, wenn die Tragfähigkeit der Bewehrung nicht ausgenützt ist 358 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.4.2 Überlappungsstoß a ohne Querbewehrung Betonzugspannungsfeld b mit Querbewehrung (oder Wendel) l0 Bild 12.10 14.11.01 Bewehrungsstoß a) ohne Querbewehrung b) mit Querbewehrung 359 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.4.3 Druck-Druck-Zug-Knoten D Dx σc θ T horizontale Schlaufen oder liegende Haken σc1 R Dx Dx Bild 12.11 14.11.01 T T D-D-Z-Knoten - Schemaskizze 360 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a b a2 a2 C2 C2 σ σ c2 T T u σ c2 0 C σ c1 C1 u c1 ≥ 2c C1 a1 a1 = lb lb a2 c C2 σ C2 c2 T T u C1 σ c1 C1 a1 Bild 12.12 14.11.01 Verankerung in D-D-Z-Knoten a) Lagerlänge gleich Verankerungslänge b) Verankerungslänge teilweise hinter Knoten c) Schlaufenverankerung 361 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a db c 2c db/2 c 2c lb, net Beispiele: Endauflager von Balken Konsolen Bild 12.13 14.11.01 Bewehrungsdetail im Bereich a) Verankerung mit Haken b) Verankerung mit Haarnadeln 362 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.4.4 Druck-Druck-Druck-Knoten D σc3 C D a θ C R σc2 σc1 R b F C D c D D C θ C2 C C1 C2 R Bild 12.14 C2 R D-D-D-Knoten Anwendungsbeispiele: konzentrierte Lasteinleitung, Zwischenauflager; Anmerkung: An die Stelle von Druckstreben können auch Ankerplatten von Zugstäben treten. 14.11.01 363 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.4.5 Zug-Zug-Zug-Knoten T1 ≥l bd Betonankerkörper (oder Stahlankerplatte) T2 T1 T2 2D - Druck ≥ l bd ≥ l bd T2 Bild 12.15 14.11.01 T2 Schiefwinkeliger Bewehrungsstoß 364 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.4.6 Zug-Druck-Zug-Knoten T1 D T1 D T2 θ ohne Splintstab: dB ≥ 40 ds dB T2 = T1 Riß Bü s s s ge u u s s s 14.11.01 te r s s Splintstab Bild 12.16 lle i d B ≥ 2, 0d s Kraftübertragung über Umlenkkräfte 365 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models T1 /2 T1 /2 T1 σc D T2 T2 /2 T2 /2 Bild 12.17 Bügelschlaufenkorb D D D V ---2 V V ---- ---2 2 V ---2 Bild 12.18 14.11.01 V ---2 V V ---- ---2 2 D Dx V ---2 ∆T Abstützung von Betondruckstreben auf die Bügelecken (Schub in Balkenstegen) 366 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5 Diskontinuitätsbereiche Als Diskontinuitätsbereiche (D-Bereiche) werden jene Zonen in Stabtragwerken bezeichnet, die nicht nach der Stabtheorie (Ebenbleiben der Querschnitte, σy = 0, σz = 0, etc.) behandelt werden können. Es handelt sich dabei im weitesten Sinne um (örtlich begrenzte) Scheibenprobleme, die man näherungsweise mit Hilfe einfacher Fachwerke (stuts and ties) modellieren kann. Als B-Bereiche bezeichnet man jene Bereiche, für die in guter Näherung die Stabtheorie gilt. Das Bild 12.19 zeigt die Aufteilung in B- und D-Bereiche am Beispiel eines Rahmentragwerkes lastbedingte Diskontinuitäten D0DD1 D D1 B D1 D0 D2 D1 B B D1 D0 B D1 D0 - Bereich Rahmenknoten D1 D1 B D1 D0 D1 B D1 D2 D0 D1 h D1 h D2 B D1 D1 geometrisch bedingte Diskontinuitäten h1 D3 h1 Bild 12.19 h2 h2 Aufteilung eines Stabwerkes in B- und D-Bereiche Prinzipiell ist zwischen „lastbedingten“ und „geometrisch bedingten“ Diskontinuitäten zu unterscheiden. 12.5.1 Konzentrierte Lasteinleitung 12.5.1.1 Teilflächenpressung Einzellasten werden über entsprechende Aufstandsflächen (Lastplatten) in den Beton eingeleitet (Bild 12.20). Direkt unter der Lasteinleitungsfläche stellt sich ein dreidimensionaler Druckspannungszustand ein. Dort kann die Betonfestigkeit wie folgt nachgewiesen werden. 14.11.01 A f 3cd = f 1c d ⋅ ------ ≤ 3, 3 ⋅ f 1c d A1 (12.16) F σ c = -----A1 (12.17) σ c ≤ f 3cd (12.18) 367 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models -x a b -y -z F AI = a ⋅ c A = b⋅d a F a c C C le le Ts Ts σx d b d F σ x = konst = σ II = ----------- = σ 0 b⋅d c a1 F/2 F/2 ~ a/2 ~ a/2 a Bild 12.20 konzentrierte Lasteinleitung a) Definition der Bezeichnungen b) Trajektorienverlauf im Mittenschnitt c) Fachwerkmodell für Spaltzugbewehrung d) Scheibe 12.5.1.2 Spaltzug Das Bild 12.20 b zeigt schematisch den Verlauf der Druckspannungstrajektorien. Unter der Aufstandsfläche, wo die Trajektorien konkav verlaufen, sind die Umlenkkräfte nach innen zur Wirkungslinie der Kraft hin orientiert. Es entstehen hier Querdruckkräfte C. Im mittleren Bereich, wo die Trajektorien konvex verlaufen, wirken die Umlenkkräfte nach außen. Es entstehen Querzugkräfte T, die als „Spaltzugkräfte“ bezeichnet werden. Für die Spaltzugkraft ergibt sich aus Bild 12.20 c 14.11.01 368 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a–a --------------1Ts 4 ----------- = --------------F⁄2 a --2 (12.19) a1 F T s = æ 1 – ------ö ⋅ --è aø 4 (12.20) Das Bild 12.21 zeigt weitere mögliche Fachwerkmodelle zur Festlegung einer geeigneten Spaltzugbewehrung. a F C a T b1 a + b1 b b F F F a1 a1 a F F a1 F Bild 12.21 14.11.01 Fachwerkmodelle a) Scheibe (z.B. Vorspannung) b) Druckstrebe (oder Stütze) 369 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5.1.3 Exzentrische Lasteinleitung Das Bild 12.22 zeigt den linear-elastisch berechneten Trajektorienverlauf bei zentrischer und exzentrischer Lasteinleitung. a a F F d d σx F σ 0 = ----------- = σ x b⋅d Bild 12.22 Trajektorienverlauf und Lasteinleitungszonen a) zentrische Lasteinleitung b) exzentrische Lasteinleitung Das Bild 12.23 enthält die zugehörigen Fachwerkmodelle σc ⋅ b2 b2 F2 Schwerpunkt F σc ⋅ b3 b3 F3 F1 σc ⋅ b1 b1 T b c a F/2 F T=-C F⋅e=T⋅a C F/2 F e F σc Bild 12.23 14.11.01 Fachwerkmodell für Lasteinleitungsprobleme a) zentrische Vorspannung bei unterschiedlich breiten Gurten b) exzentrische Lasteinleitung - kleine Ausmitte c) exzentrische Lasteinleitung - große Ausmitte 370 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a2 e a1 F Ersatzprisma a σy a = 2a2 d a1 a2 F a = 2 a2 0,1 a Querdruck 0,6 a Querzug 0,3 a „keine“ Querspannungen a F --2 F --2 a Bild 12.24 „lokale“ Spaltzugbewehrung bei exzentrischer Lasteinleitung Das Bild 12.24 zeigt die örtlichen Spaltzugwirkung hinter der Lasteinleitungsplatte bei exzentrischer Lasteinleitung. Die Spaltzugkraft a1 T s = 0, 3 ⋅ F ⋅ æ 1 – ------ö è aø (12.21) ist im Bereich zwischen 0,1 · a und 0,7 · a zu verteilen. Das Bild 12.25 zeigt, wie sich die Fachwerkmodell mit der Art der Einwirkung ändern. 14.11.01 371 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a b P P 0,25 P P P 0,25 P P P 0,25 P Bild 12.25 Fachwerkmodelle im Einleitungsbereich der Vorspannkraft a) nur P einwirkend b) neben P wirkt noch die Auflagerkraft 0,25 · P ein 12.5.1.4 Konzentrierte Lasteinleitung innerhalb einer Scheibe Im Spannbeton werden hohe Vorspannkräfte häufig innerhalb von Scheiben eingeleitet - beispielsweisee in den Gurtscheiben oder Stegen von Kastenquerschnitten. Um die Rißbildung im Bereich der Lasteintragung klein zu halten, muß die hinter der Lasteinleitung liegende „spannungslose“ Scheibenzone gezwungen werden, sich mit der vor der Last liegenden gedrückten Scheibenzone zu verformen. Dies wird durch ein „Rückhängen“ eines Teiles P2 der Vorspannkraft erreicht. 14.11.01 372 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a b P RISSE c d e T2 P1/2 P1/2 P2/2 P/2 P/2 T1 Bild 12.26 P2/2 P1/2 P1/2 P2/2 P/2 P/2 Einleitung einer konzentrierten Einzellast innerhalb einer Scheibe a) Ausgangssituation b) Risse infolge der Stauchung der Scheibenzone unter der Lastplatte (Ankerplatte) c) Grundmodell für die Einleitung der Vorspannkraft d) Sekundärmodell für die Einleitung der Vorspannkraft e) Kombination aus c und d a b Sprengwerk c P 0,125P 0,03P 0,63P 0,123P 0,63P 0,18P P/2 P/2 P2/2 0,18P P2/2 P1/2 P1/2 1/8P 1/8P 3/8P 3/8P Bild 12.27 14.11.01 a) Alternatives Modell zu Bild 12.26 e b) Bewehrungsführung c) Fachwerkmodell nach MC90 mit orthogonaler Bewehrung 373 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5.1.5 Lasteinleitungsfächer in Balkenstegen Das Bild 12.28 a zeigt, wie unter einer Einzellast das Betondruckspannungsfeld fächerartig ausstrahlt. Zwischen den Betonstreben können sich Risse ausbilden. Die Fußknoten der Druckstreben werden einerseits durch die Querbewehrung (Bügel) hochgehängt. Andererseits werden die horizontalten Spreizkräfte durch eine entsprechende Längsbewehrung verschlossen. F a Bügelkräfte 2D - Druck 1D - Druck b C T R Bild 12.28 14.11.01 Lasteinleitungsfächer a) unter Einzellasten oder über Zwischenauflagern bei Durchlaufträgern b) bei Endauflagern von Balken 374 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models D - Bereich (Fächer) B - Bereich D - Bereich (Fächer) B - Bereich F F „echter“ B-Bereich M = const V=0 B Bild 12.29 14.11.01 unechter B-Bereich zwischen den Lasteinleitungsfächern 375 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5.2 Endauflager bei Balken 12.5.2.1 schlaff bewehrter Balken Im Bild 12.30 ist das fächerförmige Druckspannungsfeld in Abhängigkeit von der Rißrichtung θ geometrisch definiert. a1 -----2 d 1 ⋅ cot θ z --- ⋅ cot θ 2 z --- ⋅ cot θ 2 C NSd Tsz zs θR θ z Riss Ts d1 Tsx R = VSd a1/2 a1/2 Bild 12.30 Fachwerkmodell für direkte Endauflagerung zs T sx = V Sd ⋅ cot θ R + N Sd ⋅ æ 1 – -----ö è zø (12.22) 1 cot θ R = ------ ⋅ [ a 1 + ( 2d 1 + z ) ⋅ cot θ ] 2z (12.23) Für die resultierende Bügelkraft Tsz ergibt sich nach Abzug der direkt auf den Auflagerfächer einwirkenden Belastung q a1 T sz = V Sd – q ⋅ æ ------ + ( d 1 + z ) ⋅ cot θö è 2 ø (12.24) und die erforderliche Bügelbewehrung in diesem Bereich A sw T sz a sw = ---------- = ------------------------------s f y d ⋅ z ⋅ cot θ 14.11.01 (12.25) 376 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Haarnadeln Bild 12.31 Bewehrungsführung im Bereich eines Endquerschnittes 12.5.2.2 Vorgespannter Balken Das Bild 12.32 zeigt das Fachwerkmodell am Ende eines vorgespannten Balkens mit der Auflagerreaktion R und den beiden Vorspannkräften P1 und P2. Bemerkenswert ist, daß die Kräfte P 1 + P 2 die aus der Querkraft resultierende Zugkraft Ts = V · cot θ1 überdrückt. Infolgedessen ist hier im Auflagerbereich keine schlaffe Bewehrung erforderlich. Obergurt (Druckgurt) Querschnitt Steg P1 φ1 P2 Untergurt (Zuggurt) Bild 12.32 14.11.01 vorgespannter Balken: Lasteinleitung am Balkenende 377 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5.3 Indirekte Lagerung lasttragender Träger A Aufhängebügel lastbringender Träger B Träger A Träger B V1 V1 „Aufhängebügel“ V1 Träger A V2 V3 „Aufhängebügel“ V2 V3 V2 V3 Träger B Bild 12.33 Indirekte Lagerung: Fachwerkmodell und Aufhängebügel Das Bild 12.33 zeigt das Fachwerkmodell im Bereich der indirekten Lasteinleitung und die für das Hochhängen der Querkraft V1 erforderlichen Aufhängebewehrung. 14.11.01 378 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Träger A 4 Träger B 5 Haarnadeln 2 1 3 Träger B 4 5 5 Träger A Haarnadeln 2 3 1 Bild 12.34 14.11.01 Indirekte Lagerung: Bewehrungsführung 379 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5.4 Auflagernahe Lasten Das Bild 12.35 zeigt einen Balken, auf den eine Einzellast F im Abstand x0 vom Auflager einwirkt, sodaß die beiden Lasteinleitungsfächer einander berühren. In diesem Fall müssen die Bügel im Bereich a die gesamte Querkraft R über den Riß tragen. aF F=R+V R a a = z · cot θ V V Riß θ R 1 x 0 = a + --- ⋅ ( a R + a F ) 2 x0 aR R V b C V T R Bild 12.35 unmittelbar benachbarte Lasteinleitungsfächer a) Spannungsfelder b) Fachwerkmodell Wenn die Einzellast F in einem Abstand x > x0 angreift, stellt sich zwischen den Lasteinleitungsfächern ein normaler Schubbereich (B-Bereich) ein. Greift die Einzellst F in einem Abstand x < x0 an, so trägt sich ein Teil F1 der Last F über eine Sprengwerkwirkung direkt zum linken Auflager ab. Der Teil F2 wird mit Hilfe der Bügel über eine Fachwerkwirkung zum linken Auflager getragen. Der (kleine) Lastanteil F3 trägt sich zum rechten Auflager ab.(Bild 12.36) 14.11.01 380 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models F V 0,5 < x < x0 x R F1 Fachwerk F2 F3 F = F1 + F2 + F3 rk we g n re p S Fachwerk V=F3 R Bild 12.36 Auflagernahe Last Kombination aus Schubtragwirkung (Fachwerk) und Sprengwerkwirkung (0,5 < x < x0) Mit abnehmedem Abstand x wird die Sprengwerkwirkung dominant F1 → F (Bild 12.37). In diesem Fall stellt sich ein schräge Druckstrebe ein, die sich vom Bild 12.22 nur dadurch unterscheidet, daß die Spaltzugbewehrung nicht normal zur Achse der Druckstrebe angeordnet ist. 14.11.01 381 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models F a F b x x C z T x ≤ 0,5 z R R F c d V1 V2 z θ θ e = z/2 e = 2z R θ = 63,4° e = z/2 Bild 12.37 θ = 26,6° e = 2z auflagernahe Last (Sprengwerkwirkung) a) Druckspannungstrajektorien (schematisch) b) vereinfachte Spannungsfelder c) Fachwerkmodell - volle Sprengwerkwirkung d) Fachwerkmodell - keine Sprengwerkwirkung (vgl. Bild 12.35) Bei der Laststellung im Bild 12.37 c sind keine vertikalen Bügeln erforderlich (volle Sprengwirkung). Bei der Laststellung im Bild 12.37 d ist die Querkraft V1 voll von vertikalen Bügeln zu übernehmen. Für Laststellungen dazwischen (z/2 < x < 2z) kann der Anteil α · V1, den die Bügel abtragen, linear interpoliert werden. x 2 --- – 1 z α = ---------------3 14.11.01 (12.26) 382 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5.5 Konsolen Konsolen sind kurze Kragkonstruktionen, auf die konzentrierte Einzellasten einwirken. H Sd ∆ a = ----------- ⋅ a V Sd 1 a a b e > 2z e VSd VSd HSd a1 z Stütze, Wand, etc. HSd h c Konsole e d z z --- ≤ e ≤ 2z 2 e VSd HSd z 0, 3z ≤ e ≤ 0, 5z e F H Bild 12.38 z Definition einer Konsole a) Übersicht mit Fachwerkgrundmodell b) Kragbalken c) normale Konsole d) kurze Konsole Im statischen Sinne wirkt eine Konsole als Scheibe (ebenes Flächentragwerk), wogegen der Kragbalken (Bild 12.38 b) nach der Stabtheorie behandelt wird. Konsolen tragen ihre Last wie auflagernahe Lasten direkt über schiefe Druckstreben auf ihre Auflager ab. Man erhält das Bild 12.39 aus dem Bild 12.37, indem man letzteres auf den Kopf stellt. Das heißt, die Tragwirkung von Konsolen ist mit jender von Balken unter auflagernahen Lasten identisch. 14.11.01 383 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a b VSd e VSd T z horizontale Stegbewehrung C R R Bild 12.39 Konsole a) vereinfachte Spannungsfelder b) Fachwerkmodell Direkt an die Konsole schließt stets ein weiterer Diskontinuitätsbereich (D-Bereich) meist in Form eines Rahmenknotens an. Stets sind die Fachwerkmodelle für beide D-Bereiche gemeinsam zu betrachten; das heißt, der Kraftfluß ist stets konsequent bis in die Gründung des Bauwerkes hinaus zu verfolgen! Vorgangsweise bei der Bemessung einer Konsole a a+∆a c b VSd HSd HSd T1 N1 T1 a3 z/2 T2 z/2 b e Cz VSd α·e e a2 14.11.01 T2 θ Cx Bild 12.40 N1 h zd N2 VSd Definition der Bezeichnungen a) für Bemessung von T1 und N 1 b) Bewehrung im Querschnitt c) für Bemessung von T2 V Sd a 2 = --------------b ⋅ f cd (12.27) f cd = ν 1 ⋅ f 1cd (12.28) 384 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models mit f ck ν 1 = 0, 7 – ---------200 (12.29) a2 e = ------ + a + ∆a 2 (12.30) a3 e cot θ = ------ = --z a2 (12.31) a3 z = d – -----2 (12.32) a3 = d – d 2 – 2 ⋅ a2 ⋅ e (12.33) e T 1 = V Sd ⋅ --- + H Sd z (12.34) T1 erf A s1 = ------f yd (12.35) aus Bild 12.40 c folgt e T 2 = ( 2α – 1 ) ⋅ V Sd ⋅ --z (12.36) für α = 0,7 ergibt sich daraus e T 2 = 0, 4 ⋅ V Sd ⋅ --z (12.37) T2 erf A s 2 = ------f yd (12.38) Neben der Bemessung der Bewehrung As1 sind die Nachweise für den Druck-Druck-Zug-Knoten N 1 (Lagerpressung σ c ≤ 0, 8 ⋅ f cd , Verankerung der Kraft T1), sowie dessen konstruktive Durchbildung von besonderer Bedeutung. Bei kleinen Konsolabmessungen ist es ratsam, eine Zeichnung der Bewehrungsführung im Maßstab 1:1 anzufertigen, die den Platzdurchmesser der Bewehrung und die Biegeraden berücksichtigt und Probleme bei der Ausführung vermeiden hilft. Um eine entsprechende Betonqualität sicherzustellen, muß der Beton leicht einzubringen und gut verdichtbar sein. Daher sind extreme Bewehrungsführungen zu vermeiden. 14.11.01 385 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models F a Pos 1 Pos 1 Pos 2 D Pos 4 Pos 2 Pos 5 Pos 3 ≥ lbd Pos 5 D > 5 ds für ds < 20 D > 6 ds für ds ≥ 20 Pos 1 Pos 2 Pos 3 Pos 5 Pos 4 b Pos 2 Pos 1 Pos 4 Pos 5 Pos 3 Pos 1,3 Pos 4 Pos 5 Pos 2 Bild 12.41 14.11.01 Bewehrung einer Konsole a) mittels horizontaler Schlaufen b) mittels horizontaler Bügel 386 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a F1 b F1 T1 Bild 12.42 F2 F2 T2 Fachwerkmodell für einen symmetrisch belasteten Hammerkopf a) Grundmodell b) schräge Aufhängebewehrung oder Schrägbügel a b Bild 12.43 Geometrische Festlegung der Fachwerkmodelle mit Hilfe von vereinfachten Betonspannungsfeldern 1,2F 1,2F 1,2T1 1,2T 2 Bild 12.44 Bewehrungsführung Im Bild 12.42 sind zwei verschiedene Fachwerkmodelle für einen symmetrisch belasteten Hammerkopf skizziert, wie er beispielsweise am oberen Ende von Brückenpfeilern vorkommt. Im Bild 12.43 sind die zugehörigen Betonspannungsfelder dargestellt. Die beiden Fachwerkmodelle können auch miteinander kombiniert werden, wobei man die Aufteilung der Last FSd auf die beiden Fachwerke frei wählen kann. Es ist jedoch zweckmäßig, dem Modell a einen 14.11.01 387 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models größeren Lastanteil zuzuordnen, als dem Modell b - beispielsweise: F1 = 0,6 FSd F2 = 0,4 FSd Wegen der Bedeutung derartiger Konsolen für die Tragsicherheit des gesamten Bauwerkes sollte bei der Konsolbewehrung nicht gespart werden. Sie macht nur einen unbedeutenden Anteil an den Gesamtkosten des Bauwerkes aus. Deshalb sollte die Konsole mit einen um etwa 20% erhöhten Lastfaktor bemessen werden - d.h. für die Last 1,2 FSd. Im Bild 12.44 ist die Bewehrung für die Kombination beider Fachwerkmodelle skizziert. Zusätzlich ist noch eine konstruktive (risseverteilende) Netzbewehrung anzuordnen. Unsymmetrische bzw. einseitige Lasten werden im Abschnitt xx11.6.1.3 xxbehandelt. Das Fachwerkmodell im Bild 12.42 wird häufig bei abgeschrägten Konsolen verwendet (Bild 12.45). Die Einbindung der Schrägbügel oder Haarnadeln in die Stütze ist mit Fachwerkmodellen zu verfolgen. As ≥ 0,6 h h ≥ 0,4 As Bügel oder Haarnadeln Bild 12.45 14.11.01 unten abgeschrägte Konsole 388 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5.6 Geometrische Diskontinuitäten Bisher wurden im wesentlichen Diskontinuitätsbereiche behandelt, die im Umfeld von konzentrierten Lasteinleitungen (Einzellasten) auftreten. Höhensprünge und Löcher in Balken verursachen geometrisch bedingte D-Bereiche, die nachfolgend diskutiert werden. 12.5.6.1 Höhensprünge in Balken Das Bild 12.46 zeigt einen Balken mit Höhensprung unter unterschiedlichen Schnittkräften. a M > 0, V > 0 C1 C2 z1 V V z2 T1 b M > 0, V < 0 T2 C1 C2 V T1 c M < 0, V > 0 T1 T2 Riß T2 z1 V V z2 C1 d C2 M < 0, V < 0 Riß T1 T2 V C1 Bild 12.46 z2 V Riß 14.11.01 z2 V C2 Höhensprünge in einem Balken 389 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5.6.2 Ausklinkungen (Gerbergelenk) Das Bild 12.47 zeigt ein Gerbergelenk, bestehend aus einer negativen und einer positiven Ausklinkung. a b c „Haarnadeln“ „Haarnadeln“ Bild 12.47 14.11.01 Gerbergelenk a) Fachwerkmodell b) Fachwerkmodell mit Beton-Druckspannungsfeldern c) Bewehrungsführung 390 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5.6.3 Löcher in Balkengurten, bzw. Scheiben a T T T T T T T T b C C C C Bild 12.48 Öffnungen in Scheiben a) einachsiger Zug b) einachsiger Druck Anmerkung: Die linke Bildhälfte zeigt das Fachwerkmodell ohne Spannungsfelder, die rechte Bildhälfte zeigt dasselbe Fachwerk mit Spannungsfelder Die im Bild 12.48 dargestellten Fachwerkmodelle für Scheiben lassen sich sinngemäß auch auf Platten mit Durchbrüchen übertragen. P/2 P/2 P/2 P/2 P/2 P/2 P/2 P/2 Bild 12.49 14.11.01 Scheibe mit Loch und vorgespannten Rändern 391 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.5.6.4 Löcher in Balkenstegen a 1 2 V M1 M2 V a b C1 ∆ C2 V0 z T1 T2 c ∆ M V d Bild 12.50 14.11.01 V0 V0 V0 V0 Rechtecköffnung in einem Steg a) Ansicht b) Verformung im Bereich des Loches c) Schnittgrößenverlauf aber, bzw. unter der Öffnung (qualitativ) d) Bewehrungsführung V = Vo + Vu (12.39) 12 ⋅ EJ V o = ------------------ ⋅ ∆ 3 a (12.40) 12 ⋅ EJ V u = ------------------ ⋅ ∆ 3 a (12.41) Vo J ------ = -----o Vu Ju (12.42) Jo V o = ------------------ ⋅ V Ju + J o (12.43) 392 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Ju V u = ------------------ ⋅ V Ju + J o (12.44) Schubbemessung mit θo = 30° und θu = 60° a a Biegebemessung für M o = V o ⋅ --- und M u = V u ⋅ --2 2 Das Bild 12.51 Balken mit Loch im Stegzeigt Fachwerkmodelle in Abhängigkeit von der Lage und Abmessung der Öffnung. a b c Bild 12.51 14.11.01 Balken mit Loch im Steg 393 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.6 Rahmenknoten 12.6.1 Rahmenecken positives Rahmeneck negatives Rahmeneck Biegemomente − + − Verformung − + negatives Rahmeneck positives Rahmeneck M(-) M(+) Bild 12.52 Definition der Begriffe „positives“ und „negatives“ Rahmeneck 12.6.1.1 Negatives Rahmeneck mit h1 ≈ h2 T2 a T2 b z2 h2 C2 C2 T1 C1 h1 z1 c T2 T2 d C2 C2 T1 C1 z1 Bild 12.53 14.11.01 Fachwerkmodell für ein negatives Rahmeneck mit ungefähr quadratischem Rahmeneck a) Grundmodell: Kraftumlenkung im Z-Z-D- Knoten mittels Ankerplatten b), c) Kaftumleitung über Umlenkkräfte (entsprechend xxx) d) Kraftumlenkung über Schub 394 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models d B = 0, 8 ⋅ h 1 a b Pos 1 Pos 4 Pos 6 h2 Pos 5 AF AF Pos 3 Pos 2 h1 Bild 12.54 M h1 < h2 Anmerkung: Pos 2 bis 5 sind konstruktiv Pos 4 und 5: Eckbewehrung Pos 1: Hauptbewehrung Pos 6: Bügelleiter M Bewehrungsführung a) zu Bild 12.53 b und c Anmerkung: Die Pos 1 sollte großteils ungestossen durchlaufen. Dies kann in Zusammenhang mit der Arbeitsfuge AF Schwierigkeiten bei der Bauausführung bereiten. b) zu Bild 12.53 d Anmerkung: Schubscheiben setzen entsprechend große Abmessungen der Rahmenecken voraus. Sie können auch mit dem Biegemodell (Bild 12.53 a bis c) kombiniert werden. Spannungsfelder Fachwerkmodelle Bild 12.55 14.11.01 negatives Rahmeneck unter Berücksichtigung von Normal- und Querkräften 395 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.6.1.2 negatives Rahmeneck bei hohem Riegel (h2 >> h1) a T2 b V z2 C2 T1 C1 z1 Bild 12.56 Rahmeneck bei großem Unterschied der Querschnittshöhe zwischen Riegel und Stiel a) Fachwerkmodell b) Bewehrungsführung 12.6.1.3 Einseitig belasteter Hammerkopf Der symmetrisch belastete Hammerkopf wurde unter 12.5.5 besprochen (Bild xxx). Der einseitig belastete Hammerkopf verhält sich wie ein negatives Rahmeneck (Bild 12.57). Bei einer schlanken Stütze im Vergleich zöur Höhe der Konsole stellt sich das Fachwerkmodell im Bild 12.56 ein. Das Bild 12.57 b zeigt schematisch die Bewehrungsführung, die sich aus der Überlagerung der Modelle in den xx und Bild 12.57 a ergibt. a b F2 F1 F = F1 + F2 TF1 TF 2 e M = F2 · e Bild 12.57 14.11.01 unsymmetrisch belasteter Hammerkopf a) einseitige Last b) Überlagerung 396 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.6.1.4 Positives Rahmeneck a b h2 z M2 h1 h2 M2 h1 M1 c d h2 Schrägbügel M2 AF „Haarnadeln“ h1 M1 Bild 12.58 14.11.01 Fachwerkmodell für ein positives Rahmeneck a) einfache Umlenkung der Druckstrebe b) doppelte Umlenkung der Druckstrebe c) dreifache Umlenkung der Druckstrebe d) Bewehrung bei geringen Momenten; (konstruktive Bewehrung nicht eingezeichnet) 397 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a Hackenausbildung (Alternativen) C T Riß C T verschlossenes Bügelnetz b C2 AF T2 C1 c AF T1 s 1 s Riß Bild 12.59 Fachwerkmodell und Bewehrungsführung bei normaler Momenteneinwirkung a) verteilte Schrägbügel bei mittleren bis großen Abmessungen b) orthogonales Bewehrungsnetz bei größeren Abmessungen c) schlaufenförmige Bewehrungsführung bei kleinen Abmessungen des Rahmenecks („scharnierartiger“ Verbundbruch) Die Fachwerkmodell a und b im Bild 12.59 repräsentieren diskrete Schubscheibenmodelle. Das Modell b eignet sich für Momenteneinwirkungen mit wechselndem Vorzeichen. Das Modell c wird häufig zwischen Platten und Wänden angewendet. Es ist dem Modell im Bild 12.59 ähnlich. Man erkennt aus dem linken Bild, daß zur Aufnahme der Umlenkkraft im Knoten 1 keine Bewehrung zur Verfügung steht. Das heißt, die Kraft muß mittels Betonzugspannungen umgelenkt werden. Im Bruchzustand gleitet der Druckgurt entlang der Scherfläche s-s an der Bewehrung ab. Bei höheren Mometeneinwirkungen sollte deshalb die Umlenkkraft durch zusätzliche Bügel oder Haarnadeln aufgenommen werden (rechtes Bild). Bei Platten sollten abwechselnd liegende und aufgestellte Schlaufen angeordnet werden. 14.11.01 398 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.6.1.5 Positive Rahmenecke bei großer Momenteneinwirkung Bei einem großen positiven Biegemoment ordnet man eine schräge Zulage entsprechend Bild 12.60 an. Diese Bewehrung reduziert die Biegerisse am einspringenden Eck (siehe Bild 12.59). Seine Tragwirkung wird mit dem Fachwerkmodell nach Bild 12.60 a beschrieben. Wenn möglcih sollte man bei großem Biegemoment die einspringende Ecke abschrägen (Bild 12.60 c). C2 a b z2 V+M T2 C1 M T1 z1 z1 C2 c d z2 T2 C1 T1 e z1 Bild 12.60 positives Rahmeneck unter großer Momenteneinwirkung (zusätzliche Umlenkung der Druckstrebe mit Hilfe einer schrägen Bewehrung) a) b) c) Fachwerkmodell d) e) Bewehrungsführung Mit Hilfe der im Bild 12.61 dargestellten verteilten Bügelbewehrung kann die Druckgurtstrebe kontinuierlich umgelenkt werden. 14.11.01 399 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a b c Bild 12.61 d a) die Bügel lenken die Druckgurte um b) um die gegenüberliegenden Bügelenden in die Hauptbewehrung umzuleiten, ist das grau hinterlegte Druckspannungsfeld erforderlich c) Spannungsfelder d) Fachwerkmodell Das Bild 12.62 zeigt eine Kombination der Spannungsfelder nach Bild 12.59 b und Bild 12.61, wie sie in Versuchen zu beobachten ist. a Bild 12.62 14.11.01 b Kombinierte Tragwirkung a) Spannungsfelder b) Fachwerkmodell 400 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.6.1.6 Positive Rahmenecke mit großem Unterschied in der Querschnittshöhe von Riegel und Stiel a b Verankerung der vertikalen Zugkraft T1 C2 T2 T4 T2 z2 T3 T2 h2 Haarnadeln für T2 T1 T2 Verankerung der horizontalen Zugkraft T2 C1 T1 z1 h1 Bild 12.63 14.11.01 positives Rahmeneck a) Fachwerkmodell b) Bewehrungsführung (schematisch) 401 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.6.2 T-Knoten T-förmige Rahmenknoten treten in der Form von Verbindungen zwischen Balken und Stützen häufig auf (Bild 12.64). A Bild 12.64 A B T-förmige Rahmenknoten Das Bild 12.65 zeigt die Biegemomentenverläufe im Bereich eines Randknotens. Im Riegel sind die Normalkräfte in der Regel klein. Die Größe der Lastexzentrizität e = M/N in der Stütze kann jeden Wert annehmen. Wie man sieht, wechseln die Stützenmomente im Knoten ihr Vorzeichen. M1 M1− (x) ( ) KennfaserKF + M2(−) M M1(+) M3 ( ) M2− (x) − 3 = M 1 + M 2 KF M2 M3− (x) ( ) M3(−) − Bild 12.65 14.11.01 T-Knoten: Biegemomente im Bereich des Knotens 402 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Im Bild 12.66 wird das Grundmodell aus zwei Rahmenecken zusammengesetzt, wobei vereinfachend nur die Biegemomenet betrachtet werden. M1(+) a c b A1 M1 Detail d Detail e A2 M1(+) M2(−) M2(−) d M3 M2 e A1 A2 Bild 12.66 Entwicklung des Fachwerkmodells für einen T-Knoten aus dem Modellen zweier Rahmenecken a) positives Rahmeneck für M1 b) negatives Rahmeneck für M2 c) Grundmodell für T-Knoten d) Fachwerkknoten (Detail d) e) Fachwerkknoten (Detail e) Im Bild 12.67 wurde dasselbe Fachwerkmodell dahingehend verfeinertm daß einerseits die Querkräfte und andererseits die Normalkräfte in den Stützen einbezogen sind. 14.11.01 403 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a N1(−) C1 b T1 V1 As1 As3 3 1 1 T3 As4 T4 V3 2 C3 2 As2 3 N1 c C1 Bügel oder Haarnadeln T1 V1 V2 F T2 N1 + F Bild 12.67 T-Knoten unter den Schnittgrößen M, V und N a) Fachwerkmodell b) Bewehrungsführung zu a) c) Anschlußkonsole Anmerkung: Wie das Bild 12.67 a und Bild 12.67 c zeigt, sind die Fachwerkmodelle in den T-Knoten gleich, obwohl im Fall a ein Rahmenriegel und im Fall c eine Konsole anschließt. Bei biegesteif in den Riegel eingespannten Stützen (beispielsweise bei Brücken) sind die Differenzen ∆M der Riegelmomente in die Stützen abzuleiten (Bild 12.68). ∆M Abhängig von der Lastexzentrizität e = -------- in der Stütze stellen sich die im Bild 12.69 skizzierten FachN 14.11.01 404 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models werkmodelle ein. ∆M = M1 − M2 M1 Momentenlinie im Riegel (Tragwerk) M2 ∆M Tragwerk M2 M1 V1 + V2 Momentenlinie im Stiel (Pfeiler) M3 = ∆M N = V1 + V2 Pfeiler - Bild 12.68 14.11.01 Rahmenknoten mit durchlaufendem Riegel: Schnittgrößen 405 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a M1 b V2 V1 V1 + V2 + C3 M2 T3 M3 N=V 1+V2 d c a a V1 V2 θ2 θ1 M1 M2 θ2 < θ1 M1 V1 · (a − e) = V2 · (a + e) AF AF M2 ≈ M 1 N = C = V1 + V2 εc σc N Bild 12.69 14.11.01 M3 = M1 – M 2 = C ⋅ e M3 << e Fachwerkmodell für T-Knoten bei durchlaufendem Riegel a) große Ausmitte (die Biegezugbewehung in der Stütze kommt ins Fließen) b) mittlere Ausmitte c) kleine Ausmitte d) Bewehrungsführung bei kleiner Ausmitte 406 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.6.3 Kreuzknoten Kreuzknoten (Bild 12.71) kommen unter anderem als Innenknoten bei Stockwerkrahmen (Bild 12.70) vor. RK KK Riegel Stiel Bild 12.70 RK ... Randknoten (T-Knoten) KK ... Kreuzknoten Definition eines Kreuzknotens Kreuzknoten lassen sich ähnlich wie T-Knoten aus einer Kombination von positiven und negativen Rahmenecken zusammensetzen. a M1 b M2 M1 M2 d c M3 M3 M1 M4=M1+M2+M3 M3 M2 Bild 12.71 14.11.01 Kreuzknoten (d) aus den Rahmenecken (a) und (b) und der Durchlaufwirkung (c) zusammengesetzt 407 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models M1 V1 a N3 N4 M4 M3 V2 M2 Bild 12.72 14.11.01 M1 V1 b N3 N4 M4 M3 V2 M2 seitlich verschieblicher Rahmen unter Horizontalkräften V und N a) Fachwerkmodell b) Alternative zu a) 408 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.7 Wandscheiben und wandartige Träger 12.7.1 Abgrenzung zwischen Balken und Scheiben Balken sind Tragelemente, deren Querschnittshöhe h wesentlich geringer ist als ihre Länge l (Spannweite). Ihre Schlankheit l/h liegt normalerweise innerhalb der Grenzen 10 < l/h < 20. Sie können nach der Stabtheorie auf Basis der Hypothese von Bernoulli-Navier („Ebenbleiben der Querschnitte während der Verformung“) als „quasi eindimensionale Tragelemente“ betrachtet werden. Jene Zonen von Balken, wo die Stabtheorie gilt, also wo die Längsdehnungen εx über die Querschnittshöhe linear verlaufen, werden als B-Bereiche bezeichnet. Bei Stabelementen treten die Längsspannungen σ x in den Vordergrund. Wenn man ein linear elastisches Material voraussetzt, sind die Längsspannungen σx über den Querschnitt linear verteilt („ebene Spannungsverteilung“). Die Querkräfte werden über Schubspannungen τxz abgetragen. Normalspannungen quer zur Stabachse werden vernachlässigt (σy = 0, σz = 0). Im Gegensatz dazu sind Scheiben zweidimensionale ebene Tragelemente, die in ihrer Ebene belastet sind. Ihre Schlankheit l/h ist gering. Scheiben, die wie Balken gelagert sind, werden auch als wandartige Träger (deep beams) bezeichnet (Bild 12.73). In wandartigen Trägern verlaufen die Dehnungen εx über die Höhe h nicht linear. q a l --- < 2,0 h h l q b h l l --- < h ∼ 2,5 l --- < h ∼ 3,0 q c h l Bild 12.73 l l Wandartige Träger Abgrenzung gegen Balken mit Hilfe der Schlankheit l/h a) Einfeldträger b) Zweifeldträger c) Durchlaufträger mit vielen Feldern Auskragende Scheiben nennt man Konsolen (corbes, brackets) (Bild 12.74). 14.11.01 409 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models F a --- < 1,0 h h a Bild 12.74 14.11.01 Konsole Abgrenzung gegen Kragarm mit Hilfe der Schlankheit a/h. 410 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.8 Scheiben nach der Elastizitätstheorie (Zustand I) Die Differentialgleichung der Scheibe (Airy’sche Spannungsfunktion) läßt sich nur für einfache Randbedingungen bei linearem Materialverhalten geschlossen lösen. Die numerische Methode der Finiten Elemente liefert dagegen hervorragende Näherungslösungen für beliebige Scheibenformen, Lagerungsbedingungen und Einwirkungen. Als Lösung erhält man die Verschiebungen u und w in den Elementknoten. Aus den Knotenverformungen lassen sich die bezogenen Schnittgrößen nx, nz, txz bzw. die Spannungen σx, σz und τxz innerhalb der Elemente ableiten. Das Bild 12.75 a), b), c) und d) zeigt den Verlauf der Spannungen σx im Mittenschnitt einer einfeldrigen Scheibe in Abhängigkeit von der Schlankheit l/h. Man erkennt, daß die Spannungsverteilung σx mit abnehmender Schlankheit l/h immer stärker von der linearen Verteilung nach der Stabtheorie abweicht. Für h > l ändert sich die Spannungsverteilung σx im unteren Scheibenbereich nur mehr geringfügig, das heißt der obere Teil der Wand beteiligt sich kaum mehr an der Biegetragwirkung. Deshalb setzt man in der Rechnung h = l ein, wenn die Wand höher als l ist. 14.11.01 411 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a q l/h=4 C h=l/4 0,67 h 0,5 h T = 0,75 ⋅ q ⋅ l 12,0 ⋅ q σ x1 = ------------------b l 3,0 ⋅ q σ x2 = ---------------b l/h=2 b (Navier) C h=l/2 0,67 h T = 0,38 ⋅ q ⋅ l 0,4 h 4,5 ⋅ q σ x 1 = ---------------b b l 0,42 ⋅ q σ x2 = ------------------b c d C C − 0,4 ⋅ q / l − 0,3 ⋅ q / l h=l 0,67 h T = 0,20 ⋅ q ⋅ l 0,28 h 1,6 ⋅ q σ x1 = ---------------b l Bild 12.75 h > 0,67 h < 0,16 h T < 0,20 ⋅ q ⋅ l T > 0,16 ⋅ q ⋅ l 0,28 h 1,6 ⋅ q σ x1 = ---------------b l Einfeldscheibe nach der Elastizitätstheorie: Spannungsverteilung σx in Abhängigkeit von der Schlankheit l/h (l/h = 4, 2, 1, << 1) Das Bild (Bild 12.76) zeigt den zweiachsigen (ebenen) Spannungszustand, der durch die achsbezogenen Spannungen σx, σz und τxz beschrieben ist. 14.11.01 412 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models x σx(+) τxz(+) τzx(+) σz(+) z Ebener Spannungszustand σx, σz, τxz Bild 12.76 x σ1 (+) σ2(−) α0 σ1(+) σ2(−) 1.Hauptachse 2. Hauptachse z Bild 12.77 Ebener Hauptspannungszustand σ1, σ2 und τ12 = τ21=0 Mit Hilfe der Formeln σx + σz 1 σ 1 = ------------------ + --- ( σ x – σ z ) 2 + 4τ 2 xz 2 2 (12.45) σx + σ z 1 σ 2 = ------------------ – --- ( σ x – σ z ) 2 + 4τ 2 xz 2 2 (12.46) τ xz τ xz tan α 0 = ------------------ = -----------------σ1 – σ z σx – σ2 (12.47) lassen sich aus den im Bild 12.76 skizzierten Spannungen die Hauptspannungen ermitteln (Bild 12.77). Diese Formeln wurden in der Vorlesung „Festigkeitslehre“ abgeleitet. Mit Hilfe der Hauptspannungstrajektorien läßt sich der Spannungsverlauf graphisch veranschaulichen (Bild 12.78 b). Die beiden Trajektorienscharen verlaufen orthogonal zueinander (Bild 12.77 und Bild 12.78). 14.11.01 413 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models li re q a − − σx − σz σx + + σz + q b Bild 12.78 Vergleich zwischen oben und unten angreifenden Lasten (li) Last greift oben an (re)Last ist unten aufgehängt (a) Spannungsverläufe σx und σ z im Mittenschnitt (b) Hauptspannungstrajektorien Das Bild 12.78 zeigt eine Wandscheibe, auf die eine Gleichlast einwirkt. Im linken Bild greift die Last am oberen Rand an, im rechten Bild am unteren. Die Spannungen σ x und τxz sind vom Lastangriff nahezu unabhängig; σz ändert sich dagegen wesentlich (Vorzeichen!). Dadurch sieht auch das Trajektorienbild anders aus. Während sich links die Last flaschenhalsförmig direkt in die Auflager ableitet, entstehen rechts ausgeprägte Druckbögen, an der sich die Last über die Zugtrajektorienschar aufhängt. 14.11.01 414 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.9 Stahlbetonscheiben Infolge der im Vergleich zur Druckfestigkeit geringen Zugfestigkeit des Betons entstehen in Stahlbetonscheiben - ähnlich wie beim Balken - bereits unter einer relativ geringen Belastung Risse. Das Material verhält sich nichtlinear. Infolge der Rißbildung stellt sich ein Gleichgewichtssystem ein, welches sich vom ungerissenen System (gemäß Abschnitt 12.8) dadurch unterscheidet, daß sich durch die Rißbildung ausfallende Zugkräfte vom Beton auf die Bewehrung umlagern. Eine relativ geringe Umlagerung findet statt, wenn die Bewehrung in Richtung der Hauptzugspannungen nach der Elastizitätstheorie angeordnet ist. Eine derartige Bewehrungsanordnung wird als „Trajektorienbewehrung“ bezeichnet. Sie kommt praktisch kaum vor. Eine relativ große Umlagerung ergibt sich dagegen im Falle einer reinen Schubbeanspruchung. Sie wird im nächsten Abschnitt besprochen. Bei Stahlbetonstabwerken ist es nach wie vor üblich, die Schnittkräfte linear-elastisch zu ermitteln, wogegen die anschließende Querschnittsbemessung unter Berücksichtigung der nichtlinearen Materialeigenschaften erfolgt. Dieselbe Vorgangsweise wird häufig auch bei Stahlbetonscheiben angewendet: Die Spannungen werden linear-elastisch ermittelt - meist nach der Methode der Finiten Elemente (FEM). Für jeden beliebigen Punkt der Scheibe sind damit die Schnittkräfte in Form einer Spannungskombination σx, σz, τ bekannt. Sie werden als Belastung für ein Stahlbeton-Stabwerkmodell aufgefaßt, an welchem man auf der Grundlage der Plastizitätstheorie die Gleichgewichtsbedingungen im gerissenen Zustand formulieren kann. Dieses einfache Scheibenelement im „nackten Zustand II“ - also unter Vernachlässigung der Betonzugfestigkeit - wurde im Abschnitt xxxx behandelt. Diese Vorgangsweise berücksichtigt die Spannungs- oder Kräfteumlagerungen nur örtlich. Sie eignet sich daher eher für Nachweise der Gebrauchstauglichkeit. Eine systemübergreifende wirklichkeitsnahe Erfassung der durch die Rißbildung geänderten Steifigkeitsverhältnisse kann nur mit Hilfe einer nichtlinearen Analyse erreicht werden. Nachfolgend werden Fachwerkmodelle (nach der Plastzitätstheorie) besprochen, die sich besonders für den Nachweis der Tragfähigkeit (ULS) von Stahlbetonscheiben eignen. Die Ergebnisse einer linearen Analyse - insbesondere in Form von grafischen Darstellungen der Hauptspannungstrajektorien - dienen als wichtige Entscheidungshilfe bei der Auswahl eines geeigneten Fachwerkmodelles. Je weiter das Fachwerkmodell von der elastischen Lösung abweicht, desto größere Kräfteumlagerungen stellen sich ein. Sie sind verbunden mit einer entsprechenden Rißbildung - häufig bereits auf Gebrauchslastnieveau (SLS). Man sollte darauf achten, daß die Richtung der Druckstreben (struts) des Stabwerkmodells nicht wesentlich von der Richtung der Resultierenden des elastisch berechneten Hauptdruckspannungsfeldes abweicht. Bei der Anordnung der Zugbänder (ties), die die Hauptbewehrungen repräsentieren, hat man dagegen einen größeren konstruktiven Freiraum. Vorzugsweise wendet man eine orthogonale Bewehrungsführung parallel zu den Scheibenrändern an. Die Betondruckstreben sind normalerweise steifer, als die Zugbänder aus Bewehrungsstahl. Deshalb erfolgt die Lastabtragung bevorzugt über den gedrückten Beton. Bei der Wahl des Fachwerkmodelles ist darauf zu achten, daß sich Zug- und Druckstäbe nicht unter einem sehr spitzen Winkel schneiden. Winkel unter 30° führen zu Inkompatibilitäten (Unverträglichkeiten) in der Verformung und sind deshalb zu vermeiden. Die Kräfte in den Fachwerkstäben lassen sich aus den Gleichgewichtsbedingungen ermitteln. Beispielsweise ergibt sich für das Zugband im Bild 12.81 ungefähr die Kraft 14.11.01 415 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models T = 0,4 ⋅ R (12.48) Statisch unbestimmte Fachwerke werden in statisch bestimmte Tragsysteme zerlegt. Diesen werden entsprechende Anteile an der abzutragenden Last zugewiesen. Zur Aufnahme der Kräfte in den Zugstäben ist eine ausreichende Bewehrung einzulegen. In den Druckstreben ist nachzuweisen, daß die Betonspannung σ c unter der Druckfestigkeit bleibt. Dabei sollte eine Verminderung ν der Druckfestigkeit infolge von Querzugspannungen berücksichtigt werden. σc = ν ⋅ fc d (12.49) ν = 0,6 (12.50) Bei Scheiben mit konstanter Dicke ohne großen Aussparungen kann auf den Nachweis der Druckstrebenspannungen verzichtet werden, weil hier die Auflager- und Lasteinleitungsknoten maßgebend sind. Der Nachweis der Tragfähigkeit eines Fachwerkes muß auch die Knotenbereiche umfassen: Man unterscheidet zwischen verschmierten und konzentrierten Fachwerkknoten. Verschmierte Knoten erstrecken sich über einen größeren Bereich, wie z.B. der Knoten VK im Bild 12.81. Derartige Knotenbereiche sind unproblematisch. In konzentrierten Knoten (z.B. Bild 12.81, Knoten KK) laufen Stabkräfte und konzentrierte Einzellasten (z.B.: Auflagerreaktionen) auf engem Raum zusammen. Sie verursachen im Knoten hohe Spannungskonzentrationen. Knoten, die an die Zugstäbe anschließen, stellen mit den Verankerungszonen der Bewehrungsstäbe Schwachstellen dar, die sorgfältig zu konstruieren und rechnerisch nachzuweisen sind. Wegen der Bedeutung der örtlichen Nachweise in den Fachwerkknoten ist ihnen eine eigener Abschnitt (10.5) gewidmet. Wenn Druckspannungsfelder (Druckstreben) in konzentrierte Knoten einzuleiten sind, kommt es zu flaschenhalsartigen Spannungsverläufen (siehe Bild 12.79 a), die Spaltzugkräfte (deviation forces) bewirken (Bild 12.79 b). a a2 b F/2 F/2 σc2 Ts a Ts ~a/2 σ c1 a1 Bild 12.79 14.11.01 F/2 F/2 a = a 2 − a1 Flaschenhalsförmiges Druckspannungsfeld a) Trajektorienverlauf b) Spaltzugkraftds 416 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Ein quadratisches Bewehrungsnetz ist in der Lage, in jeder beliebigen Richtung dieselbe Zugkraft aufzunehmen, wie in der Richtung einer der beiden Bewehrungsscharen (Bild 12.80). t s = t sx = t sz = a s ⋅ f sd (12.51) tsz ts tsx tsx 1 α tsz 1 ts 1 Bild 12.80 Zugtragwirkung eines quadratischen Bewehrungsnetzes (as=asx=asz) An Stelle der schrägen Spaltzugbewehrung kann man demnach ein orthogonales Bewehrungsnetz anordnen, welches alle, aus einem gekrümmten Verlauf des Kraftflusses, resultierenden Zugkräfte aufnehmen kann. Nachfolgend wird in erster Linie jene statisch erforderliche Bewehrung diskutiert, die sich aus den Fachwerkmodellen ergibt. Darüber hinaus sind zur Beschränkung von Rißbreiten noch konstruktive Bewehrungen anzuordnen. 14.11.01 417 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.9.1 Wandartige Einfeldträger (Einfeldrige Wandscheibe) Am oberen Rand angreifende Gleichlast q ⋅ 1,1 ⋅ l ---------------------2 q VK z = 0,6 ⋅ l KK R2 R1 a1 a1 ≈ 0,1 ⋅ l l Bild 12.81 Stabwerkmodell für Wandscheibe mit Belastung von oben Das in Bild 12.81 skizzierte Stabwerkmodell wurde aus der elastischen Lösung (Bild 10.4 oder Bild 10.7 li) abgeleitet. Es erlaubt die einfache Berechnung der Kraft Ts im Zugband. Die Zuggurtkraft ist in den Auflagerbereichen sorgfältig zu verankern. Dies kann durch horizontale U-Bügel (Schlaufen oder Haarnadeln) oder durch Ankerplatten (Ankerwinkel) erreicht werden (Bild 12.82) σc2 Druckstrebe σc1 horizontale Schlaufen R dreiachsiger Druckspannungszustand Bild 12.82 14.11.01 Auflagerbereich 418 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Bei einem mehrachsigen Druckspannungszustand σc, wie er im Bild 12.82 infolge der Schlaufenverankerung im Auflagerbereich herrscht, darf beim Nachweis der Auflagerpressung σc1 mit ν = 1,0 gerechnet werden. Zusätzlich ist noch die Spannung σc2 im Bereich der Druckstrebe nachzuweisen. σ c1 < f cd (12.52) σ c2 < 0,6 ⋅ fcd (12.53) Das Zugband sollte zur besseren Risseverteilung auf eine Höhe von etwa 0,15 h verteilt werden (siehe Bild 12.83). q a h b min ρ = 0,15% pro Seite 0,15 h b l c b b b l Bild 12.83 Bewehrung einer Wandscheibe a) Aufriß mit Zugband und Netzbewehrung b) Vertikalschnitt mit außenliegenden bügelartigen Vertikalstäben c) Verschiedene Möglichkeiten für die Ausbildung des Zugbandes Für die orthogonale Netzbewehrung schreibt der EC2 zur Risseverteilung folgende Mindestbewehrung vor, die an beiden Außenflächen anzuordnen ist: minρ x = minρ y = 0,15 % (12.54) Der in Bild 12.81 skizzierte wandartige Träger kann auch umgekehrt zur Abtragung von Einzellasten auf Streifenfundamente herangezogen werden (Bild 12.84). 14.11.01 419 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models l z = 0,6 ⋅ l Streifenfundament σy Bodenpressung Bild 12.84 Beispiel für die Abtragung von Einzellasten auf ein Streifenfundament (vgl. Bild 12.81) Am unteren Rand angreifende Gleichlast Da sich an der σx-Spannungsverteilung nach der Elastizitätstheorie (Bild 10.7) gegenüber der Lasteinleitung von oben nichts ändert, kann das gleiche Sprengwerk wie im Bild 12.81 angenommen werden. β Aufhängebügel (oder Schlaufenmatten) z = 0,6 ⋅ l Bild 12.85 Stabwerkmodell für Wandscheiben mit unten angehängter Last Die unten angreifende Last, sowie jener Anteil der Eigenlast, der unter dem Druckbogen liegt, sind mit Hilfe von lotrechten Bewehrungen am Druckbogen aufzuhängen (Bild 12.86). Für die Länge a1 dieser Aufhängebewehrung kann angenommen werden: 14.11.01 l <h: a1 ≥ l l >h: a1 = h (12.55) 420 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models h a1 a2 aufzuhängende Eigenlast l Bild 12.86 Bogen-Zugband-Modell mit Aufhängebewehrung Für die Höhe des aufzuhängenden Scheibenteiles gilt gemäß Bild 12.87 l --- ≤ 1 : h a2 = 0,5 ⋅ l l --- > 1 : h a2 = 0,5 ⋅ h a (12.56) b l/h≤1 l/h>1 h a2 h a2 l Bild 12.87 l Aufzuhängender Eigengewichtsanteil Meist kann die erforderliche Aufhängebewehrung mit der einzulegenden Oberflächenmindestbewehrung abgedeckt werden. Einzellast Das Bild 12.88 zeigt diverse Stabwerksmodelle für Einzellasten. Neben den Auflagerzonen sind auch die Spannungen in den Lasteinleitungszonen nachzuweisen. 14.11.01 421 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models c b a e d f oder Bild 12.88 Stabwerksmodelle Das Bild 12.88 zeigt eine wandartige Scheibe, die unter reiner Schubbeanspruchung steht. Das im Abschnitt xxx besprochene Fachwerkmodell für ein kleines Scheibenelement (Bild 10.16) läßt sich auch als globales Fachwerkmodell einsetzen (Bild 12.88 b), wenn über die gesamte Scheibe ein konstanter Schubspannungszustand herrscht. Bei monolithisch an die Decken angeschlossenen Wände können die Decken als Gurtplatten ausgenützt werden. Im weiteren werden typische Bemessungsfälle von Schubwänden untersucht. Solche Wände sind in Hochbau üblicherweise durch horizintale Kräfte (Wind, Erdbeben) und vertikale Kräfte (Eigengewicht, Nutzlast) beansprucht. Bild 12.89 zeigt Wände, die nur auf Schub beansprucht sind. Die vertikale Bewehrung kann grundsätzlich verteilt oder konzentriert werden. a Bild 12.89 b Schubwände ohne vertikale Belastung Falls eine vertikale Last vorhanden ist, kann diese die vertikale Bewehrung zum Teil oder ganz kompensieren (Bild 12.90). 14.11.01 422 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a Bild 12.90 b Schubwände bei vertikaler Belastung a) kleine Ausmitte b) mittlere Ausmitte c) große Ausmitte a Bild 12.91 14.11.01 c b Fachwerkmodell für Wandscheiben a) horizontale Streckenlast b) horizontale Einzellast 423 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Bewehrungskräfte Bild 12.90 b zeigt einen Grenzfall, bei dem keine vertikale Bewehrung erforderlich ist. Bild 12.92 14.11.01 mehrstöckige Schubwand: Resultierende und Spannungsfelder 424 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a b c Bild 12.93 a b d Bild 12.94 14.11.01 Abtragung eines Torsionsmomentes über Querscheibe auf Lager a) horizontaler Schubfluß b) vertikaler Schubfluß c) Kombination von a) und b) c e diverse Fachwerkmodelle für den wandartigen Träger mit Loch 425 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Bild 12.95 Fachwerkmodell für einen wandartigen Träger mit Türöffnung Der Scheibenbereich links neben der Tür ist als Stütze anzusehen (und entsprechend zu bewehren). Der ober der Tür befindliche Scheibenteil verhält sich ähnlich wie die Konsole einer ‘Trägerausklinkung‘. Selbstverständlich ist zusätzlich zu den Zugbändern der Fachwerkmodelle stets eine Mindestnetzbewehrung an beiden Außenflächen der Scheibe anzuordnen. 14.11.01 426 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.9.2 Wandartige Durchlaufträger (mehrfeldrige Wandscheiben) Das Bild 12.96 zeigt ein Fachwerkmodell für ein Mittelfeld in einem Durchlaufträger. Bild 12.96 Fachwerkmodell für durchlaufende Wandscheiben Das Bild 12.97 enthält ein Fachwerkmodell für Randfelder am Beispiel einer zweifeldrigen Wandscheibe Bild 12.97 Modell und Bewehrung in einer zweifeldrigen Wandscheibe Wandartige Durchlaufträger sind sehr empfindlich auf Setzungen der Lager. Das Bild 12.98 zeigt jene Fachwerkmodelle, die sich beim Ausfall eines Lagers einstellen. 14.11.01 427 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a q⋅l q⋅l 1 2 q⋅l b q⋅l q w R2 << q 1 3 R3 ≈ q ⋅ l 2 R1 << 3 Bild 12.98 14.11.01 R3 << R2 ≈ 2ql l w l Stabwerkmodelle zur Erfassung der Nachgiebigkeit einer Stütze a) Die Stütze 2 fällt weitgehend aus b) Die Stütze 3 fällt weitgehend aus 428 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.10 Fundamente 12.10.1 Anmerkungen Dieses Kapitel behandelt nur jene Teile von Bauwerksgründungen, deren Tragwirkung sich mit Hilfe von Fachwerkmodellen beschreiben läßt, also in erster Linie Flachgründungen (Streifenfundamente, Einzelfundamente) und Pfahlkopfblöcke (Platten oder Balken). Schlanke Fundamentplatten werden im Kapitel 4.6 als elastisch gebettete Platten modelliert. Tragelemente von Tiefgründungen wie Pfähle, Schlitzwände, Brunnen etc. werden in der LV Grundbau besprochen. Pfähle werden meist als elastisch gebettete Stäbe modelliert. Stützmauern, Brunnen und andere massive Fundamentkörper werden oft als Starrkörper betrachtet, die mittels geeigneter Ansätze für die Erdlasten und Erdwiderstände mit den Bauwerkslasten ins Gleichgewicht gebracht werden. Die statisch erforderliche Bewehrung dieser massiven Grundbaukörper läßt sich ebenfalls mit Hilfe von Fachwerkmodellen bemessen. Linearisierung der Sohldruckverteilung (Bodenpressung) Während die Lastannahmen in den Normen eindeutig geregelt sind und damit feststehen, ist die Reaktion des Baugrundes (Sohldruckverteilung) nur grob erfaßbar. Die Verteilung der Spannungen im Boden unter der Fundamentsohle hängt vom Verhältnis der Steifigkeiten des Bauwerkes bzw. des Fundamentes zum Boden ab. Das Bild 12.99 zeigt den qualitativen Verlauf der Bodenpressung in Abhängigkeit von der Steifigkeit des Fundamentes und des Bodens. a b starr biegeweich steifer Boden steifer Boden c d starr weicher Boden Bild 12.99 14.11.01 biegeweich weicher Boden Verteilung der Bodenpressung unter einem Fundamentkörper a) starres Fundament - steifer Boden b) weiches Fundament - steifer Boden c) starres Fundament - weicher Boden d) weiches Fundament - weicher Boden 429 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Zur rechnerischen Ermittlung der Bodenpressung und der Nachgiebigkeit des Untergrundes gibt es mehrere Näherungsverfahren. Bei starren Fundamenten bauen sich die Spannungsspitzen an den Rändern durch plastische Verormungen des Baugrundes ab. Deshalb darf eine lineare Verteilung der Bodenpressung angenommen werden (Bild 12.100). N σN M σ2 b σM a Bild 12.100 lineare Spannungsverteilung bei kleiner Lastausmitte M a e = ------- ≤ k = --6 N (12.57) N(- ) N(-) σ N = ---------- = ----------A a⋅b (12.58) –M –6 ⋅ M σ M = -------- = ---------------W b ⋅ a2 (12.59) ( -) + σ (- ) σ 2( - ) = σ N M (12.60) N,M ..................Schnittkräfte in der Sohlfuge e .......................Lastexzentrizität k .......................Kernweite Die Normalkraft beinhaltet selbstverständlich auch das Eigengewicht des Fundamentkörpers. Infolge der Nachgiebigkeit des Bodens verdreht sich das Fundament unter einer Momenteneinwirkung gemäß Bild 12.101 a. Die Stütze ist also nicht starr, sondern nachgiebig eingespannt. Um dieser Tatsache näherungsweise Rechnung zu tragen, kann man in die statische Berechnung eine elastische Drehfeder als Auflagerrandbedingung einführen (Bild 12.101 b). 14.11.01 430 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a b cϕ ϕ a Bild 12.101 Elastische Modellierung der Fundamenteinspannung a) Rahmenstiel mit Fundament (Verformung stark überhöht dargestellt) b) Simulation der Lagerungsbedingungen mittels elastischer Federn Für die Steifigkeiten cϕ der Drehfeder gilt näherungsweise 1 c ϕ = ---------------c e ⋅ JF (12.61) Ed c e = --------------------------0,25 ⋅ A F (12.62) ba 3 J F = ---------12 (12.63) AF = b ⋅ a (12.64) cϕ .....................Federsteifigkeit cϕ = 0 ...............gelenkige Lagerung cϕ ≠ 0 ...............elastische Einspannung cϕ = ∞ ...............starre Einspannung AF .....................Aufstandsfläche des Fundamentes JF .....................Flächenmoment 2.Grades (Trägheitsmoment) der Fundamentsohle (Aufstandsfläche) ce ......................Bettungsziffer Ed .....................Steifeziffer des Bodens für Kurzzeitbelastungen a .......................Länge der Fundamentsohle k .......................Kernweite M e = ----- .............Lastexzentrizität N 14.11.01 431 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a Lastausmitten k < e ≤ --- führen zu einer "klaffenden Bodenfuge", weil zwischen der Fundamentsohle 3 und dem Baugrund keine Zugspannungen übertragbar sind. Es ist von Fall zu Fall zu entscheiden, ob eine klaffende Fuge zugelassen wird oder nicht. Keinesfalls sollte die Aufstandsfläche kleiner als die halbe Sohlfläche AF werden. No Mo Ho Mu h E Nu Hu c a x ≥ --2 sB Nu a --- – e 2 1/3 x e 2/3 x a Bild 12.102 klaffende Sohlfuge Mu = Mo + Ho ⋅ h + E ⋅ c (12.65) Nu = No + GF (12.66) Hu = Ho + E (12.67) Mu e = ---------Nu (12.68) 1 N u = --- ⋅ σ B ⋅ x ⋅ b 2 (12.69) a x = 3 æ --- – eö è2 ø (aus der Geometrie) 2 ⋅ Nu σ B = ------------------------a 3 æ --- – eö b è2 ø (12.70) (12.71) GF ....................Eigengewicht des Fundamentblockes E.......................horizontaler Erddruck auf den Fundamentblock 14.11.01 432 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Bei einseitig ausmittiger Fundamentbelastung kann die Sohlfläche auch exzentrisch zur Stützenachse angeordnet werden. Für die Wahl der Fundamentabmessungen (a, b) ist nicht nur die rechnerische Randpressung σ B maßgebend, sondern auch die Setzungsberechnung.. Für biegeweiche Fundamentplatten ist die Annahme einer linearen Verteilung des Sohldrucks zu ungenau. Zur Erfassung der Interaktion zwischen der Verformung der Bodenplatte und der Baugrundsetzung sind verschiedene Näherungsverfahren gebräuchlich. (Bettungsmodulverfahren, Steifemodulverfahren). Sie werden in der LV Grundbau besprochen. b Grundriß d e N Ansicht Belastungs-und Spannungsschema σ σ Lage der resultierenden Kraft e = 0 (N in der Mitte) e N σ1 d e < --6 σ2 e d e = --6 N σ1 σ2 e c N σ σ = 0 e (N innerhalb des Kerns) c N (N am Kernrand) Randspannungen N σ = ----------b⋅d N 6⋅e σ = ----------- ⋅ æ 1 – -----------ö b⋅d è d ø N 6⋅e σ = ----------- ⋅ æ 1 + -----------ö b⋅d è d ø σ1 = 0 2⋅N σ 2 = -----------b⋅d d d --- < e < --6 3 2⋅N σ = -----------------3⋅c⋅b (N außererhalb des Kerns) c = d⁄2–e d e = --3 4⋅N σ = -----------b⋅d σ σ = 0 3c Ermittlung der Bodenpressung nach dem Spannungstrapezverfahren 14.11.01 433 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.10.2 Streifenfundamente unter Wänden (Linienlasten) Streifenfundamente unter Wänden können unbewehrt bleiben, wenn die Lastausbreitung nicht flacher als α = 60° gegen die Horizontale geneigt ist (Önorm B 4200 Teil 3). Nach DIN 1045 sind in Abhängigkeit von der Bodenpressung auch flachere Ausbreitungswinkel (bis zu α = 45°) zugelassen. h α = arc tan æ ------ö èa ø 2 Die infolge der Lastausbreitung auftretenden Querzugspannungen werden vom Beton aufgenommen. Wenn man von Reibungskräften in der Sohlfuge absieht, werden dem Beton Zugspannungen zur Lastabtragung zugemutet, die bis zu 50% der Biegezugfestigkeit betragen. a b OEN: α ≥ 60× a A h α 1 σgd σc1 A Bild 12.103 Unbewehrtes Fundament Breitere Fundamentstreifen sind als Konsole zu bewehren (Bild 12.104), wobei meist eine linear verteilte Sohlpressung zu Grunde gelegt wird. 14.11.01 434 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models N/2 N/2 a2 α h d N/2 Bild 12.104 N/2 Fachwerkmodell für Fundamentstreifen Wenn die seitliche Auskragung a2 größer wird als die Konsolenhöhe h (a2 > h), so wird der Fundamentstreifen in Querrichtung als Kragbalken behandelt (Bild 12.105). 14.11.01 435 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models N a h Risse b M Kellerboden (Beton) c Riß bei Fundamentsetzung < 25° Rollierung Sauberkeitsschicht (Magerbeton) Bild 12.105 Streifenfundament a) Lastausbreitung und Rißbildung b) Momentenlinie c) Abschrägung der Fundamentoberseite Das Bild 12.105 a zeigt, wie sich die Last N fächerartig ausbreitet, wobei die Risse ungefähr in Richtung der Druckstreben orientiert sind. Der steile Abfall der Momentenlinie (Bild 12.105 b) bewirkt eine entsprechende Änderung der Zugkraft in der Bewehrung und damit hohe Verbundbeanspruchungen, die zum Abspalten der Bewehrung samt der Betondeckung führen können. Bei hochbeanspruchten Fundamenten von Großbauten, wo vier und mehr Lagen dicker Bewehrungsstäbe angeordnet sind, baut man zur Sicherung gegen den Verbundbruch vertikale Bügelleitern ein. Bei Gefahr des Durchstanzens werden diese Bügel gleichzeitig als Durchstanzbewehrung genützt und deshalb bis zur Fundamentoberseite geführt. Wie dem Bild 12.105 a und b zu entnehmen ist, wird der Beton oberhalb der Lastausbreitungspyramide nur gering beansprucht. Deshalb ist eine Abschrägung der Oberfläche gemäß Bild 12.105 c statisch gleichwertig. Eine Neigung der Oberfläche von etwa 20° läßt sich ohne obere Gegenschalung wirtschaftlich ausführen. Die Abschrägung führt auch zu einer weicheren Randlagerung der elastisch gebetteten Kellerbodenplatte (Bild 12.105 c). Die Wahl der Breite von Streifenfundamenten in Gebäuden mit unterschiedlichen Wandlasten ist so abzustimmen, daß die Fundamente möglichst gleiche Setzungen erfahren. 14.11.01 436 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Bei gleichmäßigem Baugrund und durchgehender Wandscheibe genügt in Längsrichtung der Streifenfundamente eine schwache Bewehrung ( a sx ≈ 0,2 ⋅ a sy ). Bei ungleichmäßigen Bodenverhältnissen ist zu prüfen, wie weit die Wandscheibe mitwirkt. Bei Mauerwerk hat das Streifenfundament die Setzungsunterschiede auszugleichen, wobei Längsbiegebeanspruchungen entstehen. In Bereichen, wo die Wand unterbrochen ist (z.B. bei Türöffnungen), muß das Streifenfundament zusätzlich als Balken gemäß Bild 12.106 bewehrt werden. Belastung Bewehrungskorb x h z Bodenpressung p statisches System und Belastung Biegemomente M + + Bild 12.106 Querkräfte V Streifenfundament: zusätzliche Längs- und Bügelbewehrung bei unterbrochenen Wänden Wenn in der Anschlußfuge zwischen Wand und Fundament Querbiegemomente auftreten, läßt sich das im Bild 12.107 skizzierte Fachwerkmodell (entsprechend einer Rahmenecke) anwenden. Derartige Plattenbeanspruchungen der Wände können beispielsweise durch Erddruck entstehen. Die Anschlußbewehrung wird in diesem Fall in Richtung der resultierenden Bodenreaktion umgebogen und mit ausreichender Stoßlänge an die Hauptbewehrung der Stütze angeschlossen. 14.11.01 437 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models M N M e = ----N 2ltd N e Bild 12.107 Fachwerkmodell für ausmittige Belastung Wenn sich die Lastausmitte e durch die Nutzlast nicht wesentich ändert, bietet es sich an, das Fundament entsprechend exzentrisch anzuordnen. Man erreicht damit eine gleichmäßige Bodenpressung und infolge dessen eine geringere Verdrehung des Fundamentes. Ausmittige Fundamentbelastungen treten auch bei einseitigen Fundamenten (z.B. an Grundstücksgrenzen) auf (Bild 12.108). b a Aufriß Grundriß Schnitt 1-1 Schnitt 2-2 Rippe 2 2 h ~12h Rippe 2 2 Bodenpressung Bild 12.108 14.11.01 Einseitige Streifenfundamente a) ohne Aussteifung b) Aussteifung durch Querschotte (Rippen) 438 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.10.3 Streifenfundamente unter Stützen (Einzellasten) Wenn die Abmessungen von Einzelfundamenten bei relativ schlechtem Baugrund zu groß werden, oder wenn das Bauwerk gegen eine ungleichmäßige Stützensenkung empfindlich ist, kann man die Fundamente mehrerer Stützen durch Streifenfundamente verbinden (Fundamentbalken oder Trägerrost). Die Verteilung der Bodenpressung hängt vom Verhältnis der Biegesteifigkeit EJ des Fundamentbalkens zur Steifigkeit des Bodens ab. Man wählt für die Höhe des Fundamentbalkens l h ≥ --6 (12.72) also eine relativ geringe Schlankheit , um ein relativ steifes Fundament zu erreichen. Bei steifem Boden entstehen unter den Stützen wesentlich höhere Bodenpressungen als im Feldbereich des durchlaufenden Fundamentbalkens. Dies führt zu einer Verringerung des Stahlbedarfs. Um die Sprengwerkstragwirkung (Bild 12.109 a) zu unterstützen, läßt man die Gurtbewehrungen größtenteils durchlaufen. Lediglich unter den Stützen sind Zulagen zweckmäßig (Bild 12.109 b). F1 + F3 a F1 + F3 F2 F2 F1 F2 F2 F1 F3 F3 F2 F1 F2 F1 b l Bild 12.109 14.11.01 Fundamentbalken unter Stützen a) Fachwerkmodell b) Statisch erforderliche Bewehrung ohne konstruktive Bewehrung (Montagebügel etc.) 439 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Anschlußbewehrung (Steckeisen) Bild 12.110 14.11.01 Querschnittsformen von Fundamentbalken 440 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.10.4 Einzelfundamente 12.10.4.1Einzelfundamenttypen Einzelfundamente werden ausgeführt, wenn die Lasten über Stützen konzentriert in den Baugrund abzutragen sind und ein tragfähiger Baugrund in mäßiger Tiefe ansteht (z.B. Skelettbauweise im Hochbau). Unbewehrte Einzelfundamente Wenn Einzelfundamente unbewehrt ausgeführt werden (C5/10 bis C20/25), ist die Lastausbreitung gemäß anzunehmen. Aus der Bedingung, daß die Biegezugrandspannung σ c1 den Bemssungswert fctd nicht überschreiten darf, läßt sich für die Lastausbreitung a die Ungleichung (12.76) ableiten. unbewehrtes Einzelfundament Mit den im a definierten Bezeichnugnen lautet das Moment im Anschnittsquerschnitt A-A a M A-A = ( σ gd ⋅ a ⋅ b ) ⋅ --2 (12.73) und die Randspannung σc1 M A-A σ c1 = ------------- = f c td W1 (12.74) b ⋅ h2 W 1 = -------------6 (12.75) h tan α = --- ≥ a 3 ⋅ σ gd ---------------f ctd (12.76) Hierin bedeuten σgd....................Bemessungswert für die Bodenpressung (ULS) fctd ....................Bemessungswert für die Zugfestigkeit des Betons f ctk, 0.05 f ctd = -------------------γc γc ......................Teilsicherheitsbeiwert für unbewehrten Beton γ c = 1,5 ⋅ 1,2 = 1,8 h Vereinfachend kann auch --- ≥ 2 ausgeführt werden. a Bei großen Abmessungen kann das Fundament gemäß b abgetreppt werden (1 bis 2 Stufen sind üblich). Bewehrte Einzelfundamente Entsprechend der Art der Ausführung lassen sich die im Bild 12.111 skizzierten Varianten unterscheiden. Das monolithische Einzelfundament (Bild 12.111 a) wird in Ortbetonkonstruktionen verwendet. Das Blockfundament (Bild 12.111 b) ist ein Ortbetonfundament, welches eine vorgefertigte Stütze aufnimmt. Auch Köcherfundamente (Bild 12.111 c) werden im Fertigteilbau eingesetzt. Manchmal wird der Köcher (1) vorgefertigt und nur der untere Fundamentblock (2) in Ortbeton hergestellt. 14.11.01 441 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a b c (1) (2) Bild 12.111 14.11.01 Einzelfundamenttypen (schematisch) a) Monolithisches Fundament b) Blockfundament c) Köcherfundament 442 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.10.4.2Brucharten bei bewehrten Einzelfundamenten Folgende drei Versagensursachen sind bei Einzelfundamenten zu unterscheiden: 1. Biegebruch infolge Fließens der Bewehrung (Bild 12.112 a) 2. Verbundversagen oberhalb der Bewehrung (Bild 12.112 b) 3. Durchstanzen der Stütze durch die Fundamentplatte (Bild 12.112 c). Es ist zweckmäßig, die Dicke (Höhe) der Fundamentplatte genügend groß zu wählen, um ein Durchstanzen auch ohne entsprechende Durchstanz(bügel)bewehrung auszuschließen. Damit werden auch die Betondruckstreben steiler und damit die Gefahr eines Verbundbruches geringer. Der Durchstanznachweis ist im Abschnitt xxx (Platten) beschrieben. a Biegeriß b Scherfläche (Verbundbruch) c Riß (Schubbruch) ~40 ° Bild 12.112 14.11.01 Brucharten eines Einzelfundaments a) Biegebruch (Fließen der Bewehrung) b) Verbundbruch (Abspalten der Bewehrungsschicht) c) Durchstanzen 443 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.10.4.3Monolithisches Einzelfundament Das Bild 12.113 zeigt die Lastabtragung in einem zentrisch belasteten Einzelfundament durch ein räumliches Fachwerkmodell. a Schrägriß (2) (1) (2) (3) (4) (3) (2) (1) (2) b a b Grundriß a1 B (1) (2) (3) A b (2) A (3) (2) (1) b1 (2) B a c h Schnitt A-A d (2) (3) (1) (4) a Bild 12.113 14.11.01 (2) (3) Schnitt B-B (1) (2) b1 (3) (4) (1) (2) b 3D-Fachwerkmodell für ein zentrisch belastetes Einzelfundament a) Schrägriß b) Grundriß c) und d)Vertikalschnitte 444 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Die Lastabtragung über die Mittelstreben (1) und (3) im Bild 12.113 ist steifer als die über die schrägen Streben (2). Das Bild 11.xx zeigt den Verlauf und die Verteilung der Biegemomente entsprchend der linearen Plattentheorie. Vereinfachend sollte man bei breiten Fundamenten (b > a1 + 2h) die Bewehrung unter der Stütze auf die Breite b1 = a1 + 2h doppelt so dicht anordnen als außerhalb (Bild 12.114). b1 h ~b2 b Bild 12.114 Bewehrungsanordnung bei Einzelfundamenten Um ein korrektes Gleichgewichtssystem aufzubauen, geht man am zweckmäßigsten von den Resultierenden der über die Teilflächen integrierten Bodenpressungen aus. Im Bild 12.113 wurden z.B. 3 ⋅ 3 = 9 gleichgroße Teilflächen angenommen werden. Man kann aber auch eine engere Unterteilung der Sohlfläche wählen. Im Bild 12.115 sind zwei Fachwerkmodelle für 16 und 36 Teilflächen skizziert. Sie liefern eine veränderliche Kraft im Zugband. Trotzdem verzichtet man in der Regel darauf, die Bewehrung entsprechend abzustufen. 14.11.01 445 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a N N/16 N/16 N/16 N/16 b N/36 Bild 12.115 N/36 N/36 N/36 N/36 N/36 Alternative Fachwerkmodelle a) 4 ⋅ 4 = 16 Druckstreben b) 6 ⋅ 6 = 36 Druckstreben Bei einer exzentrischen Einwirkung muß die Stützenzugkraft ähnlich einer negativen Rahmenecke umgelenkt werden (Bild 12.116). 14.11.01 446 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models N M h Bild 12.116 exzentrisch beanspruchtes Einzelfundament (Unterteilung 4 ⋅ 3) N M b1 b 2 = b1 + h b h Bild 12.117 Ersatzbalken zur Abtragung des Biegemomentes am Stützenfuß Die zur Abtragung des Stützenfußmomentes erforderliche Bewehrung ist auf der Breite b2 = b1 + h (12.77) zu verteilen (Bild 12.117). 14.11.01 447 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.10.4.4Blockfundament Aus fertigungstechnischer Sicht sind Blockfundamente im Vergleich zu Köcherfundamenten günstiger. Blockfundamente weisen im Fundamentkörper einen ausgesparten, profilierten Köcher zur Aufnahme einer im Einbindebereich ebenfalls profilierten Fertigteilstütze auf (Bild 12.118). a vorgefertigte Stütze mit profiliertem Fuß Vergußbeton ausgesparter Köcher mit profilierter Wandung Fundamentkörper in Ortbeton ≥ 1, 5a h l Bild 12.118 Ausbildung eines Blockfundamentes Nach dem Versetzen und Ausrichten der Stütze wird der Zwischenraum ausbetoniert. Das Bild 12.119 zeigt das zugehörige Fachwerkmodell für eine reine Normalkrafteinwirkung. Die Druckstreben verlaufen schräg über die Fuge. Bei entsprechender Verzahnung des Stützenfußes und der Köcherwandung, die eine den Köcher horizontal umschließenden Bewehrung voraussetzt, wirkt das Blockfundament wie ein monolithisches Fundament (vgl. Bild 12.113 a). N a Bild 12.119 14.11.01 b Blockfundament: a) umschließende Bewehrung b) Fachwerkmodell für Normalkrafteinwirkung 448 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models ~4g Vergußbeton g > Größtkorn g > 1,5 cm f > 5 cm f Bild 12.120 g Fuge zwischen Stütze und Seitenwand Das Bild 12.120 zeigt ein Detail der Vergußfuge. Der Schlitz zwischen Stütze und Köcherfundament soll einerseits möglichst klein sein. Andererseits soll der Vergußbeton problemlos eingebracht und verdichtet werden können. Wenn am Stützenfuß ein relativ zur Normalkraft großes Biegemoment vorhanden ist (große Lastausmitte), entsteht eine Biegezugkraft T1, die von der Stütze in das Fundament zu übertragen ist. Dies erfolgt - ähnlich wie bei einem Übergreifungsstoß - über schräg nach oben verlaufende Betondruckstreben. Durch die Schrägstellung der Druckstreben entstehen horizontale Spreizkräfte, die über in den Seitenwänden des Köchers angeordnete Horizontalbügel verschlossen werden müssen. 14.11.01 449 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models T1 a0 a0 t1 t lbd T2 Bild 12.121 Übertragung der Zugkraft über die Fuge (links Fachwerkmodell, rechts Bewehrung) Um die Zugkraft sicher über die Fuge übertragen zu können, muß die Einbindetiefe t der Stütze mindestens so groß gewählt werden, daß sich die Enden der Bewehrung um das Maß t 1 = a 0 + l bd (12.78) überlappen. a0 .....................Abstand der Bewehrung lbd .....................Verankerungslänge Diese Längen sind im Bild 12.121 definiert. Das Bild 12.122 zeigt das räumliche Fachwerkmodell für ein exzentrisch belastetes Blockfundament. Dieses unterteilt sich in zwei Zonen (Bild 12.122 a). Die Zone a umfaßt jenes Fachwerk, welches die Übertragung der Biegegurtkräfte über die Fuge modelliert. Die Zone b enthält jenes Fachwerk (Bild 12.122 a, c), welches die einwirkenden Stützenkräfte und das Eigengewicht des Blockfundamentes zur Fundamentsohle leitet, wo sie mit den Bodenpressungen im Gleichgewicht stehen. Das räumliche Fachwerk wurde derart modelliert, daß die Zugkräfte nahe der Sohlfläche orthogonal verlaufen. Wieder kann man die Anzahl der auf die Sohlfläche einwirkenden Druckkräfte annehmen. Im Bild 12.122 c wurden beispielsweise vier Druckstreben angenommen. Ihre Fußknoten liegen in den Schwerpunkten des darunterliegenden Druckspannungskeiles. 14.11.01 450 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models z2 a z1 N e M C1 T1 2 lbd 1 C2 4 Zone a T2 lbd 3 C2 Zone b 6 T2 7 8 M e = ----N T1 ⋅ z1 = T2 ⋅ z 2 b R=N e c Grundriß 4 Grundriß 1 7 6 8 1 7 6 8 3 2 3 2 4 Bild 12.122 14.11.01 Blockfundament: Fachwerkmodell bei exzentrischer Lasteinwirkung a) Aufriß b) Zone a: Seiten- und Grundriß c) Zone b: Grundriß 451 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.10.4.5Köcherfundament Becher- oder Köcherfundamente weisen einen aufgesetzten Köcher auf, über den die Einspannmomente einer vorgefertigten Stütze in den Fundamentblock übertragen werden können. Nach dem Versetzen (Einrichten) der Stütze wird die Fuge mit Mörtel verfüllt. Während bei Blockfundamenten wegen der Durchstanzgefahr im Einbindebereich sowohl die Stütze als auch die Becherwand eine tragfähige Profilierung aufweisen, kann dieser Bereich beim Becherfundament auch glatt ausgeführt werden (Bild 12.123 b). a a d0 t h a b d0 t ≥ 1, 5a t h Bild 12.123 Köcherfundamenttypen a) profilierte Kontaktflächen b) glatte Kontaktflächen Bei rauhen Kontaktflächen ist das Tragverhalten ähnlich dem des Blockfundamentes, mit der Einschränkung, daß die Ausbreitung des Druckspannungsfeldes am Druckrand durch die Köcherabmessung begrenzt wird. Dadurch fällt die Zone a in den Becher, wogegen die Zone b normalerweise im Block unterhalb des Köchers liegt (Bild 12.124). Abgesehen davon gelten sinngemäß die Ausführungen des Abschnittes 11.4.4. Um den Schalungsaufwand zu verringern, kann der Köcher selbst als Fertigteil ausgebildet werden, der meist in einem Ortbetonblock steckt. Damit der Köcher und das Fundament steif genug werden, sollen die Einbindetiefe t, die Wandstärke des Köchers d0 und die Höhe h des Fundamentblocks großzügig gewählt werden. Das Bild 12.124 enthält die Skizze eines geeigneten Fachwerkmodells. Das Modell unterscheidet sich vom Bild xx dadurch, daß die Zone b in den Bereich des Fundamentblocks fällt. 14.11.01 452 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models T1 C1 V Zone a T2 C2 C2 ~N Zone b T2 ~N Bild 12.124 C2 profilierte Kontaktflächen: Fachwerkmodell Bei glatten Fugen zwischen Stütze und Köcher wird das Biegemoment am Stützenfuß gemäß Bild 12.125 durch Horizontalkräfte in die Stirnwände des Bechers eingeleitet. 14.11.01 t M m = M + V ⋅ --2 (12.79) Mm V 3 M 5 H o = --------- + ---- = --- ⋅ ----- + --- ⋅ V z 2 2 t 4 (12.80) Mm V 3 M 1 H u = --------- – ---- = --- ⋅ ----- + --- ⋅ V z 2 2 t 4 (12.81) 453 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models M N V Ho z = 2/3 t t Mm Hu N a Bild 12.125 Glatter Köcher: Horizontalkräfte Ho und H u (auf die Becherwand einwirkend) Das Bild 12.126 zeigt ein Fachwerkmodell für den Einspannbereich der Stütze. C1 + N T1 V Ho z ~ 2/3 t t Hu N Bild 12.126 Glatter Köcher: Einspannung Stützenfuß, Fachwerkmodell Das Bild 12.127 enthält die entsprechenden Fachwerkmodelle für den Bereich des Köchers und das Bild 12.128 die zugehörige Bewehrung. 14.11.01 454 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Aufriß Köcherseitenwand Ho/2 T2 A A T D Ho = ------2 2 H o – Hu V --------------------- = ---2 2 B D T3 Schnitt B - B T B Hu/2 T3 C3 Schnitt A - A T T2 Ho = ------2 2 T2 T4 Bild 12.127 T4 Hu/2 Ho/2 Ho/2 Hu/2 T2 T2 Hu = ------4 2 T4 T4 Lastbabtragung im Bereich des Köchers a Pos.1 3 2 3 Pos.2 14.11.01 Pos.3 (statt Pos.3 ist auch Pos.2 möglich) 455 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models b 2 1 1 3 Pos.1 2 Ringbügel Pos.2 Pos.3 Bild 12.128 Standbügel Bewehrungsführung bei M a) geringer Ausmitte (z.B. ------------ ≥ 0,15 ), bzw. kleinen Abmessungen N⋅a b) größerer Ausmitte bzw. großen Köcherabmessungen 14.11.01 456 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models T1 C1 + N V Zone a Ho Ho Ho - Hu Zone b T2 Bild 12.129 Köcherfundament Das Bild 12.129 enthält eine Aufrißskizze des räumlichen Fachwerkmodells für ein Köcherfundament mit glatter Köcherinnenseite. Die Zone b liegt unterhalb des Köchers im Fundamentblock. Das Bild 12.130 zeigt schematisch eine Möglichkeit, wie man den Stützenfuß einjustieren kann. Die Höhenjustierung kann entweder mit einem einnivellierten Mörtelbett oder mit einer Justiermutter erfolgen. Hartholzkeil a b Stütze schräge Gerüststreben Justiermutter Mörtelbett genaue Höhe rohe Höhe Bild 12.130 14.11.01 Beispiel einer Justiereinrichtung für den Stützenfuß 457 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models 12.10.4.6Pfahlkopfplatten Pfahlkopfplatten tragen die Lasten ähnlich wie Einzelfundamente ab. An die Stelle der gleichmäßig verteilten Bodenpressungen treten jedoch konzentrierte Querpressungen über den längssteifen Pfählen (Bild 12.131). a Stütze b N/2 N/2 Pfahlkopfplatte Stütze Pfahlkopfplatte a Pfahl tragfähige Schicht Bild 12.131 a) Übersicht b) Pfahlkopfplatte mit Fachwerkmodell Es stellt sich ein räumliches Fachwerk ein, bei dem sich die schrägen Druckstreben vorzugsweise auf die Pfähle abstützen (Bild 12.132 a). Die Pfahlkopfplatten werden möglichst steif ausgebildet; d.h. die Höhe wird so gewählt, daß sich die 1 Druckstreben relativ steil einstellen. Ihre Neigung soll das Verhältnis tan α = --- nicht unterschreiten. 2 Die Horizontalkomponenten der Druckstreben werden mit Zugbändern verschlossen, die man auch vorspannen kann. Sie verlaufen streifenförmig über den Pfählen (Bild 12.132, Bild 12.133 a und Bild 12.134). Falls sich zu geringe Abstände zwischen den Bewehrungsstäben ergeben, ist es besser, mehrere Lagen übereinander anzuordnen, statt einen Teil der Bewehrung außerhalb der Pfahlbreite zu verlegen. Durch die hohe Querpressung über den Pfählen hat man selten Probleme mit der Verankerung der Bewehrung (Haken sind nicht erforderlich). Eine Umschließung der Ankerzone durch Bügel ist zweckmäßig, wenn hohe Kräfte (in mehreren Lagen) zu verankern sind oder wenn doch ein Teil der Bewehrung außerhalb der Pfahlbreite liegt (Bild 12.132). 14.11.01 458 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Schnitt A - A A Aufriß Stütze A Pfahl Umschnürung der Ankerzone Grundriß Bild 12.132 Bewehrung eines einfachen Pfahlkopfbalkens über zwei Pfählen a Sprengwerk 1 b Bild 12.133 Pfahlkopfplatten über drei bzw. vier Pfählen a) Fachwerkmodelle für Primärtragwirkung (Sprengwerk 1) b) Grundriß mit Bewehrungsführung Obwohl sich die Sprengwerke bevorzugt über den jeweils kürzesten Weg direkt auf die steifen Auflager (Pfahlköpfe) abstützen (Bild 12.133), stellt sich bei großem Pfahlabstand auch noch eine zweite Sprengwerkwirkung ein, die - weil weicher - einen kleineren Lastanteil indirekt über das im Bild 12.134 skizzierte Fachwerkmodell abträgt. 14.11.01 459 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models Druckstreben 2 A Sprengwerk 3 Druckstreben 3 B Sprengwerk 2 Zugbänder 2 Aufhänge= bewehrung A Aufhänge= bewehrung Sprengwerk 3 Zugbänder 3 B Schnitt A - A : Sprengwerk 2 Schnitt B - B : Sprengwerk 3 Aufhängestab (Bügel) Zugband 2 Bild 12.134 Zugband 3 Pfahlkopfplatte über 4 Pfählen: Fachwerkmodell für Sekundärtragwirkung (Primärtragwirkung: siehe Bild 12.131 b) Wichtig ist, daß für diese Tragwirkung nicht nur die entsprechenden Zugbänder 2, sondern auch Aufhängebügel (Bild 12.135) erforderlich sind, die die Druckstreben des Sprengwerkes 2 in Bild 12.134 in das Sprengwerk 3 einhängen. Das Bild 12.136 zeigt ein Bruchbild bei fehlender Aufhängebewehrung. 14.11.01 460 12. Fachwerkmodelle - strut and tie models a Zugband zu den Sprengwerken 1 und 3 b Aufhängebügel zu Sprengwerk 2 Zugband zu Sprengwerk 2 Bild 12.135 Vollständige Bewehrung einer Pfahlkopfplatte über Pfählen mit großem Pfahlabstand Schnitt A-A a b gleichmäßig verteilte orthogonale Bewehrung A Bild 12.136 14.11.01 Druckstrebe geht “ins Leere” b A Bruch durch fehlende Aufhängebewehrung (Längsbewehrung über die Breite b gleichmäßig verteilt) 461 13. Umlenkkräfte 13. Umlenkkräfte 13.1 Allgemeines In Betondruckspannungsfeldern, deren Trajektorien oder Lastpfade gekrümmt verlaufen, entstehen Abtriebs- oder Umlenkkräfte, die radial-konvex orientiert sind. Beispielsweise zeigt das Bild 12.20 den flaschenhalsartigen Trajektorienverlauf hinter einer konzentrierten Lasteinleitung. In jenem Bereich, wo die Trajektorien nach außen konvex gekrümmt verlaufen, entstehen Querzugspannungen, die als Spaltzugspannungen bezeichnet werden. Sie erfordern eine sogenannte Spaltzugbewehrung. Umlenkkräfte entstehen insbesondere in Bauteilen mit gekrümmten oder geknickten Leibungen. Auch gekrümmt oder geknickt verlaufende Bewehrungen unter Zug- oder Druckbeanspruchung bewirken Umlenkkräfte (Bild 13.1). a T C M b T T C C u c C C u T T d C C T Bild 13.1 14.11.01 T Umlenkkräfte in einem a) c) Stahlbeton-Kreisbogen b) d) geknickten Binder a) b) die Umlenkkräfte erzeugen Querdruckkräfte c) d) die Umlenkkräfte erzeugen Querzugkräfte 462 13. Umlenkkräfte Achtung: Eine Zugbewehrung um eine einspringende Ecke zu führen, ist einer der schwerwiegendsten Fehler, die man im Betonbau begehen kann!!! Achtung: Stets ist die Auswirkung von Umlenkkräften zu verfolgen. Die gegenwirkenden Kräfte, die den Umlenkkräften das Gleichgewicht halten, können in anderen Bereichen des Querschnittes auftreten (z.B. in den Gurten von Kasten- oder I-Querschnitten). s a b Ts U Ts Ts dϕ-----2 Bild 13.2 dϕ ------2 dϕ ------2 Ableitung der Kesselformel dϕ U = 2 ⋅ T s ⋅ sin ------2 dϕ s = 2 ⋅ r ⋅ sin ------2 (Bild 13.2) (13.1) (13.2) dϕ dϕ Für kleine Winkel gilt sin ------- = ------- . 2 2 U = T s ⋅ dϕ (13.3) s = r ⋅ dϕ (13.4) Umlenkkraft pro Umfangslänge „1“: Ts U u = ---- = -----s r (13.5) Wenn man zur Aufnahme der Umlenkkraft Bügel im Abstand s anordnet, lautet die Zugkraft Tu je Bügel s T u = T s ⋅ --r (13.6) und der erforderliche Stahlquerschnitt Tu T s erf A s, u = ------- = ------- ⋅ --f yd r f yd (13.7) Um den Krümmungsdruck möglichst gleichmäßig zu verteilen und zu verhindern, daß Spannungskon- 14.11.01 463 13. Umlenkkräfte zentrationen an der gekrümmten Hauptbewehrung auftreten (Bild 13.4), sind für den Bügelabstand und die Betondeckung folgende Bedingungen einzuhalten: s ≤ 10d s (13.8) c ≥ 1, 5d s (13.9) s Bügel C C T T Bild 13.3 14.11.01 Fachwerkmodell für Umlenkkräfte 464 13. Umlenkkräfte 13.2 Ohne Verbügelung aufnehmbare Umlenkkräfte b σ c td a vorh As Riß c ca.30° c bc ----2 bc ----2 bc ≤ 3, 5c ≤ e – ds 1,75 c u bc = 3,5c ds 3,0 σctm σctm Bild 13.4 Betonzugspannungen infolge der Umlenkkräfte Die maximale Betonzugspannung σctd tritt neben der Hauptbewehrung auf (Bild 13.4). u σ ctd = 3,0 ⋅ σ ctm = 3,0 ⋅ ----bc (13.10) Mit dem Rechenwert fctd für die Betonzugfestigkeit (γc = 2,0), f ctk f c tk f ctd = -------- = -------γc 2 (13.11) lautet die mit der Zugtragfähigkeit des Betons aufnehmbare Umlenkkraft f ctk ⋅ b c u Rd = ------------------6,0 (13.12) Die einwirkende Umlenkkraft läßt sich aus dem Rechenwert der Fließspannung aus dem vorhandenen Bewehrungsquerschnitt As ableiten. vorh A s ⋅ f y d u Sd = -------------------------------r (13.13) Die Gleichung (13.12) setzt voraus, daß sich den aus der Umlenkung der Zugkräfte resultierenden Betonzugspannugen keine anderen Zugspannungen überlagern. Es können Zugspannungen aus einer Querkraft und/oder Tosionseinwirkung sein, aber auch Zugspannungen in Umgebung der Bewehrung aus der Verbundwirkung. 14.11.01 465 13. Umlenkkräfte 13.3 Rückverankerung gekrümmter Spannglieder Wenn die umgelenkte Bewehrung nicht nahe dem Biegezugrand angeordnet ist (z1 <<), sondern innerhalb des Querschnittes, dann gilt für die rückzuankernde Umlenkkraft u2: T z2 u 2 = --- ⋅ ----r h (13.14) u2(+) σx σx z2 C2 z1 u1(-) T r C1 C2 T C1 Bild 13.5 Vorgespannter Kreisring Anmerkung: Für z2 = 0 wird die Kreiszylinderschale “umwickelt“. Die Umlenkkräfte verursachen Querdruckspannungen. 14.11.01 466 13. Umlenkkräfte 13.4 Schlanke vorgespannte Druckstäbe Bei schlanken Stützen unter einer relativ geringen Normalkraft (ν < 0,4) erhöht eine Vorspannung das Rißmoment und damit die Tragfähigkeit nach Theorie 2.Ordnung. mit Vorspannung M tio Ak n 2 Reaktion 1 tion Ak ohne Vorspannung Mcr,N+P 2 N 1 ⋅ kM ⋅ l0 Mcr,N 2 N 2 ⋅ kM ⋅ l0 ϑ e1 --------------2 kM ⋅ l0 Bild 13.6 Erhöhen der Stabilität N2 durch zentrische Vorspannung (N1 ohne Vorspannung) Die Umlenkkräfte uc,P aus dem Lastfall Vorspannung, die infolge der Stabauslenkung e2 nach Theorie 2.Ordnung entstehen (Bild 13.7 a), wirken in gleicher Größe den Umlenkkräften up,P (Bild 13.7 b) entgegen, die im Spannglied infolge der Stabauslenkung e2 entstehen. Daher verursacht die Vorspannung kein zusätzliches Stabilitätsproblem, wenn der Spannstahl in engen Hüllrohren geführt wird. 14.11.01 467 13. Umlenkkräfte a b N P Umlenkkräfte up,p infolge P Umlenkkräfte uc,p infolge Nc,P e2 N Bild 13.7 14.11.01 e2 u c, P = u p, P P Der „Selbstspannungszustand“ infolge der Vorspannung wird durch die Stabauslenkung e2 nicht verändert a) Umlenkkräfte uc,P im verformten Betonstab (Stabauslenkung e2) infolge der Vorspannung P b) Umlenkkräfte up,P im verformten Spannglied (Auslenkung e2) 468 13. Umlenkkräfte 13.5 Einspringende geknickte Betonleibung Bei Knickwinkel α der Betonleibung, die höchstens 10° betragen, dürfen die Zugeinlagen elastisch gekrümmt oder mit großem Biegerollendurchmesser gebogen werden. Die Umlenkkraft jedes Zugstabes ist im Krümmungsbereich durch mindestens zwei Bügel zu sichern. An der Knickstelle der Leibung muß die Mindestbetondeckung auch für die Bügel eingehalten werden (siehe Bild 13.8). Bei Knickwinkel der Betonleibung, die größer als 10° sind, müssen die Zugeinlagen ausgekreuzt und in der Druckzone ausreichend verankert werden (siehe Bild 13.9). Für Knickwinkel 45° < α ≤ 95° ist bei hoher Ausnutzung (ρ > 1%) außerdem gemäß Bild 13.10 eine Schrägbewehrung As anzuordnen, die mindestens die halbe Querschnittsfläche des stärkeren Zuggurtes hat. Diese Schrägbewehrung ist bis in die Druckzone zu führen. Beidseits der einspringenden Ecke muß mindestens die Verankerungslänge vorhanden sein. Bei Winkeln > 95° ist die spitzwinkelig einspringende Ecke durch eine Voute zu brechen. Es ist stets eine Schrägbewehrung anzuwenden, die dann in der Voute verläuft. Sie ist auf das Eckmoment einschließlich allfällig wirkender Normalkräfte unter Annahme eines realistischen Hebelarms der inneren Kräfte zu bemessen (siehe Bild 13.11). M M α α ≤ 10° geknickte Betonleibung mit nach außen wirkender Umlenkkraft; Knickwinkel α ≤ 10° Bild 13.8 Fu U Dd U lb,erf Dd Dd lb,erf Wirkungslinie von Dd Dd α M Bild 13.9 M rd geknickte Betonleibung mit nach außen wirkender Umlenkkraft; Knickwinkel 10° < α ≤ 45° ≥ ≥ l b,e rf rf l b,e α Ass h1 h2 M As1 As2 45° < α ≤ 95° M Bild 13.10 14.11.01 geknickte Betonleibung mit nach außen wirkender Umlenkkraft; Knickwinkel 45° < α ≤ 95° 469 13. Umlenkkräfte h1 α Ass As2 h2 M As1 α > 95° M Bild 13.11 14.11.01 geknickte Betonleibung mit nach außen wirkender Umlenkkraft; Knickwinkel α > 95° 470 13. Umlenkkräfte 13.6 Nach außen wirkende Umlenkkräfte in der Druckzone Die Umlenkkräfte der Druckzone erzeugen die Radialzugspannungen σr. Wenn die nachstehende Bedingung eingehalten ist, können die Radialzugspannungen vom Beton aufgenommen werden. Cd f ctk σ rd = --------------- ≤ --------r d ⋅ b 0 4, 5 (13.15) Cd .....................Druckkraft im Betonquerschnitt unter den Bemessungsschnittkräften rd ......................Krümmungsradius der Wirkungslinie der Druckkraft b0 .....................kleinste Querschnittsbreite Wenn die Bedingung nach Gleichung (13.15) nicht eingehalten ist, müssen die Umlenkkräfte durch Bügel, in deren Ecken Querstäbe eingelegt werden, erfasst und rückverankert werden. Der Abstand der Bügelschenkel darf in beiden Richtungen 20 cm bzw. die Hälfte der Querschnittsdicke nicht überschreiten. Bei geknickten Außenleibungen ist eine rechnungsmäßige Ausrundung anzunehmen und dafür die Radialzugspannung nachzuweisen. Wenn die so ermittelte Radialzugspannung σrd den Grenzwert gemäß Gleichung (13.15) überschreitet, ist die Umlenkkraft U durch Bügel oder mit Schlaufen der gekreuzten Bewehrung rückzuverankern. Die sich bei der Ausrundung ergebende geringste Nutzhöhe des Bauteils ist bei der Bemessung auf Biegung zu verwenden. Wenn σrd über dem Grenzwert gemäß Gleichung (13.15) liegt, darf die Betondeckschicht beim Biegungsnachweis nicht als Druckzone mitgerechnet werden. Wenn die Druckzone breiter ist als der Steg (Plattenbalken), können die auf die Flansche entfallenden Umlenkkräfte nicht direkt rückverhängt werden. Es kommt zu einer Querbiegebeanspruchung oder Konsolwirkung im Bereich des Knickes (Bild 13.12 c). Bei breiten Flanschen stellt sich eine Faltwerkwirkung ein, die auf ein „Einschnüren“ der Druckzone (mittragende Plattenbreite) hinausläuft. U = 2Cz C m C m Uf Uw Uf bf Uf Uf bf U f = U ⋅ ---b b Bild 13.12 14.11.01 Umlenkung der Flanschkräfte a) geknickter Obergurt b) auf Flansch entfallender Anteil der Umlenkkräfte c) Uf verursacht Qurbiegung im Knickquerschnitt m-m 471 Dies ist eine Veröffentlichung des FACHBEREICHS INGENIEURBAUKUNST (IBK) AN DER TU GRAZ Der Fachbereich Ingenieurbaukunst umfasst die dem konstruktiven Ingenieurbau nahe stehenden Institute für Baustatik, Betonbau, Stahlbau & Flächentragwerke, Holzbau & Holztechnologie, Materialprüfung & Baustofftechnologie, Baubetrieb & Bauwirtschaft, Hochbau & Industriebau, Bauinformatik und Allgemeine Mechanik der Fakultät für Bauingenieurwissenschaften an der Technischen Universität Graz. Dem Fachbereich Ingenieurbaukunst ist das Bautechnikzentrum (BTZ) zugeordnet, welches als gemeinsame hochmoderne Laboreinrichtung zur Durchführung der experimentellen Forschung aller beteiligten Institute dient. Es umfasst die drei Laboreinheiten für konstruktiven Ingenieurbau, für Bauphysik und für Baustofftechnologie. Der Fachbereich Ingenieurbaukunst kooperiert im gemeinsamen Forschungsschwerpunkt „Advanced Construction Technology“. Dieser Forschungsschwerpunkt umfasst sowohl Grundlagen- als auch praxisorientierte Forschungs- und Entwicklungsprogramme. Weitere Forschungs- und Entwicklungskooperationen bestehen mit anderen Instituten der Fakultät, insbesondere mit der Gruppe Geotechnik, sowie nationalen und internationalen Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Die Lehrinhalte des Fachbereichs Ingenieurbaukunst sind aufeinander abgestimmt. Aus gemeinsam betreuten Projektarbeiten und gemeinsamen Prüfungen innerhalb der Fachmodule können alle Beteiligten einen optimalen Nutzen ziehen. Durch den gemeinsamen, einheitlichen Auftritt in der Öffentlichkeit präsentiert sich der Fachbereich Ingenieurbaukunst als moderne Lehr- und Forschungsgemeinschaft, welche die Ziele und Visionen der TU Graz umsetzt. Nummerierungssystematik der Schriftenreihe S – Skripten, Vorlesungsunterlagen | F – Forschungsberichte V – Vorträge, Tagungen | D – Diplomarbeiten Institutskennzahl: 1 – Allgemeine Mechanik | 2 – Baustatik | 3 – Betonbau 4 – Holzbau & Holztechnologie | 5 – Stahlbau & Flächentragwerke 6 – Materialprüfung & Baustofftechnologie | 7 – Baubetrieb & Bauwirtschaft 8 – Hochbau & Industriebau | 9 – Bauinformatik Fortlaufende Nummer pro Reihe und Institut / Jahreszahl