Gattermann Wieland - Die Praxis Des Organischen Chemikers
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Gattermann • WielandDie Praxis des organischen Chemikers neu bearbeitet von Theodor Wieland und Wolfgang Sucrow 43. Auflage W Walter de Gruyter G Berlin •New York 1982 DE Die Praxis des organischen Chemikers 1894, erstmals erschienen 1923, 18. Auflage begründet von Prof. Dr.'Ludwig Gattermann fortgeführt von Prof. Dr. Heinrich Wieland fortgeführt von Prof. Dr. Theodor Wieland Prof. Dr. Theodor Wieland Prof. Dr. Theodor Wieland und Garsten Mayer 1956, 37. Auflage 1962, 41. Auflage 1972, 42. Auflage nur Teil I Allgemeine Arbeitsanweisungen 1982, 43. Auflage neu bearbeitet von Prof. Dr. Theodor Wieland und Prof. Dr. Wolfgang Sucrow Autoren: Theodor Wieland, Prof. Dr. phil. Direktor der Abteilung Chemie am Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung 6900 Heidelberg Wolf gang Sucrow, Prof. Dr.-Ing. Universität-Gesamthochschule Paderborn Lehrstuhl für Organische Chemie Warburger Str. 100 4790 Paderborn CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Gattermann, Ludwig: Die Praxis des organischen Chemikers / Gattermann ; Wieland. Neu bearb. von Theodor Wieland u. Wolfgang Sucrow. - 43. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1982. ISBN 3-11-006654-8 NE: Wieland, Heinrich:; Wieland, Theodor [Bearb.] Copyright © 1982 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung. J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Einbandgestaltung: W.Taube, München. Satz: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg-Passau. Druck: Karl Gerike, Berlin. Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer Buchgewerbe GmbH, Berlin. Vorwort zur 43. Auflage Die Neuauflage des Gattermann-Wieland hat sehr lange Zeit auf sich warten lassen. Nun ist es soweit. Verlag und Autoren legen sie in der Hoffnung vor, daß sich der Gattermann-Wieland wieder einen festen Platz an den deutschsprachigen Hoch- und Fachschulen erobern möge. Über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren hatte der Gattermann eine Art Monopolstellung inne, und mehrere Chemikergenerationen haben im Laufe ihrer Ausbildung - und noch darüber hinaus - mit großem Nutzen und Erfolg den Gattermann als Koch- und Lehrbuch benutzt. Dem Leser werden die hier abgedruckten Vorworte früherer Auflagen sicherlich einen reizvollen historischen Rückblick vermitteln. Schon von Anfang an war es das Konzept des Buches, den Chemiestudenten an Hand von sorgfältig ausgesuchten Präparaten, verbunden mit theoretischen Erklärungen, in die Organische Chemie einzuführen. So sollte das, was sich im Glaskolben, in der Apparatur an chemischen Reaktionen abspielte, den Studenten auch theoretisch verständlich werden. Deshalb wurden neben den Arbeitsvorschriften auch immer die dazugehörenden theoretischen Grundlagen behandelt. Auf diese Weise erwarb sich der Student nicht nur manuelle Geschicklichkeit und Erfahrung im Labor, sondern er lernte vor allem auch Organische Chemie verstehen. Es ist keine Frage, daß sich dieses Konzept über Generationen hinweg mit Erfolg bewährt hat, und an diese erfolgreiche Tradition und Vergangenheit möchte der neue Gattermann-Wieland wieder anschließen. Die Autoren glauben, daß die durch den Gattermann-Wieland seit Generationen geprägte Ausbildung der Chemiker auch heute noch zeitgemäß ist, trotz ständiger Zunahme wissenschaftlicher Erkenntnis und zahlloser Reformen des Chemiestudiums. Dem präparativen Teil des Buches vorangestellt wurden die Allgemeinen Arbeitsanweisungen. Der völlig neubearbeitete Hauptteil, der die Herstellung wichtiger organisch-chemischer Verbindungen an ausgesuchten Präparaten und Reaktionen beschreibt, wurde sehr viel übersichtlicher als bisher gegliedert und somit der Form nach, nicht aber nach StU und Anlage, verändert. Natürlich hat der Hauptteil des Buches, bedingt durch die in den letzten 20 Jahren erfolgte Erweiterung des präparativen Arsenals an Umfang zugenommen. Das Kapitel IX, Metallorganische Reaktionen, wurde neu eingefügt, es enthält neben den klassischen Grignard-Reaktionen nun auch solche mit Lithium-organischen Verbindungen, z. B. die Corey-Seebach- und die Stör k- Wittig-Metallierungen, die Willig- und die Hörner-Reaktion, ferner die Hydroxymercurierung und eine Synthese über eine Kupferorganische Zwischenstufe. Wichtige Reaktionen, die außerdem neu aufgenommen wurden, sind die Hydroborierung, die Bildung und Umsetzung von Enaminen, die VI Vorwort Michael-Addition, einige moderne Oxidationsverfahren, wie z.B. mit Pyridiniumchlorchromat, die Birch-Reduktion, die Hydrierung mit löslichem Katalysator. Die Einarbeitung spektroskopischer Methoden haben wir aus Platzgründen zunächst zurückgestellt und an den erforderlichen Stellen auf die vorhandene, kompetente Literatur hingewiesen. Jedem Kapitel ist eine Aufstellung wichtiger, zusammenfassender Übersichtsartikel angefügt, die das vertiefte Studium der einzelnen Themenkreise erleichtern sollen. Ein Praktikumsbuch kann kein Lehrbuch ersetzen, besonders heute, wo die Fülle des Stoffs alle Maße sprengt. Dennoch haben wir versucht zu gewährleisten, daß der Student seine Grundkenntnisse fürs Examen aus dem Gatt ermann-Wieland beziehen kann. Das sprichwörtlich Kleingedruckte der alten Ausgaben hat dazu einem übersichtlicher geordneten Text Platz gemacht, in dem das Experimentelle wie früher mit der zugrunde liegenden allgemeinen Theorie verknüpft wird. Die Versuche und Präparate illustrieren wie in einer Experiment al\ o riesung den Gang durch das Gebäude der Organischen Chemie; so oft wie möglich wird der Blick auf einschlägige biochemische Bezüge gelenkt. Entgegen dem Trend zu allzu großer Versachlichung haben wir zur Belebung des Interesses und auch zur Stützung des Gedächtnisses viele Namen von Chemikern erwähnt, manchmal auch dazugehörige Jahreszahlen. An der Bearbeitung der neuen Auflage war zu Anfang auch Prof. Rolf Huisgen beteiligt, dem wir Entwürfe für einen Teil der Kapitel und zahlreiche präparative Ausarbeitungen verdanken. Herr Garsten Mayer hat sich durch intensive Arbeit im Labor und am Schreibtisch besonders um die Allgemeinen Arbeitsanweisungen verdient gemacht, weitere wertvolle Beiträge leisteten die Kollegen Walter Ried (Frankfurt a. M.) und Franz A. Neugebauer (Heidelberg); Frau Annemarie Seeliger und Herr Heinrich Trischmann haben im Heidelberger Institut zahlreiche Vorschriften geprüft und ausgearbeitet. Ihnen allen sei auch hier herzlich gedankt. Mit einbezogen sei auch der Verlag für seine unendliche Geduld und für die angenehme und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Theodor Wieland Wolfgang Sucrow Vorwort Aus dem Vorwort zur 1. Auflage Das vorliegende Buch ist in erster Linie einem privaten Bedürfnis des Verfassers entsprungen. Wenn man gleichzeitig eine größere Anzahl von Studierenden in das organische Arbeiten einzuführen hat, dann ist es oft beim besten Willen nicht möglich, jeden einzelnen auf die kleinen Kunstgriffe, deren es beim organischen Arbeiten so viele gibt, aufmerksam zu machen. Damit nun der Studierende sich auch in Abwesenheit des Lehrers bei der Ausführung allgemeiner Operationen Rat erholen kann, ist den speziellen Vorschriften für Präparate ein allgemeiner Teil vorausgeschickt, welcher die Kristallisation, Destillation, das Trocknen, die analytischen Operationen u. a. behandelt. Bei der Abfassung dieses Teiles wurde weniger Wert darauf gelegt, die zahlreichen Modifikationen der einzelnen Operationen möglichst vollständig aufzuzählen, als vielmehr darauf, die wichtigsten Operationen derart zu beschreiben, daß der Anfänger auch in Abwesenheit des Assistenten dieselben danach selbständig ausführen kann. Im zweiten speziellen Teile wurden jedem einzelnen Präparate allgemeine Betrachtungen angefügt, welche sich auf das Wesen und die allgemeine Bedeutung der ausgeführten Reaktionen beziehen und den Zweck verfolgen, daß der Studierende sich schon beim praktischen Arbeiten auch möglichst vielseitige theoretische Kenntnisse aneignet, welche, unter diesen Umständen erworben, bekanntlich fester haften, als wenn sie ausschließlich an Hand eines rein theoretischen Buches gewonnen sind. Und so hofft denn der Verfasser, daß sein Buch neben den trefflichen Anleitungen von E.Fischer und Levy sich hier und da einige Freunde erwerben möge. Heidelberg, August 1894 L. G a t t e r m a n n VII Vorwort zur 19. Auflage Vor etwas mehr als dreißig Jahren hat Ludwig Gattermann die erste Auflage seiner Anleitung für das organ.-chemische Praktikum dem Druck übergeben. 'Das System, die präparativen Vorschriften mit theoretischen Erläuterungen zu versehen, hat sich zweifellos bewährt. Dafür spricht schon die große Verbreitung des Buches; es hat 18 Auflagen erlebt. — Die Erlernung der methodischen Technik ist gewiß das Hauptziel des organischen Praktikums; als bloße Kochkunst und Laborantenfertigkeit ausgeübt, leistet sie jedoch zu wenig. Die Methodik beherrschen heißt vor allem auch, den Sinn ihrer Anwendung verstehen, ihre vielfaltigen Ausdrucksformen am richtigen Platz handhaben. Es ist auch hier der Geist, der sich den Körper baut. Wir verlangen, daß der Praktikant mit den Umwandlungen, die er präparativ betreibt, theoretisch vertraut sei. Der den einzelnen Präparaten angefügte Kommentar soll den Überblick über das gerade bearbeitete Gebiet erleichtern und zum Gebrauch der Lehrbücher und der Originalliteratur, zum Nachschürfen VIII Vorwort anregen. Nachdem jetzt die Grundlagen der organischen Chemie beim präparativen Arbeiten an den deutschen Hochschullaboratorien vorausgesetzt werden können, lag die Gefahr, ihn zur ,,Eselsbrücke" zu gestalten, fern. Mit Vorbedacht sind die Anforderungen nach der praktischen und nach der theoretischen Seite in dieser Neubearbeitung gesteigert worden. Was in den vergangenen dreißig Jahren an „Schulsack** genügte, das ist jetzt zu knapp für den, der sich an der Bearbeitung der für Wissenschaft und Technik gleichermaßen zugespitzten und schwieriger gewordenen Aufgaben beteiligen will. Der Gedanke, das präparative Praktikum gleichzeitig zu einem Erfassen und Erleben der organischen Chemie werden zu lassen, hat die Anordnung des Stoffs vom Gesichtspunkt des systematischen Zusammenhangs aus gefordert. Man wird sehen, daß dem dadurch bedingten Aufbau die präparative Anstiegslioie vom Leichteren zum Schwierigeren kaum ernstlich zuwider verläuft. Und der Gewinn an abgerundeter Ausbildung, der zu erwarten steht, ist erheblich. Der allgemeine Teil und ebenso der analytische sind vollkommen umgearbeitet worden unter starker Kürzung zugunsten der Präparate. Durch ihre Vermehrung soll einige Abwechslung geboten und dem schematischen Zug im organischen Praktikum entgegengewirkt werden. Meinen Assistenten, vor allem den Herren Dr. Franz Bergel und F. Gottwalt Fischer bin ich für ihre unermüdliche Mithilfe bei der Ausführung zahlloser Versuche zu großem Dank verpflichtet. Herr Fischer hat außerdem die in dieser Bearbeitung neuen Figuren gezeichnet und das Register angefertigt. Freiburg i. Br., Ostern 1925 Heinrich Wieland Vorwort zur 34. Auflage Für die vorliegende Ausgabe ist das Buch in allen Einzelheiten kritisch und gründlich durchgesehen worden. Einige Präparate wurden weggelassen und durch andere ersetzt; in manchen Fällen wurden die präparativen Vorschriften verbessert. Neue Methoden, wie die der Papierchromatographie und der Polymerisation sind mit geeigneten Beispielen aufgenommen. Viel einschneidender sind die Änderungen, die den theoretischen Erläuterungen zuteil geworden sind. Obwohl ich nach wie vor an der Auffassung festhalte, der ,,Gattermann" habe nicht die Aufgabe, dem Studenten auch die theoretischen Kenntnisse der organischen Chemie lückenlos zu vermitteln, habe ich mich doch entschlossen, entgegen meinem früheren, im Vorwort zur siebenundzwanzigsten Auflage (1940) vertretenen Standpunkt, die moderne Elektrönentheorie der chemischen Valenz wenigstens im Prinzip als Grundlage für die Erörterungen über den Mechanismus der behandelten Reaktionen heranzuziehen. In einem besonderen Kapitel (S. 377) versucht R. Huisgen die Hauptlinien dieser Betrachtungsweise, wie mir scheint mit guten Erfolgsaussichten, dem Benutzer des Buchs näherzubringen. Vorwort Selbstverständlich ist bei der Wiedergabe der Formeln die anschauliche alte Ausdrucksweise der chemischen Bindung durch Bindestriche beibehalten worden. Für ihre hingebende Unterstützung bei der Neubearbeitung des Buches habe ich den Kollegen Prof. R. Huisgen, F. Lynen und Th. Wieland wärmstens zu danken. Starnberg, September 1952 Heinrich Wieland DC Vorwort zur 37. Auflage Einem Vorschlag von Heinrich Wie l and folgend hat mich der Verlag gebeten, von nun an die weitere Bearbeitung des „Gattermann-Wieland" zu besorgen. Die jetzt vorliegende neue Auflage, die wieder in kurzer Folge nötig geworden ist, trägt in ihrem Aufbau und Inhalt weiterhin das Charakteristische des Handbuchs an sich, wie es sich in 30 Jahren und 18 Auflagen nach seiner völligen Umgestaltung durch H. Wieland entwickelt hat. Vor vier Jahren wurde dem Praktikum eine Einführung in die Elektronentheorie der organischen Verbindungen und in die Mesomerielehre aus der Feder R. Huisgen s angefügt und in den theoretischen Erläuterungen der Versuche auf dieses Kapitel mehrfach verwiesen. In der Zwischenzeit dürfte an den deutschen Hochschulen die moderne Betrachtungsweise auch in den Anfängerunterricht soweit eingedrungen sein, daß die prägnanten Begriffe der Heterolyse, Homolyse, nucleophilen und elektrophilen Substitutionsreaktion und der Mesomerie das Verwirrende verloren haben und das Verständnis der organischen Reaktionen zu erleichtern beginnen. Man konnte es daher nun wagen, diese Sprache an zahlreichen Stellen des Textes einzuführen, ohne jedoch auf den theoretischen Anhang zu verzichten, dessen wiederholte Lektüre dem Praktikanten eindringlich empfohlen sei. Herrn Kollegen R. Huisgen habe ich für seine Unterstützung bei der Neubearbeitung herzlich zu danken. Frankfurt a. M., Frühjahr 1956 Theodor Wieland Vorwort zur 39. Auflage Für die neue Auflage sind einige Vorschläge für kleinere Verbesserungen herangetragen worden. Nicht unwesentlich erscheint mir ein von Herrn Kollegen A. Rieche gegebener Hinweis auf die Explosionsgefährlichkeit heißer Lösungen von Dibenzoylperoxyd. Ihm folgend wird zur Reinigung der Substanz jetzt nur noch die Umfallung aus Chloroform mit Methanol herangezogen (S. 115). Sonst hat sich gegenüber der letzten Auflage nicht viel geändert; die Theorie ist in einigen Punkten an don neuesten Stand herangeführt, bei den Kohlehydraten sind sterisch eindeutige Formeln eingesetzt worden. Frankfurt a. M., Frühjahr 1959 Theodor W i e l a n d Vorwort Vorwort zur 40. Auflage Der Aufmerksamkeit einiger kritischer Leser sind verschiedene Druckund Sachfehler nicht entgangen, die sich bis in die letzte Auflage durchgeschleppt haben und jetzt, neben wenigen veralteten Stellen, korrigiert werden konnten. Ihnen sei auch an dieser Stelle vielmals gedankt. Im Stoff hat sich gegenüber der letzten Auflage nichts geändert. Frankfurt a. M., Januar 1961 Theodor Wieland Inhaltsverzeichnis Allgemeine Arbeitsanweisungen Glas im Laboratorium; offene Reaktionsgefaße Hinweise zur Glasbearbeitung Offene Reaktionsgefäße Einfachste geschlossene Reaktionsgefaße Verbindung der Apparaturteile Schliff-Rundkolben Rückflußkühler Befestigung der Apparaturen am Stativ Erhitzen Heizquellen Heizbäder Thermostaten Kühlen Homogenisieren Lösen Zerkleinern Rühren Magnetrühren Vibrieren Schütteln Reaktionsgefaße mit mehreren Aufsätzen. Tropftrichter Gasapparaturen (Gasstahlflaschen) Zugabe fester Stoffe Arbeiten mit Überdruck-Reaktionsgefaßen Einschmelzrohre Autoklaven Erzeugung und Messung von Unterdruck Wasserstrahlpumpen-Anlagen Hochvakuumpumpen-Anlagen Umgang mit Quecksilber Destillation Destillation bei Atmosphärendruck Destillation bei vermindertem Druck Destillation kleiner Mengen Kolonnendestillation Destillation unter Mitwirkung eines Hilfsstoffs (Azeotrop- und Wasserdampf-Destillation) Sublimation und Gefriertrocknung Sublimation >. l l 2 3 3 5 6 8 9 9 11 13 15 17 17 18 18 19 20 20 21 22 23 27 27 27 28 30 30 32 35 35 35 39 45 46 51 57 57 XII Inhaltsverzeichnis 58 59 59 61 64 65 67 68 68 69 70 74 76 77 78 78 79 82 83 85 86 91 96 98 101 102 104 104 106 107 107 110 117 120 122 123 124 124 124 125 126 126 127 127 128 Gefriertrocknung Extraktion und Aussalzen Extraktion von Feststoffen Ausschütteln Perforation Multiplikative Verteilung (nach Craig) Dialyse Aussalzen Reinigung durch Kristallisation Auskristallisieren Filtrieren, Absaugen und Zentrifugieren Umkristallisieren Umfallen Entfarben und Klären von Lösungen Zonenschmelzen Chromatographie Adsorptionschromatographie Verteilungschromatographie lonenaustauschchromatographie Hohlraumdiffusion (Gelchromatographie) Säulenchromatographie Dünnschichtchromatographie Papierchromatographie Gaschromatographie Flüssigchromatographie Hochspannungs-Papierelektrophorese Trocknen Trocknen von Feststoffen Trocknen von Flüssigkeiten Trocknen von Gasen Trockenmittel Eigenschaften und Reinigung der wichtigsten Lösungsmittel Bestimmung des Schmelzpunkts Bestimmung des Siedepunkts Bestimmung des Brechungsindexes (Refraktometrie) Bestimmung der optischen Aktivität (Polarimetrie) Qualitative chemische Elementaranalyse Nachweis von Kohlenstoff und Wasserstoff Natriumaufschluß Nachweis von Stickstoff nach Lassaigne Nachweis von Schwefel Nachweis von Halogen Nachweis anderer Elemente Abfassen des Arbeitsprotokolls Organisch-chemische Fachliteratur : Inhaltsverzeichnis Erste Laborausrüstung Sicherheit im chemischen Labor Allgemeine Sicherheitsvorkehrungen Sicherheit vor Bränden Sicherheit vor Implosionen und Explosionen Sicherheit im Umgang mit Apparaturen Sicherheit im Umgang mit Chemikalien Erste Hilfe XIII 130 133 133 134 135 135 136 137 Kapitel I. Aliphatische Substitution Die kovalente Bindung Aliphatische Halogenide Nitrile und Ether Amine, Thiole, Onium- und Nitroverbindungen Mechanismen der nucleophilen Substitution am gesättigten Kohlenstoffatom Radikalische Substitution Weiterführende Literatur zu Kapitel I 141 142 150 156 166 173 178 Kapitel IL Eliminierung und Addition Eliminierungsreaktionen, Bildung der Alkene Additionsreaktionen Allgemeines Cyclooligomerisierung von 1,3-Butadien Allylbromierung. Cycloadditionen Zur Photochemie der Alkene Polymerisation der Alkene Terpene Alkine Weiterführende Literatur zu Kapitel II 183 190 190 196 196 198 208 208 213 215 218 Kapitel III. Aromatische Substitution, I Der aromatische Zustand Halogenierung der Aromaten Nitrierung und Nitrosierung Sulfonierung Weiterführende Literatur zu Kapitel III 223 227 234 244 255 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II Acylierung und Alkylierung nach Friedel-Crafts und ähnliche Reaktionen Biologische Oxidation von aromatischen Verbindungen Nucleophile aromatische Substitution und ähnliche Reaktionen Die Hammett-Beziehung Weiterführende Literatur zu Kapitel IV 259 275 276 283 286 XIV Inhaltsverzeichnis Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Säure-Base-Begriff Carbonsäuren Carbonsäureester Veresterung Andere Methoden zur Herstellung von Estern Esterhydrolyse (Verseifung) und Umesterung Carbonsäurechloride und Säureanhydride Carbonsäureamide Allgemeines Aminosäuren Peptidsynthese Peptide und Proteine Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen Nitrile Cyanat-Isocyanat Ketone aus Carbonsäuren Weiterführende Literatur zu Kapitel V 291 293 296 296 298 299 303 312 312 315 317 318 321 324 327 331 332 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I Einige einfache Additionen an die Carbonylgruppe Einwirkung von Aminen auf Carbonylverbindungen Semicarbazone, Hydrazone, Oxime Mannich-Reaktion Strecker-Synthese Leuckart-Reaktion Optische Aktivität, Cahn-Ingold-Prelog-Regel Aldolverknüpfung Weiterführende Literatur zu Kapitel VI 337 343 347 353 354 356 358 361 366 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II Einige aldolartige Kondensationen Acyloine Photoreaktion von Ketonen Pinakolumlagerungen Kohlenhydrate Eigenschaften der Zucker Mutarotation Reaktivität der glykosidischen Hydroxylgruppe Disaccharide, Polysaccharide Weiterführende Literatur zu Kapitel VII 371 379 385 386 386 386 389 390 392 397 Kapitel VIU. Synthesen mit Estern Die Esterkondensation Herstellung von /?-Dicarbonylverbindungen über Keto-Enol-Tautomerie 401 401 409 Inhaltsverzeichnis Synthesen mit Acetessigester und Malonestern Michael-Addition Weiterführende Literatur zu Kapitel VIII XV 413 423 426 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen Grignard-Verbindungen Zink- und Cadmium-organische Verbindungen Lithium-organische Verbindungen Dianionen Kupfer-organische Verbindungen Aluminium- und Quecksilber-organische Verbindungen Wittig-Reaktion Weiterführende Literatur zu Kapitel IX 431 440 442 449 451 453 455 461 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Oxidation mit Luftsauerstoff Oxidation mit sauerstoffreichen anorganischen Verbindungen Oxidation mit Hydrogenperoxid Oxidation mit Selendioxid Oxidation mit Ozon Weiterführende Literatur zu Kapitel X 468 478 491 498 500 504 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung Reduktion mit Metallen Amalgam-, Clemmensen- und Birch-Reduktion Reduktion der Nitrogruppe Phenylisothiocyanat und Thiole Reduktion mit Ainmoniumsulfid Reduktion nach Meerwein-Ponndorf-Verley Reduktion mit komplexen Metallhydriden Hydroborierung Reduktion nach Wolff-Kishner Katalytische Hydrierung Heterogene katalytische Hydrierung Homogene katalytische Hydrierung Substitution durch katalytisch aktivierten Wasserstoff (Hydrogenolyse) Die Hydriereinrichtung Weiterführende Literatur zu Kapitel XI 510 510 516 527 531 533 535 541 544 546 547 548 549 549 558 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe und Radikale Chinone Herstellung der Chinone Reaktionen der Chinone Redoxverhalten 563 563 568 568 XVI Inhaltsverzeichnis 569 575 580 580 583 587 596 Reaktionen der chinoiden Doppelbindungen Chinoide Farbstoffe Triphenylmethanfarbstoffe Basische Triphenylmethanfarbstoffe Saure Triphenylmethanfarbstoffe Organische Radikale Weiterführende Literatur zu KapitelXII Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Aromatische Reihe Herstellung von Diazoniumsalzen Reaktionsfähigkeit der Diazoniumsalze Elektrophile Reaktionen des Diazoniumions Azofarbstoffe Kupplung mit einfachen Anionen Reaktionen unter Stickstoffabgabe Reduktion des Diazoniumions Aliphatische Reihe Bildung der Diazoalkane Reaktionen des Diazomethans Herstellung des Diazoessigesters Einige Reaktionen des Diazoessigesters Weiterführende Literatur zu Kapitel XIII 600 600 600 601 601 610 613 620 624 624 628 634 637 639 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring Weiterführende Literatur zu Kapitel XIV 663 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 6-gliedrigen und mehreren Ringen Systeme mit einem heterocyclischen Sechsring Systeme mit mehreren heterocyclischen Ringen Weiterführende Literatur zu Kapitel XV 667 689 695 Kapitel XVI. Qualitative Analyse Trennen eines Stoffgemisches Literatur zu Trennproblemen Erkennen von funktioneilen Gruppen Literatur zu spektroskopischen Methoden Charakterisierung organischer Verbindungen durch Derivat-Bildung Kohlenwasserstoffe Alkohole Aldehyde und Ketone Carbonsäuren Carbonsäureester 697 699 701 701 702 703 705 706 707 Inhaltsverzeichnis Lactone Phenole Ether Amine Aminosäuren Carbonsäureamide Nitrile Sulfonsäuren Nitroverbindungen Halogenverbindungen Weiterführende Literatur zu KapitelXVI XVII 708 708 709 710 711 712 712 712 713 713 715 Anhang 716 Mixotrope Reihe der Lösungsmittel Siedepunkt unter vermindertem Druck Konzentration handelsüblicher Säuren Dichte von Ammoniaklösungen Herstellung von Mischungen bestimmter Konzentration Phosphatpuffer nach Sörensen '. Säure-Base-Indikatoren Häufig gebrauchte Atommassen Liste der gebräuchlichsten Abkürzungen Sach- und Namenregister Autoren der Übersichtsartikel 716 716 717 718 718 718 719 719 721 723 757 Allgemeine Arbeitsanweisungen Glas im Laboratorium; offene Reaktionsgefäße Als Material für Gefäße und Apparaturen im chemischen Labor ist Glas am weitesten verbreitet. Es ist durchsichtig, vielseitig verformbar, resistent gegen fast alle Chemikalien, porenfrei und relativ temperaturbeständig. Sein Nachteil liegt in der geringen Bruchfestigkeit gegen Stöße oder starke Temperaturschwankungen. Der Gefahr des Zerspringens bei örtlichen Temperaturdifferenzen begegnet man dadurch, daß man alle Geräte, die erwärmt werden sollen, dünnwandig herstellt und außerdem Glassorten verwendet, die einen geringen thermischen Ausdehnungskoeffizienten haben und zudem noch besonders widerstandsfähig gegen Chemikalien sind. Solche Gläser, die sich unter anderem durch einen relativ hohen Borsäuregehalt auszeichnen, sind zum Beispiel „Geräteglas 20" (hohe chemische Resistenz), „Duranglas" (noch größere Temperaturwechselbeständigkeit) und „Supremaxglas"1 (für höhere Temperaturen) oder „Pyrexglas"2 (dem Duranglas ähnlich). Aus Sicherheitsgründen sollten im chemischen Labor zumindest alle dünnwandigen, also erhitzbaren Glasgeräte aus derartigen Spezialgläsern bestehen. Auch bei diesen ist Sorgfalt geboten; plötzliches Abkühlen, das Zugspannungen verursacht, ist gefährlicher als zu rasches Erwärmen, das zu Druckspannungen führt. Chemisch wird das Glas besonders von heißen konzentrierten Laugen angegriffen. Einige spezielle Apparaturteile bestehen aus reinem Quarz, der gegenüber anderen Gläsern die Eigenschaften hat, UV-Licht besser durchzulassen, höhere Temperaturen und sehr starke Temperaturwechsel auszuhalten. Quarzgeräte sind (wegen der hohen Verarbeitungskosten) sehr teuer. Man beachte, daß Quarz viel leichter bricht als Glas und von Alkalilaugen noch stärker angegriffen wird! Hinweise zur Glasbearbeitung Die meisten Arbeiten am Glas wird der Chemiker dem gelernten Glasbläser überlassen, einige wenige einfachere muß er jedoch an Ort und Stelle im Labor selbst ausführen können. Dazu gehört vor allem das Durchtrennen, das Ausziehen und das Biegen dünnerer Glasrohre und -Stäbe. Durchtrennen lassen sich Rohre und Stäbe bis zu etwa 8 mm Durchmesser in folgender Weise: Man ritzt das Glas mit einem speziellen Glasschneider oder einer billigeren Ampullenfeile durch einmaliges Kratzen auf ein Viertel bis ein Drittel seines Umfangs an, befeuchtet diese Stelle mit Wasser, faßt das Glas so, daß beide Daumen rechts und links unterhalb des Risses liegen, und bricht dann, indem man 1 2 Firma Schott & Gen. Firma Corning Glass Works. 2 Allgemeine Arbeitsanweisungen so tut, als wollte man durch Ziehen und ganz leichtes Biegen den eingeritzten Spalt verbreitern. Rohre, deren Durchmesser größer als etwa 8 mm ist, müssen rundherum angeritzt werden. Sehr dicke Rohre, die sich nicht mehr brechen lassen, muß man sprengen. Man erhitzt dazu das Ende eines dünnen Glasstabs zur Rotglut und drückt es auf einen Punkt des eingeritzten Rings, bis das Glas ein Stück eingesprungen ist, und wiederholt diesen Vorgang jeweils kurz hinter dem Ende des Sprungs. Zur Verformung erweicht man das Glas mit einem Teklubrenner (oder besser mit einem Gebläse). Damit es dabei nicht springt, muß man langsam in der leuchtenden Flamme anheizen. Im allgemeinen kann man die Luftzufuhr des Brenners öffnen, wenn die Flamme sich (durch das Natrium des Glases) gelb gefärbt hat. Es ist praktisch, den Brenner durch Unterlegen von Klötzen möglichst schräg, mit der Mündung vom Körper weg, aufzustellen. Um Hände, Gummischläuche und Stopfen vor Verletzungen zu schützen, sollten die scharfen Bruchränder der Glasrohre und -stäbe rund geschmolzen werden. Man dreht sie dazu (am besten möglichst senkrecht) so lange in der Flamme, bis die Kanten etwas zusammengeflossen sind. Für das Ausziehen der Glasrohre zu Spitzen und das Biegen von Winkeln ist es besonders wichtig, die betreffenden Stellen rundherum gleichmäßig zu erwärmen. Man erreicht das, indem man das Rohr, ohne es zu verkanten oder zu verdrillen, mit beiden Händen dauernd dreht. Das fachgerechte Biegen von Glasrohren erfordert Glasblasen und dieses wiederum Erhitzen mit einem Gebläse. Um ohne diese Hilfsmittel provisorisch Winkel ohne verengte Knickstelle herzustellen, erwärmt man eine breitere Zone des Rohrs und biegt diese — eventuell stufenweise - zu einem größeren Bogen. Zum Ausziehen von Spitzen hält man das genügend erhitzte Glasrohr außerhalb der Flamme senkrecht, zieht es bis zur gewünschten Verjüngung auseinander und schneidet es nach dem Erkalten an der Verengung durch. Die so gewonnene Spitze ist natürlich dünnwandiger und bricht leicht ab. Gleiche Wandstärke erreicht man, indem man das Rohr vorher - immer unter Drehen - etwas länger erhitzt und dabei leicht staucht, so daß sich eine Innenwulst bildet. - Das Ausziehen zu feinen Kapillaren ist auf S. 41 beschrieben. Nach der Bearbeitung ist das erwärmte Glas in der Flamme Schritt für Schritt langsam wieder abzukühlen. Läßt man zu rasch erkalten, bleiben starke Spannungen im Material zurück. Das bei tieferen Temperaturen erweichende „Thüringer Normalglas" läßt sich erheblich leichter verarbeiten als die thermoresistenten Spezialgläser. Offene Reaktionsgefäße Das einfachste, älteste und unentbehrlichste Reaktionsgefaß ist das Reagenzglas. An jedem Laborplatz sollten mindestens zehn größere (160 x 16 mm) und zehn kleinere Reaktionsgefäße 3 (ca. 100 x 11 mm) saubere, trockene Reagenzgläser für schnelle Handversuche griffbereit sein. Bei der Benutzung halte man Reagenzgläser immer so, daß eventuell herausspritzende Chemikalien weder den Körper des Nachbarn noch den eigenen treffen können! Für größere Volumina verwendet man den Erlenmeyerkolben oder das Becherglas. Ein sehr brauchbares Mittelding aus beiden ist der Weithals-Erlenmeyerkolben. Standkolben (Rundkolben mit flachem Boden) sind weniger praktisch und fast immer zu entbehren. Für Arbeiten im Litermaßstab benutzt man zuweilen besser dickwandigere Weithals-Rundkolben oder Stutzen. Beide sollen ebenfalls aus thermoresistentem Glas bestehen, aber trotzdem nur mit Vorsicht (im Wasserbad) erwärmt werden. Gegossene Stutzen aus Normalglas dürfen nicht erhitzt oder mit warmem Wasser gespült werden. Als flache offene Gefäße werden vorwiegend Abdampfschalen verschiedener Größe aus Porzellan verwendet. Man darf in ihnen auch feste Substanzen direkt über der freien Bunsenbrennerflamme erhitzen. Porzellankasserollen sind etwas höher und haben einen Griff. Uhr g läser dienen für Versuche im Kleinmaßstab; häufiger zum Abdecken anderer Gefäße. - Es erleichtert die Arbeiten sehr, wenn man auf diesen flachen Gefäßen von vornherein die Tara vermerkt. Einfachste geschlossene Reaktionsgefäße In der organischen Chemie führt man die meisten Umsetzungen in sogenannten „geschlossenen" Apparaturen aus. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, die später noch beschrieben werden, dürfen diese Apparaturen natürlich nie völlig abgeschlossen sein! - Im einfachsten Fall besteht die geschlossene Apparatur aus einem Rundkolben mit aufgesetztem Rückflußkühler; Abbildung 4a-f (S. 7). Verbindung der Apparaturteile Alle Apparaturen werden aus einzelnen Bauelementen zusammengesetzt, wobei ineinandersteckbare Schliffe, durchbohrte Kork- beziehungsweise Gummistopfen oder Schläuche die Verbindungen herstellen. Heute benutzt man dort, wo es möglich ist, fast nur noch Kegelschliff-Verbindungen, bei denen ein „Kern"-Stück in ein entsprechendes „Hülsen"-Stück geschoben wird; Abbild Ia-c. Im Handel sind alle gebräuchlichen Apparaturteilstücke mit verschieden großen, genormten Schliffansätzen erhältlich. Man beschränke sich im Praktikum auf die Größen NS 29 für normale und NS 14,5 für kleine Apparaturen. (Die Normzahlen geben den größten Durchmesser des Schliffs in Millimetern an.) Übergangsstücke NS 29-NS 14,5 erhöhen die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten; Abbildung l g, h. - Vor dem Zusammenstecken ist der Kernschliff sparsam mit einem 4 Allgemeine Arbeitsanweisungen a d f Abb. l a) Kern; b) Hülse; c) Kegelschliffverbindung NS 29; d) Kugel; e) Schale; O Kugelschliffverbindung KS 35; g), h) Übergangsstücke NS 29-NS 14,5 geeigneten Schmiermittel - wie zum Beispiel Vaseline oder Silicon — einzureihen. Eine gute Schliffverbindung soll klar durchsichtig und vakuumdicht sein. Durch kleine Zugfedern, die, wie Abbildung Ic zeigt, in angeschmolzene Glashäkchen beziehungsweise an Metallmanschetten gehängt werden, oder durch geeignete Drahtbügel, wie auf Abbildung 33, lassen sich die Verbindungsstellen gegebenenfalls zusammenhalten. - Wenn die Apparaturen erwärmt oder stark abgekühlt werden sollen, müssen Kern und Hülse aus Glassorten mit möglichst gleichen Ausdehnungskoeffizienten bestehen! Längere Einwirkung von Alkalien, Wasserdampf oder Phosphorsäure bringt die Schliffflächen zum Quellen, so daß sie miteinander verbacken. Festsitzende Schliffe lockert man, indem man sie kräftig auseinanderzieht und dabei vorsichtig ruckweise zu kanten versucht (nicht drehen) oder sie mit einem Holzstab klopft oder sie im Heizschrank auf 100 bis 15O0C erwärmt oder schließlich die Hülse in einer halbleuchtenden Bunsenbrennerflamme rasch unter Drehen erhitzt, so daß sie sich stärker ausdehnt als der Kern. Speziell bei Gefäßen mit brennbarem Inhalt legt man ein Stück Schnur als Schlaufe um die Hülse und zieht zur Erzeugung von Reibungswärme an den Enden heftig hin und her. Vielfach nützt ein Herauslösen der kittenden Chemikalienreste durch Einsickernlassen eines geeigneten Lösungsmittels. (Bewährt hat sich eine Gemisch aus gleichen Teilen Ether, Alkohol und Milchsäure.) Festgebackene massive (!) Glasstopfen von Chemikalienflaschen löst man, indem man die Flasche zur Sicherheit in einen Emaillekochtopf stellt, am Stopfen ein wenig anhebt und mit einem Metallstab (Stativklemme) vorsichtig von der Seite rund herum an den Stopfen schlägt. Kegelschliffverbindungen sind völlig starr, was bei Apparaturen stört, die aus sehr vielen Bauelementen zusammengesetzt sind. Wie Kugelgelenke drehbar sind dagegen die - allerdings teueren - Kugelschliffe', Abbildung Id-f. Sie müssen, wie Abbildung If zeigt, durch gabelförmig übergreifende Klammern zusammengehalten werden. Auch sie sind vakuumdicht. Kork- und Gummistopfen-Verbindungen sind trotz vieler Vorzüge der Normschliffe keinesfalls ganz zu entbehren. Gummi wird vor allem von aromatischen Kohlenwasserstoffen aufgequollen und zersetzt. Kork ist beständiger, läßt sich jedoch nur schwer abdichten. Schliffkolben 5 Korkstopfen lassen sich mit Korkbohrern - das sind kurze Metallrohre mit geschärftem Rand - folgendermaßen durchbohren: Man stellt den Stopfen mit der größeren Fläche auf eine dickere Pappunterlage und drückt den mit Glycerin geschmierten Korkbohrer unter dauerndem Hin- und Herdrehen durch ihn hindurch. Gummistopfen kann man schon gelocht kaufen. Will man sie nachträglich gerade und glatt durchbohren, muß man den Korkbohrer in eine feststehende Bohrmaschine einspannen. Schliff-Rundkolben Die in zusammengesetzten Apparaturen benutzten größeren Schliffkolben (NS 29) sind üblicherweise kugelrund; Abbildung 2a. Als kleinere Schliffkolben haben sich daneben Spitzkolben besonders bewährt, da sich in ihnen kleinste Flüssigkeitsrückstände auf engem Raum sammeln; Abbildung 2e. Sollen mehrere Schliffaufsätze direkt mit einem Kolben verbunden werden, verwendet man Zweihals- oder Dreihalskolben. Bei den Typen b und c der Abbildung 2 mit parallelen Hälsen läßt sich die Apparatur leichter am Stativ befestigen; in die schräg angesetzten Hälse des Typs d kann man gerade Schliffeinsätze tief in den Kolben einführen. Die Tuben kleiner Dreihalskolben sollen nicht parallel stehen, weil sonst der Platz für die aufzusetzenden Zusatzgeräte zu eng wird. Einen größeren speziellen Vierhalskolben, den sogenannten Nitrierkolben (Sulfierkolben), zeigt Abbildung 18 (S. 24). - Standfest werden Rund- und Spitzkolben durch Einstellen in Korkringe (deren nicht abgeschrägte Unterseite meist besseren Halt gibt). - Man mache es sich zur Gewohnheit, bei jedem neuen Kolben sofort die Tara mit einem Bleistift auf dem geätzten Feld zu vermerken. (Nicht einkratzen!) IUUl Abb. 2 a-c) l-Liter-Rundkolben mit NS 29; d) 500-ml-Rundkolben mit NS 29 und NS 14,5; e) 100-mlSpitzkolben mit NS 14,5 Jeder Kolbenhals läßt sich durch Aufstecken eines Verzweigungsstücks verdoppeln. Den hierfür geschaffenen Anschützaufsatz gibt es mit senkrechtem oder auch schrägem zweiten Tubus; Abbildung 3a-b. (Beim Typ a soll der Abstand zwischen den beiden übereinanderliegenden Schliffen möglichst klein sein und der Zwischenraum innerhalb der beiden oberen Schliffe etwa 3 cm betragen!) Diese Aufsätze er- 6 Allgemeine Arbeitsanweisungen übrigen die Anschaffung vieler teurer Mehrhalskolben verschiedener Größe. Aufsätze mit drei Abzweigungen sind kaum im Gebrauch; Abbildung 3c. a b c Abb. 3 a, b) Anschützaufsatz NS 29; c) Dreifachaufsatz Rückflußkühler Die einfachste geschlossene Reaktionsapparatur besteht aus einem Kolben mit Rückflußkühler. Im Kühler kondensiert sich die verdampfte Flüssigkeit und fließt dann wieder in den Kolben zurück. Abbildung 4 zeigt eine Auswahl von Rückflußkühlern für verschiedene Verwendungszwecke. Der einfachste Typ ist das Steigrohr (a in Abbildung 4), bei dem nur die umgebende Luft als Kühlmittel dient. Besser führt der Liebigkühler (b) mit wasserdurchströmtem Mantel die Wärme ab. Beim Kugelkühler (c) ist das Innenrohr zusätzlich durch Ausbuchtungen vergrößert. Noch effektvoller arbeiten der Schlangenkühler (d) mit spiralförmigem Innenrohr und der Dimrothkühler (e) mit eingesetzter, wasserdurchströmter Glaswendel. Am wirksamsten ist der - allerdings recht teure und sehr schwere - Intensivkühler (f); hier findet sich das Prinzip des Liebigkühlers mit dem des Dimrothkühlers kombiniert. Die Wahl des Rückflußkühlers richtet sich nach folgenden Gesichtspunkten: Für Flüssigkeiten, deren Siedepunkt oberhalb 14O0C liegt, ist das Steigrohr zu benutzen. Ein wassergespeister Kühler könnte bei noch höherer Temperaturdifferenz springen; ein Mantelkühler ohne Kühlwasser ist ebenfalls ungeeignet. Im Siedebereich zwischen 35 und 140 0C nimmt man den Dimrothkühler oder eventuell den Kugelkühler. Dabei läßt man zur Schonung des Glases zwischen 100 und 14O0C das Kühlwasser entsprechend langsam fließen oder schließlich stagnieren. Unterhalb etwa 350C siedende sowie bei stark exothermen Reaktionen oder in einem aufsteigenden Gasstrom (siehe ,Arbeiten unter Schutzgas"; S. 23) kochende Flüssigkeiten kann man nur im Intensivkühler vollständig kondensieren. Eine Verstärkung der Kühlung erreicht man dadurch, daß man den Zuleitungsschlauch nicht mit der Wasserleitung verbindet, sondern in einen Eimer mit Eiswasser eintaucht und am Ableitungsschlauch ganz langsam mit der Wasserstrahlpumpe saugt. Da sich im engen Schlangenkühler das zurückfließende Kondensat leicht staut, darf dieser nur für Reaktionsansätze benutzt werden, die keinesfalls bis zum Sieden kommen. Der Liebigkühler ist als Rückflußkühler nur ein Notbehelf. Die beiden letzten sind an sich für absteigende Destillation Rückflußkühler a b c d e f Abb. 4 1-Liter-Kolben mit a) Steigrohr (natürliche Länge etwa l Meter); b) Liebig-Kühler (natürliche Länge mindestens 40 cm); c) Kugelkühler; d) Schlangenkühler; e) Dimrothkühler; f) Intensivkühler und Trockenrohr konstruiert - Gegenüber dem Dimrothkühler haben alle anderen Typen den Nachteil, daß sich auf ihren Mänteln außen die Luftfeuchtigkeit stark niederschlägt und das Kondenswasser in den Schliff beziehungsweise das Öl- oder Metallbad fließt. Die Kühlwasser-Schlauchverbindungen sind mit Sorgfalt herzustellen. Ein Abspringen kann nicht nur Wasserschäden, sondern auch - wegen des Ausfalls der Kühlung - Brände und Explosionen verursachen! Damit sich die Schläuche leichter auf die Anschlußrohre der Apparatur („Oliven") und Wasserleitung schieben lassen, befeuchte man sie innen mit Wasser. (Kein Gleitmittel verwenden!) Die Wasserableitungen sollen - zweckmäßig mit einem Stück Glasrohr beschwert - tief in das Ausgußloch gesteckt werden. Schlauchanschlüsse, die unbeaufsichtigt (zum Beispiel über Nacht) in Betrieb sind, müssen durch Schlauchschellen gesichert sein. Man verwende niemals alte, schon brüchige Gummischläuche und achte speziell darauf, daß die Enden nicht eingerissen sind. Nach längerer Zeit festklebende Schlauchanschlüsse sollte man lieber mit einer Rasierklinge wegschneiden, statt durch zu kräftiges Ziehen die Glasoliven zu gefährden.-Kunststoffschläuche (zum Beispiel aus Polyvinylchlorid) sind gut für fest montierte Apparaturen geeignet. Sonst sind sie zu starr. Um sie über Rohranschlüsse schieben zu können, taucht man ihre Enden einige Zeit in kochendes Wasser. Muß die Luftfeuchtigkeit vom Reaktionsgut ferngehalten werden, setzt man ein 8 Allgemeine Arbeitsanweisungen Trockenrohr (Calciumchloridrohr) auf den Kühler. Es ist, wie Abbildung 4f erkennen läßt, mit gekörntem Trockenmittel (meist Calciumchlorid; siehe S. 107), das auf beiden Seiten durch etwas Glaswolle gehalten wird, gefüllt und mit einem durchbohrten Gummistopfen verschlossen. Vor jeder Benutzung überzeuge man sich von der Durchlässigkeit des Trockenrohrs, indem man hindurchbläst. Verklebte Trockenrohre bedeuten Unfallgefahr! - Calciumchloridrohre mit Schliff-, Gummistopfen- oder Schlauchverbindungen werden auch an anderen Stellen häufig als Feuchtigkeitsfilter gebraucht. Füllt man sie mit Natronkalk, halten sie Kohlendioxid zurück. Befestigung der Apparaturen am Stativ Zur Halterung der Glasapparatur dienen Stative, an denen mit Hilfe von Muffen geeignete Klemmen und Ringe befestigt werden, die ihrerseits die Apparaturen tragen. Die Zeit, die man für den sorgfaltigen Aufbau der Apparatur verwendet, ist nie vergeudet; Improvisation ist hier gefährlich und teuer! Am besten geht man so vor: Zuerst befestigt man den Arbeitskolben mit einer passenden Klemme und einer Muffe in der richtigen Höhe am Stativ (so daß - nach den entsprechenden Erfordernissen - zum Beispiel ein Heiz- oder Kühlbad darunter paßt). Dabei schließt man die Klemme vorsichtig so weit, daß der Kolben gerade nicht mehr gedreht werden kann. Dann steckt man den Aufsatz, beispielsweise einen Rückflußkühler, auf; er soll genau lotrecht stehen. Nun klammert man eine zweite Klemme etwas lockerer als die erste an das obere Drittel des Kühlers, bringt die zweite dazugehörige Kreuzmuffe in die richtige Lage, zieht deren zum Stativ führende Schraube bis auf etwa einen Millimeter Spielraum an, dreht erst die Schraube zur Klemme und schließlich die zum Stativ ganz fest. Auf diese Weise vermeidet man ein Verkanten, das zu Spannungen des Glases führt. Hat die Apparatur mehrere Aufsätze, geht man Schritt für Schritt in derselben Weise weiter vor. Rundbackenklemmen sind - wenn sie gut passen! - den Flachbackenklemmen vorzuziehen; Abbildung 5a, b. Bei beiden muß die Innenseite der Backen mit Kork belegt sein. Gefäße und Rohre, deren Durchmesser größer als etwa 8 cm ist (zum Beispiel Bechergläser), spannt man in der Bandklemme mit einem Lederriemen (Abbildung 5c) beziehungsweise mit einer Kette fest. (Die Kette soll zur Schonung des Glases mit einem aufgeschnittenen Gummischlauch überzogen werden.) a b Abb. 5 a) Flachbackenklemme; b) Rund backenklemme; c) Bandklemme Heizquellen 9 Stativringe dienen ebenso wie Dreifüße als Stützen für Heiz- und Kühlbäder oder — zusammen mit dem Asbestdrahtnetz - zum Erhitzen von Bechergläsern oder Erlenmeyerkolben. Erhitzen Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten wachsen exponentiell mit steigender Temperatur (Arrhenius-G\eichung). Man erhöht die Reaktionstemperatur meist in der Weise, daß man die Lösungen der Ausgangsstoffe in der geschlossenen Apparatur „unter Rückfluß" kocht. Dies ermöglicht sowohl das Konstanthalten der Reaktionstemperatur als auch eine gefahrlose Ableitung der Reaktionswärme. Flüssigkeiten neigen dazu, sich beim Erwärmen über ihren Siedepunkt aufzuheizen und dann plötzlich mit großer Heftigkeit aufzuwallen, zu „stoßen": Sie schießen aus dem Gefäß oder sprengen unter Umständen die Glasapparatur. Man kann diesen Siedeverzug - eine ernste Gefahrenquelle und häufige Brandursache - weitgehend ausschalten, indem man vor jedem Erhitzen zwei, drei ,JSiedesteinchen" (kleine poröse Bimsstein- oder Tontellerstückchen) in die Flüssigkeit wirft. Nach Unterbrechung des Siedens ist meist erneute Zugabe nötig. Auf keinen Fall darf man Siedesteinchen zu schon überhitzten Flüssigkeiten geben! - Zur weiteren Vorsicht sollen Siedekolben im allgemeinen höchstens bis zu zwei Dritteln gefüllt werden! - Flüssigkeiten, die besonders stark zum Siedeverzug neigen, wie zum Beispiel Zweiphasensysteme oder stark alkalische Lösungen, müssen außerdem kräftig gerührt werden. Ungleichmäßiges Heizen begünstigt das Stoßen. Reagenzgläser dürfen höchstens zu einem Viertel gefüllt sein und müssen schräg geneigt über einer kleinen Flamme dauernd geschüttelt werden. Das Stoßen verhindert man hier in der Weise, daß man zunächst nur den oberen Teil der Flüssigkeit zum Sieden bringt und dann erst den unteren erhitzt. Zum Schutz der Hand benutzt man einen Reagenzglashalter oder längs aufgeschnittene Gummischlauchstücke, die über die Fingerspitzen geklemmt werden. Heizquellen Die universalste Heizquelle ist der einfache Bunsenbrenner beziehungsweise seine heizstärkere Abart, der Teclubrenner, deren Handhabung bekannt sein dürfte. Die Luftzufuhr darf nur so weit geöffnet werden, daß der Brenner nicht „durchschlägt" (Brandgefahr wegen Überhitzung und Verschmoren des Gasschlauchs). Nichtbrennbare Flüssigkeiten können in offenen Bechergläsern oder Erlenmeyerkolben auf einem Drahtnetz mit Asbesteinsatz über der Bunsenflamme erwärmt werden. Für Rundkolben ist ein passender Babo-Trichter zu benutzen, der als offenes Luftbad angesehen werden kann; Abbildung 6a. Er ist ein Kegelstumpf aus Eisen- 10 Allgemeine Arbeitsanweisungen blech, dessen kleinere Öffnung teilweise durch eine Metallscheibe verschlossen und dessen Innenwand mit Asbeststreifen belegt ist. Der Kolben darf nur auf diesen Streifen aufliegen, die Scheibe also nicht berühren. (Verlorengegangene Asbeststreifen müssen unbedingt ersetzt werden.) Die mit dem Bunsenbrenner erhitzte Metallscheibe verteilt die aufsteigende Wärme über die ganze untere Hälfte des eingestellten Kolbens. - Ein in kurzem Abstand unter dem Rundkolben befestigtes Drahtnetz mit Asbesteinsatz ist kein Ersatz für den Babo-Trichter (Überhitzung des Kolbenbodens). a b Abb. 6 1-Liter-Kolben mit Kühler in a) BABO-Trichter; b) Heizhaube Dem Geübten sollte es vorbehalten sein, den Kolben direkt mit freier Flamme zu erhitzen, wenn nicht oder nur wenig feuergefahrliche Substanzen zum Beispiel geschmolzen oder rasch destilliert werden sollen. Man führt dabei mit der eben entleuchteten Bunsenbrennerflamme (die leuchtende Flamme wird leicht weggeweht und rußt) eine kreisende Bewegung unter dem Kolbenboden aus, damit dieser möglichst gleichmäßig erwärmt wird. Will man schwächer heizen, ist es besonders für größere Kolben besser, den Brenner tiefer zu halten, als die Gaszufuhr zu drosseln. Bei brennbaren Substanzen soll zur Sicherheit eine genügend große Metallschale unter den Kolben gestellt werden. - An Stelle des Bunsenbrenners kann in vielen Fällen auch ein elektrischer Infrarotstrahler verwendet werden. In den letzten Jahren setzt sich die elektrische Wider Standsheizung immer mehr durch. Gegenüber der Gasheizung hat sie den Nachteil größerer Trägheit, aber den Vorteil größerer Betriebssicherheit. Man bedenke jedoch, daß sich an nicht vollkommen abgekapselten Heizspiralen (und Schaltern) brennbare Dämpfe ebenso entzünden können wie an der freien Flamme. (Speziell Kochplatten verleiten hier zu Sorglosigkeit.) Bei Tauchsiedern (nur für Bäder; nicht zur Direktheizung!) und eingebauten Heizrohren ist besonders darauf zu achten, daß diese stets genügend hoch mit Flüssigkeit bedeckt sind. - Eine recht gleichmäßige Erwärmung von Rundkolben gewährleisten die sehr handlichen, am Kolben anliegenden elektrischen Heizhauben, Heizbäder 11 in denen die Heizwicklung mit Asbest verkleidet ist; Abbildung 6b. Sie können mit Hilfe eines Stativrings bequem unter dem Kolben befestigt werden; die größeren Heizhauben sind mit eigenem Dreifuß ausgestattet. Ihre Heizkraft kann stufenweise bei Zwischenschaltung eines Relais in sehr kleinen Intervallen - variiert werden. Bei der Benutzung der Heizhauben richte man sich genau nach den Angaben der vom Hersteller beigefügten Gebrauchsanweisung. — Für sehr kleine Proben ist schließlich oft ein Heißluft-Haartrockner („Fön") die bequemste Heizquelle. Heizbäder Heizbäder sind Gefäße mit wärmeübertragenden Stoffen, die mit dem Bunsenbrenner oder elektrisch geheizt werden (ausgenommen das Dampfbad) und dann ihre Wärme gleichmäßig an die eingehängten Reaktionsgefäße weitergeben. Sie ermöglichen eine genaue Einstellung und Kontrolle der Heiztemperatur (vermindern also auch die Gefahren!) und sind deshalb einer direkten Heizung fast immer vorzuziehen. Die größte Sicherheit gegen Unfälle bietet das Dampfbad, das allerdings eine Dampfanlage voraussetzt und keine Variation der Temperatur zuläßt. a Abb. 7 b c l-Liter-Kolben mit Kühler in a) Patent-Wasserbad; b) Ölbad; c) geschlossenem Luftbad Steht eine Dampfleitung nicht zur Verfügung, benutzt man zum „Erhitzen aw/dem siedenden Wasserbad" das in Abbildung 7a gezeigte Gerät. Dieses Patent-Wasserbad läßt sich durch konzentrische Ringe der Kolbengröße entsprechend abdecken und hat seitlich ein an Wasserleitung und Abfluß angeschlossenes Überlaufsystem, welches den Wasserstand konstant hält. Während des Gebrauchs soll das Leitungswasser in ganz dünnem Strahl durch den Wasserstandsregler fließen. Das Dampfbad reicht aus, Lösungsmittel wie Ethanol, Benzol, Benzin, Chloroform und Essigester noch verhältnismäßig schnell zum Sieden zu bringen. Geheizt wird mit dem Bunsen- 12 Allgemeine Arbeitsanweisungen brenner oder eventuell (bei anderen Typen) elektrisch. Um die Anheizzeiten klein zu halten, empfiehlt es sich, das Wasserniveau so niedrig einzustellen, wie es Abbildung 7a zeigt. Zur Erzeugung bestimmter Temperaturen zwischen Raumtemperatur und 10O0C wird das Wasserbad benutzt. Es besteht aus einem wassergefüllten Kochtopf oder Becherglas (nur für sehr kleine Bäder statthaft) mit eingehängtem Thermometer und wird mit dem Bunsenbrenner, der elektrischen Kochplatte oder dem Tauchsieder erhitzt. Man achte darauf, daß das Niveau des Reaktionsguts etwas über dem des Wassers liegt. Bequem in der Handhabung, aber teuer sind elektrisch beheizte Wasserbäder mit eingebautem Thermostat. Für Temperaturen zwischen 100 und 25O0C benutzt man Ölbäder; Abbildung 7b. Ihr Füllmaterial soll bis in einen hohen Temperaturbereich geringen Dampfdruck haben, weitgehend thermostabil sein und möglichst bei Raumtemperatur noch flüssig bleiben. Siliconöle können je nach Sorte noch oberhalb 30O0C verwendet werden; sie haben große thermische Ausdehnungskoeffizienten; nachteilig ist der hohe Preis. Billiger sind hochsiedene Mineralöle, insbesondere das „Heißdampfzylinderöl". Höhere Polyglykole sind bis etwa 25O0C empfehlenswert. Schwefelsäure darf nicht benutzt werden. - Als Behälter dienen halbkugelförmige Metallschalen, eventuell auch Kochtöpfe, die (wenn kleiner) auf Stativringen oder (wenn größer) auf stabilen Dreifüßen stehen. - Ölbäder sind sehr träge. Sie kühlen sich, wenn sie zu heiß geworden sind, nur langsam wieder ab und sollten deshalb stets so aufgebaut werden, daß sie notfalls rasch unterm Kolben weggenommen werden können (Dreifüße auf Holzplatten stellen). Für die Füllhöhe des Öls ist dessen Wärmeausdehnung zu berücksichtigen. Der Reaktionskolben soll nur so tief in das Bad eintauchen, daß das Niveau des Reaktionsguts noch deutlich über dem des Öls steht. - Zu jedem Ölbad gehört ein Kontrollthermometer. Kolben und Thermometer dürfen das Metallgefaß selbst natürlich nicht berühren. - Zur Heizung benutzt man gewöhnlich den Bunsenbrenner. Wegen der Temperaturträgheit muß das Hochheizen zum Schluß sehr behutsam geschehen; viskosere Öle sind während dieser Phase ab und zu vorsichtig umzurühren. Zur Erreichung einer bestimmten Temperatur im Reaktionskolben muß das Bad oft erheblich höher erwärmt werden. Da die Aufrechterhaltung der einmal eingestellten Arbeitstemperatur meist nur geringe Energiezufuhr erfordert, empfiehlt es sich, hierfür den Schornstein des Brenners abzuschrauben und das Gas direkt über der Düse brennen zu lassen; das erleichtert die Feinregulierung der Flamme. Ist die Reaktion beendet, hebt man den Kolben am besten sofort aus dem noch heißen Bad und unterstützt das Abtropfen des Öls durch Schaben mit einer Spielkarte. Man hüte sich vor einer Überhitzung der Badflüssigkeit (Brandgefahr!); beginnendes Rauchen ist ein Warnzeichen. Einfallende Wassertropfen oder andere Verunreinigungen lassen das heiße Öl heftig herumspritzen, dabei mitgerissene 01dämpfe können sich entzünden! Um zu verhindern, daß Kondenswasser vom Kühler tropft, befestige man um dessen unteres Ende ein Filterpapierröllchen (zum Beispiel mit einer Wäscheklammer). Soweit möglich, ist das Ölbad im Abzug aufzubauen. Nichtbenutzte Ölbäder sind mit einem Deckel vor Verunreinigung zu schützen. Thermostaten 13 Für das Erhitzen kleiner Versuchsansätze (auch) auf Temperaturen über 20O0C eignen sich am besten Metallbäder, das heißt Metalltiegel oder -halbkugelschalen mit besonders niedrigschmelzenden Metallmischungen. Brauchbare Legierungen sind die nach Wood (Bi, Pb, Sn, Cd; Schmp. etwa 7O0C) oder nach Rose (Bi, Sn, Pb; Schmp. 940C). - Man versäume nicht, Kontrollthermometer und Reaktionsgefaß vor dem Wiedererstarren des Metalls aus dem Bad zu nehmen. (Durch Anrußen läßt sich das Haftenbleiben des Metalls am Glas verhindern.) Im übrigen gelten hier sinngemäß die gleichen Richtlinien, die im vorigen Absatz für das Arbeiten mit Ölbädern gegeben wurden. - Metallbäder sind aufgrund ihrer Nichtbrennbarkeit, Geruchlosigkeit und sehr guten Wärmeleitfähigkeit, also geringen Trägheit, Ölbädern besonders bei der Destillation kleinerer Mengen überlegen. Praktisch jede geforderte Temperatur erreicht man mit dem Sandbad, das man folgendermaßen herstellt: Man befestigt eine nicht zu große eiserne Halbkugelschale so unter dem Rundkolben, daß ein Zwischenraum von etwa 10 mm frei bleibt. Diesen füllt man mit sauberem, gesiebtem Seesand. - Wegen ihrer geringen Wärmeleitfähigkeit ist die Temperatur in Sandbädern nur schwer einzustellen und zu kontrollieren. Eine weitere Möglichkeit, sehr hohe Temperaturen zu erreichen, bietet das geschlossene Luftbad. Man braucht dazu einen dünnwandigen, thermoresistenten Glaszylinder (vom Glasbläser oben und unten glatt abgeschnittenes großes Becherglas). Diesen stellt man auf ein entsprechend großes Drahtnetz mit Asbesteinsatz und bedeckt ihn mit einer Asbestplatte, in die zwei passende Löcher für den Hals des Reaktionskolbens und das Kontrollthermometer geschnitten sind; siehe maßstabgerecht Abbildung Ic. Das Asbestnetz wird durch einen Teklubrenner kräftig erhitzt. - Der größte Vorteil des Luftbads besteht - neben der guten Beobachtungsmöglichkeit darin, daß der eingehängte Kolben bis zum Hals geheizt wird (anders als beim BaboTrichter, Metall- oder Sandbad, bei denen der größte Teil der Wärme nach oben wegströmt), was besonders für Hochtemperatur-Destillationen wichtig ist. - Ist das zu erhitzende Gut feuergefahrlich, sind selbstverständlich auch hier besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Thermostaten Exakt läßt sich eine bestimmte Temperatur über längere Zeit nur im Thermostat konstant halten. Man kann eine solche Einrichtung in zahlreichen Varianten kaufen, aber auch ohne Mühe nach Abbildung 8 selbst zusammenstellen. Sie besteht aus einem größeren Gefäß (zum Beispiel Kochtopf) mit Wasser- oder eventuell Ölfüllung, in welche ein Kontaktthermometer (K; Erklärung folgt), ein mit diesem über einen Relaisschalter (R) verbundener Tauchsieder (T) sowie ein mechanischer Rührer eintauchen. Um die Heizstöße klein zu halten, darf der Tauchsieder keine zu hohe Leistung haben. Wird Wasser als Badfüllung benutzt, soll dieses möglichst entsalzt sein. (Für längere Benutzungszeiten kann man sein Verdunsten durch Zugabe von etwas 14 Allgemeine Arbeitsanweisungen Abb. 8 Thermostat, bestehend aus Wasserbad, Kontaktthermometer K, Relaisschalter R, Tauchsieder T, Metallrührer und 500-ml-Kolben Hartparaffin verhindern. Dieses schmilzt und bildet auf der Wasseroberfläche einen dünnen Film.) - Versieht man das Bad zusätzlich mit einer kühlwasserdurchströmten Wendel, lassen sich auch Temperaturen zwischen 15 und 25 0C einstellen. - Fertige Thermostaten haben zum Teil Schlauchanschlüsse, über die man daS temperierte Wasser durch eine angeschlossene Apparatur leiten kann. Das Kontaktthermometer sei anhand der Abbildung 9 erläutert: In die - nach oben verlängerte und erweiterte - Quecksilberkapillare ragt ein feiner Metalldraht, der an einer Mutter hängt. Diese Mutter wird von einem Gewindestab gehalten, der sich durch die Glashülle des Thermometers von außen her mit Hilfe eines aufgesetzten Hufeisenmagneten drehen läßt. Zum Einstellen einer bestimmten Temperatur wird der Stab so lange gedreht, also die Mutter gehoben oder gesenkt, bis sich das untere Ende des Drahts auf der gewünschten Höhe der Temperaturskala befindet. Diese Einstellung ist bequemer auf einer zweiten oberen Skala an der Stellung der Mutter abzulesen. Um eine Dejustierung durch äußere Erschütterungen zu verhindern, arretiert man den Magneten, indem man die beiden seitlichen Feststellschrauben anzieht. Erwärmt sich das Bad, steigt die Quecksilbersäule des Thermometers, bis sie den Kontaktdraht berührt. Dadurch wird über zwei mit dem Quecksilber und dem Kontaktdraht verbundene Leitungen ein zum Relais führender Stromkreis geschlossen und damit die Widerstandsheizung abgeschaltet. Sinkt der Quecksilberfaden, öffnet sich der Kontaktstromkreis und stellt so die Heizung wieder an. Kühlen 15 M Abb. 9 Kontaktthermometer mit Mutter M, Hufeisenmagnet H, unterer U und oberer Temperaturskala Kühlen Vielfach ist es nötig, das Reaktionsgut zu kühlen, zum Beispiel um die bei exothermen Umsetzungen frei werdende Wärme abzuführen, eine Kristallisation zu fördern oder empfindliche Produkte vor der Zersetzung zu bewahren. Man beachte, daß das Volumen von Gefäßen im Quadrat zur (wärmeabgebenden) Oberfläche wächst und daher Reaktionen, die im Reagenzglas-Vorversuch völlig harmlos ablaufen, im Hundertgramm-Maßstab außer Kontrolle geraten können! Leitungswasser für 8 bis 140C Für Temperaturtiefen bis zu — 500C verwendet man als Kühlbad Kunststoffschüsseln (am besten sind die hervorragend isolierenden mikroporösen Polystyrol-Gefäße geeignet) mit einem der folgenden 16 Allgemeine Arbeitsanweisungen Kühlmittel: Eiswasser (Wasser mit zerkleinertem Eis) Eis-Kochsalz-Mischung (gut durchmischtes Gemenge aus etwa zwei Teilen Eisgrieß und einem Teil Viehsalz) Eis-Calciumchlorid-Mischung (6 oder 7 Teile Eisgrieß plus 10 Teile CaCl2 • 6H 2 O) für O0C für bis zu für -2O 0 C -40 oder -55 0 C Man gewöhne sich von vornherein an, das Kältebad unter fest montierten Apparaturen so aufzustellen, daß es im Bedarfsfall leicht entfernt werden kann (Holzklötze unterlegen). Kräftiges Umschwenken des Kühlbads und des zu kühlenden Gefäßes oder Rühren des Gefäßinhalts beschleunigt die Wärmeableitung. Dort, wo eine Zugabe von Leitungswasser nicht stört, sollte man das Eis direkt in das Reaktionsgut einführen oder - zur besonders raschen Abkühlung - die Reaktionsmischung auf das Eis gießen. Temperaturen bis zu — 780C erreicht man durch festes Kohlendioxid („Trockeneis") in Methylenchlorid, Methanol, Ethanol oder einem anderen Lösungsmittel mit entsprechend tiefem Schmelzpunkt. Zur Herstellung solcher Kühlbäder wickelt man einen Brocken Trockeneis in ein festes Tuch und zerschlägt ihn mit einem Hammer. Die kleinen Stückchen trägt man mit einem Löffel langsam in das Lösungsmittel ein, das sich in einem Dewar-Gefäß befindet. Anfangs bringt die (wärmere) Flüssigkeit das Trockeneis sofort zum Verdampfen und starken Aufbrausen! Dewar-Gefäße sind Glasbehälter mit doppelter, innen verspiegelter (auf unter 10~ 5 Torr) luftleer gepumpter Glaswandung; Abbildung 10. Sie isolieren hervorragend die Wärme. Ihre Handhabung erfordert die gleichen Vorsichtsmaßnahmen, wie sie bei anderen evakuierten Gefäßen nötig sind (Schutzbrille aufsetzen). Man verwende nur Dewar-Gefaße, die durch einen stabilen Blechmantel geschützt sind! Muß noch stärker gekühlt werden, nimmt manflüssigen Stickstoff, der bei —196 0C siedet (nicht flüssige Luft, deren Sauerstoff sich beim Verdampfen anreichert und mit Abb. 10 Dewar-Gefäß Homogenisieren und Lösen 17 Lösungsmitteldämpfen hochexplosive Gemische bildet!). Man informiere sich im Bedarfsfall in der Spezialliteratur1! Ähnlich den Thermostaten (siehe S. 13) gibt es Kryostaten mit Wasser-MethanolGemischen als Badflüssigkeit und einem Kühlaggregat (an Stelle der Heizung), zur Erzeugung konstanter Temperaturen zwischen O und -4O0C. Die Kühlflüssigkeit kann über Schlauchanschlüsse durch eine angeschlossene Apparatur gedrückt werden. Im Kühlschrank oder in der Tiefkühltruhe werden zersetzliche Substanzen aufbewahrt. Der Kühlschrank soll, damit wässerige Lösungen nicht erstarren, auf +2 0 C eingestellt sein. In der Tiefkühltruhe erreicht man Temperaturen von -3O0C. Alle eingestellten Gefäße müssen, damit sich keine entzündlichen Dämpfe im Kühlraum ansammeln, gut verschlossen sein und Etiketten mit der Substanzbezeichnung und dem Namen des Eigentümers tragen. Homogenisieren Von Ausnahmen abgesehen, ist der Chemiker stets bestrebt, die Reaktionspartner in völlig homogener Phase, also als Lösung, umzusetzen. Ist das nicht möglich, versucht er, durch Zerkleinern der Feststoffe und kräftiges Rühren, Vibrieren oder Schütteln möglichst feindisperse Suspensionen beziehungsweise Emulsionen herzustellen. - Dauerndes Mischen des Reaktionsansatzes ist auch nötig, um eine zutropfende Komponente rasch zu verteilen und entstehende Reaktionswärme schneller abzuführen. Lösen Bei weitem die meisten aller chemischen Operationen können nur unter Zuhilfenahme von Lösungsmitteln durchgeführt werden. Die Wahl des Lösungsmittels ist für das Gelingen sowohl der eigentlichen Umsetzung als auch der anschließenden Aufarbeitung von ausschlaggebender Bedeutung. Zu den wesentlichen Eigenschaften eines Lösungsmittels gehören (neben seinem chemischen Verhalten) der Siedepunkt sowie vor allem der mehr oder weniger polare Charakter. Der Siedepunkt ist wichtig zur Einstellung der Arbeitstemperatur beim Kochen unter Rückfluß und für die destillative Entfernung des Lösungsmittels nach der Umsetzung. Die Polarität (zahlenmäßig erfaßt durch die Dielektrizitätskonstante) bezeihungsweise Polarisierbarkeit bestimmen die Lösungseigenschaften (Hydrophilie oder Lipophilie). Für chemische Umsetzungen ist im allgemeinen das Lösungsmittel ideal, das alle 1 Zum Beispiel H. Kienitz, Methoden der organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd.//2, S. 662, Thieme, Stuttgart 1959. 18 Allgemeine Arbeitsanweisungen Ausgangsstoffe leicht, das Endprodukt jedoch nicht löst. Wenn keine besonderen Forderungen (wie Auffangen der Reaktionswärme oder unimolekularer Umsatz) einen größeren Überschuß nötig machen, nehme man nur wenig mehr Lösungsmittel, als zum Lösen der Reaktionskomponenten nötig ist! Näheres über die meist benutzten Lösungsmittel siehe S. 110. Zerkleinern Feststoffe können in einer Reibschale mit dem Pistill fein pulverisiert werden. (Schmierige Substanzen lassen sich nach Zugabe von sauberem Seesand oder Kieselgur zu bröckeliger Konsistenz verreiben.) Für sehr harte Stoffe benutzt man besser eine mechanische Kugelmühle mit umlaufenden Porzellankugeln. - Größere Brocken kann man zuvor in einem Metallmörser mit dem Stößel grob zerschlagen. In vielen Fällen läßt sich die Arbeit des Pulverisierens dadurch erleichtern, daß man zwischendurch die größeren Partikel mit Hilfe eines einfachen Kaffeesiebs abtrennt. Rühren Zum Umrühren im Reagenzglas und anderen offenen Gefäßen sollten an jedem Laborplatz stets mehrere an den Enden rundgeschmolzenen Glasstäbe verschiedener Größe bereit liegen! Für längeres, intensiveres Rühren stehen stufenlos regulierbare elektrische Rührmotoren (mit Bohrfutter) zur Verfügung. Sie müssen, ihrem Gewicht entsprechend, an besonders stabilen Stativen befestigt werden. - Man beachte, daß die Kollektorfunken brennbare Gase entzünden! Dazugehörige Glasrühr er gibt es in verschiedenen Ausführungen; einige davon zeigt Abbildung 11. Das Modell a kann man sich aus einem erhitzten Glasstab mit <cb ob Abb. 11 a) selbstgemachter Glasrührer; b) Propellerrührer; c) Schwenkflügelrührer a b c d Abb. 12 a) einfache Glasrohr-Rührerführung; b) KPG-Rührverschluß; c) KPG-Rührverschluß mit Kühlmantel; d) Gummischlauch-Rührdichtung Rühren 19 Hilfe einer Flachzange leicht selbst herstellen. Wirksamer ist der Propellerrührer b. Der drehbare Flügel von c läßt sich hochgeklappt in einen NS 29-Tubus einführen; während der Rotation stellt er sich waagrecht. - Für zähes Reaktionsgut verwendet man Rührer aus V2A-Stahl. Um den Turbulenzeffekt beim Rühren zu erhöhen, kann man die Kanten gläserner Rührblätter mit einer Feile aufrauhen. Die Durchmischung von flüssigen Zweiphasensystemen ist am wirksamsten, wenn sich das Rührblatt an der Grenzfläche der beiden Phasen dreht. - Der Rührer darf nicht so schnell rotieren, daß es in der Flüssigkeit zur Ausbildung eines tiefen Trichters kommt, weil dann der Mischeffekt gering ist. Aus ähnlichem Grund ist es besser, den Rührer in offenen Gefäßen etwas außerhalb der Gefäßmittelachse laufen zu lassen. Nur kurze, genau zentrierte Rührer darf man direkt in das Bohrfutter einspannen. In der Regel muß ein etwa 5 cm langer Stab (Bleistiftstück) und ein 6 bis 10 cm langes Stück Vakuumschlauch als elastisches Bindeglied zwischengeschaltet werden und der Rührer in einer eigenen Führung laufen; Abbildung 12. Diese Führung kann, wenn lediglich in offenen Gefäßen gerührt werden soll, einfach aus einem am Stativ befestigten, etwa 10 cm langen, knapp passenden Stück Glasrohr bestehen; Abbildung 12a. Als Schmiermittel verwendet man hier für wässeriges Rührgut ebenfalls Wasser. Soll in der geschlossenen Reaktionsapparatur gerührt werden, benutzt man den sogenannten KPG-Rührverschluß\ Abbildung 12b. Dieser besteht aus einem NS 29Kern, der in ein 10 cm langes Rohr mit genormtem Präzisions-Zylinderschliff übergeht, und einem Rührer, dessen Schaft exakt dazu passend geschliffen ist. (Es gibt auch Hülsen aus Teflon.) Apparaturen mit KPG-Rührern sind besonders sorgfältig aufzubauen. Motor- und Rührerachse müssen genau auf einer Linie liegen. Die Verschluß-Hülse ist, damit sie sich nicht mitdreht, an ihrem oberen Wulst anzuklammern. Um zu verhindern, daß der Rührer während der Montage nach unten rutscht und den Kolbenboden zerschlägt, sichert man ihn durch Überziehen eines schmalen Stücks Gummischlauch. Der Zylinderschliff ist mit dünnflüssigem öl, zum Beispiel Silicon (nicht Vaseline oder Glycerin) zu schmieren. - Tourenzahlen über etwa 600 verlangen KPG-Rührer mit eingebauter Wasserkühlung; Abbildung 12c. Für geringere Ansprüche genügt eine einfache Gummischlauch-Rührdichtung, die man sich nach Abbildung 12d aus einem zum Rohr verjüngten Kernschliff mit übergezogenem Gummischlauch sowie einem Glasstabrührer selbst zusammenstellen kann. Das sehr kurze Schlauchende, das den Rührerschaft umschließt, wird innen eingefettet. Diese Dichtung zieht sich, wenn im Kolben ein Unterdruck entsteht, automatisch zusammen und ist daher bedingt vakuumfest. Sie hat den Nachteil, daß bei längerem Gebrauch Gummiteilchen abgetrieben werden. Magnetrühren Wenig viskose Flüssigkeit kann man eleganter mit dem Magnetrührer mischen; Abbildung 13a. Dieser besteht aus einem regelbaren Motor, auf dessen senkrecht stehen- 20 Allgemeine Arbeitsanweisungen der Achse oben ein Permanentmagnet montiert ist. Über dem Magneten befindet sich eine Platte, auf die man das Rührgefäß stellt. Als Rührer fungiert ein am Boden des Gefäßes liegendes, durch Teflon-Überzug geschütztes Stück Magnetstab. - Erlenmeyerkolben und Bechergläser mit flachem Boden eignen sich am besten als Rührgefäße. Mit entsprechend kurzen Rührstäbchen oder spindelförmigen Rührkörpern (Abbildung 13b) kann man auch gut in kleineren Rundkolben arbeiten. - Magnetrührer mit stufenweis regulierbarer elektrischer Heizung sind besonders praktisch. (Mit zwei Rührstäbchen lassen sich ein kleines Heizbad aus Glas und das Reaktionsgefäß gleichzeitig rühren.) Abb. 13 a) Magnetrührer und 500-ml-Erlenmeyerkolben mit Rührmagnet; b) 100-ml-Kolben mit spindelförmigem Rührmagnet Abb. 14 1-Liter-Weithalskolben mit Vibromischer-Werkzeug Vibrieren Eine besonders intensive Durchmischung dünnflüssiger Systeme erreicht man mit dem „Vibro-Mischer", dessen Kupplung nicht rotiert, sondern mit der Frequenz des Wechselstroms auf- und abschwingt. Das Arbeitswerkzeug besteht aus einem Stab, der in einer waagrechten Platte mit mehreren konischen Löchern endet; siehe Abbildung 14. Vibriert diese Platte, wird die umgebende Flüssigkeit nicht nur mit in Schwingungen versetzt, sondern gleichzeitig in einer Richtung durch die Löcher befördert, also umgewälzt. Zur Abdichtung gibt es Kernschliffe mit gelochter Gummischeibe. - Durch Werkzeuge, deren Schaft hohl ist, können Gase unterhalb der Platte eingeleitet und zu sehr kleinen Bläschen zerschlagen werden. Schütteln Sehr schwere Bodenkörper oder Unterphasen lassen sich durch Rühren kaum aufwirbeln. Hier muß man das ganze Gefäß kräftig schütteln. - Bei einfachen Rückflußapparaturen erhält man dazu genügend Spielraum, wenn man lediglich den Kühler an seinem oberen Ende in einer nur halb geschlossenen Klemme hält und den Kolben Schüttelmaschinen, Reaktionsgefaße mit mehreren Aufsätzen 21 auf einen Korkring oder die Einsätze des Patent-Wasserbads setzt. Apparaturen mit mehreren Aufsätzen muß man zusammen mit dem Stativ umschwenken (vorher Befestigungen der Apparaturteile überprüfen). Zum intensiven Schütteln über längere Zeit gibt es zahlreiche verschiedenartige motorgetriebene Schüttelmaschinen, wie Schüttelstative, deren Stab sich um seine Achse hin- und herdreht, Holz- oder Metalltröge, die pendeln (für größere geschlossene Flaschen), und schließlich Modelle, in denen Schüttelgefaße komplizierteren Schlingerbewegungen ausgesetzt sind. Folgende Punkte sind bei der Benutzung von Schüttelmaschinen besonders zu beachten: Nur solche Gemenge dürfen (in geschlossenen Gefäßen) geschüttelt werden, die keinen Überdruck (durch Gasentwicklung oder exotherme Reaktion) entstehen lassen. Die Schüttelgefäße sind sorgfältig zu befestigen. Man verwende starkwandige Chemikalienflaschen, entweder mit Schraubdeckel oder mit durch Einbinden eines Stücks Vakuumschlauch elastisch verdrahtetem Stopfen; siehe Abbildung 15a, b. Größere Schüttelmaschinen müssen, damit sie nicht wandern können, fixiert werden. a b Abb. 15 a, b) Elastisches Absichern eines Schliffstopfens (Maßstab l: 4) Reaktionsgefäße mit mehreren Aufsätzen Auf den Abbildungen 16 bis 20 sind die wichtigsten, in dieser oder ähnlicher Form immer wiederkehrenden Reaktionsapparaturen zusammengestellt. Es handelt sich dabei um Mehrhalskolben beziehungsweise solche mit Anschützaufsatz, die neben dem Rückflußkühler noch folgende Teilstücke tragen: Rührer, Tropfrichter, Gaszuleitung und -ableitung, Tauchthermometer. Abbildung 16 stellt eine einfache Rührapparatur dar. Alle anderen zeigen zusätzlich Einrichtungen für die dosierte Zugabe flüssiger oder gasförmiger Substanzen. Eine solche Dosierung einer Reaktionskomponente ist wichtig: zur Steuerung exothermer Umsetzungen, zur Schonung solcher Ausgangsstoffe, die sich unter den Reaktionsbedingungen (Temperatur, pH, Gegenwart von Katalysatoren) leicht zersetzen und 22 Allgemeine Arbeitsanweisungen schließlich zur Zurückdrängung unerwünschter Nebenprodukte, die dadurch entstehen, daß sich der zweite Reaktionspartner mit dem ersten mehrfach umsetzt. Abb. 16 1-Liter-Kolben mit Anschütz-Aufsatz, Rückflußkühler und Rührer Tropftrichter Soll eine flüssige Reaktionskomponente zum Kolbeninhalt gegeben werden, benutzt man einen Tropftrichter, dessen Grund typ Abbildungen 17a und 18 zeigen. Zur leichteren Einregulierung kleiner Tropfgeschwindigkeiten empfiehlt es sich, das Hahnküken so, wie es die Abbildung 24 K verdeutlicht, mit der Kante einer Feile anzuritzen. Wesentlich leichter läßt sich der Zulauf am Dosiertrichter einstellen und konstant halten; Abbildung 17b. Dieser hat an Stelle des Glashahns eine Spindelschraube und außerdem ein Mariotte'sches Rohr, das die Ausflußgeschwindigkeit von der Höhe der überstehenden Flüssigkeitssäule unabhängig macht. Eine Variante des Grundmodells ist schließlich der Tropftrichter mit Druckausgleich', Abbildung 17c. Er kann bei Gebrauch fest verschlossen bleiben, ist also besonders für leicht flüchtige, giftige oder luftempfindliche Flüssigkeiten geeignet. (Beim Grundmodell schützt man feuchtigkeitsempfindliche Flüssigkeiten durch Aufsetzen eines Trockenrohrs.) Um Bruchgefahr zu vermeiden, sollen die Tropftrichter am Stativ festgeklemmt werden; das gilt besonders bei Füllung mit spezifisch schweren Flüssigkeiten (zum Beispiel konz. Schwefelsäure, Brom) und dann, wenn durch einen Rührmotor Schwin- Tropftrichter und Gasapparaturen 23 Abb. 17 a) l-Liter-Kolben mit einfachem Tropftrichter; b) 2-Liter-Kolben mit Dosiertrichter; c) Tropftrichter mit Gasausgleich gungen entstehen können. Die Hahnküken sind (zumindest durch einen Gummiring) gegen Herausrutschen zu sichern. Portionsweises Eingießen direkt durch den Rückflußkühler ist nur in seltenen Fällen ratsam. (Großen Trichter benutzen; Flammen löschen; darauf achten, daß nichts ins Heizbad fließt I) Auf Abbildung 18 ist ein sogenannter Nitrierkolben (Sulfierkolben) dargestellt Derartige konische Kolben benutzt man, wenn mehr als drei Hälse nötig sind. Der große zentrale Tubus (mit Übergangsstück) macht die Verwendung eines breiten feststehenden Rührers möglich. - Ein schliffloses Tauchthermometer kann in der beim Gaseinleitungsrohr geschilderten Weise (siehe Abbildung 20) eingesetzt werden. Gasapparaturen (Gasstahlflaschen) Sollen Gase lediglich über das Reaktionsgut geleitet werden, genügt ein zum Rohr verjüngter Kernschliff; siehe Abbildung 19, rechter Tubus. Eine solche Apparatur benutzt man speziell dann, wenn bei sehr luft-(feuchtigkeits-)empfindlichen Stoffen unter Schutzgas (Stickstoff, eventuell Kohlendioxid) gearbeitet werden muß. 24 Allgemeine Arbeitsanweisungen Abb. 18 3-Liter-Vierhalskolben (Nitrierkolben) mit Rückflußkühler, Rührer, Tropftrichter, Tauchthermometer und Gasableitung Abb. 19 1-Liter-Kolben mit Schlauchansätzen zum Überleiten von (Schutz-)Gasen Abb. 20 Apparatur zum Einleiten von Gasen, bestehend aus l-Liter-Kolben mit Gaseinleitungsrohr E, 1-Liter-Sicherheitsgefäß Sl, Waschflasche W und Sicherheits-Waschflasche S 2 Gaseinleitung 25 Sollen Gase durch das Reaktionsgut perlen, verwendet man nach Abbildung 2OE einen zum Rohr verjüngten Kernschliff mit knapp passendem Innenrohr und Schlauchdichtung oder ein entsprechendes fertiges Einleitungsrohr mit Schliff. Will man das Gas sehr fein verteilen, läßt man es durch eine Tauchfritte (vergleiche Abbildung 2Ib) oder durch den hohen Schaft eines Vibro-Mischers (siehe S. 20) einströmen. Besteht die Gefahr, daß ausfallende Feststoffe das Einleitungsrohr verstopfen, ersetzt man dieses durch ein solches, dessen Mündungsende stark ausgeweitet ist, zum Beispiel ein gerades Calciumchloridrohr ohne Schliff. Entweichen können Gase durch den Rückflußkühler. Giftige Gase leitet man über den Schlauchansatz-Kernschliff und einen Kunststoffschlauch direkt in den Abzugschacht; Abbildung 18 und 19. Das wichtigste Zusatzgerät zum Gas-Reaktionskolben ist die Waschflasche, ein Zylinder mit zwei oberen Schlauchanschlüssen, deren einer bis zum Boden verlängert ist; Abbildung 20 W und S2. Sie dient — knapp zur Hälfte mit einer entsprechenden Flüssigkeit gefüllt - zur Reinigung (siehe S. 107) der Gase (W) oder (meist mit einem größeren Kolben an Stelle des Zylinders) in der Gegenrichtung durchströmt als Sicherheitsflasche (Sl und S2). Eine solche Sicherheitsflasche, die groß genug ist, das gesamte eventuell zurücksteigende Flüssigkeitsvolumen aufzunehmen, muß jedem Gefäß mit Tauchrohr - also auch den gefüllten Waschflaschen - vorgeschaltet sein! Es ist bei allen Waschflaschen und Sicherheitsflaschen darauf zu achten, daß sie richtig herum eingesetzt werden. - Waschflaschen sind als sogenannte Blasenzähler auch zur (meist notwendigen) Überwachung der Strömungsgeschwindigkeit nützlich. Abbildung 2Ia zeigt einen kleineren Blasenzähler mit dazugehöriger Sicherheitsflasche. - Die auf Abbildung 20 zusammengestellte einfachste Gaseinleitungsapparatur bildet den Grundstock für alle Anlagen dieser Art. a b c d e f Abb. 21 a) Blasenzähler (mit Sicherheitsgefäß); b) Waschflasche mit Glasfritte; c) Trocken türm; d) Bunsenventil; e) Tauchrohr-Ventil; O Strömungsmesser Einige weitere, in den Gasstrom einzuschaltende Hilfsmittel sind auf Abbildung 21b-f aufgeführt: Die Waschflasche mit Glasfritte (b) bewirkt eine feinere Verteilung 26 Allgemeine Arbeitsanweisungen des Gases. - Der Trockenturm (c) wird zur Aufnahme körniger Trockenmittel (zum Beispiel Calciumchlorid) verwendet. (Das einfachere Trockenrohr hat zu geringe Kapazität und würde deshalb bald verbacken.) - Das Bunsenventil (d) sichert die Apparatur gegen Überdruck. Es besteht aus einem T-Rohr mit einem kurzen, am Ende verschlossenen Stück Vakuumschlauch, das man mit einer scharfen Rasierklinge 2 bis 3 cm längs aufgeschnitten hat. Dieser Spalt öffnet sich beim Überdruck und zieht sich bei Unterdruck zusammen. Für Wasserstoff ist das Bunsenventil nicht geeignet, da dieser durch den Spalt diffundiert. - Das Tauchrohr-Ventil (e), ein T-Rohr, dessen einer verlängerter Schenkel in Wasser, Quecksilber (beachte die Hinweise auf S. 35 !), Alkylhalogenide (für Chlorwasserstoff) oder eine andere Sperrflüssigkeit eintaucht, sorgt für konstanten Überdruck. Zur Einstellung läßt man das Gas so stark durch das T-Stück strömen, daß ein Teil unten entweicht, und stellt dann den gewünschten Druck durch Änderung der Eintauchtiefe (in Abhängigkeit von der Dichte der Flüssigkeit) ein. - Beim Strömungsmesser (f) ist eine Kapillare als Drossel zwischen die Schenkel eines Wassermanometers eingebaut. Das Gerät muß für jede Gasart speziell geeicht werden. Genauer, aber teurer sind die käuflichen Rotameter. Sicherheitsflaschen, Waschflaschen, Trockenturm und Tauchrohrventil sind an Stative anzuklammern, Trockenturm und Trockenrohre auf gute Durchlässigkeit zu prüfen. Die Schlauchverbindungen sollen bei aggressiven Gasen aus Kunststoff bestehen. Vor Anschluß der Gasquelle überzeuge man sich noch einmal, ob alle Teile richtig (herum) eingebaut sind! Die meisten der im Laboratorium gebrauchten Gase werden von der Industrie in Stahlflaschen geliefert. In diesen Hochdruckbehältern liegen die Gase -je nach ihren kritischen Daten1 - entweder gasförmig, auf bis zu 200 bar komprimiert oder, bei entsprechend geringerem Druck, verflüssigt vor. Jede Gasflasche ist mit einem Hauptventil verschlossen, an das zur Benutzung stets noch ein Reduzierventil angeschraubt sein muß, zumindest ein einfaches Kegel-Reduzierventil Diesem vorzuziehen, besonders für Permanentgase, ist das Druckminderventil, das automatisch den Druckabfall in der Flasche ausgleicht. Es hat unten eine Einstellspindel, die eine sehr feine Regulierung der Strömungsgeschwindigkeit zuläßt. Dreht man diese Spindel im Uhrzeigersinn, wird ein Verschlußkonus gegen den Eigendruck des Flascheninhalts angehoben und das Ventil geöffnet. Direkt vor dem Gasaustritt befindet sich ein weiteres Absperrventil zur Unterbrechung des verminderten Gasstroms. Zwei Manometer zeigen den Fülldruck und den reduzierten Druck an. Das Niederdruckmanometer darf nie unter dem vollen Druck der Flasche stehen. - Bei Nichtbenutzung muß das Hauptventil geschlossen sein (ohne daß das Reduzierventil belastet ist). Um Verwechslungen zu vermeiden, ist die Gasart nicht nur mit Namen am Flaschenhals eingeschlagen, sondern auch noch durch einen speziellen Farbanstrich gekennzeichnet. Dieser ist zum Beispiel für brennbare Gase rot. Außerdem sind die Schraubgewinde zu den Reduzierventilen unterschiedlich dimensioniert. Flaschen mit brennbaren Gasen haben Linksgewinde. Acetylen wird in besonderen, gelb ange1 Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie. Arbeiten unter Druck 27 strichenen Flaschen aufbewahrt, die Kieselgur enthalten und deren Ventile nicht angeschraubt, sondern festgeklammert sind. Das Gas selbst ist in Aceton gelöst. - Die Ventile von Sauerstoffflaschen dürfen nie gefettet werden; Explosionsgefahr durch Autoxidation! Alle stehenden Gasflaschen müssen durch eine Kette gegen Umfallen gesichert sein! Außerdem sind die Flaschen möglichst vor Wärme zu schützen! Zugabe fester Stoffe Das Einbringen fester Substanzen in die geschlossene Reaktionsapparatur bereitet einige Schwierigkeiten. Man sollte daher nach Möglichkeit versuchen, die Feststoffe vorher in Lösung zu bringen oder im Kolben vorzulegen. Geht das nicht, schüttet man sie durch einen Pulvertrichter in den jeweils kurz geöffneten Tubus. (Vorsicht; Flammen löschen; Abzug benutzen!) Muß unter Luft-(feuchtigkeits-)ausschluß gearbeitet werden, verbindet man den freien Tubus des Mehrhalskolbens über ein entsprechend weites, nach unten abgeknicktes Schlauchstück mit einem kleinen Erlenmeyerkolben, der die feste Substanz enthält. Arbeiten mit Überdruck-Reaktionsgefäßen In den bisher geschilderten Apparaturen ist die Reaktionstemperatur nach oben naturgemäß durch die Siedepunkte der Reaktionskomponenten beziehungsweise Lösungsmittel begrenzt. Sind höhere Temperaturen erforderlich, muß in völlig abgeschlossenen druckfesten Gefäßen gearbeitet werden. - Bei Umsetzungen, an denen gasförmige Partner beteiligt sind, können Reaktionsgeschwindigkeit und Ausbeute vielfach durch Arbeiten unter erhöhtem Druck gesteigert werden. Bei jeglichem Umgang mit Druckgefäßen ist besondere Vorsicht geboten! Die speziellen Schutzvorschriften sind genau zu beachten! Stets ist die Schutzbrille zu tragen! Vor jedem Versuch vergewissere man sich gewissenhaft über den bei der Umsetzung zu erwartenden Druck und informiere sich genau, welche Belastung der zu verwendenden Apparatur zugemutet werden darf! Einschmelzrohre Will man kleinere Versuchsansätze bis zu etwa 20 ml auf Temperaturen erhitzen, bei denen keine sehr großen Überdrucke zu erwarten sind, kann man Einschmelzrohre („Bombenrohre") verwenden. Diese sind aus einer speziellen Glassorte hergestellt, haben etwa eine Länge von bis zu 50 cm, Weite von 18 mm, Wandstärke von 3 mm und halten etwa 25 bar bei maximal 4000C mit einiger Sicherheit aus. Die Einschmelzrohre werden durch einen Trichter, dessen langes Rohr bis zum Bo- 28 Allgemeine Arbeitsanweisungen den reicht, höchstens zu einem Viertel mit Substanz gefüllt und dann vom Glasbläser mit dem Sauerstoffgebläse zu einer dickwandigen Kapillare ausgezogen und zugeschmolzen (tiefsiedende Flüssigkeiten sind dabei in einem Bad zu kühlen); Abbildung 22. Die Schmelzstelle soll langsam wieder abkühlen. Danach steckt man das Rohr so tief in den zugehörigen Stahlschutzmantel, daß seine Spitze noch etwa l bis 2 cm herausragt. (Gegebenenfalls muß dazu der Mantel entsprechend mit Sand aufgefüllt werden.) Abb. 22 Einschmelzrohr mit Stahl-Schutzmantel Das Erhitzen der so vorbereiteten Rohre in den „Bombenöfen" darf nur innerhalb des dafür vorgesehenen Raums hinter Splitterschutzwänden vorgenommen werden. Die Öfen sind derart aufzustellen, daß ihr offenes Ende und damit die Spitze des Einschmelzrohrs etwas erhöht ist und zur Wand zeigt. So kann allmählich bis auf die gewünschte Temperatur angeheizt werden. Während des Betriebs kontrolliere man ständig die Temperatur. (Auf richtigen Sitz des Thermometers achten!) Ist die Reaktion beendet, läßt man langsam völlig abkühlen. Erst dann erhitzt man die abgeschmolzene Rohrspitze mit der Sauerstoff-Gebläseflamme (Mantelöffnung weiterhin zur Wand gerichtet lassen!), bis das Glas so stark erweicht, daß das unter Druck stehende Gas im Inneren die heiße Stelle aufbläst und ausströmt. Vorher darf das Einschmelzrohr unter keinen Umständen weder aus dem Schutzmantel noch aus dem Schutzraum entfernt werden! Zur Entleerung wird der obere Teil des Rohrs, wie auf S. l beschrieben, abgesprengt. Das Rohr kann erneut benutzt werden. Es gibt auch Stahlschutzrohre, die mit einer gelochten Gewindekappe verschlossen werden und so bei Explosion die Splitter abfangen. Autoklaven Sicherer für kleinere Ansätze, unumgänglich für größere sind Stahl-Autoklaven, die in zahlreichen Ausführungen von der Industrie angeboten werden. Abbildung 23 zeigt einen l-Liter-Rührautoklaven (für maximal 325 bar und 35O0C) aus einem dickwandigen Unterteil und einem fest verschraubten Deckel mit Thermometer-Innenrohr, Rührachse, Absperrventil, Sicherheitsventil und Manometer. Durch das Absperrventil kann über eine angeschraubte Stahlkapillare Wasserstoffoder ein anderes Reaktionsgas eingedrückt werden. Geheizt wird von außen durch eine elektrische Anlage mit automatischer Temperaturregelung. - Andere Modelle haben an Stelle des Rührers periodisch fallende Siebplatten, wieder andere rotieren um ihre schräge Längsachse. Die Autoklaven dürfen nur zur Hälfte ihres Volumens gefüllt werden! Die Dich- Autoklaven 29 Abb. 23 Rührautoklav mit Thermometerrohr, Absperrventil, Sicherheitsventil und Manometer tungsränder sind sorgsam gegen jede Beschädigung zu schützen und vor dem Zusammenbringen peinlich zu säubern. Zum Verschließen setzt man den Deckel behutsam mit einem Differential-Flaschenzug auf und zieht dann die Bolzenschrauben kreuzweise nacheinander in immer kleiner werdenden Stufen so stark an, wie es die auf den Muttern eingeschlagenen Markierungen verlangen. Alle Autoklaven dürfen nur innerhalb besonders dafür angelegter Schutzräume in Betrieb genommen werden! Das Anheizen hat langsam zu erfolgen. Während der Umsetzung sind der Druck und die Temperatur laufend zu kontrollieren. Zum Schluß läßt man den Autoklaven erst völlig erkalten (keinesfalls zusätzlich von außen kühlen!) und beseitigt dann den Überdruck langsam durch vorsichtiges Öffnen des Ventils. Vorher dürfen die Verschlußschrauben nicht gelockert werden! Zur Entleerung hebt man den Deckel am Flaschenzug ab, spült das Reaktionsgemisch mit einem geeigneten Lösungsmittel zusammen und saugt den Inhalt dann am besten in einen Kolben mit aufgesetztem Gaswaschflaschenkopf (Abbildung 20, Sl), dessen kurzes Rohr an eine Wasserstrahlpumpe angeschlossen ist. Da es sehr unterschiedliche Autoklaventypen gibt, deren Handhabung hier natürlich nicht im einzelnen beschrieben werden kann, sei nachdrücklich auf die von den Herstellern mitgelieferten Bedienungsvorschriften hingewiesen. Dort finden sich auch Angaben über die zulässigen Höchstdrucke und -temperaturen sowie die Korrosionsbeständigkeit des verwendeten Materials. Ist der Praktikant mit dem Umgang eines Autoklaven (und seiner Heizung) noch nicht vertraut, hat er einen Fachmann zur Einweisung und Überwachung hinzuzuziehen. Dies gilt besonders für die zu- 30 Allgemeine Arbeitsanweisungen sätzlichen Schutzmaßnahmen, die beim Eindrücken von Gasen erforderlich sind, wenn zum Beispiel geringere Füllhöhe und Vorspülen mit einem Intergas beim Arbeiten mit Wasserstoff vorgeschrieben sind. Erzeugung und Messung von Unterdruck Bei allen Arbeiten mit evakuierten Apparaturen ist eine Schutzbrille zu tragen! Abgesehen von wenigen speziell dafür hergestellten dickwandigen Gefäßen (wie zum Beispiel Saugflaschen und Exsikkatoren) dürfen nie Kolben oder andere Gefäße mit flachem Boden evakuiert werden, sondern nur Rund- oder Spitzkolben mit angeschlossenen runden Apparaturteilen! Auch Reagenzgläser sind nicht vakuumfest. Zur Erzeugung von Unterdruck steht eine Reihe von Pumpen zur Verfügung, die sich in ihrer Leistung - also dem erreichbaren Endvakuum und der Sauggeschwindigkeit - voneinander unterscheiden. Wasserstrahlpumpen-Anlagen Für die meisten der im Labor vorkommenden Arbeiten, die Unterdruck erfordern (Absaugen, Destillieren, Trocknen) reichen etwa 12 Torr, die man bequem mit der einfachen Wasserstrahlpumpe aus Glas erreicht, völlig aus. Diese wird durch ein kurzes Stück Druckschlauch, das durch Metallmanschetten gesichert ist, direkt an den Wasserhahn angeschlossen; Abbildung 24, W. (Das störende Rauschen läßt sich dadurch herabmindern, daß man den Zwischenraum zum Abflußkanal locker mit einem Kunststoffschwamm ausfüllt.) Als kurzfristiger Schutz gegen ein Zurücksteigen des Wassers in die angeschlossene Apparatur (bei Nachlassen des Wasserdrucks) und als Druckpolster ist jeder Wasserstrahlpumpe eine l l fassende Sicherheitsflasche vorzuschalten. Diese kann man sich leicht nach Abbildung 24, S aus einer dickwandigen Woulfe'sehen Flasche, zwei Glasrohrwinkeln und einem Glashahn aufbauen. (Die Gummistopfenverbindungen bekommt man dadurch vakuumdicht, daß man zuerst die Stopfen fest in den Tubus drückt und dann das Rohr in die mit Glycerin befeuchtete Bohrung schiebt.) Der Glashahn auf dem mittleren Tubus dient zum Belüften. Die Verbindung zwischen Pumpe, Sicherheitsflasche und weiter zur Apparatur wird durch dickwandige, möglichst kurze Vakuumschläuche hergestellt. (Ein Tropfen Glycerin erleichtert auch hier das Aufschieben auf die Glasrohre.) Das mit der Wasserstrahlpumpe erreichbare Vakuum wird vom Dampfdruck des Wassers begrenzt und liegt bei 9 bis 12 Torr. Um ein Zurücksteigen des Wassers in die angeschlossene Anlage bei Druckschwankungen zu vermeiden, muß der Wasserhahn stets ganz geöffnet sein. Soll das Vakuum wieder aufgehoben werden, ist unbedingt erst durch den Hahn H (Abbildung 24) langsam zu belüften, ehe das Wasser Arbeiten im Wasserstrahlvakuum 31 Abb. 24 Wasserstrahlpumpe-Anlage mit Wasserstrahlpumpe W, Sicherheitsflasche S, Belüftungshahn H und dessen eingeritztem Küken K sowie abgekürztem Quecksilbermanometer M (Maßstab für Hahnküken K l : 2) Abb. 25 Quecksilber-Manostat mit Hähnen 1-3 abgestellt werden darf. Vorsicht, erhitzte Reaktionsansätze können sich bei plötzlicher Luftzufuhr heftig zersetzen! - An Orten mit starken Wasserdruckschwankungen empfiehlt sich der Einbau eines Rückschlagventils aus Glas; seine Funktion ist von Zeit zu Zeit zu prüfen. Drucke zwischen 10 und 760 Torr kann man grob durch teilweises Öffnen des Hahns auf der Sicherheitsflasche einstellen. Ein angeschlossenes kleines Nadelventil oder eine (mit der Dreikantfeile eingeritzte) feine Kerbe im Küken erleichtern die Regulierung; Abbildung 24 K. - Viel zuverlässiger ist die Druckregelung durch einen zwischengeschalteten Manostat. Das einfache Modell mit Quecksilber-Ventil der Abbildung 25 wird folgendermaßen bedient: Zur Einstellung evakuiert man bei geöffnenten Hähnen l bis 3. Ist der gewünschte Unterdruck fast erreicht, schließt man zunächst l, dann 2. Die weitere Druckverminderung im linken Schenkel hebt das Quecksilber-Niveau, bis es die Glasfritte berührt und damit verschließt. Erst wenn der Druck in der angeschlossenen Apparatur steigt, gibt der fallende Quecksilberspiegel die Pumpenleitung wieder frei. Der Druck schwankt somit innerhalb weniger Torr um einen Mittelwert. Nach Beendigung des Versuchs schließt man Hahn 3, öffnet l und läßt langsam Luft einströmen. Zur Messung des mit der Wasserstrahlpumpe erzeugten Unterdrucks reicht ein abgekürztes Quecksilbermanometer völlig aus; Abbildung 24, M. Es hat eine Schenkellänge von 20 cm, gestattet also, Drucke zwischen l und 200 Torr abzulesen, und zwar, wenn das Quecksilber sehr rein ist, auf ein Torr genau. Damit möglichst wenig Chemikaliendämpfe zum Quecksilber gelangen können, soll der Glashahn am Manometer nur für die Dauer einer kurzen Ablesung geöffnet werden. - Will man prüfen, ob das Manometer noch in Ordnung ist, evakuiert man es am besten mit einer ÖlDrehschieberpumpe (siehe nächsten Abschnitt), die ein Vakuum von mindestens 0,1 Torr herstellt. Die beiden Quecksilbermenisken müssen dann genau gleich hoch stehen. Manometer mit verschmutztem Quecksilber zeigen hierbei „negativen" Druck 32 Allgemeine Arbeitsanweisungen an und müssen mit gereinigtem Quecksilber (vom Glasbläser) neu gefüllt werden. Evakuierte Manometer dürfen nur sehr langsam und vorsichtig belüftet werden, das schwere Quecksilber würde sonst hochschießen und das Rohr zerschlagen! Hochvakuumpumpen-Anlagen In diesem Kapitel werden Anlagen mit Drehschieber- und Diffusionspumpen beschrieben, mit denen man Unterdrucke bis zu weniger als 10 ~ 4 Torr erzeugen kann. (Der Ausdruck „Hochvakuum" hat sich im chemischen Labor allgemein eingebürgert; er müßte korrekterweise für Drucke zwischen l und 0,001 Torr durch „Feinvakuum" ersetzt werden.) Reicht das Wasserstrahlvakuum nicht aus, zieht man für den Bereich bis zu etwa 0,1 Torr eine Öl-Drehschieberpumpe heran; schematische Abbildung 26 P. Bei ihr drehen sich in einem exzentrisch gelagerten Rotor zwei Schieber. Sie werden dabei (zentrifugal) an das umgebende Gehäuse gedrückt und saugen durch Vergrößern einer Kammer auf der einen (hier rechten) Seite Gas an und schieben es auf der anderen Seite hinaus. Zur Dichtung läuft der Rotor in Öl. Speziell für das chemische Laboratorium geschaffene Modelle haben eine (abschaltbare) Gasballast-Emrichtung (nicht mitgezeichnet). Diese führt den abgesaugten Restdämpfen während des Komprimierens Luft zu und erschwert dadurch deren Kondensation im Pumpenöl (verschlechtern allerdings auch das Vakuum). Ein Endvakuum von 10 ~ 4 Torr und besser liefert die Quecksilber-Diffusionspumpe mit vorgeschalteter Wasserstrahlpumpe. Modelle aus Duranglas mit elektrischer Innenheizung haben sich besonders bewährt; Abbildung 27 P. Bei ihnen wird in einem Kolben Quecksilber zum Sieden gebracht. Der Dampf strömt durch ein System von Düsen (hier drei) und saugt dabei (analog der Wasserstrahlpumpe) Fremdgase an. Nach Kondensation im Kühler fließt das Quecksilber wieder in den Kolben zurück. Der Gasaustritt (Pfeil) ist über eine absteigende Leitung mit einem Wasserstrahl-Vorvakuum verbunden. Außer der Pumpe gehören zu jeder Fein- beziehungsweise Hochvakuumanlage Abbildung 26 und 27 — tiefgekühlte Kondensfallen zum Abfangen schädlicher Dämpfe (K), Manometer (sind nicht mitgezeichnet, werden auf M gesteckt), Vakuumhähne (H) und eventuell ein Druckausgleichsgefäß (A). - Um den durch Reibung bedingten Druckanstieg zwischen Pumpe und Apparatur niedrig zu halten, sollen alle Verbindungsrohre möglichst weitlumig, kurz und geradlinig sein. Hochvakuumschliffe dichtet man, indem man sie erst peinlich von Staub reinigt, dann den Kern hauchdünn mit Spezial-Vakuumfett bestreicht, ihn einmal rasch durch die leuchtende Flamme schwenkt und in die Hülse fest eindreht. (Schliffe niemals ohne Fett ineinander stecken.) - Vakuumhähne besitzen Hohlküken, die bei Unterdruck in die Hülsen gesaugt werden. Zur Messung von Drucken unter einem Torr benutzt man meist Kompressionsmanometer, die nach dem Prinzip von H. McLeod ein relativ großes Volumen des Meß- Arbeiten im Hochvakuum 33 Abb. 26 (oben): Öl-Drehschieberpumpen-Anlage und Abb. 27 (unten): Quecksilber-DiffusionspumpenAnlage mit Pumpe P, Kondensfallen in Dewar-Gefäßen K, Anschluß für McLeod-Manometer (NS 14,5 in Aufsicht) M, Vakuumhähnen H und Druckausgleichsgefäß A gases mit Hilfe von Quecksilber komprimieren und dadurch dessen Druck entsprechend vervielfachen. Das Kompressionsverhältnis und die Höhe der drückenden Quecksilbersäule ergeben den Ausgangsdruck. - Das einfachste Gerät dieser Art ist das Vakuskop nach Gaede\ Abbildung 28a. Es hat in der Mitte einen Kernschliff (in der Aufsicht der Abbildung als Doppelkreis zu sehen), um den es aus der Ausgangsstellung (Abbildung) links- und rechtsherum gedreht werden kann. Im ersten Fall dient es als einfaches abgekürztes Manometer (allerdings nur für Druckänderungen während einer Meßperiode), im zweiten als Kompressionsmanometer mit geeichter Skala für Drucke bis etwa 0,02 Torr. Nach der Messung dreht man wieder in die 34 Allgemeine Arbeitsanweisungen Ruhestellung zurück. - Das Vakuummeter nach Brunner zeigt noch Drucke zwischen l und 0,001 Torr an; Abbildung 28b. Es wird zur Messung aus der Ruhestellung (Abbildung) langsam um den waagrechten Kernschliff gegen den Uhrzeigersinn gedreht, bis die unterteilte Kapillare senkrecht steht und das Quecksilber die Markierung im parallelen Rohr erreicht hat. Nach der Ablesung dreht man wieder in die Ruhestellung zurück. - Alle Kompressionsmanometer zeigen nur den Druck idealer Gase exakt an; Dämpfe, die sich bei der Kompression kondensieren, verfälschen das Meßergebnis besonders stark. Weiterhin kann der Druckanstieg zwischen Meßstelle und Apparatur je nach Länge, Weite und Biegung der Verbindungsrohre recht erheblich sein. McLeod-Manometer verlangen sehr reines Quecksilber! - Zur Kontrolle des Bereichs höher als l Torr verbindet man mit Hahn Hl der Abbildungen 26-27 zusätzlich ein abgekürztes Quecksilbermanometer (siehe Abbildung 24 M). Inbetriebnahme der Pumpen: Abb. 28 a) Vakuskop nach Gaede; b) Vakuummeter nach Brunner; beide in Ruhestellung Bevor man eine Apparatur an das Fein- oder Hochvakuum anschließt, müssen alle flüchtigen Chemikalien mit der Wasserstrahlpumpe abgesaugt werden. Zur Benutzung der Drehschieberpumpe (Abbildung 26) füllt man die Dewar-Gefäße unter den Kühlfallen mit Methylenchlorid und Trockeneis (beachte Angaben auf S. 16) und schaltet dann direkt den Pumpenmotor an. (McLeod-Manometer in Ruhestellung!) Deutliches Klappen der Ventile macht hörbar, daß das Endvakuum erreicht ist. Vor oder kurz nach dem Wiederabschalten des Motors belüftet man, damit das Öl nicht zurücksteigt, durch den Hahn Hl. Die Dewar-Gefäße der Diffusionspumpen-Anlage (Abbildung 27) werden mit flüssigem Stickstoff gefüllt. Dann verfährt man in dieser Reihenfolge weiter: Bei offenem H2-Hahn Hl zur Diffusionspumpe hin schließen. Angeschlossene Apparatur mit einer separaten Wasserstrahlpumpe evakuieren. An Diffusionspumpe Kühlwasser und Vorvakuum-Wasserstrahlpumpe anstellen. Nach kurzer Wartezeit Heizung einschalten. Wenn das Endvakuum erreicht ist, durch vorsichtiges Drehen von H l vorevakuierte Apparatur mit Hochvakuum verbinden (McLeod-Manometer in Ruhestellung!). - Nach der Benutzung Hahn H 2 schließen, Anlage über Hl belüften, Heizung abschalten. Erst nach völligem Erkalten der Quecksilberpumpe H l öffnen und Wasserstrahlpumpe abstellen. Man beachte, daß bei plötzlichem Belüften der evakuierten Apparatur heiße Substanzen im Reaktionskolben sich autoxidativ (eventuell sogar explosionsartig) zersetzen können. Deshalb ist auf jeden Fall das Reaktionsgefaß vorher abzukühlen und Destillation bei Normaldruck 35 möglichst zuerst Stickstoff einzusaugen (aus gefülltem Ballon wie auf S. 42 beschrieben). Umgang mit Quecksilber Quecksilber läßt sich wegen seiner hohen Dichte und seiner großen Oberflächenspannung nicht leicht gießen. Verschüttete Tropfen zerplatzen auf dem Boden und rollen dann als kleinste Kügelchen in alle Ecken und Ritzen, um dort ganz langsam zu verdampfen. Diese Quecksilberdämpfe verursachen, über längere Zeit eingeatmet, Gesundheitsschäden (wie Zahnlockerung, Kopfschmerzen, Händezittern und Gedächtnisschwäche). Aus diesen Gründen ist beim Umgießen von Quecksilber stets behutsam vorzugehen, ein Trichter zu benutzen und eine Schale mit hohem Rand unterzustellen! Manometer und Manostat sind mit Sorgfalt zu bedienen und bei Nichtgebrauch mit einem Stopfen verschlossen auf weicher Unterlage in einem Kästchen aufzubewahren. - Verschüttetes Quecksilber bestreut man (zur Verfestigung; Schmp. -380C) vor dem Zusammenfegen mit pulverisiertem Trockeneis. Reste, die sich so nicht beseitigen lassen, versuche man mit Schwefelblume, frischem Zinkstaub, Kupferpulver oder lodkohle, so gut es geht, unschädlich zu machen. Destillation Das Destillieren dient zur Abtrennung von Lösungsmitteln und zur Reinigung von Flüssigkeiten aufgrund ihrer charakteristischen Siedepunkte. Destillation bei Atmosphärendruck Eine einfache Destillationsapparatur (NS 29) besteht aus einem Destillationskolben („Blase") mit aufgesetztem Kniestück, schräg absteigendem Liebigkühler mit sogenanntem Vakuumvorstoß sowie einem zweiten Kolben als Vorlage; Abbildung 29. Im Kniestück steckt ein geeichtes Siedepunkt-Thermometer; beide sollen so aufeinander abgestimmt sein, daß sich die Quecksilberkugel (wie die Abbildung zeigt) gerade unterhalb der Abzweigung befindet, also von den Dämpfen des Destillats ganz umspült wird. - Siedekolben und Kühler werden an zwei Stativen befestigt (die nicht gegeneinander wackeln dürfen); der Vorlage-Rundkolben soll im Korkring auf einem Dreifuß mit Drahtnetz oder ähnlichem, stabilem Unterbau stehen. Der Destillierkolben darf höchstens zu zwei Dritteln mit flüssigem Substanzgemisch gefüllt werden. Sein flüchtigster Anteil wird verdampft, im Kühler wieder kondensiert und gelangt so als abgetrenntes Destillat in die Vorlage. 36 Allgemeine Arbeitsanweisungen Abb. 29 1-Liter-Standard-Destillationsapparatur Der Liebigkühler ist für Siedetemperaturen zwischen etwa 60 und 14O0C angebracht (Kühlwasserzulauf ab 10O0C zunehmend drosseln). Höher siedende Stoffe kondensiert man in einem längeren Glasrohr ohne Mantel (Luftkühler), das direkt an ein Kniestück angeschmolzen ist; Abbildung 30. Hier kann man den Kühleffekt verstärken, indem man über den unteren kälteren Teil des Rohrs ein Stück Filterpapier legt und dieses durch vorsichtiges Auftropfen von Wasser dauernd feucht hält. Da sich die meisten organischen Substanzen oberhalb 15O0C merklich zersetzen, sind Destillationen bei derart hohen Temperaturen allerdings Ausnahmen. Abb. 30 l-Liter-Kolben mit absteigendem Luftkühler Destillationsapparaturen 37 Für Flüssigkeiten, die unterhalb etwa 6O0C sieden, läßt sich der Intensivkühler (S. 6) verwenden. Ähnlich wirksam ist die auf Abbildung 31 dargestellte, auch für das Arbeiten im Vakuum eingerichtete Apparatur mit Destillierbrücke, Schlangenkühler und geradem Vakuumvorstoß. Diese Destilliereinrichtung ist sehr geeignet zum Abdampfen von Lösungsmitteln (natürlich auch solchen, die oberhalb 6O0C sieden). — Bei Flüssigkeiten, deren Siedepunkt unter 350C liegt, kühlt man mit eiskaltem Wasser und stellt die Vorlage in ein Kältebad. Nähere Angaben hierzu sowie über das Kühlen bei höheren Temperaturen und Anbringen der Wasserschläuche stehen auf S. 7. Besonders bei Destillationstemperaturen über etwa 12O0C ist es zweckmäßig, zur Wärmeisolierung das Rohrstück zwischen Destillierkolben und Kühler mit Aluminiumfolie (oder Asbestschnur) zu umwickeln, um unnötiges Überhitzen der Substanzen (und ungleichmäßiges Sieden bei Zugluft) zu verhindern. Abb. 31 l-Liter-Destillationsapparatur zum Verdampfen von Lösungsmitteln im Vakuum mit Brücke und Schlangenkühler Prinzipiell lassen sich alle für die Vakuumdestillation eingerichteten Apparaturen von denen die Abbildungen 31, 32 und 34-37 einige zeigen - auch bei Normaldruck 38 Allgemeine Arbeitsanweisungen verwenden; man braucht nur die Kapillare durch einen Stopfen zu ersetzen. Die Temperaturmessung ist in solchen Claisenkolben sogar noch zuverlässiger. Als Heizquellen dienen Heizbäder. Sie müssen im mittleren Temperaturbereich 10 bis 3O0C über den Siedepunkt des Destillationsguts erwärmt werden. Siedesteine nicht vergessen! (siehe S. 9). Verursachen ausfallende Feststoffe trotzdem Siedeverzug, muß unterbrochen und abfiltriert werden. Bei feuergefährlichen Substanzen verwende man - soweit möglich - keine Gasbrenner! Vor dem Öffnen des noch warmen Destillierkolbens sind unbedingt alle Flammen in der Umgebung zu löschen! Besondere Vorsicht ist beim Destillieren von Ether geboten! Es ist unbedingt eine Schliffapparatur mit Vakuumvorstoß zu verwenden und an das offene Rohr des Vorstoßes ein längerer Schlauch anzuschließen, dessen freies Ende tief in einen Abzugsschacht oder zumindest bis auf den Fußboden führt! Größere Mengen Ether destilliert man in den mit Dampfbädern ausgerüsteten feuersicher installierten Etherräumen. - Wegen der Gefährlichkeit von Etherperoxiden sind die Hinweise auf S. 113 zu beachten! Das Abdestillieren von Lösungsmitteln zur Isolierung gelöster, schwerflüchtiger Stoffe gehört zu den häufigsten Tätigkeiten im organischen Labor. Der Siedekolben ist in diesem Fall dem zu gewinnenden Rückstand anzupassen. Stark verdünnte Lösungen füllt man mehrfach nach, entweder mit einem längeren Trichter durch den Thermometertubus (Heizung ausschalten!) oder mit einem Tropftrichter, der auf einem zweiten Tubus sitzt. Oft ist es außerdem zweckmäßig, gegen Ende der Destillation in einen kleineren Siedekolben umzufüllen. - Letzte Lösungsmittelreste sind selbst bei Temperaturen, die weit über deren Siedepunkt liegen, nicht mehr vollständig abzudampfen. Hier hilft nur Evakuieren (siehe Vakuumdestillation) oder Trocknen im Exsikkator (siehe S. 104). - Eine verwandte Methode, wässerige Lösungen besonders schonend einzudampfen, die „Gefriertrocknung", ist auf S. 58 beschrieben. Die Abtrennung einer Flüssigkeit von ebenfalls flüchtigen Verunreinigungen verlangt einefraktionierende Destillation, das heißt ein getrenntes Auffangen des niedriger siedenden „Vor lauf s", der Hauptfraktion und des höher siedenden „Nachlaufs". Im allgemeinen soll das gewünschte Produkt innerhalb eines Intervalls von höchstens drei Grad C abgenommen werden. Dabei kann die abgelesene Siedetemperatur um ein, zwei Grad C vom authentischen Siedepunkt abweichen. Vorlauf und Nachlauf können noch erhebliche Anteile des Hauptprodukts enthalten. Vielfach lohnt es sich, beide zu vereinigen und aus kleinerem Kolben erneut zu fraktionieren. Liegen komplexe Gemische vor oder sind die Siedepunkte unbekannt, wechselt man die Vorlagen häufiger und registriert laufend Zeit, Badtemperatur, Siedetemperatur, gegebenenfalls Unterdruck, Vorlagenwechsel sowie Destillatmenge. Ein Zeit-Siedetemperatur-Diagramm erleichtert dabei die Übersicht. Für den lernenden Praktikanten gehören diese Aufzeichnungen zum Arbeitsprotokoll jeder fraktionierenden Destillation. Bei stufenlosem Ansteigen der Siedetemperatur liegt ein Gemisch mehrerer Stoffe fraktionierende Destillation 39 mit ähnlichen Siedepunkten vor. Sind die Siedepunktdifferenzen kleiner als etwa 60 bis 8O0C, lassen sich die Komponenten nur noch über eine Kolonne befriedigend trennen (siehe S. 46). Eine fraktionierende Destillation erfordert Geduld. Die Temperatur der Heizbäder muß sorgfältig eingestellt werden, und zwar so, daß konstant pro Sekunde etwa zwei Tropfen in die Vorlage fallen. Die Destillationsgeschwindigkeit ist nur dann ohne Einfluß auf den Trenneffekt, wenn die zurückbleibende Komponente praktisch keinen Dampfdruck hat. - Wird zu kräftig geheizt, läuft also die Destillation zu schnell, dann hat der Dampf nicht genügend Zeit, sich ins Gleichgewicht zu setzen, und strömt überhitzt in den Kühler: Die Temperatur am Siedethermometer steigt über den Siedepunkt; die Trennung ist unvollkommen. Wird zu schwach geheizt, kondensiert sich das Destillat schon vor Erreichen des Kühlers: Die Temperatur fallt ab. Plötzlicher Temperaturabfall bei gleichzeitiger Bildung von Rauch läßt erkennen, daß sich das Destillationsgut zersetzt. In diesem Fall sofort abbrechen und versuchen, durch Vakuumdestillation zum Ziel zu kommen. Ist die Temperaturbeständigkeit der Substanz nicht bekannt, sollte man auf jeden Fall vor der Destillation eine kleine Probe auf Zersetzung prüfen. Nicht immer läßt sich das Erscheinen eines neuen Stoffs am plötzlich rascheren Anstieg des Siedethermometers erkennen. Weitere deutliche Hinweise zum Wechsel der Vorlage sind: Nebelbildung in der Nähe der Thermometerkugel (hervorgerufen durch die Differenz der Verdampfungswärmen) oder Schlierenbildung in der Vorlage. Hygroskopische Substanzen schützt man, indem man ein Trockenrohr an den Vakuumvorstoß hängt. Destillation bei vermindertem Druck Der Dampfdruck von Flüssigkeiten ist eine reziproke Funktion der Siedetemperatur. Schon der Unterdruck der Wasserstrahlpumpe reicht aus, den Siedepunkt von Verbindungen, die bei Normaldruck zwischen 100 und 40O0C destillieren, um 100 bis 16O0C zu senken. Den quantitativen Zusammenhang liefert die Gleichung von Clausius-Clapeyron1: In p = Konst. RT In erster Näherung ist die absolute Siedetemperatur der Verdampfungsenthalpie Lv proportional. Das bedeutet: Trägt man In p gegen l/T auf, ergeben sich für Verbindungen mit gleichen Siedepunkten identische Geraden. Zahlenwerte der Geraden für einige Flüssigkeiten sind im Anhang zusammengestellt (siehe S. 716). Sie gestatten es, ungefähr abzuschätzen, wann eine Verbindung, deren Siedepunkt bei 760 Torr man Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie. 40 Allgemeine Arbeitsanweisungen kennt, bei Unterdruck siedet. - Danach gilt in grober Annäherung: Verminderung des Drucks auf den halben Torr-Wert senkt den Siedepunkt um /50C. Prinzipiell vermindert man den Druck: beim Abdestillieren von Lösungsmitteln, wenn die gelösten Substanzen wenig flüchtig sind und die Siedepunkte dieser Lösungsmittel über 800C liegen (Wasserstrahlpumpen-Vakuum); Vorteile: Es kann ein Dampf- oder Wasserbad benutzt werden; der Destillationsrückstand wird geschont; oder beim Destillieren von Flüssigkeiten, deren Siedepunkt höher als etwa 15O0C liegt. Hohe Temperaturen bedeuten größere Feuer- und Unfallgefahr; oder beim Destillieren thermolabiler Stoffe. Das Erzeugen und Messen von Unterdruck sowie der Umgang mit evakuierten Apparaturen wurde schon im Kapitel 9 ausführlich behandelt. Hier sei nur noch einmal auf den Schutz der Augen hingewiesen! Um den Druckabfall zwischen Manometer und Siedekolben klein zu halten, soll die Vakuumschlauch-Verbindung möglichst kurz und gerade sein. In den meisten Fällen reicht die Wasserstrahlpumpe aus. Ihr muß hier unbedingt eine Sicherheitsflasche vorgeschaltet sein! Will man Substanzen reinigen, die sich bei 12 Torr nicht mehr vollständig kondensieren (Sdp. kleiner als 40 bis 5O0C), schaltet man einen Manostaten (S. 31) oder ein T-Stück mit Nadelventil (siehe S. 132) zwischen Pumpe und Apparatur. — Für sehr hoch (über 25O0C) siedende oder sehr leicht zersetzliche Verbindungen ist die Drehschieber- oder eventuell die Diffusionspumpe heranzuziehen. Auf Abbildung 32 und 34 sind zwei typische Vakuum-Destillationsapparaturen zusammengestellt. Sie unterscheiden sich von den Geräten, die zur Destillation unter Normaldruck verwendet werden, nur dadurch, daß sie an Stelle des einfachen Kniestücks Abb. 32 l-Liter-Vakuumdestillationsapparatur Vakuumdestillation 41 einen sogenannten Claisenaufsatz mit zwei Hälsen haben, dessen zentraler eine Siedekapillare trägt. Claisenaufsatz und Liebigkühler bestehen oft aus einem Stück. Bei kleineren Apparaturen mit NS 14,5 Schliffen sollten nur Spitzkolben verwendet werden. - Die Anschlüsse der Vakuumvorstöße werden mit der Pumpenanlage verbunden. Je geringer der Druck, desto stärker die Neigung zum Siedeverzug. Ihm zu begegnen ist die Aufgabe der Siedekapillare, durch die bei Unterdruck eine Kette kleinster Luftbläschen in das Destilliergut perlt, um dort als Keime für das Entstehen der Dampfblasen zu wirken. Die Siedekapillare zieht man sich aus einem Einleitungsrohr mit NS 14,5 Schliff: Neue Rohre werden in der Flamme zuerst zu einem verjüngten Rohr (Steg) von l bis 2 mm Durchmesser ausgezogen. Anschließend bringt man den Steg an einer passenden Stelle in der Lockflamme des Bunsenbrenners unter Drehen zum Schmelzen und zieht dann die Schmelzstelle außerhalb der Flamme rasch um etwa einen Meter auseinander. Nach dem Erkalten bricht man in der richtigen Länge ab. Die Kapillare muß bis zur tiefsten Stelle des Destillierkolbens reichen. Ihre Durchlässigkeit prüft man, indem man sie in ein Reagenzglas mit etwas Ethanol taucht und am oberen Ende mit dem Mund kräftig bläst. Es sollen dann nur langsam winzige Bläschen austreten. Statt des Einleitungsrohrs mit angeschmolzenem Schliff kann natürlich auch ein solches verwendet werden, das man sich aus einem Kernschliff, einem NormalglasRohr und einer Gummischlauchmanschette selbst zusammengesetzt hat; vergleiche Abbildung 2OE (S. 24). - Um Stauungen der destillierenden Flüssigkeit zu vermeiden, soll wie Abbildung 34a zeigt, bei kleineren Apparaturen der dickere Rohrteil oberhalb der Siedekapillare höchstens bis zur Verzweigungsstelle des Claisenaufsatzes reichen. Der Destillierkolben darf nur gut zur Hälfte gefüllt werden. Zu Beginn der Destillation stellt man die Pumpe an und überprüft, ob Luft aus der Kapillare perlt. Man muß unbedingt erst warten, bis sich der gewünschte Unterdrück eingestellt hat, bevor man mit dem Heizen beginnt! Bei umgekehrter Reihenfolge würde die über den Vakuum-Siedepunkt erhitzte Flüssigkeit beim Evakuieren heftig stoßen. Nach Beendigung der Destillation läßt man erst erkalten (eventuell zusätzlich von außen kühlen), bevor man langsam - an der Sicherheitsflasche! - den Unterdruck aufhebt. Heiße organische Substanzen können sich beim Belüften zersetzen. Ist ein Gemisch mit sehr breitem Siedebereich zu trennen, geht man Schritt für Schritt vor: Zuerst werden die flüchtigen Anteile (meist Lösungsmittelreste) an der Wasserstrahlpumpe entfernt. Dann wird die Drehschieberpumpe und anschließend die Diffusionspumpe benutzt. Man beachte, daß sich der entsprechende Unterdruck erst dann völlig einstellen kann, wenn alle tiefer siedenden (Lösungsmittel-)Rückstände weggedampft sind! Destillationsapparaturen für Hochvakuum unterscheiden sich prinzipiell nicht von normalen Vakuumapparaturen. Lediglich die Siedekapillare muß feiner sein, damit der stets vorhandene Druckabfall zum Manometer nicht zu groß wird. - Bei Drucken unter etwa 0,1 Torr ist die Siedekapillare (dann, wenn alle tiefersiedenden Gasreste 42 Allgemeine Arbeitsanweisungen aus dem Destilliergut abdestilliert sind!) nicht mehr nötig: Die Flüssigkeiten verdampfen im Hochvakuum, ohne Gasblasen zu bilden, von der Oberfläche her. Unter diesen Umständen sind die vom Siedepunkt angezeigten Werte sehr unzuverlässig. Der Erfolg einer Trennung hängt hier ganz wesentlich von der sorgfältigen Einregulierung und Konstanthaltung der Badtemperatur ab! Viele Anfänger haben einen ungerechtfertigten Horror vor der Hoch Vakuumdestillation. Hat man sich vorher mit der Bedienung der Pumpenanlage vertraut gemacht, ist sie nicht schwieriger als jede andere Destillation. Stark autoxidable Stoffe müssen unter einem Schutzgas (meist Stickstoff) destilliert werden. Man füllt dazu eine Luftballonhülle oder Fußballblase mit Gas und verbindet diese mit der Kapillare. Bei hygroskopischen Substanzen schaltet man sowohl zwischen Apparatur und Wasserstrahlpumpe als auch vor die Kapillare ein Trockenrohr. Will man lediglich Lösungsmittel von Feststoffen abdestillier en, kann man auf das Thermometer verzichten. Der Claisenaufsatz sollte trotzdem benutzt werden; er ist ein wirksamer Spritzschutz. Die beim Abdampfen ausfallenden Feststoffe können die Kapillare verstopfen. Man filtriert in diesem Falle ab oder verwendet an Stelle der Kapillare ein Glasrohr, dessen oberes Ende durch ein Vakuumschlauchstück mit Nadelventil fast geschlossen ist. Wässerige Lösungen, die oberflächenaktive Stoffe enthalten, schäumen beim Einengen im Vakuum. Zusatz weniger Tropfen Octylalkohol oder Silicon-Entschäumer beseitigt meist dieses Übel. Weiterhin besteht die Möglichkeit, eine zweite kurze Kapillare in den Thermometertubus zu stecken, und so die Blasen, die übersteigen könnten, durch den feinen Luftstrom zum Platzen zu bringen. Nützt beides nicht genug, muß ein übergroßer Siedekolben genommen werden. Zum Abdestillieren von Lösungsmitteln ist, wie bereits erwähnt, eine Apparatur mit Schlangenkühler gut geeignet (Abbildung 31). Sehr viel wirksamer, allerdings auch erheblich teurer, ist der Rotationsverdampfer, von dem Abbildung 33 einen bewährten Typ zeigt1. Er hat einen regelbaren Elektromotor, der den evakuierten Destillationskolben in einem Wasserbad um seine schräg liegende Achse dreht. Dabei wälzt sich die Lösung dauernd um und überzieht die obere Kolbenwand ständig mit einem dünnen Film. Die Flüssigkeit verdampft rasch, ohne daß sie zum Sieden kommt. Kapillare und Siedesteine sind nicht nötig. Bei stark flüchtigen Lösungsmitteln ist die Vorlage mit Eiswasser zu kühlen. Je besser die Kühlung, desto rascher geht die Flüssigkeit über. Deshalb ist auch von der Benutzung improvisierter Apparaturen, bei denen Kühler und Vorlagen fehlen, abzuraten, zumal es verboten ist, größere Mengen leichtentzündlicher Stoffe ins Abflußwasser zu saugen. Für die fraktionierende Vakuumdestillation ersetzt man meistens den einfachen Vakuumvorstoß durch eine sogenannte „Spinne" oder einen Anschütz-Thiele-Vorstoß; Abbildung 34a und b. Beide gestatten den Wechsel der Vorlagen ohne Zwischenbelüftung. 1 FirmaW.Büchi. Vorstöße für die Vakuumdestillation 43 Abb. 33 Rotationsverdampfer zum Abdestillieren von Lösungsmitteln Abb. 34 a) lOO-ml-Vakuumdestillationsapparatur NS 14,5 mit Bredt-Vorstoß (Spinne); b) AnschützThiele-Vorstoß mit den Hähnen 1-3 Die Spinne („Euter", eigentlich Bredt-Vorstoß, Abbildung 34a) hat einen drehbaren Verteiler mit drei bis vier Ansätzen, aufweiche die Vorlagekölbchen gesteckt werden. Drehen um 120 beziehungsweise 90° um eine senkrechte Achse bringt jeweils den nächsten Kolben unter das innere Ablaufrohr. (Siehe auch Abbildung 37.) - Der Drehschliff ist gut zu fetten. Die Vorlagekölbchen müssen in jeder Stellung fixiert werden. Der Anschütz-Thiele-Vorstoß hat zwei einfache Hähne (l und 2 auf Abbildung 34b) 44 Allgemeine Arbeitsanweisungen und einen doppelt durchbohrten (3). Während der Destillation steht Hahn 3 so, daß die Pumpe mit der Apparatur verbunden ist; 2 ist offen. Hahn l macht es möglich, das Destillat vorläufig abzufangen und sein Volumen zu messen. Zum Vorlagewechsel wird l geschlossen und 3 um 180° gedreht. Der belüftete Kolben kann nun ausgetauscht werden. Anschließend wird 2 geschlossen und 3 erneut um 180° gedreht. Ist der neue Kolben evakuiert, werden 2 und l wieder geöffnet. Die Zahl der Vorlagen ist hier nicht begrenzt. - Für kleine Mengen oder sehr viskose Stoffe ist der AnschützThiele-Vorstoß ungeeignet. Im Hochvakuum sind die Hähne nicht mehr dicht genug. In diesen Fällen nehme man die Spinne. Besteht die Gefahr, daß auskristallisierende Destillate die Apparatur verstopfen, benutzt man an Stelle des Kühlers eine Destillierbrücke und als Vakuumvorlage einen Zweihalskolben; siehe Abbildung 35. Diese Anordnung macht es leicht möglich, erstarrte Substanzen von außen vorsichtig mit fächelnder Flamme oder einem Heißluft-Haartrockner („Fön") wieder zu schmelzen. Die Spinne auf Abbildung 34a läßt ebenfalls ein solches Erwärmen von außen zu. Abb. 35 500-ml-Vakuumdestillationsapparatur für feste Destillate Abb. 36 250-ml-Kolben mit VakuumSäbelaufsatz Von vorneherein/este Substanzen destilliert man in einem Kolben mit Säbelaufsatz (Schwertaufsatz); Abbildung 36. Wegen der meist hohen Siedepunkte wird fast ausschließlich bei Unterdruck gearbeitet Ist das Material sehr locker und feinkörnig, schüttet man es vorsichtig durch den Thermometertubus zur Siedekapillare in den Kolben; anderenfalls muß man es erst schmelzen, bevor man die Kapillare einführen kann. Da das Destillat nicht abtropft und da der Säbel - besonders dann, wenn er schon teilweise mit heißer Substanz gefüllt ist - nur geringe Kühlwirkung hat, erfordert das Heizen viel Fingerspitzengefühl. Wenn die Feststoffe nicht zur Zersetzung neigen, kann man vorsichtig mit der Bunsenbrennerflamme um den Kolbenboden kreisen. Zu Beginn, bis alles geschmolzen ist, darf nur behutsam erwärmt werden. Liegt der Siedepunkt unter 15O0C, kann man durch Umwickeln des Säbels mit einem feuchten Tuch die Kühlung verstärken. Das längere Verbindungsrohr zum Vakuumschlauch soll nichtkondensierte Reste abfangen. Es läßt auch erkennen, ob die Gefahr Destillation kleiner Mengen 45 besteht, daß sich der Schlauch verstopft. Zum Schluß wird das Destillat durch vorsichtiges Schaben mit einem Spatel oder erneutes Schmelzen herausgeholt Die letzten Reste spült man mit Lösungsmittel ab. Noch schonender als im Hochvakuum können temperaturempfindliche, hochsiedende Flüssigkeiten (mit Molekulargewichten zwischen etwa 250 und 1200) durch Kurzweg- oder Molekulardestillation getrennt werden. Das Wesen dieser Verfahren besteht darin, daß die Substanzen bei Drucken von weniger als 10"3 Torr und Temperaturen weit unterhalb ihrer Siedepunkte (etwa 20O0C tiefer) aus einer geheizten Flüssigkeitsschicht an eine nur l bis 2 cm entfernte, gekühlte Kondensationsfläche diffundieren. Da der Weg, den die Moleküle zurücklegen, kleiner ist, als ihre mittlere freie Weglänge1, hängt hier die Destillationsgeschwindigkeit — und damit Trennung nicht nur von den Dampfdrucken, sondern auch von den Molekulargewichten ab. Hinsichtlich modernerer Apparaturen und ihrer Anwendung sei auf die Fachliteratur verwiesen. Destillation kleiner Mengen Für Volumina zwischen 2 und 5 ml ist die auf Abbildung 37 dargestellte Mikrodestillationsapparatur mit NS 10 und NS 14,5 Schliffen geeignet. Sie besteht aus einem 10-mlZweihalsdestillierkolben, dessen 15 cm langer, 7 mm weiter Luft- oder auch Liebigkühler abgeknickt ist, um als Spritzschutz zu wirken und ein tiefes Einhängen des Kolbens ins Heizbad zu ermöglichen. (Für hochsiedende Substanzen soll das Kühlrohr tief, für tiefsiedende hoch am Kolbenhals angesetzt sein.) Zur Vakuumfraktionierung kann über einen geraden Vorstoß ein Rezipient angeschlossen werden, der drei bis vier kleine, durch Drehen auswechselbare Vorlageröhrchen enthält. Zur Vermeidung von Siedeverzügen stopft man in und über das Trenngut so viele Glaswolle, daß der ganze Destillierkolben locker damit gefüllt ist. Die Destilliergeschwindigkeiten wählt man bei so geringen Mengen kleiner als üblich. Da dann die Ablesung am Siedethermometer unzuverlässig wird, registriert man ersatzweise meist besser die Badtemperatur. Noch kleinere Mengen zwischen 0,5 und 3 ml lassen sich - auch bei Unterdruck im Kugelrohr destillieren oder grob fraktionieren. Dieses, jeweils nur einmal zu benutzende Gerät stellt der Glasbläser nach Abbildung 38 her, indem er ein 7 mm weites Glasrohr am Ende zu einer 2,5 bis 3 cm dicken Kugel und dann im Abstand von jeweils etwa 7 cm zu 2 bis 3 weiteren 2 bis 2,5 cm dicken Kugeln aufbläst. Zur Apparatur gehört als spezielle Luftbad-Heizung ein rechteckiger, etwa 20 mal 10 mal 10 cm großer Blechkasten mit großen Marienglas-Fenstern an Vorder- und Rückwand und vertikalem, bis zur Hälfte der Höhe eingeschnittenem, 8 mm breitem Schlitz in einer Seitenwand. Er hat einen Deckel mit eingesetztem Thermometer und ist etwa 5 mm hoch mit Sand gefüllt. Hinter dem Rückfenster kann eine kleine Lampe befestigt 1 Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie. 46 Allgemeine Arbeitsanweisungen Abb. 37 10-ml-MikrodestillationsApparatur NS 10 (mittellang) und NS 14,5 für Vakuum mit Wechselvorstoß Abb. 38 a) Kugelrohr-Vakuumdestillationsapparatur mit Luftbad b) kommerzielle Apparatur werden. - Das Destilliergut wird mit einer lang ausgezogenen Hütchenpipette in die - als Siedekolben dienende - Endkugel eingespritzt. Dazu kommt ein Siedestein oder besser etwas zerstoßende Glaswolle. Eventuell vorhandene Lösungsmittelanteile (vom Nachspülen) entfernt man durch Evakuieren und senkrechtes Einhängen in ein Wasserbad. Zur Destillation befestigt man das Rohr derart waagrecht am Ofen, daß nur die äußerste Kugel aus dem Schlitz herausragt, erhitzt so lange, bis sich in ihr die erste Fraktion angesammelt hat, und rückt dann, zum Auffangen weiterer Fraktionen, jeweils die nächste Kugel aus dem Ofen heraus. Dabei werden die Destillate durch Aufstecken eines geschlitzten Stücks dicker Asbestpappe auf das Rohr vor der Strahlungswärme des Ofens geschützt. Bei Vakuumdestillationen kann zusätzlich durch auftropfendes Wasser gekühlt werden (siehe Abbildung). Ist die Destillation beendet, ritzt man die Zwischenrohre rundherum an und sprengt dort die Kugeln durch Aufdrücken eines glühenden Glasstabes auseinander (siehe S. 1). Als Ersatz für die direkte Kontrolle der Siedetemperatur muß man eventuell anschließend von jeder Fraktion eine Siedepunktbestimmung machen. Höheren Ansprüchen genügen Kugelrohre mit Schliffverbindungen zwischen Destillationskolben und erster Kugel oder sogar zwischen den einzelnen Kugeln. Die Destillationen verlaufen viel glatter, wenn sich das Kugelrohr dreht. In einem kommerziell erhältlichen Gerät1 rotiert das evakuierte Kugelrohr in einem durchsichtigen Heizofen aus Quarzglas; Abbildung 38b. Kolonnendestillation Eine einmalige einfache Destillation ist nur dann ausreichend, wenn sich die Siedepunkte des Vor- und Nachlaufs mindestens um 800C von dem der Hauptfraktion unterscheiden und die Anforderungen an Reinheit und Ausbeute den durchschnittlichen Rahmen präparativen Arbeitens nicht überschreiten (siehe Tabelle S. 48). Die 1 FirmaW.Büchi Wirkungsweise der Destillationskolonne 47 DAMPF SdpB SdpA FLÜSSIGKEIT 100% A Zusammensetzung 100% B Abb. 39 Zustandsdiagramm eines idealen Zweistoffgemisches Abb. 40 Schematische Darstellung einer Bodenkolonne (Ausschnitt) Trennwirkung läßt sich jedoch dadurch potenzieren, daß man die Kondensate erneut destilliert. Diese Tatsache soll anhand des Zustandsdiagramms eines idealen binären Flüssigkeitsgemischs veranschaulicht werden1: Auf Abbildung 39 sind die prozentualen Konzentrationen der beiden Komponenten A und B gegen die Temperatur aufgetragen. Die eingezeichnete Siedekurve liefert die Zusammensetzung der flüssigen Phase, die Kondensationskurve die der korrespondierenden Dampfphase. Mit dem siedenden Gemisch X3 steht die Gasmischung X 2 im Gleichgewicht. Kondensiert man X2 und verdampft es dann wieder, gelangt man (über eine Treppenstufe) zu X1 und so fort. Mit zunehmender Zahl von Verdampfungs- und Kondensationsschritten reichert sich also die flüchtigere Substanz A im Dampfraum immer mehr an. - Die starke Abhängigkeit des absoluten Trenneffekts vom Konzentrationsverhältnis sowie die theoretische Unmöglichkeit, den einen Stoff vom anderen völlig abzutrennen, sind deutlich zu erkennen. Sehr viel einfacher, als durch mehrfaches Destillieren erreicht man das gleiche Ziel mit Hilfe einer zwischen Siedekolben und Kühler eingebauten Kolonne, das heißt durch „Rektifizieren". Die Wirkungsweise eines solchen Trennrohrs läßt sich am besten an einer Bodenkolonne erklären: Wie aus Abbildung 40 ersichtlich, muß hier der aufsteigende Dampf auf jedem Boden durch eine Schicht seines eigenen Kondensats strömen. Dabei stellt sich jedesmal erneut ein offenes Verdampfungs-Kondensations-Gleichgewicht ein. Die Kondensate fließen im Gegenstrom nach unten. Dem Temperaturgefälle zwischen (kälterem) Kolonnenkopf und (heißerem) Destillier1 Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie. 48 Allgemeine Arbeitsanweisungen kolben entspricht also ein Konzentrationsgefälle zwischen flüchtigeren und weniger flüchtigen Anteilen. - Die Trennwirkung, die ein sogenannter theoretischer Boden erreicht, das heißt ein solcher, bei dem sich das thermodynamische Gleichgewicht völlig einstellen würde, läßt sich als theoretische Trennstufe zum Beispiel graphisch aus einem idealen Siedediagramm (siehe Abbildung 39) ermitteln1. Beide (identischen) Begriffe werden allgemein zur Charakterisierung von Trennleistungen benutzt. Eine abgeleitete Maßeinheit, die der Trennstufenhöhe, gibt an, welche Höhendifferenz (in Zentimetern) eines Kolonnentyps einem theoretischen Boden entspricht. Die folgende Aufstellung gibt einen Anhalt über die für verschiedene Destillat-Reinheitsgrade erforderliche Mindestzahl theoretischer Trennstufen: Reinheit 8O0C 6O0C 4O0C Siedepunktsdifferenz 2O0C 1O0C 40C 1,O0C 90% 99% 99,9% 1 2 3 1,3 2,5 4 2 4 6 4 8 12 8 16 24 20 40 60 80 160 240 Diese Angaben gelten nur für ideale Zweistoffgemische, zu denen jedoch neben allen homologen auch viele ähnliche Verbindungen gerechnet werden können. Bei nichtidealen Systemen ist die Trennung schwieriger, wenn nicht unmöglich (siehe S. 52). Bodenkolonnen sind hauptsächlich für technische Ansätze geeignet. Im Labor verwendet man vorwiegend Konstruktionen, bei denen sich das Kondensat als dünner Film niederschlägt. Je größer die Austauschfläsche, desto kleiner die Trennstufenhöhe. Abbildung 41a zeigt eine Vigreux-Kolonne\ bei ihr ist die Rohrwandung durch dornenartige Einbuchtungen erweitert. Die Jantzen-Kolonne gleicht einem langen Schlangenkühler, dessen Mantel evakuiert ist. Auf Abbildung 41 b ist ein Modell dargestellt, bei dem der Weg in ähnlicher Weise durch eine dicht anliegende WidmerSpirale verlängert ist. Die Ringspaltkolonne hat im Inneren eine genau eingepaßte Walze, die nur noch einen millimeterbreiten zylindrischen Raum frei läßt. — Weitaus größer ist die Austauschfläche bei Füllkörper-Kolonnen', Abbildung 4Ic. Das sind Glasrohre mit Siebboden, welche kleine Partikelchen enthalten. Zunehmende Wirksamkeit als Füllkörper haben: gläserne Raschig-Ringe; Glaskugeln; Berl-Sättel aus Porzellan; Glas- oder V2A-Wendeln. - Prinzipiell anders arbeitet die DrehbandKolonne. Sie hat ein sehr schnell (2000 U/min) rotierendes, durch das ganze Rohr gespanntes Kunstoff- oder Metallband, das den Rücklauf gegen die Wand schleudert und dabei zu winzigen Tröpfchen versprüht. 1 Die Theorie der Rektifikation kann im Rahmen dieses Buchs nicht behandelt werden; über die Technik kann nur ein Überblick gegeben werden. Genauere Informationen bieten: K. Sigwart, Methoden der organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4.AufL, Bd. ///, S. 777, Thieme, Stuttgart 1958; A. und E. Rose, in A. Weissberger, Technique of Organic Chemistry, Bd. IV, Interscience Publ., New York 1965; E. Krell, Handbuch der Laboratoriumsdestillation, 3. Aufl., A.Hüthig Verlag, Heidelberg, Basel, Mainz 1976; E. Kirchbaum, Destillier- und Rektifiziertechnik, 4.Aufl., Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1969. Destillationskolonnen 49 Abb. 41 a) Vigreux-Kolonne; b) Widmer-Kolonne; c) Füllkörperkolonne mit Vakuummantel (natürliche Länge etwa l Meter) Für die Beurteilung einer Kolonne sind Trennstufenhöhe, Betriebsinhalt (Substanzmenge, welche die Kolonne als Flüssigkeit und Dampf aufnimmt) sowie Strömungswiderstand (Maß für den Druckanstieg zum Siedekolben bei Vakuumdestillationen) wichtige Kenngrößen. Dabei ist die Trennstufenhöhe mehr oder weniger stark von der Belastung (,Aufkochrate" = ml Destilliergut pro Stunde) abhängig; das heißt von der Stärke der Dampferzeugung im Destillierkolben. Leeres Rohr: Geringste Wirksamkeit. Eine normale Destillationsapparatur ohne Kolonne hat etwa l bis 1,5 theoretische Böden. Jantzen-Kolonne: Bei 4 bis 6 mm Durchmesser für das Innenrohr der üblichen Ausführung und 50 bis 200 ml pro Stunde Belastung Trennstufenhöhe etwa 5 cm. Geringer Betriebsinhalt. Gut geeignet für Vakuumdestillationen. Vigreux-Kolonne: Bei 24 mm Durchmesser und 300 bis 500 ml pro Stunde Belastung Trennstufenhöhe etwa 10 cm. Sehr geringer Betriebsinhalt. Sehr gut geeignet für Vakuumdestillationen. Am häufigsten im Praktikum benutzte Kolonne. Füllkörperkolonnen: Alle haben großen Betriebsinhalt. Trennstufenhöhe bei 24 mm Durchmesser und 400 ml pro Stunde Belastung für 4,5 mal 4,5 mm RaschigRinge etwa 7,5 cm; für 3 mm Glaskugeln etwa 6 cm; für 4 mal 4 mm Berl-Sättel etwa 5,5 cm; für 2 mal 2 mm Wendeln etwa 2 cm und für 4 mal 4 mm Wendeln etwa 3 cm. Glaskugeln und Berl-Sättel haben hohe, Wendeln geringe Belastbarkeit. Drehbandkolonne: Bei 4 mm Durchmesser und 60 bis 180 ml pro Stunde Belastung 50 Allgemeine Arbeitsanweisungen Trennstufenhöhe 2,5 bis 5 cm. Sehr geringer Betriebsinhalt. Sehr gut geeignet für Vakuumdestillationen. Optimale Trennung erreicht man nur dann, wenn das fließende Austausch-Gleichgewicht zwischen Siedekolben und Kühler so wenig wie möglich gestört wird. Dazu ist erstens nötig, daß die Kolonne weitgehend adiabatisch arbeitet, also nach außen wärmeisoliert ist, und zweitens, daß nur ein Bruchteil des Dampfs aus dem Gleichgewicht entnommen wird. Die Wärmeisolierung ist desto sorgfältiger auszuführen, je schwieriger die Trennung, je höher die Siedetemperatur und je dünner und länger die Kolonne ist. Im einfachsten Fall genügt ein überzogenes mit Korkstopfen gehaltenes Glasrohr; Abbildung 41a-b. Bedeutend effektvoller sind hoch evakuierte Glasmäntel, sie haben Bälge, die die Temperaturspannungen auffangen; Abbildung 4Ic. Sehr gute Reflexion der Wärmestrahlung gewährleistet Aluminiumfolie. Man kann sie in mehreren Lagen direkt um das Rohr wickeln oder in den Glasmantel einlegen. Die evakuierten Mäntel sind meistens verspiegelt. Asbestschnur hat nur dann Wert, wenn sie mehrere Zentimeter dick aufgewickelt wird. Man vergesse nicht, auch den Oberteil des Siedekolbens zu isolieren! - Hochwertige Kolonnen besitzen (besonders für höhere Destillationstemperaturen nützliche) elektrische Außenheizungen. Diese müssen den gleichen Temperaturgradienten haben wie das Kolonneninnere. Die dosierte Destillat-Entnahme geschieht meist mit einem Kolonnenkopf, der den Dampf vollständig kondensiert und das Kondensat teilweise der Vorlage zuführt teilweise als Rücklauf in die Kolonne zurücktropfen läßt. Abbildung 42 zeigt einen einfachen Rücklaufregler mit Siedethermometer und Rückflußkühler. Er hat einen Hahn (mit Einkerbung zur Feinregulierung, siehe Abbildung 24 K), über den das vorbeifließende Kondensat abgezapft wird. Dort und an dem zur Tülle auslaufenden unteren Kernschliff können die Tropfgeschwindigkeiten zum Vergleich gemessen werden. - Für Vakuum-Rektifikationen kann man an diesen Rücklaufregler einen Anschütz-Thiele-Vorstoß anschließen (siehe Beschreibung S. 42). Die Vakuumpumpe muß dann über ein T-Stück sowohl mit dem Vorstoß als auch mit dem oberen Ende des Rückflußkühlers verbunden werden. - Besser ist das auf Abbildung 43 dargestellte Modell1, das über die Schlaucholive Vl ans Vakuum anzuschließen ist. Der Rücklauf wird hier mit dem Feineinstellhahn H l reguliert. Zum Vorlagewechsel schließt man H2 und belüftet die bei K angehängte Vorlage durch Drehen des Hohlhahns H 3 um 180°. Nach Austausch der Kolben kann man bei H4 schließen und zur Evakuierung des Vorlageteils Hahn H 3 zurückdrehen. Anschließend werden H4 und nach einiger Zeit H 2 wieder geöffnet. Günstiger ist es, die neue Vorlage mit einer zweiten Pumpe durch V 2 zu entlüften. Die für den Rücklauf wichtige Feineinstellung und Fixierung des Hahns H l läßt sich dadurch erleichtern, daß man einen Reagenzglashalter über das Griffstück des Hahnkükens klemmt und sein Ende auf eine am Stativ befestigte Muffe legt. 1 Otto Fritz GmbH (Normag). Durchführung der Kolonnendestillation 51 H4 K Abb. 42 Einfacher Rücklaufregler Abb. 43 Vakuumkolonnenkopf mit Hähnen H 1-H 4, Vakuumanschlüssen V l und V 2 und Vorlageanschluß K Die praktische Durchführung einer Kolonnendestillation läuft folgendermaßen ab: Man baut an einem großen, schweren Stativ Heizbad, Siedekolben, Kolonne und Kolonnenkopf übereinander auf. Das Heizbad sollte zumindest bei schwierigen Trennungen als Thermostat eingerichtet sein. Der Siedekolben muß für Vakuumdestillationen einen zweiten schrägen Tubus mit Siedekapillare haben. Die Kolonne ist exakt senkrecht zu richten (eventuell unter Benutzung eines Lotes). Siedekolbenoberteil und Kolonne werden wärmeisoliert. - Die Heizung ist sorgfaltig einzuregulieren. Die Aufkochrate soll während der gesamten Trennung möglichst konstant gehalten werden sowie weiterhin höchstens so hoch sein, daß insgesamt fünf Tropfen pro Sekunde im Kolonnenkopf kondensieren und sich auf keinen Fall der Rückfluß in der Kolonne staut. Hat die Kondensationsfront den Kühler erreicht, läßt man einige Zeit zur Einstellung des Gleichgewichtszustands unter totalem Rückfluß sieden und reguliert dann den Destillatabfluß ein. Man wählt dabei das Rücklaufverhältnis (Rücklaufgeschwindigkeit dividiert durch Ablaufgeschwindigkeit) nach allgemeinen Faustregeln für die Hauptfraktion l- bis V2HIaI, für den Vorlauf und den Übergang zum Nachlauf etwa 2mal so groß wie die Trennstufenzahl. Wenn nicht mehr als 4 bis 5 Trennstufen gefordert werden, kann der Kolonnenkopf eventuell wegfallen, also durch einen einfachen absteigenden Kühler ersetzt werden. Das Kniestück wird dann nicht wärmeisoliert; es soll als Luftkühler für einen gewissen Rücklauf sorgen. Destillation unter Mitwirkung eines Hilfsstoffs (Azeotrop- und Wasserdampf-Destillation) Nichtideale Zweistoffgemische: Bei unidealen Zweistoffsystemen sind im Zustandsdiagramm Kondensations- und Siedekurve nicht mehr symmetrisch zueinander. Eine der beiden ist mehr oder weni- 52 Allgemeine Arbeitsanweisungen ger stark zur anderen hin eingebuchtet. Die destillative Trennung der zwei Komponenten ist entsprechend erschwert. Berühren sich die Kurven, ist eine Trennung ganz unmöglich; Flüssigkeits- und Dampfgemisch haben am Berührungspunkt die gleiche Zusammensetzung; Abbildung 44. Es liegt ein Azeotrop vor. Verursacht wird das geschilderte nichtideale Verhalten durch zwischenmolekulare Wechselwirkungen. Sind die Anziehungskräfte zwischen den fremden Molekülen viel kleiner als zwischen den artgleichen, bildet sich ein Minimum-Azeotrop (Abbildung 44); im viel selteneren umgekehrten Fall tritt ein Maximum-Azeotrop auf (entsprechend nach oben durchgebogenes Kurvenpaar). Ein anderer Extremfall unidealer binärer Systeme liegt vor, wenn sich die Partner nicht ineinander lösen. Wie das Zustandsdiagramm erkennen läßt, ist dann die Siedetemperatur fast über den ganzen Konzentrationsbereich konstant; Abbildung 45. Eine fraktionierende Destillation solcher Zweiphasensysteme (die bequem im Scheidetrichter getrennt werden können) wäre natürlich von vornherein unsinnig. Interessant ist jedoch die starke Siedepunktsdepression. Sie ermöglicht die Wasserdampfdestillation. SdpB SdpA SdpA/B 100% A Zusammensetzung 100% B Abb. 44 Zustandsdiagramm eines nichtidealen Zweistoffgemisches mit Azeotrop Azeotrope Destillation: Die Tendenz zahlreicher Zwei- beziehungsweise Mehrkomponentensysteme, Azeotrope zu bilden, schränkt die Anwendung der Destillation stark ein. Sie bietet jedoch andererseits die Möglichkeit, Verbindungen, nach Zusatz ihrer azeotropen Partner, destillativ aus einem Gemisch herauszuschleppen. Beispielsweise läßt sich Ethanol auch mit einer Kolonne nicht völlig entwässern. Es destilliert mit 4,4 Gewichtsprozenten Wasser azeotrop über. Setzt man dem 96proz. azeotrope Destillation 53 SdpB SdpA 100% A Zusammensetzung 100% B Abb. 45 Zustandsdiagramm zweier nicht-mischbarer Stoffe Ethanol jedoch Benzol zu, bildet sich ein ternäres Azeotrop, das schon bei 650C siedet. Auf diese Weise gelingt die Trocknung. Häufiger wird das Abschleppen dazu benutzt, während einer Umsetzung ein Produkt - fast immer Wasser - kontinuierlich aus dem Reaktionsgleichgewicht zu entfernen. Man wählt dabei einen „Schlepper", der sich möglichst nicht in Wasser (beziehungsweise einer anderen abzutrennenden Verbindung) löst, und sorgt dafür, daß dieser nach Abscheidung des Wassers laufend in den Reaktionsansatz zurückfließt. Als Schlepper für Wasser sind geeignet: Benzol, Toluol, Xylol - Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff. Für die ersten drei - spezifisch leichteren - läßt sich der einfache Wasserabscheider mit graduiertem Sammelrohr der Abbildung 46 benutzen (im Bedarfsfall kann eine Kolonne zwischen Destillierkolben und Wasserabscheider geschaltet werden). Aus dem Volumen des abgeschiedenen Wassers läßt sich Fortgang und Ende der Umsetzung berechnen. Die Wasserabscheidung mit Hilfe spezifisch schwererer Schlepper ist apparativ umständlicher und deshalb möglichst zu umgehen. Wasserdampfdestillation: Nichtmischbare Flüssigkeiten sieden dann (gemeinsam), wenn die Summe ihrer Einzeldampfdrucke gleich dem Außendruck ist (Raoult'sches Gesetz). Ihre Siedepunkte liegen also stets tiefer als die der einzelnen Komponenten. Es ist daher möglich, Substanzen nach Zusatz eines nichtlöslichen Hilfsstoffs - man verwendet fast immer Wasser — weit unterhalb ihres Siedepunkts abzudestillieren. Die Dampfdruckkurven der Abbildung 47 machen diese Verhältnisse am Beispiel Brombenzol-Wasser klar. Brombenzol, das bei 155 0C einen Dampfdruck von 760 Torr hat, erreicht diesen Normal-Atmosphärendruck zusammen mit Wasser schon bei 95,50C. Da das Verhältnis der Partialdrucke dem der Molekülzahlen entspricht (Avogadro-Satz), werden sich bei dieser Temperatur nach Abbildung 47 (639 Torr/ 54 Allgemeine Arbeitsanweisungen Abb. 46 l-Liter-Kolben mit Wasserabscheider für spezifisch leichtere Lösungsmittel 90 95 Temperatur 100 *• Abb. 47 Siedekurven von Brombenzol, Wasser und dem Gemisch aus beiden 121 Torr) 5,3 mal mehr Wassermoleküle in der Gasphase befinden als solche des Brombenzols. Zur Destillation von 100 g Brombenzol sind also theoretisch etwa 60 g Wasser erforderlich. Tatsächlich braucht man erheblich mehr, weil erstens die Verdampfungsgeschwindigkeit der organischen Substanzen limitierend wirkt, zweitens völlige gegenseitige Unlöslichkeit ein kaum je verwirklichtes Ideal ist, sowie drittens die Siedepunktsdifferenzen zwischen Gemisch und Wasser nur gering sind. Da die Dampfdruckdepression die Siedepunkte der organischen Substanzen stark zusammenrücken läßt, ist die Trennkraft der Wasserdampfdestillation nur gering. Wasserdampf-Destillation 55 Trotzdem kann dieses Verfahren vor allem dann ein wertvolles Hilfsmittel sein, wenn wasserunlösliche höhersiedende flüssige oder feste Verbindungen (mit Siedepunkten bis zu etwa 3000C) bei weniger als 100 0C von zähen Schmieren befreit werden müssen oder aus festem Rohmaterial isoliert werden sollen (also in solchen Fällen, wo die sonst übliche Vakuumdestillation versagt). - Der Trägerdampf sorgt nebenbei nicht nur für eine besonders starke Durchmischung des Trennmaterials, sondern verhindert auch das lästige Schäumen und wirkt bei autoxidablen Stoffen gleichzeitig als Schutzgas. Abbildung 48 zeigt eine Wasser dampf-Destillationsapparatur. Ihr Destillationskolben ist mit einem Gummistopfen verschlossen, durch den zwei Glasrohre führen. Eines ist mit der Dampfleitung verbunden und reicht fast bis zum tiefsten Punkt des Kolbens, das zweite stellt über einen weiteren Gummistopfen die Verbindung zum Kühler her. (Schliffverbindungen backen im Wasserdampf leicht zusammen!) Der einströmende Dampf läßt den Kolbeninhalt stark herumspritzen; deshalb soll der Kolben einen langen Hals haben, etwas geneigt sein und nur zu etwa einem Drittel gefüllt werden. (Er muß also fast das Zehnfache der zu trennenden Substanzen fassen!) Wegen der hohen Destillationsgeschwindigkeit und der großen Kondensationswärme des Wassers ist ein möglichst langer Liebigkühler oder ein Intensivkühler zu benutzen. Die Kühlung läßt sich dadurch verstärken, daß man den absteigenden Kühler über einen Vakuumvorstoß (dessen Schlauchanschluß verschlossen ist) mit einem Zweihalskolben verbindet, in dessen zweitem Tubus ein Rückflußkühler steckt. Der Vorlagekolben kann noch zusätzlich in Eiswasser gestellt werden. Ein solcher Aufbau ist speziell für die Wasserdampfdestillation fester Substanzen angebracht, weil hier, zur Vermeidung einer Verstopfung des absteigenden Kühlers durch vorzeitige Kristallisation, dessen Kühlwasserzufuhr gedrosselt werden muß. - Behelfsmäßig läßt sich statt der auf Abbildung 48 gezeigten Apparatur auch eine Claisenapparatur (Abbildung 32, S. 40) verwenden, bei der die Kapillare durch ein Einleitungsrohr ersetzt ist. Abb. 48 Wasserdampfdestillationsapparatur mit 2-Liter-Langhalskolben auf Babo-Trichter mit Dampfeinleitungsrohr, Liebigkühler und Vorlage 56 Allgemeine Arbeitsanweisungen Abb. 49 3-Liter-Dampfkanne Steht keine fest montierte Dampfleitung zur Verfügung, erzeugt man sich den Dampf in einer Dampfkanne aus Blech, deren Form Abbildung 49 erkennen läßt. Sie hat einen Wasserstandsanzeiger und ein etwa einen Meter langes Steigrohr aus Glas, das zum Boden der Kanne führt und als Überdruckventil dient. Das mit Wasser gefüllte Gefäß wird kräftig mit dem Bunsenbrenner erhitzt. Für kleinere Ansätze genügt ein entsprechend eingerichteter Erlenmeyerkolben. - Der zur Apparatur führende Schlauch soll möglichst kurz sein! In der Praxis versetzt man das zu reinigende - wenn fest, grob zerkleinerte - Material im Destillierkolben mit etwa der doppelten Menge Wasser, dreht die Kühlung so weit wie möglich auf und leitet dann einen kräftigen Dampfstrom ein. (Bei niedrigschmelzenden Destillaten muß die Kühlwasserzufuhr so reguliert werden, daß es gerade noch nicht zur Kristallabscheidung im Kühler kommt.) Eine zu starke Vergrößerung des Flüssigkeitsvolumens während der Destillation verhindert man durch zusätzliches Heizen des Kolbens auf einem Dampfbad oder Babo-Trichter. Soll die Operation abgebrochen werden, muß zuerst die Schlauchverbindung zur Dampfquelle gelöst werden; anderenfalls würde der Kolbeninhalt zurücksteigen. Bei Substanzen, die sich mit Wasser überhaupt nicht mischen, kann man die Destillation dann beenden, wenn einige Zeit lang nur noch völlig ungetrübtes Wasser in die Vorlage getropft ist. Das Destillat wird hier im Scheidetrichter getrennt. — Bei Substanzen, die sich teilweise in Wasser lösen, ist das Ende nur durch einen speziellen Test festzustellen. In diesem Fall muß auch die wässerige Phase aufgearbeitet werden (Ausschütteln, Aussalzen). Einfaches Kochen des Trennmaterials mit viel Wasser - ohne Dampfzufuhr von außen - ist nur bei Mengen von wenigen Grammen leicht wasserdampfflüchtiger Stoffe erfolgreich. (Vorsicht, Zweiphasensysteme stoßen stark!) Reicht die Temperatur von etwa 10O0C zum Übertreiben schwerflüchtiger Ver- Sublimation 57 bindungen nicht aus, kann man einen Dampfüberhitzer in die Schlauchleitung zum Kolben einbauen. Diese Überhitzer bestehen aus konischen Kupferrohrspiralen oder flachen Metalltafeln mit zickzackförmigen Rohrsystemen; sie werden mit einem Bunsenbrenner kräftig geheizt. (Sie sollen, damit die Schläuche nicht verschmoren, lange Schlauchanschlüsse haben.) Der Destillierkolben mit der trockenen Substanz muß hier in einem Ölbad von etwa 15O0C stehen (erhöhte Gefahr, daß Wasser ins Öl spritzt; Abzug, Brille und Handschuhe benutzen!). Es empfiehlt sich, zur Kontrolle der Dampftemperatur ein Einleitungsrohr zu verwenden, das oben T-förmig verzweigt ist und ein Thermometer trägt. Zur Prüfung auf Wasserdampfflüchtigkeit kocht man eine kleine Substanzprobe im Reagenzglas mit 2 ml Wasser, hält ein zweites, schmaleres, mit Wasser und Eis gefülltes Reagenzglas in den Dampfraum und beobachtet, ob der sich kondensierende Wassertropfen trüb ist. Sublimation und Gefriertrocknung Sublimation Unter Sublimation versteht man die Überführung einer festen Substanz (fast immer ohne intermediäres Schmelzen) in den gasförmigen Aggregatzustand und aus diesem direkt wieder in den festen - also Phasenumwandlungen unterhalb des Tripelpunkts. Ihre Bedeutung ist vergleichsweise gering, da einerseits nur relativ wenige Feststoffe einen entsprechend hohen Dampfdruck haben und andererseits nur solche Verunreinigungen erfolgreich abgetrennt werden können, die selbst praktisch nicht flüchtig sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält man allerdings sehr saubere Produkte. Mit laborüblichen Mitteln sind lediglich Sublimationen kleinerer Chargen von wenigen Grammen möglich, auch diese erfordern einige Geduld. Zur Erhöhung der Verdampfungsgeschwindigkeit ist das Substrat vorher fein zu pulversisieren. Es soll noch unterhalb seines eigentlichen Sublimationspunkts ausschließlich von der Oberfläche her verdampfen (größere Kristalle zerplatzen und versprühen). Am einfachsten erwärmt man die Substanz auf dem Sandbad in einer Porzellanschale über die man einen etwas kleineren Glastrichter umgekehrt aufgestülpt hat Das Sublimat schlägt sich im kälteren Trichter nieder. Um zu verhindern, daß es zurückfällt, kann man ein vielfach durchstochenes Rundfilter zwischen Schale und Trichter legen. Schwerer flüchtige Stoffe sublimiert man unter vermindertem Druck zum Beispiel in der - auch für Sublimation bei Normaldruck geeigneten - Apparatur der Abbildung 50, die man sich mit durchbohrten Gummistopfen aus zwei Saugrohren zusammensetzt. Die Substanz verdampft hier vom Boden des evakuierten, im Ölbad erwärmten Außenrohrs. Je geringer die Sublimationsgeschwindigkeit, desto kleiner ist der Abstand zwischen den Böden beider Rohre zu wählen (im Durchschnitt be- 58 Allgemeine Arbeitsanweisungen trägt er etwa l cm). Jede Einzelcharge soll nur so groß sein, daß ihr Sublimat anschließend den unteren Bodenteil des Kühlfingers höchstens l mm dick bedeckt. Belüften darf man erst nach dem völligen Erkalten. Zum Öffnen der benutzten Apparatur spannt man den größeren Stopfen fest ein und dreht dann das äußere Rohr vorsichtig ab; so läßt sich ein Abfallen des Sublimats verhindern. — Größere Geräte dieser Art haben flachere Böden und sind zur Aufnahme eines gelochten Filters oder einer Porzellansiebplatte eingerichtet. Abb. 50 Vakuumsublimationsapparatur aus zwei Saugrohren Horizontale Anordnungen können aus einseitig zugeschmolzenen Glasrohren bestehen, die in thermoregulierbaren Metallblöcken mit waagrechten Bohrungen verschiedener Durchmesser erhitzt werden; das Luftbad der Abbildung 38 ist ebenfalls gut als Heizquelle geeignet. Die Substanz wird durch einen Trichter, der bis zum Boden des Rohrs reicht, eingefüllt und dann zum Schutz gegen eventuelles Versprühen locker mit einem Glaswollebausch abgedeckt. Das luftgekühlte (nötigenfalls etwas erweiterte) offene Rohrende kann über einen Gummistopfen ans Vakuum angeschlossen werden. Im Hochvakuum (Quecksilberdiffusionspumpe) bestimmt nicht mehr die Diffusion der Substanzmoleküle durch die Luft, sondern fast nur noch der bloße Sublimationsvorgang die Umsatzgeschwindigkeit. - Eine ähnliche Beschleunigung läßt sich auch mit Hilfe eines strömenden Schutzgases, das den Transport zur Kühlfläche unterstützt, erreichen1. Die Sublimationsfähigkeit unbekannter Substanzen kann im Schmelzpunktsapparat mit Kapillarröhrchen ermittelt werden (siehe S. 117). Gefriertrocknung Das schonendste Verfahren, in Wasser gelöste feste Stoffe bis zur Trockne zu bringen, ist die Gefriertrocknung (Lyophilisation). Bei ihr sind die Temperaturen nie höher als null Grad. Das Prinzip beruht darauf, daß die eingefrorene Lösung im Hochvakuum verdampft, wobei die große Sublimationswärme auch ohne weitere Kühlung ein Schmelzen des Eises verhindert. Der Wasserdampf wird von einem Trockenmittel oder in Kühlfallen abgefangen (siehe S. 32). 1 T. Davies, Sublimation, Verlag McMillan, New York. Gefriertrocknung und Extraktion 59 Kleinere Volumina bis zu etwa 10 ml sehr verdünnter wässeriger Lösungen kann man durch Aufbewahren in der Tiefkühltruhe einfrieren. Man benutzt dazu Petrioder Kristallisierschälchen, die höchstens bis zu zwei Dritteln gefüllt werden dürfen. Ist die Lösung völlig (!) durchgefroren, bringt man das Schälchen rasch in einen nicht zu kleinen Vakuumexsikkator, dessen Unterteil mehrere durch Korkstopfen auf Abstand gebrachte große Petrischalen mit Blaugel oder auf Träger aufgezogene Schwefelsäure beziehungsweise magnetgerührte konz. Schwefelsäure plus KaliumhydroxidSchälchen enthält (siehe S. 108), evakuiert sofort auf mindestens 10" * Torr, stellt die Pumpe ab und wartet, bis das Eis innerhalb von mehreren Stunden völlig verschwunden ist. Pur größere Volumina (als etwa 10 ml) oder konzentriertere wässerige Lösungen benutzt man Schliffrundkolben mit Gummistopfen, füllt sie zu etwa einem Drittel und dreht sie möglichst schräg geneigt in einem Kohlendioxid-Kältebad, bis der Inhalt ganz durchgefroren ist. (Beim Einfrieren mehrerer Kolben empfiehlt sich die Verwendung eines langsam laufenden Rührmotors mit einer Kupplung aus durchbohrtem Gummistopfen und Schlauchstück, das durch einen eingeschobenen Glasstab gerade gehalten wird.) - Je größer die Eisoberfläche, desto rascher ist die anschließende Sublimation. Tiefe Temperatur, also schnelles Gefrieren verhindert, daß sich die gelösten Substanzen im abnehmenden Flüssigkeitsrest konzentrieren. - Die Kolben können direkt an die Drehschieberpumpen-Anlage angehängt werden. Die beiden mit Trockeneis gekühlten Kondensfallen fangen den Wasserdampf ab (siehe S. 33). Man evakuiert so lange, bis das Eis innerhalb von mehreren Stunden völlig verdampft ist. Am besten benutzt man eine der im Handel befindlichen Apparaturen, bei denen die Pumpe abgestellt wird, sobald das Hochvakuum erreicht ist. Die Gefriertrocknung ist besonders zur Isolierung empfindlicher Naturstoffe aus wässerigen Lösungen sehr nützlich. - Die zurückbleibenden Feststoffe sind schwammig locker und daher sehr leicht wieder in Lösung zu bringen. Extraktion und Aussalzen Unter Extraktion versteht man das Herauslösen bestimmter Stoffe aus festen, flüssigen (oder gasförmigen) Gemischen mit Hilfe geeigneter Lösungsmittel. Extraktion von Feststoffen Sind die zu extrahierenden Komponenten leicht löslich, genügt es oft, das feinpulverisierte Feststoffgemisch mehrfach mit dem ausgesuchten Lösungsmittel entweder gründlich auszukochen oder bei Raumtemperatur längere Zeit intensiv durchzumischen (schmierige Materialien in einer sehr großen Reibschale) und abzufiltrieren. (Vorwiegend in der älteren Literatur wird das erste Verfahren meist als „Digerieren", das zweite manchmal als „Mazerieren" bezeichnet.) 60 Allgemeine Arbeitsanweisungen Abb. 51 a) l-Liter-Kolben mit Heißextraktor; b) l-Liter-Kolben mit Soxhlet-Aufsatz; beide mit Papphülse Sollen schwerer lösliche Bestandteile von unlöslichen Feststoffen abgetrennt werden, benutzt man Extraktionsapparate, die den Lösungsmittelbedarf, durch dauerndes Eindampfen der Extrakte, auf einen Bruchteil reduzieren. Abbildung 51 zeigt zwei derartige Geräte, die aus Siedekolben, Extraktionsaufsatz mit eingestellter Papphülse zur Aufnahme des Trennguts und Rückflußkühler bestehen. Eines ist für Extraktionen bei höherer (a), eines für solche bei mittlerer (b) Temperatur. Beim Heißextraktor (a) strömt das im Kolben verdampfte Lösungsmittel an der gefüllten Hülse direkt vorbei zum Kühler, tropft von dort aus in das - vom aufsteigenden Dampf erwärmte - Trenngut und daraus wieder in den Kolben zurück. Beim Soxhlet-Apparat (b) ist dagegen der Extraktionsraum nach unten abgeschlossen. Der Dampf wird hier - ohne das Trenngut in der Hülse wesentlich zu erwärmen - durch ein seitliches Rohr zum Kühler geführt. Außerdem fließen die Extrakte nicht kontinuierlich, sondern periodisch in den Kolben zurück (immer dann, wenn ihr Niveau den höchsten Punkt des als Heber wirkenden dünneren U-Rohrs erreicht hat). Das Dampfrohr sollte mit Metallfolie isoliert werden. - Es gibt auch Aufsätze mit Mänteln zur zusätzlichen Kühlung (oder Heizung) des Extraktionsraums. Das Extraktionsgut muß vor dem Einfüllen in die Papphülse (passend zur Apparatur zu kaufen) gleichmäßig zerkleinert werden, nicht zu fein, da sonst das Lösungsmittel zu langsam durchsickert. Klebrige Materialien und solche, die bei der Extraktion zusammenbacken, verreibt man am besten mit der doppelten Menge reinem Seesand. Die gefüllte Hülse wird mit einem lockeren Glaswattebausch abgedeckt. Diese Vorbereitungen sind für Durchflußextraktionen (Abbildung 5Ia), bei denen Ausschütteln 61 immer die Gefahr besteht, daß sich das Lösungsmittel einzelne Kanäle durch das Extraktionsgut bahnt, besonders wichtig. Bei der Soxhlet-Apparatur ist darauf zu achten, daß die Hülse nicht den Auslauf verdeckt (nötigenfalls Glasrohrröllchen unterlegen). - Zur Auswahl des Lösungsmittels siehe S. 110 und 134. - Die im Kolben ausfallenden extrahierten Stoffe verursachten leicht Siedeverzug. Deshalb und zur Vermeidung unnötiger Temperaturbelastungen filtriert man zwischendurch ab. Soxhlet-Apparaturen neigen, da die schubweise abfließenden Eluate jedesmal den Siedevorgang unterbrechen, zum „Stoßen". Daher soll bei ihnen die Lösungsmittelmenge mindestens das Doppelte dessen betragen, was der Extraktionsraum faßt. Sammelt sich das gewünschte Hauptprodukt im Extrakt an, darf - speziell dann, wenn sich dieses als Kruste absetzt - nicht mit einer Heizhaube erwärmt werden. Die mehrere Stunden bis einige Tage dauernde Extraktion wird abgebrochen, wenn in einer der Hülse entnommenen Probe keine eluierbare Substanz mehr nachweisbar ist. Ausschütteln Beim Ausschütteln handelt es sich um das Verteilen einer oder mehrerer Substanzen zwischen zwei Lösungsmittelphasen', einer hydrophilen, fast immer wässerigen und einer lipophilen, also organischen. Dabei reichern sich die gelösten Substanzen entsprechend ihrem eigenen hydrophilen oder lipophilen Charakter (also ihrer Polarität und Polarisierbarkeit) vorwiegend in der gleichartigen Phase an. Kräftiges Schütteln beschleunigt den Prozeß. Ziel des Ausschütteins ist es, bestimmte Substanzen möglichst vollständig in die eine Phase zu überführen. Das ist mit einem Bruchteil der Lösungsmittelmenge zu erreichen, wenn man die Gegenphase mehrfach mit kleinen Portionen behandelt, statt einmal ein großes Volumen einzusetzen! Nach Nernst gilt (unter gewissen Voraussetzungen) für die Verteilung einer Substanz zwischen Oberphase (Index O) und Unterphase (Index U): K=^0Cu und: K = m° ' YU m u' 0 (K = Verteilungskoeffizient; c = Konzentration; m = Masse; V = Volumen). Danach muß man, um eine Substanz mit dem Verteilungskoeffizient 5 auf einmal zu 97% in die Oberphase zu bringen, die Unterphase mit der 6,5fachen Menge Oberphase ausschütteln: m0 In0K V0 V1; = 97 3-5 6,5 l Schüttelt man dagegen fünfmal aus, braucht man für den gleichen Trenneffekt insgesamt nur die einfache Menge; denn nach jedem Ausschütteln mit jeweils einem Fünftel der Menge Oberphase verbleibt die Substanz zur Hälfte in der Unterphase. 62 Allgemeine Arbeitsanweisungen K • V0 = m0 = 5 • l = l V11 " mv " 5 ~ T Nach fünfmaliger Wiederholung enthält die Unterphase dann noch: (^2)5 = 3% der Substanz. Im allgemeinen extrahiert man wässerige Lösungen oder Emulsionen beim ersten Mal mit etwa einem Drittel, dann jeweils mit etwa einem Fünftel bis einem Viertel des Volumens an organischem Lösungsmittel - und zwar so oft, bis in einer Probe der Extraktionsphase (eventuell nach Eindampfen auf einem Uhrglas) keine Substanz mehr nachzuweisen ist. (Beim Auswaschen organischer Lösungen mit Wasser kann natürlich mit größeren Portionen ausgeschüttelt werden.) Eine zweite Möglichkeit, das Ausschütteln effektiver zu gestalten, besteht darin, geeignete Verbindungen in gut wasserlösliche Salze zu verwandeln, also statt mit Wasser beispielsweise: Säuren mit Natriumcarbonat- oder -hydrogencarbonatlösung, Phenole mit verd. Alkalilösungen, Amine mit verd. Mineralsäure oder Aldehyde mit Natriumhydrogensulfitlösung auszuziehen. Geeignete lipophile Extraktionsmittel sind zum Beispiel: Ether (,Ausethern"), Petrolether, Benzol, Essigester (spezifisch leichter) sowie Methylenchlorid, Chloroform (spezifisch schwerer als Wasser); siehe S. 110. a b Abb. 52 a) 500-ml-Schütteltrichter nach Squibb, NS 29; b) 1-LiterHüttentrichter Der Schütteltrichter muß einen gut passenden Glashahn und Glasstopfen haben (das Dichtungsfett wird meist rasch herausgelöst); Abbildung 52. Für mittlere Volumina hat sich die gestreckt-konische Form nach Squibb (a) am besten bewährt; ersatzweise sind jedoch auch Tropftrichter (Abbildung 17a) gut geeignet. Ab einem Fassungsvermögen von einem Liter dürfen nur dickwandige, gegossene „Hüttentrichter" verwendet werden; Abbildung 52b. Zum Ausschütteln von Volumina unter 5 ml nimmt man ein Reagenz- oder Zentrifugenglas und gewinnt die Phase mit einer sehr lang ausgezogenen Saugball-Pipette. (Wässerige Oberphasen, die nicht weiter gebraucht werden, kann man auch mit einem Filterpapierröllchen aufsaugen.) Der Schütteltrichter ist so groß zu wählen, daß etwa die Hälfte seines Inhalts leer Phasentrennung 63 bleibt. Er wird in einen stabilen Stativring oder Dreifuß (über deren Innenkante drei längs aufgeschnittene Gummischlauchröllchen gezogen sind) eingehängt. Unter den Trichterauslauf stelle man stets einen größeren Stutzen als Sicherheitsauffanggefäß. Man gießt die Flüssigkeiten durch einen Trichter ein, verschließt den Tubus und faßt den Schütteltrichter so, daß gleichzeitig Stopfen und Hahnküken von beiden Händen in ihrer Lage fixiert werden. Flüchtige Lösungsmittel entwickeln beim Mischen einen erheblichen Überdruck. Man hält deshalb den Schütteltrichter zum Ausschütteln anfangs mit dem Hahn nach oben, lüftet, schwenkt kurz um, lüftet wieder und fährt so fort, bis nach stärkerem Schütteln der Druckausgleich erreicht ist. Entsteht durch Schütteln von Carbonaten mit Säuren Kohlendioxid, ist erhöhte Vorsicht geboten! Da beim Belüften stets Flüssigkeitsreste mit ausgepritzt werden, ist das Auslaufrohr vom Körper weg zu halten und bei aggressiven Substanzen eine Schutzbrille zu tragen ! Es wird etwa eine Minute lang abwechselnd kräftig durchgeschüttelt und belüftet. Dann hängt man den Trichter in den Ring zurück, wartet, bis sich die Phasen klar getrennt haben, entfernt den Stopfen, läßt die schwerere Phase langsam auslaufen und gießt - wenn nötig - die leichtere durch den Tubus aus. Der oft langwierige Prozeß der Phasentrennung sowie die Loslösung einzelner im „falschen" Bereich an der Wand haftender Flüssigkeitstropfen können dadurch beschleunigt werden, daß man die Unterphase, soweit sie klar ist, abläßt und dann den Trichter ruckweise um seine Längsachse dreht. Hartnäckige Emulsionen versuche man durch folgende Maßnahmen zu brechen: Zugabe weniger Prozente Ethanol (dieses muß vor dem Trocknen der organischen Phase mit Calciumchlorid wieder ausgewaschen werden) oder einiger Tropfen Octanol; Filtrieren (eventuell nach Zugabe von Kieselgur); teilweise oder völliges Sättigen des wässerigen Anteils mit Natriumchlorid. Sicheren Erfolg bietet nur eine gute Zentrifuge. -Am besten ist es, die Emulsionsbildung - die sich leicht in einem Reagenzglasvorversuch erkennen läßt - von vorneherein dadurch zu vermeiden, daß man ein anderes organisches Extraktionsmittel wählt oder die Phasen statt durch Schütteln durch längeres vorsichtiges Umschwenken in Kontakt bringt. Wird die Trennung durch zu geringe Dichteunterschiede erschwert, verdünnt man die Oberphase. Macht man die zu extrahierende Lösung zur Oberphase, kann man sie bei mehrfachem Ausschütteln immer im Schütteltrichter lassen. Man beachte, daß spezifisch leichtere Lösungsmittel durch starke Substanzaufnahme zur Unterphase werden können! (In fraglichen Fällen schaffen einige Tropfen Wasser Klarheit.) Durch Zugabe von Salz zur wässerigen Phase läßt sich sowohl die Extraktion organischer Stoffe erleichtern als auch die Löslichkeit von Ether und anderen organischen Flüssigkeiten in der wässerigen Phase verringern. Organische Lösungen, die mit Salz-, Säure- oder Base-Lösungen ausgeschüttelt wurden, muß man mit etwas Wasser nachwaschen. Mineralsäuren lassen sich aus Ether nur durch Carbonatlösungen ganz entfernen! (Ein- bis zweimal mit verdünnter Sodalösung schütteln; dann mit Wasser waschen.) Vor dem Eindampfen bindet man das restliche Wasser mit einem Trockenmittel (siehe S. 107). 64 Allgemeine Arbeitsanweisungen Beim Ausschütteln brennbarer Lösungsmittel sind selbstverständlich alle Flammen in der Nähe zu löschen! Die (zu 7%) mit Ether gesättigten wässerigen Phasen sind ebenfalls eine Gefahrenquelle! Perforation Der Begriff Perforation kennzeichnet die kontinuierliche Extraktion von Lösungen. Perforation wird immer dann angewandt, wenn Substanzen extrahiert werden sollen, die wegen zu geringer Löslichkeit im Extraktionsmittel (Verteilungskoeffizient wesentlich kleiner als 1) nur unter sehr hohem Lösungsmittel- und Arbeitsaufwand ausgeschüttelt werden könnten. -Auch hier handelt es sich um den Stoffaustausch zwischen zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten (wie beim Ausschütteln), wobei jedoch die eine, das Extraktionsmittel, analog der automatischen Feststoffextraktion im Umlauf mehrfach einwirkt. Abbildung 53 zeigt einen Perforator für spezifisch leichtere Extraktionsmittel. Die zylindrische Austauschkammer wird zu vier Fünfteln ihres Fassungsvermögens mit Extraktionsgut gefüllt (so daß noch Platz zur Volumenvermehrung durch teilweises Lösen der Gegenphase und Wärmeausdehnung bleibt). Im seitlichen Siedekolben wird ein Vielfaches dieser Menge Extraktionsmittel kräftig gekocht. Der Dampf ge- Abb. 53 1-Liter-Kolben mit Kutscher-SteudelPerforator für spezifisch leichtere Extraktionsmittel Craig-Verteilung 65 langt zum Kühler; sein Kondensat tropft von dort in den langen Trichter, tritt unten aus dessen Sinterglasfritte fein verteilt aus, perlt durch das Extraktionsgut nach oben und fließt schließlich mit Substanz beladen in den Siedekolben zurück. Um ein unnötiges Überhitzen des Extrakts zu vermeiden, ist der Apparaturteil, durch den der Dampf aufsteigt, gut mit Metallfolie zu isolieren. Das Ende der (in jedem Fall mehrere Stunden dauernden) Perforation läßt sich durch periodische Untersuchung des Überlaufs oder des Extraktionsguts bestimmen. - Für die Wahl des Extraktionsmittels und die weitere Aufarbeitung des Extrakts gelten die im Kapitel ,Ausschütteln" gemachten Angaben (siehe S. 61). Neben dem hier vorgestellten Perforator von Kutscher und Steudel gibt es andere, nach gleichem Prinzip arbeitende Konstruktionen. Geräte für spezifisch schwerere Extraktionsmittel sind prinzipiell nicht so funktionstüchtig und daher weniger zu empfehlen. Multiplikative Verteilung (nach Craig) Die multiplikative Verteilung macht durch eine Vielzahl von Verteilungen zwischen zwei nicht mischbaren Lösungsmitteln auch eine Trennung solcher Stoffe möglich, deren Verteilungskoeffizienten sich nur sehr wenig voneinander unterscheiden. Bei ihr wird in einer ganzen Reihe von Trenngefäßen jeweils eine Serie von Ober- und Unterphasen miteinander geschüttelt und dann um einen Schritt gegeneinander verschoben („Gegenstromverteilung"). Dabei wandert jede einzelne gelöste Substanz als Ober- oder Unterphase - in einen bestimmten, ihrem Verteilungskoeffizienten entsprechenden Bereich innerhalb der Trichterreihe. Die Stoffgemische sind hier also im Endeffekt nicht zwischen zwei Phasen, sondern zwischen verschiedenen Trichtern aufgeteilt. Das Verteilungsschema der Abbildung 54 zeigt diesen Vorgang vereinfacht für nur sieben Schütteltrichter (nebeneinander), gleichviel Verteilungsschritte (untereinander dargestellt) an 128 g einer Substanz mit dem Verteilungskoeffizient K = I . Alle Trichter sind von Anfang an zur Hälfte mit schwerem Lösungsmittel gefüllt. Jedem Schütteln aller Trichter folgt ein Verschieben aller Oberphasen nach rechts (symbolisiert durch gebogenen Pfeil) und ein Auffüllen des ersten Trichters mit frischem leichteren Lösungsmittel. Auf Abbildung 55 sind die Konzentrationsverteilungen für Substanzen mit verschiedenen K-Werten dargestellt: Die Verteilungskurven machen deutlich, daß z. B. zwei Substanzen mit den K-Werten 3,0 und 0,33 mit vierundzwanzig Verteilungsschritten (und also auch vierundzwanzig Verteilungsgefäßen) vollständig voneinander getrennt werden können (soweit die Substanzen selbst die K-Werte nicht beeinflussen); bei K-Werten von 3,0 und 1,0 reichen 24 Schritte dagegen nicht aus. Je stärker sich die K-Werte der Einzelstoffe voneinander unterscheiden und je länger die Schütteltrichterkette, desto schärfer ist die Trennung. Für die Praxis wurden Geräte entwickelt, bei denen die Phasen in bis zu über hun- 66 Allgemeine Arbeitsanweisungen 1 2 3 Nummer der Verteilungsgefäße » Abb. 54 Schema einer multiplikativen Verteilung in sieben Schüttelgefäßen für 128 g einer Substanz mit K =1 dert Schüttelelementen auf einer gemeinsamen Drehachse gleichzeitig geschüttelt und dann weitertransportiert werden können. Hierüber sowie über Varianten des geschilderten Verteilungsprinzips (wiederholte Substanzaufgabe am Anfang oder in der Mitte der Batterie; ein-, doppel- oder wechselphasige Fraktionsabnahme) gibt die Fachliteratur Auskunft 1 . 1 E. Hecker, Verteilungsverfahren im Laboratorium, Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1955. Dialyse 50l 67 •K = 30 40 30h IK = IO £ 2OH \ \ K = 3.0 5 i ! \ /-> v> I/ \ / t I K = 0.33 ' / ! [ l*/ \ / A / / \ / x s \ \ M H A I 10 öl l•/\ /• / • X v/ / \ v/ V / \ i 18 \\ 24 i_ 6 i_ 12 Nummer des Verteilungsgefaßes Abb. 55 Ideale Verteilungskurven für Substanzen mit unterschiedlichen K-Werten (bei einmaliger Substanzaufgabe am Anfang) Dialyse Trennt man eine wässerige Lösung und reines Wasser durch eine semipermeable Membran (Diaphragma), diffundieren diejenigen gelösten Ionen und Moleküle, die klein genug sind, durch die Poren der Membran ins reine Wasser; es findet eine Dialyse statt. Im Labor benutzt man als Diaphragmen meist Schläuche aus regenerierter Cellulose - also z.B. Zellglas („Cellophan" *), die Teilchen mit einem Molekulargewicht von mehr als 3000 bis 5000 zurückhält und weniger als etwa 500 frei durchläßt. (Das Molekulargewicht kann nur mit Einschränkung ein Maß für die Molekülgröße sein.) Man klebt ein solches Stück Cellonphanschlauch (je kleiner dessen Durchmesser, desto rascher die Diffusion) an einem Ende mit ,Alleskleber" sorgfältig unter Umfallen zu (auf Dichtigkeit prüfen), läßt es vier Stunden in destilliertem Wasser quellen und spült es längere Zeit innen aus (Cellophan enthält den Weichmacher Glycerin Firma Kalle & Co. AG. 68 Allgemeine Arbeitsanweisungen oder Polyglykol), füllt die Lösung (beziehungsweise kolloidale Lösung) ein, bindet oben vorsichtig mit Schnur ab und hängt den gefüllten Teil in einen passenden Standzylinder, durch den - über ein zum Zylinderboden reichendes Glasrohr - dauernd frisches Leitungswasser fließt (und überläuft). Das für Ungeübte etwas heikle Kleben läßt sich umgehen, indem man ein doppeltlanges Schlauchstück an beiden Enden zubindet und so in das Gefäß mit fließendem Wasser hängt, daß diese Enden herausragen. (Unterteil eventuell mit U-förmigem Glasstab beschweren.) Eine Dialyse dauert mehrere Stunden oder sogar Tage; sie ist beendet, wenn im Waschwasser keine Substanzen mehr nachzuweisen sind. - Häufigste Anwendungsform: Abtrennung von Salzen, Säuren und Basen aus Lösungen hochmolekularer Natur- oder Kunststoffe. Wenn gegen entsalztes Wasser dialysiert werden soll oder die durchdiffundierten kleineren Moleküle gebraucht werden, spannt man den gefüllten Dialyseschlauch über einen schmalen, rechteckigen Glasstabrahmen, verbindet diesen mit einem Rührmotor und läßt ihn langsam in einem Zylinder mit Wasser rotieren. Das Wasser muß mehrfach erneuert werden. Aussalzen In Wasser oder anderen hydrophilen Flüssigkeiten gelöste Substanzen lassen sich durch Zugabe anorganischer Salze aus ihrem Lösungsmittel verdrängen und zur Ausscheidung bringen: Die in Lösung gehenden Salzionen bauen sich selbst Solvathüllen auf und dabei diejenigen der bereits gelösten Moleküle ab. Um ein Abscheiden der Substanz auf den Salzkristallen zu verhindern, erwärmt man die Lösungen (wässerig auf etwa 8O0C), rührt sie kräftig mit einem Motor und löst das vorher fein pulverisierte Salz darin in kleinen Portionen auf. Die Gesamtmenge an Salz soll in der Regel etwa 80% dessen betragen, was zur Sättigung bei Raumtemperatur nötig wäre. Nach der Zugabe wird noch einige Zeit bei der erhöhten Temperatur und dann bis zum Abkühlen auf Raumtemperatur weiter gerührt. - Die ausgeschiedenen Stoffe sind meist erheblich mit Fällungsmittel verunreinigt. Als Salz wird vorwiegend Natriumchlorid (36) oder auch Kaliumcarbonat (111) verwendet. Für gelöste organische Basen ist Natriumhydroxid (107) besser geeignet. (Jeweils in Klammern: Löslichkeit in g pro 100 ml Wasser bei 2O0C). Zum Aussalzen von Proteinen wird unter Kühlung Ammonsulfat (76) benutzt. Reinigung durch Kristallisation Kristalline Syntheseprodukte bieten gegenüber nichtkristallinen sehr wesentliche Vorteile: Sie liegen meist in definierter Form vor und sind durch den Schmelzpunkt leicht zu charakterisieren. Die Vorzüge sind so groß, daß der Chemiker speziell für bestimmte analytische Zwecke oder zur Reinigung häufig flüssige Substanzen durch einfache Reaktionen in leicht kristallisierende feste Derivate überführt. Kristallisation 69 Das vorliegende Kapitel befaßt sich mit der Herstellung, Isolierung und Reinigung kristalliner Produkte. Auskristallisieren Obwohl in jedem Fall der höchstgeordnete kristalline Zustand der stabilste ist, bedarf es oft einiger Kunstgriffe und vieler Geduld, organische Verbindungen aus übersättigten Lösungen oder metastabilen Schmelzen zur Kristallisation zu bringen. Am einfachsten ist es, Kristallkeime als Impfkristalle - das heißt Kriställchen der gleichen Verbindung - direkt einzurühren. Man mache es sich daher zur Regel, von jedem kristallinen Produkt, das aufgelöst und später wieder kristallisiert werden soll, eine Spur Impfmaterial zurückzubehalten! Sollten sich die Impfkristalle in der Lösung lösen, ist diese etwas einzuengen und erneut anzuimpfen. Stehen keine Impfkristalle zur Verfügung, versucht man, die Kristallkeimbildung in hartnäckig übersättigten Lösungen und Schmelzen durch eine Reihe von Hilfsmaßnahmen anzuregen. Diese sollten, da es genügt, eine Spur Impfmaterial zu gewinnen und die Kristallisationsbedingungen zu erfahren, lediglich mit jeweils einigen Tropfen der Gesamtmenge in kleinen Reagenzgläsern durchgeführt werden: Kratzen, Glas auf Glas, in der Probe, mit einem Rührstab, ist das bewährteste Mittel. Es sollte, soweit möglich, bei allen anderen Maßnahmen mit angewandt werden. Man beachte, daß abgeschabte Glassplitterchen leicht Kristalle vortäuschen. Große Bedeutung hat die Temperatur. Die Kristallisation wird sowohl durch Erniedrigung der Löslichkeit, also Abkühlen, als auch durch Erniedrigung der Viskosität, also Erwärmen, begünstigt. Es gibt daher für jeden Stoff einen Temperaturbereich optimaler Keimbildungstendenz. Dieser liegt für unterkühlte Schmelzen 70 bis 12O0C unter dem Schmelzpunkt. Ist der Schmelzpunkt unbekannt, hebt man mehrere Proben bei verschiedenen Temperaturen auf oder läßt die gekühlte Substanz sich sehr langsam erwärmen. -Lösungen sind, soweit es der Schmelzpunkt des Lösungsmittels erlaubt, prinzipiell bei tieferen Temperaturen aufzubewahren. Weiterhin versuche man, durch Änderung der Konzentration zum Ziel zu kommen, Auch hier ist positiv wirkende Konzentrationserhöhung mit negativ wirkender Viskositätserhöhung gekoppelt. Harzige oder dickflüssige Schmelzen müssen mit Lösungsmitteln verdünnt werden. Lösungen sind - schon um mit Sicherheit Übersättigung zu gewährleisten - einzuengen. In Zahlreichen Fällen führt ein Wechsel des Lösungsmittels zu spontaner Keimbildung. Bringen diese Maßnahmen keinen Erfolg, ist eine weitere Reinigung der Substanz nötig. Impfkristalle erhält man in vielen Fällen z. B. dadurch, daß man einige Tropfen der konzentrierten Lösung mit verschiedenen nicht mischbaren Lösungsmitteln im Reagenzglas verreibt, also auswäscht, oder mit einem mischbaren schlechten Lösungsmittel portionsweise ausfällt und vom Niederschlag jeweils abgießt, oder durch Dünnschichtchromatographie (siehe S. 91; der Substanzfleck kann ohne Elution zu- 70 Allgemeine Arbeitsanweisungen sammen mit dem abgeschabten Trägermaterial zu einer Reagenzglasprobe gegeben werden). - Sehr kristallisationshemmend sind Schliff-Schmiermittel. Schon deshalb sollte man Schliffverbindungen nur sparsam damit einreiben (eventuell das untere Viertel ganz frei lassen) und außerdem Flüssigkeiten nicht über noch geschmierte Schliffe ausgießen. Schließlich gibt es Verbindungen, die trotz Anwendung aller Tricks erst nach wochenlangem Warten auskristallisieren. Amorphe Festkörper müssen zum Kristallisieren übersättigt gelöst werden. - Da die Kristallisation aus der Schmelze meist zu sehr unsauberen Substanzen führt, sind auch ölige Produkte möglichst vorher in Lösung zu bringen. Das Wachstum der Kristallkeime hat in unterkühlten Schmelzen ein Maximum zwischen 30 und 5O0C unterhalb des Schmelzpunkts. Filtrieren, Absaugen und Zentrifugieren Grobkörnige, schwere Niederschläge lassen sich am einfachsten durch Dekantieren, das heißt Abgießen, mehr oder weniger unvollkommen von überstehender Flüssigkeit befreien. Zweckmäßig stellt man dafür das Gefäß schon zur Sedimentation möglichst schräg geneigt in einen Korkring. Für die Anwendung der drei weiteren Trennungsmöglichkeiten fester von flüssigen Substanzen gelten ganz allgemein folgende Richtlinien: Filtrieren dann, wenn es auf die flüssige Phase ankommt. (Waschen größerer Rückstände direkt im Trichter ist kaum möglich.) Absaugen, wenn es auf die feste Phase ankommt. (Waschen größerer Rückstände direkt im Trichter ist gut möglich.) Zentrifugieren, wenn der Niederschlag sehr fein dispers ist oder die Mengen sehr klein sind. (Waschen der Rückstände ist sehr gut möglich.) Filtrieren: Zum Filtrieren werden in der organisch-präparativen Chemie fast ausnahmslos weiche Filtrierpapiere verwendet. Die Rundfilter sind nach dem Einlegen in den Glastrichter mit dem auch im Filtriergut vorhandenen Lösungsmittel anzufeuchten und am oberen Rand fest anzudrücken. (Trichter zur Vermeidung der Krustenbildung am Filterrand so groß wählen, daß oberhalb des Filters noch l bis 2cm frei bleiben.) Sollte das Filtrat anfangs trüb ablaufen und erst später, nachdem sich die größten Papierporen verstopft haben, klar werden, gießt man den unsauberen Anteil noch einmal aufs selbe Filter. Einige Probleme können beim Filtrieren heiß gesättigter Lösungen durch im Trichter auskristallisierende Feststoffe entstehen. Sie lassen sich weitgehend ausschalten, wenn man stets folgende Hinweise beachtet: Trichter mit sehr kurzem, nicht zu engem Auslaufrohr verwenden. Trichter bis zum letzten Moment vor seiner Benutzung im Trockenschrank vorwärmen. (Es gibt auch spezielle Dampf- und Heißwasserhei- Absaugen 71 zungen.) Filtriergut bis unmittelbar vor dem Aufgießen kräftig sieden lassen (dann unbedingt erst Flamme löschen!) und zwischendurch immer wieder ins heiße Bad (ohne Flamme!) stellen. (Griffige Wärmeschutz-Handschuhe anziehen.) Filtriergut im Trichter zur Einschränkung der Verdampfung mit Uhrglas abdecken. Verstopfen auskristallisierende Substanzen trotzdem das Filter, muß es mit frischem Lösungsmittel ausgekocht werden. Größere Volumina können rascher durch Faltenfilter filtriert werden. Wenige, auf wässeriger Phase schwimmende, ölige Flüssigkeitstropfen lassen sich bei einiger Vorsicht in wasserdurchtränkten Filtern zurückhalten. Absaugen: Das Absaugen ist in der organischen Chemie das bevorzugte Trenn verfahren. Man benutzt dazu im Normalfall die auf Abbildung 56 a gezeigte Apparatur aus Porzellannutsche (Saugtrichter) mit eingelegtem Rundfilter, Gummidichtung und dickwandiger, an die Wasserstrahlpumpen-Anlage angeschlossener Saugflasche. Das Rundfilter soll in der Regel auch hier aus weichem Papier bestehen. Die Nutsche gibt es in verschiedenen Ausführungen. Neben dem meist üblichen zylindrischen Büchner-Trichter (Abbildung 56 a) verwendet man zur Isolierung geringer Mengen fester Stoffe (unter etwa 3 g) aus viel Flüssigkeit ebenfalls aus Porzellan gefertigte konische Hirsch-Trichter (Abbildung 56 c). Nutschen aus Glas lassen sich leichter auf Sauberkeit kontrollieren. Für Substanzen, die das Filtrierpapier angreifen (z.B. starke Säuren und Laugen) muß eine Glasfilternutsche mit fein porösem Sinterglasboden (sogenannter „Fritte"; Abbildung 56b) benutzt werden. (Porenweite G 3 ! ist für die meisten Zwecke richtig.) Auch Glasfritten werden von heißer konzentrierter Natronlauge oder Phosphorsäure angegriffen. Ihre Reinigung kann Schwierigkeiten bereiten. (Als letztes Mittel führt oft konz. Schwefelsäure mit ganz wenig Natriumperoxid zum Erfolg.) Abb. 56 a) 200-ml-Saugflasche mit Gummimanschette und Porzellannutsche; b) Glasnutsche mit Fritte; c) 10-ml-Saugrohr mit eingestellter Vorlage, Gummistopfen und Porzellannutsche; d) Porzellannutsche mit Gummimanschette und geradem Vakuumvorstoß Typenbezeichnung der Firma Schott & Gen. 72 Allgemeine Arbeitsanweisungen Die Saugflasche soll, damit nicht Teile des Filtrats direkt in die Pumpenanlage gesaugt werden können, den Vakuumanschluß möglichst hoch angesetzt haben. Für kleinere Mengen ist das Saugrohr (Saugreagenzglas, Saugfinger) am Platz, in das man, falls das Filtrat weiterverarbeitet werden soll, zweckmäßigerweise ein Reagenzglas stellt; Abbildung 56c. (Zu kurze Auffanggläser sind durch ein passendes Korkstück anzuheben.) An Stelle der Nutsche kann hier ein Glastrichter mit passendem gelochtem Porzellanplättchen als Filterauflage benutzt werden. Wenn die Aufarbeitung des Filtrats geplant ist, eignet sich besonders die Kombination einer Nutsche mit dem geraden Vakuumvorstoß gemäß Abbildung 56 d. Als Dichtung sind gut passende konische Gummimanschetten (s. Abbildung 56 a, d) den dicken gelochten Gummischeiben vorzuziehen. Das Absaugen geht so vor sich: Man setzt die Apparatur zusammen, legt ein passendes Filter ein, stellt die Wasserstrahlpumpe an, befeuchtet das Filter und drückt es glatt, bis es völlig dicht aufliegt. Nun öffnet man den Hahn der Sicherheitsflasche weitgehend. (Der Unterdruck soll - speziell bei feinkörnigem Material - nur gering sein, damit es weder zum Aufsieden des Filtrats im Sauggefäß, noch zur Verstopfung des Filters durch ausfallende Substanzen kommt.) Die Suspension wird - anfangs auf die Mitte des Filters - aufgegossen. Oft muß man dann die Nutsche erst in die Saugflasche drücken, bevor sie sich selbst festsaugt. Stört ein Verdünnen mit Lösungsmittel, spült man die Reste im Vorratsgefaß mit bereits durchgelaufenem Filtrat aufs Filter. (Während der Substanzaufgabe soll der Rückstand nicht trockengesaugt werden.) Ist zum Schluß die Hauptmenge der Flüssigkeit abgesaugt, preßt man den halbtrockenen Filtrierkuchen zur Entfernung weiterer Flüssigkeitsreste mit einem Spatel oder umgekehrten Glasstopfen in der Nutsche fest. Vor allem müssen entstehende Risse sofort zugedrückt werden. - Es ist nicht ratsam, so lange Luft durch den Rückstand zu saugen, bis dieser völlig trocken ist, da dann die Verunreinigungen ebenfalls ausfallen, sich Staub ablagert und die Autooxidation gefördert wird. Wo es die Löslichkeitsverhältnisse erlauben, kann man noch anhaftende schwerflüchtige Lösungsmittel durch leichtflüchtige verdrängen (beispielsweise höhere Homologe durch niedere, Wasser durch Methanol, Alkohole durch Ether). In den weitaus meisten Fällen ist ein Waschen des Rückstands nötig. Man stellt dazu die Wasserstrahlpumpe ab, schabt nötigenfalls die noch feuchte Kristallmasse Schicht für Schicht vorsichtig, ohne das Filter zu verletzen, auf, teigt sie in der Nutsche mit der eben nötigen Flüssigkeitsmenge zu einem dicken Brei an und saugt dann die Waschlösung scharf ab. Feste Kristallklumpen und grobe Kristalle, die Verunreinigungen einschließen, werden in der Reibschale zerkleinert und angeteigt. Als Waschflüssigkeit nimmt man im allgemeinen das gleiche Lösungsmittel, das schon im Filtrat vorliegt. Sollte sich in diesem das Produkt zu leicht lösen, kühlt man es vorher (z. B. im EisKochsalz-Bad). — Sorgfältiges, eventuell ein- bis dreimal wiederholtes Waschen hat einen hohen Reinigungseffekt, der nicht selten sogar ein weiteres Umkristallisieren erspart! Die Unsitte, gleichzeitig zu saugen und Waschflüssigkeit aufzugießen, vermindert meistens nur die Ausbeute. Anschließend wird der Filterkuchen sofort auf ein Uhrglas gestürzt und das feuchte Zentrifugieren 73 Filter abgezogen. Würde man das Filter antrocknen lassen, ließe sich eine Verunreinigung durch Papierfasern nicht vermeiden. Heiße Lösungen, die nur ganz wenig feste Verunreinigungen enthalten, lassen sich mit einiger Vorsicht sehr schnell mit der Nutsche klären. Man braucht dazu eine Saugflasche, die mindestens das Doppelte des Filtrats faßt, und einen sehr großen Büchner-Trichter. Die Saugflasche muß aus thermoresistentem Glas bestehen und auf eine wärmeisolierende Unterlage (z. B. Holz) gestellt werden. Die Nutsche ist im Trockenschrank vorzuwärmen. - Man gießt die kochendheiße Lösung (nach dem Löschen aller Flammen!) bei ausnahmsweise vollem Wasserstrahlvakuum derart auf die Mitte der Nutsche, daß das Filter zum Teil frei bleibt, also ständig Luft mit durchgesaugt wird. Muß unterhalb der Raumtemperatur abgesaugt werden, kühlt man die Nutsche in der Tiefkühltruhe oder - geschützt durch einen eng anliegenden Kunststoffbeutel im Kältebad vor. Für besondere Fälle stehen Heiznutschen zur Verfügung, durch deren hohle Wandungen sowohl heißes Wasser als auch Kühlsole langsam durchgedrückt oder durchgesaugt werden kann. Zentrifugieren: Beim Zentrifugieren werden suspendierte Feststoffe nicht durch Filter, sondern allein aufgrund ihrer höheren Dichte abgetrennt. Dieses Verfahren ist immer dann am Platz, wenn die festen Teilchen sehr fein dispers sind oder sehr kleine Mengen quantitativ abgeschieden und gewaschen werden sollen (oder das Filtriergut das Filter beziehungsweise die Glasfritte zersetzt). J Abb. 57 Spitzes 15-ml-Zentrifugenglas Die Suspensionen kommen in spezielle, für geringe Feststoffmengen unten spitz zulaufende (siehe Abbildung 57) Zentrifugengläser, die ihrerseits in den Rotor der Zentrifuge eingesteckt werden. (Reagenzgläser sind nicht geeignet!) Um schwere Unfälle und Beschädigungen des Lagers auszuschalten, muß man die jeweils gegenüberliegenden Gläser - bei den üblichen Laborzentrifugen auf weniger als ein Gramm genau - gegeneinander austarieren \ Läuft die Zentrifuge ungleichmäßig, ist sofort abzuschalten. Man läßt so lange rotieren, bis sich die Feststoffe als kompakter Kuchen abgesetzt haben und die überstehende Flüssigkeit völlig klar ist. Es ist falsch, den Rotor zur Verkürzung der Auslaufzeit zum Schluß zu bremsen, weil dadurch sowohl das Drehlager gefährdet, als auch die abgeschiedene Substanz wieder aufgewirbelt werden kann. 74 Allgemeine Arbeitsanweisungen Anschließend wird die Flüssigkeit abgegossen; letzte Reste kann man mit einem Filtrierpapierröllchen wegsaugen. Zum Waschen braucht der Rückstand nicht aus dem Zentrifugenglas genommen zu werden. Für die üblichen Arbeiten im Praktikum reicht in den meisten Fällen eine einfache Handzentrifuge aus. In Ultrazentrifugen lassen sich bei mehreren zehntausend Umdrehungen pro Minute sogar echt gelöste Makromoleküle abscheiden. Der zeitliche Ablauf des Sedimentationsvorgangs kann in seinen einzelnen Phasen photographiert und zur Reinheitsprüfung oder Molekulargewichtsbestimmung ausgenutzt werden. Umkristallisieren Das Umkristallisieren, manchmal auch als Umlösen bezeichnet, ist das wichtigste Reinigungsverfahren für Feststoffe. Es beruht darauf, daß unsaubere Substanz in einem siedenden Lösungsmittel gelöst wird und daraus in der Kälte gereinigt wieder auskristallisiert, während die beigemengten Verunreinigungen entweder in der Mutterlauge gelöst bleiben oder auch in der Siedehitze unlöslich sind, also vor dem Auskristallisieren abfiltriert werden können. Der Erfolg dieser Operation ist allein von der Auswahl des Lösungsmittels abhängig, für die hier folgende Richtlinien gelten: Die Substanz soll sich in der Kälte möglichst wenig, in der Siedehitze dagegen gut lösen. Die störenden Begleitstoffe sollen entweder in der Kälte gut löslich sein oder auch in der Wärme ungelöst bleiben. Das Lösungsmittel soll einen günstigen Siedepunkt haben. Tiefe Siedepunkte (E t her, Methylenchlorid, Aceton) verringern die nutzbare Temperatur spanne; hohe (Dimethylformamid, Essigsäure, Toluol) erhöhen sie, verlangen jedoch entsprechend temperaturstabile Verbindungen und erschweren das spätere Abdestillieren. Wenn möglich, soll der Siedepunkt nicht höher liegen, als der Schmelzpunkt der Substanz, da sich diese sonst beim Abkühlen ölig ausscheidet, Kristallisationen aus der Schmelze aber nur zu sehr unreinen Produkten führen. Wegen des besonders steilen Anstiegs der Löslichkeit/Temperatur-Kurven nahe am Siedepunkt erhitzt man beim Umkristallisieren immer bis zum Sieden. Unter diesen Gesichtspunkten ist das Lösungsmittel durch Vorversuche zu ermitteln. Dabei sollte man prinzipiell halbquantitativ arbeiten. Das heißt, man übergießt in großen Reagenzgläsern jeweils ungefähr die gleiche Menge gut zerkleinertes Rohprodukt mit einem abpipettierten Volumen Lösungsmittel - im Normalfall eine halbe Spatelspitze (etwa 25 mg) mit einem Milliliter - und schüttelt einige Minuten. Löst sich die Substanz nicht oder fast nicht, gibt man ein kleines Siedesteinchen zu und kocht kurze Zeit gelinde im Wasserbad beziehungsweise höher siedende Lösungsmittel mit der nötigen Vorsicht über einer winzigen Bunsenflamme (langes Reagenzglas benutzen). Geht die Probe dabei in Lösung, untersucht man, wieviel weitere Spatelspitzen unter ganz schwachem Sieden noch gelöst werden können. - Hinweise Umkristallisieren 75 über eine gezielte Auswahl der Lösungsmittel liefert die mixotrope Reihe S .716. Am besten probiert man zuerst nur die am häufigsten verwendeten aus, nämlich: Wasser, Ethanol, Essigester, Toluol, Benzin und geht dann folgerichtig zu den Zwischengliedern der mixotropen Reihe über. Nur wenn sich auch unter diesen kein geeignetes Lösungsmittel finden läßt, sollte man versuchen, mit einem Lösungsmittelgemisch zum Ziel zu kommen. Das richtige Mischungsverhältnis bekommt man, indem man entweder den Feststoff im besseren Lösungsmittel löst und in der Siedehitze so viel von dem schlechteren zutropft, wie ohne Ausfallung möglich ist - oder umgekehrt die im schlechteren Lösungsmittel suspendierte Substanz in der Siedehitze durch geduldiges schrittweises Zusetzen des besseren gerade eben zur Auflösung bringt. Man beachte, daß der Solvatationscharakter eines Lösungsmittelgemisches durchaus nicht immer zwischen dem der reinen Einzelkomponenten zu liegen braucht. Die im Vorversuch benutzte Substanz wird von den Lösungsmitteln befreit und zur Hauptmenge zurückgegeben. Für das eigentliche Umkristallisieren versetzt man die Rohsubstanz - nachdem man einige Impfkristalle zurückbehalten hat! - in einer passenden Rückflußapparatur (Größe nach Vorversuch abschätzen; eher zu groß als zu klein wählen) zuerst nur mit einem deutlichen Unterschuß an Lösungsmittel, kocht einige Minuten, unterbricht, gibt weiteres Lösungsmittel durch den Kühler zu (bei brennbaren Flüssigkeiten Flamme löschen; Trichter benutzen, damit nichts ins Bad fließt; neue Siedesteine einwerfen !), kocht erneut und wiederholt diesen Vorgang so oft, bis sich die Substanz in einem geringen Überschuß gelöst hat. Für Analysenpräparate empfiehlt sich eine stärkere Verdünnung; man erhält dann reinere Produkte. Große Kristalle (die sich nur sehr langsam lösen) oder unlösliche Rückstände können dazu verleiten, weitaus zu viel Lösungsmittel einzugießen. Im Zweifelsfalle dekantiere man ab und verbuche, den Rest getrennt in Lösung zu bringen. Durch unerwünschte Begleitstoffe gelb bis braun gefärbte oder getrübte Lösungen sind an dieser Stelle mit Hilfe von Adsorbenzien zu entfärben beziehungsweise zu klären; siehe speziellen Abschnitt S. 77. - In der Siedehitze unlösliche Verunreinigungen werden abfiltriert. Dann läßt man die Lösung am besten unbehelligt abkühlen und in Gegenwart einer Spur der anfangs zurückbehaltenen Impfkristalle die gereinigte Substanz sich kristallin ausscheiden. Anschließendes Einstellen in den Kühlschrank, die Tiefkühltruhe oder ein Kältebad vergrößert den Ertrag (aber auch die Gefahr, daß unerwünschte Begleitstoffe mit ausfallen). Man beachte den Kristallisationsvorgang: Scheiden sich anfangs gefärbte, unsaubere Kristalle ab, dekantiert man die überstehende Mutterlauge zur weiteren reineren Kristallisation in ein zweites Gefäß. Fallen tiefschmelzende Verbindungen als Tröpfchen aus, kocht man - notfalls nach Zusatz von weiterem Lösungsmittel erneut auf und sorgt dann durch Umwickeln des Gefäßes mit Tüchern oder besser Einstellen in ein großes Bad mit heißem Wasser für sehr langsame Abkühlung. Die Impfkristalle müssen in diesem Fall so oft zugegeben werden, bis sie gerade nicht mehr schmelzen oder in Lösung gehen. 76 Allgemeine Arbeitsanweisungen Ist die Kristallisation (manchmal erst nach mehreren Tagen) beendet, wird mit der Nutsche getrennt und der Rückstand gewaschen. An den Kristallen zäh haftende ölige Verunreinigungen können auf einem unglasierten Tonteller entfernt werden. Man breitet dazu die Substanz mehrmals hintereinander über den Teller aus, ohne sie dabei zu zerdrücken oder fest anzupressen! und wartet, bis der kapillaraktive Ton alle zähflüssigen Bestandteile abgesaugt hat. Einige Lagen glattes Filtrierpapier leisten ähnliche Dienste. (Aufpassen, daß nicht Schmutz, Wachs oder Farbe vom Labortisch durchs Papier schlägt.) Der Tonteller wird auch oft dafür verwandt, kleine Substanzmengen zur Schmelzpunktbestimmung rasch von restlicher Mutterlauge zu befreien und dann durch Auftropfen von frischem Lösungsmittel direkt auf dem Teller zu waschen (siehe S. 117). Mutterlauge und Waschflüssigkeiten dürfen, da sie noch erhebliche Anteile der gewünschten Verbindung enthalten können, in der Regel nieht weggegossen werden, sondern sind zu vereinigen, wiederum zu einer annähernd heiß gesättigten Lösung einzudampfen und zur Kristallisation abkühlen zu lassen. Die so gewonnenen weiteren Kristallfraktionen sind meist weniger rein, können also nicht ohne weiteres mit dem primären Kristallisat vereinigt werden. In Ausnahmefällen gelingt es, durch mehrfaches Umkristallisieren aus der von Mal zu Mal weiter eingeengten Mutterlauge neben der ersten noch eine zweite Verbindung rein zu erhalten. Durch die sogenannte ,fraktionierte Kristallisation"'' werden mehrere nach diesem Prinzip gewonnene Kristallfraktionen zur weiteren Trennung erneut umkristallisiert und zwar unter Benutzung jeweils der Mutterlauge der vorhergehenden Fraktion als Lösungsmittel für die darauffolgende. Verbindungen, die sich in allen Lösungsmitteln auch bei deren Siedetemperatur nur ungenügend lösen und längeres Erhitzen unbeschadet vertragen, können im Heißextraktor (siehe S. 59) umkristallisiert werden. Sie fallen dabei aus der heiß gesättigten Lösung im Siedekolben aus. Das Umkristallisieren ist so oft zu wiederholen, bis der geforderte, anhand des Schmelzpunkts (siehe Kapitel 18) leicht nachzuprüfende Reinheitsgrad erreicht ist. Abschließend sollten die gereinigten Kristalle zur Kontrolle und zur Beschreibung ihrer Struktur für das Arbeitsprotokoll möglichst unter dem Mikroskop oder einer stärkeren Lupe betrachtet werden. Umfallen Verbindungen, die nicht umkristallisiert werden können, weil sie sich in der Wärme zersetzen oder weil ihre Löslichkeit nicht mit der Temperatur zunimmt, lassen sich manchmal durch Umfallen reinigen. Man versetzt dazu die kalte Lösung des Stoffs behutsam so lange mit einem zweiten mischbaren schlechteren Lösungsmittel, bis gerade eine erste Trübung zu erkennen ist. Es scheiden sich dann nach einiger Zeit (manchmal nach mehreren Stunden) Kristalle aus. Diese sind auf jeden Fall erst abzutrennen, bevor man durch Wieder- Entfärben und Klären von Lösungen 77 holung der Prozedur versucht, weitere (häufig stark verunreinigte) Kristallfraktionen zu gewinnen. Beispiele für geeignete Lösungsmittelpaare sind (siehe S. 110): Methanol, Ethanol oder Aceton plus Wasser; Aceton, Essigester, Ether oder Chloroform plus Methanol oder Petrolether. Entfärben und Klären von Lösungen Organische Zersetzungsprodukte, die als gelbe bis braune Verfärbungen oder nicht abfiltrierbare kolloide Trübungen zu erkennen sind, können (wegen ihrer Neigung, sich an die aktiven Kristallzentren anzulagern) die Kristallisation aus Lösungen erheblich stören. Da es sich bei diesen Verunreinigungen fast ausschließlich um Polymere handelt, die aufgrund ihrer Größe besonders adsorptionsaktiv sind, bietet der Zusatz von Adsorbenzien meist ein bequemes Mittel zu ihrer Beseitigung. Wegen der sehr guten Adsorptionseigenschaften und chemischen Indifferenz wird zum Entfärben fast ausschließlich Aktivkohle benutzt. Ihre Wirksamkeit ist in polaren Lösungsmitteln am größten und nimmt in der Reihenfolge: Wasser > Methanol > Ethanol > Aceton > Chloroform ab. Zur Beseitigung selbst feinster Trübungen hat sich neben Aktivkohle Kieselgur (Diatomeenerde, „Celite") besonders bewährt. Daneben ist für die gleichen Zwecke auch Filterschnitzelbrei (in der Reibschale lösungsmittelfeucht zerfasertes Filtrierpapier) geeignet. Im allgemeinen werden diese Hilfsstoffe den zu reinigenden Lösungen in der Hitze zugesetzt, mindestens 10 bis 15 min mitgekocht und dann heiß abfiltriert. Man darf jedoch Adsorbenzien nie zu überhitzten Lösungen geben; sie heben Siedeverzüge fast explosionsartig auf! Aus Aktivkohle werden außerdem in der Wärme größere Mengen Luft freigesetzt, die die Flüssigkeit heftig aufschäumen lassen! Man läßt deshalb kochende Lösungen erst etwas abkühlen, schüttet dann das Adsorbens in kleinen (!) Anteilen unter Umschwenken ein und erhitzt nun erneut etwa drei min (nur hochviskose Systeme brauchen mehr Zeit) zum Sieden. Die oberflächenreichen Adsorbenzien fördern die Zersetzung, unnötig längeres Kochen sollte daher vermieden werden. Um unerwünschte Oxidationen zu verhindern, ist die Kohle bei Behandlung leicht oxidabler Verbindungen vorher durch Kochen mit wenig reinem Lösungsmittel zu entlüften. Falls beim anschließenden Heißfiltrieren die feinpulverisierte Kohle teilweise durchs Filter läuft, gibt man zusätzlich etwas Kieselgur oder Filterschnitzelbrei in die Lösung. Der gleiche Reinigungseffekt läßt sich erzielen, wenn man die Adsorbenzien ohne zu erwärmen bei Raumtemperatur einrührt; nur dauert es dann lange, bis sich das Adsorptionsgleichgewicht eingestellt hat. 78 Allgemeine Arbeitsanweisungen Zur Beseitigung leichter Trübungen oder schwacher Verfärbungen reicht meist eine Spatelspitze Kohle pro 100 ml Lösung aus. Als Tröpfchen ausfallende ölige Schmieren erfordern wesentlich mehr. Nimmt man zu viel, besteht die Gefahr, daß erhebliche Anteile des Hauptprodukts mit adsorbiert werden, deren Rückgewinnung (durch Desorption mit möglichst unpolaren Lösungsmitteln) Schwierigkeiten bereitet. Zonenschmelzen Das Zonenschmelzen * basiert auf der Tatsache, daß unreine Feststoffe tiefer schmelzen als reine. (Bildung von Eutektika.) In der Praxis füllt man die zu reinigende Substanz in ein dünnes, langes Rohr und zieht dieses ganz langsam nach unten durch einen kleinen elektrischen Ringofen mit einer oder mehreren übereinander liegenden schmalen Heizzonen, deren Temperatur den Feststoff gerade eben zum Schmelzen bringt. Dabei reichern sich die Verunreinigungen vorzugsweise in den flüssigen Bereichen an und wandern mit diesen zum oberen Rohrende. Die Anwendung dieses Verfahrens beschränkt sich auf kleine Mengen entsprechend thermostabiler Verbindungen mit nur geringen Anteilen an Fremdstoffen, führt dann jedoch zu sehr reinen Produkten. Chromatographie Allen chromatographischen Verfahren ist gemeinsam, daß das aufzutrennende Substanzgemisch mit speziellen Lösungsmitteln oder in Gasform als „mobile Phase" über eine aus oberflächenreichen Feststoffen bestehende »stationäre Phase" hinwegströmt und dabei aufgrund unterschiedlicher Affinitäten zu den beiden Phasen in seine Komponenten zerlegt wird. 2 Je nach den praktischen Anwendungsformen unterscheidet man zwischen: Säulenchromatographie, Dünnschichtchromatographie, Papierchromatographie, Gaschromatographie und Flüssigchromatographie. 1 H.Schüdknecht, Zonenschmelzen, Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1964; G.Hesse und H. Schildknecht, Angew. Chem. 68, 64 (1956). G. Hesse, in Methoden der Analyse in der Chemie, Band 6, Academische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main. E. Heftmann, Chromatographie, Reinhold Publ. Corp., New York. 2 Arten der Chromatographie 79 In der Säulenchromatographie fließt die mobile Phase durch senkrecht stehende, mit fein- bis grobkörnigen Feststoffen gefüllte Glasrohre. Schichtchromatographie (mit flächenartig auf Platten fixierter stationärer Phase) und Papierchromatographie (mit speziellem Filtrierpapier als festem Träger) sind sogenannte „offene Systeme" bei denen das Lösungsmittel durch Kapillarkräfte über die vorher aufgetragenen Substanzgemische hinweggezogen wird. Bei der apparativ anspruchsvolleren Gaschromatographie werden die Stoffgemische gasförmig von einem Trägergas rasch durch längere dünne Rohre transportiert. Der analoge Vorgang mit flüssigen Phasen wird als Flüssigchromatographie bezeichnet. Die physikalisch-chemischen Phänomene, die diesen Anwendungstechniken zugrunde liegen, sind: Adsorption, Verteilung, lonenaustausch und Hohlraumdiffusion (Gelchromatographie). Das Adsorptionsverfahren wird meistens zur Isolierung lipophiler Substanzen eingesetzt. Dem Verteilungsverfahren sind vorwiegend Gemische polarer, also weniger lipophiler Stoffe zugänglich. Beim lonenaustausch verfahren werden elektrisch geladene Teilchen nach Maßgabe ihrer Ladungsmenge voneinander getrennt. Das Hohlraumdiffusionsverfahren macht Trennungen aufgrund unterschiedlicher Molekülgröße möglich. - Diese vier Prinzipien treten nie völlig rein in Erscheinung, jedes wird stets mehr oder weniger stark von den übrigen überlagert. Wesentliches Merkmal der Chromatographie ist, daß bei ihr (durch Anwendung einer sehr oberflächenreichen stationären Phase) die Zahl der offenen Gleichgewichtsschritte und damit der Wirkungsgrad außerordentlich hoch ist. Adsorptionschromatographie Bei der Adsorptionschromatographie1 besteht die stationäre Phase aus fein gepulverten, standardisierten Adsorptionsmitteln. Diese halten während des Chromatographievorgangs die im Lösungsmittel vorbeiströmenden Substanzen entsprechend deren Verhalten im Adsorptionsgleichgewicht verschieden stark zurück. Unterscheiden sich die Einzelkomponenten genügend in ihren Affinitäten zum Adsorbens, kommt es dabei zur Ausbildung diskreter Substanzzonen, welche sich im Laufe ihrer Wanderung immer weiter voneinander entfernen. Abbildung 58 läßt die Ausbreitung zweier verschieden stark adsorbierter Substanzzonen im Chromatographierohr erkennen. Im Idealfall (a) würden die einzelnen Zo- 1 G.Hesse, Methoden der Organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4.Aufl., Bd. ///, S. 465, Thieme, Stuttgart 1958. 80 Allgemeine Arbeitsanweisungen Laufrichtung *• Abb. 58 Ausbreitung zweier Substanzzonen bei der Adsorptionschromatographie; a) im Idealfall, b) unter Berücksichtigung von Diffusion und unvollständiger Gleichgewichtseinstellung; c) im Realfall (rechts stärker, links weniger stark adsorbierte Substanz) nen mit einheitlicher Konzentrationsverteilung und konstanter Breite - die um so größer ist, je geringer die Substanz festgehalten wird - durch die ganze Säule wandern. Tatsächlich lassen Diffusion (abnehmend) und unvollständige Gleichgewichtseinstellung (zunehmend mit wachsender Chromatographiegeschwindigkeit) diese rechteckigen Konzentrationsprofile glockenförmige Gestalt (Gauß-Verteilung) annehmen (b). Da die meisten Substanzen keine linearen, sondern gekrümmte Adsorptionsisotherme haben, das heißt in verdünntem Zustand relativ stärker festgehalten werden, ziehen sie einen (während der Wanderung immer länger werdenden) Schwanz hinter sich her (c). Von einigen Ausnahmen abgesehen werden für die Adsorptionschromatographie nur polare (oxidische) Adsorbenzien verwandt. An diesen haften die Adsorbate naturgemäß um so stärker, je polarer oder polarisierbarer sie sind. Gesättigte Kohlenwasserstoffe werden praktisch nicht festgehalten. Die Wirkung funktioneller Gruppen - die etwa in der Reihenfolge: -Hal<-OCH3<-N02; -N(CHa)2OCO2CH3; -COCH3; -CHCK-NH2; -OH<C02H zunimmt - wird wesentlich von der Gesamtstruktur der Moleküle mitbestimmt. Doppelbindungen erhöhen, wenn sie isoliert auftreten, die Adsorption kaum; ihr Einfluß wächst in konjugierten und aromatischen Systemen rasch an und kann sehr erheblich werden, wenn diese auch noch mit batochromen (farbvertiefenden) Substituenten in Konjugation stehen. Von den zahlreichen für die Chromatographie ausprobierten und im Handel erhältlichen Adsorbenzien kommt den universell anwendbaren Aluminiumoxiden und Kieselgelen bei weitem die größte Bedeutung zu. Aluminiumoxid wird nicht nur in neutraler Form, sondern auch als „basisches" (AlO ~ -haltig) und als „saures" Aluminiumoxid (Al + -haltig) verwendet. Diese Sorten Adsorptionschromatographie, eluotrope Reihe 81 gestatten ein Ausweichen, wenn saure oder basische Trennsubstanzen vom amphoteren neutralen Aluminiumoxid zu fest als Salze gebunden würden. (Schüttdichte ca. l ml/g.) - Die hohe Adsorptionskraft der scharf getrockneten Aluminiumoxide kann durch Belegen der aktivsten Stellen mit Wasser in gewünschtem Umfang herabgemindert werden. Nach einer Standardisierung unterscheidet man folgende Aktivitätsstufen: Aktivitätsstufe Prozent Wasser I 0 II 3 III 6 IV 9 V 18 Zur gezielten Desaktivierung verteilt man die nötige Menge Wasser durch Umschwenken auf der Innenfläche einer Pulverflasche, gibt das Aluminiumoxid der Aktivitätsstufe I zu, verschließt die Flasche, schüttelt bis der Inhalt homogen fließt und wartet mehrere Stunden. Kieselgel (Silikagel) ist ebenfalls ein kräftiges Adsorptionsmittel; seine Aktivität kann je nach Herstellerfirma stark schwanken. Wässerige Aufschlämmungen reagieren schwach sauer. (Schüttdichte ca, 2 ml/g.) - Die seltener verwendeten Kieselgure (Diatomeenerde; „Celite") adsorbieren nur schwach. Zur Erhaltung ihrer Aktivität sind diese Adsorbenzien sorgfältig vor Luftfeuchtigkeit zu schützen. Die auf S. 85 beschriebenen Dextrangele sind ebenfalls als Adsorbenzien geeignet. Das die mobile Phase bildende „Fließmitter übt einen zweifachen Einfluß auf die Trennung aus: Erstens - und hauptsächlich - tritt es als Konkurrent um die aktiven Adsorptionsstellen auf, zweitens zieht es aufgrund seines Solvatisierungsbestrebens die Substanzen an sich. Für seine Auswahl leistet die empirisch ermittelte eluotrope Reihe gute Hilfe. In ihr sind die Lösungsmittel nach zunehmender Adsorptionstendenz (Eluierkraft) an polaren Adsorbenzien - also nach wachsender Polarität - angeordnet. Vergleiche mixotrope Reihe auf S.716. Petrolether < Cyclohexan (2,0) < Tetrachlorkohlenstoff (2,3) < Trichlorethylen (2,1) < Toluol (2,3) < Benzol (2,2) < Methylenchlorid (8,4) < Chloroform (5,1) < Diethylether (4,4) < Essigester (6,1) < Pyridin (12,4) < Aceton(21,5) < n-Propanol (22,2) < Ethanol (25,8) < Methanol (31,2) < Wasser (81,0). In Klammern: Dielektrizitätskonstanten. (Für unpolare Adsorptionsmittel, wie z. B. Kohle oder vernetztes Polystyrol, kehrt sich diese Reihenfolge gerade um.) Im allgemeinen versucht man bei den polaren Adsorbenzien zuerst mit Methylenchlorid oder Benzol zum Erfolg zu kommen. Laufen in diesen Solvenzien die Substanzen zu schnell, nimmt man für den nächsten Vorversuch ein weiter links stehendes Lösungsmittel; laufen sie zu langsam, nimmt man ein weiter rechts stehendes oder z. B. an Stelle von reinem Methylenchlorid solches, dem 2% Essigester oder gar Methanol zugesetzt worden sind. Grundsätzlich sollten nur sehr saubere Lösungsmittel verwendet werden. Die stark desaktivierenden hydrophilen Verunreinigungen wie das Wasser selbst (siehe Ak- 82 Allgemeine Arbeitsanweisungen tivitätsskala) und Alkohole lassen sich am einfachsten durch Filtration über eine trockene Aluminiumoxid-Säule entfernen (siehe S. 108). Man beachte, daß handelsübliches reines Chloroform 0,5 bis 1% Stabilisierungs-Alkohol enthält. Bei niedrigsiedenden Lösungsmitteln (Ether, Methylenchlorid, Petrolether) macht sich oft ein teilweises Verdampfen während des Chromatographierens störend bemerkbar. Aceton neigt in Gegenwart von Aluminiumoxid zur Eigenkondensation (Diacetonalkohol, Mesityloxid). Zusammenfassend gilt: Je polarer (polarisierbarer) die zu trennenden Substanzen, desto polarer (polarisierbarer) soll das Fließmittel und desto weniger aktiv das Adsorbens gewählt werden. Verteilungschromatographie Die Verteilungschromatographie1 hat sich besonders zur Trennung hydrophiler Substanzen bewährt. Sie bietet daher eine wertvolle Ergänzung zur Adsorptionschromatographie. Ihre Wirkung beruht auf einer Verteilung der Substanzen zwischen zwei flüssigen Phasen, von denen die eine an einem fein verteilten festen Träger fixiert ist und die andere an dieser vorbeiströmt. Im Gegensatz zur Adsorptionschromatographie ist hier das Fließmittel also immer ein Lösungsmittelgemisch. Eine mittelgroße Chromatographiesäule hat über 10000 „theoretische Böden". - Die physikalischen Grundlagen sind prinzipiell die gleichen wie bei der - bereits oben behandelten - multiplikativen Verteilung. Für die Konzentrationsverteilungen innerhalb der einzelnen Substanzen gilt die Kurve b der Abbildung 58 (Abweichungen zur Kurve c deuten auf Mitwirkung von Adsorption hin). Als Träger für die stationäre Phase werden benutzt: Spezielle Sorten Filtrierpapier. Cellulosepulver. (Dieses ist besonders geeignet zur Übertragung papierchromatographisch gewonnener Ergebnisse auf die Säulenchromatographie.) Silicagel und Kieselgur. Dextrangel (siehe S. 85). Die Lösungsmittelgemische bestehen aus einem weniger polaren organischen Anteil, in dem ein stark polarer — fast immer wässeriger — gelöst ist. Der Trägerstoff zieht aus dieser Mischung bevorzugt die polare Komponente an sich, so daß diese in der stationären Phase angereichert ist und die mobile Phase lipophileren Charakter hat. Aus der Fülle der ausprobierten seien hier einige besonders in der Papier- und Dünnschichtchromatographie altbewährte Lösungsmittelsysteme zusammengestellt: n-Butanol/Eisessig/Wasser (60:15:25; wegen Veresterung nicht lange haltbar) Phenol/Wasser (80:20; Vorsicht; ätzt sehr stark!) n-Propanol/Essigester/Wasser (60:10:30) Isopropanol/konz. Ammoniak/Wasser (60:30:10). 1 Siehe Literaturzitate 2 aus S. 78 und * aus S. 91. Verteilungs- und lonenaustauschchromatographie 83 Mit diesen Systemen können nur solche Verbindungen getrennt werden, die sich in der polaren stationären Phase wesentlich leichter lösen als in der mobilen. Dabei sind für stark polare Substanzen (z. B. Zucker) Lösungsmittelgemische mit stärker polarem, organischem Anteil zu benutzen. Um Gleichgewichtsverschiebungen zu unterdrücken, werden Säuren und saure Salze in sauren, Basen und basische Salze in neutralen oder schwach basischen Lösungsmitteln entwickelt. Im allgemeinen ist man bei der Wahl des geeigneten Mischungssystems auf die zahlreichen Literaturangaben1 oder auf Vorversuche (z.B. mit Dünnschichtchromatographie; siehe S. 91) angewiesen. Die Trennung hydrophober Substanzgemische durch Verteilungschromatographie ist kaum üblich. Sie verlangt „umgekehrte Phasen" ("reversed phases"), das heißt Systeme mit lipophiler stationärer und hydrophiler mobiler Phase. Das Trägermaterial muß zu diesem Zweck z. B. durch Imprägnieren mit Silicon- oder Paraffinöl oder durch partielles Acetylieren der Hydroxylgruppen des Papiers beziehungsweise des Cellulosepulvers hydrophobiert werden. Beim Fließmittel muß der wässerige Anteil überwiegen. lonenaustauschchromatographie Bei der lonenaustauschchromatographie 2 treten die Trennsubstanzen durch IonenBeziehungen mit der stationären Phase in Wechselwirkung. Die feste Phase besteht hier aus gekörnten (am besten perlförmigen) Kunstharzen vom Polystyrol-, PoIyvinyl- oder Bakelit-Typ mit sauren beziehungsweise basischen Substituenten oder aus Cellulose - einschließlich Filterpapier - und Dextrangelen (siehe S. 91), deren Hydroxylgruppen teilweise mit Säuren beziehungsweise Basen verethert sind. Saure und basische Aluminiumoxide haben ebenfalls Austauschereigenschaften. Kationenaustauscher enthalten stark saure Sulfonsäuregruppen, Carboxylgruppen oder (sehr selten) schwach saure phenolische Hydroxylgruppen, die sie zur Salzbildung mit Kationen befähigen: PoIy-SO3X+ PoIy-COs X+ Poly-arora-O' X+ 1 2 Siehe Literaturzitate 2 aus S. 78 und 1 aus S. 91. K. Dorfner, lonenaustausch-Chromatographie, 3. Aufl., Walter de Gruyter & Co, Berlin 1970; R. Grießbach und G.Naumann, Methoden der Organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. ///, S. 521, Thieme, Stuttgart 1958. 84 Allgemeine Arbeitsanweisungen Beispiele: stark [-SO3H] Amberlite IR 120 Dowex 50 Lewatit S 100 schwach [—COOH] Amberlite IRC— 50 Duolite CS 100 120 C 100 C maxt 120 C 150 C 120 C pH 1-14 1-14 1-14 mval/g 4,2 5,4 4,8 5-14 5-14 10 10,2 (max t = höchst zulässige Arbeitstemperatur; pH = zulässiger pH-Bereich; mval/g = Austausch-Kapazität) Anionenaustauscher enthalten stark basische quartäre Ammoniumgruppen oder schwach basische Aminogruppen, die Anionen festhalten: PoIy-N(R) 3 Beispiele: sehr stark [-N(CH3J3] Amberlite IRA-400 Dowex 1 Lewatit M 500 stark [—N(Alkyl)2Alkylol] Amberlite IRA-410 Dowex 2 Lewatit M 600 schwach [-N(R)2] Amberlite IR-45 Dowex 3 Lewatit MP 60 10O0C 650C 10O0C 1-9 1-9 1-9 5,0 5,5 6,3 Y- PoIy-N(R)2H Y- maxt 75 C 15O0C 7O0C 0 pH 1-14 1-14 1-14 mval/g 3,3 3,6 4,0 5O0C 15O0C 4O0C 1-12 1-14 1-14 3,1 3,7 3,7 Als Fließmittel, zur schrittweisen Elution der in lonenform gebundenen Substanzen, werden Säuren, Basen, Puffer oder Salze in wässerigen Lösungen benutzt, deren lonenkonzentrationen während des Entwickeins stufenweise oder besser kontinuierlich erhöht werden muß; siehe „Gradiententwicklung" S. 89. - Die lonenaustauschchromatographie ist hervorragend geeignet zur Trennung von Aminosäuren, Peptiden, Proteinen oder Nucleotiden. Alle Austauschharze haben Gelcharakter (mit zwei- bis dreifachem Quellvolumen je nach Vernetzungsgrad). Man beachte, daß sich ihre Volumina beim Austauschvorgang ändern können. - Die gequollenen Harze sind vor der ersten Benutzung unter Aufschlämmen in Wasser von kleinen Schwebeteilchen zu befreien sowie durch wiederholtes Umladen (zwischen „H-Form" beziehungsweise „OH-Form" und „Salzform") mit verdünnten Säuren und Basen oder Salzlösungen, am besten in einem Ionenaustauscher, Gelchromatographie 85 Chromatographierohr, zu aktivieren und in die gewünschte Anwendungsform zu bringen. Die Vorschriften hierfür sind je nach Harztyp verschieden; man halte sich an die Anweisungen der Herstellerfirmen. Gebrauchte Austauscher sind nach entsprechendem Umladen sofort wieder verwendungsfähig. Ihre Haltbarkeit ist (solange man sie feucht hält) praktisch unbegrenzt. Die Austauscherharze können auch außerhalb der Chromatographie eingesetzt werden: zur Entsalzung in Chromatographiesäulen („entsalztes Wasser") oder in Schüttelkolben („batchwise") oder als heterogene saure beziehungsweise basische Katalysatoren. Eine Sonderstellung zwischen den Adsorbenzien und Ionenaustauschern nehmen synthetische Polyamide * (Nylon, Perlon) ein. Sie halten H+-Donatoren wie vor allem Phenole durch Wasserstojförückenbindung zurück. Entwickelt wird hier mit wässerigen Lösungen von Alkohol < Aceton < Formamid < Dimethylformamid (steigende Elutionskraft), die als Konkurrenz-Akzeptoren wirken. Hohlraumdiffusion (Gelchromatographie) Eine chromatographische Trennung allein nach der Molekülgröße ist mit Hilfe poröser Trägermaterialien möglich2. In der Praxis benutzt man Dextrane (1,6-Polyglucosen), die durch Quervernetzung der Hydroxylgruppen (über Etherbrücken) in wasserunlösliche, aber quellbare Gele mit unterschiedlichen Porengrößen umgewandelt worden sind. Solche Dextrangele werden (zu ziemlich hohem Preis) gestaffelt nach Vernetzungsgrad in Form kleiner Perlen oder Körner unter dem Markennamen „Sephadex"3 angeboten. - Daneben sind auch mit N,]V'-Methylendiacrylamid vernetzte Polyacrylamidgele4 im Gebrauch. Das in Wasser gequollene Gel bildet die stationäre Phase, Wasser selbst die mobile. Während des Chromatographierens strömen die größeren Substanzmoleküle, welche oberhalb einer vom Vernetzungsgrad abhängigen ,Ausschlußgrenze", keine passenden Poren finden, ungehindert am Gel vorbei. Die kleineren finden dagegen auf ihrem Weg mit abnehmender Größe zunehmend mehr Zugang zu dem im Gelkorn befindlichen Wasser; ihnen steht neben dem „äußeren" auch noch ein „inneres Flüssigkeitsvolumen" zur Verfügung. Sie passieren die stationäre Phase also entsprechend langsamer als die größeren („Molekularsieb"-Wirkung). - Auch im organischen Lösungsmittel zu verwenden ist „Sephadex LH". Die Säulen-Gelchromatographie erfordert sehr lange Rohre (siehe S. 86). Über 1 2 3 4 H. Endres und H. Hörmann, Angew. Chem. 75, 288 (1963). H. Determann, Gelchromatography, 2.Aufl„ Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1969. Firma Pharmacia, Uppsala, Schweden; deutsche Vertretung in Frankfurt am Main. „Bio-Gel" der Firma: Bio-Rad Laboratories, Richmond/USA. 86 Allgemeine Arbeitsanweisungen die Vorbehandlung (Quellen) und Anwendung der verschiedenen Gelsorten unterrichtet man sich am besten aus den ausführlichen Firmenprospekten. Eingesetzt wird die Gelchromatographie vorwiegend zur Trennung mono-, oligound polymerer Syntheseprodukte oder Naturstoffe voneinander sowie zum Entsalzen hydrophiler Verbindungen. Mit Hilfe entsprechender bekannter Vergleichssubstanzen ist auch eine Molekularmassebestimmung von Makromolekülen möglich. Säulenchromatographie Die Säulenchromatographie wird vor allem zur Trennung größerer Chargen herangezogen. Ihr wesentlichster apparativer Teil, die Säule, besteht aus einem unten ver- Abb. 59 a) Chromatographiesäule mit aufgesetztem Tropftrichter; b) mit Mariottescher Flasche Säulenchromatographie 87 jungten Glasrohr mit eingelegter Siebplatte, eingeschmolzener Sinterglasscheibe oder (für enge Rohre besser und einfacher) einem Glaswattepfropfen als Boden; siehe Abbildung 59. Der tote Raum zwischen Boden und Auslaufrohr soll möglichst klein sein, das Auslaufrohr selbst nur einen Millimeter lichte Weite haben. Die Abmessungen dieser Säulen können, der Vielfalt ihrer Einsatzmöglichkeiten angepaßt, sehr unterschiedlich sein. Im Labor finden sowohl kurze Tropfpipetten als auch 20 cm dicke oder mehrere Meter lange Rohre Verwendung. Die jeweils optimale Größe kann nur durch Vorversuche (in verkleinertem Maßstab) ermittelt werden. — Im allgemeinen liegt das günstigste Verhältnis von Säulendurchmesser zu Säulenlänge zwischen l: 10 und l: 20 (für Gelchromatographie l: 100). Die Säulen sind exakt senkrecht aufzubauen, längere unter Benutzung eines Lotes. Sehr wichtig für den Erfolg der Chromatographie ist die völlig gleichmäßige Verteilung des Füllkörpers. Inhomogene stationäre Phasen lassen die Substanzen nicht als waagerechte Banden, sondern als gezackte, sich überlappende Zonen durchlaufen. Vor dem Füllen der Säule deckt man die Bodenplatte mit einem Rundfilter ab, beziehungsweise verschließt man den Auslauf mit einem kleinen Watte- oder Glaswattebausch in der Weise, daß man die Glaswatte mit dem Fließmittel zum Boden spült, den Auslauf schließt, etwas Fließmittel nachgießt und die Glaswatte dann mit einem Stab oder Schlauch blasenfrei waagerecht glatt drückt; siehe Abbildung 59. Es empfiehlt sich, darüber eine 2 cm hohe Schicht Seesand zu füllen. Für die Verteilungs-, die Ionen- und die Gelchromatographie wird das feste Füllmaterial stets naß m die Säule eingeschlämmt. Dazu stellt man sich mit Hilfe des später zu benutzenden Lösungsmittels eine gerade noch gut gießbare, klumpen- und blasenfreie Suspension her und schüttet diese an der Säuleninnenwand entlang so langsam ein, daß der Teil des Lösungsmittels, der den Brei zum Überlaufen bringen würde, zwischendurch unten abtropfen kann. (Eventuell klaren Überstand absaugen.) Wichtig ist, daß während des Füllens immer drei Schichten nebeneinander bestehen, nämlich abgesetztes Material, sich absetzende Dispersion und reines Lösungsmittel. Sollte die mittlere Dispersionszone fehlen, muß die Füllmaterialoberfläche vor weiterer Zugabe erst wieder mit einem Stab aufgewirbelt werden. - Ist die Durchflußgeschwindigkeit derart hergestellter Säulen zu klein, füllt man bei geschlossenem Auslauf und saugt den Lösungsmittelüberschuß von oben mit einem Saugball oder einer Wasserstrahlpumpe weg. Die langsamere Sedimentation führt zu weniger kompakten Füllungen. Adsorbenzien können im allgemeinen auf die gleiche Weise eingefüllt werden. Nur wenn sich aufgrund zu hoher Dichteunterschiede keine breiige Suspension herstellen läßt, sollte man die Adsorbenzien trocken durch einen Trichter Stück für Stück jeweils einen Zentimeter hoch in die Säule rieseln lassen und danach jedesmal mit einem kolbenförmigen Stößel sorgfältig waagrecht feststampfen. Zum Schluß läßt man das Lösungsmittel durchsickern. Die Chromatographierrohre dürften nur so weit gefüllt werden, daß je nach Größe noch 5 bis 20 cm frei bleiben. (Bei Ionenaustauschern Volumenänderung einkalkulieren.) Die stationäre Phase muß für alle weiteren Operationen stets mit Lösungs- 88 Allgemeine Arbeitsanweisungen mittet bedeckt sein! Teilweise „trockengelaufene" Säulen sind unbrauchbar und müssen neu gefüllt werden. Für die Verteilungschromatographie ist die Säule nach dem Füllen zu äquilibrieren, das heißt, bis zur Gleichgewichts-Sättigung mit Lösungsmittel zu beladen. Der Füllkörper reichert sich zunächst mit Wasser an. Man läßt dazu das zur Trennung vorgesehene Lösungsmittel so lange durchlaufen, bis der Ablauf die Zusammensetzung des ursprünglichen Gemischs aufweist, was am einfachsten durch Vergleich der Brechungsindices (siehe S. 122) kontrolliert werden kann. Nachdem sich die Füllmaterialien abgesetzt haben, bedeckt man sie, um ein Aufwirbeln zu verhindern, mit einem passenden Filterpapier. Die auf diese Weise zur Trennung vorbereiteten Säulen müssen völlig homogen aussehen, dürfen also keine Flecke, Risse oder Luftbläschen zeigen. Der Versuch, diese durch Rühren oder Stochern mit einem langen Glasstab zu entfernen, führt nur selten zum Erfolg. Zur Substanzaufgabe läßt man den Flüssigkeitsspiegel (ausnahmsweise!) kurzfristig wenige Millimeter in die Füllung absinken und trägt dann das im gleichen Lösungsmittel (oder einem schwächer eluierenden) möglichst konzentriert gelöste Trenngemisch vorsichtig mit einer Pipette so auf, daß es über die ganze Oberfläche gleichmäßig verteilt einsickert. (Am besten wenig geöffnete Pipette kreisend an der Rohrinnenwand entlang führen.) - Nun überschichtet man vorsichtig mit etwas Lösungsmittel, läßt den Spiegel durch kurzes Öffnen des Auslaufs gerade eben einsickern und gibt erneut etwas Lösungsmittel auf. Die Kapazität der Füllstoffe hängt weitgehend vom Trennproblem ab. Als Anhaltspunkte kann für die Adsorption etwa l: 100 (lonenaustausch l: < 100), für die Verteilung etwa l: 1000 als günstigstes Gewichtsverhältnis zwischen Substanzgemisch und trockenem Füllmaterial angenommen werden. Sind nur geringe Mengen einer sehr schnell oder sehr langsam wandernden Verunreinigung (z. B. hochpolymerer Harze) abzutrennen, ist die Kapazität natürlich sehr viel höher. - Viele Mißerfolge rühren daher, daß die Säule mit zu viel Substanz beladen wurde! Unmittelbar nach dem Aufbringen der Substanzen beginnt man mit dem „Entwickeln" („Eluieren"), das heißt, man läßt so lange Lösungsmittel durchlaufen, bis (nach einigen Stunden) die Trennung erreicht ist. Dabei sorgt ein - möglichst mit durchbohrtem Stopfen luftdicht aufgesetzter — Tropftrichter (siehe Abbildung 59 a) oder besser eine Mariottesche Flasche (siehe Abbildung 59 b) für konstanten Zulauf. Die Durchflußgeschwindigkeit soll im allgemeinen möglichst l bis 5 ccm pro cm2 Rohrquerschnitt pro Stunde betragen. Abweichungen vom Optimum führen zur Verbreiterung der Substanzzonen (siehe S. 80). Ist die Durchflußgeschwindigkeit zu groß, kann man den Ablauf mit einer Schlauch-Schraubklemme drosseln oder mit Hilfe eines längeren möglichst engen Schlauchs höher legen. Ist sie zu klein, kann man das Vorratsgefäß für den Zulauf höher legen. Am Auslauf bei geöffnetem Hahn der Sicherheitsflasche schwach zu saugen, birgt die Gefahr, daß sich in der Säule Lösungsmitteldampf- oder Luftblasen bilden. Füllstoffe 89 Um das Absetzen von Bläschen in der Säule zu verhindern, sollte man Wasser vorher z.B. an der Wasserstrahlpumpe entlüften. Bei dicken Säulen kann die Sorptionswärme das Innere der Füllung stärker erwärmen, so daß dort die Substanzen rascher wandern; ist das der Fall, muß die Durchflußgeschwindigkeit verringert werden. Die Durchflußgeschwindigkeit ist weitgehend von der Korngröße der Rohrfüllung abhängig. Diese Korngröße wird oft in „mesh" angegeben, was Anzahl Maschen pro Zoll eines genormten Siebgewebes bedeutet. Beispiele zum Vergleich zwischen mesh-Zahl (USA-Standard) und lichter Maschenweite: mesh-Zahlfinch- 1 ] Maschenweite [mm] 400 0,037 200 0,074 100 0,15 60 0,25 40 0,42 20 0,84 12 1,68 Die Säulen sind vor direktem Sonnenlicht und stärkerer Wärmestrahlung zu schützen. Beide können asymmetrische Wanderung sowie Blasenbildung oder Entmischung der Fließmittel verursachen und begünstigen die Zersetzung der in adsorbiertem (also polarisiertem) Zustand besonders reaktiven Substanzen. Zur (nicht unbedingt nötigen) direkten Beobachtung des Trennvorgangs bei farblosen Verbindungen bieten sich folgende Hilfen an: Beleuchten fluoreszierender Stoffe mit der UV-Handlampe; Verwendung von mit Fluoreszenzfarben belegten Adsorbenzien, deren Fluoreszenz im UV-Licht von den Adsorbaten geschwächt wird; Beladen der Adsorbenzien mit speziellen Indikatoren. Im allgemeinen entwickelt man so lange, bis die gewünschten Substanzen nacheinander am Rohrende austreten, und fangt sie getrennt auf (Durchlaufverfahren). Die klassische Methode - nur bis zur Auftrennung innerhalb der Säule zu entwickeln, dann das Lösungsmittel abzusaugen, die gesamte Füllung als „Wurst" aus dem Rohr zu stoßen, in entsprechende Teile zu schneiden und diese getrennt zu eluieren (Zonenverfahren) - wird heute fast nur noch in einer modifizierten, anwendungstechnisch mehr zur Schichtchromatographie gehörenden Form angewandt (siehe S .96). Unterscheiden sich in der Adsorptionschromatographie die Substanzen sehr stark in ihrer Haftfähigkeit, erfordert das Durchlaufverfahren sehr große Lösungsmittelmengen. Man begegnet diesem Nachteil, indem man die Polarität des Elutionsmittels stufenweise oder besser kontinuierlich erhöht. Bei der lonenaustauschchromatographie ist eine solche sukzessive Veränderung der Konzentration oder/und des pH-Werts der Elektrolytlösung meist unumgänglich. Für die kontinuierliche „Gradientenentwicklung" benötigt man ein Mischgefäß mit Rührer, an das in Art der Abbildungen 60 und 61 ein zweites Vorratsgefäß angeschlossen ist. In das Mischgefäß kommt Fließmittel mit geringerer, in das Vorratsgefäß solches mit stärkerer Elutionskraft. Schaltet man zwei zylindrische Gefäße parallel (kommunizierend), wächst die lonenstärke linear (mit einer Steilheit, die vom Verhältnis der Gefäßquerschnitte abhängt); Abbildung 6Oa und b. Schaltet man zwei Gefäße hintereinander, wächst die lonenstärke logarithmisch; Abbildung 61 a und b. Einen ähnlich progressiven Anstieg erhält man, wenn man im System der Abbildung 6Oa die Zulaufflasche durch einen (konischen) 90 Allgemeine Arbeitsanweisungen Ausflußmenge Ausflußmenge Abb. 61 Logarithmische Gradientenentwicklung; a) Mischgefäß mit Magnetrührer und Zulaufgefaß hintereinander geschaltet; b) dazugehöriges lonenstärke-Diagramm; c) konisches Zulaufgefaß b Abb. 60 Lineare Gradientenentwicklung; a) Mischgefäß mit Magnetrührer und Zulaufgefäß parallel geschaltet; b) dazugehöriges lonenstärke-Diagramm Erlenmeyerkolben ersetzt; Abbildung 61c. Tauscht man das Mischgefäß der Abbildung 6Oa gegen einen Erlenmeyerkolben, wächst der Gradient zunehmend langsamer (logarithmische Kurve konvex). Zum Auffangen der Eluat-Fraktionen gibt es mechanische Fraktionssammler, die, auf bestimmte Zeitintervalle, Tropfenzahlen oder Volumina eingestellt, bis zu mehrere hundert Proben automatisch abfüllen. Sie können an einen Detektor mit Schreiber gekoppelt werden, der laufend z.B. die Intensität einer UV-Absorptionsbande oder Dünnschichtchromatographie 91 auch des Brechungsindex parallel zur Fraktionsnummer registriert. Mit Hilfe solcher Fraktionssammler und einer Mariotteschen Flasche für den Zulauf lassen sich chromatographische Trennungen wartungsfrei über Nacht ausführen. (Vorsicht bei brennbaren Fließmitteln!) Dünnschichtchromatographie Die Dünnschichtchromatographie1 (DC) dient vorwiegend analytischen Zwecken. Sie unterscheidet sich im wesentlichen dadurch von der Säulentechnik, daß bei ihr das feste Trägermaterial nicht in Rohre gefüllt ist, sondern flächig auf rechteckigen Platten haftet. Je nach Schichtmaterial und vor allem Fließmittel (ohne oder mit hydrophilem Anteil) ist sowohl Adsorptions- (und lonenaustausch-) als auch Verteilungschromatographie möglich. Die Trennleistung der Platten übertrifft die der Säulen (hauptsächlich wegen des wesentlich größeren Verhältnisses Adsorbens/ Substanz). Als Schichtmaterial hat sich bisher Kieselgel am besten eingeführt. Alle Trägerstoffe zeichnen sich durch besondere Feinkörnigkeit aus. Sie können 5 bis 15% Gips oder etwas Stärke als Bindemittel enthalten. Die dadurch erreichte höhere Festigkeit der Schichten muß allerdings manchmal mit erheblich schlechterer Trennleistung erkauft werden. Anderen Sorten sind, zur leichteren Erkennung der aufgetrennten Substanzen, Fluoreszenz-Indikatoren zugesetzt, die meist dunkle Flecke in hell fluoreszierender Umgebung erkennen lassen (Fluoreszenzlöschung). Die Dicke der Trägerschicht beträgt in der Dünnschichtchromatographie im allgemeinen 0,1 bis 3 mm. Wichtig ist, daß sie vor allem in der späteren Laufrichtung einheitlich ist. Obwohl man beschichtete Chromatographieplatten von hoher Qualität aus Glas, Aluminiumfolie oder Kunststoff kaufen kann (DC-Fertigplatten), stellt man sie sich aus Ersparnis- und Variationsgründen oft selbst her. Man verwendet dafür im allgemeinen Glasplatten mit standardisierten Abmessungen von 20 cm Länge und 5, 10, 20 oder mehr Zentimetern Breite. (Die Laufrichtung ist immer der 20-cm-Kante parallel.) Für einfachere Untersuchungen sind selbst mikroskopische Objektträger noch groß genug. Damit die Schichten später haften, müssen die Glasscheiben auf der Oberseite mit einem Haushaltsscheuermittel oder z. B. Chromschwefelsäure sehr sorgfältig gereinigt, mit entsalztem Wasser nachgespült und getrocknet werden (Organische Lösungsmittel können einen Film zurücklassen.) Sie sollen dann völlig fettfrei sein; die zu beschichtende Fläche darf also nicht mit den Fingern berührt werden. Zum Auftragen auf die frisch gereinigten Platten stellt man sich zuerst aus dem feinpulvrigen Schichtmaterial mit Hilfe von Wasser (oder manchmal anderen Lösungsmitteln) durch längeres kräftiges Schütteln einen dickflüssigen Brei her. Cellulose1 E.Stahl, Dünnschichtchromatrographie, 2.Aufl., Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1967; K.Randerath, Dünnschicht-Chromatographie, 2. Aufl., Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1965. 92 Allgemeine Arbeitsanweisungen pulver muß in einem Küchen-Mixgerät angeteigt werden. Genauere Anweisungen für die Zubereitung der Suspensionen, insbesondere für die je nach Material unterschiedlichen Flüssigkeitsmengen und die bei gipshaltigen Sorten einzuhaltenden Arbeitszeiten, werden von den Herstellerfirmen zur Verfügung gestellt. Dünnschichten werden meist aufgestrichen. Hierfür liefert die Industrie Streichgeräte, bei denen der Brei aus einem in gewünschter Höhe über die Glasscheiben bewegten Schlitz ausfließt. - Einzelne Platten kann man sich mit einfachsten Mitteln folgendermaßen herstellen: Man legt auf einer ebenen Unterlage drei gleich starke Chromatographieplatten z. B. der Größe 20 • 5 cm parallel dicht nebeneinander und schiebt unter die beiden äußeren eine Lage Spielkarten, so daß die mittlere etwa 0,3 mm tiefer zu liegen kommt. Dann gießt man die Schichtkörpersuspension als Streifen quer auf das äußerste Ende der mittleren Platte und streicht sie mit der geschliffenen Längskante einer weiteren Glasscheibe - unter Benutzung der beiden Seitenplatten als Auflageschienen - in einem Zuge gleichmäßig aus. Mit einer speziellen Spritzpistole, bei der die Suspension im Vorratsgefäß dauernd durch einen Luftstrom aufgewirbelt wird, lassen sich die Dünnschichten auch aufspritzen. (Abzug benutzen!) Schließlich kann man die Schichten mit einiger Übung auch gießen. Man schüttelt dazu die Essigester- oder Ethanolsuspension auf die Mitte der Platte und verteilt sie rasch durch leichtes Kanten und Rucken zu einem gleichmäßigen Film. Die frisch beschichteten Platten lassen sich durch leichtes Klopfen gegen die schmale Längskante zusätzlich glätten. Danach sollten sie mindestens so lange an Ort und Stelle liegen bleiben, bis die Oberfläche nicht mehr glänzt. Am besten läßt man sie (über Nacht) ganz an der Luft trocknen. Adsorptionsschichten werden nötigenfalls anschließend im Heizschrank auf die gewünschte Stufe aktiviert (siehe S. 81). Im allgemeinen bewahrt man dazu die völlig lufttrockenen Platten 30 Minuten lang bei etwa 13O0C auf und läßt sie dann im Exsikkator kalt werden. Es ist zu beachten, daß hochaktive Adsorbenzien nur so kurz wie möglich der Luft(-feuchtigkeit) ausgesetzt werden dürfen. - Die getrockneten Platten hebt man am günstigsten in einem Stapelgestell im Exsikkator auf. Für analytische Untersuchungen führt man die chromatographische Trennung folgendermaßen aus: Zuerst markiert man auf der trockenen Platte im gleichmäßigen Abstand von etwa 2 cm zum unteren Plattenrand (rechtwinklig zu den 20-cm-Seiten) mit einer Nadel eben sichtbar die Startpunkte. Die Zwischenräume zwischen den Punkten und die Abstände zu den seitlichen Plattenrändera sollen mindestens l cm betragen. — Nun werden die vorher gelösten Untersuchungssubstanzen (etwa 0,5 bis 5proz. je Einzelkomponente - möglichst unpolares Lösungsmittel verwenden) mit feinen Kapillarpipetten (z. B. ausgezogenen Schmelzpunktröhrchen) vorsichtig unter möglicher Schonung der Schicht aufgetragen. Man stellt dazu die vorher durch einfaches Eintauchen gefüllte Pipette senkrecht auf den Startpunkt und wartet, bis sich dort ein Fleck von 3, höchstens 5 mm Durchmesser ausgebildet hat; Abbildung 62. Nach jeweiligem Trocknen - eventuell mit einem Kaltluft-Fön - können zu stark verdünnte Lösungen beliebig oft übereinander aufgetragen werden. Eine Plexiglas- Entwickeln des Dünnschichtchromatogramms 93 O • • •••f t • • • • «| • • • • •f Abb. 62 Chromatographietrog mit Dünnschichtplatte 20 x 20 cm Schablone erleichtert diese Arbeiten. Um Verwechslungen auszuschalten, notiert man sich die Reihenfolge der Substanzen auf einem Zettel oder kennzeichnet sie am oberen Rand der Platte. Für analytische Auftrennungen sind nicht mehr als einige Mikrogramm pro Untersuchungssubstanz nötig! (Die Minimalmengen entsprechen den Nachweisgrenzen.) Zu hohe Konzentrationen verursachen kometenartige Schweifbildung der wandernden Substanzen; siehe Abbildung 62 rechts. Starke Verunreinigungen durch anorganische Salze stören ebenfalls. Zur Entwicklung stellt man die vorbereiteten Platten annähernd senkrecht, mit der Startkante nach unten, in ein passendes, gut verschließbares Glasgefäß („Chromatographiekammer"), dessen Boden l cm hoch mit dem entsprechenden Fließmittel bedeckt ist und dessen Luftraum weitgehend mit den Dämpfen dieses Fließmittels gesättigt ist; Abbildung 62. Die Kapillarkräfte der Schicht saugen das Lösungsmittel über die Substanzflecken hinweg und lassen sie als Teil der mobilen Phase nach oben wandern. Um die Kammeratmosphäre mit Lösungsmitteldämpfen zu sättigen, stellt man ein Stück Chromatographiepapier, das Rück- und Seiten wände bedeckt, ein und befeuchtet es mit Fließmittel. Dann schüttelt man - anfangs unter häufigem Lüften — einige Zeit kräftig um. Zum Einstellen der Platten soll die Kammer nicht länger als notwendig geöffnet werden. Ungenügende Sättigung des Luftraums bewirkt eine erhebliche Verlangsamung des Chromatographievorgangs und führt insbesondere bei Gemischen aus sehr unterschiedlichen Lösungsmitteln dazu, daß die Substanzen am Plattenrand schneller laufen als in der Mitte. Während der Entwicklung sind die Chromatogramme vor direkter Sonnen- und Wärmestrahlung zu schützen. Eine optimale Trennung ist auf Dünnschichtplatten in der Regel dann erreicht, wenn das Fließmittel 10 bis höchstens 15cm gestiegen ist. Man nimmt dann die Platte heraus und läßt sie, nachdem man rasch die Lösungsmittelfront eingekratzt hat, liegend an der Luft trocknen. Nicht gefärbte Substanzen muß man anschließend sichtbar machen. Eine Reihe von Verbindungen fluoresziert im kurz- oder langweiligen UV-Licht oder läßt sich daran erkennen, daß sie die Fluoreszenzstrahlung der von vornherein oder nachträglich (siehe unten) mit Leuchtstoff versetzten Schicht auslöscht. - Außerdem gibt es die Möglichkeit, die Substanzen durch mehr oder weniger spezifische Farbreagenzien 94 Allgemeine Arbeitsanweisungen sichtbar zu machen. Diese Reagenzien werden als Lösungen mit Hilfe von Flaschenaufsätzen, die nach dem Prinzip der Parfümzerstäuber funktionieren, oder aus Spraydosen aufgesprüht. (Dazu ist der Abzug zu benutzen und sind alle Flammen in der Nähe zu löschen; bei stärker giftigen oder aggressiveren Lösungen darf nicht mit dem Mund geblasen werden, letztere verlangen den Schutz der Augen!) Man sprüht so lange, mit feinsten Tröpfchen, bis die ganze Schicht gleichmäßig angefeuchtet ist, sich aber noch keine naßglänzenden Stellen zeigen (also die Gefahr besteht, daß die Substanzen weggeschwemmt werden). Das richtige Maß läßt sich am besten im Gegenlicht erkennen; es ist erreicht, wenn die Schicht eben Transparenz zeigt. Aus der großen Fülle brauchbarer Nachweisreagenzien seien hier nur einige wenige aufgeführt: Fluoreszein oder Eosin zur Erzeugung von Fluoreszenz im UV-Licht; Kaliumpermanganat für reduzierende Verbindungen; Indikatoren für Säuren und Basen; Anilinphthalat für reduzierende Zucker; Ninhydrin für Aminosäuren und Peptide; Dragendorff-Reagenz für Alkaloide; Paulys Reagenz für kupplungsfähige Amine und Phenole; Eisen(III)-chlorid für Phenole und Enole. Ziemlich universell ist die „Jodkammer", ein Chromatographiegefaß mit einigen Körnchen Jod, in das man die Platten wenige Minuten einstellt. Von radioaktiv markierten Stoffen läßt sich durch Auflegen eines photographischen Paipers ein ,Autoradiogramm" anfertigen. Anweisungen zur Benutzung dieser und der vielen anderen Nachweisreagenzien entnehme man der Spezialliteratur1. - Da die entwickelten Farbflecke oft nicht beständig sind, umreißt man sie sofort mit einer Nadel. Zur Dokumentation der gewonnenen Ergebnisse paust man die Flecken auf Transparentpapier ab. Die Wanderungsstrecken der chromatographierten Verbindungen haben wegen der Schwierigkeit, die Versuchsbedingungen bei der DC exakt zu standardisieren, meist nicht sehr großen exemplarischen Wert. Man gibt sie als absolute Größen, sogenannte „RF-Werte", an, deren Bestimmung im Kapitel Papierchromatographie beschrieben ist; siehe S. 97. Zur Identifizierung unbekannter Stoffe ist es daher unerläßlich, authentische Vergleichssubstanzen auf derselben Platte mitlaufen zu lassen. Um die Wirkung störender Verunreinigungen zu erkennen, trägt man am besten gleich die fragliche Substanz beziehungsweise Mischung X sowie die Vergleichssubstanz A nebeneinander auf und zwischen beiden auf ein und demselben Punkt aufeinander A und X. Läßt sich ein komplexes Gemisch mit einem Fließmittel allein nicht völlig aufteilen, hilft oft die zweidimensionale Chromatographie weiter. Man trägt dafür die Substanzmischung in der Ecke einer quadratischen Platte je 2 cm von den Kanten entfernt auf, entwickelt erst mit einem Fließmittel, trocknet an der Luft und entwickelt dann im rechten Winkel zur ersten Laufrichtung mit einem anderen Fließmittel. Bei der Mehrfachtechnik chromatographiert man nach jeweiligem Trocknen mehrfach hintereinander in der gleichen Richtung mit dem gleichen Lösungsmittel und 1 Siehe Literaturzitate auf S. 78 und 91. Spezielle Methoden der Schichtchromatographie 95 erreicht so eine bessere Auftrennung der langsamwandernden Verbindungen. - Bei der Stufentechnik entwickelt man auf einer Adsorptionsschicht zuerst mit stärker polarem Lösungsmittel, zur Trennung der polaren Komponenten und dann, nach Zwischentrocknen über die erste Lösungsmittelfront hinaus mit einem weniger polaren Lösungsmittel, zur Trennung der unpolaren Komponenten. Bei der S- Technik („Sand wich-Technik") wird eine zweite gleich große Glasscheibe, der an drei Kanten 2 mm dicke Abstandsstreifen aufgeklebt sind, mit der beschichteten Platte zusammengeklammert. Die offene Seite wird in den Schlitz eines Fließmitteltanks gesteckt. Wegen des sehr geringen Kammervolumens entfällt hier das Sättigungsproblem. Die bisher aufgeführten „aufsteigenden Entwicklungsverfahren" sind in der Schichtchromatographie bei weitem am gebräuchlichsten. ,Absteigende Entwicklung" erfordert eine Kammer, in die oben eine Rinne eingebaut ist. Das Lösungsmittel wird hier über einen breiten Filtrierpapierstreifen aus der Rinne zur Oberkante der eingestellten Dünnschichtplatte gesaugt. Auf diese Weise kann man das Fließmittel im Durchlaufverfahren - zur Trennung langsam wandernder Verbindungen - beliebig lange über die Platte sickern lassen. Die Mikrozirkulartechnik ist für zeit- und materialsparende Vorproben besonders gut geeignet. Man testet Lösungsmittel und Schicht, indem man genau in der Mitte der punktförmig aufgetragenen Substanzmischung senkrecht eine Kapillarpipette mit dem fraglichen Fließmittel aufsetzt und dieses langsam zu einem runden Fleck von etwa 1,5 cm Durchmesser ausfließen läßt. Trennt sich dabei das Gemisch in ringförmige Substanzzonen, ist das Fließmittel zur Chromatographie geeignet. Zur präparativen Trennung1 kleinerer Mengen trägt man die Substanzlösung als durchlaufenden Strich oder als Kette sich berührender Punkte über die ganze Breite der Dünnschichtplatten auf. Die Pipette ist dabei so locker zu führen, daß die Schicht nicht durchgekratzt wird. Durch Benutzung unpolarer Fließmittel und Anwendung der Mehrfachtechnik läßt sich die Kapazität von Adsorptionsschichten bei unverminderter Trennleistung auf etwa 50 mg Substanz pro 20 • 20 • 0,2 bis 0,3-cm-Schicht steigern. Farblose Verbindungen, die UV-Licht absorbieren, chromatographiert man auf Leuchtstoff-Schichten. Andere kann man nach Trennung dadurch lokalisieren, daß man sich mit schmalen selbsthaftenden Klebstreifen (z. B. „Tesafilm") einen Abzug von der Schichtoberfläche macht und diesen mit einem geeigneten Sprühreagenz anfärbt. Die Zonen, die die gewünschten Verbindungen enthalten, werden abgeschabt und mit geeigneten polaren Lösungsmitteln (z. B. Methanol) in einer Glasfrittennutsche eluiert. Entsprechend größere Chargen lassen sich auf den 5 bis 10 mm starken Kieselgeloder Alumimumoxid-Dickschichten trennen1. Diese müssen gegossen werden. Man legt dazu die Platten in genau passende oben offene Kunststoffkästen, in deren Boden - zum Herausdrücken der fertigen Platten - einige Löcher gebohrt sind. Sie müssen exakt waagerecht aufgestellt werden (Wasserwaage). Ausreichende Stabilität läßt sich 1 H. Halpaap, Chem.-Ztg. 89, 835 (1965). 96 Allgemeine Arbeitsanweisungen hier nur mit Bindemittel-(Gips-)haltigem Schichtmaterial erreichen. - Die Substanzen werden in eine 3 cm vom Plattenrand entfernte, etwa die Hälfte der Schichtstärke tiefe, vorher eingeritzte Furche eingetragen. Die Auftrennung auf Dickschichtplatten ist, trotz Anwendung der Mehrfachtechnik, erheblich weniger scharf als bei der Dünnschichtchromatographie. In manchen Fällen ist ein Hintereinanderschalten beider Verfahren rationell. Annähernd gleich gut wie auf Dünnschichten lassen sich kleine Mengen durch Trockensäulen-Chromatographie1 trennen. Man verwendet dazu feinkörniges Aluminiumoxid mit UV-Leuchtstoff, füllt dieses trocken in Nylonschläuche oder Glasrohre von 10-50 mm Durchmesser, trägt die Substanzen am Säulenkopf auf und läßt dann das Lösungsmittel wie bei der Schichtchromatographie gerade eben durch die ganze Länge der (trockenen!) Säule sickern. (Dauer etwa 15-30min). Zur Gewinnung der im UV-Licht markierten Substanzzonen werden die dünnwandigen Säulen einfach entsprechend durchgeschnitten. Papierchromatographie Die (historisch ältere) Papierchromatographie 2 (PC) kann als eine Variante der Dünnschicht-Verteilungschromatographie angesehen werden, bei der die beschichtete Platte durch Filtrierpapier ersetzt ist. Als Träger der stationären Phase eignen sich nur gleichmäßige Spezialpapiere aus reiner Cellulose. Diese sind mit Sorgfalt zu behandeln, dürfen nicht geknickt und sollen möglichst wenig mit den Fingern berührt werden. Von zwingenden Ausnahmen abgesehen, wird immer rechtwinklig zur (herstellungsbedingten) Faserstruktur chromatographiert. (Test: Ein Tropfen Wasser breitet sich ellipsenförmig stärker in Faserrichtung aus.) Für die aufsteigende Entwicklung kann die Höhe des Papierbogens bis zu 30 cm betragen. Die Breite schneidet man sich entsprechend der Probenzahl zurecht. Die Startpunkte der Substanzen markiert man im Abstand von 2-2,5 cm zueinander und zu den Seitenkanten mit einem weichen Bleistift auf einer 3 cm vom unteren Papierrand entfernten Linie. Auf sie werden die gelösten Untersuchungssubstanzen mit Kapillarpipetten als 5 bis höchstens 8 mm breite runde Flecken aufgetragen. Am günstigsten sind etwa 20 Mikrogramm je Einzelkomponente. Sind die Substanzen aufgetrocknet, rollt man den Papierbogen zu einem Rohr und heftet die sich gerade überlappenden Seitenkanten oben durch eine Büroklammer zusammen. Zur Entwicklung wird diese Papierrolle — mit der Startlinie nach unten - in einen passenden Glas- 1 2 B.Loev und M. Goodman, Chem. Ind. (London) 2026 (1967). F.Gramer, Papierchromatographie, 2.Aufl., Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1953; Th. Wieland und F.Turba, Methoden der Organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 2, S. 882, Thieme, Stuttgart 1953; Umfangreiche Monographie: J.M.Hais und K.Macek, Handbuch der Papierchromatographie, G. Fischer Verlag, Jena 1958. Papierchromatographie 97 zylinder mit geschliffener Deckelscheibe, dessen Boden 1-2 cm hoch von Fließmittel bedeckt ist und der vorher - zur Sättigung des Luftraums mit Lösungsmitteldämpfen - kräftig umgeschüttelt wurde, eingestellt. Nachdem das Fließmittel (aufgrund der Saugwirkung des Papiers) fast bis zur Oberkante gestiegen ist, was 2-10 h dauern kann, nimmt man das Chromatogramm heraus, zeichnet sofort die Lösungsmittelfront an und verdampft das Fließmittel im Ventilator-Trockenschrank. Schmale Chromatogramme (für höchstens drei Proben) können zur aufsteigenden Entwicklung mit einem Drahthaken an die paraffinierten Korkstopfen von WeithalsErlenmeyerkolben, deren Boden mit Fließmittel bedeckt ist, gehängt werden. Für die absteigende Entwicklung benötigt man 60 cm hohe Chromatographiekammern mit oben eingebauten Rinnen. Die Substanzen werden etwa 6 cm unterhalb der Papieroberkante auf 60 cm lange Bogen aufgetragen. Man faltet das Papier 3 cm über der Startlinie nach hinten, hängt es mit der abgeknickten Papierlasche ih eine der fließmittelgefüllten Rinnen und fixiert es dort z. B. durch Beschweren mit Glasstopfen. - Die Sättigung mit Fließmitteldämpfen läßt sich am einfachsten durch einen vorher eingehängten leeren Papierbogen erreichen. Bei der horizontalen Rundfilterchromatographie wird ein einzelnes Substanzgemisch ringförmig um ein wenige Millimeter großes Loch im Zentrum eines runden Chromatographiepapiers (von etwa 30cm Durchmesser) aufgetragen. Durch das Loch wird ein aufgewickeltes Papierröllchen gesteckt und dann das Chromatogramm so zwischen Unterteil und Deckel eines Exsikkators geklemmt, daß das Röllchen als Docht in eine untergestellte Fließmittelschale eintaucht. Die Substanzen trennen sich in konzentrische Ringe auf, die mit wachsender Größe immer schärfer werden. Aufsteigende Chromatographie ist nur bis zu einer Höhe von etwa 25 cm sinnvoll; darüber hinaus wandert das Fließmittel zu langsam. Absteigend kann man im Durchlaufverfahren „weit über die Papierlänge hinaus" laufen lassen. Wenn man dabei in den unteren Papierrand sägeförmige Zacken schneidet, tropft das Fließmittel gleichmäßiger ab. Wie bei der Dünnschichttechnik (siehe S. 94) ist zweidimensionale Entwicklung möglich. Die aufgetrennten Substanzen werden in der gleichen Weise wie bei der Dünnschichtchromatographie sichtbar gemacht; siehe S. 94. Bezüglich der Trennschärfe, der Entwicklungsgeschwindigkeit und der Handlichkeit wird die Papierchromatographie von der Dünnschichtchromatographie deutlich übertroffen. Überlegen ist sie ihr dagegen hinsichtlich der Dokumentation und vor allem der Reproduzierbarkeit der Trennergebnisse. Das Verhältnis der Wanderungsstrecke der Substanz (Fleckenmittelpunkt) zur Wanderungsstrecke der Lösungsmittelfront (also eine Zahl < 1) ist eine - von der Papiersorte und dem Fließmittel abhängige - spezifische Substanzgröße, die man RFWert (Relation zur Front) nennt. Vorbedingungen für exakte Bestimmungen der RFWerte sind: Salzfreiheit und nicht zu hohe Konzentration der Substanz; sehr reine, genau zusammengesetzte Lösungsmittel; Temperaturkonstanz während der Entwicklung. Der direkte Vergleich mit authentischen Substanzen (siehe S. 94) ist zur Identifizierung stets vorzuziehen! 98 Allgemeine Arbeitsanweisungen Für präparative Trennungen kann die Substanz über die ganze Länge der Startlinie und auf kartonstarkes Papier aufgetragen werden. Ist der Nachweis der aufgetrennten Substanzzonen ohne Farbreagenzien nicht möglich, schneidet man in Laufrichtung zwei bis drei wenige Millimeter breite Streifen aus den Bögen und besprüht diese. Die gewünschten Verbindungen werden aus den entsprechenden Papierabschnitten mit stark polaren Lösungsmitteln am besten nach Art der chromatographischen Durchlauftechnik eluiert. Gaschromatographie Die gebräuchliche Form der Gaschromatographie1 (GC) beruht auf einer Verteilung zwischen gasförmigen mobilen und flüssigen stationären Phasen. (Adsorptions-Gaschromatographie, deren Anwendung weitgehend auf Permanentgase beschränkt ist, bleibt hier unberücksichtigt.) Gegenüber den bisher geschilderten chromatographischen Trennverfahren zeichnet sich das gaschromatographische durch besonders kurze Analysendauer, höchste Nachweisempfindlichkeit und breitesten Anwendungsbereich aus; es verlangt allerdings auch den größten apparativen Aufwand. Die Gaschromatographen bestehen, wie Abbildung 63 schematisch zeigt, in ihrem Kernstück aus dem meist mehrfach gewundenen, von einem regelbaren Heizthermostaten (H) umgebenen Trennrohr (T). Dieses ist an eine Gasstahlflasche (G) angeschlossen. In die Zuleitung sind Drosselventil (V), Manometer (M) und Strömungsmesser, z. B. ein Rotameter (R), sowie ein Probengeber (P) zur Substanzeingabe eingebaut. Ein- und Ausgang der Trennsäule führen durch den Detektor (D), der mit l T ]P Abb. 63 Schematische Darstellung eines Gaschromatographen 1 E.Bayer, Gaschromatographie, 2.Aufl., Springer Verlag, Berlin, Göttingen, 1962; R.Kaiser, Chromatographie in der Gasphase, Hochschultaschenbücher, Bibliographisches Institut, Mannheim 1962-1969: I Gaschromatographie, II Kapillarchromatographie, III Tabellen zur Gaschromatographie, IV Quantitative Auswertung von Gaschromatogrammen. Gaschromatographie 99 einem Schreiber (S) gekoppelt ist. Die Gasableitung kann eventuell mit einer Ausfrierfalle (A) verbunden werden. Zur Chromatographie läßt man aus der Stahlflasche Trägergas durch die Apparatur strömen und gibt das Untersuchungsgemisch bei P ein. Die Substanzen trennen sich in der Säule auf und durchlaufen dann nacheinander die Registrierstelle. Der Thermostat läßt sich wahlweise auf Temperaturen bis über 30O0C einstellen. Damit sind der Gaschromatographie alle Verbindungen zugänglich, die in diesem Bereich ohne Zersetzung verdampfen (oder definierte gasförmige Zersetzungsprodukte bilden). Ihr eigentlicher Siedepunkt kann, wegen der Depression durch das Trägergas, 50-10O0C höher liegen (vergleiche Wasserdampfdestillation, S. 51). Für analytische Arbeiten sollte die Temperatur auf wenige Zehntelgrade konstant gehalten werden können. Um Vielkomponentengemische weiter Siedepunktsbereiche aufzutrennen, ohne zu lange Analysenzeiten in Kauf nehmen zu müssen, sind moderne Geräte mit einer Einrichtung zur Temperatur-Programmierung ausgestattet. Diese erlaubt es, die Thermostatentemperatur während des Ablaufs der Analyse zu steigern, so daß weder die leichtflüchtigen Komponenten zu rasch, noch die hochsiedenden zu spät und breitzonig eluiert werden. Die U-förmig gebogenen oder gewendelten Trennsäulen können aus Edelstahl, Kupfer, Glas sowie Kunststoff (z. B. Teflon) bestehen. Prinzipiell ist zwischen „gepackten Säulen" und „Kapillarsäulen" zu unterscheiden. Gepackte Säulen sind sehr gleichmäßig mit feinkörnigen, porösen, aber adsorptionsinaktivem Trägermaterial gefüllt. Schamottemehl und Kieselgur sind besonders gut geeignet. Dieser Träger wird mit der eigentlichen Trennflüssigkeit „imprägniert", indem man ihn mit deren Lösung tränkt und das Lösungsmittel verdampft. Der Anteil der flüssigen Phase liegt zwischen 5 und 30 Gewichtsprozenten. Je größer er ist, um so höher die Belastbarkeit, um so geringer jedoch auch die Trennleistung der Säule. Die Trennflüssigkeit soll bei der Arbeitstemperatur möglichst niedrigen Dampfdruck haben und gleichzeitig möglichst wenig viskos sein. Man verwendet hauptsächlich Apiezonfett (= höhere Kohlenwasserstoffe), Siliconöle, Phthalsäureester höherer Alkohole oder Polyethylenglykole. Die Auswahl der richtigen Trennflüssigkeit ist von entscheidender Bedeutung. Für Kohlenwasserstoffe und Alkylhalogenide ist beispielsweise Apiezonfett, für sauerstoffhaltige Verbindungen ein Phthalsäureester oder Polyethylenglykol geeigneter. Neben diesen Gesichtspunkten gilt (vor allem für weniger polare Substanzen) die allgemeine Regel: Je höher der Siedepunkt, desto länger die Verweilzeit in der Säule. Die Länge der gepackten Säulen liegt gewöhnlich zwischen 2 und 4, kann aber auch bis zu 20 Meter betragen. Ihr Innendurchmesser schwankt zwischen 3 und 6 mm für analytische Zwecke und 10-25 mm für präparative Zwecke. Kapillarsäulen haben 0,1-0,5 mm lichte Weite und sind bis zu 25 oder sogar 100 Meter lang. Sie enthalten kein festes Trägermaterial; ihre Innenwände sind direkt mit Trennflüssigkeit beladen. Erwartungsgemäß ist dementsprechend ihre Belastbarkeit gering, ihre Trennleistung dagegen sehr hoch. Die Belastbarkeit (das heißt die Menge je Komponente Analysensubstanz, mit der 100 Allgemeine Arbeitsanweisungen sich noch 90% des maximalen Trennergebnisses erreichen läßt) beträgt für gefüllte, mit 5% Trägerflüssigkeit beladene Säulen im Mittel etwa 3 mg bei 6 mm Rohrdurchmesser und für 0,2 mm weite Kapillar Säulen etwa 10 ~ 4 mg. Die Auswahl des Trägergases (das geringe Viskosität haben soll) wird weitgehend von der Art des Detektors bestimmt. Am häufigsten werden Wasserstoff, Stickstoff oder Helium benutzt. (Der brennbare Wasserstoff erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen!) Die Ausgangsdrucke liegen meist zwischen 1,5 und 3,5 bar. Das Untersuchungsgemisch kann am einfachsten mit Hilfe einer Präzisions-Injektionsspritze durch die Gummimembrane des Probengebers in den Trägergasstrom eingespritzt werden. Dieser Vorgang hat sehr rasch zu erfolgen. Um ein augenblickliches Verdampfen der Substanzen zu gewährleisten, wird der SubstanzeingabeBlock mindestens 30-5O0C über deren Siedetemperaturen aufgeheizt. Feststoffe werden vorher in einem geeigneten Lösungsmittel gelöst. Als Detektoren verwendet man z.B. kompensierende Wärmeleitfähigkeitszellen. Diese haben zwei Doppelkammern, in denen sich jeweils ein elektrisch geheizter Widerstandsdraht befindet. Durch das eine Paar strömt das Trägergas vor, durch das andere nach Passieren der Trennsäule und kühlt dabei die Hitzedrähte ab. Da die Wärmeleitfähigkeit organischer Verbindungen etwa 6-10mal geringer ist als die des Wasserstoffs oder Heliums, steigt bei Verwendung dieser Trägergase die Temperatur des Hitzedrahts während des Vorbeiströmens organischer Dämpfe deutlich an. Die damit verbundene Änderung des elektrischen Widerstands im Draht wird vom Detektor gegen den Leerwert, den die Vergleichskammern liefern, gemessen. - Speziell für die Kapillaranalyse reicht die Empfindlichkeit dieses Geräts nicht aus. Hier benutzt man z. B. „Flammionisations-Detektoren", bei denen die Substanzen in einer Wasserstoffflamme thermisch ionisiert werden und dann in einem Spannungsfeld einen meßbaren lonenstrom erzeugen. - Außer diesen beiden sind noch zahlreiche andere Meßgeräte entwickelt worden. Die vom Detektor gemessenen Werte werden - in Abhängigkeit zur Zeit - direkt von einem „Schreiber" aufgezeichnet. Abbildung 64 zeigt ein so entstandenes Trennungsdiagramm. Bei einwandfreiem Arbeiten entsprechen die einzelnen Substanzbanden - „Peaks" - symmetrischen Gauß-Verteilungskurven. Die Inhalte der Kurvenflächen (in guter Näherung = Halbwertsbreite • Höhe) sind Maße für die Konzentrationen. In dieser quantitativen Aussagekraft liegt -z.B. für Reinheitskriterien - die wesentliche Stärke der Gaschromatographie. - Weil die meisten Detektoren die verschiedenen Verbindungen nicht mit der gleichen Intensität anzeigen, lassen sich die vom Schreiber aufgezeichneten Peaks allerdings nur selten unmittelbar miteinander vergleichen. Für die qualitative Bestimmung der Komponenten sind die Retentionszeiten beziehungsweise „Retentionsvolumina" (lat. retentio = Zurückhaltung) maßgebend; Abbildung 64. Man wählt oft den Peak als Nullpunkt, der durch kaum vermeidbare Luftspuren entsteht. Absolute Retentionszeiten können - wegen der Unmöglichkeit, exakt unter Standardbedingungen zu chromatographieren - nicht als allgemeine Stoffkonstanten angesehen werden. (In der Literatur findet man häufig „relative Interpretation der Gaschromatogramme 101 X C 03 QO) c DL <D 30 20 10 O Retentionszeit in min Abb. 64 Gaschromatogramm einer Mischung von aliphatischen Kohlenwasserstoffen mit Retentionszeiten Retentionszeiten", die z. B. auf n-Pentan bezogen sind.) Zur Identifizierung chromatographiert man in derselben Säule unter gleichen Bedingungen unmittelbar vor oder nach der analytischen Trennung authentische Vergleichssubstanzen. -Als ideal kann die Verbindung der Gaschromatographie mit einer der spektroskopischen Identifizierungsmethoden angesehen werden. Zur präparativen Gewinnung der aufgetrennten Proben schaltet man eine kräftig gekühlte, möglichst mit Lösungsmittel oder Glaswolle gefüllte Kondensationsfalle (z. B. U-Rohr) hinter den Gasaustritt. Auf diese Weise lassen sich in präparativen Säulen Grammchargen reinigen. Leistungsfähiger sind speziell eingerichtete analytische Chromatographiergeräte, die die getrennten Substanzen automatisch stapeln und sich nach jedem Durchgang wieder selbst mit Substanzgemisch speisen1. Flüssigchromatographie Die (Hochdruck-)Flüssigchromatographie2 unterscheidet sich von der Gaschromatographie im wesentlichen dadurch, daß bei ihr die mobile Phase flüssig ist. Sie ergänzt die Gaschromatographie vor allem dort, wo nichtflüchtige oder thermolabile Substanzen (z. B. Naturstoffe) ähnlich schnell (also in min) chromatographiert werden 1 2 E. Bayer, u.a., Präparative Gaschromatographie, Angew. Chem. 73, 525 (1961). V. Meyer, Praxis der Hochleistungs-Flüssigchromatographie, Laborbücher Chemie, Moritz Diesterweg, Otto Salle, Frankfurt-München, Sauerländer, Frankfurt-Salzburg 1979. 102 Allgemeine Arbeitsanweisungen sollen. Außerdem ist sie nicht nur auf Verteilungschromatographie, sondern auch auf lonenaustausch-, Adsorptions- und Gelchromatographie anwendbar. (Gradientenelution ist ohne weiteres möglich.) Die Trennung erfolgt im Flüssigchromatographen bei Raumtemperatur in (l bis 10 mm weiten, 1-4 Meter langen) Metallrohren zwischen einem feinkörnigen, meist mit Flüssigkeit imprägnierten Träger und einem Fließmittel, das mit etwa 40 bar (möglich sind mehrere Hundert bar) druckschwankungsfrei (!) durch die Säule gepumpt wird. Die getrennten Substanzen werden wie bei der Säulenchromatographie anhand ihrer UV-Absorption oder ihrer Brechungsindices registriert. Hochspannungs-Papierelektrophorese Verbindungen, die in neutraler, alkalischer oder saurer wässeriger Lösung zumindest teilweise ionisiert vorliegen (also organische Säuren und Amine), können im elektrischen Spannungsfeld voneinander sowie von ungeladenen Substanzen getrennt werden. Für analytische Zwecke benutzt man dazu meist die Hochspannungs-Elektrophorese* (griech. (psgsiv = tragen), bei der ein mit Elektrolytlösung getränkter Filtrierpapierbogen, an dessen Enden eine Gleichspannung von einigen tausend Volt angelegt wird, als Träger dient. Die hohen Feldstärken verlangen intensive Abführung der Jouleschen Wärme. Dieses Problem ist bei den im Handel angebotenen Elektrophorese-Apparaturen entweder dadurch gelöst, daß das Papier in einem von außen gekühlten organischen Lösungsmittel (wie z. B. Toluol) hängt oder - häufiger - daß es auf einer Glasplatte liegt, deren Unterseite mit einer Kältemaschine in Verbindung steht. - Es gibt auch kleinere 220-Volt-Elektrophoreseapparaturen, die mit LeitungsWasserkühlung auskommen. Die zu untersuchenden Substanzen werden als ungefähr Iproz. Lösungen in 3 bis 5 cm langen Strichen mit dünnen Pipetten entlang der vorher markierten Startlinie auf das elektrolytfeuchte Elektrophoresepapier aufgetragen. - Das Entwickeln dauert etwa eine Stunde. In dieser Zeit wandern die Substanzen je nach LadungsVorzeichen, Ladungszahl, Dissoziations- beziehungsweise Assoziationsgrad, Größe und Gestalt mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zur Anode oder Kathode; Abbildung 65. Der Dissoziationsgrad organischer Säuren beziehungsweise Protonisationsgrad organischer Basen ist seinerseits vom pH-Wert der umgebenden Elektrolytlösung abhängig (neutrale Aminosäuren beispielsweise bleiben bei einem pH von 6,5 „isoelektrisch" am Start liegen, wandern in saurem Milieu zur Kathode, in basischem zur Anode; vergleiche Abbildung 65). Bewährte Elektrolytmischungen sind: R. Clotten und A. Clotten, Hochspannungselektrophorese, G. Thieme Verlag, Stuttgart; Th. Wieland und K. Dose, in W. G. Berl, Physical Methods in Chemical Analysis, Bd. 3, Academic Press Inc., New York 1956. Elektrophorese 103 für pH 1,9: Eisessig/Ameisensäure/Wasser (15:5:80 Vol.), für pH 6,5: Pyridin/Eisessig/Wasser (10: l: 89 Vol.), für pH 8,6: Borsäure/Borax/Wasser (2,3:4,4:1000 Gew.). Im Boratpuffer können auch Polyole wie z. B. Kohlenhydrate als anionische Komplexe getrennt werden (S. 389). Zur Identifizierung läßt man neben dem zu prüfenden Gemisch authentische Vergleichssubstanzen mitlaufen. Die entwickelten Papierstreifen („Pherogramme") werden im Trockenschrank getrocknet. Das Sichtbarmachen der Substanzen geschieht in ganz gleicher Weise wie bei der Dünnschichtchromatographie (siehe S. 94). Abbildung 65 zeigt die elektrophoretische Trennung verschiedener Aminosäuren. Lys KATHODE © GIy GI V STARTLINIE GIu Asp As p ANODE 0 Abb. 65 Hochspannimgs-Pherogramm einer Trennung von Aminosäuren bei pH 6,5 Statt der speziellen Filtrierpapiere können auch Kieselgel-, Stärke- oder z. B. PoIyacrylamidschichten als Träger dienen. Zur zweidimensionalen Auftrennung ist die Kombination von Elektrophorese und Chromatographie besonders gut geeignet (vergleiche S. 96). Für präparative Zwecke kann man entweder kartonstarke Papiere benutzen oder auf speziellen Apparaturen kontinuierlich arbeiten. Die Flächenelektrophorese ergänzt die Flächenchromatographie (bei ionisierbaren Verbindungen) dort, wo eine Aussage über den Ladungscharakter gewünscht wird (einwandfreie Unterscheidung zwischen Basen, Säuren und Neutralstoffen), chemisch sehr unterschiedliche Verbindungen getrennt werden sollen oder die Gemische stärker mit anorganischen Salzen verunreinigt sind (da anorganische Ionen sehr viel schneller laufen, kann sie sogar zur Entsalzung eingesetzt werden). Sie hat sich daher besonders in der Peptid- und Nucleotid-Chemie bewährt. Die für den Umgang mit Starkstrom üblichen Vorsichtsmaßnahmen sind bei .der Benutzung von Elektrophoreseapparaturen genau zu beachten! Bei der zur Trennung von Makromolekülen entwickelten Diskelektrophorese poly- 104 Allgemeine Arbeitsanweisungen merisiert man innerhalb 7 cm langer, 0,5 cm weiter (Kunststoff- oder) Glasröhrchen Acrylamid mit Hilfe geeigneter bifunktioneller Vernetzer zu einem lockeren Gel und trennt die Substanzgemische in diesem elektrophoretisch auf 1 . Trocknen Die häufigste Verunreinigung organischer Substanzen, speziell der Lösungsmittel, ist (schon wegen der allgegenwärtigen Luftfeuchtigkeit) das Wasser. Seine Beseitigung (und die der organischen Lösungsmittel) beschreibt das vorliegende Kapitel. Trocknen von Feststoffen In vielen Fällen genügt es, die feste Substanz an der Luft stehen zu lassen, so daß das restliche organische Lösungsmittel oder Wasser verdunstet. Ist die Verbindung genügend stabil (!), darf sie bei höheren Temperaturen im Trockenschrank getrocknet werden. - Weiterhin kann man die Feststoffe zum Trocknen auf einem Tonteller oder mehreren Lagen Filterpapier ausbreiten; vergleiche S. 76. Diese Technik ist dann angebracht, wenn mit dem Lösungsmittel in ihm gelöste Verunreinigungen entfernt werden sollen. All diese Methoden sind Ausnahmen. In der Regel trocknet man Feststoffe im Vakuumexsikkator. Dieser besteht, wie Abbildung 66 zeigt, aus einem dickwandigen Glastopf mit aufgeschliffenem Deckel und Glashahn. Er wird durch eine gelochte Porzellanplatte in zwei Etagen geteilt. Die untere nimmt ein Trockenmittel auf, die obere die Substanz. Neuere Exsikkatoren sind im allgemeinen auf Vakuumfestigkeit geprüft; trotzdem ist es ratsam, sie sicherheitshalber zum Splitterschutz mit einer selbstklebenden Klarsichtfolie zu überziehen. Die Schliffränder zwischen Topf und Deckel sind gleichmäßig einzufetten. Die Porzellanplatte kann durch drei längs aufgeschnittene, über den Rand geklemmte Schlauchstücke gegen Verrutschen gesichert werden. Zur Benutzung des Exsikkators stellt man auf seinen Boden eine flache Glasoder Porzellanschale mit einem der unten aufgeführten Trockenmittel. (Diese sollten prinzipiell nicht direkt in den Exsikkator eingeführt werden.) Man deponiert die Substanz flach ausgebreitet in einer Abdampfschale oder auf einem Uhrglas auf der Porzellanplatte und evakuiert einige Zeit mit der Wasserstrahlpumpe (aufpassen, daß das Wasser nicht zurücksteigt!) oder der Öl-Drehschieberpumpe (Gasballast einschalten!) bis zum Erreichen des Endvakuums. Dabei muß der gesamte Schliffrand klar werden. (Anderenfalls ist er zu reinigen und neu zu schmieren.) In der Regel soll die Substanz mindestens 24 h im Exsikkator trocknen. Beim anschließenden Belüften darf, damit die Substanz nicht weggeblasen wird, der Hahn anfangs nur ganz 1 Gute Arbeitsanleitung: R. Maurer, Disk-Electrophoresis, Walter de Gruyter & Co., Berlin 1971. Trocknen von Feststoffen 105 wenig geöffnet werden. Es empfiehlt sich, ein kleines Filtrierpapierblättchen an der äußeren Rohrmündung ansaugen zu lassen. Das innere Rohrende soll, zur Ablenkung des Luftstrahls, nach oben gebogen sein; siehe Abbildung 66. Bei hygroskopischen Verbindungen und solchen, die extrem trocken bleiben sollen, belüftet man durch ein Calciumchloridrohr. Läßt sich der Exsikkator nach der Belüftung nicht öffnen, dreht man ihn mit der Stelle, an der der Deckel etwas übersteht, zum Körper, klemmt ein Holzbrettchen zwischen Brust und Deckelrand, umfaßt den Exsikkatorunterteil mit beiden Armen und zieht ihn zu sich, bis sich die Schliffe einige Millimeter gegeneinander verschoben haben. Sind die Verbindungen flüchtig, darf der Exsikkator nicht evakuiert werden. Abb. 66 20-cm-VakuumExsikkator Abb. 67 Trockenpistole NS 29 mit Trockenmittel, Substanzröhrchen und Heizflüssigkeit Um kleinere Mengen bei höheren Temperaturen noch wirksamer zu trocknen, bedient man sich der Trockenpistole, bei der z. B. der Dampf eines unter Rückfluß siedenden Lösungsmittels den Trockenraum heizt; siehe Abbildung 67. Je nach Wahl des Lösungsmittels (zwischen Aceton, Sdp. 560C, und Xylol, Sdp. etwa 1350C) läßt sich die Temperatur variieren. Andere Geräte haben regulierbare Widerstandsheizung. Die Substanz liegt hier in einem Reagenzglas (Mündung von Belüftungshahn weggekehrt). Der „Pistolengriff" nimmt das Trockenmittel auf. Das Ganze wird an einer Öldrehschieber- oder Quecksilberdiffusionspumpe evakuiert. - Derart extreme Trocknungsbedingungen werden für einige quantitative Bestimmungen, speziell Elementaranalysen, gefordert. Zum Schutz der getrockneten Feststoffe gegen Luftfeuchtigkeit bewahrt man diese entweder weiterhin im Exsikkator auf oder in gutschließenden Schraubdeckelflaschen oder in kleineren Röhrchen (die dickwandiger sind als Reagenzgläser) mit Kunst- 106 Allgemeine Arbeitsanweisungen stoff- bzw. Gummistopfen (letzterer sollte durch dünne Kunststoffolie geschützt sein). Diese Gefäße dürfen bei hygroskopischen Substanzen zur Entnahme nur ganz kurz geöffnet werden. - Sichersten Schutz gegen die Außenluft bieten Ampullen, die man sich am besten vom Glasbläser aus dickwandigeren Thüringer-Reagenzgläsern nach Abbildung 68 vorrichten läßt. Sie werden durch einen langen Trichter (ausgezogenes Reagenzglas), der den Hals sauber hält, höchstens bis zur Hälfte gefüllt und dann über einer kleinen Flamme zugeschmolzen. Abb. 68 Zur Ampulle vorbereitetes Reagenzglas Als Trockenmittel für Exsikkatoren verwendet man meist Blaugel, daneben auch Calciumchlorid, seltener Schwefelsäure, Phosphorpentoxid oder festes Kaliumhydroxid sowie zum Binden von lipophilen Lösungsmitteln Hartparaffin. Es empfiehlt sich, neben die Substanzen ein Schälchen mit festem Natriumhydroxid zu stellen, das flüchtige Säuren bindet. Für Trockenpistolen wird fast ausschließlich Phosphorpentoxid benutzt. Siehe S. 108. Trocknen von Flüssigkeiten Lösungsmittel können wegen der Bildung von Azeotropen oder zu geringen Siedepunktsdifferenzen meist nicht durch fraktionierende Destillation entwässert werden, sondern nur mit Hilfe eines Trockenmittels. Lösungen in organischen Lösungsmitteln, die bei der Extraktion (siehe S. 59) oder auf andere Weise während der Synthese erhalten wurden, müssen vor dem Eindampfen getrocknet werden. Flüssige Substanzen werden - um größere Verluste durch Adsorption oder Adhäsion am Trockenmittel zu vermeiden - nicht direkt, sondern nur in verdünnter Lösung entwässert. Aus dem gleichen Grund sollte nicht zu viel Trockenmittel verwendet werden. (Bei einigen der im letzten Abschnitt aufgeführten Trockenmittel erkennt man ihre Erschöpfung am beginnenden Zerfließen.) Stufenweises Trocknen mit mehreren kleinen Trockenmittelportionen ist viel wirksamer als einmalige Zugabe einer größeren Menge. Der Trocknungsprozeß dauert in der Regel mehrere Stunden. (Am besten benutzt man dazu die Nacht.) Er kann durch gelegentliches Umschwenken beschleunigt werden. Da die zugesetzten Trockenmittel ihr Wasser bei höherer Temperatur wieder ab- Trocknen von Flüssigkeiten und Gasen 107 geben (und eventuell mit der Substanz reagieren), muß man sie vor einer anschließenden Destillation abfiltrieren. Aufbewahrt werden trockene flüssige Verbindungen so, wie es am Ende des vorigen Abschnitts für Feststoffe beschrieben ist. Bei wasserfreien („absoluten") Lösungsmitteln ist es ratsam, soweit möglich, wenig Trockenmittel (Natriumdraht, Aluminiumoxid, Molekularsieb) in die Vorratsflasche zu geben. Alle nachstehend aufgeführten Trockenmittel außer Blaugel sind für Flüssigkeiten geeignet. Zur Auswahl ist vor allem die chemische Verträglichkeit maßgebend. Trocknen von Gasen Gase werden —je nachdem, ob das Trockenmittel flüssig oder (grobkörnig-)fest ist in Waschflaschen oder Trockentürmen getrocknet (und von anderen Fremdstoffen gereinigt); beide Geräte sind auf S. 25 beschrieben. Als Trockenmittel verwendet man bei chemischer Verträglichkeit meist konz. Schwefelsäure (wirkt gleichzeitig als Blasenzähler), manchmal auch Calciumchlorid, festes Kaliumhydroxid, Phosphorpentoxid, Blaugel oder Molekularsiebe. Trockenmittel In diesem Abschnitt sind die wichtigsten Trockenmittel für feste, flüssige (gelöste) und gasförmige Substanzen beschrieben. Hierbei sind die ersten acht (bis zum Phosphorpentoxid) nach steigender Wasseranziehungskraft (nicht Kapazität) angeordnet. Wasserfreies Natriumsulfat, möglichst frisch geglüht (aber nicht geschmolzen), hat nur geringe Wirkung. Es ist jedoch als einzig brauchbares, völlig neutrales Trockenmittel für säure- und alkaliempfindliche oder unbekannte flüssige und gelöste Substanzen anwendbar. Wasserfreies Magnesiumsulfat verhält sich als Trockenmittel ähnlich wie Natriumsulfat. Calciumchlorid wird wegen des geringen Preises und der hohen Kapazität (bildet mit 90% Wasser Hexahydrat) am häufigsten zum Trocknen benutzt, und zwar sowohl für neutrale Gase und Chlorwasserstoff (übliches Füllmaterial für Trockenrohre und -türme) als auch für Lösungen (hauptsächlich nach dem ,Ausethern"; siehe S. 63) und einige Lösungsmittel (Vortrocknen von Ether) sowie schließlich für Feststoffe im Exsikkator (ist hier jedoch besser durch Blaugel zu ersetzen). Calciumchlorid bindet auch prim. Alkohole, Ammoniak, Amine, Phenole; Lösungen dieser Verbindungen können mit ihm also nicht getrocknet werden. Es enthält stets basische Verunreinigungen (Calciumoxid). Schwefelsäure setzt Chlorwasserstoff frei. Wasserfreies Kaliumcarbonat, möglichst frisch geglüht, wird wegen seiner schwach alkalischen Reaktion speziell zum Trocknen von empfindlichen Amin-Lösungen und für das Lösungsmittel Aceton herangezogen. Es ist ungeeignet für alle aciden Verbindungen. 108 Allgemeine Arbeitsanweisungen Silikagelliekrt der Handel als perlförmiges „Blaugel" mit einem Zusatz von Kobalt (Il)-Salzen, die den Erschöpfungszustand anzeigen (dieses ist ohne Wasser blau, mit Wasser rot). Es kann im Trockenschrank bei maximal 15O0C regeneriert werden. Silikagel ist das häufigste Exsikkator-Trockenmittel für Feststoffe und kann im Trockenturm für Gase benutzt werden. Es adsorbiert in geringerem Maße auch andere polare Lösungsmitteldämpfe. Konz. Schwefelsäure ist das übliche Trockenmittel für säureunempfindliche Gase (also nicht Acetylen, Ammoniak, Amine, Schwefelwasserstoff, Jodwasserstoff und Olefine). Sie kann auch im Exsikkator eingesetzt werden; dann sollte jedoch ein Schälchen mit Natriumhydroxid-Plätzchen neben die Feststoffe gestellt werden. Schwefelsäure bindet auch viele organische Lösungsmittel. Wegen der geringen Diffusion sind höhere Schwefelsäureschichten nur sinnvoll, wenn man von außen magnetrührt. Es gibt auch Präparate, bei denen die Schwefelsäure auf einem körnigen Träger aufgezogen ist. Kaliumhydroxid-Plätzchen werden für basische Lösungsmittel (Pyridin), Lösungen und Gase (also Amine und Ammoniak) herangezogen oder dann, wenn alkaliunempfindliche Substanzen gleichzeitig von sauren Verunreinigungen befreit werden sollen. Natriumhydroxid ist wegen seiner viel geringeren Trockenwirkung nicht zu empfehlen. Phosphorpentoxid ist das stärkste Trockenmittel. Es dient vor allem zum Trocknen der Feststoffe in der Trockenpistole oder (in einer Extraschale!) im Vakuumexsikkator. Es verbäckt bei der Wasseraufnahme oberflächlich zu einer Kruste, die von Zeit zu Zeit gewendet werden muß. Die mit Wasser entstehende sirupöse Polymetaphosphorsäure klebt hartnäckig an den Gefaßwandungen und löst sich nur sehr langsam in Wasser. Deswegen und weil das feine Pulver beim Belüften leicht auf die Substanz geblasen wird, sind Präparate, bei denen das Phosphorpentoxid auf poröses Trägermaterial aufgezogen ist, dem reinen Trockenmittel vorzuziehen. Mit diesen körnigen Präparaten können auch säureunempfindliche Gase (also nicht Ammoniak, Amine, Olefine und auch nicht Chlorwasserstoff) entwässert werden. Basisches oder neutrales Aluminiumoxid der Aktivitätsstufe I, wie es auch zur Säulenchromatographie benutzt wird, ist ein gutes Trockenmittel für einige Lösungsmittel. Man füllt es dazu trocken in ein Chromatographierohr, setzt einen Tropftrichter mit Gummistopfen auf und läßt das Lösungsmittel (ohne daß die Säule zwischendurch trocken läuft) durchsickern; Abbildung 59a, S. 86. Die ersten Anteile sind nicht genügend wasserfrei; sie können noch einmal aufgegeben werden. — Gleichzeitig mit dem Wasser werden andere polare Verunreinigungen wie Alkohole (siehe Chloroform, S. 113), Säuren und Peroxide (siehe Ether, S. 113) adsorptiv zurückgehalten. Anwendungsbeispiele jeweils mit den Angaben: Lösungsmittel, (% Wasser), Menge und Art Aluminiumoxid, (0 der Säule), aufgefangener Fraktionsbereich, (% Wasser): Benzol, wassergesättigt (0,07%), 25 g basisch (0 15 mm) 100-2500 ml (0,004%) Chloroform, wassergesättigt (0,09%), 25 g basisch (015mm) 50- 800 ml (0,005%) Diethylether, wassergesättigt (1,28%), 100 g basisch (0 22 mm) 200- 600 ml (0,01 %) Essigester, wassergesättigt (3,25%), 250 g neutral (0 37 mm) 150- 350 ml (0,01 %) Pyridin (0,65%), 30 g basisch (015mm) 20- 45ml (0,02%) Trockenmittel 109 Molekularsiebe sind synthetische Zeolithe, die beim Erhitzen ohne Zusammenbruch des Kristallgitters Wasser abgeben. Dabei entstehen Hohlräume mit Eingängen einheitlicher Weite von z.B. 4Ä (400 pm), die nur für entsprechend kleine MoIekü e, also beispielsweise Wasser, zugänglich sind. Dieser Tatsache und eine besonders hohe Adsorptionsaktivität machen die vom Handel in Perl- oder Stäbchenform gelieferten Molekularsiebe zu sehr guten Trockenmitteln für Lösungsmittel. - Zur Anwendung läßt man das Molekularsieb entweder (vorwiegend zum Vortrocknen) 24 h lang unter gelegentlichem Umschütteln zusammen mit dem Lösungsmittel stehen (etwa 100 g pro Liter bei 1% Wasser) oder (besser!) füllt es trocken in ein Chromatographieeohr und läßt das Lösungsmittel aus mit einem Gummistopfen aufgesetzten Tropftrichter durchsickern (30-50 ml pro min; die ersten 250 ml enthalten noch Spuren von Wasser und, wenn das Molekularsieb neu ist, eventuell eine Trübung); Abbildung 59a, S. 86. Die so getrockneten Lösungsmittel bewahrt man am besten über wenig frischem Molekularsieb auf (etwa 10 g pro Liter). - Benutzte Molekularsiebe können ohne Aktivitätsverlust in der Weise regeneriert werden, daß man sie erst mehrmals mit Wasser wäscht (Verdrängung von Lösungsmittelresten, zur Vermeidung von Explosionen beim Ausheizen), dann im Trockenschrank bei 200-25O0C trocknet und schließlich bei 300—35O0C im Vakuum einer Öl-Drehschieberpumpe (mit Kondensfallen und eingeschaltetem Gasballsat) völlig entwässert. - Die aktiven Molekularsiebe sollen so wenig wie nur möglich der Luftfeuchtigkeit ausgesetzt werden. Anwendungsbeispiele für das geschilderte Säulenverfahren mit jeweils 250 g 4Ä-Molekularsieb in einer 2,5 cm • 70 cm großen Säule: Benzol, wassergesättigt Chloroform, wassergesättigt Diethylether, wassergesättigt Diethylether, handelsüblich Dioxan, handelsüblich Essigsäureethylester, handelsüblich Pyridin, handelsüblich Tetrachlorkohlenstoff, wassergesättigt Tetrahydrofuran, handelsüblich Toluol, wassergesättigt Xylol, wassergesättigt (0,07%) (0,09%) (0,12%) (1,17%) (0,08-0,28%) (0,015-0,21%) (0,03-0,3%) (0,01%) (0,04-0,2%) (0,05%) (0,045%) 10 Liter 10 Liter 10 Liter 3 Liter 3-10 Liter 8-10 Liter 2-10 Liter 10 Liter 7-10 Liter 10 Liter 10 Liter (0,003%) (0,002%) (0,001%) (0,004%) (0,002%) (0,003-0,006%) (0,004%) (0,002%) (0,001-0,003%) (0,003%) (0,002%) („wassergesättigt" bezieht sich auf empirische Werte.) Natrium ist wegen seiner Aggressivität nur zum scharfen Trocknen der Ether (einschließlich Tetrahydrofuran und Dioxan) sowie alipatischer und aromatischer Kohlenwasserstoffe geeignet. (Unter keinen Umständen darf Natrium oder Kalium mit Halogenverbindungen zusammengebracht werden. Beim Umgang mit Alkalimetallen ist unbedingt eine Schutzbrille zu tragen!) Natrium setzt sich stürmisch mit Wasser um, kleinere Teile zerspritzen dabei unter Feuererscheinungen. Es wird daher zum Schutz gegen Luftfeuchtigkeit unter Petroleum aufbewahrt. Abfälle vernichtet man, wie auf S. 135 ausführlich beschrieben. - Zur Trocknung werden einige Stückchen Natrium 110 Allgemeine Arbeitsanweisungen auf Filterpapier vom Benzol sowie mit einem Masser von den anhaftenden Krusten befreit und dann mit einer Natriumpresse als Draht direkt in das Lösungsmittel eingedrückt. (Die Presse muß vor Gebrauch völlig trocken sein. Der Stempel und die Düse sind nach Benutzung sofort herauszuschrauben und mit Methanol von Natriumresten zu reinigen.) — Solange sich Wasserstoff entwickelt, setzt man ein CaIciumchloridrohr auf die Flasche und verschließt dieses mit einem durchbohrten Korkstopfen, durch den ein kurzes Glasrohr gesteckt ist, das zu einer Kapillare ausgezogen wurde. - Das Einpressen von Natrium wird so oft wiederholt, bis sich dabei keine Wasserstoffbläschen mehr bilden. (Der Natriumdraht bleibt im Lösungsmittel.) Lösungsmittel mit oberflächlich umgesetztem Natrium enthalten Natrium-x hydroxid als feine Suspension und müssen deshalb vor Benutzung rasch durch ein großes Faltenfilter gegossen werden. - Ether ist mit Calciumchlorid vorzutrocknen. Ausfrieren des Wassers ist eine der besten Trocknungsmethoden für entsprechend tiefsiedende Gase. Man benutzt dazu Kühlfallen und Kohlendioxid-Kältebäder (höhere Temperaturen sind ziemlich wirkungslos), wie sie auf S. 34 beschrieben sind. Ein sehr schonendes Verfahren, aus wässerigen Lösungen in einem Schritt trockene Feststoffe zu erhalten, die sogenannte Gefriertrocknung, ist auf S. 58 behandelt. Reste unpolarer Lösungsmittel wie Petroleumbenzin lassen sich im Vakuumexsikkator durch hauchdünne Paraffinschnitzel abfangen. Eigenschaften und Reinigung der wichtigsten Lösungsmittel In der folgenden alphabetisch geordneten Zusammenstellung werden die wichtigsten organischen Lösungsmittel beschrieben. Dabei nehmen die Reinigungsverfahren einen besonders breiten Raum ein. Für die meisten Zwecke muß ein hoher Reinheitsgrad gefordert werden, denn bei dem relativ großen molaren Überschuß des Lösungsmittels genügen oft wenige Prozent Verunreinigungen (z. B. Wasser), die gewünschte Reaktion weitgehend zu verhindern oder die Lösungseigenschaften stark zu verändern. Dazu kommt, daß beim Eindampfen die weniger flüchtigen Verunreinigungen sich anreichern. - In der Chromatographie oder bei den spektroskopischen Analysen können geringste Verunreinigungen das Ergebnis stark verfälschen. In den meisten Fällen besteht die vom Chemiker selbst durchzuführende Reinigung in einer Beseitigung des Wassers. (Die Technik des Trocknens ist im vorigen Kapitel beschrieben.) -Außerdem sollten technische Lösungsmittel prinzipiell vor Gebrauch destilliert werden. Alle organischen Lösungsmittel sind mehr oder weniger giftig. Stärkeres oder häufiges Einatmen der Dämpfe kann zu akuten oder chronischen Gesundheitsschäden führen! Deshalb - und wegen der Brandgefahr — soll beim Umgang mit siedenden Lösungsmitteln (also z. B. beim Umkristallisieren) der Abzug benutzt werden. Sämtliche Alkylhalogenide und Ether (auch Tetrahydrofuran sowie Dioxan) sind die wichtigsten Lösungsmittel 111 in braunen Flaschen aufzubewahren. Für die niedrig siedenden Lösungsmittel wie Petrolether, Diethylether und Methylenchlorid sollen die Flaschen keine Glasstopfen, sondern Kork- oder Schraubdeckelverschlüsse haben. (Der Dampfdruck kann die Stopfen herausschleudern.) Die Dichte bezieht sich bei allen folgenden Angaben auf 2O0C. Aceton Sdp.: 56,20C Dichte: 0,791 Löslichkeit: Aceton ist mit Wasser und allen gebräuchlichen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. Es bildet mit Wasser kein Azeotrop. Reinigung: Das Aceton des Handels enthält im allgemeinen kaum Verunreinigungen. Trocknen kann man es durch Stehenlassen über etwa 5 Gew.% entwässertem Calciumsulfat. Alle anderen wirksamen Trockenmittel katalysieren als Basen beziehungsweise Säuren mehr oder weniger stark Kondensationsreaktionen und machen daher eine anschließende Destillation nötig. Ethylalkohol (Ethanol) Sdp.: 78,30C Dichte: 0,794 Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. Bildet mit 4% Wasser azeotropes Gemisch, das bei 78,20C siedet; mit 7,4% Wasser und 71,1% Benzol ein solches, das bei 64,90C siedet. Reinigung: Ethylalkohol wird fast ausschließlich 95proz. (das heißt mit 5% Wasser) in den Handel gebracht und ist aus steuertechnischen Gründen meist mit Methanol, Pyridin oder Kohlenwasserstoffen, manchmal auch mit Methylethylketon vergällt. Man kann auch „absoluten Ethylalkohol" kaufen, der nur noch maximal 0,5% Wasser enthält. Will man sich absolutes Ethanol selbst herstellen, verfahrt man z. B. folgendermaßen: In einem 2-1-Schliffkolben mit Rückflußkühler, der durch ein Calciumchloridrohr verschlossen ist, wird 11 Ethanol zusammen mit 250 g gebranntem Kalk 8 h lang auf einem Dampfbad gekocht. Die Suspension neigt zum Stoßen. Um das zu vermeiden, stelle man einen etwa 25 cm langen unten abgebrochenen Holzspan senkrecht in den Kolben (Siedesteinchen würden sofort zukleben) und schüttele den Ansatz bis zum Beginn des Siedens häufig kräftig um. Anschließend destilliert man unter Benutzung eines Vakuumvorstoßes, an dessen Schlauchansatz ein Calciumchloridrohr hängt, ab. Etwa 20 ml Vorlauf werden verworfen. Es ist zweckmäßig, in den Schenkel des Destillieraufsatzes einen lockeren Pfropfen aus getrockneter Glaswolle zu schieben, die das mitgerissene Calciumoxid abfängt. Benötigt man völlig wasserfreien Alkohol, trocknet man den selbst hergestellten oder gekauften absoluten Alkohol am besten derart weiter: In einen 2-1-Dreihalskolben mit mechanischem Rührer und Rückflußkühler, dem ein Calciumchloridrohr aufgesetzt ist, gibt man (durch den 112 Allgemeine Arbeitsanweisungen immer nur kurz geöffneten dritten Tubus) 1,51 mindestens 99,5 proz. Ethanol, einige Siedesteinchen sowie - nach und nach - insgesamt 10,5 g Natrium. Hat das Metall sich völlig aufgelöst, stellt man den Rührer an und versetzt mit 37,2 ml Phthalsäure-diethylester, wartet einige Minuten und läßt dann eine Stunde lang auf dem Dampfbad sieden. Das Rühren verhindert ein Stoßen der Natriumphthalat-Suspension. Nun kann man über eine kurze Kolonne - wieder unter kräftigem Rühren und mit frischen Siedesteinchen - vom schwerflüchtigen Phthalsäureester (Sdp. 2950C) abdestillieren. So gewonnenes Ethanol enthält weniger als 0,05% Wasser. Eine Erklärung dieses eleganten Verfahrens liefern die nachstehenden Reaktionsgleichungen: C 2 H 5 ONa + H2O + ± C 2 H 5 OH NaOH C 6 H 4 (CO 2 Na) 2 + C 2 H 5 OH C 6 H 4 (CO 2 C 2 H 5 ) 2 2NaOH Das Gleichgewicht (I) wird durch die Verseifung (II) ganz nach rechts verschoben. Nach einem anderen Verfahren zur Gewinnung von absolutem Alkohol setzt man 95proz. Ethanol Benzol zu und destilliert das Wasser als azeotropes ternäres Benzol-Ethanol-Wasser-Gemisch (siehe oben) über eine Kolonne ab. — Die Nachtrocknung zu völlig wasserfreiem Alkohol kann man auch, wie beim Methylalkohol beschrieben, mit Calcium oder Magnesium durchführen. Alkohole, höhere n-Propylalkohol Isopropylalkohol n-Butylalkohol Isobutylalkohol sek. - Buty lalkohol tert.-Butylalkohol Sdp.: 97,20C Sdp.: 82,80C Sdp.: 117,70C Schmp.: -1260C Schmp.: Schmp.: -9O 0 C -9O0C Sdp.: 1080C Sdp.: 99,50C Sdp.: 82,40C Schmp.: -108 0C Schmp.: -1150C Schmp.: +26 0 C Dichte: Zwischen 0,785 und 0,805. Löslichkeit: Die Propylalkohole sind in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar; die höheren nur noch teilweise. Benzol Sdp.: 80,10C Schmp.: 5,50C Dichte: 0,879 Löslichkeit: Mit fast allen gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. Benzol löst sich bei 250C zu 0,18% in Wasser und bildet mit 8,8% Wasser ein Azeotrop, das bei 69,30C siedet. Reinigung: Handelsübliches Benzol kann als Hauptverunreinigung we- die wichtigsten Lösungsmittel 113 nig Wasser, Thiophen und gesättigte Kohlenwasserstoffe enthalten. Zum Trocknen preßt man Natrium ein (siehe S. 109) oder benutzt eine Aluminiumoxid- oder Molekularsieb-Säule. Sdp.: 61,20C Dichte: 1,480 Löslichkeit: Mit Wasser nicht, mit allen gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln mischbar. Reinigung: Handelsübliches Chloroform enthält fast immer etwas Ethylalkohol (nach DAB 7 etwa 1%), der das durch oxidative Zersetzung gebildete giftige Phosgen als Ester unschädlich macht. Falls es nötig sein sollte, kann man diesen Alkohol in einer Aluminiumoxid-Säule (siehe S. 108) oder durch Schütteln mit konz. Schwefelsäure und anschließendes Waschen mit Wasser entfernen. Trocknen kann man das Chloroform ebenfalls an Aluminiumoxid oder am Molekularsieb oder mit Phosphorpentoxid und anschließender fraktionierender Destillation. Auf keinen Fall darf Chloroform mit Natrium zusammengebracht werden! Diethylether Sdp.: 34,60C Dichte: 0,714 Löslichkeit: Ether löst (azeotrop) 1,2% Wasser (bei 150C). Wasser löst 7,5% Ether (bei 150C). Er ist mit konz. Mineralsäuren und fast allen organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. Reinigung: Der Diethylether des Handels enthält meist einige Prozente Wasser und Alkohol, eventuell auch Peroxide und Acetaldehyd. Zur Beseitigung von Wasser und Alkohol läßt man den Ether erst einige Tage über 10-15 Gew.% Calciumchlorid stehen. Dann filtriert man durch ein großes Faltenfilter und preßt in Abständen so lange Natrium ein (insgesamt etwa 0,5-1 Gew.%), bis der Draht blank bleibt (siehe S. 109). Oder man filtriert durch eine Aluminiumoxid- oder Molekularsieb-Säule. Diethylether neigt (wie mehr oder weniger alle Ether) zur Bildung hochexplosiver, stechend riechender Peroxide. Diese sammeln sich als Rückstand bei der Destillation an und können zu Explosionen führen. Peroxidprobe: Man schüttelt einige Milliliter Ether mit einer Lösung von Titan(III)-sulfat in SOproz. Schwefelsäure: Gelb- bis Orangenfärbung zeigt Peroxide an. - Zur ihrer Beseitigung schüttelt man den Ether längere Zeit mit einer frisch bereiteten Lösung von 12g Eisen (Il)-sulfat und 1,2 ml konz. Schwefelsäure in 22 ml Wasser, oder man filtriert durch Aluminiumoxid. - Man kann die Neubildung der Peroxide verzögern, indem man den Ether dunkel aufbewahrt. Zugesetztes festes Ätzkali fällt primär entstehende Hydroperoxid aus (nicht jedoch die polymeren!) und hält den Ether zugleich trocken. Ether mit blankem Natriumdraht kann als peroxidfrei angesehen werden *. Chloroform 1 R.Criegee, Methoden der organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. l, 74, Thieme, Stuttgart 1952. 114 Allgemeine Arbeitsanweisungen N,N-Dimethylformamid (DMF) Sdp: 1530C Schmp.: -610C Dichte: 0,946 Löslichkeit: Mit Wasser und den meisten organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. Dimethylformamid ist wasserdampfflüchtig. Von empfindlichen Substanzen kann man es im Vakuum nach Vermischen mit Wasser bei tiefen Temperaturen abdestillieren. Reinigung: Dimethylformamid ist meist mehr oder weniger stark mit seinen Zersetzungsprodukten verunreinigt. Diese lassen sich, zusammen mit bis zu 5% Wasser, folgendermaßen entfernen: Man versetzt 90ml Dimethylformamid mit 12ml Benzol sowie (falls nicht schon vorhanden) 4 ml Wasser und fraktioniert im Vakuum. Im Vorlauf geht ein Benzol-Wasser-Gemisch zusammen mit den Aminen über, dann folgt sehr reines, geruchloses Dimethylformamid. Dimethylsulfoxid Sdp.: 1890C unter Zersetzung Schmp.: 18,50C Dichte: 1,101 Löslichkeit: Unbegrenzt mit Wasser und zahlreichen organischen Lösungsmitteln (auch mit aromatischen Kohlenwasserstoffen) mischbar; nicht dagegen mit aliphatischen Kohlenwasserstoffen. Vortrocknen über Aluminiumoxid, Bariumoxid oder Calciumsulfat, anschließend über Calciumhydrid im Wasserstrahlvakuum destillieren, Sdp.: 75-760C (12 Torr). Dimethylsulfoxid wird durch Acylhalogenide und ähnliche Verbindungen wie Cyanurchlorid, Acetylchlorid, Benzoylchlorid, Thionylchlorid, Phosphorylchlorid und ähnliche heftig zersetzt! Dioxan Sdp.: 1010C Schmp.: 120C Dichte: 1,034 Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. Dioxan bildet hochexplosive Peroxide! (Siehe Diethylether) Reinigung: Als Hauptverunreinigungen kann Dioxan Peroxide, Essigester, Wasser und Acetaldehydethylenacetal enthalten. Die Peroxide sind durch Schütteln mit Zinn(II)-chlorid zu entfernen. Enthält Dioxan nicht zu viele Verunreinigungen, kann es wie Tetrahydrofuran mit Kaliumhydroxid und Natrium weiter gereinigt und entwässert werden. Das Wasser allein kann mit Molekularsieb entfernt werden. Sdp.: 1180C Schmp.: 170C Dichte: 1,049 Löslichkeit: Unbegrenzt in Wasser, Alkohol (langsam Veresterung) und Ether löslich. Essigsäure Essigsäure-ethylester (Essigester, Ethylacetat) Sdp.: 77,10C Dichte: 0,901 Löslichkeit: Mit den meisten organischen Lösungsmitteln mischbar. Bei 250C löst Essigester 3 Gew.% Wasser, Wasser 8,1 Gew.% Essigester. Bildet mit 8,5 Gew.% Wasser ein bei 70,40C siedendes Azeotrop. die wichtigsten Lösungsmittel 115 Reinigung: Das technische Produkt enthält kleine Mengen Wasser, Ethylalkohol und Essigsäure. Zur Entfernung dieser Verunreinigungen kocht man 6h lang mit 8,5 Vol.% Essigsäureanhydrid unter Rückfluß, destilliert über eine Vigreuxkolonne, trocknet durch Schütteln mit wasserfreiem Kaliumcarbonat und destilliert erneut. Das Wasser kann auch auf einer Aluminiumoxid- oder MolekularsiebSäule beseitigt werden. n-Hexan Sdp.: 68,70C Dichte: 0,659 Löslichkeit: Alle Alkane sind mit Wasser, Dimethylformamid, Dimethylsulfoxid und ähnlichen Lösungsmitteln praktisch nicht mischbar. Sie lösen sich z. B. in absolutem Methanol, Ethylalkohol, Ether und Aceton. Reinigung: Die Beseitigung der sehr geringen Mengen gelösten Wassers geschieht am besten durch Einpressen von Natrium (siehe S. 109). Alle anderen üblichen Trockenmittel dürfen ebenfalls verwendet werden. Ethylmethylketon (Butanon) Sdp.: 8O0C Dichte: 0,805 Löslichkeit: Mit allen gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis homogen mischbar. Es bildet mit 11,3 Gew.% Wasser azeotropes Gemisch. Bei 220C lösen sich in Wasser 26,3 Gew. % Butanon, Reinigung: Wie beim Aceton beschrieben. Methylalkohol (Methanol) Sdp.: 64,50C Dichte: 0,792 Löslichkeit: Mit Wasser, Ethylalkohol, Ether in jedem Verhältnis mischbar, mit aliphatischen Kohlenwasserstoffen nur dann, wenn völlig wasserfrei. Bildet mit Wasser kein Azeotrop. Reinigung: Methylalkohol wird (rektifiziert) schon weitgehend wasserfrei geliefert. Die letzten Reste Wasser - unter einem Prozent - kann man mit Magnesium entfernen1: Man versetzt in einem 2-1-Kolben mit Rückflußkühler und Calciumchloridrohr 11 Methylalkohol mit 10g Magnesiumspänen. Nach einiger Zeit setzt unter Wasserstoffentwicklung die exotherme Reaktion ein und bringt schließlich das Methanol zum Sieden. (Schüssel mit Eis-Wasser bereithalten, damit man kühlen kann, falls die Umsetzung zu stürmisch wird!) Hat sich das Magnesium ganz aufgelöst, läßt man noch etwa zwei h weiter sieden und destilliert dann ab. (Calciumchloridrohr am Vakuumvorstoß.) - Enthält der Methylalkohol mehr als 1% Wasser, springt die Reaktion nicht an. Methylenchlorid Sdp.: 41,60C Dichte: 1,336 Löslichkeit: Mit den meisten organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. Bei 250C löst Methylenchlorid 0,1 Gew.% Wasser und wird von diesem zu 1,3 Gew.% gelöst. Bildet mit 1,5% Wasser ein Azeotrop, das bei 380C siedet. 1 N. Bjerrum und L. Zechmeister, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 56, 894 (1923). 116 Allgemeine Arbeitsanweisungen Reinigung: Zur Reinigung (von z. B. autoxidativ am Licht gebildetem Chlorwasserstoff) genügt meist ein Durchschütteln mit Wasser, Trocknen über Calciumchlorid oder wasserfreiem Kaliumcarbonat und schließlich fraktionierendes Destillieren. Für höhere Ansprüche wäscht man vorher nacheinander mit konz. Schwefelsäure und wässeriger Natronlauge. Methylenchlorid darf keinesfalls mit Natrium zusammengebracht werden! Petroleumbenzine Gemische von Alkanen, handelsübliche Siedebereiche: 40-6O0C (Petrolether); 60 bis 8O0C; 100—140°C(Ligroin). Löslichkeit und Reinigung wie beim «-Hexan. Pyridin Sdp.: 115,60C Dichte: 1,510 Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. Es ist hygroskopisch und bildet mit 46% Wasser Azeotrop, das bei 920C siedet. Reinigung: Das reine Pyridin des Handels braucht zur Trocknung im allgemeinen nur kurze Zeit über festem Kaliumhydroxid oder Bariumoxid gekocht und dann abdestilliert zu werden. Trocknung auf der Aluminiumoxid- oder Molekularsieb-Säule ist ebenfalls möglich. Tetrachlorkohlenstoff Sdp.: 76,70C Dichte: 1,598 Löslichkeit: Mit den meisten organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. Bei 250C löst Tetrachlorkohlenstoff 0,08% Wasser. Bildet mit 4,1% Wasser ein Azeotrop, das bei 650C siedet. Reinigung: Zum Trocknen genügt meist Calciumchlorid oder Destillation über eine kurze Kolonne, wobei das Wasser azeotrop als Vorlauf abgetrennt wird. Wirksamer läßt sich das Wasser mit Aluminiumoxid oder Molekularsieb entfernen. Auf keinen Fall darf Tetrachlorkohlenstoff mit Natrium zusammengebracht werden! Tetrahydrofuran (THF) Sdp.: 56,40C Dichte: 0,888 Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. Bildet mit 5,4 Gew.% Wasser ein azeotropes Gemisch, das bei 630C siedet. THF bildet noch leichter als Diethylether hochexplosive Peroxide (siehe bei diesem). Reinigung: Der Nachweis der Peroxide ist beim Diethylether beschrieben. Man entfernt sie in folgender Weise1: 100Og Tetrahydrofuran mit einem Gehalt von 0,4% aktivem Sauerstoff werden mit 4 g Kupfer(I)- Farbwerke Hoechst AG, Erfinder: H. Wegner und O.Fuchs. Dtsch. Bundes-Pat 948506 (1954). die wichtigsten Lösungsmittel, Bestimmung des Schmelzpunkts 117 chlorid gekocht; dann destilliert man das peroxidfreie Tetrahydrofuran ab. Zur Trocknung schüttelt man mit festem Kaliumhydroxid (Vorsicht, feuchtes THF kann sich mit KOH heftig erwärmen1), trennt von der Base ab, preßt Natrium ein (siehe Diethylether) und destilliert dann vorsichtig (nicht zu weitgehend!) in einer Heizhaube ab. Oder man filtriert über Molekularsieb. Toluol Sdp.: 110,60C Dichte: 0,865 Man verwendet Toluol (und die Xylole) als Lösungsmittel an Stelle von Benzol, wenn höhere Siedetemperaturen gewünscht werden. Die Lösungseigenschaften dieser Homologen sind so gut wie gleich. Trocknen kann man sie in derselben Weise wie Benzol. Meist benutzt man das billigere Isomerengemisch, das zwischen 130 und 140 0C überdestilliert. Näheres siehe bei Toluol. Xylol Bestimmung des Schmelzpunkts Die zur Charakterisierung kristalliner Verbindungen wichtigste physikalische Stoffkonstante ist der Schmelzpunkt. Im Labor benutzt man zur Schmelzpunktbestimmung meist Apparaturen, in denen ungefähr ein Milligramm Substanz in einem einseitig zugeschmolzenen Kapillarröhrchen aus Glas neben einem Thermometer erhitzt wird. Die Schmelzpunktkapillare hat einen Durchmesser von l mm, eine Länge von etwa 7 cm und soll sehr dünnwandig sein. Sie wird mehrmals mit der Öffnung in die (z. B. auf dem Tonteller) gut getrocknete, fein zerriebene Untersuchungssubstanz getaucht und dann vorsichtig aufgestaucht, bis sie 2 oder 3 mm hoch kompakt gefüllt ist. (Bleibt das Pulver hartnäckig an der Rohrmündung hängen, läßt man die Kapillare mehrmals durch ein langes Glasrohr auf eine harte Unterlage fallen.) Als Meßapparatur verwendet man im allgemeinen entweder kleine, dauernd umgewälzte Flüssigkeitsbäder oder einen Metallblock; beide mit geeichtem Thermometer. Mit den ersteren läßt sich die Schmelzpunktbestimmung auf etwa 1,O0C, mit dem zweiten auf 1,5—2,O0C bei einiger Übung reproduzieren. In den Flüssigkeits-Schmelzpunktapparaturen soll die Substanz sich unmittelbar neben der Quecksilberkugel des Thermometers befinden - und möglichst durch Rühren oder Konvektion für eine gleichmäßige Wärmeübertragung gesorgt sein. Eine einfache Konstruktion von J. Thiele, die diese Forderung recht gut erfüllt, zeigt Abbildung 69: Das Thermometer wird durch einen Kork gehalten, der auf der Vorder1 Vorsicht bei der Reinigung von THF, vgl. Warnung in Organic Syntheses, CoIl. Vol. 5, S. 976, J. Wiley and Sons, New York, London, Sydney, Toronto 1973. 118 Allgemeine Arbeitsanweisungen seite zum Ablesen der Skala eingekerbt ist. Durch die beiden schrägen Ansatzrohre können zwei Schmelzpunktkapillaren so eingeführt werden, daß sie an die Thermometerkugel stoßen. Der Apparat, der bis zur Hälfte der Ansatzrohre mit Heizbadflüssigkeit gefüllt ist, hat unten einen bogenförmigen Ansatz, unter den der Brenner gestellt wird. Diese Konstruktion bewirkt, daß die aufsteigende erwärmte Badflüssigkeit dauernd zirkuliert. Geheizt wird mit der Sparflamme des Bunsenbrenners. (Zur besseren Verteilung der Wärme sollte man den unteren beheizten Schenkel, wie Abbildung 69b zeigt, mit Kupferdrahtnetz überziehen.) Es empfiehlt sich, den Schmelzvorgang durch eine Lupe zu beobachten. Als Heizbadfüllung verwendet man konz. Schwefelsäure oder Siliconöl. Der Umgang mit heißer, konzentrierter Schwefelsäure verlangt besondere Vorsicht; es empfiehlt sich, eine größere Petrischale mit Sand unter den Bunsenbrenner zu stellen. Langsame Braunfärbung der Schwefelsäure verhindert man durch Zugabe eines Kristalls Kaliumnitrat. - Siliconöle fangen, je nach Qualität, ab 20O0C an, sich zu zersetzen und zu polymerisieren, wodurch die Konvektion gestört wird. Außerdem haben sie hohe Wärmeausdehnungskoeffizienten. In der Metallblock-Schmelzpunktapparatur ist die Temperatur nach oben lediglich durch das Thermometer begrenzt. (Normale Quecksilberthermometer reichen bis 3600C.) Der Metallblock nach F. Lindström - siehe Abbildung 70 - besteht aus einem dickwandigen, abgeschlossenen Kupferzylinder, in den man von oben das Thermometer und bis zu drei Schmelzpunktkapillaren einsteckt. Er ist mit einer Lampe und Abb. 69 Einfache Schwefelsäure-Schmelzpunktapparatur nach Thiele mit Substanzprobe; a) von vorne; b) von der Seite gesehen (Maßstab l : 3) Abb. 70 Kupferblock-Schmelzpunktapparatur (im Querschnitt) mit zwei Substanzproben (Maßstab l: 2) Schmelzpunktdepression 119 einer Lupe zur Beobachtung des Schmelzvorgangs ausgerüstet. Geheizt wird durch eine kleine, regulierbare Gasflamme. Bei beiden Apparaturen ist die Heizstärke so einzustellen, daß die Temperatur anfangs um etwa zehn 0C pro min, in der Nähe des Schmelzpunkts ein 0C pro min steigt. Liegt der Schmelzpunkt hoch (über etwa 10O0C), darf anfangs schneller aufgeheizt werden. (Ist er unbekannt, empfiehlt es sich, eine Vorprobe sehr schnell zu erhitzen, um so seine ungefähre Lage zu ermitteln.) Bei reinen Substanzen beobachtet man nach anfanglichem Schwinden und Sintern einen plötzlichen Beginn des Schmelzvorgangs, der sich dann noch über maximal ein Grad hinziehen kann. Verunreinigte Stoffe und manche Substanzklassen schmelzen über ein größeres Temperaturintervall. Zahlreiche organische Verbindungen (speziell salzartige) zersetzen sich bereits unterhalb ihres Schmelzpunkts. Liegt eine solche vor, heizt man anfangs möglichst rasch bis zehn Grad unterhalb des Zersetzungspunkts und erst dann mit zirka fünf 0C Temperatursteigerung pro min weiter. Der Zersetzungspunkt gibt sich durch Dunkelfarbung der Substanz oder Aufblähen und Gasentwicklung zu erkennen (sowie daran, daß die Zersetzungsprodukte beim langsamen Abkühlenlassen nicht am gleichen Temperaturpunkt wieder fest werden). Er ist stark von der Schnelligkeit des Erhitzens abhängig und hat deshalb als Charakteristikum nur geringen Wert. Weiterhin sind einige organische Verbindungen polymorph, das heißt, sie können in verschiedenen (energetisch ähnlichen) Kristallgittern existieren, haben also mehr als einen Schmelzpunkt. Schon geringe Verunreinigungen (auch solche mit höher schmelzenden Substanzen) bewirken - durch Bildung von Eutektika J - eine merkliche Schmelzpunkt-Erniedrigung. Diese Tatsache liefert die Möglichkeit, die Identität zweier kristalliner Stoffe auf einfache Weise zu belegen: Man stellt sich durch sorgfältiges Verreiben eine Mischung aus der zu untersuchenden Substanz und einer authentischen Vergleichssubstanz her und bringt diese neben der reinen Vergleichssubstanz zum Schmelzen. Ist die unbekannte Verbindung mit der authentischen identisch, schmelzen beide Proben gleichzeitig; ist sie es nicht, schmilzt die Mischung deutlich tiefer (auch wenn die Schmelzpunkte der zwei Einzelstoffe sehr nahe beieinander liegen). Diese Methode der Mischschmelzpunkt-Bestimmung versagt lediglich in dem (seltenen) Fall, daß die beiden Verbindungen isomorph (also von gleicher Kristallgestalt) sind. Eine unbekannte Substanz kann dann als ,jchmelzpunktrein" angesehen werden, wenn ihr Schmelzpunkt scharf ist und sich nach wiederholtem Umkristallisieren (Sublimieren oder Destillieren) nicht mehr erhöht. Unreine Substanzen schmelzen innerhalb eines Temperaturbereichs von mehreren 0C. Den Schmelzpunkt von Substanzen, die sublimieren, mißt man im zugeschmolzenen Röhrchen, das möglichst vollständig ins Wärmebad eintauchen soll. - Hygroskopische Stoffe sind ebenfalls so abzuschließen. Verbindungen, die unterhalb der Raumtemperatur schmelzen, taucht man zusammen mit dem Thermometer in ein kleines gut gerührtes Kältebad und wartet, bis die 1 Siehe Lehrbücher der anorganischen Chemie. 120 Allgemeine Arbeitsanweisungen erstarrte Substanz im langsam sich erwärmenden Bad wieder schmilzt. Trägt das zur Schmelzpunktapparatur gehörende Thermometer auf seiner Rückseite die Aufschrift „mittlere Fadentemperatur:... 0C", ist es vereinbarungsgemäß so geeicht, daß die abgelesenen Werte die tatsächlichen Schmelztemperaturen anzeigen. Ist das Thermometer nicht auf die Schmelzpunktapparatur abgestimmt, muß man zur Ermittlung der wahren Schmelzpunkttemperatur eine Thermometerkorrektur (Fadenkorrektur) vornehmen, als Ausgleich dafür, daß der aus dem Bad herausragende Teil des Quecksilberfadens nicht mit erwärmt wird. Man addiert dafür zu der abgelesenen Temperatur den Betrag n • y (t — t0), bei dem y eine Materialkonstante, n die Anzahl der überstehenden Grade des Quecksilberfadens und f0 dessen mittlere Temperatur (angenähert mit einem zweiten Thermometer zu messen) ist. y hat für Jenaer Glas den Wert 0,00016. Für Temperaturen von 25O0C liegt der Korrekturwert im Bereich von 60C. - In der Literatur werden häufig „unkorrigierte" Schmelzpunkte angegeben. Abschließend seien noch zwei aufwendigere Apparaturen zur Bestimmung des Schmelzpunkts erwähnt, nämlich das Heiztisch-Mikroskop und die Heizbank, die beide von L. Kofler entwickelt worden sind. Das Heiztisch-Mikroskop hat einen elektrisch heizbaren Objekttisch, in dessen Mitte ein speziell geeichtes Thermometer ragt. Mit seiner Hilfe kann das Temperaturverhalten einer Untersuchungssubstanz, von der nur wenige winzige Kriställchen nötig sind, bei starker Vergrößerung genau beobachtet werden (eventuell im polarisierten Licht). Dabei ist die Temperatur so fein einzuregulieren, daß das KristallSchmelze-Gleichgewicht längere Zeit konstant gehalten werden kann. Sehr rasch läßt sich der Schmelzpunkt auf 2-3 0C genau mit der Heizbank ermitteln. Sie besteht im wesentlichen aus einer knapp 40 cm langen Metallschiene, auf der eine eingebaute Widerstandsheizung ein lineares Temperaturgefalle zwischen 50 und 25O0C erzeugt. Die pulverisierte Testsubstanz wird direkt auf die Schiene gestreut. An der -je nach Reinheit des Stoffes mehr oder weniger breiten — Grenze zwischen Kristallpulver und Schmelze kann die Temperatur von einer Skala abgelesen werden. Bestimmung des Siedepunkts Im Gegensatz zum Schmelzpunkt ist der Siedepunkt vom Druck abhängig. Steht keine weitere Angabe dabei, bezieht sich der Siedepunkt immer auf den Normaldruck, also 760 Torr. Bei Substanzen, die sich unter diesen Bedingungen zersetzen, mißt man den Siedepunkt im verminderten Druck, muß dann natürlich den Meßdruck mit angeben. Leider ist die Druckabhängigkeit der Siedetemperatur von Stoff zu Stoff verschieden, so daß es nicht ohne weiteres möglich ist, die gemessenen Werte auf Normalbedingungen umzurechnen (siehe S. 39). Da außerdem die Bestimmung des Siedepunkts schwieriger und - besonders wegen der kaum ganz zu vermeidenden Bestimmung des Siedepunkts 121 Überhitzung — fehlerhafter ist als die des Schmelzpunkts, kommt ihr als charakteristische Stoffkonstante eine viel geringere Bedeutung zu. Um die Vorteile der Schmelzpunktbestimmung auch auf flüssige Verbindungen ausdehnen zu können, führt man diese häufig durch einfache chemische Umsetzungen in definierte kristalline Derivate über. Eine Möglichkeit der Siedepunktbestimmung wurde schon auf S. 35 behandelt: Man destilliert die Flüssigkeit in einer normalen Destillationsapparatur über und mißt die am Siedethermometer angezeigte Temperatur (dabei auf richtigen Sitz des Thermometers achten; langsam, aber kontinuierlich destillieren; Siedesteinchen nicht vergessen). Für exakte Messungen müßte dazu noch der Barometerstand abgelesen (und eventuell auch eine Thermometerkorrektur vorgenommen) werden. Siedepunkte unter vermindertem Druck lassen sich nur auf diese Weise messen. (Dabei Druckabfall zwischen Manometer und Siedekolben gering halten; siehe S. 40). Für kleine Substanzmengen sind besonders zwei auf 1-20C reproduzierbare Verfahren geeignet, die beide in der Schmelzpunktapparatur nach Thiele (Abbildung 69) durchgeführt werden können. Bei der einen - nach Ch. Wiegand*; Abbildung 71 - gibt man etwa 2 ml der Flüssigkeit in ein 5-6 mm weites Reagenzgläschen („Glühröhrchen"), steckt eine Schmelzpunktskapillare so dazu, daß ihre Mündung bis kurz über den Boden in die Flüssigkeit taucht und befestigt das Glühröhrchen mit einem Gummiring auf gleicher Bodenhöhe am Schmelzpunktthermometer. Beim Heizen (rasch bis auf etwa 1O0C unterhalb des Siedepunkts, dann etwa 1 0 C pro min) treten erst einzelne Gasblasen aus Abb. 7l Apparatur zur Siedepunktbestimmung nach Wiegand Ch. Wiegand, Angew. Chem. 67, 77 (1955). Abb. 72a-c Kapillare zur Siedepunktbestimmung nach Emich in drei Arbeitsstadien (Maßstab 2:1) 122 Allgemeine Arbeitsanweisungen der Kapillare, die sich dann plötzlich - beim Erreichen der Siedetemperatur - zu einer ununterbrochenen Kette feiner Bläschen verdichten. Läßt man langsam wieder abkühlen, reißt die Kette am Siedepunkt unvermittelt ab. Für die zweite - nach F. Emich 1 ; Abbildung 72 - zieht man den Boden eines Schmelzpunktröhrchens in der Sparflamme zu einer feinen, 2 cm langen, offenen Kapillare aus. Diese Spitze taucht man so kurz in die Untersuchungsflüssigkeit, daß sich nur ein winziges Tröpfchen hochsaugt und das offene Ende wieder frei wird (a in Abbildung 72). Schmilzt man nun die Spitze vorsichtig über der Sparflamme zu, muß unterhalb des Tröpfchens ein kleines Luftvolumen zurückbleiben (b). Dieses dehnt sich beim Erhitzen in der Schmelzpunktapparatur (nach Abbildung 72) zuerst nur wenig, dann - wenn der Siedepunkt erreicht ist — so rasch aus, daß das Tröpfchen plötzlich bis über den Meniskus der Badfüllung hochgeschoben wird (c). Bestimmung des Brechungsindexes (Refraktometrie) Der Brechungsindex n ist eine weitere spezifische Stoffkonstante, die es gestattet, flüssige oder gelöste Verbindungen schnell und bequem zu identifizieren oder auf Reinheit zu prüfen. Physikalische Grundlage ist die Stoff- und konzentrationsabhängige Ablenkung, die Lichtstrahlen bestimmter Wellenlänge beim Übertritt aus Luft in die zu messende Flüssigkeit erfahren. Moderne Refraktometer arbeiten meist nach dem Prinzip der Totalreflexion und sind so geeicht, daß sie den Brechungsindex auf 0,0001 genau direkt anzeigen.2 Solche Meßgenauigkeit ist - wegen der starken Temperaturabhängigkeit des Brechungsindexes - allerdings nur dann sinnvoll, wenn die Meßtemperatur auf 0,20C exakt eingestellt und abgelesen werden kann! Das ermöglicht z. B. ein kleiner Durchflußthermostat, der über kurze Schläche mit dem Refraktometer verbunden ist. In der Literatur angegebene Brechungsindizes beziehen sich üblicherweise auf die Wellenlänge der Natrium-D-Linie (589 nm) und 20 oder 25 0 C: «£° o<^er no5Wegen möglicher Volumenkontraktionen beim Mischen ist der Brechungsindex nur bedingt linear von der Konzentration einer Lösung abhängig. Für absolute Konzentrationsmessungen muß daher jeweils eine Eichkurve angefertigt werden. 1 2 F. Emich, Monatsh. Chem. ^,219(1917). Siehe Lehr- und Praktikumsbücher der Physik oder physikalischen Chemie. Refraktometrie und Polarimetrie 123 Bestimmung der optischen Aktivität (Polarimetrie) Zahlreiche organische Verbindungen sind chiral, das heißt, sie können in zwei Antipoden (Enantiomeren) auftreten, die sich - bei völliger Identität des Molekülaufbaus, aller Bindungsabstände und Bindungswinkel - lediglich dadurch voneinander unterscheiden, daß der eine das Spiegelbild des anderen ist. Solche Antipodenpaare verhalten sich auch chemisch und physikalisch völlig gleich — bis auf eine Ausnahme: Sie drehen die Ebene des polarisierten Lichts1 rechts herum oder links herum; sie sind optisch aktiv. Der Betrag dieser Rechts- beziehungsweise Links-Drehung (Rotation) ist für jede Substanz spezifisch. - Damit ergibt sich die Möglichkeit, mit Hilfe eines Polarimeters optisch aktive Substanzen, die in der Natur häufig vorkommen, zu identifizieren, der rechtsdrehenden (+) oder linksdrehenden ( — ) Form zuzuordnen oder mengenmäßig zu bestimmen. Der am Polarimeter abgelesene Drehwert a (gemessen in Winkelgraden) ist abhängig von: der spezifischen Drehung der Substanz [a], der Konzentration der gelösten Substanz c (in g/100 ml), der Länge der benutzten Küvette l (in Dezimetern!), der Wellenlänge des zur Messung benutzten Lichts A [nm] und, in geringem Umfang, der Temperatur. Zwischen diesen Bezugsgrößen besteht (für eine bestimmte Wellenlänge und Temperatur) der Zusammenhang: [a]| = c •l . Früher wurde fast ausschließlich bei der Wellenlänge der gelben Natrium-D-Linie (589 nm) gemessen. Moderne Geräte ermöglichen Bestimmungen bei mehreren Wellenlängen. - Die Abhängigkeit der optischen Drehung von der Wellenlänge, die sogenannte optische Rotationsdispersion (ORD), verläuft in substanzspezifischen Kurven, welche Maxima und Minima aufweisen, die mit der Lage der Absorptionsbanden zusammenhängen (Cotton-Effekte). In der Praxis wiegt man die Untersuchungssubstanz in einem passenden Meßkölbchen ein, löst sie und füllt die klare (!) Lösung blasenfrei in die Meßküvette. Die Durchführung der Messung selbst richtet sich nach der Art des Polarimeters. Es empfiehlt sich auf jeden Fall mit einem Lösungsmittel den Nullpunkt des Gerätes zu überprüfen („Leerwert"-Messung). Im allgemeinen wählt man die Konzentration c gleich l (bis 2). Da die Drehung stark vom Lösungsmittel beeinflußt werden kann und auch nicht unbedingt linear von der Konzentration abhängt, sind beide Daten mit anzugeben. Beispiel: [a]^5 = + 12,7° in Methanol (c = 1). Benutzung einer, an einen Thermostaten angeschlossenen Durchflußküvette ist lediglich in Ausnahmefällen nötig. Siehe Lehrbücher der Physik. 124 Allgemeine Arbeitsanweisungen Die Drehrichtung kann nur durch Vergleich mit einer zweiten Messung bei z. B. halber Konzentration oder halber Küvettenlänge ermittelt werden. Speziell geeichte „Saccharometer" dienen vielfach in der Industrie zur Gehaltsbestimmung von Zuckerlösungen. Qualitative chemische Elementaranalyse Zur Ermittlung der Zusammensetzung einer organischen Verbindung ist ein Nachweis der Elemente notwendig. Dieser unterscheidet sich von einem entsprechenden anorganischen Trennungsgang im wesentlichen dadurch, daß zwar einerseits immer ein Aufschluß der (homöopolar gebundenen) Substanz nötig ist, andererseits jedoch vergleichsweise nur sehr wenige Elemente bestimmt werden müssen. Am Anfang jeder weiteren Untersuchung mache man stets eine Brennprobe, indem man 10-50 mg der unbekannten Substanz auf einem Spatel schrittweise der Mikroflamme des Bunsenbrenners nähert. Fängt die Substanz dabei von selbst an zu brennen, deutet eine nicht oder nur schwach bläulich leuchtende Flamme auf Sauerstoffgehalt - eine gelb leuchtende, rußende Flamme auf das Vorliegen von C—C-Mehrfachbindungen hin. Bleibt nach längerem Glühen ein nicht verbrennbarer Rückstand, enthielt die Probe anorganische Bestandteile. Explodiert die Substanz, muß bei den weiteren Untersuchungen besonders vorsichtig und mit kleinsten Mengen weitergearbeitet werden! Nachweis von Kohlenstoff und Wasserstoff Kohlenstoff läßt sich oft schon bei der Brennprobe erkennen. Sicher nachweisen kann man ihn, indem man eine Substanzprobe in einem kleineren Reagenzglas mit der mehrfachen Menge ausgeglühtem, feinem Kupferoxid mischt, noch mit etwas Kupferoxid überschichtet, das Reagenzglas mit einem durchbohrten Korkstopfen verschließt, in welchem ein Glasrohr steckt, das in klare Bariumhydroxidlösung eintaucht - und nun die Mischung stark erhitzt. Enthielt die Probe Kohlenstoff, bildet sich Kohlendioxid, das das Barytwasser trübt (Bariumcarbonat fällt aus). - Hat man vorher die Substanzen und das Reagenzglas gut getrocknet, sind Wassertröpfchen, die sich an der oberen, kälteren Rohrwandung niederschlagen, ein Hinweis auf (in organischen Verbindungen fast immer vorhandenen) Wasserstoff. Natriumaufschluß Für den Nachweis von Stickstoff, Schwefel und oft auch Halogen ist die Substanz zuerst mit metallischem Natrium aufzuschließen. Dabei ist unbedingt die Schutzbrille qualitative chemische Elementaranalyse 125 zu tragen und der Abzug zu benutzen! Nitroalkane, organische Azide, Diazoester und aliphatische Polyhalogenide explodieren mit Natrium! Siehe auch Hinweise auf S. 113. Man erhitzt in einem kleinen Glühröhrchen (Reagenzglashalter benutzen) eine Spatelspitze der Untersuchungssubstanz zusammen mit einem, von anhaftenden Krusten befreiten, auf Filtrierpapier getrockneten linsengroßen Stück Natrium (oder auch Kalium) in einer kleinen Bunsenbrennerflamme erst wenig, dann - wenn die meist an Verpuffen und Dunkelfärbung erkennbare Zersetzung stattgefunden hat bis zur Rotglut. Nun taucht man sofort den heißen unteren Teil des Röhrchens in ein bereitgestelltes 25-ml-Becherglas mit etwa 5 ml (nicht mehr!) Wasser. Dabei zerspringt das Glühröhrchen; noch vorhandenes Natrium entzündet sich. Die alkalische Lösung (sicherheitshalber pH prüfen!) wird durch ein kleines Filter abfiltriert. Sie enthält den Stickstoff sowie den Schwefel zusammen mit dem Kohlenstoff und die Halogene als NaCN, Na2S, NaSCN beziehungsweise Natriumhalogenid. Flüssige Proben erhitzt man in einem längeren Reagenzglas und läßt die sich am kalten Rohrteil kondensierende Substanz einige Zeit auf das heiße geschmolzene Natrium zurückfließen. Wenn die Substanz beim Mischen oder Erhitzen mit Natrium explodiert, löst man vorher eine Probe von etwa 0,1 g in 1-2 ml Eisessig, gibt 0,1 g Zinkpulver zu und erwärmt, bis sich alles Zink umgesetzt hat. Dann dampft man zur völligen Trockne ein und behandelt den Rückstand wie beschrieben mit Natrium. Nachweis von Stickstoff nach Lassaigne Man versetzt etwa 2 ml der nach Aufschluß mit Natrium erhaltenen Lösung mit je einem Tropfen gesättigter Eisen(II)-sulfat-Lösung und lOproz. Eisen(III)-chloridLösung, prüft, ob die Flüssigkeit alkalisch reagiert, und kocht, wenn dies der Fall ist, 1-2 min lang, wobei in Gegenwart von Cyanid Hexacyano-ferrat entsteht. Säuert man nun die im fließenden Wasser gut gekühlte Lösung vorsichtig mit konz. Salzsäure an (Überschuß vermeiden!), löst sich das ausgeflockte Eisenoxid und eventuell Eisensulfid; gleichzeitig bildet sich Berliner Blau, das sich langsam absetzt. — Bei sehr geringer Stickstoffkonzentration entsteht manchmal nur eine blaßgrüne Färbung. In diesem Falle, und dann, wenn die Lösung von vornherein farbig war, gießt man, nachdem man gut umgeschüttelt hat, durch die Spitze eines kleinen Filters. Die blauen Flocken bleiben zurück. - Unter Umständen muß man den Ansatz zur Ausflockung vorher längere Zeit stehen lassen. Bei Stoffen, die ihren Stickstoff in der Wärme leicht abgeben, wie DiazoVerbindungen, versagt diese Nachweismethode. 126 Allgemeine Arbeitsanweisungen Nachweis von Schwefel Man versetzt etwa einen Milliliter der nach Aufschluß mit Natrium erhaltenen alkalischen Lösung mit fünf Tropfen gesättigter Dinatrium-pentacyanonitrosylferrat-Lösung (Nitroprussidnatrium), die man sich durch Schütteln einiger Körnchen des festen Salzes in kaltem Wasser vorher bereitet hat. Eine rotviolette Färbung zeigt Schwefel an. - Da die Nitroprussid-Reaktion äußerst empfindlich ist und deshalb keinen Schluß auf die Menge des Schwefels zuläßt, versetzt man eine zweite Probe von einem Milliliter mit einigen Tropfen Bleiacetatlösung und macht essigsauer. Bei wenig Schwefel bildet sich nur eine dunkle Trübung, bei größeren Mengen ein Niederschlag von Bleisulfid. Leicht flüchtige Schwefel Verbindungen, die beim Alkaliaufschluß verdampfen, werden im Einschmelzrohr (siehe S. 28) einige Stunden bei 250-30O0C mit rauchender Salpetersäure zu Schwefelsäure oxidiert und dann als Bariumsulfat nachgewiesen (Carius). - Weniger sicher ist die anschließend beschriebene Salpeterschmelze. Nachweis von Halogen Enthält die Verbindung keinen Stickstoff, kann man sie für den Nachweis der Halogene mit Natrium aufschließen, filtrieren und mit Essigsäure ansäuern. - Im anderen Fall vermischt man eine kleine Substanzprobe sorgfältig mit einem Überschuß von chemisch reinem CaO, glüht das Gemenge in einem nicht zu engen Reagenzglas über der Bunsenbrennerflamme (Schutzbrille aufsetzen; Abzug benutzen!) und taucht dann das heiße Glas sofort in ein kleines Becherglas mit wenig Wasser, so daß es zerspringt. Nun säuert man mit verd. halogenfreier Salpetersäure an und filtriert. Schließlich kann man bei nicht flüchtigen Substanzen die Halogene und den Schwefel in einer Salpeterschmelze freisetzen. Man verreibt dazu 5-10 mg des Stoffs (keinesfalls mehr; Schutzbrille aufsetzen!) in einer kleinen Achatreibschale mit 200 mg reinstem Kaliumnitrat und erhitzt die Mischung in einem kleinen Reagenzglas vorsichtig über der Mikroflamme (Schutzbrille aufsetzen!). Die Oxidation setzt unter meist schwachen Feuererscheinungen ein und ist beendet, wenn die Schmelze farblos geworden ist. Nach dem Erkalten löst man in möglichst wenig Wasser. In den Lösungen, die man nach einem dieser drei Aufschlußverfahren erhält, weist man die Halogene nebeneinander - wie in den anorganischen analytischen Praktikumsbüchern beschrieben - mit Silbernitrat nach. Die Abwesenheit von Halogenen kann man bequem mit Hilfe der Beiist ein-Probe erkennen. Dazu glüht man das (am besten breitgehämmerte) Ende eines dicken Kupferdrahtes so lange, bis die anfangs gefärbte Bunsenbrennerflamme völlig farblos geworden ist. Dann läßt man den Draht wieder erkalten und taucht ihn in die Untersuchungssubstanz, so daß einige Körnchen beziehungsweise Tröpfchen hängen bleiben. Hält man das Ende mit der Substanz jetzt wieder an den Rand der nichtleuchtenden Flamme, verbrennt zunächst der Kohlenstoff. Enthielt die Probe HaIo- das Arbeitsprotokoll 127 gen, leuchtet dann nach kurzer Zeit die Flamme deutlich grün bis blaugrün (Flammenfärbung der oxidativ entstandenen Kupferhalogenide). Da die äußerst empfindliche Beilstein-Probe noch Spuren von Halogen anzeigt, ist nur das negative Ergebnis als Beweis für das Fehlen von Halogen zuverlässig. Nachweis anderer Elemente Andere Elemente, die in organischen Verbindungen vorkommen, wie Phosphor, Arsen, weitere Halbmetalle und organisch gebundene Metalle, weist man nach, indem man die Substanz durch Oxidation - Salpetersäure im Einschlußrohr (siehe S. 28) oder durch Schmelzen mit Kaliumnitrat (siehe oben) - zerstört und dann mit den üblichen anorganisch-analytischen Methoden untersucht. Abfassung des Arbeitsprotokolls Jede chemische Präparation oder Untersuchung ist sofort im Tagesjournal festzuhalten. Aus diesen Notizen wird dann später das Protokoll angefertigt. Seine Angaben sollen so knapp wie möglich sein; sie müssen jedoch alle Fakten enthalten, die eine Wiederholung des Arbeitsvorgangs zu einem späteren Zeitpunkt oder durch andere ohne Schwierigkeiten möglich macht. Dem Anfänger möge das folgende Schema eines Syntheseprotokolls als Anhalt dienen: Name des Präparats1: Datum: Formel des Präparats: Literatur: (Bei Büchern neben Seitenzahl stets Auflage beziehungsweise Erscheinungsjahr angeben.) Reaktionsgleichung und Reaktionstyp, eventuell Namen: Reaktionsmechanismus: (Soweit bekannt.) Reaktionsansatz: (in g beziehungsweise ml und mol für alle Reaktionspartner.) Arbeitsvorschrift: Diese ist nur dann hier aufzuschreiben, wenn die Literatur nicht ohne weiteres zugänglich ist oder aus einer nicht geläufigen Sprache übersetzt werden mußte. Bemerkungen zur Synthese: (Angaben, die die oben zitierte Literatur ergänzen. Beschreibung aller wichtigen Beobachtungen und Manipulationen, die von der Arbeitsvorschrift abweichen. Also z. B.: Fraktioniertabellen, zusätzlich durchgeführte Reinigungsoperationen usw.). 1 Verbindlich ist die Nomenklatur nach IUPAC, veröffentlicht in: International Union of Pure and Applied Chemistry, Nomenclature of Organic Chemistry Section A, B, C, Butterworths, London 1969. 128 Allgemeine Arbeitsanweisungen Ausbeute: (In g beziehungsweise ml, mol und Prozenten. Man beachte die Fehlergrenzen; es ist falsch, Ausbeuteprozente z. B. auf zwei Stellen hinter dem Komma genau anzugeben, wenn Einwaage oder Auswaage nur auf eine Stelle genau gemessen wurden.) Charakteristiken des Produkts: (Reinheitskriterien, wie Farbe, Schmelzpunkt, Siedebereich, RF-Werte, Spektren. Zersetzlichkeit und ähnliches.) Organisch-chemische Fachliteratur Alle eindeutig charakterisierten organischen Verbindungen werden in dem umfangreichen Werk „Beilsteins Handbuch der organischen Chemie" (Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York) beschrieben, das folgendermaßen aufgebaut ist: Hauptwerk, referiert die Literatur bis 1909 und umfaßt 27 Sachbände; I. Ergänzungswerk, Literatur von 1910-1919, 31 Bände, II. Ergänzungswerk, Literatur von 1920-1929, 29 Bände, Bände 30, 31 (Naturstoffe), III. Ergänzungswerk, Literatur von 1930-1949, bis Band 16 erschienen. III./IV. Ergänzungswerk, Literatur von 1930—1959, Bände 17-23 erschienen. IV. Ergänzungswerk, Literatur von 1950—1959, bis Band 6 erschienen. Die Verbindungen sind im „Beilstein" nach einem speziellen System auf die Einzelbände verteilt. In den Ergänzungswerken erscheinen neben den normalen Seitenzahlen auch diejenigen der inhaltlich entsprechenden Stellen des Hauptwerks (H). Für Hauptwerk, I. und II. Ergänzungswerk gibt es gemeinsame Namensregister und Formelregister (geordnet nach Anzahl der C-Atome, dann H-Atome und schließlich weiterer Atome in alphabetischer Reihenfolge). Von 1856—1969 wurden fast alle chemischen Publikationen in der Zeitschrift „Chemisches Zentralblatt" referiert. Seit 1906 wird die Fachliteratur in den „Chemical Abstracts" (Publikation der American Chemical Society, Washington) in gegliederter Folge von Einzelreferaten zusammengefaßt. Diese umfangreiche Reihe, die die gesamte internationale Fachliteratur ziemlich lückenlos und aktuell erfaßt, hat für jeden Jahrgang sowie zehn Bände gruppenweise Sach-, Formel-, Autoren- und Patentregister. Für das präparative Arbeiten stehen dem organischen Chemiker hauptsächlich folgende größere Werke zur Verfügung: Houben-Weyl, „Methoden der organischen Chemie", herausgegeben von E. Müller (G. Thieme Verlag, Stuttgart). Enthält neben speziellen Vorschriften auch umfassende allgemeine Beschreibungen der Arbeitsmethoden. „Organic Syntheses" (Verlag J. Wiley & Sons, New York). Liefert sehr sorgfältig ausgearbeitete Darstellungsanweisungen. „Organic Reactions" (vom gleichen Verlag). Erscheint ebenfalls fortlaufend und Fachliteratur 129 bringt systematische Beschreibungen verschiedener spezieller Arbeitsmethoden nach Reaktionstypen geordnet mit zahlreichen Literaturzitaten. „Neue Methoden der organischen Chemie", herausgegeben von W. Foerst (Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr.). Ist ähnlich aufgebaut wie das vorstehende Werk, jedoch weniger umfangreich. „Synthetische Methoden der organischen Chemie", ab Band V „Synthetic Methods of Organic Chemistry" von W. Theilheimer (Verlag S. Karger, Basel, New York). Erscheint laufend als Sammlung von kurzen schematischen Syntheseanweisungen. Reagents for Organic Synthesis von L. F. und M. Fieser (Verlag J. Wiley & Sons, New York, London, Sydney) gibt in laufend ergänzten Bänden eine alphabetische Zusammenstellung der wichtigsten, in der präparativen organischen Chemie verwendeten Reagenzien mit Beispielen. „Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie", herausgegeben von W. Foerst (Verlag Urban & Schwarzenberg, München, Berlin, jetzt Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr.) ist ein ausführliches, alphabetisch geordnetes Nachschlagewerk. Die zahlreichen Monographien, die jeweils nur ein Spezialgebiet behandeln, sind hier nicht aufgezählt, da sie an entsprechender Stelle hinter den Sachkapiteln dieses Buches aufgeführt werden. Die wichtigste, größte Sammlung aller physikalischen Daten ist „Landolt-Börnstein, Zahlenwerte und Funktionen aus Physik, Chemie, Astronomie, Geophysik und Technik" (Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York). Als einbändige Nachschlagwerke fürs Labor eignen sich d'Ans-Lax, „Taschenbuch für Chemiker und Physiker" Band II, Organische Verbindungen (SpringerVerlag, Berlin, Heidelberg, New York) und das Handbook of Chemistry and Physics (Verlag CRS Press, Florida). Grundlagen aller dieser Werke bilden die Fachzeitschriften, in denen die meisten Originalarbeiten publiziert sind. Zum Kennenlernen sollte der Chemiker schon zu Beginn seiner Tätigkeit im Labor alle wichtigen Bücher und Zeitschriften einmal in die Hand nehmen, um ihren Aufbau und Charakter zu studieren. Später, beim selbständigen Arbeiten, sollte er vor jedem neuen Arbeitsgang sorgfaltig die Literatur durchsehen! Die Stunden, die man in der Bibliothek zubringt, zahlen sich meist mehrfach aus, indem sie größere Zeitund Materialverluste im Labor sowie die „Neuentdeckung" längst beschriebener Substanzen verhindern! Zur laufenden Unterrichtung über neuere Forschungsarbeiten und aktuelle Probleme der Chemie sei die ständige Lektüre einer der folgenden Zeitschriften empfohlen: Angewandte Chemie Chemie in unserer Zeit (beide Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr.) Accounts of Chemical Research (American Chemical Society, Washington). 130 Allgemeine Arbeitsanweisungen Erste Laborausrüstung (Fast alle aufgeführten Geräte sind im vorhergehenden Text beschrieben.) Normalschliffgeräte mit NS 29 oder NS 14,5: Rundkolben, NS 29 (mit kurzem Hals) 100 ml, 250 ml, 500 ml je zwei Stück, 1000 ml ein Stück; Spitz-(eventuell auch Rund-)Kolben, NS 14,5 mit Häkchen 25 ml, 50 ml je zwei Stück, 10ml, 100 ml je ein Stück; Dreihalskolben, NS 29, Ansätze parallel, 1000 ml; Steigrohr, NS 29 mit zwei Kegelschliffen, etwa 80 cm lang; Liebigkühler, je ein Stück NS 29 mit etwa 40 cm Mantellänge und NS 14,5 mit etwa 20 cm Mantellänge - beide nach Möglichkeit gleich mit angesetztem Claisenaufsatz (siehe Abbildung 32 und 34a); Dimrothkühler, eng gewendelt; Claisenaufsatz, je ein Stück NS 29 und 14,5 — falls nicht schon an Liebigkühlern angesetzt (schmale Form, siehe Abbildung 32); Anschützaufsatz, NS 29 (siehe dazu S. 22); Vigreuxkolonne, NS 29, ca. 20cm wirksame Länge; Thermometer bis 36O0C, NS 14,5 in richtiger, zu den Claisenaufsätzen passender Einbaulänge (siehe S. 35); Vakuum verstoß, NS 29; Anschütz-Thiele-Vorstoß, NS 14,5; Calciumchloridrohr, NS 29 und NS 14,5, gebogen und gerade; Einleitungsrohre, zwei Stück NS 14,5 (auch für Siedekapillare); Kernschliffe, zwei Stück NS 14,5, mit angesetztem, kurzem, weitem Rohr (siehe Abbildung 20); Tropftrichter, NS 29, zylindrische, hohe Form, möglichst mit Maßskala, 100 ml; Übergangsstück, Kern NS 29, Hülse NS 14,5; Stopfen, je zwei Stück NS 29 (möglichst hohl) und NS 14,5; KPG-Rührverschluß mit Flügelrührer NS 29; Gaswaschflaschen, zwei Stück NS 29. Andere Glasgeräte: Reagenzgläser, etwa 10 Stück 18 mm • 18 cm; 30-40 Stück 15 mm • 16 cm; 20 Stück 12 mm • 10 cm; 20 Stück 7,5 mm • 7,5 cm (Glühröhrchen); Schmelzpunktröhrchen, etwa 50 Stück (möglichst dünnwandig!); Bechergläser verschiedener Größe, z. B.: 25 ml, 50 ml, 100 ml, 600 ml, 1000 ml je ein Stück, 200 ml, 400 ml je zwei Stück (vorwiegend hohe Form); Erlenmeyerkolben verschiedener Größe, z.B.: 25ml, 50ml, 100ml, 300ml je zwei Stück, 500ml, 750ml je ein Stück (vorwiegend mit weitem Hals); Filtrier stutzen, l oder 2 Liter (aus thermoresistentem Glas); erste Laborausrüstung 131 Kristallisierschälchen, drei Stück 0 3-4 cm; Uhrgläser; Meßzylinder, 10ml, 100ml; Schütteltrichter, dickwandig (möglichst konische Form), 500-60OmI; Tropftrichter. 25 ml, 100 ml mit kurzem Auslaufrohr (als Schütteltrichter zu benutzen); Trichter, 0 etwa 4cm, und zwei Stück 0 etwa 8 cm; Pulvertrichter, in NS 29 passend; Wasserstrahlpumpe (beim Kauf auf gute Saugleistung achten!); Woulffsche Flasche, eingerichtet als Sicherheitsflasche, mindestens 500 ml (siehe Abbildung 24 S); Saugflasche, etwa 500 ml (siehe S. 711); Saugreagenzglas (auf richtige Größe achten; siehe S. 71); Zentrifugengläser, spitz, passend für Handzentrifuge, mindestens zwei Stück; Verkürztes Quecksilbermanometer; Vakuumexsikkator, 0etwa 18 cm; Calciumchloridrohr; Thermometer bis 36O0C, dazu eventuell Stockthermometer bis 25O0C; Bürette, 25 ml; Meßpipetten, je ein Stück l ml und 10ml; Tropfrohre, mindestens 10 Stück verschiedener Größe (selbst anzufertigen), dazu Saugball oder Gummihütchen; Glasrührer (kann selbst angefertigt werden, siehe S. 18); Glasrohre verschiedener Stärke (vorwiegend mit 0 7 mm); Glasstäbe, mindestens 15 Stück verschiedener Größe (selbst anzufertigen); Glasrohr-Verzweigungsstück (T-Stück); Objektträger, fünf Stück; Chemikalienflaschen; Präparategläser (z. B. mit Kunststoff-Schnappdeckeln). Porzellangeräte: Porzellanschalen verschiedener Größe, z. B. drei Stück 0 10-12 cm, je ein Stück 0 5-7 cm und 0 mindestens 15 cm; Reibschale mit Pistill, 0 innen 10-12 cm; Nutschen, je eine zylindrische (Büchner-Trichter) mit Siebplattendurchmesser 4,5 cm und 9 cm, eine konische (Hirsch-Trichter) mit Siebplattendurchmesser 4 cm (beim Kauf darauf achten, daß Bodenplatte plan und Löcher nicht zu dicht am Rand). Porzellanteller, unglasiert. Metallgeräte: Bunsenbrenner, zwei Stück (möglichst einer davon Teklubrenner); Stative, drei Stück, davon ein längeres mit schwerer Bodenplatte; 132 Allgemeine Arbeitsanweisungen Stativklemmen, 6-10 Stück verschiedener Größe, davon einige passend für NS 29 (siehe S. 8); Bandklemme mit Kette oder Lederriemen; Stativringe, je ein Stück 0 12 cm und 0 8 cm; Stativmuffen, etwa acht Stück; Dreifüße, zwei Stück; Patent-Wasserbad (siehe S. 11); Kochtöpfe für Wasserbäder; Babotrichter, je einer für 250-ml-, 500-ml- und 1000-ml-Kolben passend; Asbestdrahtnetze, drei Stück; Metallspatel, zwei kleinere, einen mittleren, einen großen; Glasmesser oder Ampullenfeilen; Tiegelzange; Schlauch-Schraubklemmen, zwei Stück; Schlauch-Federklemme, nicht zu kleine, stabile Ausführung; Schlauchschellen zur Sicherung der Schläuche; Zugfedern für Schliffapparaturen; Kaffeesieb; Schere mittelgroß, Küchenmesser, Rasierklingen. Sonstiges: Schutzbrille; Schutzhandschuhe aus Gummi oder Kunststoff (mit griffiger Innenfläche); Schutzmantel; Gummischlauch, passend für Gas- und Wasseranschlüsse; Vakuumschlauch; PVC-Schlauch; Nadelventil (auf 5cm verkleinerte Ausgabe des entsprechenden Stahlflaschenventils); Kunststoffspritzflasche, etwa 500 ml; Gummistopfen verschiedener Größe, teilweise durchbohrt; Korkstopfen verschiedener Größe; Rundfilter, zu den Nutschen und Trichtern passend; Faltenfilter; Siedesteinchen; Korkringe zum Abstellen der Rundkolben (eher zu klein als zu groß); Vakuumfett und Vaseline; Reagenzglasbürsten verschiedener Größe; Reagenzglaskammer aus Holz; Universal-Indikatorpapier; Einige Holzklötzchen, etwa 15- 15cm, 3-30 mm dick (unter Bunsenbrenner oder Kältebäder zu legen); allgemeine Sicherheitsvorkehrungen 133 Filzschreiber (wasserfest); Etiketten; Laborjournal. Sicherheit im chemischen Laboratorium Die Arbeit im chemischen Laboratorium birgt viele Gefahren in sich. Daher ist es notwendig, sich über die Gefahrenquellen umfassend zu informieren. Dieser Abschnitt soll dazu wichtige Anregungen geben. Natürlich kann die folgende Zusammenstellung von Maßnahmen zur Abwendung der Gefahren keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Man unterrichte sich deshalb auch ausführlich über die Unfallverhütungsvorschriften1 und Richtlinien2'3 der Berufsgenossenschaften und mache sich zur Regel, alle im Labor durchgeführten Arbeiten ständig auf ihre möglichen Folgen hin zu überdenken. Bei Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ist die Laborarbeit nicht gefährlicher als zahlreiche andere Beschäftigungen. Gefahrenquellen, Sicherheitsmaßnahmen zur Abwendung von Gefahr und Regeln für die Hilfeleistung bei Unfällen prägt sich der Student nicht nur zu eigenem Vorteil ein. Durch Fehlverhalten beim chemischen Arbeiten sind stets auch andere gefährdet. Im späteren Berufsleben trägt der Chemiker die Verantwortung für das Wohlergehen von Mitarbeitern und muß durch seine Kenntnisse und Erfahrungen in der Lage sein, Gefahren von ihnen abzuwenden und im Falle von Unfällen schnell und sachgerecht zu reagieren. Im übrigen begegnet der Chemiker den bei Laien oft übertriebenen Vorstellungen von den aus seiner Tätigkeit rührenden Gefahren am besten durch genaue und nüchterne Abschätzung des wahren Ausmaßes der Gefahr. Allgemeine Sicherheitsvorkehrungen Im Labor sind stets eine Schutzbrille und ein Laborkittel zu tragen. Der Kittel und andere Kleider sollen nicht aus Kunststoffen bestehen, die in der Hitze schmelzen. Bei besonders gefährlichen Operationen sind zusätzliche Schutzmittel wie Gesichtsschirme, Schutzschilde, -helme, -schürzen und -handschuhe sowie gegebenenfalls Gasmasken mit den erforderlichen Filtern zu verwenden. Man arbeite nie allein in einem Labor, sondern achte darauf, daß stets jemand anwesend ist, der bei einem Unfall Hilfe herbeirufen kann. 1 2 3 Unfallverhütungsvorschriften, Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie, Jedermann-Verlag Dr. Otto Pfeffer, Heidelberg, neueste Fassung. Richtlinien für Laboratorien, Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Carl Heymanns Verlag, Köln, neueste Fassung. Richtlinien für chemische Laboratorien, Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie, Verlag Chemie, Weinheim, neueste Fassung. 134 Allgemeine Arbeitsanweisungen Die Telefonnummern des Rettungsdienstes, des Unfallarztes, der nächsten Krankenhäuser und der Feuerwehr müssen deutlich sichtbar in Telefonnähe angebracht sein. Bei der Durchführung der weiter unten beschriebenen Präparate beachte man sorgfältig alle dort angegebenen speziellen Gefahrenhinweise. Sicherheit vor Bränden Offene Flammen sind im organisch-chemischen Laboratorium nach Möglichkeit zu vermeiden und durch Tauchsieder, elektrische Heizbäder, -platten und -hauben zu ersetzen. Wo der Gebrauch offener Flammen unumgänglich ist (Ausziehen von Kapillaren, Schmelzpunktbestimmungen), dürfen diese nur in Abzügen angezündet werden. Vorher ist sicherzustellen, daß die Umgebung frei von leicht brennbaren Lösungsmitteln ist. Niemals über offener Flamme aus brennbaren Lösungsmitteln Umkristallisieren! Nach dem Gebrauch sind Flammen sofort zu löschen. Besonders Lockflammen an Bunsenbrennern werden, zumal im Sonnenlicht, leicht übersehen. Lockflammen in Gasdurchlauferhitzern sind ebenfalls sehr gefährlich, keine Lösungsmittel in die darunter befindlichen Ausgüsse schütten! Ölbäder dürfen nicht über 20O0C erhitzt werden, da die Dämpfe sich sonst entzünden können. Lösungsmitteldämpfe können auch von brennenden.Zigaretten gezündet werden. Deshalb ist das Rauchen in chemischen Laboratorien verboten. Nicht vergessen, Heizbäder, -platten und -hauben nach Gebrauch abzuschalten! Brennbare Flüssigkeiten werden nach Gruppen und Gefahrenklassen geordnet1. Zur Gruppe A, Gefahrenklasse I und Gruppe B gehören solche mit Flammpunkten unter 210C, d.h. alle meistgebrauchten Kohlenwasserstoffe, Ether, Ester, Ketone und Alkohole. Diese dürfen am Arbeitsplatz nur in Gefäßen von höchstens 11 Inhalt aufbewahrt werden, die Anzahl der Gefäße ist auf das unbedingt nötige Maß zu beschränken. Man unterrichte sich rechtzeitig über die Anordnung der Löschduschen, Feuerlöscher, Löschsandbehälter, Löschdecken und Feuermelder. Gegebenenfalls muß die Feuerwehr telefonisch alarmiert werden, Telefonnummer deutlich sichtbar in der Nähe der Telefone! Zum Löschen von kleineren Bränden eignen sich vor allem Kohlensäure- und Halonlöscher (die keine Rückstände hinterlassen), ferner Staubund Schaumlöscher sowie Löschsand. Kleiderbrände werden mit der Löschdusche oder mit Löschdecken erstickt. Bei Bränden klaren Kopf bewahren! Rauch- und Gasentwicklung behindern die Löscharbeiten. Durch feuchte Tücher oder Gasmasken atmen. Verordnung über Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande (VbF) vom 1.7.1980, BGBl I vom 1.3.1980. Sicherheit vor Bränden, Implosionen, Explosionen Sicherheit vor Implosionen und Explosionen 135 Beim Arbeiten im Vakuum außer Schutzbrille möglichst auch Abzug-Schutzscheibe oder Schutzschild zwischenstellen. Dünnwandige nicht kugelförmige Gefäße wie z. B. Erlenmeyerkolben dürfen nicht evakuiert werden. Beim Evakuieren größerer Exsikkatoren schützt man sich durch Umwickeln mit Tüchern, Umkleben mit Klarsichtfolie oder Umgeben mit feinmaschigem Drahtgitter vor im Falle von Implosionen herumfliegenden Glassplittern. Auch beim Umgehen mit Dewar-Gefäßen ist stets entsprechende Vorsicht geboten. Als Kühlmittel benutze man immer den farblosen flüssigen Stickstoff und nicht die mit brennbaren Stoffen explosive, schwachblaue flüssige Luft. Nach Vakuumdestillationen darf der Destillationsrückstand erst nach dem Abkühlen belüftet werden, andernfalls können explosive Zersetzungen eintreten. Vorsicht bei der Destillation von Lösungsmitteln, die zur Peroxidbildung neigen (z.B. alle Ether). Man führe zunächst die auf S. 113 angegebenen Kontrollen auf Peroxide durch. Alkalimetalle dürfen nicht mit Wasser oder Halogenalkanen in Berührung kommen, deshalb keine Wasserbäder verwenden, nach Möglichkeit Metallkühler. Tetrachlorkohlenstoff, Chloroform und Dichlormethan niemals mit Natrium trocknen, siehe vielmehr S. 113, 115. Zur Vernichtung von Natrium wird dieses in kleinen Anteilen unter dem Abzug in Ethanol oder Isopropanol, Kalium besser in Butanol eingetragen. Ähnlich vernichtet man Alkalihydride oder - amide. Die komplexen Metallhydride, besonders Lithiumaluminiumhydrid, sind höchst empfindlich gegen Wasser. Reaktionskolben nicht mit Wasserbädern heizen oder kühlen, Metall- statt Glaskühler, Rückstände werden unter dem Abzug in Kannenether suspendiert und durch anfangs tropfweisen Zusatz von Essigester, oder (noch vorsichtiger) Ethanol, und erst nach Abklingen der Hauptreaktion, ebenso vorsichtig, von Wasser zersetzt. Bei der Durchführung katalytischer Hydrierungen sind die auf S. 552 angegebenen Vorsichtsmaßregeln zu beachten. Gaszylinder sind stets nur mit aufgesetzter Kappe zu transportieren und vor Gebrauch fest am Labortisch zu verankern (Kette). Man benutze nur die für die einzelnen Gassorten zugelassenen Ventile. Sicherheitsflasche (S. 24) nicht vergessen. Die Gewinde von Sauerstoffflaschen und ihrer Ventile dürfen nicht gefettet werden. Nach katalytischen Hydrierungen dürfen die Katalysatoren nicht mit brennbaren Materialien (z. B. im Abfalleimer) zusammengebracht werden. Man spült sie besser mit viel Wasser in den Ausguß oder in spezielle Sammelgefäße. Sicherheit im Umgang mit Apparaturen Man stelle Apparaturen stets standsicher und spannungsfrei auf. Brechendes Glas führt leicht zu Schnitt Verletzungen. Beim Aufziehen von Schläuchen auf Glasrohre und -oliven ist deshalb größte Vorsicht geboten. Gummischläuche 136 Allgemeine Arbeitsanweisungen werden mit wenig Glycerin oder Parafinöl gleitfähig, Plastikschläuche macht man geschmeidig und (mäßig) gleitfähig durch Eintauchen der Enden in heißes Wasser. Noch schwieriger ist zumeist das Entfernen alter Schlauchverbindungen, die sich festgefressen haben. Wenn lockeres Drehen nicht zum Erfolg führt, ist das Aufschneiden des Schlauches mit einem scharfen Messer in Längsrichtung und anschließendes Abschälen vom Glas zu empfehlen. Schläuche und Kabel dürfen nicht die Heizplatten berühren. Apparaturen, die über Nacht betrieben werden sollen, müssen in besonderen Nachträumen aufgestellt und einige Zeit in Funktion überprüft werden, ehe man sie sich selbst überläßt. Die Schläuche sind durch Schellen vor dem Abrutschen zu sichern. Sicherheit im Umgang mit Chemikalien Gesundheitsschädliche Chemikalien sind in den letzten Jahren systematisch in Listen zusammengestellt worden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen hier die MAKWerte (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration ist die höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft, die nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis auch bei wiederholter und langfristiger, in der Regel täglich 8-stündiger Einwirkung, jedoch bei Einhaltung einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit bis zu 45 h im allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt und diese nicht unangemessen belästigt1. Andere Veröffentlichungen für den Laborgebrauch umfassen Verordnungen2, listen- oder abschnittweise Zusammenstellungen gefährlicher Arbeitsstoffe 3 " 7 und Giftlisten8'9. In der Regel werden auch Hinweise bei Vergiftungen gegeben. Krebserregende Stoffe finden sich in gesonderten Zusammenstellungen, die cancerogene Wirkung wird nicht in MAK-Werten ausgedrückt. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen, neuester Jahrgang, der Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft, BArbBl.; Sicherheitsdaten MAKWerte, Tabellenbuch und Wandtafel, Carl Roth, Karlsruhe 1978. E. Quellmalz, Verordnung über gefahrliche Arbeitsstoffe, 2 Bde., Weka-Verlag, Kissing 1977; derselbe. Die neuen Gift Verordnungen der Bundesländer, Weka-Verlag, Kissing 1978. L. Roth, Sicherheitsfibel Chemie, 3. Aufl., Carl Roth, Karlsruhe, Verlag Moderne Industrie, Wolfgang Dummer, München 1979. Gefahrliche Chemische Stoffe, Anlage zu den UnfallverhütungsVorschriften der Chemischen Industrie (siehe oben). R. Kühn und K. Birett, Umgang mit Arbeitsstoffen, Carl Roth, Karlsruhe, Verlag Moderne Industrie, Wolfgang Dummer, München. R. Kühn und K. Birett, Merkblätter Gefährliche Arbeitsstoffe, 3 Bde., Carl Roth, Karlsruhe, Verlag Moderne Industrie, Wolfgang Dummer, München 1975 und Ergänzungslieferungen. G. Sorbe, Gefahrliche Arbeitsstoffe im Labor und Betrieb, 2. Aufl., Umschau Verlag, Frankfurt am Main 1974. W. Braun und A. Dönhardt, Vergiftungsregister, 2. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1975. Giftliste Roth, 2. Bde., Carl Roth, Karlsruhe, Verlage Moderne Industrie, Wolfgang Dummer, München 1976 und Ergänzungslieferungen. Umgang mit Apparaturen und Chemikalien, Erste Hilfe 137 Man betrachte jedoch in keinem Fall diejenigen Verbindungen als harmlos, die in den Listen gefahrlicher Ausbeitsstoffe fehlen. Dies wäre schon deshalb leichtfertig, weil die Zahl der organisch-chemischen Verbindungen ständig ansteigt und der Chemiker häufig mit neuartigen Stoffen umgeht. Man mache sich deshalb grundsätzlich zur Gewohnheit, alle chemischen Verbindungen mit der gleichen Sorgfalt wie gesundheitsschädliche Stoffe zu behandeln. Dies erfordert besonders sauberes Arbeiten, bei dem das Verschmieren, Verschütten und Verstäuben von chemischen Stoffen, besonders aber der Körperkontakt vermieden werden. Auch bei sauberstem Arbeiten darf im Labor nicht gegessen und getrunken werden. Man mache sich zur Gewohnheit, Lebensmittel nur außerhalb des Labors und nach sorgfältiger Reinigung der Hände zu sich zu nehmen. Chemikalien sind in gut lesbar und beständig beschrifteten Flaschen aufzubewahren. Man bedenke stets, daß mangelhaft oder nicht beschriftete Flaschen eine Gefahr darstellen, spätestens zum Zeitpunkt ihrer Reinigung oder Vernichtung durch andere. Besondere Sorgfalt ist auf den sicheren Transport von Chemikalien zu verwenden, der zweckmäßig in Tragwannen oder Rollwagen erfolgt. Übelriechende oder giftige und ätzende Stoffe mit hohem Dampfdruck müssen im Abzug oder im Stinkraum umgefüllt und verarbeitet werden. In keinem Fall sollen Chemikalien durch Pipetten mit dem Mund angesaugt werden, man verwende vielmehr Peleusbälle, andere Pipettierhilfen oder Schliffkolbenpipetten. In zunehmendem Maße stellen Laboratorien Gefäße für Chemikalienabfälle bereit, die eine grob nach Gruppen klassifizierte Entsorgung ermöglichen. In keinem Falle sollten giftige, ätzende oder übelriechende Substanzen durch die Ausgüsse in das Gemeinde-Abwasser gelangen. Reaktive Abfälle müssen vor der Ablagerung vorsichtig zersetzt werden. Erste Hilfe Die wichtigsten Regeln der Ersten Hilfe sind in Wandtafeln 1 und Heften 2 ' 3 nachzulesen, die in jedem Labor leicht zugänglich sein sollen. In allen Fällen von Verletzungen ist sofort der Arzt hinzuzuziehen oder der Verletzte zum Unfallarzt oder zum Krankenhaus zu transportieren. Dabei soll er von einem erfahrenen Chemiker begleitet werden, der, soweit erforderlich, die Giftlisten und die einschlägigen Merkblätter4 der Berufsgenossenschaft bei sich führt. Erste Hilfe in der Chemie, Wandtafel, Carl Roth, Karlsruhe 1977. Anleitung zur Ersten Hilfe bei Unfällen, ZH 1/143 des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Carl Heymanns Verlag, Köln 1973. H.-E. Köhnlein, S.Weiler, W.Vogel, J.Nobel und K. Pabst, Erste Hilfe, Ein Leitfaden, 4. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1975. R. Kühn und K. Birett, Merkblätter Gefährliche Arbeitsstoffe, 3 Bde., Carl Roth, Karlsruhe, Verlag Moderne Industrie, Wolfgang Dummer, München, 1975 und Ergänzungslieferungen. 138 Allgemeine Arbeitsanweisungen Größere Schnittwunden sollen jedenfalls vom Arzt behandelt werden. Man lagert das verletzte Gliedmaß hoch und legt einen einfachen Schnell verband an. Bei Arterienverletzungen (hellrote, pulsierende Blutung) Arterie abdrücken und sofort den Arzt herbeirufen. Verätzungen werden lange mit viel Wasser gespült, eventuell mit verdünnter (l proz.) Essigsäure bei Alkaliverätzungen und mit l proz. Natriumhydrogencarbonatlösung bei Säure Verätzungen. Nach Verätzungen des Auges wird bei auseinandergezogenen Augenlidern lange mit viel laufendem Wasser gespült. Augenduschflaschen bergen Infektionsgefahr in sich, wenn ihr Inhalt nicht regelmäßig erneuert worden ist. Beim Eindringen von Fremdkörpern in das Auge nicht unnötig reiben. Hier wie auch bei Verletzungen des Augapfels das Auge mit einem keimfreien Verband abdecken. In allen Fällen sofort zum Augenarzt. Bei kleineren Verbrennungen wird mit viel kaltem Wasser gespült, größere Brandwunden werden mit keimfreiem Brandwundenverbandtuch bedeckt. Der Patient wird warm zugedeckt und sofort ins Krankenhaus transportiert. Rauch- und Gasvergiftete werden an die frische Luft gebracht und liegend ruhig und warm gehalten, bis der Arzt eintrifft. Chemikaliengetränkte Kleider ablegen und wegen der Gefahr der Hautresorption den Arzt konsultieren. Die MAK-Tabellen geben auch qualitative Hinweise auf Stoffe, die leicht durch die Haut resorbiert werden. Vergiftungen durch Verschlucken werden zweckmäßig durch den Arzt behandelt, der sofort hinzugezogen werden muß. In den obengenannten Giftlisten finden sich Angaben für spezifische Gegenmaßnahmen. I. Aliphatische Substitution Experimente: Ethylbromid (Bromethan) 1,6-Dibromhexan Cyclohexylchlorid (Chlorcyclohexan) a) mit starker Salzsäure b) mit Salzsäure und Zinkchlorid Versuch: /m-Butylchlorid aus terf-Butanol Ethyliodid (lodethan) Ethylnitrat Ethylnitrit Isopentylnitrit Versuch: Hydrolyse von Ethyl- oder Isopentylnitrit Methyliodid (lodmethan) Benzylcyanid (Phenylacetonitril) Hexamethylendicyanid(Korksäurenitril) Diisopentylether Methyl-2-naphthylether (Nerolin) Anisol 4-Methoxyphenol D, L-Valin Versuch: Trennung eines primären von einem sekundären Amin N9 Af-Dimethylpiperidiniumiodid Allyl-triphenylphosphoniumbrornid Cinnamyl-triphenylphosphoniumchlorid Methoxycarbonylmethyl-triphenylphosphoniumbromid Phenylmethanthiol (Benzylmercaptan) a) über Benzylisothiuroniumbromid b) aus Kaliumhydrogensulfid und Benzylchlorid Versuch: Blei- und Quecksilberbenzylsulfide Versuch: Nachweis der SH-Gruppe mit Na2[Fe(CN)5NO] Trimethylsulfoxoniumiodid Nitromethan aus Chloressigsäure Versuch: aci-Form des Nitromethans Benzylchlorid Versuch: Spaltung von Benzylchlorid mit Kaliumhydroxid Versuch: Analyse des Benzylchlorids Benzaldehyd über Benzylidendichlorid 2-Bromisovaleriansäure I. Aliphatische Substitution Die kovalente Bindung Die für die organische Chemie typischen Kohlenwasserstoffgerüste werden durch kovalente Bindungen zusammengehalten. Am häufigsten trifft man die rotationssymmetrischen (7-Bindungen, die aus zwei Elektronen gebildet werden, je eines davon wird von jedem der beiden Bindungspartner beigesteuert. Die beiden Elektronen haben antiparallele Spins und besetzen ein Molekülorbital (MO), das um die Bindungsenergie ärmer ist als die zwei ungebundenen, mit nur je einem Elektron besetzten Atomorbitale (AO), durch deren Überlappung das MO gebildet wird. Zu jedem bindenden gehört auch ein antibindendes Orbital, das jedoch im Grundzustand im allgemeinen unbesetzt ist. Chemische Bindungen lassen sich mit dem Valenzbindungs- (VB) oder dem Molekülorbitalverfahren (MO) beschreiben. Das erste stellt sich die Elektronen paarweise in den Bindungen lokalisiert vor, das andere betrachtet alle Elektronen des Moleküls im Rahmen des gesamten Elektronensystems des Moleküls. Näheres siehe in den Lehrbüchern der Allgemeinen und der Organischen Chemie. Das einfachste Modell für die Betrachtung der kovalenten Bindung und die Anwendung der für ihre mathematische Behandlung benützten Näherungsverfahren ist das Wasserstoffmolekül. Im H2-Molekül besitzt die Bindung keine Vorzugsrichtung, weil das Is Orbital kugelsymmetrisch ist. Für das Zustandekommen einer Bindung ist demnach die Richtung, aus welcher sich die beiden H-Atome einander nähern, ohne Einfluß. Analoges Verhalten zeigen nur die Alkalimetalle Li, Na, K... (je l Elektron im 2s, 3s, 4s usw.); bei den anderen Elementen treten im Molekülverband (und bei der Ausbildung von Bindungen) in der für den Organiker vorwiegend interessanten 1. und 2. Periode Richtungen auf, die durch die Gestalt der p-Orbitale oder der sp-Hybridorbitale bestimmt werden. Dies sei an einigen Verbindungen der 1. Periode kurz illustriert: Im Beryllium (4 Elektronen) besetzen 2 Elektronen das Is [(Is)2] und 2 Elektronen das 2s-Orbital (2s)2; die 2p-Orbitale sind im Grundzustand leer. Durch Promotion eines Elektrons in ein p-Orbital gelangt man zu (Is) 2 2s2p x mit 2 ungepaarten Elektronen. Diese hybridisieren zu 2 sp-Orbitalen, die nach dem Prinzip der maximalen Entfernung voneinander in entgegengesetzte Richtung zeigen und jeweils mit einem geeigneten AO, z. B. mit dem px-Valenzelektron des Chlors zu Cl—Be—Cl überlappen. Im Bor werden analog 3 bindende Orbitale ausgebildet: (ls) 2 (2s) 2 p x ^0"10"0" > (ls) 2 2sp x p y Hybridisierung> (ls)23sp2. Das Molekül BF3 hat eine trigonale Struktur (Valenzwinkel 120°). Kohlenstoff stellt für gesättigte Verbindungen 4 nach dem analogen Prinzip gebildete sp3-Orbitale zur Verfügung, die 142 Kapitel I. Aliphatische Substitution in die 4 Ecken des Tetraeders weisen, so daß z. B. im einfachsten Kohlenwasserstoff, dem CH4, alle H-Atome gleich weit voneinander entfernt sind und der Bindungswinkel 109,5° beträgt. Für die entsprechende Stickstoffverbindung, NH 3 , hat man ebenfalls 4 sp3-Orbitale anzunehmen, von denen eines mit 2 Elektronen besetzt ist (freies, nichtbindendes Elektronenpaar), so daß nur 3 cr-Bindungen zustande kommen, die nach 3 Ecken des ganz wenig verzerrten Tetraeders weisen (Bindungswinkel 107°), während das zur 4. Ecke weisende sp3-Orbital durch die beiden n-Elektronen (nichtbindenden Elektronen) besetzt ist. In den Verbindungen des Sauerstoffs z.B. H2O, postuliert man konsequenterweise ebenfalls 4sp3-Orbitale, von denen 2 mit je einem Elektronenpaar besetzt sind, die anderen in Richtung auf die verbleibenden beiden Ecken des (verzerrten) Tetraeders mit den Orbitalen der Partner überlappen (Bindungswinkel 105°). Beim Fluor-Atom schließlich ist der Valenzzustand mit dem Grundzustand identisch; das mit einem Elektron besetzte 2p-Orbital bildet eine (nicht gerichtete) kovalente Bindung aus. Bei Bindungen zwischen verschiedenartigen Atomen ist die Verteilung der Bindungselektronen meistens unsymmetrisch: Die Atome unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, die Bindungselektronen innerhalb des Molekularverbandes an sich zu ziehen. Nach L. Pauling läßt sich diese Eigenschaft mit dem Begriff der Elektronegativität beschreiben, für die er relative Zahlenwerte angegeben hat. Die Bindungen zwischen H und Cl oder zwischen C und O sind polare Atombindungen, d. h. die Ladungsdichte ist in der Nähe des elektronegativeren Cl- bzw. O-Atoms höher als in der Nähe des H- bzw. C-Atoms. Partialladungen auf den beteiligten Atomen 6+ H-CI 6- -C-O X \ \ö+ 6- -C-F / \6+ 6- 6+ b~/ H-C\ sind die Folge, wobei die Größe des 5-Werts von der Elektronegativitätsdifferenz abhängt. Diese polare Atombindung trägt zu den molekularen Dipolmomenten bei, bestimmt diese aber nicht allein; in der Ladungsasymmetrie der einsamen Elektronenpaare liegt ein weiterer bedeutsamer Faktor. Im ersten Teil dieses Kapitels betrachten wir die Bildung und einige Eigenschaften der Kohlenstoff-Halogen-Bindung. Die Bildung erfolgt allgemein durch nucleophile Substitution, einen Reaktionstyp, für den im zweiten Teil des Kapitels noch andere, einfache Beispiele gegeben werden. Aliphatische Halogenide Ethylbromid (Bromethan) C 2 H 5 OH + HBr > C 2 H 5 Br + H2O Zu 11OmI (200 g, 2,00 mol) konz. Schwefelsäure in einem 1-1-Kolben läßt man unter dauerndem Umschwenken ohne Kühlung rasch 11OmI (89g, 1,84 mol) 95proz. Beispiele für aliphatische Halogenide 143 Ethanol fließen, gibt unter Kühlung vorsichtig 75g Eis/Wasser zu, versetzt mit 10Og (0,84 mol) feingepulvertem Kaliumbromid und schüttelt kräftig. Der Kolben wird mit einem wirksamen absteigenden Kühler sowie einer Vorlage, die schon 30 ml Wasser enthält, verbunden; der Kühler wird mit rasch fließendem, eiskaltem Wasser gespeist, die Vorlage in ein Eisbad gestellt. Man erhitzt das Reaktionsgemisch in einem Ölbad rasch auf 12O 0 C, gegen Ende der Reaktion bis auf 14O 0 C. Die Reaktion ist beendet, sobald keine im Wasser untersinkenden Öltröpfchen mehr übergehen. Der Inhalt der Vorlage wird in einem Scheidetrichter getrennt und aus der schwereren organischen Phase der mitentstandene Diethylether mit konz. Schwefelsäure herausgewaschen. Um dabei die Reaktionswärme abzufangen, die ein Verdampfen des Präparates zur Folge haben kann, kühlt man in einem Eis-Kochsalz-Gemisch und gibt solange tropfenweise unter Umschütteln Schwefelsäure zu, bis sie sich als untere Schicht abscheidet. Nach Trennung im Scheidetrichter destilliert man das durch die konz. Schwefelsäure getrocknete Ethylbromid in eine eisgekühlte Vorlage; Ethylbromid geht bei 37—4O 0 C, die Hauptmenge bei 38-39 0 C über. Ausbeute 70-82 g (76-90%). - Wegen der großen Flüchtigkeit darf sich Bromethan während der Darstellung niemals längere Zeit in einem offenen Gefäß befinden. Man bewahrt es am besten in einer dickwandigen Präparateflasche mit gut sitzendem Schliffstopfen auf. Methylbromid wird nach grundsätzlich dem gleichen Verfahren wie Ethylbromid hergestellt. Dieses billigste Methylhalogenid ist wegen seines niedrigen Siedepunktes (4,50C) nur schwer zu lagern, was jedoch nicht stört, wenn es zum Beispiel zu Gr/gwarJ-Reaktionen direkt weiter umgesetzt wird. Die Umsetzungen von Halogenwasserstoffsäuren mit Alkoholen sind nucleophile Substitutionsreaktionen (s. unten), die auch als Veresterungen angesehen werden können, Gleichgewichtsreaktionen. Chemische Gleichgewichte lassen sich prinzipiell dadurch in Richtung auf das gewünschte Produkt hin verschieben, daß man die billigere Ausgangskomponente im Überschuß einsetzt (wie oben), oder durch Abdestillieren (wie oben), Ausfällen oder Auswaschen mit einer zweiten Lösungsmittelphase aus dem Gleichgewicht entfernt. - Die Ausbeute wird selbstverständlich auf die im Unterschuß eingesetzte Komponente bezogen. 1,6-Dibromhexan HOCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 OH + 2HBr * BrCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 Br + 2H 2 O In einen 500-ml-Kolben mit Rückflußkühler, in dem sich 35,5 g (0,30 mol; S. 535) 1,6-Hexandiol und 85ml (127g, 0,73 mol) 48proz. Bromwasserstoffsäure befinden, werden nach Einwerfen eines Siedesteinchens unter leichtem Schwenken des Kolbens 45 ml (83 g) konz. Schwefelsäure in kleinen Anteilen innerhalb einiger Minuten durch den Rückflußkühler gegossen. Unter gelegentlichem leichtem Schütteln erhitzt man langsam zum Sieden (innerhalb von 20min soll das Bad 17O 0 C erreichen). Nach 2stündigem Rückflußkochen trennt man den Kolbeninhalt durch Wasserdampfdestilla- 144 Kapitel I. Aliphatische Substitution tion, bis das übergehende Destillat (nachdem etwa 1—1,51 übergegangen sind) keine Öltröpfchen mehr enthält. Im Scheidetrichter wird die schwere organische Phase abgetrennt und 2mal mit Wasser, 2mal mit je 10 ml konz. Schwefelsäure, einmal mit 2N Natriumcarbonat-Lösung (CO2-Entwicklung!) und wieder mit Wasser gewaschen. Dann wird das Produkt einige Stunden mit 2 Spatelspitzen Calciumchlorid getrocknet, das Trockenmittel abfiltriert und im Vakuum destilliert. Bei 110—112°C/12 Torr gehen 58-61 g (79-83%) farbloses 1,6-Dibromhexan über. Cyclohexylchlorid (Chlorcyclohexan) OH + HCI > < >—Cl + H9O a) Mit starker Salzsäure: Als Apparatur dient eine Chlorwasserstoff-Stahlflasche, die über eine Waschflasche mit konz. Schwefelsäure und eine Sicherheitsflasche mit einem 500-ml-Kolben verbunden ist. (Gaseinleitung bis fast auf den Boden des Kolbens). Um den bei der Reaktion entweichenden Chlorwasserstoff unschädlich zu machen, trägt der Kolben einen Rückflußkühler mit aufgesetzter Gasableitung und angeschlossenem Gaseinleitungsrohr, das über der Oberfläche von etwa 300 ml Wasser in einem 1-1-Kolben endet; ein zweites Rohr führt aus dem Kolben in den Abzug. Im Reaktionskolben werden 107 ml (10Og, 1,0mol) Cyclohexanol und 10OmI konz. Salzsäure unter langsamem Einleiten von Chlorwasserstoff 3 h im Ölbad zum Sieden erhitzt, wobei sich Cyclohexylchlorid als obere Schicht abscheidet. Man tauscht den Rückflußkühler gegen einen absteigenden aus, entfernt die Heizung, läßt aber den Kolben im heißen Bad, schließt an Stelle der Chlorwasserstoff-Zuleitung eine Wasserdampfquelle an das Einleitungsrohr und treibt das Cyclohexylchlorid über, bis das abtropfende Destillat einphasig ist. Die (notfalls nach Zusatz von etwas Natriumchlorid) abgetrennte organische Schicht wird mit Calciumchlorid getrocknet und über eine kleine Füllkörperkolonne destilliert. Das gewünschte Produkt geht bei 139-141 0 C über; die bei 85-1390C siedenden Anteile werden noch einmal destilliert, um so weiteres bei 139—141 0 C siedendes Cyclohexylchlorid zu gewinnen. Ausbeute 66-74 g (56-63%) farbloses Produkt. Der Vorlauf besteht aus Cyclohexen. b) Mit Salzsäure und Zinkchlorid In einem 500-ml-Kolben werden 136 g (1,0 mol) wasserfreies Zinkchlorid in 100 ml (etwa 1,1 mol) konz. Salzsäure gelöst und mit 50g (0,5 mol) Cyclohexanol versetzt. Nach Aufsetzen eines Rückflußkühlers wird J h bei Siedetemperatur gehalten, wobei sich zwei Phasen bilden. Man läßt-abkühlen, fügt 150 ml Wasser zu, trocknet die abgetrennte organische Phase mit Calciumchlorid, destilliert wie unter a) beschrieben über eine kleine Kolonne und fraktioniert. Ausbeute 35—37 g (59—63%) Cyclohexylchlorid mit Sdp. 139-1410C. Bildung aliphatischer Halogenide 145 Zur Einstellung des Gleichgewichts ist die katalytische Mitwirkung von Säure nötig, was aus den Bruttogleichungen nicht hervorgeht. Diese bewirkt im ersten Schritt eine Protonierung der alkoholischen Hydroxygruppe. Die so gebildete Oxoniumverbindung ist das eigentliche Substrat der nucleophilen Substitution. Die C, OBindung ist darin merklich gelockert, und unter Eliminierung von Wasser kann sich die Kohlenstoff-Halogenbindung ausbilden (S. 144). R— C-OH + HHaI -> R-C-OH2 + HaI -> R— C-HaI + H 2 O Die Reaktionsgeschwindigkeit (RG) der Alkylhalogenid-Bildung hängt charakteristisch von der Natur der Komponenten ab. Sie nimmt in protischen Lösungsmitteln bei den Halogenwasserstoffen in der Folge HF <| HCl < HBr < HI zu, bei den Alkoholen in der Folge primär < sekundär <^ tertiär. -Auf Phenole ist die Reaktion nicht übertragbar. Selbst primäre Alkohole lassen sich durch bloßes Sättigen mit lodwasserstoff in der Kälte oder Behandlung mit wässeriger HI leicht in Alkyliodide überführen. Unter energischen Bedingungen, vor allem auch bei mehrwertigen Alkoholen, wirkt lodwasserstoff nicht nur veresternd, sondern auch reduzierend. So wird Glycerin über 1,2,3-Triiodpropan in Isopropyliodid umgewandelt. HOCH 2 CH(OH)CH 2 OH + 3Hl ICH 2 CHICH 2 I + 2Hl -> -> ICH 2 CHICH 2 I + 3H 2 O CH 3 CHICH 3 + 2I 2 Die Umsetzung primärer Alkohole mit Bromwasserstoff erfordert bereits Erwärmen und eventuell längere Reaktionsdauer. Ein Zusatz von Schwefelsäure (S. 142) wirkt sich bei primären Alkoholen günstig aus, ist aber bei sekundären und tertiären Alkoholen wegen der Gefahr der Wasserabspaltung zu vermeiden. Anstelle der käuflichen wässerigen Bromwasserstoffsäure kann man - billiger - Schwefelsäure und ein Bromid einsetzen (S . 142). Chlorwasserstoff reagiert viel langsamer. Erst gegen 14O0C unter Druck vollzieht sich die Bildung des Ethylchlorids mit ausreichender Geschwindigkeit. Löst man in konzentrierter Salzsäure die äquimolare Menge wasserfreies Zinkchlorid, also etwa in 80-90 ml konzentrierter Salzsäure 135g Zn(II)-chlorid, wird eine komplexe Chlorozinksäure gebildet, die schon bei Rückflußtemperatur primäre Alkohole in Alkylchloride überführt. Sekundäre Alkohole lassen sich mit starker Salzsäure in der Siedehitze verestern, wie das Beispiel des Cyclohexylchlorids (S. 144) lehrt; auch hier erfolgt die Reaktion in Gegenwart von Zinkchlorid wesentlich rascher. Tertiäre Alkohole reagieren selbst mit kalter Salzsäure schnell. Versuch: tert-Butylchlorid aus tert-Butanol — Man schmilzt etwas te/t-Butanol (Schmp. 26 0 C) und vermischt es im Reagenzglas mit dem Stachen Volumen eiskalter konz. Salzsäure. Die zunächst klare Lösung trübt sich nach wenigen Sekunden; das in Wasser schwer lösliche fe/t-Butylchlorid scheidet sich als obere Phase ab. 146 Kapitel I. Aliphatische Substitution Die Alkylhalogenide (Halogenalkane) sind meist farblose Flüssigkeiten. Die Fluoride sind bis zum n-Propyl-, die Chloride bis zum Ethylderivat, die Bromide nur im ersten Glied (Methylbromid Sdp. 50C) bei Raumtemperatur gasförmig. Die Monofluoride und -chloride sind spezifisch leichter, Bromide und lodide spezifisch schwerer als Wasser. Die Bereitschaft, das kovalent gebundene Halogen als Anion abzugeben, steigt in der Reihe prim. < sek. < tert. Alkylhalogenid sowie in der Reihe Fluorid < Chlorid < Bromid < lodid (genauer siehe S. 170). Alkyliodide scheiden mit wässerig-alkoholischer Silbernitratlösung schon in der Kälte rasch Silberiodid ab. Ethyliodid (lodethan) 3C 2 H 5 OH + Pl3 > 3C 2 H 5 I + H 3 PO 3 In einem 250-ml-Kolben übergießt man 5,0g (0,16 mol) roten Phosphor mit 50 ml (0,85 mol) trockenem Ethanol und fügt unter öfterem Umschütteln im Laufe einer Viertelstunde 50 g (0,39 mol) fein pulverisiertes lod allmählich zu, wobei man von Zeit zu Zeit den Kolben durch Eintauchen in kaltes Wasser abkühlt. Man setzt dann einen wirksamen Rückflußkühler auf den Kolben, läßt das Reaktionsgemisch unter gelegentlichem Schütteln 2 h stehen und erhitzt noch 2 h auf dem Wasserbad unter Rückfluß. Dann destilliert man das Produkt ab, wobei man zweckmäßig den Kolben in ein lebhaft siedendes Wasserbad taucht. Das durch lod braun gefärbte Destillat wird zur Entfernung des Ethanols mehrfach im Scheidetrichter mit Wasser, dem man schließlich zur Entfernung des lods wenig Natriumhydrogensulfit und zum Schluß etwas Natronlauge hinzugefügt hat, gewaschen. Das farblose Öl wird mit wenig Calciumchlorid getrocknet und destilliert. Bei 72 0 C gehen etwa 50g (82%) Ethyliodid über. - Alkyliodide sind in braunen Flaschen aufzubewahren. Um Alkyljodide, die (besonders rasch am Licht) durch lodausscheidung braun geworden sind, wieder zu entfärben, schüttelt man sie mit etwas Quecksilber oder fein verteiltem Silber. Die Phosphorhalogenide ersetzen alkoholische Hydroxygruppen weit energischer durch Halogen als Halogenwasserstoffe. Während zur Chlorierung Phosphortrichlorid direkt genommen wird, ist es bequemer, das Bromid oder lodid des Phosphors erst im Reaktionsmedium zu bereiten. Dazu läßt man in die Suspension des roten Phosphors im betreffenden Alkohol langsam Brom einfließen oder trägt portionsweise gepulvertes lod ein. Das erzeugte Phosphorhalogenid tritt dann in situ mit dem Alkohol in Reaktion. 2P 3CH 3 CH 2 OH + 3I 2 + Pl3 > > 2Pl 3 3CH 3 CH 2 I + H 3 PO 3 Ester der Salpetersäure 147 Bei mehrwertigen Alkoholen lassen sich sämtliche Hydroxygruppen mit dieser Methode durch Halogen ersetzen. Wenn kein freier lod wasserst off auftritt, ist bei der lodierung eine Reduktion nicht zu befürchten. Bei der Verwendung von Thionylchlorid für die Herstellung von Alkylchloriden treten nur gasförmige Nebenprodukte (SO2 und HCl) auf. Als Zwischenstufen lassen sich Alkylsulfinsäurechloride nachweisen, die ihrerseits in Alkylchlorid und Schwefeldioxid zerfallen. ROH + SOCI2 ROSOCI > * ROSOCI + HCI RCI + SO2 Durch Zusatz von Pyridin werden Nebenreaktionen weitgehend unterdrückt. Das Auftreten ähnlicher Esterchloride als Zwischenstufen der Halogenidbildung muß auch bei den Phosphorhalogeniden (s. oben) angenommen werden. Eine weitere Verwendung des Phosphors beim Ersatz der Hydroxygruppe durch Halogen liegt in der Reaktion der Alkohole mit dem System TriphenylphosphinKohlenstofftetrahalogenid. Aus diesen Komponenten bilden sich Addukte, die nach Art einer,,Arbusow-Reaktion" in Phosphinoxid und Alkylhalogenid zerfallen. Allerdings besteht auch die Möglichkeit einer konkurrierenden Wasserabspaltung unter Bildung von Alkenen. Die alkylierende Wirkung des Phosphoniumesters ist mit der des Dimethylsulfats vergleichbar. R3P + HaIC(HaI)3 > R3P-HaIC(HaI)3 + R'—OH R 3 P=O + R' HaI > R 3 P-OR' Hal~ + HC(HaI) 3 R 3 P-OR' Hai' > Ethylnitrat C 2 H 5 OH + HNO3 > C 2 H 5 ONO 2 + H2O 250 ml konz. Salpetersäure (d = 1,4) werden mit 3 0 g (0,25 mol) Uroniumnitrat (Harnstoffnitrat, S. 327) aufgekocht. Nach dem Erkalten gießt man die Hälfte der Lösung in einen mit Tropftrichter und absteigendem Kühler versehenen 1-1-Kolben, in dem sich 30 g (0,24 mol) Uroniumnitrat und 150 ml 95proz. Ethanol befinden. Der Kolben wird auf einem Sand- oder in einem Ölbad langsam auf 120—13O0C (Badtemp.) erhitzt (Schutzbrille!). Nachdem etwa ein Drittel des Inhalts abdestilliert ist, vermischt man die zweite Hälfte der Salpetersäurelösung mit 10OmI 95proz. Ethanol und läßt diese Mischung durch den Tropftrichter langsam zufließen. Die Operation muß hintereinander ausgeführt werden; die Gemische von Ethanol und Salpetersäure dürfen nicht längere Zeit stehen bleiben. Wenn, alles zugetropft und die Flüssigkeit im Kolben bis auf etwa 100 ml abdestilliert ist, schüttelt man das übergegangene Ethylnitrat zur Entfernung des 148 Kapitel I. Aliphatische Substitution Ethanols 2mal mit Wasser, einmal mit verd. Natriumcarbonat-Lösung (CO 2 -Entwicklung!) und dann nochmals mit Wasser aus (Ethylnitrat ist schwerer als Wasser), trocknet über Calciumchlorid und reinigt das Produkt durch Destillation aus dem siedenden Wasserbad (Schutzbrille!), Ausbeute 1 50—160 g (39-41 %) Ethylnitrat mit Sdp. 86 0 C. Ethylnitrat zersetzt sich beim raschen Erhitzen, zum Beispiel in der Flamme, explosionsartig. Es gehört in die gleiche Klasse wie Nitroglycerin, die oxidierende und reduzierende Gruppen enthält; darum Vorsicht! Ethylalkohol wird durch reine Salpetersäure unter den voranstehenden Bedingungen nicht oxidiert, sondern nur verestert. Sobald aber Spuren von salpetriger Säure vorhanden sind, die oben durch die Behandlung mit Harnstoff entfernt werden, tritt durch das NO 2 Oxidation ein. Da das Stickstoffmonoxid, das hierbei aus der salpetrigen Säure entsteht, von der Salpetersäure wieder zu NO 2 oxidiert wird, geht die Oxidation von kleinen Anfängen sukzessive weiter, gewinnt durch die auftretende Reaktionswärme an Geschwindigkeit und steigert sich schließlich zu einem stürmischen, explosionsartigen Prozeß. Reaktionsbeschleunigungen dieser Art, bei denen Zwischenprodukte die Geschwindigkeit progressiv steigern, bezeichnet man als Autokatalysen. Das erste Produkt ,der Oxidation des Ethanols ist Acetaldehyd. Später wird unter anderem die Stufe der Knallsäure HC=N-^O erreicht, die aber nur bei Gegenwart von Silber- oder Quecksilberionen gefaßt werden kann. Mit diesen bildet sie die schwerlöslichen, gegen Salpetersäure beständigen, gegen Schlag und Hitze empfindlichen Fulminate (Initialzünder). Ethylnitrit C 2 H 5 OH + HNO2 > C 2 H 5 ONO + H2O In einem 1-l-Kolben, mit Tropftrichter, Rührer und absteigendem Kühler, der sich in einem Wasserbad von 40-5O0C befindet, werden 69 g (1,0 mol) Natriumnitrit in 200 ml Wasser gelöst und mit 110 ml 95proz. Ethanol versetzt. Unter Rühren wird innerhalb von 40min die Lösung von 28ml konz. Schwefelsäure in 10OmI Wasser und 11OmI 95proz. Ethanol zugetropft. Schon nach wenigen min beginnt das Ethylnitrit überzudestillieren. Um eine vollständige Kondensation des niedrigsiedenden Produkts zu erreichen, speist man den Kühler mit vorgekühltem Leitungswasser und taucht die Vorlage tief in ein Eisbad. Kurz nach Zugabe der Säure ist die Bildung des Ethylnitrits beendet; das blaßgelbe Produkt soll dann sauer reagieren. Es ist nach Trocknen über wasserfreiem Kaliumcarbonat für die meisten Zwecke genügend rein und muß, da es schon bei 17 0 C siedet, in einer starkwandigen Flasche im Kühlschrank aufbewahrt werden. Ausbeute 60-65 g (80-87%). Ester der salpetrigen Säure 149 Isopentylnitrit (Isoamylnitrit) H3C^ CHCH 2 CH 2 OH + H3C H3C HNO2 > H3C CHCH 2 CH 2 ONO 44 g (0,50 mol) Isopentylalkohol werden zusammen mit der Lösung von 35 g (0,53 mol) Natriumnitrit in 70 ml Wasser in einem offenen Gefäß unter mechanischem Rühren im Eis-Kochsalz-Bad auf O 0 C abgekühlt. Zu der weiter gerührten Mischung läßt man aus einem Tropftrichter langsam 44ml konz. Salzsäure (d=1,18) zutropfen wobei die Temperatur nicht über +5 0 C steigen soll. Man wäscht im Scheidetrichter mit Wasser, 2N Natriumcarbonat-Lösung (CO2-Entwicklung!) und noch einige Male mit Wasser. Nach der Trennung der Schichten klärt und trocknet man das Reaktionsprodukt mit wenig Calciumchlorid, und destilliert es bei 50—60 Torr in eine gut gekühlte Vorlage. Bei etwa 3O 0 C gehen etwa 50g (75%) Isopentylnitrit als gelbes Öl über. Die Ester der salpetrigen Säure zeichnen sich durch besonders große Bildungs- und Hydrolysegeschwindigkeit aus; allerdings erfordert die Einstellung des Gleichgewichts Säurekatalyse. Die niederen Alkylnitrite, die charakteristisch riechen (Vorsicht !) und blutdruckerniedrigend wirken, werden im Laboratorium vielfach anstelle von salpetriger Säure für Nitrosierungen im organischen Lösungsmittel verwendet, also z. B. zur Diazotierung primärer Arylamine in Alkohol oder Eisessig (S. 600) sowie zur Überführung der Ketone in Isonitrosoketone (S. 421). Versuch: Hydrolyse von Ethyl- oder Isopentylnitrit — Einige Tropfen Ethyl- oder Isopentylnitrit werden mit verd. Kaliumiodidlösung geschüttelt. Es darf keine Braunfärbung auftreten. Ein Tropfen verd. Salzsäure bewirkt sofortige Hydrolyse und die freiwerdende salpetrige Säure oxidiert das Kaliumiodid zu lod. Methyliodid (lodmethan) CH 3 OSO 2 OCH 3 + Kl > CH3I + CH 3 OSO 3 K 50 g (0,30 mol) Kaliumiodid werden in einem 250-ml-Kolben in 50 ml Wasser gelöst. Nach Aufsetzen eines wirksamen Destillationskühlers läßt man unter schwachem Erwärmen 41 g (0,32 mol) Dimethylsulfat, die zuvor bei 74°C/12 Torr destilliert wurden, durch einen Tropftrichter im Laufe von 30 min einfließen. Das entstandene Methyliodid destilliert sofort ab und wird in einer eisgekühlten Vorlage aufgefangen. Nach Trocknen mit Calciumchlorid ergibt die Rektifikation 35-40 g (82-94%) Produkt mit Sdp. 42 0 C. - Alkyliodide sind in braunen Flaschen aufzubewahren. Wegen der großen Giftigkeit der neutralen Schwefelsäureester, vor allem des Dimethylsulfats, müssen alle Operationen mit diesen sehr vorsichtig und unter gut zie- 150 Kapitel I. Aliphatische Substitution hendem Abzug ausgeführt werden! Reste von Dimethylsulfat in den benutzten Apparaturen vernichtet man durch mehrstündiges Einwirkenlassen von wässerigem Ammoniak. Auch im Umgang mit dem giftigen, leicht flüchtigen Methyliodid ist Vorsicht geboten! Die neutralen Schwefelsäureester gehören zu den wirksamsten (und billigsten) Alkylierungsmitteln. Die Behandlung des Methanols mit konz. Schwefelsäure führt zunächst zum Halbester, dem Methylsulfat, das bei der Vakuumdestillation zu Dimethylsulfat und Schwefelsäure disproportioniert. CH3OH + HOSO2OH =^=± CH 3 OSO 2 OH + H2O 2CH 3 OSO 2 OH ^=^ CH 3 OSO 2 OCH 3 + H 2 SO 4 Das leichter flüchtige Dimethylsulfat destilliert während der Reaktion aus dem weitgehend auf der Seite des Monoesters liegenden Gleichgewicht. Bei der Herstellung von Methyliodid (oben) wird das Iodidion methyliert. Im Sinne einer nucleophilen Substitution verdrängt es das Methylsulfation und bildet eine neue, kovalente lod-Kohlenstoff-Bindung. I+ CH 3 OSO 2 OCH 3 > CH3I + -OSO 2 OCH 3 Zu beachten ist, daß die neutralen Schwefelsäureester nur einen Alkylrest leicht übertragen; die Ablösung des zweiten fordert energischere Bedingungen (höhere Temperatur). Nitrile und Ether Benzylcyanid (Phenylacetonitril) C 6 H 5 CH 2 CI + KCN > C 6 H 5 CH 2 CN + KCI In einem 500-ml-Kolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter werden 30 g (0,61 mol) Natriumcyanid in 35 ml Wasser heiß gelöst und dann mit 50 ml Ethanol vermischt. Dazu läßt man aus dem Tropftrichter 63,3 g (0,50 mol) reines Benzylchlorid (S. 173) im Laufe von 10 min fließen. Nach weiterem Sstündigen Kochen wird das abgekühlte Reaktionsgemisch vom Natriumchlorid abgesaugt und dieses mit wenig Alkohol gewaschen. Man destilliert auf einem Dampfbad den größten Teil des Ethanols ab, trennt die Phasen im Scheidetrichter und destilliert die organische nach kurzem Trocknen mit etwas Calciumchlorid bei 105-109°C/12 Torr. Ausbeute etwa 45 g (77%); sie kann durch Destillation von Vor- und Nachlauf erhöht werden. Völlig reines Benzylcyanid siedet bei 232 0 C. Nitrile und Ether Hexamethylendicyanid (Korksäure-dinitril) BrCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 Br + 2KCN > NCCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 CN 151 Analog der Darstellung von Benzylcyanid (voranstehend) werden 61 g (0,25 mol) 1,6-Dibromhexan mit 30g (0,61 mol) Natriumcyanid umgesetzt. Ausbeute 27g (79%) Dinitril mit Sdp. 171-173 °C/11 Torr. Bei der Kolbeschen Nitrilsynthese (vorstehende Präparate) werden Alkylhalogenide (oder Alkylsulfate) mit Alkalicyaniden zu Nitrilen umgesetzt, die ihrerseits durch Verseifung in Carbonsäuren (siehe S. 322) oder durch Reduktion in primäre Amine (siehe S. 522) umgewandelt werden können. Die Bildung der Nitrile ist als nucleophile Substitution durch das Cyanidion am Alkylhalogenid anzusehen. Zur Beschleunigung solcher Reaktionen in zweiphasigen Systemen siehe S. 201. Diisopentylether Handelsüblicher Isopentylalkohol (auch als ,,Isoamylalkohol" oder Gärungsalkohol angeboten) enthält oft optisch aktiven 2-Methylbutylalkohol als Verunreinigung; in diesem Fall ist er fraktionierend zu destillieren und der im Siedebereich 128— 132 0 C übergehende Anteil als Ausgangsstoff zu verwenden. - 615 ml (50Og; 5,7 mol) Isopentylalkohol werden mit 50g (0,51 mol) konz. Schwefelsäure gemischt und in einem 1-1Kolben mit absteigendem Kühler und Thermometer, das bis fast auf den Boden des Kolbens reicht, im Ölbad zum schwachen Sieden erhitzt. Es destilliert ein Gemisch von Wasser und Isopentylalkohol ab; die Temperatur der siedenden Mischung steigt langsam an. Nach 6 h trennt man im Schütteltrichter den übergegangenen Isopentylalkohol ab, trocknet ihn kurze Zeit mit Kaliumcarbonat, gibt ihn in den Reaktionskolben zurück und erhitzt weiter zum schwachen Sieden. Wenn (nach insgesamt 8-9stündiger Reaktionszeit) 14O 0 C Innentemperatur erreicht sind, kühlt man den Kolbeninhalt auf etwa 10O0C, destilliert mit Wasserdampf, trennt vom Destillat die organische Schicht ab und rektifiziert sie über eine kleine Vigreux- Kolonne. Bei 168-1720C (oder bei 60-620C/ 11 Torr) gehen 200—230 g (35-40%) roher Diisopentylether über. Will man völlig reinen Diisopentylether gewinnen, kocht man 75 ml Rohprodukt 2 h unter Rückfluß mit 1,5g Natriumamid. Dann wird abdestilliert, das Destillat mit verd. Salzsäure geschüttelt, über Calciumchlorid getrocknet, mit etwas Natriumdraht versetzt und nochmals sorgfältig destilliert. 152 Kapitel I. Aliphatische Substitution Methyl-2-naphthylether (Nerolin) NaOH r^^^(CH 3 O) 2 SO 2 -CH 3 OSO 3 Na 43,3 g (0,30 mol) reines 2-Naphthol werden in einer 500-ml-Glasstöpselflasche in 15OmI 2N Natronlauge und 10OmI Wasser gelöst. Unter dem Abzug fügt man von 33,2ml (44,2g; 0,35 mol) Dimethylsulfat (zur Giftigkeit siehe S. 149!) zunächst etwa den dritten Teil hinzu und schüttelt kräftig um, wobei unter Erwärmung die Methylierung einsetzt (Schutzbrille! Zum Druckausgleich lüfte man ab und zu den Stopfen!). Nach 10 min wird das zweite Drittel zugesetzt und geschüttelt, nach weiteren 10 min der Rest. Wenn die milchige Emulsion nicht mehr alkalisch reagiert, gießt man sie in ein 500-mlBecherglas, spült mit 30 ml 2N Natronlauge nach und erwärmt das mit Uhrglas bedeckte Becherglas unter gelegentlichem Umrühren 2 h auf dem siedenden Wasserbad, wobei sich das Nerolin als untere Phase abscheidet. Nach dem Erkalten saugt man ab und bringt den Kristallkuchen sowie die Nadeln zur Reinigung noch einmal mit 120 ml Wasser auf dem Wasserbad zum Schmelzen. Wiederum wird nach dem Erkalten abgesaugt, wobei man den festen Kuchen auf der Nutsche vorsichtig zerdrückt und mit Wasser nachwäscht. Trocknen im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure liefert 43-44 g Rohprodukt, das aus 10OmI Methanol umkristallisiert wird. Die Lösung erstarrt beim Abkühlen zu einem Kristallbrei, den man mit dem Spatel aufrührt, bei geringem Unterdruck absaugt und mit wenig kaltem Methanol wäscht. Ausbeute 34,5-35,5 g farblose Blättchen des charakteristisch riechenden Nerolins mit Schmp. 70-71 0 C. Einengen der Mutterlauge auf die Hälfte liefert weitere 2,5-3,Og. Gesamtausbeute 78-81%. — Sollte das Rohprodukt stark gefärbt sein (bei unreinem 2-Naphthol als Ausgangsmaterial), empfiehlt es sich, das Produkt vor dem Umkristallisieren in einem Schwertkolben oder Kugelrohr bei 133-1350C; 11 Torr zu destillieren. Anisol ,0Na Jj HCH3OSO2OCH3 r JJ + CH3OSO3Na Auf die gleiche Weise wie bei der Herstellung von Methyl-2-naphthylether (voranstehend) werden 28,2g (0,30 mol) Phenol mit 33,2ml (44,2g; 0,35 mol) Dimethylsulfat methyliert. Allerdings muß man in diesem Fall zur Vollendung der Reaktion im Anschluß an die Schütteloperation 30 min im Rundkolben unter Rückfluß kochen. Nach dem Abkühlen läßt man die wässerige Phase im Scheidetrichter ab, wäscht die organische mit Wasser, trocknet mit Calciumchlorid und destilliert. Bei 154 0 C gehen etwa 29g (90%) Anisol als farblose Flüssigkeit über. Ethersynthese 4-Methoxyphenol 153 + CH 3 OSO 2 OCH 3 OH In einem 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler, Tropftrichter und Rührer werden 22 g (0,22 mol) Hydrochinon bei 4O 0 C (Wasserbad) in 40 ml Nitrobenzol gelöst. Dazu gibt man bei 4O 0 C unter Rühren 8,0 ml (10,7g; 84 mmol) Dimethylsulfat (zur Giftigkeit siehe S. 149!), dann tropfenweise 13ml 20proz. Natronlauge und wiederholt diesen Prozeß (Zugabe von Dimethylsulfat und Natronlauge) noch 2mal. Der pH-Wert soll dabei zwischen 8 und 9 bleiben. Nach weiterem 1,5stündigem Rühren bei 4O 0 C und Abkühlenlassen wird mit 2N Schwefelsäure angesäuert und mehrmals ausgeethert. Die Etherlösung schüttelt man 3mal mit 2N Natronlauge aus, säuert die alkalische Lösung mit verd. Schwefelsäure an, ethert wieder aus und destilliert den nach Trocknen mit Natriumsulfat und Verdampfen des Lösungsmittels erhaltenen öligen Rückstand bei 12 Torr in einer möglichst kurzen Apparatur (Kugelrohr!). Das zwischen 125 und 135 0 C übergehende zähe Öl wird erneut destilliert. Die dann bei 130—133 0 C übergehende farblose Fraktion erstarrt im Eisbad. Ausbeute 14,6g (59%) 4-Methoxyphenol mit Schmp. 56 0 C. Die klassische Ethersynthese, nämlich die Einwirkung von starker Schwefelsäure auf Alkohole bei 130-14O0C, wird oben am Beispiel des Diisoamylethers ausgeführt. Man kann den Prozeß als eine nucleophile Substitution des Sulfats durch Alkohol am Alkyl des primär gebildeten Schwefelsäure-alkylesters betrachten. R-O • • • • R-O-SO2OH M ^ > R—O—R + H2SO4 H Technisch werden die einfachen symmetrischen Ether im allgemeinen durch Kondensation von 2 Molekülen Alkohol am Al2O3-Kontakt bei höheren Temperaturen hergestellt. Am variationsfähigsten, und vor allem auch für unsymmetrische Ether geeignet, ist die Synthese nach Williamson, bei der ein Alkylhalogenid mit einem Natriumalkoholat als Nucleophil umgesetzt wird. CH3-CH2-CH-O-Na+ + IC2H5 CH3 > CH3-CH2-CH-O-C2H5 CH3 + NaI Im Gegensatz zum Alkoholat-ion ist das Phenolation schwächer basisch als das Hydroxylanion. Phenole lassen sich daher leicht in wässerig-alkalischem Medium 154 Kapitel I. Aliphatische Substitution mit Alkylhalogeniden oder Dialkylsulfaten in die Phenolether überführen (siehe S. 152). Auch Arylsulfonsäureester, zum Beispiel />-Toluolsulfonate oder Dialkylsulfate werden gelegentlich als Alkylierungsmittel herangezogen. Der Ethersauerstoff hat basischen Charakter. Dies äußert sich zum Beispiel in der Löslichkeit in konzentrierter Schwefelsäure sowie in der Bildung von Borfluoridkomplexen, die eine polarisierte B—O-Bindung besitzen. R R vO—H HSO R 4 \+ O—BF 3 R Drei Alkylreste an Sauerstoff gebunden finden sich in den tertiären Oxoniumsalzen, die sehr starke Alkylierungsmittel sind (Meerwein-Reagens). Die Etherbindung ist sehr stabil. Zur Spaltung kann lodwasserstoff dienen, so zum Beispiel bei der quantitativen Bestimmung der Methoxylgruppe von Ethern nach Zeisel CH3-O—CH2-CH(CH3)2 + Hl > CH3I + HO—CH 2 -CH(CH 3 J 2 Mit überschüssiger lodwasserstoffsäure schließt sich bei der Spaltung von Dialkylethern eine Veresterung des Alkohols an, so daß 2 Moleküle Alkyliodid erhalten werden. Phenolether werden stets an der O-Alkylbindung unter Bildung von Phenol und Alkyliodid gespalten. - Für die präparative Etherspaltung wird häufig auch Bromwasserstoff in Eisessig verwendet, da die reduzierende Wirkung des lodwasserstoffs stören kann. Arylalkylether lassen sich auch mit Aluminiumchlorid bei 12O0C, mit Aluminiumbromid in siedendem Benzol oder mit Bortribromid bei tiefen Temperaturen glatt zerlegen. C 6 H 5 OC 2 H 5 + AICI3 > C6H5OAICI2 + C 2 H 5 CI +1 ^0 + > C 6 H 5 OH Arylalkylether und, noch leichter, Diarylether werden von metallischem Kalium (K. Ziegler) oder Natrium (P. Schorigiri) gespalten, wodurch alkaliorganische Verbindungen zugänglich sind. C 6 H 5 OC 6 H 5 + 2K > C 6 H 5 OK + KC 6 H 5 Unter relativ milden Bedingungen gelingt die Spaltung von Ethern auch mit Pyridin-hydrochlorid in der Schmelze. Gegenüber basischen Agenzien ist die Etherbindung stabil. Ethylenoxid ist der einfachste cyclische Ether. Er ist infolge der Dreiring-Spannung sehr reaktionsfähig. Die technisch bedeutsame Verbindung wird entweder aus Ethylenoxid 155 Ethylenchlorhydrin mit Alkali in einer innermolekularen Substitution oder aus Ethylen durch Luftoxidation bei 24O0C unter Druck am Silberkontakt bereitet. Verdünnte Schwefelsäure hydrolysiert Ethylenoxid zu Ethylenglykol, wobei die Protonaddition am Sauerstoff die Ringöffnung einleitet. Cl i H2C-CH2 — OH<&2C-OH . H2C-OH H2C-CH2CI ^ä^ H 2 C-CH 2 x + Cl- OH H2Cx o O H2C + H2O > In Gegenwart unzureichender Mengen Wasser reagiert das Glykol ein- oder 2mal mit Ethylenoxid weiter, wobei „Diglykol" und „Triglykol" entstehen. Die weitergehende Addition liefert polymere „Polyethylenglykole". A HOCH2 CH2 OH 2 2 H2C Ch2 H3O+ > HOCH2CH2-O-CH2CH2OH „Diglykol" H3C-CH2 H 3 O+ HOCH2CH2-O-CH2CH2-O-CH2CH2OH „Triglykol" HO(CH 2 CH 2 O)H Polyethylenglykol (PEG) Diese Kondensationsprodukte des Glykols und ihre Methylether sind wertvolle Lösungsmittel („Glyme", „Diglyme", „Cellosolve" und ähnliche). Auch der säurekatalysierte Übergang des Ethylenoxids in 1,4-Dioxan, sei hier erwähnt. Außer Wasser und Alkoholen können auch Amine oder Thiole den EthylenoxidRing öffnen. H2C-CH2 \ / + NH3 > HO-CH2-CH2-NH2 Von großer präparativer Bedeutung ist auch die Öffnung mit Grignard- und anderen metallorganischen Verbindungen (siehe Kap. DC). Makrocyclische Ether mit mehreren Sauerstoffatomen sind die „Kronen-ether" (crown ethers, C. J. Pedersen, 1967). Je nach Ringgröße und Sauerstoffzahl bilden sie sehr feste Komplexe mit verschiedenen Kationen, vorwiegend der Alkalimetalle. Manche Salze dieser lipophilen Komplexionen sind in organischen Lösungsmitteln löslich, zum Beispiel Kaliumpermanganat mit 18-Krone-6 in Benzol. Infolge der 156 Kapitel I. Aliphatische Substitution Trennung des Kations vom Anion, etwa im Kalium-Krone-fluorid wird das F ~ so nucleophil („nacktes Fluorid"), daß es Halogen in primären oder sek. Bromalkanen oder Chlor am sp2-hybridisierten Kohlenstoff (z.B. in l-Chlor-2,4-dinitrobenzol) substituiert (Präparative Herstellung definierter Fluorverbindungen). Ringglieder O-Atome O 18-Krone-6 (CH 2 -Gruppen nicht abgebildet) Es sind ferner schwefelhaltige Cycloether, cyclische Polyamine und Aminoether, sowie bicyclische Verbindungen (Kryptatbildner) bekannt, die auch mit Schwermetallionen Komplexe bilden. Über Naturstoffe wie Monactin, Dinactin, Valinomycin, Cyclodextrine liest man in Spezialbüchern. Alle Ether bilden mit Luftsauerstoff Peroxide (siehe S. 113). ROCH 2 R + O2 > RO-CH-R' OOH Das primäre Autoxidationsprodukt des Diethylethers, der a-(Hydroperoxy)diethylether, läßt sich nicht fassen. Die Hydroperoxide gehen nämlich mehr oder minder rasch in hochexplosive, höhermolekulare Peroxide über (siehe S. 473). Amine, Thiole, Onium- und Nitroverbindungen D, L-Valin H 3 C^ CH-CHBrCO2H 2 H 3 C^ + 2NH3 3 NH 2 H 3 C. I —> ^CH-CH-CO2 H + NH4Br 2 H 3 C^ In einem 1-I-Schliffkolben werden 57 ml (80 g; 0,44 mol) 2-Bromisovaleriansäure in 50OmI konz. Ammoniak (d = 0,90; 7,22 mol) gelöst und 4 Tage bei Raumtemperatur aufbewahrt. Dann destilliert man das überschüssige Ammoniak auf dem Wasserbad ab und konzentriert die Lösung bei etwa 12 Torr auf etwa 100 ml. Beim Kühlen in Eis kristallisiert rohes D, L-Valin aus, das abgesaugt und gut abgepreßt wird. Durch erneutes Einengen des Filtrats auf etwa 70 ml und Kühlen im Eisbad erhält man weiteres Rohprodukt. Zur Reinigung wird das rohe D 7 L-VaNn in 15OmI heißem Wasser gelöst, während 10 min mit etwas Kohlepulver auf dem siedenden Wasserbad von Zeit zu Zeit geschüttelt, heiß filtriert und nach Zufügen von 150 ml 95proz. Ethanol über Nacht im Kühlschrank aufbewahrt. Das in glänzenden Blättchen auskristallisierte Produkt wird abfiltriert und mit kaltem trockenem Ethanol gewaschen. Einengen der Mutterlauge im Vakuum auf etwa 10OmI, Verdünnen mit dem gleichen Volumen trockenem Ethanol und N-Alkylphthalimide und Hinsberg-Trennung 157 Kühlen liefert eine weitere Fraktion. Die so erhaltenen 14-16 g (27—31%) D, L-Valin sind noch mit etwas Ammoniumbromid verunreinigt. Zu einem ganz reinen Präparat (Probe mit Silbernitrat) gelangt man durch erneutes Lösen in 80—100 ml heißem Wasser und Versetzen mit dem gleichen Volumen 95proz. Ethanol; allerdings verliert man dabei 3-4 g. Die Austauschreaktion der Alkylhalogenide mit Ammoniak (A. W. v. Hofmann) erfolgt zwar leicht; bleibt aber nicht auf der Stufe des primären Amins stehen, sondern durchläuft meist alle 4 Alkylierungsstufen bis zum quartären Ammoniumion. Ein großer Ammoniaküberschuß wirkt sich natürlich vorteilhaft auf die Ausbeute an primärem Amin aus. + RNH 2 + R—HaI RHaI H 3 NRHaI-; H 3 NR R 2 NH 2 HaIusw. + NH3 RNH 2 + NH. Brauchbar ist diese Substitution zur Darstellung von a-Aminosäuren aus Halogenfettsäuren. Da a-Aminosäuren schwächere Basen sind als primäre Amine, sind hier Zweit- und Drittalkylierungen weniger wahrscheinlich. Ausschließlich primäre Amine erhält man durch Alkylierung des Phthalimids, das als Kaliumsalz eingesetzt wird. Die N-Alkylphthalimide lassen sich mit starker Salzsäure im Einschlußrohr bei 150r200°C, oder milder mit Hydrazin-hydrat in Alkohol über 4-(Alkylamino)phthalazon und dessen Hydrolyse mit verdünnter Säure erhalten. NHR + RBr IN-R NH 2 -NH 2 verd. Säure R-NH 3 Zu primären Aminen führt auch die Reduktion von Nitrilen (siehe S. 536), Nitroverbindungen (siehe S. 516) oder Aziden. Für die kontrollierte Alkylierung von primären zu sekundären Aminen haben sich Sulfonamide als Zwischenstufen bewährt (O. Hinsberg). Dazu setzt man primäre Amine mit Benzolsulfochlorid oder Tosylchlorid um. Die Sulfonamide lösen sich in 2N Natronlauge und treten als Anionen glatt mit dem Alkylierungsmittel in ReakDie so erhaltenen Produkte haben keinen sauren Wasserstoff mehr, sind also nicht 158 Kapitel I. Aliphatische Substitution mehr alkalilöslich und können daher leicht rein erhalten werden. Dies ist auch eine Methode zur Trennung sekundärer und primärer Amine. Tertiäre Amine setzen sich bei dieser Reaktion nicht um und bleiben bei der Ausfallung in Lösung. Versuch: Trennung eines primären von einem sekundären Amin -Zum Gemisch aus 1 g Methylammoniumchlorid (oder dem Hydrochlorid eines anderen primären aliphatischen Amins) und 1 g Piperidinhydrochlorid (oder einem anderen sekundären Ammoniumsalz) in 50 ml 2N Natronlauge werden in kleinen Anteilen 4g p-Toluolsulfonylchlorid gegeben. Man erwärmt einige min auf dem siedenden Wasserbad, kühlt ab und fällt die Tosylamide mit 2 N Salzsäure. Nach dem Absaugen wird der Niederschlag zur Spaltung etwa mitentstandener, in Lauge unlöslicher Ditosylverbindung des primären Amins, in der Auflösung von 2 g Natrium in 40 ml trockenem Alkohol 30 min unter Rückfluß gekocht. Man gibt das halbe Volumen Wasser zu und verdampft den Alkohol im Vakuum, wobei das Tosylpiperidid mit Schmp. 96 0 C (oder ein anderes entsprechendes Tosylamid) auskristallisiert. Von ihm wird abgesaugt und das Filtrat mit 2 N Salzsäure angesäuert. Dabei fällt A/-Methyltosylamid mit Schmp. 75 0 C (oder ein anderes primäres Tosylamid) aus. Beide werden aus Alkohol/Wasser umkristallisiert. ArSO2CI + RNH2 ArSO2NHR + NaOH -> ArSO 2 NHR + NaCI + H2O ArSO2-N-R + R' HaI + OH - -* p / + HOH ArSO2-N + HaI- V Die Hydrolyse der Sulfonamide erfordert energische saure oder alkalische Bedingungen und verläuft oft nicht befriedigend. Die blaue Lösung von Natrium in flüssigem Ammoniak reduziert zur Sulfensäurestufe, wobei die Amine schonender freigesetzt werden. Auch durch Erwärmen mit lodwasserstoff und rotem Phosphor in Eisessig werden die Amide reduzierend gespalten. N1N- Dimethylpiperidiniumiodid + H 2CH 3 I + NaOH -> I /\ r + NaI + H2O H3C CH3 In einem 250 -ml -Dreihalskolben mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter löst man 5,0g (0,125mol) Natriumhydroxid in 50 ml siedendem Ethanol, kühlt die Lösung ab, setzt 1 0,6 g (1 2,3 ml, 0,1 25 mol) Piperidin zu und tropft unter Eiskühlung und Rühren Phosphoniumsalze 159 39,Og (17 ml, 0,275 mol) Methyliodid hinzu, anschließend erhitzt man 2 h unter Rückfluß. Vorsicht! Methyliodid ist giftig, vergleiche S. 149. Das Gemisch muß danach neutral reagieren (feuchtes pH-Papier), andernfalls werden nochmals einige Tropfen Methyliodid zugesetzt und bis zur neutralen Reaktion erhitzt. Man kühlt nun im Eisbad auf O 0 C, saugt die ausgeschiedenen Kristalle des /V,/V-Dimethylpiperidiniumiodids ab und trocknet sie im Vakuum: 23,7 g (= 79% d.Th.). Sie sind für die Durchführung des Hofmannschen Abbaus (S. 189) rein genug, können jedoch ohne große Verluste aus Ethanol umkristallisiert werden, Schmp. 331-3330C (unkorrigiert, unter Zersetzung). Allyl-triphenylphosphoniumbromid H2C=CH-CH2Br + (C 6 H 5 J 3 P > (C 6 H 5 J 3 PCH 2 CH=CH 2 Br- In einem 250-ml-Kolben bereitet man eine Lösung von 26 g (0,1 mol) Triphenylphosphin und 15g (0,125 mol) Allylbromid in 30 ml Benzol, die man zunächst über Nacht bei Raumtemperatur beläßt und dann 1 h unter Rückfluß erhitzt. Nach dem Abkühlen saugt man ab, wäscht die Kristalle sorgfältig mit Benzol und trocknet sie bei 60 0 C an der Ölpumpe: 35g (92%) Phosphoniumsalz vom Schmp. 209-2140C. Das Präparat muß klar in Wasser löslich sein. Zur weiteren Reinigung kann man es aus wenig Dimethylformamid Umkristallisieren. Für die Wittig-Reaktion (S. 455) ist das nicht erforderlich, jedoch empfiehlt es sich, die Kristalle staubfein zu zerreiben und nochmals wie oben zu trocknen. Cinnamyl-triphenylphosphoniumchlorid (C 6 H 5 J 3 P + C6H5CH=CH-CH2CI -> (C6H5J3P-CH2-CH=CH-C6H5Cl Man kocht die Lösung von 10,Og Cinnamylchlorid und 23,0 g Triphenylphosphin in 125 ml XyIoI 12 h am Rückfluß. Die Bildung des Salzes beginnt bald. Wenn es sich zunächst ölig abscheidet, entnimmt man mit dem Glasstab eine Probe des Öls und reibt sie unter Ether an; mit den erhaltenen Kristallen wird das Reaktionsgemisch angeimpft, das dabei heftig aufsieden kann. Nach Beendigung der Reaktion saugt man das Phosphoniumsalz ab, zerreibt es in einem Mörser, kocht es nochmals mit 50 ml XyIoI aus, saugt noch warm ab, trocknet das Produkt bei 6O 0 C im Vakuum und erhält so 23,0 g (85%) fast farbloses Salz vom Schmp. 224 0 C. Es kann durch Lösen in heißem Ethanol und Zusatz von Ether im Tiefkühlfach umkristallisiert werden (Schmp. 225 0 C), für die Umsetzung zu Diphenylbutadien (siehe S. 456) ist es genügend rein. Methoxycarbonylmethyl-triphenylphosphoniumbromid (C 6 H 5 J 3 P + BrCH 2 CO 2 CH 3 > (C 6 H 5 J 3 P-CH 2 CO 2 CH 3 Br~ Zur Lösung von 13,1 g Triphenylphosphin in 60 ml Benzol läßt man in 30 min unter Rühren 7,6g Bromessigsäure-methylester tropfen. Vorsicht! a-Halogencarbonsäureester sind tränenreizend, Abzug! Bei der Reaktion erhöht sich die Temperatur auf 30—4O 0 C. Man rührt noch über Nacht bei Raumtemperatur weiter, saugt das Salz dann ab und 160 Kapitel I. Aliphatische Substitution wäscht es sorgfältig mit Benzol. Nach dem Trocknen bei 5O 0 C i.Vak. erhält man 17,2 g, Ausbeute 83%, Schmp. 162—163 0 C. Das Salz ist für die Verwendung in der WittigReaktion (S. 457) rein genug. Präparativ wenig problematisch ist die sogenannte „erschöpfende Methylierung" von Aminen, die oben am Beispiel des Piperidins gezeigt wird. Die Permethylammoniumhydroxide sind die Ausgangsstufen für den Abbau quartärer AmmoniumBasen nach A. W. v. Hofmann (1881, S. 189). Auch die Alkylierung von Phosphinen muß als nucleophile Substitution der letzteren am Alkylhalogenid aufgefaßt werden: (C 6 H 5 J 3 P + R-Br > (C6H5J3P-R Br Alkyl-triphenylphosphoniumhalogenide sind die wichtigsten Ausgangsmaterialien für die Carbonyl-Olefinierung nach G.Wittig (1954, S. 455). Allyl-triphenylphosphoniumbromide können auch aus dem Allylalkohol mit Triphenylphosphoniumbromid dargestellt werden (H. Pommer): (C 6 H 5 J 3 PH Br + C 6 H 5 CH=CHCH 2 OH > -H 2 O (C 6 H 5 J 3 PCH 2 CH-CHC 6 H 5 Br- Phenylmethanthiol (Benzylmercaptan) Formeln siehe S. 162 a) Über Benzylisothiuroniumbromid: Wegen des intensiven unangenehmen Geruchs von Phenylmethanthiol sind alle Operationen unter einem wirksamen Abzug durchzuführen. Das gilt auch für die Reinigung aller verwendeten Glasgeräte mit verd. Natriumcarbonat-Lösung, der etwas Wasserstoffperoxid zugefügt wurde, im Anschluß an die Darstellung. Vor allem bringe man nichts von dem Thiol an die Hände oder an die Kleider, da der Geruch tagelang haftet. — In einem 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler und Rührer werden 21,6g (0,20 mol) Benzylalkohol mit 15,3 g (0,20 mol) Thioharnstoff und 67 ml 48proz. Bromwasserstoffsäure (10Og; 0,60 mol) unter Rühren 8 h auf Rückflußtemperatur erhitzt. Man läßt abkühlen, fügt die Lösung von 24g Natriumhydroxid in 240 ml Wasser zu, leitet N 2 über die Reaktionsmischung und kocht weitere 2 h unter Rückfluß; dabei wird das zunächst gebildete Isothiuroniumsalz gespalten. Nach Abkühlen trennt man im Scheidetrichter die Phasen, säuert die wässerige mit Salzsäure an und schüttelt diese 3 mal mit je 50 ml Ether aus. Die abgetrennte organische Phase und die Etherauszüge werden zusammen über Natriumsulfat getrocknet und nach Abdestillieren des Ethers bei etwa 12 Torr, am besten unter Stickstoff, destilliert. 17,0-18,7 g (68-75%) Phenylmethanthiol gehen bei 80-82 0 C/11 Torr als farbloses Öl über. aliphatische Thiole b) Aus Kaliumhydrogensulfid und Benzylchlorid: 161 In einem 500-ml-Kolben löst man 35,1 g (0,62 mol) Kaliumhydroxid in 35 ml Wasser und 220 ml 95proz. Ethanol. In diese Lösung wird mit Wasser gewaschener Schwefelwasserstoff unter Eiskühlung in langsamem Strom eingeleitet (Abzug!), bis die Gewichtszunahme 20-21 g beträgt. Jetzt versieht man das Reaktionsgefäß mit Rührer und Tropftrichter; der dritte Tubus dient dem Gaseinlaß und -auslaß. Nach Verdrängen der Luft durch Stickstoff werden unter Rühren 31,7g Benzylchlorid (28,8ml, 0,25 mol) innerhalb von 15min zugetropft, wobei die Reaktionswärme durch Außenkühlung mit kaltem Wasser abgeführt wird. Das Reaktionsgemisch wird über Nacht unter Stickstoff aufbewahrt, dann in einen Scheidetrichter eingegossen, der 350 ml Wasser enthält. Beim Ansäuern mit 2N Salzsäure (Abzug!) scheidet sich das Reaktionsprodukt als untere Phase ab; Zusatz von 50 ml Methylendichlorid erleichtert die Schichtentrennung. Die organische Phase wird nach Waschen mit 30 ml Wasser über Calciumchlorid getrocknet. Nach Abdestillieren des Lösungsmittels reinigt man das rohe Phenylmethanthiol durch Vakuumdestillation. Ausbeute 16,7g (54%). — Im Destillationsrückstand befindet sich Dibenzylsulfid, das durch Oxidation zum Dibenzylsulfon charakterisiert werden kann. Dazu werden 3 g des Rückstandes in 1OmI Eisessig portionsweise mit 5ml SOproz. Wasserstoffperoxid versetzt und anschließend 1 h auf siedendem Wasserbad erhitzt, wobei die Kristallisation des Sulfons schon in der Wärme einsetzt. Nach dem Abkühlen setzt man das gleiche Volumen Wasser zu, saugt ab, wäscht mit 50proz. Essigsäure und trocknet im Vakuumexsikkator über Kaliumhydroxid. Man erhält etwa 2,8 g farbloses Dibenzylsulfon, das nach Umkristallisieren aus Ethanol bei 148—15O 0 C schmilzt. Durch Alkylierung von Kaliumhydrogensulfid erhält man Thiole (Thioalkohole; die Bezeichnung Mercaptan ist nach den Regeln der IUPAC nur noch als Vorsilbe Mercapto für die unsubstituierte SH-Gruppe zulässig). Die Hydrogensulfid-Lösung wird durch Sättigen einer Lösung von KOH oder NaOH in absolutem Methanol mit Schwefelwasserstoff bereitet. R-Br + HS- > R-SH + Br- Um die störende Bildung von Thioether nach R-SH + HS- > R—S- + H2S R—S- + R-Br > R—S—R + Br- zurückzudrängen, setzt man Alkalihydrogensulfid im Überschuß ein. Thiolate gehören in protonischen Lösungsmitteln zu den stärksten Nucleophilen. Auch die aus der Alkylierung des Natriumthiosulfats hervorgehenden Thioschwefelsäureester-salze (Bunte-Salze) liefern beim Ansäuern Thiole. R-Br + S2O32r> R-S-SO3 H2 ~ Br ° > R-SH + HSO4- 162 Kapitel I. Aliphatische Substitution Einen bequemen und ergiebigen Weg bietet die Alkylierung des Thioharnstoffs, die ausschließlich am Schwefel stattfindet. Die dabei entstehenden Isothiuroniumsalze zerfallen mit Lauge in Thiol und Cyanamid; letzteres geht rasch ins Dimere und andere Folgeprodukte über. Wie das Ausführungsbeispiel zeigt, kann man sogar das Alkylierungsmittel in Gegenwart des Thioharnstoffs erzeugen. C 6 H 5 CH 2 OH + HBr > NH2 C 6 H 5 CH 2 Br + S=C NH2 C 6 H 5 CH 2 SH + N=C-NH2 > C 6 H 5 CH 2 Br + H2O ^NH 2 C6H5CH2-S-C^ ^NH 2 Br- Thiole sind stärkere Säuren als Alkohole; sie lösen sich in überschüssiger Natronlauge. Charakteristisch sind die gelben Blei- und die farblosen Quecksilbersalze. Versuch: Blei- und Quecksilberbenzylsulfide — Man versetzt die alkoholischen Lösungen von Blei(ll)-acetat oder Quecksilber(ll)-chlorid jeweils mit einigen Tropfen Phenylmethanthiol. Zum Nachweis der aliphatisch gebundenen SH-Gruppe ist die intensive Violettfarbung mit alkalischer Lösung von Natriumpentacyanonitrosylferrat(III) <„Nitroprussidnatrium", Na2[Fe(CN)5NO]) sehr geeignet. Versuch: Nachweis der SH-Gruppe mit Na 2 [Fe(CN) 5 NO] - Ein Tropfen Phenylmethanthiol wird in 10 ml 0,5 N Ammoniak gelöst. Von dieser Lösung versetzt man einige Milliliter mit verd. Na 2 [Fe(CN) 5 NO]-Lösung in Wasser. - Den Rest der Lösung schüttelt man im Reagenzglas mit Gummistopfen, den man einige Male lüftet, so kräftig mit Luft durch, bis eine kleine Probe die violette Farbreaktion mit Na 2 [Fe(CN) 5 NO] (siehe oben) nicht mehr gibt. Nun fügt man zu dieser Disulfid-Lösung, wie oben beschrieben, Na 2 [Fe(CN) 5 NO]-Reagenz und zu einem Teil einige Kaliumcyanid-Kristalle: Die Probe färbt sich nach einiger Verzögerung infolge der Bildung von R—SH nach: R—S—S—R + CN~ -> R—S" + RSCN rot. Zum anderen Teil gibt man einige Körnchen Natriumborhydrid (NaBH4), die durch Reduktion zum Thiol ebenfalls Rotfärbung erzeugen. Sulfoxoniumsalze 163 Die Thiole sind sehr oxidationsempfindlich. Sie bilden schon an der Luft Disulfide (siehe S. 530), mit stärkeren Oxidationsmitten nacheinander Sulfen-, Sulfin- und schließlich Sulfonsäuren. RSO3H > RSO3H Trimethylsulfoxoniumiodid CH3 CH3SOCH3 + CH3I > CH3-S-CH3 T O Man kocht die Mischung aus 19,5g (0,25 mol) reinem, über Molekularsieb getrocknetem Dimethylsulfoxid und 30 ml (68,4g, 0,48 mol) Methyliodid (Vorsicht! Methyliodid ist giftig, vergleiche S. 149) unter Stickstoff oder Argon 3 Tage am Rückfluß. Das ausgefallene Salz wird abgesaugt (17 g) und mit Chloroform gewaschen. Das Filtrat des Reaktionsgemisches versetzt man mit nochmals 30 ml Methyliodid und kocht weitere 2 Tage. Dabei scheiden sich weitere 2,5 g des Salzes ab, die wie oben abgetrennt und mit der Hauptmenge zusammen aus Wasser umkristallisiert werden. Farblose Prismen, die i. Vak. getrocknet werden, Ausbeute 17,Og (31 %). Ähnlich den Aminen und Phosphinen können auch die Thioether nucleophil auf Alkylierungsmittel einwirken. Dabei entstehen Sulfoniumhalogenide, z. B. CH3 CH3SCH3 + CH3I > CH3-S-CH3 l~ Bei dem obigen Beispiel ist die Reaktion auf das Dimethylsulfoxid (DMSO) übertragen worden, es entsteht dann ein Sulfoxoniumiodid. Nach E. J. Corey (1962) lassen sich derartige Sulfoniumsalze ähnlich den Phosphoniumsalzen von Wittig in Ylene umwandeln (Schwefel-Ylene, S. 460). Nitromethan aus Chloressigsäure CICH2CO2H —NaN°2 > -NaCl O 2 NCH 2 CO 2 H -UU2 —-> CH 3 NO 2 94,5g (1,00 mol) Chloressigsäure werden in 200 ml Wasser gelöst und mit 53g (0,50 mol) wasserfreiem Natriumcarbonat in einem weiten Becherglas genau neutralisiert. Dazu gibt man die Lösung von 75g (1,08 mol) Natriumnitrit in 12OmI Wasser. Etwa 10OmI dieser Mischung füllt man in einen 750-ml-Rundkolben mit Tropftrichter und absteigendem Kühler. Beim vorsichtigen Erwärmen im Babo-Trichter be- 164 Kapitel I. Aliphatische Substitution ginnt bei 8O 0 C unter CO2-Entwicklung eine stürmische Reaktion; durch allmähliches Zufließenlassen der Vorratslösung zum siedenden Reaktionsgemisch im Kolben hält man die Umsetzung ohne äußere Wärmezufuhr in Gang, läßt sie aber nicht zu heftig werden. Dann wird das Nitromethan mit Wasserdampf überdestilliert, dabei sondert es sich in der Vorlage als schwerere Schicht ab. Sobald im Destillat kein Nitromethan mehr übergeht, wechselt man die Vorlage und treibt durch weiteres Erhitzen noch 100 ml Wasser über, die noch gelöstes Nitromethan enthalten. Von dem ersten Destillat trennt man das Nitromethan ab und vereinigt den wässerigen Teil mit dem zuletzt übergegangenen. Diese Lösungen werden mit Kochsalz gesättigt (35g auf je 100ml) und erneut destilliert. Etwa ein Viertel der gesamten Wassermenge wird aufgefangen, danach kommt wieder ein klares Destillat. Das im Schütteltrichter abgetrennte Nitromethan wird mit dem zuerst erhaltenen vereinigt, mit Calciumchlorid getrocknet und destilliert. Sdp. 101 0 C; Ausbeute 20-24 g (33-39%). Nach der Substitution des Chlors durch den Stickstoff des Nitritions entsteht Nitroacetat. Dieses spaltet in der Wärme Kohlendioxid ab (decarboxyliert) und bildet Nitromethan. Die Decarboxylierung ist eine elektrophile Substitution einer Carboxylgruppe durch ein Proton. Sie verläuft nur dann leicht, wenn das bei der Ablösung des Kohlendioxids zurückbleibende Carbanion energiearm, also stabilisiert ist. Die Bereitschaft des sp3-Kohlenstoffs, ein freies Elektronenpaar zu tragen und anionisch aufzutreten, ist nämlich sehr gering. Befindet sich aber benachbart zur Carboxylgruppe eine Carbonyl- oder Nitrogruppe, können diese nach Verlust von CO2 den größten Teil der negativen Ladung in entsprechenden mesomeren Grenzformeln übernehmen. Die damit verbundene Senkung des Energieniveaus (Zunahme an Bindungsenergie) macht die Decarboxylierung möglich. HCO; Der auf H. Kolbe zurückgehende nucleophile Austausch von Halogen durch Natriumnitrit ist auf die niederen a-Halogencarbonsäuren beschränkt. Allgemein lassen sich primäre und sekundäre Alkylbromide oder lodide mit Natriumnitrit bei Raumtemperatur in die Nitroalkane überführen, wenn man JV,N-Dimethylformamid (DMF) oder Dimethylsulfoxid (DMSO) als Lösungsmittel wählt (N. Kornblum); die Ausbeuten betragen dabei 50-60%. Noch ergiebiger ist die Einwirkung von Silbernitrit auf die Brom- oder lodalkane in Ethersuspension (V. Meyer), die 70-80% primäre Nitroalkane gibt. Neben Nitroalkanen treten auch Alkylnitrite auf. Das Nitrit- Nitroalkane 165 anion, hat nämlich am Stickstoff und am Sauerstoff nucleophile Zentren, an denen das Alkylierungsmittel angreifen kann; es ist „ambident" (N. Kornblum). R-O-N=O « [o—N=O > R—N Über solche Ionen siehe auch auf Seite 416. Von beiden Atomen ist der Sauerstoff basischer (so daß er bevorzugt ein Carbeniumion anlagert), der Stickstoff nucleophiler, so daß es (SN2-Bedingungen, S. 167) in nicht solvatisierenden Lösungsmitteln wie Ether, DMF oder DMSOzur JV-Alkylierung kommt. Nitromethan, -ethan und die beiden Nitropropane werden industriell durch radikalische Gasphasennitrierung der Alkane bei 40O0C hergestellt. Höhere Alkane und Cycloalkane lassen sich auch mit wässeriger Salpetersäure bei 120-20O0C nitrieren. Primäre und sekundäre Nitroalkane reagieren zwar in Wasser neutral, lösen sich aber in Natronlauge unter Protonabgabe und Salzbildung. Dabei entsteht das mesomeriestabilisierteNitromethan-anion. H2C-IV/ % H3C-NO2 + OH+ H 2 Q, langsam -H 2 O T ° +H + , rasch ( _ +/ H2 C=IS^ 9 mesomeres Anion ac/-Form o- Beim Ansäuern konkurrieren die Zentren, über die sich die negative Ladung im Nitromethan-anion verteilt, um das Proton. Man erhält dabei das #c/-Nitro-Tautomere, da die Protonanlagerung an den elektronenreicheren Sauerstoff sehr viel rascher ist. Das zunächst gebildete stärker saure Tautomere ist aber nicht das thermodynamisch stabile. Es lagert sich mit wahrnehmbarer Geschwindigkeit in die schwächer saure NitroVerbindung um. Ähnliche Verhältnisse liegen bei der Keto-EnolTautomerie (S. 409) vor. Versuch: aci-Form des Nitromethans— Man löst 1,00 ml (16,5 mmol) Nitromethan in Wasser und prüft die Reaktion der Lösung gegen Lackmuspapier. Dann fügt man etwas Phenolphthalein und tropfenweise aus einer Bürette 0,1 N Natronlauge hinzu Bis zur bleibenden Rosafärbung werden etwa 2 ccm davon (0,2 mmol) verbraucht, ein 166 Kapitel I. Aliphatische Substitution Zeichen, daß die Salzbildung des Nitromethans einsetzt. Eine kleine Probe der Lösung gibt mit Eisenchlorid eine blutrote Färbung, die für ac/-Nitroverbindungen charakteristisch ist. Auf weiteren Zusatz von Lauge schlägt der Indikator ganz um. Hat man 10 ml davon zugegeben und versetzt rasch mit 5ml 0,1 N Salzsäure wird das Phenolphthalein kurzfristig entfärbt, weil die im Gleichgewicht vorhandenen OH ~-Ionen neutralisiert werden. Die „Hydrolyse" des mesomeren Anions, das heißt die Anlagerung der Protonen des Wassers an die carbanionische Seite als geschwindigkeitsbestimmende Reaktion erfolgt dann deutlich verfolgbar am Wiedererscheinen der roten Farbe (linke Seite der obigen Gleichung). Mehrere Nitrogruppen steigern die Acidität des C-gebundenen H erheblich. Das Nitroform HC(NO2)3 erreicht mit pKA < l die Stärke der Mineralsäuren. Das Nitroalkananion und die «c/'-Nitroform vermögen auch andere elektrophile Agenzien als das Proton am Kohlenstoff aufzunehmen, zum Beispiel Brom oder Nitrosyl. Salpetrige Säure bildet mit primären Nitroalkanen die Nitrolsäuren, die farblos sind, aber mit Alkalien tiefrote Salze bilden. Mit sekundären Nitroalkanen entstehen die sogenannten Pseudonitrosite, die als C-Nitroso-Verbindungen grün oder blau gefärbt sind (S. 489). OH HONO + CH2=N *Q _H Q> 2 O=NCH2NO2 > HON=CHNO2 Nitrolsäure OH HONO (CH3J2C=Nx > CH1 O=N-C-NO2 + H2O Mechanismen der nucleophilen Substitution am gesättigten Koh lenstof f atom Die nucleophile Substitution gehört zum Typus der heterolytischen Reaktionen, bei denen eine kovalente Bindung in zwei geladene Teilchen (Ionen) aufgespalten wird A—B > A+ + |B" : Heterolyse. Bei homolytischen Spaltungen (S. 175) nehmen beide Teilchen im Gegensatz dazu als neutrale Radikale je ein Elektron der Bindung mit sich (siehe S.587). A—B > A' + B' : Homolyse. nucleophile Substition 167 Bei der nucleophilen Substitution tritt die heterolytische Spaltung des Substrats R —X unter dem Einfluß oder auch zeitlich vor der Annäherung des Nucleophils Y so ein, daß das Elektronenpaar bei X verbleibt. X heißt Nucleofug. Das Nucleophil Y | bringt ein Elektronenpaar mit sich: R-Q + Y| -> R-Y Substrat Nucleophil Produkt + X| Nucleofug oder Abgangsgruppe In den meisten Fällen, so auch in den meisten der hier gegebenen Beispiele, sind die Nucleophile Träger negativer Ladung, also Anionen, z.B. Br~, OH", CN~ usw. C 6 H 5 CH 2 CI + CN- -> C 6 H 5 CH 2 CN + Cl~ Zu diesem Typ von Reaktionen gehört auch der präparativ bedeutungsvolle Halogenaustausch nach H. Finkelstein, der z. B. die Umwandlung von Alkylchloriden oder -p-toluol-sulfonaten mit Natriumiodid in wasserfreiem Aceton in die Alkyliodide gestattet: R-CI (oder ROSO2 - CH3) + Nal -> " CH3) Rl + NaCI (oder NaOSO2 - Die Nucleophile können jedoch auch elektrisch neutral sein, wie die Herstellung der alkylierten Ammoniumsalze zeigt: CHI + R N -> CHN3 R 3 l~ Während in dieser Reaktionsfolge Ladungen aufgebaut werden, haben wir am Beispiel C 2 H 5 OH 2 + Br- -> C 2 H 5 Br + H2O auch solche kennengelernt, in denen die Ladungen aufgehoben werden. Bei der Mehrzahl der nucleophilen Substitutionen sind der Eintritt des Nucleophils und der Austritt des Nucleofugs (Bindungsbildung und Bindungsbruch) zeitlich gekoppelt. An dem RG-bestimmenden Elementarakt sind also beide Reaktionsteilnehmer beteiligt: Die Reaktion ist bimolekular und wird daher SN2-Reaktion genannt (rtucleophile Substitution 2. Ordnung). Bei der SN2-Reaktion wird ein Teil der Energie, die zur Lösung der Bindung R —X aufgebracht werden muß, bereits durch die Energie der beginnenden Bindungsbeziehung Y - - - R kompensiert. Es wird somit eine Phase passiert, in der das zentrale Kohlenstoffatom die Koordinationszahl 5 betätigt. Dabei nähert sich das nucleophile Agens Y der Grundfläche des Kohlenstoffte- 168 Kapitel I. Aliphatische Substitution traeders, an dessen Spitze sich X befindet. Wie für die alkalische Hydrolyse eines Alkylbromids formuliert, ist das Eintreten des neuen Substituenten von der Gegenseite her zur Bindung C —X sowie die Ablösung des X mit einer Spreizung und einem Umklappen der drei restlichen Bindungen des zentralen Kohlenstoffs verbunden. Der bekannte Vergleich mit dem Umschlagen eines Regenschirms im Sturm ist auch insofern treffend, als beide Systeme in der Phase des Übergangs instabil sind. _ - R* \ 6 - | R' 6 - / R' HO | +u ^ C-Br -> HO " - C - - Br --> HO— C x// + Br~ Ist Y ein Anion, verteilt sich die negative Ladung im Übergangszustand über die ein- und austretenden Gruppen. Ursache für die oben geschilderte Orientierung der SN2-Reaktion ist ein Übergangszustand mit günstiger Hybridisierung der Orbitale. Aus dem sp3-Kohlenstoff wird im Übergangszustand ein sp2-Zentrum, wie man es auch in Olefinen und Aromaten findet; die Vorzugsrichtungen der sp2-Bindungen weisen nach den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks, in dessen Mitte sich das Zentralatom befindet. (Im Formelbild oben sind H, R und R' in dieser Weise gebunden.) Das noch verfügbare pz-Orbital unterhält je eine schwache Bindungsbeziehung zum ein- und austretenden Substituenten. Es ist leicht zu erkennen, daß die SN2-Reaktion an einem chiralen Zentrum von obligatorischer Konfigurationsumkehr (Walden-Umkehr) begleitet ist. Ein anschauliches Hilfsmittel für die Erörterung von Mechanismen sind Energieprofile, bei denen die Bindungsenergie (potentielle Energie) als Enthalpie oder Freie Energie gegen die sogenannte Reaktionskoordinate, die den Ablauf der Reaktion widerspiegelt, aufgetragen sind. Abbildung 73 zeigt, daß ein einfacher Aktivierungsberg zwischen Komponenten und Produkt den SN2-Typ charakterisiert. Der Übergangszustand oder die Aktivierungskonfiguration wird auf dem Gipfel des Energieberges erreicht (Abbildung 73), dieser bezeichnet gleichwohl den Weg geringster chemischer Energie, auf dem der Übergang möglich ist. Die relativen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der Nucleophile bei Umsetzung mit RX unter Standardbedingungen liefern ein quantitatives Maß ihrer Reaktivität und gestatten die Aufstellung von Nucleophilitätsreihen. In protischen Lösungsmitteln (Ethanol oder wässeriges Aceton) findet man etwa folgende Reihung: RS- > CN- > l" > SCN- > AIkO- > OH~ > Br' > (CH 3 J 3 N > Pyridin > Cl~ > CH 3 COQ- > F" > TosO' > NO3" > H 2 O Anionen wie ClO4", AlCl4", BF4" und SbF^ besitzen keine Nucleophilität. Schon die Spitzenstellung des RS" -Ions lehrt, daß die kinetisch begründete Nucleo- nucleophile Substitution 2. Ordnung 169 Reaktionskoordinate Abb. 73 Energieprofil einer SN2-Reaktion philität und die thermodynamisch begründete Basizität nicht in jedem Falle parallel laufen. Nur bei gleichem Schlüsselatom (z.B. AIkO" > OH" > C6H5O" > H 2 O) oder innerhalb einer Reihe des periodischen Systems (z.B. R3C" > R 2 N" > RO" > F~) wird eine solche Parallelität beobachtet. Innerhalb der Gruppen des periodischen Systems sind die stärker polarisierbaren, saureren Nucleophile in protischen Lösungsmitteln jedoch nucleophiler (z.B. I" > Br" > Cl~ > F"). Das ist jedoch wesentlich mitbegründet durch die starke Solvatisierbarkeit der kleinen Anionen in pro tischen Lösungsmitteln: die große Solvathülle schwächt ihre Reaktivität. In polaren, nichtprotonischen Lösungsmitteln wie 7V,AT-Dimethylformamid (DMF), Dimethylsulfoxid (DMSO), Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPT)*, welche die kleinen Nucleophile besonders wenig solvatisieren oder „nackt" lassen, kehrt sich diese Reihenfolge um (F" > Cl" > Br~ ~ I~). Viele SN2-Substituenten mit kleinen Nucleophilen verlaufen deshalb in solchen Lösungsmitteln dramatisch schneller als etwa in Ethanol, z. B. ist die Reaktion CHJ CH3F in DMSO 107 mal schneller als in Ethanol. Ähnliche Effekte begünstigen die Darstellung der Nitroalkane in DMSO nach Kornblum (S. 166), die Alkylierung von ßDicarbonylverbindungen in DMF (S.416) u.a. mehr. Eine Nucleophilitätsreihe in DMF oder DMSO lautet: CN- > CH.COO- > Cl- > Br- ~ l~ > SCN". Im Umgang mit dem vielverwendeten Lösungsmittel HMPT ist Vorsicht geboten, da es möglicherweise cancerogen ist. 170 Kapitel I. Aliphatische Substitution Alkylfluoride kann man ebenfalls durch Halogenaustausch (von Brom) gegen Fluor erhalten, wenn man Krönenkomplexe (S. 156) von Alkalifluoriden auf Bromide einwirken läßt. Außerdem erhält man Fluor-, insbesondere Polyfluoralkane durch Einwirkung von Antimontrifluorid auf die betreffenden Chloralkane. In der Technik nimmt man diesen Austausch mit wasserfreiem Fluorwasserstoff in Druckgefäßen vor; eventuell kann man dabei mit SbF3 oder, noch wirksamer, mit SbF5 oder SbF3Cl2 katalysieren. Unter geeigneten Bedingungen wird nur ein Teil der Chloratome ausgetauscht, zum Beispiel bei der Synthese des Kältemittels Dichlordifluormethan (Freon). Auch die Nucleofuge lassen sich nach ihrer Bereitschaft ordnen, die Bindung zum Kohlenstoff zu lösen. Da hier die Bindungskraft C-X entscheidend ist, die ungefähr mit der Bindungskraft H—X parallel verläuft, kann man die Nucleofugität von X aus der Acidität der konjugierten Säuren H—X abschätzen: -N2 > CF3SO2O- > RSO2O- > — I > -Br > H2O- > Cl- > F— > — OSOj > -NR3 > -OR > -OH > -NR2 Hiermit wird deutlicher, warum die Substitution von Hydroxylgruppen häufig erst nach Protonierung zu den Oxonium-Ionen glatt verläuft, z. B. bei der Etherspaltung nach Zeisel, wo der stark saure lodwasserstoff zunächst ein Proton auf den basischen Ethersauerstoff überträgt. H CH 3 OR < Hl H > ICH3 + ROH > I- + ..C—6 H- s \ H R Besonders klar läßt sich die Nucleofugität von X an der SN l-Substitution studieren. Im Gegensatz zur Reaktionsgeschwindigkeit der alkalischen Hydrolyse des Ethyloder Isopropylchlorids ist die des 2-Phenylethylchlorids nur der Konzentration des Halogenids proportional, also von derjenigen des Hydroxylions unabhängig. Es handelt sich hier um eine Reaktion 1. Ordnung, SNl-Reaktion genannt. Wie die Förderung der SNl-Reaktion durch protische, polare Lösungsmittel nahelegt, ist eine Ionisation der langsamste Reaktionsschritt. Diesem schließt sich eine rasche Vereinigung des dabei entstandenen Carbeniumions mit dem nucleophilen Agens an. Auch das Carbeniumion der SNl-Reaktion ist sp2-hybridisiert. rH ^6 5 n I r H V>| u H +H2 \s ci ± «-- C H -(/ ^ H ^ 6 5 ° > > C6H5-C-OH CH 3 + (H + ) I CH3 + Cl- CH3 Das Auftreten eines Carbeniumions als Zwischenstufe ist im Energieprofil als nucleophile Substitution 1. Ordnung 171 Minimum zwischen zwei Maxima (Übergangszuständen) zu erkennen. Im Gegensatz zum Übergangszustand der SN2-Reaktion hat die Zwischenstufe eine endliche Lebensdauer, die mit der Höhe der negativen Energien der sie einschließenden Aktivierungsmaxima wächst. Damit eine Zwischenstufe isolierbar wird, muß diese Energiedifferenz jedoch mindestens 65-85 kJ/mol (15—20kcal/mol) betragen, siehe Abbildung 74. Reaktionskoordinate Abb. 74 Energieprofil einer SN l-Reaktion Während beim Energieprofil der SN2-Reaktion (Abbildung 73) alle für die Produktbildung erforderlichen Stoffe in einen Aktivierungskomplex eintreten müssen, kann die Zwischenstufe sich den Partner für die Weiterreaktion frei auswählen. Das Carbeniumion kann also sowohl mit dem Lösungsmittel, wenn es nucleophil ist, als auch mit allen darin gelösten nucleophilen Agenzien zusammentreten, ohne daß die Gesamtgeschwindigkeit der Reaktion dadurch beeinflußt wird. Carbeniumionen sind seit der Beobachtung von P. Waiden, daß die gelbe Lösung des Triphenylmethylchlorids in flüssigem SO2 den Strom leitet, also ein stabiles Carbeniumion enthält (das seine Existenz der besonders wirksamen Mesomeriestabilisierung verdankt), in der Folgezeit eingehend studiert worden. Sie lassen sich teils als Salze isolieren, deren Anionen überhaupt nicht nucleophil sind (AlCl4", SbCl^), teils müssen sie als äußerst kurzlebige Zwischenstufen von Reaktionen, wie der SN1Substitution oder von molekularen Umlagerungen postuliert werden. Die entscheidende Rolle des polaren Lösungsmittels bei der SN l-Reaktion läßt keinen Zweifel daran, daß erst die bei der Solvatation der Ionen freiwerdenden Energiebeträge die Ionisation ermöglichen. Hierzu eignen sich besonders Brönsted-Säuren (Wasserstoff-Brücken!). Es entsteht ein solvatisiertes lonenpaar. Erst wenn die Dielektrizitätskonstante des Lösungsmittels eine Trennung der Ionen erlaubt, diffundieren diese auseinander. Säuren mit hoher Dielektrizitätskonstante wie Ameisensäure oder Wasser sind deshalb bevorzugte Lösungsmittel zum Studium reiner SN1Reaktionen. 172 Kapitel I. Aliphatische Substitution Bei Alkylhalogeniden kann man mit Silber- oder Quecksilberionen, die bekanntlich eine hohe Affinität gegenüber Halogenionen haben, die SN l-Reaktion fördern. So ist es zu verstehen, daß selbst primäre Alkyliodide mit wässerig-alkoholischer AgNO3-Lösung fast momentan Silberiodid abscheiden; Bromide reagieren in der Hitze langsam; primäre Alkylchloride sind resistent. Weil Carbeniumionen eben gebaut sind, sollten SN l-Produkte (im Gegensatz zu SN2-Produkten) optisch aktiver Ausgangsverbindungen vollständig racemisiert sein. Die Racemisierung tritt zwar auf, wird aber von einer Inversion begleitet, deren Ausmaß mit abnehmender Lebensdauer des Carbeniumions steigt. Bei hochreaktiven Carbeniumionen findet das entstandene Halogenanion nicht genügend Zeit, seinen Platz ganz zu verlassen. Es blockiert somit eine Seite des planaren Carbeniumions mehr oder weniger stark gegen den Angriff des neuen Substituenten. Neben reinen SN1- und SN2-Reaktionen können also Übergangsvarianten auftreten. Dabei gilt, daß der reine SNl-Mechanismus um so eher begünstigt ist, je stärker das Zwischenstufenion durch seine Substituenten stabilisiert wird. Neben Phenylresten tragen auch Alkylreste zu einer solchen Stabilisierung bei. Die elektronenliefernde Wirkung der drei Methylgruppen kompensiert im tert-Butylkation einen Teil der positiven Ladung des Zentralatoms. Man bezeichnet die Eigenschaft eines Substituenten, negative Ladung über die ^-Bindung an den Nachbarn abzugeben als positiven induktiven Effekt ( + !-Effekt), umgekehrt ordnet man Substituenten, die über eine <j-Bindung Ladung zu sich herüberziehen, einen negativen induktiven Effekt (— !-Effekt) zu. Der + !-Effekt dreier Methylgruppen senkt das Energieniveau eines tertiären Carbeniumions ab und ermöglicht dadurch sehr schnelle SN l-Reaktionen, wie z.B. bei der Hydrolyse des terf-Butylchlorids (S. 146). Die Geschwindigkeitskonstante der Solvolyse von terf-Butylbromid in Ameisensäure-Wasser ist 108 mal größer als die von Methylbromid. Isopropylbromid reagiert 45 mal schneller und Ethylbromid ca. 2mal schneller als Methylbromid nach SN1. Bei der SN2-Substitution mit lodionen in Aceton liegen die Verhältnisse umgekehrt: Ethylbromid reagiert 150mal und Isopropylbromid etwa 104mal langsamer als Methylbromid, was vermutlich einer sterischen Erschwerung des Rückseitenangriffs zuzuschreiben ist. Obwohl das Symbol SN2 ursprünglich nur bimolekulare Umsetzungen kennzeichnete, hat es sich mehr und mehr zu einem mechanistischen Symbol entwickelt. Intramolekulare Substitutionen des Typus CH2 H2C CH2-NH2 CH2 CH2-Br > CH2 X ^CH2 CH2 CH2 + Br~ CH2—NH2 gehorchen zwar der Reaktion 1. Ordnung, entsprechen aber dem S 2-Mechanismus. Auch der Ringschluß zum Ethylenoxid (S. 155) verläuft nach diesem Schema: das Alkali setzt lediglich aus dem Ethylenchlorhydrin das aktive Alkoholation frei. — Der radikalische Substitution 173 intramolekularen Substitution steht der ganze Bereich zwischen den Extremen SN2 und SN1 offen. Radikalische Substitution Benzylchlorid C 6 H 5 CH 3 + Cl2 hv -^U C 6 H 5 CH 2 CI + HCI Die Apparatur besteht aus einem 250-ml-Kolben mit Gaseinleitungsrohr, Thermometer, das fast bis zum Boden des Kolbens reicht (Meßbereich 110—16O 0 C) und einem Rückflußkühler. Vor den Kolben sind eine Chlor-Stahlflasche, eine Waschflasche mit konz. Schwefelsäure und eine Sicherheitsflasche geschaltet. Das obere Ende des Kühlers ist mit einer Gasableitung verbunden, die (zur Vernichtung der Abgase HCI und Cl2) über der Oberfläche von starker Natronlauge in einem 1-l-Kolben endet und weiter in den Abzug führt. Der Reaktionskolben steht in einem Ölbad oder Babo-Trichter. Möglichst nahe schräg über dem Reaktionskolben wird eine starke Lichtquelle — zweckmäßig ein Reflektor mit Tageslichtglühbirne von 200 W — aufgebaut. Im Reaktionskolben erhitzt man 115 ml (10Og; 1,09 mol) reines Toluol zu starkem Sieden, schaltet die Lichtquelle an und läßt lebhaft Chlor einströmen. Mit zunehmender Chlorierung steigt die Temperatur des Reaktionsgemisches an. Man bricht das Einleiten ab, sobald (nach 2—4 h) die Innentemperatur 156 0 C erreicht hat. Dann wird der Ansatz im Vakuum destilliert. Dabei fängt man die Hauptmenge bei etwa 63-70 0 C/12 Torr auf; der Siedepunkt des reinen Benzylchlorids liegt bei 64 0 C/12 Torr. Ausbeute 89-96 g (65-70%). - Das im Vakuum destillierte Präparat ist reiner und haltbarer als das unter Atmosphärendruck destillierte, weil sich hierbei stets HCI abspaltet. Da das Benzylchlorid eine starke Reizwirkung auf die Augen ausübt, führt man alle Operationen einschließlich des Reinigens der verwendeten Apparaturen im Abzug aus. Die Nachbarschaft des Benzolkerns verleiht dem Chlor in der Seitenkette eine erhöhte Reaktivität für nucleophile Substitutionen. Benzylchlorid geht daher die typischen Umsetzungen der Alkylhalogenide besonders leicht ein; siehe Herstellung des Phenylmethylthiols (S. 160). Die Hydrolyse mit heißem wässerigem Alkali führt zum Benzylalkohol, einer bei 2050C siedenden farblosen Flüssigkeit. Versuch: Spaltung von Benzylchlorid mit Kaliumhydroxid — Man erhitzt einige Tropfen Benzylchlorid mit (halogenfreiem) methanolischem Kaliumhydroxid einige min im Reagenzglas im siedenden Wasserbad. Dann verdünnt man mit Wasser, säuert mit Salpetersäure an, schüttelt Ungelöstes mit Ether aus und gibt einige Tropfen verd. Silbernitrat-Lösung zu der wässerigen Lösung. 174 Kapitel I. Aliphatische Substitution Der analoge Versuch mit reinem Brombenzol läßt keine Bromidionen auftreten: Unterschied zwischen aliphatisch und aromatisch gebundenem Halogen. Versuch: Analyse des Benzylchlorids — Die Spaltung zur quantitativen Halogenbestimmung in Substanzen, die aliphatisch gebundenes Halogen enthalten, führt man nicht nach Carius im Einschmelzrohr aus, sondern durch Hydrolyse mit eingestellter methylalkoholischer Lauge. (Mit der Kontrolle des dargestellten Präparats übe man diese häufig verwendete Methode der Bestimmung des Äquivalentgewichts.) Man kocht in einem öfter benutzten, gut ausgedämpften kleinen Rundkölbchen eine genau eingewogene Menge Benzylchlorid (etwa 1 g) mit dem 1,Stachen der berechneten Menge methylalkoholischer 1N Natronlauge 1 h unter Rückfluß, verdünnt mit dem doppelten Volumen Wasser und titriert nach Phenolphthalein-Zusatz mit 0,5IM Salzsäure die überschüssige Lauge zurück. — Diese Methode ist natürlich nur anwendbar, wenn keine anderen Säuren entstehen. In letzterem Falle wird das Halogen mit Rhodanid nach Volhard titriert. - Die viel gebrauchte methanolische Natronlauge stellt man sich am besten auf Vorrat her, indem man in 10O ml Methylalkohol - ethylalkoholische Lauge verharzt bald — 25g reines Natriumhydroxid durch Erwärmen oder durch Stehenlassen über Nacht löst, von Carbonat abfiltriert und den OH'-Gehalt durch Titration bestimmt. Benzaldehyd über Benzylidendichlorid C 6 H 5 CH 3 + 2Cl 2 _2hHVc| > C 6 H 5 CHCI 2 > C 6 H 5 CHO In 57,5 ml (50,0 g, 0,55 mol) siedendes Toluol leitet man in gleicher Weise, wie für die Darstellung des Benzylchlorids (Präparat S. 173) beschrieben, so lange trockenes Chlor ein, bis die Innentemperatur auf 187 0 C gestiegen ist. (Man überzeuge sich, daß eine Gewichtszunahme um 40g eingetreten ist). Das so gewonnene rohe Benzylidendichlorid kocht man mit gut wirkendem Rückflußkühler unter Einleiten eines schwachen Kohlendioxid -Stroms mit 500 ml Wasser und 150 g gefälltem Calciumcarbonat (oder Schlämmkreide oder feinpulverisiertem Marmor) 4 h im Ölbad von 13O 0 C. Dann nimmt man den Kolben aus dem Bad und treibt aus dem noch heißen Gemisch den Benzaldehyd mit Wasserdampf über. Man saugt den Rückstand auf der Nutsche heiß ab und säuert das Filtrat mit konz. Salzsäure stark an. Beim Abkühlen scheidet sich die Benzoesäure als Nebenprodukt der Reaktion in glänzenden Blättern ab (sie ist mit Wasserdampf etwas flüchtig). Sie wird abgesaugt und aus Wasser umkristallisiert; Schmp. 121 0C. Das Wasserdampfdestillat wird 2mal mit nicht zuviel Ether ausgeschüttelt; die Etherlösung unterschichtet man in einer Pulverflasche unter Umrühren mit dem Glasstab nach und nach mit 40proz. Natriumhydrogensulfit- Lösung, die dabei zu einem steifen Brei der Aldehyd-Additionsverbindung (siehe S. 360) erstarren muß. Man schüttelt hierauf mit aufgesetztem Stopfen, den man von Zeit zu Zeit lüftet (Schutzbrille!), energisch durch, bis aller Benzaldehyd gebunden ist (Geruchskontrolle!) saugt dann ab und wäscht mit Ether nach. Das feste Salz spaltet man durch Eintragen in 500 ml 15proz. Natriumcarbonat- Lösung, aus der man dann ohne Pause den freigemachten Aldehyd mit Wasserdampf überdestilliert. Das Destillat wird ausgeethert, die Etherlösung Photochlorierung der Alkane 175 mit wenig Calciumchlorid getrocknet, der Ether verdampft und der Benzaldehyd destilliert; Sdp. 179 0 C. Schonender ist die Destillation bei 64-65 0 C/12 Torr unter Stickstoff. Ausbeute 35-40 g (60—69%). -Wegen der großen Sauerstoffempfindlichkeit des Präparats müssen alle Operationen schnell hintereinander ausgeführt werden. Benzylidendichlorid ist, wie Benzylchlorid, eine zu Tränen reizende Flüssigkeit. Sie dient als Zwischenstufe für die Gewinnung des Benzaldehyds durch Hydrolyse. Diese wird von der nucleophilen Substitution eines Chloridions durch die Hydroxygruppe eingeleitet. Die Zwischenstufe mit Cl und OH am gleichen Kohlenstoff ist nicht faßbar, sondern spaltet sofort HCl unter Bildung einer Carbonylgruppe ab. Die Photochlorierung der Alkane ist die einfachste Möglichkeit zur Herstellung der C—Cl-Bindung. Die stufenweise Chlorierung des Methans zu Methylchlorid, Methylendichlorid, Chloroform und Tetrachlorkohlenstoff ist technisch wichtig. Bei den höheren Alkanen wird der Wasserstoff am tertiären C-Atom leichter ersetzt als der am sekundären und dieser leichter als der am primären C-Atom. Jedoch ist die Selektivität selten groß genug, um eine gezielte Chlorierung zu gewährleisten; dies schränkt den Wert der Methode erheblich ein. Wie bei der Chlorknallgas-Reaktion handelt es sich bei der Photochlorierung der Kohlenwasserstoffe um eine Radikalkettenreaktion. Die bei der Photolyse des Chlormoleküls entstehenden Atome - auch die Thermolyse wird zur Zündung der Kette benutzt - vermögen z. B. dem Methan ein Wasserstoffatom zu entreißen. Das Methylradikal löst die Spaltung eines weiteren Chlormoleküls aus. Das zurückbleibende Chloratom greift ein weiteres Methanmolekül an und hält so die Kettenreaktion weiter in Gang. Start: Kette: Cl2 Cl' Cl2 > + CH4 + 'CH 3 2Cl' Der Kettenabbruch erfolgt durch Vereinigung zweier Radikale und/oder Atome. Mit Chlor- oder Wasserstoffatomen haben Radikale den Besitz eines ungepaarten Elektrons gemein. Die Alkylradikale verfügen über ein Elektronenseptett; ihre hohe Reaktivität entspringt dem Bestreben, zum vierbindigen Zustand mit Achterschale zurückzukehren. 176 Kapitel I. Aliphatische Substitution Die Chlorierung der Methylgruppe des Toluols vollzieht sich besonders leicht, da sich dessen aliphatische Wasserstoffatome wegen der Mesomeriestabilisierung des dabei entstehenden Benzylradikals besonders leicht abspalten. Alle drei aliphatisch gebundenen Wasserstoffatome des Toluols können radikalisch durch Chlor ersetzt werden; die Reaktionsgeschwindigkeiten nehmen jedoch mit steigendem Chlorgehalt so stark ab, daß außer Benzotrichlorid auch Benzylidendichlorid oder Benzylchlorid einzeln gewonnen werden können. Die Zündung der Kette ist nicht nur durch Photolyse des Chlormoleküls möglich, sondern auch durch Radikalinitiatoren wie 2,2'-Azobis-(isobutyronitril) oder organische Peroxide, etwa Dibenzoylperoxid (M. S. Kharasch, 1939). Diese zerfallen beim Erwärmen sehr leicht in Radikale, die ihrerseits zum Beispiel dem Toluol ein Wasserstoffatom entziehen. C6H5CO-OO-COC6H5 C 6 H 5 COO' + C 6 H 5 CH 3 > > 2C 6 H 5 COO' C 6 H 5 COOH + C 6 H 5 CH 2 ' Weitere Betrachtungen zur Reaktion von Radikalen findet man auf S. 471. or-Bromierung von Carbonsäuren 2- Bromisovaleriansäure (CH 3 J 2 CHCH 2 CO 2 H + Br2 (PC 3) ' > (CH 3 J 2 CHCHBrCO 2 H Als Apparatur dient ein 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler, der oben mit einer Gasableitung verbunden ist, die (zum Abfangen des entstehenden Bromwasserstoffs) etwa 1 cm über einem Kolben mit etwa 10OmI Wasser endet und dann weiter in den Abzug führt. Im Reaktionskolben werden 54,5 ml (51 g; 0,50 mol) Isovaleriansäure (sollte nur Isovaleriansäure-monohydrat zur Verfügung stehen, ist dieses mit Benzol azeotrop zu entwässern) mit 88g (28,0 ml, 0,55 mol) Brom und 1,OmI (11 mmol) Phosphortrichlorid unter dem Abzug im Ölbad erwärmt. Bei 8O 0 C Außentemperatur setzt die Reaktion ein; nach 3 h wird die Ölbadtemperatur auf 9O 0 C und nach weiteren 2 h auf 10O 0 C gesteigert. Nach 1 h bei 10O0C ist das Brom verbraucht. Man fügt nochmals 1,5 ml Brom zu und hält die Badtemperatur noch 1 h bei 10O 0 C. Die Gesamtdauer der Bromierung beträgt also 7h. Anschließend wird destilliert; die rohe a-Bromisovaleriansäure geht (nach einem geringen Vorlauf) zwischen 11O 0 C und 116 0 C/12 Torr, die Hauptmenge bei 112 0 C/12 Torr über. Ausbeute 75—80 g (83-88%). Die rakikalische Photohalogenierung ist zwar bei den Carbonsäuren oder ihren Derivaten (Säurechloriden) ohne weiteres möglich, leidet aber unter geringer Selektivität. Da die Essigsäure nur über ein chlorierbares C-Atom verfügt, lassen sich Chlor-, Dichlor- und Trichloressigsäure durch stufenweise Chlorierung herstellen. Verwandelt man die Carbonsäuren zunächst in die Säurechloride, Säurebromide Bromierung der Carbonsäuren 177 oder Anhydride, dann sind Chlorierung und Bromierung auch ohne Belichtung möglich. Der spezifische Ersatz des a-Wasserstoffatoms zeigt, daß diese Halogenierung einem anderen Mechanismus folgen muß, sehr wahrscheinlich dem der elektrophilen Substitution, a-Bromcarbonsäuren sind wegen der größeren Austauschbereitschaft des Broms präparativ wichtiger als die a-Chlorverbindungen. Zweckmäßig nimmt man die Umwandlung in das Säurebromid und die a-Bromierung in einem Topf vor, wobei das für die erstgenannte Reaktion benötigte Phosphortribromid aus Brom mit rotem Phosphor ebenfalls in situ erzeugt werden kann. Aus 2 mol Phosphor und 3 mol Brom entstehen 2 mol Phosphortribromid, die 6 mol Carbonsäure in das Säurebromid verwandeln. Bei diesem Säurebromid wird dann ein a-Wasserstoffatom (möglicherweise wie bei den Carbonyl Verbindungen über eine kleine Gleichgewichtsmenge des entsprechenden „Enols"; S. 409) elektrophil durch den positiven Teil des polarisiert gedachten Brommoleküls substituiert. RCH2-C X + Br Br-Br > RCHC l \r + HBr So erhält man aus l mol Carbonsäure, Va m°l Phosphor und 1,5 mol Brom das a-Bromcarbonsäurebromid, aus dem mit Alkohol die entsprechenden, präparativ wichtigen a-Bromcarbonsäureester (siehe z.B. Reformatzky-Reaktion, S.440) oder durch Hydrolyse die freien Carbonsäuren gewonnen werden können. Noch einfacher ist die hier bei der Herstellung der a-Bromisovaleriansäure angewendete Verfahrensweise, bei der mit wenig Phosphortrichlorid (oder -tribromid) nur ein kleiner Teil der Säure in das Säurehalogenid übergeführt wird. Das a-halogenierte Säurehalogenid überträgt dann wahrscheinlich in einer Gleichgewichtsreaktion das Halogen am Carbonly-C-Atom auf weitere eingesetzte Carbonsäure, die so sukzessive in die Halogencarbonsäure übergeführt wird. r* u CHs f\ \H H /? C—C—C CH3 /~* u + \H C-CH2-CO2H CH3 ßr Cl CH3 \H H C C— C— C Br O + OH CHo ,, C-C H 2— C CH3 O Cl Als bromierbare intermediäre Säurederivate sind auch symmetrische oder gemischte Anhydride denkbar oder das daraus mit dem Bromwasserstoff entstehende Säurebromid. 178 Kapitel I. Aliphatische Substitution Weiterführende Literatur zu Kapitel I R. Stroh, Herstellung von Chlorverbindungen durch Umsetzung mit chlorhaltigen Verbindungen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Band 5/3, S. 760, Thieme, Stuttgart 1962. A. Roedig, Einführung von Brom durch Austausch von Sauerstoff und sauerstoffhaltigen Gruppen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Band 5/4, S. 361, Thieme, Stuttgart 1960. P. Kurtz, Herstellung von Nitrilen durch Kondensation von Halogenverbindungen mit Metallcyaniden, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Band 8, S. 290, Thieme, Stuttgart 1952. D. T. Mowry, The Preparation of Nitriles, Chem. 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Weiterführende Literatur zu Kapitel I 179 N. Kornblum, The Synthesis of Aliphatic and Alicyclic Nitro Compounds, Org. React. 12, 101 (1962). R. Stroh, Austausch von Wasserstoff gegen Chlor, Methoden der organischen Chemie (HoubenWeyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/3, S. 564, 735, Thieme Stuttgart 1962. A. Roedig, Einführung von Brom durch Austausch von Wasserstoff, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/4, S. 153, Thieme, Stuttgart 1960. J. Nelles, Substitutionen an aliphatischen Verbindungen, Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, 4. Aufl., Bd. /, S. 189, Verlag Chemie, Weinheim 1963. C. A. Bunton, Nucleophilic Substitution at a Saturated Carbon Atom, Eisevier 1963. A. Streitwieser jr., Solvolytic Displacement Reactions at Saturated Carbon Atoms, Chem. Rev. 56, 571 (1956). H. Meerwein, Organische lonenreaktionen, Angew. Chem. 6 7, 374 (1955). A. J. Parker, The Use of Dipolar Aprotic Solvents in Organic Chemistry, Adv. Org. 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Eliminierung und Addition Experimente: Ethylen aus Ethanol oder 1,2-Dibromethan Cyclohexen Versuch: Baeyersche Probe und Entfärbung von Brom 5 - Dimethylamino -1 - penten (Hofmann-Abbau) Styroldibromid Anlagerung von Bromwasserstoff an 10-Undecensäure. 10- und 11-Bromundecansäure 3 - Bromcyclohexen 1,3-Cyclohexadien 7,7'-Dichlorbicyclo[4.l.Ojheptan (Dichlornorcaran). Phasentransferverfahren Diels-Alder Reaktionen Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-frawsHiicarbonsäure Diels-Alder Reaktion era/0-2-Norbomen-5,6-dicarbonsäureanhydrid „Cyclopentadienchinon" 3,6-Diphenyl-3,6-dihydrophthalsäure-dimethylester Polymerisation des Styrols a) Thermische und Radikal-initiierte Polymerisation b) Polymerisationsgrad und Initiatorkonzentration c) Depolymerisation des Polystyrols d) Kationische Polymerisation Phenylacetylen Vinylacetat Versuch: Polyvinylacetat Acetophenon aus Phenylacetylen die C, C-Doppelbindung 183 II. Eliminierung und Addition Eliminierungsreaktionen, Bildung der Alkene Eliminierung (Abspaltung) und Addition (Anlagerung) sind die typischen Reaktionen einerseits zur Herstellung, andererseits zur Umwandlung der ungesättigten (weil additionsfähigen) Alkene (Olefine) mit C=C-Bindung (Doppelbindung) und Alkine mit C=C-Bindung (Dreifachbindung). Nach dem cr,7i-Modell stellt jedes Kohlenstoffatom im System /C=C von den vier Bindungselektronen nur drei für kovalente ^-Bindungen zur Verfügung; im System —C=C— sind es nur zwei. Dadurch entstehen für die Olefine je drei Bindungswinkel von 120° und für die Alkine je zwei von 180°. Die /7-Orbitale der verbleibenden 7i-Elektronen stehen senkrecht zu diesen cr-Bindungen. Sie können sich also nur dann maximal überlappen und damit 7i-Bindungen bilden, wenn alle GBindungen der beteiligten beiden C-Atome in einer Ebene liegen. Die durch Verschmelzung der 7ü-Elektronen entstandenen bindenden MOs liegen daher bei den Alkenen oberhalb und unterhalb des (7-Bindungsgerüstes und umgeben bei den Alkinen (mit vier rc-Elektronen) die cr-Bindungsachse zylinderartig. Ethylen Acetylen Diese Beschreibung setzt voraus, daß die Aufenthaltsräume von a- und rc-Elektronenpaaren sich nicht überschneiden, was sicherlich nicht zutrifft. In Wirklichkeit kann man zwischen a- und rc-Bindung nicht unterscheiden. Dem läßt sich durch andere Modelle Rechnung tragen, bei den Modellen handelt es sich jedoch immer nur um Bilder und Näherungen, die die Wirklichkeit nur bedingt beschreiben können. Die Verkürzung des Atomabstandes durch Mehrfachbindungen kann man gut aus solchen Modellen verstehen. Bindungssystem: Atomabstand in pm: C-C 154 C=C 134 C=C 120 7i-Bindungen sind schwächer als cr-Bindungen. Gegenüber etwa 335 kJ/mol (80kcal/mol) für die Einzelbindung beträgt der Doppelbindungsanteil nur etwa 184 Kapitel II. Eliminierung und Addition 250 kJ/mol (60 kcal/mol), insgesamt ist die Doppelbindung aber demzufolge mit etwa 585 kJ/mol) viel stärker als die Einfachbindung. Alkene sind wegen ihrer Additionsfreudigkeit in der organischen Chemie wichtige Ausgangsstoffe für Synthesen. Zu ihrer Gewinnung spaltet man in den meisten Fällen umgekehrt zwei geeignete Substituenten von benachbarten C-Atomen ab (ß-Eliminierung). Die partielle Hydrierung von Alkinen wird seltener für die Darstellung der Alkene benutzt. Wichtig ist jedoch auch die direkte Verknüpfung von C-Atomen in Kondensations- und Wittig-Reaktionen (siehe Kapitel VI-DC). Für die jS-Eliminierung sind vor allem folgende Gruppierungen geeignet: I I —C—C— I I H OH I I —C—C— I l H OTos I l —C—C— I l H + N(CH 3 ) 3 _ p _ \* _ \* p I I H O R-S-C=S — C— C— HaIHaI —C—C— I I + H+ oder Lewis-Säure >• oder I l —C—C— I l H HaI + Base > oder I l —C—C— + Base I l H + S(CH 3 ) 2 > Pyrolyse (-COS, -RSH) + Metall (z. B. Zn) Crackung > H H Bei der Wasserabspaltung aus Alkoholen mit Säuren wird im ersten Schritt ein Proton oder eine Lewis-Säure an den Sauerstoff addiert, der dadurch zu einem besseren Nucleofug wird. Im allgemeinen wird die Eliminierung dann durch Bildung eines Carbeniumions eingeleitet, das im zweiten, rascheren Schritt ein jS-ständiges Proton an das Lösungsmittel abgibt. Diese Eliminierung ist also eine Reaktion erster Ordnung, eine E l-Reaktion. Der angegebene Mechanismus folgt unter anderem daraus, daß die beobachteten Reaktionsgeschwindigkeiten in der Reihe /c(ter/-Alkohol)> k (sec-Alkohol) > /c(pr/m-Alkohol) abnehmen, also entsprechend der Leichtigkeit, mit der sich die Carbeniumionen bilden und daraus, daß Umlagerungen eintreten, wenn diese von den entsprechenden Carbeniumionen zu erwarten wären. Ethylen aus Ethanol — C— C— 185 (rasch) H OH _C_Q_ | | H + OH 2 (langsam)^ H ^ _Q_Q_ | + H (rasch) -H + / \ Ethylen aus Ethanol oder 1,2-Dibromethan C 2 H 5 OH H ;f°4 > (C 2 H 5 OSO 3 H) BrCH 2 CH 2 Br > C 2 H 4 + H2SO4 a) Mit konzentrierter Schwefelsäure: Ein 2-1-Dreihalskolben, der im Abzug im Ölbad montiert ist, trägt in einem Tubus ein Thermometer, das fast bis zum Boden reicht, im zweiten Tubus einen Tropftrichter mit Druckausgleich und ist über den dritten Tubus mit folgenden hintereinander geschalteten Durchströmgefäßen verbunden: eine in EisWasser gekühlte Waschflasche mit konz. Schwefelsäure (zur Entfernung von Alkohol und Ether), eine (zur Entfernung von SO2) mit 4N Natronlauge beschickte dreifach tubulierte Sicherheitswaschflasche, in deren mittlerem Tubus ein 50 cm langes Steigrohr steckt, zwei je 15 ml Brom (47 g) enthaltende, ebenfalls in Eis-Wasser stehende Waschflaschen, in denen das Brom mit je einer 1 cm hohen Wasserschicht überdeckt ist und — zur Absorption nicht gebundenen Broms — eine 0,5-1-Saugflasche mit 100 ml 2N Natronlauge, über deren Oberfläche das Endrohr, durch einen durchlochten Stopfen eingeführt, mündet. Im Kolben wird eine frisch bereitete und am besten noch warme Mischung von 17g (2OmI) Ethanol und 10Og (5OmI) konz. Schwefelsäure unter Zusatz von 40-50 g Quarzsand auf 16O 0 C erhitzt. Im Tropftrichter befindet sich die Mischung von 130 ml (ca. 100 g) Ethanol und 115 ml (ca. 200 g) konz. Schwefelsäure. Sobald eine lebhafte Entwicklung des Ethylens eingetreten ist, läßt man das Gemisch aus dem Tropftrichter zutropfen (bei immer gleicher Temperatur), in dem Tempo, daß sich ohne starkes Aufschäumen ein regelmäßiger Gasstrom entwickelt. Sobald das Brom in den Absorptionsflaschen entfärbt ist, nach etwa 2 h, schüttelt man das rohe 1,2-Dibromethan im Scheidetrichter mit Wasser und Natronlauge aus bis es farblos ist, trocknet es mit CaCI2 und destilliert es. Man erhält 85-10Og vom Sdp. 130 0 C/ 760 Torr. b) Mit Polyphosphorsäure: 100 g der handelsüblichen syrupösen Phosphorsäure werden durch Erhitzen bis auf 22O 0 C in einer Porzellanschale unter dauerndem Rühren mit einem Glasstab weiter entwässert. Man füllt die Polyphosphorsäure kalt in einen kleineren, wie voranstehend, aber besser im Sandbad, montierten Dreihalskolben und läßt bei 210-22O0C den Alkohol Tropfen auf Tropfen einfallen. Hier genügt es, zur Absorption von Alkoholdämpfen eine mit gesättigter wässeriger Calciumchloridlösung beschickte Waschflasche vor die Bromgefäße zu schalten. Der Alkoholbedarf ist bei dieser Ethylenherstellung bedeutend geringer als bei der ersten Methode, wo infolge der Oxidation durch die Schwefelsäure ein Teil des Alkohols verloren geht. Sehr reines Ethylen erhält man durch Eliminierung des Broms aus 1,2-Dibromethan mit Zinkstaub. BrCH 2 CH 2 Br Z " > CH2=CH2 + ZnBr2 186 Kapitel II. Eliminierung und Addition c) Ethylen aus 1,2-Dibromethan: 48g 1,2-Dibromethan (ca. 0,25 mol) werden bei Raumtemperatur unter gutem Rühren in die Suspension von 25g Zinkstaub (etwa 1,5-g-Atome) in einem Gemisch von 100 ml Alkohol und 40 g Eisessig (38 ml) eingetropft. Das entstehende Gas wird in einem Gasometer über Wasser aufgefangen. Es entstehen etwa 5 I. Cyclohexen -H H -H 2 O In einer Destillationsapparatur werden 100 g (1,0 mol, 107 ml) Cyclohexanol und 80g (ca. 0,6 mol) Kaliumhydrogensulfat auf 13O 0 C (Ölbadtemperatur) erhitzt. Dabei destilliert innerhalb 4—5 h Cyclohexen über. Das Destillat wird mit Natriumchlorid versetzt, bis sich nichts mehr löst, dann das Cyclohexen im Scheidetrichter abgetrennt, mit wenig Calciumchlorid getrocknet und über eine kleine Vigreux-Kolonne fraktionierend destilliert. Man erhält 66g (80%) Cyclohexen mit Sdp. 84 0 C. Versuch: Baeyer'sche Probe und Entfärbung von Brom — Einige Tropfen Cyclohexen werden in wenig kaltem Alkohol gelöst. Dazu gibt man einige Tropfen Natriumcarbonatlösung und wenig verdünnte Lösung von Kaliumpermanganat. - In die Lösung von wenig Cyclohexen in Chloroform läßt man im Reagenzglas eine verdünnte Lösung von Brom in Chloroform tropfen, die rasch entfärbt wird. Im Falle der Schwefelsäure, wie sie bei der Herstellung von Ethylen aus Ethanol benutzt wird (siehe S. 185), muß - vielleicht ausschließlich - eine primäre Veresterung angenommen werden. Das Monoalkylsulfat zerfällt bei höherer Temperatur wie das Oxoniumion zum Carbeniumion. In einer Nebenreaktion alkyliert es einen Teil des Alkohols zum Ether (siehe S. 151). RCH 2 CH 2 OH + H2SO4 —> H2O + RCH 2 CH 2 OSO 3 H —* RCH=CH2 + H 2 SO 4 Die in der Technik angewendete Dehydratisierung von Alkoholen bei 30O0C an Kontakten wie Aluminiumoxid kann auch als die Wirkung einer Lewis-Säure verstanden werden. Die jS-Eliminierung von Halogenwasserstoff zur Gewinnung von Olefinen aus geeigneten Alkylhalogeniden und die von Sulfonsäuren aus deren Estern, zum Beispiel den /7-Toluolsulfonaten wird durch Basen ausgelöst. Die Base tritt dabei mit einem Proton an dem zum Halogen oder Sulfat benachbarten Kohlenstoff in Reaktion. Im Übergangszustand wird die negative Ladung über fünf Atome delokalisiert, dann spaltet sich das Halogen- bzw. Sulfat als Anion ab. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist in den meisten Fällen von der Konzentration der Base und der des Substrats abhängig entsprechend einer Reaktion zweiter Ordnung, man nennt diesen Reaktionstyp Eliminierungsmechanismen 187 E2-Eliminierung. Die E2-Reaktionen sind stets von einer Substitution (SN2-Reaktion) der Base am Halogen-tragenden C-Atom begleitet. Da deren Geschwindigkeit von der Nucleophilie (Angriff auf den elektrophilen Kohlenstoff; siehe S. 168), die der Eliminierung aber von der Basizität (Angriff auf das Proton) abhängt, benutzt man zur Olefinsynthese möglichst starke Basen, zum Beispiel OH~ oder RO~; tertButylat eignet sich wegen seiner Sperrigkeit besonders gut zur jS-Eliminierung. Auch das raumfüllende Ethyldiisopropylamin (Hünig-Base) oder Lithiumdialkylamide (siehe S. 434) nutzen die Diskrepanz zwischen Nucleophil und Base. - Da die Eliminierung gegenüber der Substitution thermodynamisch und kinetisch benachteiligt ist - sie führt zu einem energiereicheren Produkt - tritt sie bei höherer Temperatur stärker in Erscheinung. Deshalb arbeitet man hier vorteilhaft in der Hitze. HO---- H HH Cl HO--- H H HH . Cl HO + Cl 2 H' Der postulierte Übergangszustand A kann sich leichter ausbilden, wenn die beteiligten Atome (B, H, C, C, X) möglichst spannungsfrei in einer Ebene liegen. Das bedeutet, daß der zur Abgangsgruppe trans-koplanar stehende Wasserstoff herausgelöst wird. Ein eryfAro-Diastereomer (Verbindung mit zwei benachbarten chiralen Zentren, an denen in der Fischer-Projektion gleiche oder einander ähnliche Substituenten auf derselben Seite der Projektionsformel stehen) wird daher bei der E 2Reaktion ganz bevorzugt ein ds-Olefin geben, umgekehrt ein f/zreo-Diastereomer ein trans-Oleftn. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß die Begriffe „erythro" und „threo", sowie „eis" und „trans" nur unter gewissen konstitutiven Voraussetzungen eindeutig sind, man verlasse sich daher nur auf die graphische Darstellung von Stereoformeln, für welche im folgenden auch die Projektion nach Newman wiedergegeben ist: erythro- Verbindung CH3 HH- CH3 Fischer-Projektion Übergangskonformation und c/s-Olefin in der Newman-Darstellung *H CH ^H* H V f* LJ P^^ /\ ^ B~ \ _f^ Y A ^H CH 3 Q>H 5"//,, „»»»»»^ UMo f*t I LHo . 188 Kapitel II. Eliminierung und Addition threo- Verbindung CH3 -H H-X CH3 -HX Fischer-Projektion Übergangskonformation und in der Newman- Darstellung - Olefin H ru ;c-cr CH 3 -V. \ 3'"«„r_ ^^^L — V ^CH3 C6H5^ trans CH ,„..'H C6H5 Für die ebenfalls durch Basen bewirkte Eliminierung von terf-Aminen (meistens Trimethylamin beim Erhitzen der quart. Ammoniumhydroxide, vgl. jedoch das Beispiel S. 189), Hofmann-Reaktion genannt, und die analoge Abspaltung von Dialkylsulfid aus ter/-Sulfoniumhydroxiden gilt der gleiche Mechanismus. Die Produkte können sich jedoch je nach der Natur der eliminierten Gruppen, durch die Lage der erzeugten Doppelbindung unterscheiden. Während sich bei der Abspaltung der relativ kleinen Halogenidionen vorzugsweise das thermodynamisch stabilere Olefin mit den meisten Alkylgruppen an den beiden Seiten der Doppelbindung bildet (Regel von Saytzew), findet man bei thermischer Zersetzung der Onium-hydroxide oder -alkoxide bevorzugt das thermodynamisch weniger stabile Olefin mit der Hreichsten Substitution (Regel von Hofmann). Saytzew: H H H I I I H3C-C-C-C-H I I I H Br H H3C-CH=CH-CH3 81% + H3C-CH2-CH=CH2 19% Hofmann: H H H I I I H3C-C-C-C-H I I H I H + S(CH 3 ) 2 (CH3 ^ C 2 H 5 O- 26% 74% H = bevorzugt abspaltbares Proton Da Alkylgruppen durch den -h !-Effekt (siehe S. 172) ein Olefin mehr stabilisieren als H-Atome, ist beim 2-Brombutan der das 2-Alken (Saytzew-Produkt) bildende Übergangszustand thermodynamisch begünstigt. In den OniumVerbindungen unterscheiden sich die H-Atome an den benachbarten C-Atomen ein wenig in ihrer Hofmann-Abbau und Tschugaew-Reaktion 189 Acidität: Der Methylwasserstoff der 2-SulfoniumVerbindung (oder 2-Ammoniumverbindung) ist leichter eliminierbar als der Methylenwasserstoff. 5-Dimethylamino-1-penten (Hofmann-Abbau) CH3^H3 CH3Vn3 CH3CH3 a) Bereitung des Ag 2 O: Man wärmt die Lösung von 7 g Silbernitrat (0,041 mol) in 70 ml destilliertem Wasser im Wasserbad auf ca. 85 0 C vor und gibt portionsweise die auf die gleiche Temperatur gebrachte Lösung von 1,6g Natriumhydroxid in 70 ml destilliertem Wasser hinzu. Anschließend dekantiert man vom ausgeschiedenen Silberoxid und wäscht dieses mit 5 Portionen destilliertem Wasser durch Umschwenken und nachfolgendes Dekantieren. Für den Hofmann-Abbau braucht das Produkt nicht getrocknet zu werden, jedoch sollte es erst unmittelbar vor Benutzung hergestellt werden. b) 5-Dimethylamino-1 -penten: Man gibt die Lösung von 5,0 g (0,021 mol) Dimetbylpiperidiniumiodid in 56 ml Wasser und 7 ml Methanol zu dem obenbeschriebenen Silberoxid und rührt 1 h. Dann filtriert man, dampft das Filtrat am Rotationsverdampfer ein und trocknet das ölige Dimethylpiperidiniumhydroxid einige Zeit im Ölpumpenvakuum. Zum Abbau wird der Rückstand auf 150 bis 22O 0 C erwärmt und das Produkt dabei in einem Kugelrohr aufgefangen. Es wird mit festem Kaliumhydroxid versetzt, nach einigem Stehen wird die wässerige Phase mit einer feinen Pipette abgezogen. Die organische Phase wird abermals mit Kaliumhydroxid getrocknet und bei 15O 0 C Badtemperatur in ein Kugelrohr destilliert, Ausbeute 1,87 g (79% der Theorie). Die Pyrolyse von Estern (in der Tabelle auf S. 184 am Beispiel der Zersetzung von Xanthogenaten nach Tschugaew aufgeführt) ist eine Reaktion, bei der Lösung und Bildung von Bindungen synchron ablaufen. Da hierbei zwei c/s-ständige Gruppen eliminiert werden, erhält man aus //zm?-Diastereomeren eis- und aus erythro-Diastereomeren trans-Oleftne mit der oben bezüglich der Definitionen gegebenen Einschränkung. H / aC%, ^^^ H 3C\ /C 6 H 5 C H ^ T Nl 6 5 ,C^-^C — SR H3CV O H threo -- Il ^C^ H 3 C^ ^H eis + RSH -h COS Die viel verwendete Dehalogenierung vicinaler Dihalogenverbindungen mit Metallen (meist Zink) in Säuren (meist Eisessig) (Präp. S. 186) ist, als heterogene Reaktion, in ihrem Mechanismus nicht exakt zu beschreiben. Sie verläuft vielleicht über ein (nicht nachgewiesenes) Anion. 190 Kapitel II. Eliminierung und Addition __ . -Haf * _ /C "" C\ Unter besonders milden Bedingungen erreicht man die Eliminierung zweier benachbarter Bromatome oder eines Brom- und eines Acylrestes mit lodid. F +Br Vx /s .C-*- C \ / C = C -h -^ IBr + X~ X = Brom oder Acyl Der Ausbau von Alkenen aus Aldehyden oder Ketonen gelingt durch Addition von Carbanionen, deren C-Atom geeignete Heteroatom-Reste (X) trägt. Diese müssen infolge ausgeprägter Affinität zum Sauerstoff die durch die Aufrichtung des Carbonyls entstandene Carbinolatgruppe eliminierend mit sich nehmen. O II X Ie O - X VA \ / _C + :C— -> — C— C— -> C=C + X-O- X= P(R) 3 , O=PR2, O=P(OR) 2 Si(AIk) 3 , B(AIk)2, O=S-N(AIK)2 Die bekannteste Olefinierungsreaktion dürfte die nach G. Wittig sein (siehe S. 455), bei der ein Phosphoniumylid eingesetzt wird. Phosphanoxid- oder Phosphonsäureester-Gruppen (nach L. Horner), Trialkylsilylreste (D. J. Peterson), Dialkylborylreste (Cainelli) und Sulfinamidreste (Corey-Durst) leisten ähnliche Dienste. Additionsreaktionen Allgemeines Bei der Addition an die C=C-Bindung lagern sich im allgemeinen zunächst elektrophile Partner an. Dem Primär schritt, der zu einem Carbeniumion führt, folgt sofort die Kombination mit einem nucleophilen Teilchen, meistens dem anionischen Teil des Reagenses. Im folgenden Schema sind nur einige typische Additionen schematisch zusammengestellt: Stereo- und Regioselektivität der Addition C=C -iCl2 oder Br2 191 + H—HaI + H 2 O (in Gegenwart von H + ) H + HOCI (als Cl + und OH ~) > OH I I —C—C— Cl OH + R—H (als R + und H-) > I I —C—C— R H Da die Addition von Brom an Fumarsäure oder Maleinsäure einheitlich mesoDibrombernsteinsäure bzw. rac-Dibrombernsteinsäure liefert, müssen sich Br+ und Br~ schrittweise von verschiedenen Seiten her an die Doppelbindung angelagert haben. Diese Addition hat man für die meisten elektrophilen Additionen anzunehmen. Als Zwischenprodukt bei der Addition von Brom postuliert man das Bromoniumion, in welchem die ursprünglich im Olefin vorhandene Anordnung der Substituenten erhalten geblieben ist. Bei einem freien Carbeniumion würde nach Drehung um die C—C-Achse die nachfolgende trans-Addition von Br" auch die diastereomere Dibrombernsteinsäure geben. Analoge Ionen können auch als Zwischenstufen bei anderen Additionen in Frage kommen. HO2C H HO 2 C. > H > Br V CO2H ; H = i 2H ßr-C-H 'CX H + Br + r •• \ H* CO2H 2 /C X Br + | +,Br" ^P-*—-"" " • \ H CO2H 2 2 CX \ P / \ 1 HO2-C H Br 1 I Br-C—H °2H meso- Di brombernsteinsäure C Fumarsäure Die Addition des Elektrophils an eine Doppelbindung ist der langsame, geschwindigkeitsbestimmende Reaktionsschritt. Wenn ein Olefin unsymmetrisch substituiert ist, wie z. B. Propen, so bestimmt die Stabilität des im ersten Schritt gebildeten Carbeniumions die Richtung (Regioselektivität) der Addition. Im Beispiel des Propens ist das sekundäre Carbeniumion (oben) durch den +!-Effekt zweier Alkylsubstituenten stärker stabilisiert als das ebenfalls denkbare primäre Carbeniumion (unten), das nur durch den induktiven Effekt einer Alkylgruppe stabilisiert wäre. So erklärt 192 Kapitel II. Eliminierung und Addition sich die als Regel von Markownikow bekannte Tatsache, daß bei der Addition von H3C-CH-CH3 H3C-CH=CH2 H 3C*—C H o—C H 2 + J-Q +Brr - > H^C-CH-CH3 Säuren und anderen Elektrophilen deren Anion an das wasserstoffarmere Kohlenstoffatom einer Doppelbindung angelagert wird. Wasser addiert sich zu Isopropylalkohol, unterchlorige Säure überwiegend zu l-Chlor-2-propanol an Propen. Styroldibromid (1 ,2 -Dibromethylbenzol) C6H5-CH=CH2 -5l2-> C 6 H 5 CHBrCH 2 Br Unter dem Abzug (Vorsicht; das Produkt reizt die Haut!) wird die Lösung von 24 ml (0,2OmI) Styrol in 10OmI Tetrachlorkohlenstoff auf O 0 C gekühlt und unter Rühren tropfenweise mit 10,2 ml (0,20 mol) Brom versetzt, wobei das Styroldibromid allmählich ausfällt. Der Tetrachlorkohlenstoff wird abdestilliert und der Rückstand auf dem Tonteller getrocknet. Ausbeute 50,6g (95%) Styroldibromid. Das Produkt schmilzt nach Umkristallisieren aus 90proz. Ethanol bei 72-730C. Anlagerung von Brom Wasserstoff an 10-Undecensäure H2C=CH-(CH2)O-CO2H —* CH3CHBr-(CH2)8—CO2H + HBrIC^ ~~-—> BrCH2-CH2-(CH2J8-CO2H a) Entwicklung von HBr: In einem Destillierkolben mit aufgesetztem Tropftrichter werden 50 g trockenes Tetralin vorgelegt. An das absteigende Rohr wird eine leere Waschflasche angeschlossen, und an diese das Reaktionsgefäß. Man erhitzt das Tetralin zum schwachen Sieden und tropft Brom hinzu, bis die Bromwasserstoffentwicklung richtig in Gang kommt. Sie läßt sich dann sehr gut durch die Zutropfgeschwindigkeit regulieren und kann durch Abstellen der Heizung jederzeit völlig unterbrochen werden. Mit der vorgelegten Menge Tetralin können 60g Brom zur Reaktion gebracht werden, wovon über 80% zu HBr umgesetzt werden. b) 10-Bromundecansäure: 15 g 10-Undecensäure (frisch destilliert, um Peroxide auszuschließen) werden mit 7,5ml Eisessig vermischt. Unter Eiskühlung leitet man HBrGas ein, bis keine Aufnahme mehr erfolgt. Die Mischung bleibt über Nacht im Eisbad stehen. Danach schüttelt man mit etwa der doppelten Menge Eisstückchen durch und saugt kalt ab. Nach Trocknung im Vakuum über konz. Schwefelsäure wird die rohe 10Bromundecansäure in 30 ml Petrolether (Sdp. 30-6O0C) gelöst, die Lösung filtriert und (zum Beispiel mit Trockeneis Methylenchlorid) auf -4O 0 C abgekühlt, wobei die Säure auskristallisiert. Dann wird über eine vorgekühlte Nutsche abgesaugt und mit wenig Additionsreaktionen 193 tiefgekühltem Petrolether nachgewaschen. Man trocknet im Vakuum über Paraffinschnitzeln. Die Ausbeute beträgt 14g, (65%) 10-Bromundecansäure mit Schmp. 35 bis 36 0 C (oberhalb dieser Temperatur wird HBr abgespalten). c) 11-Bromundecansäure: In einem Vierhalskolben mit Rührer und zwei Gaseinleitungsrohren, von denen das eine bis zum Boden und das andere nur eben in den Kolben hineinreicht, sowie einem Gasableitungsrohr werden 25 g rohe Undecensäure in 1-75 ml Petrolether (Sdp. 60-8O0C) gelöst. Unter kräftigem Rühren leitet man mit Hilfe eines Gebläses einen schwachen Luftstrom in die Lösung und gleichzeitig HBr in kräftigem Strom über die Lösung. Nach etwa 45 min setzt Kristallisation ein; nach insgesamt 2 h ist die Reaktion beendet. Es wird auf -2O 0 C abgekühlt und abgesaugt. Die Rohausbeute beträgt 24g. Zur Reinigung wird aus 15OmI Petrolether (Sdp. 30— 6O 0 C) unter Zusatz von Aktivkohle umkristallisiert, wobei ebenfalls auf -2O 0 C abgekühlt werden muß. Man erhält 19g (53%) 11-Bromundecansäure als farblose, glänzende Blättchen mit Schmp. 49-5O0C. Die Anlagerung von HBr an 10-Undecensäure führt zu 10-Bromundecansäure. In Gegenwart von Radikalerzeugern wie zum Beispiel Sauerstoff bildet sich jedoch auch 11-Bromundecansäure. Bei dieser Radikalreaktion nach Kharasch wird primär ein aus HBr erzeugtes Bromatom an 10-Undecensäure angelagert und zwar bevorzugt so, daß das stabilere und sterisch leichter zugängliche sekundäre Radikal entsteht. Dieses erzeugt mit HBr unter eigener Absättigung ein neues Bromatom, das die Radikalkettenreaktion fortsetzt (vergleiche S. 175). Startradikal + HBr HOOC-(CH2J8- CH=CH2 + Br' —> —> Br' HOOC- (CH 2 ) 8 — CH-CH2Br HOOC-(CH2J8-CH2-CH2Br + Br HOOC- (CH 2 ) 8 — CH-CH2Br + HBr —> usw. Die Oxidation der Alkene mit Kaliumpermanganat, die unter Entfärbung zu GIykolen führt (Baeyersche Probe zum Nachweis von Olefinen) ist auf S. 186 erwähnt, die mit Ozon auf S. 500. Dabei handelt es sich, wie auch bei der Glykolbildung durch Osmiumtetraoxid im ersten Schritt um eine c/s-Addition unter Bildung cyclischer Additionsprodukte. / O \ O X = MnO2- -, O oder OsO2 Zum Dreiring führt die Addion des aus Chloroform mit Alkali erzeugten Dichlorcarbens, siehe S. 200. Auch die Anlagerung von Boran, die Hydroborierung, verläuft regiospezifisch zu primären Alkylboranen und stereospezifisch als cis-Addition (H. C. Brown). Ausgehend von einfachen Olefinen führt sie in 3 Schritten zur Trialkylboranen, aus denen 194 Kapitel II. Eliminierung und Addition durch Oxidation mit H 2 O 2 Alkohole entstehen (siehe S. 541). Propen liefert so in scheinbarem Gegensatz zur Marko wnikow-Regel n-Propanol. H2C=CH-CH, B(CH2-CH2-CH3J3 3 > H5B-CH9-CH2-CH ° > B(OH) 3 + 3HO-CH2-CH2-CH3 +H2 2 Die Entdeckung, daß sich Aluminiumhydrid an a-Olefine addiert, hat zur Entwicklung der Niederdruckpolymerisation von Ethylen und Propylen durch K. Ziegler geführt. Starke Säuren wie etwa H[AlCl4] aus AlCl3 + HCl machen Olefine zu Alkylierungsmitteln für Aromaten. Ihr Proton addiert sich, und es entstehen elektrophile Carbeniumionen (siehe S. 267). Die hohe Bildungstendenz des terf-Butylkations ermöglicht die Gewinnung des wertvollen Treibstoffs 2,2,4 -Trimethylpen tan aus gleichen Teilen Isobuten und Isobutan. Das aus Isobuten und Säure entstandene tertButyliumion vereinigt sich mit Isobuten zum 1,1,3,3-Tetramethylbutyliumion. Dieses entzieht dem Isobutan ein Hydridion, und das zurückbleibende tert-Butyliumion setzt die Kettenreaktion weiter fort. - An die der Friedel-Crafts-Reaktion ähnliche Addition von Alkylhalogeniden an Alkene, die auf S. 267 erwähnt ist, sei hier erinnert. C»H3 2H 2 C=C + H+ I L»H3 —> OH3 LrH3 —> LfH3 L»H3 H3C-C+ + H2C=C I I LfH3 OH3 H3C-C-CH2-C + I l OH3 OH3 CH3 I + H3C-CH —> CH3 CH3 CH3 I l I H3C-C-CH2-CH-CH3 + H3C-C+ Technisch wichtig ist auch die Hydroformylierung der Olefine, bei der mit Kohlenmonoxid und Wasserstoff (über Kobalttetracarbonylwasserstoff) Aldehyde entstehen. Weitere Hydrierung liefert Alkohole. O \=C/ / \ + CO + 2H C (CO) ° * , H-C-C-cf I I \H Alkene und Alkine können, besonders mit Übergangsmetallen, Komplexe bilden. Beispiele hierfür sind: K[Pt(CH2=CH2)Cl3], Ni(CH2 =CH2)3 und Ni[(C6H5)3P]2 [CH3C=CCH3]. Auf Ag+- imprägnierten Dünnschichten lassen sich Olefine von Paraffinen chromatographisch trennen, meist auch verschiedene Olefine untereinander . Durch nucleophilen Angriff eingeleitete Additionen sind nur bei Systemen möglich, deren C=C-Bindung stark an Elektronen verarmt ist, wie zum Beispiel a, ß- konjugierte Doppelbindungen 195 ungesättigte Carbonylverbindungen (siehe hierzu Michael-Addition, S. 423 und nucleophile Polymerisation, S. 211). \ C=C-C=O l l ~ \+ C-C=C-O l I - Die angeregte Carbonylverbindung kann sich ebenfalls an die C=C-Bindung anlagern i'Benzophenon und 2-Methyl-l-propen geben bei Belichtung 3,3-Dimethyl2,2-diphenyloxiran(Paterno-Büchi-Reaktion). H3C C=CH H3 C 3 + (H3C)2C-CH2 H3C-C-CH2 - > (H5Ce)2C-O I -* H 5C6-C-O ' ' C=O u^ I H5C6 Die Photodimerisation der kristallinen Zimtsäure wird auf S. 207 erwähnt. Auf S. 385 wird die präparativ-photochemische Umsetzung von Aceton und Isopropylalkohol zu Pinakol beschrieben. Das Verhalten von Verbindungen mit mehreren C=C-Bindungen ist entscheidend von der Lage dieser Doppelbindungen zueinander abhängig: Bei Verbindungen mit isolierten Doppelbindungen - also solchen, zwischen denen mindestens zwei Einzelbindungen stehen — reagiert jede unabhängig von den anderen wie die eines Monoolefins. Verbindungen mit kumulierten Doppelbindungen — also solchen, die unmittelbar aneinanderstoßen - (Kumulene, Allene) haben die Tendenz zu polymerisieren oder zu Alkinen zu isomerisieren; sie sind von theoretischem und beschränkt praktischem Interesse. Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen - also solchen, die durch eine einzige Einfachbindung voneinander getrennt sind - unterscheiden sich sowohl chemisch als auch physikalisch in vieler Hinsicht von den Monoolefinen; konjugierte Doppelbindungen müssen als ein geschlossenes System betrachtet werden (die Aromaten sind dafür ein extremes Beispiel, S. 222ff.). Beim 1,3-Butadien, der einfachsten Verbindung mit konjugierten Doppelbindungen, sind im Grundzustand die beiden unteren MOs durch je zwei Elektronen mit antiparallelem Spin besetzt. Die C—C-Bindung zwischen C-2 und C-3 hat wegen partieller Überlappung der konjugierten 7i-Elektronen selbst Doppelbindungscharakter. Die Delokalisierung der Tt-Elektronen macht deutlich, daß bei Additionsreaktionen außer der normalen 1,2Addition eine 1,4-Addition möglich ist, die zur Hauptreaktion werden kann. Tatsäch- 196 Kapitel II. Eliminierung und Addition lieh entstehen aus l mol 1,3-Butadien mit l mol Brom neben l,2-Dibrom-3-buten bei - 150C zu 50% und bei 6O0C zu 90% l,4-Dibrom-2-buten. Die Additionsfreudigkeit von Elektrophilen an konjugierte Systeme ist im allgemeinen größer als die an isolierte Doppelbindungen, weil das dabei primär gebildete Carbeniumion durch die Allylmesomerie (siehe unten) stabilisiert ist. E— C— CH- CH- C I \ Cyclooligomerisierung von 1,3-Butadien 1,3-Butadien kann zu cis,cis-(oder lZ,5Z)-l,5-Cyclooctadien cyclodimerisiert werden. Während die rein thermische Durchführung dieser Reaktion bei 27O0C (Ziegler 1954) unbefriedigend verläuft, erhält man unter der katalytischen Einwirkung bestimmter Ni(0)-Komplexe das cyclische Dien bei 8O0C in sehr guter Ausbeute (Wilke 1963). Andere Ni(0)-Komplexe oder Ziegler-Katalysatoren lenken die Reaktion in die Richtung einer Cylotrimerisierung, die mit guten Ausbeuten cisjrans.trans(oder lZ,5E,9Z)-l,5,9-Cyclododecatrien ergibt. Bemerkenswert an diesen Reaktionen ist, daß sie nicht der üblichen Erschwernis bei der Darstellung mittelgroßer Ringe unterliegen. Die Darstellung des 1,5,9-Cyclododecatriens wird in industriellem Maßstab betrieben. Allylbromierung Kohlenstoffatome in Allylstellung eines Olefins (also in Nachbarstellung zur C=CBindung) zeichnen sich durch erhöhte Reaktivität aus. Unter Radikal-liefernden Bedingungen (hohe Temperatur, Licht) läßt sich allylständiger Wasserstoff, zum Beispiel durch Halogen, substituieren. 2-Propenylchlorid (Allylchlorid) entsteht aus Propen mit Chlor bei 50O0C Zur Reaktion mit Sauerstoff siehe auf S. 471. Allylbromierung 3- Bromcyclohexen 197 O Il O Il H22L Il /NH "1^ H22LIl /NBr O . O a) /V-Bromsuccinimid: In die kalte Lösung von 20g (0,50 mol) festem Natriumhydroxid in 10OmI Wasser werden 50g (0,51 mol) Succinimid eingetragen. Nach völliger Auflösung werden 10Og fein gemahlenes Eis zugegeben und unter möglichst kräftigem Rühren auf einmal 27 ml (0,53 rnmol, 85g) Brom eingegossen; das A/-Bromsuccinimid fällt sofort als dicker Brei aus. Es wird noch 10 min gerührt, das Produkt scharf abgesaugt und dadurch von ungebundenem Brom befreit, daß man es 1 - bis 2mal mit möglichst wenig Wasser in einer Reibschale anteigt und scharf absaugt. Nach Trocknen im Exsikkator erst über NaOH, dann über P 2 O 5 erhält man 67-72 g (75-80%) /V-Bromsuccinimid, das bei 170-1720C unter Zersetzung schmilzt. O Il Br l — f^\ . L U + O Il H2C^C\ 1 NH O C \ NBr b) 3-Bromcyclohexen: In einer Rückflußapparatur wird die Mischung aus 75 ml Tetrachlorkohlenstoff, 18,3g (0,1 mol aktives Brom) /V-Bromsuccinimid und 51,5ml (0,50 mol, 41 g) Cyclohexen zum Sieden erhitzt. Nach etwa 20 min ist die Reaktion beendet, was daran zu erkennen ist, daß anstelle des am Boden liegenden /V-Bromsuccinimids Succinimid auf der Oberfläche der Lösung schwimmt. Nach Abkühlen wird über eine Nutsche abgesaugt. Über eine Kolonne wird zunächst bei Normaldruck das Lösungsmittel abdestilliert, dann im Vakuum der Wasserstrahlpumpe fraktionierend destilliert. Im Siedebereich 70-72 0 C; 20 Torr gehen 13g (79%) 3-Bromcyclohexen über. 1,3- Cyclohexadien Br Chinolin_ -HBr ^ In einer Destillationsapparatur mit möglichst kurzem Weg zwischen Kolben und Kühler werden 32g (0,2 mol) 3-Bromcyclohexen (vorher 2mal destilliert) mit 60 ml Chinolin versetzt. Der Ansatz wird langsam mit freier Flamme erwärmt, wobei nach kurzer Zeit Reaktion eintritt und bei weiterem Erwärmen zwischen 80 und 10O 0 C Siedetemperatur Cyclohexadien überdestilliert (Vorsicht; scharf stechender Geruch!). Die so erhaltenen 14,7g Rohsubstanz werden einmal mit 2N Schwefelsäure gewaschen, zum Trocknen durch ein Faltenfilter gegossen und dann von einigen dünnen Scheibchen Natrium 198 Kapitel II. Eliminierung und Addition destilliert. Zwischen 80 und 82°C/760 Torr gehen 11,8g (75%) 1,3-Cyclohexadien über. Mit N-Bromsuccinimid läßt sich Brom unter milden Bedingungen gezielt in die Allylstellung einführen (Ziegler). Diese in Tetrachlormethan durchgeführte Reaktion verläuft radikalisch, denn sie wird durch Zusatz von Radikalgeneratoren wie Dibenzoylperoxid oder 2,2'-Azobis(isobutyronitril) (siehe S. 176) sowie durch Belichtung beschleunigt. Ein Bromatom zieht aus der Allylstellung ein Wasserstoffatom an sich. Dabei entstehen ein Allylradikal und ein Molekül Bromwasserstoff. Letzteres bildet mit einem Molekül N-Bromsuccinimid ein Molekül Brom, das mit dem Allylradikal Allylbromid und ein neues Bromatom bildet, welches die Kettenreaktion fortsetzt. N-Bromsuccinimid ist in Tetrachlormethan wenig löslich, seine Funktion bei dieser Reaktion besteht offenbar darin, ständig eine kleine Konzentration von molekularem Brom bereitzustellen. Formelmäßig kann der Kern des Prozesses folgendermaßen dargestellt werden: Br- + -CH2-CH=C -CH-CH=C + Br2 -> HBr + [-CH-CH=C — CH- CH=CX Br <-> -CH=CH-C^] —> + Br* O H 2 C /C \ I NBr -iHBr O —> H2C/C\ \ NH + Br2 Steht eine Methylengruppe wie im Beispiel der Ölsäure zwischen zwei Doppelbindungen, so ist sie der radikalischen Substitution besonders leicht zugänglich (siehe S.474). Cycloadditionen Die 7r-Elektronen der Doppelbindung und Dreifachbindung können mit zwei nElektronen geeigneter Partner zwei tr-Bindungen ausbilden, so daß drei-, vier-, fünfoder sechsgliedrige Ringe entstehen. Man nennt diese Reaktionen Cycloadditionen. \ / -r' 4—L T \ •/ «C \ ^ *- ~ C/V — —C / \ Typen der Cycloadditionen I I 199 \ / C-C + / \ / \ / C=C \ -c—c- -C-C| | I I + X-Y-Z \ } -C-C/ \ Methylen, das einfachste Garben liefert mit Olefinen Derivate des Cyclopropans. Photolytisch aus Diazomethan oder Keten nach oder erzeugtes „heißes" Methylen addiert sich in der Gasphase, wenn nachträglich Isomerisierung des Primäraddukts unterdrückt und etwas Sauerstoff (Radikalfanger) anwesend ist, weitgehend stereospezifisch, das heißt c/s-2-Buten gibt ds-Dimethylcyclopropan. In flüssiger Phase entsteht in Gegenwart von zahlreichen Inertmolekülen (Fluorkohlenwasserstoff), durch deren Stoß der energiereiche Singulett- in den Triplettzustand übergeht, ein Gemisch von eis- und fraws-Dimethylcyclopropan. H CH3 CH3 CH3 H-C-H H3C CH3 H H Y/ || CH 3 CH 3 CH3 CH3 CH3 Dichlorcarben, von dem schon auf S. 193 die Rede war, reagiert mit Cyclohexen zu 7,7'-Dichlornorcaran, mit Phenolat zu Salicylaldehyd (S. 273), mit primären Aminen zu Isonitrilen. 200 Kapitel II. Eliminierung und Addition 7,7-Dichlorbicyclo[4.1.0]heptan (Dichlornorcaran). Phasentransfer -Verfahren Q) C(Ci)2 —- L P ' c Cl Cl Zu einer Lösung von 10,2g (0,12SmOl) Cyclohexen in 100 ml Chloroform, die 250mg Benzyl(triethyl)ammoniumchlorid enthält, tropft man bei O 0 C unter Rühren die Lösung von 50g NaOH in 50g Wasser und rührt noch weitere 30 min im Eisbad, dann über Nacht bei Raumtemperatur. (Falls Benzyl(triethyl)ammoniumchlorid nicht verfügbar ist, stellt man sich eine kleine Menge durch Sstündiges Erhitzen von Benzylchlorid in überschüssigem Triethylamin unter Rückfluß her. Nach Abdampfen wird der Rückstand mit Ether sorgfältig durchgerührt und abgesaugt.) Die Emulsion wird in 1 I Wasser gegossen, das Chloroform im Vakuum abdestilliert, die wässerige Lösung 2mal mit Chloroform ausgeschüttelt und die Chloroformlösung über MgSO4 getrocknet. Nach Abdestillieren des Lösungsmittels wird der Rückstand im Vakuum destilliert. (Da der Ansatz stark schäumt, muß man dabei sehr vorsichtig erhitzen.) Bei 77—79 0 C gehen 15—16g (75 bis 80%) 7,7'-Dichlorbicyclo[4.1.0]heptan über. In diesem Präparat wird das „Phasentransfer-Verfahren" angewandt. Lipophile quartäre Ammoniumionen, hier C6H5CH2N(C2H5)J, bilden mit zahlreichen Anionen in organischen Lösungsmitteln lösliche lonenpaare. Das Dichlorcarben entsteht wahrscheinlich in der Chloroformphase, die das Olefin enthält, aus dem quartären Ammoniumtrichlormethancarbeniat; das dabei entstehende quartäre Chlorid kehrt in die Wasserphase zurück und bringt von dort neues CCl3" ins Chloroform usw. Man vermeidet so die sonst notwendige Herstellung der sehr starken Base Kalium-terf-butanolat und das Arbeiten in wasserfreiem Medium. Da die in der organischen Phase gelösten lonenpaare nicht solvatisiert sind, zeigen ihre Anionen in vielen Fällen stark erhöhte Reaktionsbereitschaft. Als Beispiel sei die nucleophile Substitution des Chlors im 1-Chloroctan durch Natriumcyanid angeführt, die beim Kochen der wässerigen Emulsion so gut wie keinen Umsatz zeigt, nach Zugabe von Decan als organische Phase und 1,3 molprozent Tributylhexadecylphosphoniumbromid aber schon nach 2stündigem Kochen vollständig beendet ist. Die präparativ wichtigste Cycloaddition ist die von Diels und Alder erforschte Diensynthese, Addition von 1,3-Dienen an Olefine oder Alkine, dann Dienophile genannt, die zu ungesättigten Sechsringen führt ([4 + 2]-Cycloaddition). Dabei reagiert das konjugierte Dien in räö/rf-Konformation unter cw-Addition mit dem Dien. Einige Beispiele: Butadien und Fumarsäure-diethylester geben /ran,s-Cyclohexen-4,5-dicarbonsäure-diethylester, 1,3-Cyclohexadien und Fumarsäure-diethylester /raAw-Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-dicarbonsäure-diethylester (siehe unten). Cyclopentadien liefert mit Maleinsäureanhydrid e«dö-2-Norbornen-5,6-dicarbonsäureanhydrid (e«Jo-Bicyclo[2.2.1]hept-2-en-5,6-dicarbonsäureanhydrid) und mit /?-Benzochinon das „Cyclopentadienchinon". Ausführung der Diels-Alder-Synthese 201 Cyclopentadien dimerisiert, als Dien und Dienophil zu Bicyclopentadien (endo3a,4,7,7a-Tetrahydro-4,7-methanoinden) (siehe S. 203). Diels-Adler Reaktionen Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-trans-dicarbonsäure \\" ^CO2C2H5 CO2C2H5 a) 4,0g (50 mmol) 1,3-Cyclohexadien und 8,6g (50 mmol) Fumarsäure-diethylester werden im Einschmelzrohr (Angaben auf S. 27 beachten!) etwa 1 5 h auf 10O 0 C erwärmt. Nach dem völligen Abkühlen wird das Reaktionsgemisch mit etwas Ether in ein Kölbchen gespült und nach Abdestillieren des Ethers im Siedebereich 155-158 0 C Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-fraA?s-dicarbonsäure-diethylester überdestilliert. Ausbeute 11,7g (93%). CO2C2H5 CO2C2H5 NaOH /[ /O2H CO2C2H5 CO2H b) 1,5g (5 mmol) Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-fra/7s-dicarbonsäure-diethylester werden in 15 ml 95proz. Ethanol gelöst, mit 6,5 ml 2N Natronlauge versetzt und 1 h unter Rückfluß gekocht. Nach Abdestillieren des Ethanols wird die wässerig-alkalische Lösung mit 2N Salzsäure angesäuert und ungeachtet des bereits ausgefallenen Produkts 3 mal mit Essigester extrahiert. Der Extrakt wird mit Natriumsulfat getrocknet und das Lösungsmittel abdestilliert. Man erhält so 1,1 g (94%) Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-f/-ans-dicarbonsäure. Nach 2maligem Umkristallisieren aus je 20 ml Wasser schmilzt das Produkt bei 203—204 0 C. endo-2-Norbornen-5,6-dicarbonsäureanhydrid (3,6-Methylen-1,2,3,6-tetrahydrophthalsäureanhydrid oder eA?c/o-Bicyclo[2.2.1 ]hept-2-en-5,6-dicarbonsäureanhydrid[IUPAC]). Cyclopentadien bereitet man sich durch thermische Spaltung des technischen Dicyclopentadiens. Dazu destilliert man etwa 30g des Dimeren über eine kleine Füll- 202 Kapitel II. Eliminierung und Addition körperkolonne, wobei man das Ölbad auf 170—18O 0 C heizt. Das Monomere mit Sdp. 40—41 0 C wird in einer eisgekühlten Vorlage über einigen Körnchen Calciumchlorid aufgefangen. (Cyclopentadien dimerisiert bei mehrtätigem Stehen wieder vollständig.) 9,8g (lOOmmol) gepulvertes reines Maleinsäureanhydrid (Schmp. 52—53 0 C) wird in 50 ml Benzol suspendiert. Unter Rühren und Außenkühlung mit Eis/Wasser trägt man innerhalb 10 min 7,0g (106 mmol 8,7 ml) Cyclopentadien ein. Das Maleinanhydrid geht in Lösung; meist beginnt schon während der Umsetzung die Abscheidung des Addukts in farblosen Nadeln. Nach anschließendem SOminütigem Rühren ohne Kühlung ist die Reaktion beendet. Man verdünnt mit 50 ml Ligroin (Sdp. 100-14O0C), läßt bis zur vollständigen Kristallisation im Kühlschrank stehen, saugt ab und wäscht mit Ligroin. Man erhält 13,5-15 g (82-92%) farbloses Addukt, das bei Verwendung reiner Reagenzien sofort bei 162—163 0 C schmilzt. Wird dieser Schmp. nicht erreicht, löst man in wenig heißem Benzol, setzt vorsichtig Ligroin zu und läßt erkalten. 5,8-Dioxo-1 A4a,5,8,8a-hexahydro-1,4-methano-naphthalin („Cyclopentadienchinon"). O 2,8 g (26 mmol) p-Benzochinon werden in 8 ml Benzol suspendiert und mit 3,8 g (58 mmol) Cyclopentadien (siehe Präparat oben) versetzt. Unter Selbsterwärmung (bis etwa 6O 0 C) entsteht eine Lösung. Nach 1 h ist das farblose Produkt auskristallisiert. Man kocht kurz auf dem Dampfbad auf, versetzt mit 8ml Petrolether (Sdp. 40-6O0C) und läßt abkühlen. Nach Absaugen auf der Nutsche und Waschen des Rückstandes mit wenig Petrolether erhält man 5,6-5,8 g (87-90%) Addukt mit Schmp. 155-1570C. O 3,6-Diphenyl-3,6-dihydrophthalsäure-dimethylester C6H5 C6H5 CO 2 CH 3 C6H5 + 1 C6H5 CO 2 CH 3 C X<^C02CH3 C6H5 In einem Ölbad von 15O 0 C werden 1,55g (7,5 mmol) Diphenylbutadien (siehe S. 456) und 1,16g (8,2 mmol, 1,OmI) Acetylendicarbonsäuredimethylester 5 h erwärmt. Das Produkt kristallisiert beim Anreiben mit Methanol. Aus heißem Methanol erhält man 2,1 g (78%) gelbliche Prismen vom Schmp. 99 0 C. Cyclische Dienophile bilden vorzugsweise endo- Produkte. (Die Vorsilben endo und exo kennzeichnen die geometrische Lage von Substituenten bei bicyclischen Systemen vom Typ des Bornans: Stellt man sich das Bornan in einer Kugel eingeschlossen Reaktivität der Diene 203 vor, ist der Substituent endo-ständig, wenn er sich innerhalb dieser Kugel befindet und exo-ständig, wenn er aus ihr herausragt.) ,U 2 U 2 M 5 X. 150° CO 2 C 2 H 5 CO 2 C 2 H 5 CO 2 C 2 H 5 OCH, OCH, H O Zur Reaktivität läßt sich sehr allgemein feststellen: Ein Dien ist gegenüber einem elektronenarmen Dienophil (und das sind die meisten, siehe unten) umso reaktionsfähiger, je elektronenreicher es ist. 2,3-Dimethylbutadien reagiert mit dem als Dienophil besonders beliebten Maleinsäureanhydrid 5 mal rascher als Butadien. Mit dem unsymmetrischen 2-Methyl-5-methoxy-l,4-chinon reagiert Butadien nur an der elektronenärmeren Doppelbindung. Elektronenanziehende Substituenten erhöhen die Reaktionsfähigkeit der Dienophile. Ethylentetracarbonitril gehört zu den reaktionsfähigsten, Ethylen zu den am wenigsten reaktiven Olefinen. Chinone, Malein- und Fumarsäureester, Maleinsäureanhydrid liegen (in ansteigender Reihe) dazwischen. Olefine reagieren rascher als Alkine. N-Arylsubstituierte Imide der Azodicarbonsäure sind die reaktionsfähigsten Dienophile. Typisch für alle Cycloadditionsprodukte, besonders die der Diensynthese ist, daß sie bei höherer Temperatur in die Ausgangskomponenten zerfallen. So wird Cyclopentadien aus dem stabilen Dimeren, in das es bei Raumtemperatur von 204 Kapitel II. Eliminierung und Addition selbst übergeht, durch Erhitzen (Destillation) erzeugt. Acrolein dimerisiert zum 2,3Dihydropyran-2-carbaldehyd. O n N-Ar Ar = Arylrest ii O HC' I HC, CH2 II CH-CHO Mit der Diels-Alder-Reaktion verwandt ist die indirekte substituierende Addition „enophiler", auch heteroatomarer Doppelbindungen an Olefine mit allylständigem Wasserstoff. Diese „Enreaktion" liefert zum Beispiel aus Methylencyclopentan und Maleinsäureanhydrid (Cyclopentenylmethyl)bernsteinsäureanhydrid. c 006 O Die Diels-Alder-Reaktion ist bestimmt durch die konzertierte Umwandlung der beiden rc-Bindungen des Diens (4rc-Elektronen) und der 7i-Bindung des Dienophils (27r-Elektronen) in zwei ^-Bindungen und eine rc-Bindung des Cycloadditionsproduktes - suprafaciale [4 + 2]-Cycloaddition. Die Umwandlung der Edukt-Orbitale in die Produkt-Orbitale läßt sich durch ein Korrelationsdiagramm darstellen, dessen Abszisse den Reaktionsablauf und dessen Ordinate die Energie wiedergibt. Bei symmetrischer Annäherung der beiden Reaktanden wird jedes der beiden Moleküle durch die Symmetrieebene m halbiert - das Symmetrieelement m bleibt während des gan- zen Reaktionsablaufes erhalten. In bezug auf m sind nun die Edukt- und die ProduktOrbitale symmetrisch oder antisymmetrisch. Es werden nur Edukt- und Produkt- Korrelationsdiagramm für die Diels-Alder-Reaktion 205 Orbitale gleicher Symmetrie miteinander korreliert. Dabei ist zu beachten, daß sich Korrelationslinien gleicher Symmetrie nicht kreuzen können (Kreuzungsverbot). O A (o*-o?) X X X X X antibindende MOs < /-- bindende \ S MOs < -V \ 5+ \ \ it \ \ \ \ \ \ \ \ -A-Jf-(O1-O2) \ \ Wie das Korrelationsdiagramm zeigt, werden nur bindende MOs der Edukte mit bindenden MOs des Produktes korreliert; die Reaktion ist nach den WoodwardHoffmann-Regeln thermisch symmetrieerlaubt. 206 Kapitel II. Eliminierung und Addition Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man in erster Näherung nur die Wechselwirkung zwischen den Grenzorbitalen (frontier orbitals) der Reaktanden betrachtet: Die Diensynthese ist danach eine Überlappung des höchsten besetzten MOs (highest occupied MO, HOMO) des Diens mit dem niedrigsten unbesetzten MO (lowest unoccupied MO, LUMO) des Dienophils oder umgekehrt. Damit es zur bindenden Wechselwirkung (Überlappung) kommen kann, müssen die Grenzorbitale gleiches Vorzeichen besitzen. Dien HOMO Dienophil LUMO Eine thermische Cycloaddition zweier Monoolefine zu Cyclobutanen (suprafaciale [2 + 2]-Cycloaddition) ist dagegen nicht symmetrieerlaubt. Symmetrieelemente dieser Reaktion sind die beiden Spiegelebenen In1 und m 2 . m, AA —(of-o$) Wie das Diagramm zeigt, muß das mit zwei Elektronen besetzte bindende (Ti1 — Tt2)Edukt-Orbital mit dem antibindenden (a\ + <rf)-Produkt-Orbital korreliert werden; [2 + 2]- und [2 + 3]-Cycloadditionen 207 das ist jedoch eine thermisch symmetrieverbotene Reaktion. Erfolgt sie dennoch (thermisch), dann nur schrittweise über ein biradikalisches oder zwitterionisches Zwischenprodukt. So macht die bei 20O0C schrittweise verlaufende Dimerisation des Dichlordifluorethylens über das Tetrachlortetrafluorcyclobutan die Synthese des Cyclobutanrings möglich. Tetrafluorethylen reagiert bei 2250C sogar mit dem wenig additionsfreudigen Acetylen zu Tetrafluorcyclobuten. Dagegen ist die suprafaciale [2+ 2]-Cycloaddition photochemisch erzielbar. In diesem Fall sind die Edukt-Orbitale (Ti1 — Ti2) und (TC* + rcf) jeweils mit einem Elektron besetzt, so daß beim Übergang in die Produktorbitale eine energetische Kompensation möglich ist. Ein Beispiel für die photochemische Reaktion ist die Dimerisation der kristallographischen a- und ^-Modifikationen von (trans)-ZimtsäurG zu a-Truxillsäure bzw. jS-Truxillsäure. Einige weitere Beispiele folgen auf S. 208 und 477. a-Truxillsäure (Kopf-Schwanz-Dimeres) ß-Truxillsäure (Kopf- Kopf -Dimeres) Wichtig für die Synthese von stickstoffhaltigen Fünfringsystemen ist die „1,3-dipolare Cycloaddition" von Diazoalkanen oder Aziden an Doppel- oder auch Dreifachbindungen, die zu 1-Pyrazolinen bzw. Triazolinen führt (siehe Kapitel Heterocyclen). Dabei reagieren die DiazoVerbindungen und Azide als 1,3-Dipol mit einem Dipolarphil (R. Huisgen), dessen Reaktivität hier angenähert der der Dienophile gleicht. Der Mechanismus dieser [3 + 2]-Cycloaddition ähnelt dem der Diensynthese, auch reagiert das Dipolarophil stereospezifisch. Beispiele für solche mesomere 1,3Dipole sind: © _©./ N=N-C N=N-N-R 4-> «-> © _ _©_/ N=N-C N=N-N-R Diazoalkane Azide © /7\ _e_ e e_ R-C=N-O.! S~\ «-» R—C=N-O| /T\ Nitriloxide £\ CP=O-OI C=N-Ul <-+ ^ IG.—OH5l C—N—O| °zon Nitron Daneben gibt es instabile Vertreter, die nur in situ erzeugt und umgesetzt werden können: 208 Kapitel II. Eliminierung und Addition © _e_ R-C=N-JSL\ I _e C=N-N- <-* <-> ® e R—C=N-JVJ\e | e_ C—N—N— Nitrilimin Azomethinimin / e — / Zur Photochemie der Alkene Die thermische ds-fra/w-Isomerisierung von Olefinen ist durch besonders hohe Aktivierungsenergien ausgezeichnet und findet nicht leicht statt. Durch Licht bestimmter Wellenlänge läßt sich aber ein 7c-Elektron der Doppelbindung ins nächst höhere Orbital anheben (TI —> TU*), wobei es sehr kurzfristig den entgegengerichteten Spin beibehält (angeregter Singulettzustand) und - nach Spinumkehr - den angeregten Triplettzustand herstellt. Hierbei tritt eine vorübergehende Entkopplung der 7i-Bindung ein, so daß m-Olefine durch Bestrahlung in die energieärmeren transIsomeren und umgekehrt umgelagert werden könne. Da isolierte C=C-Bindungen nur Wellen absorbieren, die kürzer als 200 nm sind, also in einem Gebiet liegen, in dem wegen der UV-Absorption durch Glas und Lösungsmittel schlecht zu arbeiten ist, benutzt man leichter und längerwellig anregbare Chromophore, die ihren Triplettzustand auf andere Moleküle übertragen können. Als derartige Sensibilisatoren sind Carbonylverbindungen geeignet, bei denen die Einstrahlung bei etwa 300 nm ein nichtbindendes 2p-Elektron des Sauerstoffs auf ein 7U*-MO anhebt (n —> TT*). Der angeregte Sensibilisator aktiviert seinerseits das Olefin in den Triplettzustand, das heißt zum spinentkoppelten System. Bei der Photoreaktion der Olefine geht ein derart angeregtes Molekül mit einem ni^htangeregten die thermisch symmetrieverbotene [2 + 2]-Cycloaddition zum Vierringsystem ein, so daß beispielsweise aus Butadien in Gegenwart das Sensibilisators Acetophenon frans-l,2-Divmylcyclobutan (neben wenig m-Isomerem) entsteht. CH = CH2 H2C=CH' H 2 C=CH XH=CH2 / __ H 2 C-C H2C-C/H \ CH=CH7 2 CH = CH2 Polymerisation der Alkene Polymerisation des Styrols a) Thermische und Radikal-initiierte Polymerisation und deren Inhibierung: Das für die Versuche benötigte käufliche Styrol wird durch Destillation im Vakuum der Wasserstrahlpumpe weitgehend vom Stabilisator befreit und bis zur Verwendung im Kühlschrank aufbewahrt; Sdp. 36 0 C; 12 Torr. In sauberen Reagenzgläsern werden folgende Proben durch Schütteln in Lösung gebracht. Polymerisation des Styrols 1.1OmI Styrol 2. 10 ml Styrol + 100 mg Dibenzoylperoxid 3. 10 ml Styrol + 10 mg Hydrochinon 209 Die mit Korkstopfen locker verschlossenen Reagenzgläser werden 24 h in einen, auf 8O 0 C einregulierten, Trockenschrank gestellt. Nach dem Erkalten, bei dem das Reagenzglas manchmal zerspringt (Vorsicht!), läßt sich das unterschiedliche Ausmaß der Polymerisation an der Konsistenz erkennen. Probe 1 hat die Viskosität von zähem Honig, Probe 2 ist glasig erstarrt, Probe 3 ist flüssig geblieben. - Zur Isolierung des Polystyrols löst man jeweils 5,0 g der 3 Proben — das Reagenzglas mit der Probe 2 zerschlägt man zweckmäßig (Schutzbrille!) — in je 25ml Benzol bei Raumtemperatur, was bei Probe 2 einige Stunden erfordert. Die benzolische Lösung läßt man innerhalb 30 min in 75 ml kräftig gerührtes Methanol eintropfen, wobei sich das in Methanol unlösliche Polymer ausscheidet. Nach weiterem 2stündigem Rühren läßt man noch 2 h stehen, filtriert und wäscht gut mit Methanol. Bei dieser Behandlung liefert Probe 1 etwa 1 g noch zum Verklumpen neigendes Produkt und Probe 2 4,0—4,8 g pulveriges, farbloses Polymerisat. Probe 3 löst keine Trübung in Methanol aus; schon 0,1 % Hydrochinon vermögen also die thermische Polymerisation völlig zu unterbinden. b) Polymerisationsgrad und Initiatorkonzentration: Wie oben setzt man folgende Versuche in Reagenzgläsern an: 4. 5. 6. 7. 1OmI 10 ml 10 ml 10 ml Styrol Styrol + 10 mg Dibenzoylperoxid Styrol + 20 mg Dibenzoylperoxid Styrol + 100 mg Dibenzoylperoxid Nach 6-tägigem Erhitzen im Trockenschrank auf 8O 0 C sind alle Proben zum spröden Harz erstarrt. Nach Zerschlagen der Gläser (Schutzbrille!) werden die klaren Polymerisate in der Reibschale zerdrückt. Je 5 g werden in verschlossenem Erlenmeyerkolben in 15ml kaltem Benzol unter gelegentlichem Umschwenken gelöst. (Man notiere die teilweise mehrere Tage betragenden Lösungszeiten.) Bei gleicher Einwaage bietet die Viskosität ein Maß für den Polymerisationsgrad. Die benzolischen Lösungen zeigen in der Folge von Probe 4 bis Probe 7 eine auffallende Viskositätsabnahme. Daß die Polymerisation bei den Proben 4—7 nach 6 Tagen bei 8O 0 C so gut wie vollständig abgelaufen ist, läßt sich leicht zeigen: Je 1 g der Produkte wird in 20 ml Benzol gelöst und wie bei Versuch a) in kaltes Methanol eingerührt. Man vergleiche die Ausbeuten an Polystyrol. c) Depolymerisation des Polystyrols: Etwa 1-2 g Polystyrol werden in ein starkwandiges Reagenzglas eingebracht; mit Knierohr, Gummistopfen und Saugrohr baut man sich eine Crack-Apparatur auf. Im Vakuum der Wasserstrahlpumpe erhitzt man das Polystyrol mit fächelnder Flamme, wobei sich das Polymerisat aufbläht und das monomere Styrol abdestilliert. Im gelben Destillat, dessen Geruch durch Brenzprodukte beeinträchtigt wird, läßt sich das Styrol durch die Entfärbung von Brom in Chloroform nachweisen. d) Kationische Polymerisation des Styrols: Je 3 ml Styrol, in 2 Reagenzgläsern, die in kaltes Wasser eingestellt sind, versetzt man vorsichtig mit einigen Tropfen konz. Schwefelsäure oder Borfluoridetherat. An der Viskositätserhöhung läßt sich im Laufe einiger Minuten die Polymerisation verfolgen. Der exotherme Charakter wird besonders deutlich, wenn man die Polymerisation ohne Außenkühlung „durchgehen" läßt. Man führe 210 Kapitel II. Eliminierung und Addition diesen Versuch nur im 1-ml-Maßstab durch (Schutzbrille und Abzug benutzen; unter Umständen wird ein Teil der Probe aus dem Reagenzglas herausgeschleudert!). Auch Perchlorsäure, Aluminiumchlorid, Zinn(IV)-chlorid oder Eisen(lll)-chlorid sind wirksame elektrophile Katalysatoren der Vinylpolymerisation. Zu einer Reihe wichtiger Kunststoffe führt die Polymerisation von Olefinen, bei der durch entsprechende Initiatoren erzeugte Ionen oder Radikale sich an das Olefin anlagern und die so entstandenen neuen Ionen oder Radikale in vielfacher Wiederholung unter Auflösung der Doppelbindung zu Makromolekülen weiter reagieren. Benannt werden diese Kunststoffe, indem man „Poly" vor den Namen des Monomeren setzt (obwohl die Doppelbindung der monomeren Olefine bei der Polymerisation verlorengeht). Die elektrophile (kationische) Polymerisation ist anhand der beschriebenen Dimerisation des Isobutens (2-Methyl-l-propens, S. 194) verständlich, wenn man sich vorstellt, daß das primär durch Protonenkatalyse entstandene 1,1,3,3-Tetramethylbutyliumion mit 2-Methyl-l-propen weiter reagiert. Mit wenig Isopren mischpolymerisiert, bildet Isobuten einen wertvollen kautschukartigen Kunststoff Ethylen läßt sich durch Protonenkatalyse nicht polymerisieren. Polyethylen, das anfangs nur unter großem Energieaufwand (2000 bar, 25O0C) radikalisch (O2-Katalyse) hergestellt werden konnte, läßt sich mit Hilfe des von K. Ziegler entwickelten Koordinationskatalysators aus Titan(IV)-chlorid und AIuminiumalkyl - der wahrscheinlich eine ionische Reaktion auslöst - ohne Druck- und Temperaturerhöhung gewinnen. Im Gegensatz zum Hochdruckpolyethylen besteht Niederdruckpolyethylen weitgehend aus unverzweigten Makromolekülen (und hat deshalb einen höheren Schmelzbereich der Kristallite sowie eine größere Dichte). Bei etwas erhöhtem Druck bis 100 bar wird die Mitteldruckpolymerisation nach dem Phillips-Verfahren an Schwermetallkatalysatoren auf Trägermaterialien durchgeführt. Propylen gibt mit Ziegler-Katalysator ein „isotaktisches" Produkt (Natta), also ein solches, bei dem die Verzweigungsstellen in den Makromolekülen weitgehend gleiche Konfiguration haben. Isotaktische Polymere schmelzen höher und sind mechanisch stabiler als ataktische. Der Einfluß der Stereochemie auf die Eigenschaften der Polymeren ist besonders beim Polybutadien augenfällig: Das durch Radikalpolymerisation aus Butadien erhaltene Produkt, das (wie Guttapercha in der Isoprenreihe, siehe S. 214) hauptsächlich t rans- (oder E-)Doppelbindungen enthält, gibt durch Vulkanisieren (Einbau von Schwefelbrücken durch Erhitzen mit Schwefel) ein wenig elastisches Vernetzungsprodukt, während das mit einem Koordinationskatalysator erhaltene einen elastischen „Gummi" liefert. Typen der Polymerisation 211 Die anionische Polymerisation, das Gegenstück zur geschilderten kationischen, verlangt entsprechend dem nucleophilen Charakter der C=C-Bindung stark elektronenspendende Hilfsmittel, wie zum Beispiel Alkalimetalle. Mit Natrium wird das ohnehin reaktionsfähigere konjugierte 1,3-Dien zum Radikalanion, das — vielleicht nach Absättigung der Radikalstelle durch ein weiteres Natriumatom oder nach Dimerisierung — die Additionskaskade in Gang setzt. H2C=CH-CH=CH2 + Na > H2C-CH-CH-CH2* NaT Mit Natrium ist Butadien erstmalig technisch zum künstlichen Kautschuk „Buna" polymerisiert worden. Da hierbei 1,2- und 1,4-Addition, sowie Addition an die isolierten Doppelbindungen des entstehenden Polymeren unkontrolliert nebeneinander herlaufen, hatte das Produkt nach Vulkanisierung nicht die idealen elastischen Eigenschaften des natürlichen Polyisoprens. - Mit Alkali-organischen Verbindungen (beispielsweise Butyllithium oder Natriumnaphthalinid) läßt sich die anionische Polymerisation der Olefine leicht starten. Zur radikalischen Polymerisation erzeugt man im unverdünnten, gelösten, suspendierten oder emulgierten Monomeren, beispielsweise durch Erhitzen von Dibenzoylperoxid oder Azobis(isobuttersäurenitril) Startradikale. Diese lagern sich an die (elektronenreichere Stelle der) Doppelbindungen an und erzeugen dadurch neue Radikale. Bei unsymmetrischen Olefinen wird vorwiegend, aber nicht ausschließlich das Radikal gebildet, das die größere Stabilität hat, also aus Propen Isopropyl, aus Styrol a-Benzyl. C.H.CO—O—O—COC«H 2C 6 H 5 - + 2CO 2 CH, N=C-C-N =N—C-C=E N I I CH3 CH3 Fortlaufend weitere Addition erzeugt lange Kettenmoleküle, deren Wachstum etwa durch Kombination zweier Radikale oder durch Radikalübertragung (siehe unten) oder durch Zugabe von Radikalfangern (Reglern) oder durch Aufbrauchen des Monomerenvorrats beendet wird. Das Fortschreiten der Polymerisation läßt sich anhand der zunehmenden Viskosität der Lösung verfolgen. Durch absichtliches Stoppen sowie durch die Bemessung des Initiators läßt sich die durchschnittliche Kettenlänge der Makromoleküle einstellen. Je mehr Initiator vorhanden ist, desto mehr Ketten kommen gleichzeitig zum Wachsen, auf die sich die Monomerenmenge verteilt. Bei einem Verhältnis von einem mol Initiator auf 1000 mol Monomer beträgt der Polymerisationsgrad nach der Theorie 1000. 212 Kapitel II. Eliminierung und Addition Tatsächlich sind die durch Polymerisation oder Polykondensation erhaltenen makromolekularen Substanzen keineswegs - wie einige natürliche Makromoleküle (Proteine, Nuleinsäuren) - von einheitlicher Molekülgröße, sondern bilden Populationen von Molekülen verschiedener Größe, polydisperse Systeme, die durch ihre Durchschnittsmolekülmassen charakterisiert sind. Benutzt man hierzu eine Methode, die die eingebrachten Moleküle zählt, wie Osmometrie oder Endgruppenbestimmung, erhält man einen Mittelwert der Molekülzahl, das „Zahlenmittel" Mn. Methoden, durch die die individuellen Molekülgrößen proportional gemessen werden wie Lichtstreuung, Viskosimetrie oder Gelchromatographie liefern dagegen das „Gewichtsmittel" Mw. Mn und Mw klaffen desto weiter auseinander je polydisperser das System ist; ist es völlig einheitlich, stimmen beide überein. Uneinheitlichkeit der Polymeren kommt, außer durch die erwähnten Molekularmassenunterschiede und die nicht ausschließlich ablaufende „Kopf-Schwanz"-Addition auch dadurch zustande, daß eine Radikalkette mit einer zweiten unter Radikalübertragung reagiert und so an dieser eine neue Radikalstelle erzeugt. Diese kann zum Startpunkt einer neuen Kette werden, so daß Verzweigungen entstehen. Absichtlich kann man solche Stellen zum Aufpropfen von Ketten anderer Zusammensetzung benutzen. H I R-CH 2 -C-CH 2 - • • • • R-CH 2 -CH-CH 2 -CH + — R-CH 2 -CH-CH 2 -CH 2 + R-CH 2 -C-CH 2 - •••• Trifft die Seitenkette auf eine analoge Radikalstelle einer zweiten Kette, so kommt es zur Vernetzung. H2C = C-CH 3 I O=C-O-CH 2 O=C-O-CH2 I H7C = C-CHo C • • C Um definiert vernetzte Polymere zu erhalten, versetzt man die Monomeren mit speziellen Vernetzungsreagenzien wie 0-Divinylbenzol oder Ethylen- bis (2-methylacrylsäureester), die zwei polymerisationsfähige C=C-Bindungen enthalten. (Vernetzung ohne Vernetzungsreagenzien ist durch y-Strahlung möglich, die Radikalstellen erzeugt). Vernetzte Polymere sind nicht mehr thermoplastisch und in keinem Solvens löslich, also auch nicht als Lösungen formbar oder spinnbar; sie quellen nur, je nach Vernetzungsgrad, mehr oder weniger stark. Die folgende Tabelle enthält einige der wichtigsten vinylpolymeren Kunststoffe. Terpene Monomer Polymer (Handelsname) Eigenschaften und Verwendungszweck 213 Polyethylen. Durchscheinend, wachsartig; Plastiktüten, unzerbrechliche Schalen, Flaschen, Eimer (Baylon, Hostalen, Lupolen). Polystyrol. Glasklar hart oder feingeschäumter Isolierstoff (Styropor); vernetzt, Basis für Ionenaustauscher (siehe S. 84). Polyvinylchlorid (PVC). Harte Folien; mit Weichmachern weiche Folien und Schläuche. H2C=C-CO2C2H5 CH3 Polymethacrylat. Glasklar hart; Kunstglas (Plexiglas). Polyvinylacetat. Klebstoffe, Lacke, Folien. Polyacrylnitril. Textil-Fasern (Orion, Dralon). Polyacrylamid. Vernetzt mit Methylenbis(acrylamid). Träger für Gelelektrophorese (siehe S. 103). Polytetrafluorethylen (Teflon). Chemisch und thermisch sehr resistent; widerstandsfähige Maschinenteile, Antihaftüberzüge von Kochtöpfen und Bratpfannen. Einige der Monomeren weisen erhebliche Toxizität auf. =CHH2C=CH-CN H2C=CH-CONH2 x Terpene Der aus verschiedenen Wolfsmilchgewächsen, vor allem dem Kautschukbaum (Hevea brasiliensis), gewonnene natürliche Kautschuk depolymerisiert bei der trockenen Destillation zu 2-Methyl-l,4-butadien (Isopren). Umgekehrt läßt sich Isopren - das auch aus den C5-Schnitten der Naphthaspaltung oder synthetisch durch Crackung von 2-Methyl-l-penten, dem Dimerisierungsprodukt des Propens, oder aus Kaliumacetylid und Aceton gewonnen werden kann - mit Hilfe von Katalysatoren zu Kautschuk polymerisieren. In der Natur wird der Kautschuk wie alle Terpene enzymatisch aus Essigsäure über Mevalonsäure aufgebaut. Aus dieser bildet sich der Pyrophosphorsäureester des 3-Methyl-3-butenols (Isopentenylpyrophosphat), der sich teilweise zu 3-Methyl-2-butenyl-pyrophosphat (Dimethylallylpyrophosphat) isomerisiert. Isopentenyl-pyrophosphat verdrängt dann mit der Doppelbindung als Nucleophil das Pyrophosphat aus dem Dimethylallylpyrophosphat (F.Lynen). Durch stereospezifisch gezielte Markierung einzelner Wasserstoffatome mit Deuterium oder Tritium ließ sich zeigen, daß alle Reaktionen durch enzymatische Kontrolle unter Einhaltung strenger sterischer Kriterien ablaufen. In den meisten Zellen werden dabei trans-(oder £"-)konfigurierte Doppelbindungen ausgebildet, wie bei der Reaktion zu Geranylpyrophosphat (Monoterpen) und seiner Umsetzung mit einem weiterem Molekül Isopentenylpyrophosphat zu Farnesylpyrophosphat (Sesquiterpen). Die Enzyme von Hevea brasiliensis steuern die Aneinanderreihung von etwa 5000 Iso- 214 Kapitel II. Eliminierung und Addition preneinheiten durch Anknüpfen von Isopentenylpyrophosphat jedoch so, daß alle Doppelbindungen des Kautschuks cw-(oder Z-) konfiguriert sind. Das ebenfalls natürlich vorkommende a\l-trans-(odGr E-)Polymer Guttapercha ist im Gegensatz zu Kautschuk nicht elastisch. OH 'OH Mevalonsäure H+ OPP OPP Dimethylallyl pyrophosphat 11 Isopentenylpyrophosphat COPP C OPP Geranylpyrophosphat "OPP "OPP Farnesylpyrophosphat Kautschuk Außer dem Kautschuk leiten sich zahlreiche andere Naturstoffe vom Isopren ab; sie werden als Oligomerisierungs- und Cyclisierungsprodukte unter dem Namen Terpene zusammengefaßt, von denen hier nur einige wichtige aufgeführt werden sollen: Geraniol ist Ausgangsstoff für die cyclischen Naturstoffe Limonen, Menthol, a-Pinen und Campher. Der Farnesylrest liegt dem Azulengerüst zugrunde; sein Dimerisierungsprodukt Squalen leitet über Lanosterol in die Klasse der Steroide über. Dehydrierung von Squalen führt zu den Carotinoiden, deren Hauptvertreter ß-Carotin in der Mohre vorkommt; Vitamin A1 ist der Alkohol des halben Moleküls. Geramiol Menthol a - Pinen Campher ß-Carotin (Vitamin A 1 Azulengerüst Herstellung und Reaktionen der Alkine 215 Alkine Phenylacetylen C 6 H 5 CHBrCH 2 Br _*° > C 6 H 5 C=CH In einer Rückflußapparatur werden 24 g (0,43 mol) Kaliumhydroxid in 24 ml heißem Methanol gelöst. Die Lösung wird gut gerührt, unter Rückfluß gekocht und mit kleinen Portionen von insgesamt 24g (0,09 mol) Styroldibromid (siehe S. 192) versetzt. Man läßt noch etwa 30 min sieden, dann abkühlen und versetzt mit 100 ml Wasser. Die organische Schicht wird abgetrennt, die wässerige einmal mit etwa 150 ml Ether ausgeschüttelt. Die vereinigten organischen Lösungen werden über Magnesiumsulfat getrocknet. Der Ether wird über eine Vigreux- Kolonne abdestilliert und der Rückstand im Vakuum destilliert. Die bei 63— 66 0C/ 40 Torr übergehende Fraktion besteht aus 5,5g (59%) Phenylacetylen. Vinylacetat HC=CH + CH 3 CO 2 H —HgS°4 > H2C=CH-O-CO-CH3 In einem Dreihalskolben mit Gaseinleitungsrohr, Rührer und nachgeschalteter Kühlfalle werden 10OmI Eisessig und 4 g feinst pulverisiertes HgSO4 vorgelegt. Der Reaktionskolben taucht in ein Wasserbad von 7O 0 C ein, die Kühlfalle befindet sich in einem mit Trockeneis/Methanol gefüllten Dewar-Gefäß (ca. -7O 0 C). Unter heftigem Rühren leitet man trockenes Acetylen in kräftigem Strom durch das Reaktionsgefäß (zwischen C 2 H 2 -Stahlflasche und Apparatur wird eine Waschflasche mit SOproz. KOH, ein Trokkenturm mit CaCI2 sowie ein Hg -Überdruckventil geschaltet.) Das gebildete Vinylacetat wird vom Acetylen mitgerissen und in der Kühlfalle kondensiert. Das überschüssige Acetylen leitet man in den Abzug. Bei zu schwachem C 2 H 2 - Strom bleibt das Vinylacetat zu lange im Reaktionsraum und bildet dort unter weiterer Anlagerung von Essigsäure Ethylidendiacetat. Nach etwa 3 h befinden sich in der Vorlage 25—30 ml Vinylacetat, das durch fraktionierende Destillation gereinigt wird. Nach geringem Vorlauf geht das Vinylacetat bei 74-760C über. Versuch: Herstellung von Polyvinylacetat - In einer kleinen Rückflußapparatur werden 10 ml (nötigenfalls durch Ausschütteln mit Wasser und anschließende Destillation vom Stabilisierungsmittel befreites) Vinylacetat, 100 mg Dibenzoylperoxid und 2-3 Tropfen Wasser unter Rückfluß gekocht. Nach etwa 1 h ist der Kolbeninhalt zu einer zähen Masse erstarrt. Acetophenon aus Phenylacetylen C 6 H 5 C=CH + H2O ^4 > C 6 H 5 COCH 3 20,4 g (0,2 mol) Phenylacetylen werden langsam unter Umschütteln zu einer warmen 216 Kapitel II. Eliminierung und Addition Lösung von 5g (17mmol) Quecksilber(ll)-sulfat in der Mischung aus 10OmI Wasser und 10 ml konz. Schwefelsäure gegeben. (Der dabei ausfallende gelbliche Niederschlag wird allmählich flüssig.) Man fügt 30 ml Methanol zu und rührt 3 h bei 6O 0 C. Nach Abkühlenlassen wird mit 100 ml Wasser versetzt, 3 mal mit je 100 ml Ether ausgeschüttelt und die Etherlösung mit Na2SO4 getrocknet. Der Ether wird abdestilliert und der Rückstand (19,8g) destilliert. Die bei 82-850C/ 10 Torr übergehende Fraktion besteht aus 16,7g (69%) Acetophenon. In logischer Fortsetzung der Alkensynthese aus Halogenalkanen führt die zweifache Eliminierung von Halogenwasserstoff aus vicinalen Dihalogeniden (welche zum Beispiel durch Addition von Halogen an Olefine gewonnen werden können) oder aus geminalen Dihalogeniden (welche zum Beispiel aus Ketonen mit Phosphorhalogeniden gewonnen werden können) zu Alkinen. H H I I —C—C— Cl Cl Cl H —C—C— — I I c/ X Cl H I I In beiden Fällen bildet sich zunächst ein Monohalogenolefin. Die /?-Eliminierung des viel reaktionsträgeren vinylgebundenen Halogens erfordert starke Basen (zum Beispiel Alkoxide) und höhere Temperaturen. Aus cw-(oder Z-)Halogenolefinen erfolgt die fratts-Eliminierung um ein vielfaches rascher als die ds-Eliminierung, bei der Synthese des Phenylacetylens aus den stereoisomeren jS-Bromstyrolen beispielsweise 200000mal so schnell. (Die Differenz der freien Aktivierungsenergien von cis(Z)- und trans(E)-Styrylbromid beträgt 31 kJ/mol (7,4 kcal/mol). C6H5 V_~/ Br Av = 2 105 C6H5, > C6H5-C= ,H X H H eis (oder Z) H Br trans (oder E) Entsprechend einer Alkensynthese können Alkine auch durch doppelte Halogenabspaltung von a,a',/?,/?'-Tetrahalogenalkanen (die allerdings schwieriger zu gewinnen sind) mit Metallen erhalten werden. +2Zn > Alkin + 2ZnCI2 Eigenschaften der Alkine 217 Acetylen selbst, das wichtigste Alkin, ist leicht aus Calciumcarbid und Wasser oder in steigendem Maße durch Hochtemperaturpyrolyse (> 140O0C) von Kohlenwasserstoffen zugänglich. Das polymere Calciumcarbid (CaC=C)n wird durch Verschmelzen von Koks und gebranntem Kalk im Lichtbogen (140O0C) erzeugt. Alle Alkine sind exotherme Verbindungen, die sich bei hinreichender Temperaturerhöhung (Aktivierungsenergie) an der C=C-Bindung spalten (HC=CH —> 2 C + H 2 + 226 kJ (= 54 kcal). Acetylen und seine Monosubstitutionsprodukte sind CHacide (siehe S. 337). Acetylen bildet mit Ag+ und Cu+ schwerlösliche Salze, für synthetische Zwecke sind auch die Natrium- und Lithiumsalze von Bedeutung, ebenso die Grignard-Verbindungen (siehe S. 436). Die Acidität des mit dem C=C-Kohlenstoff verknüpften Wasserstoffs rührt von der sp-Bindung her, generell werden Wasserstoffe an Bindungen mit steigendem s-Anteil acider. Das Acetylidanion ist nicht so nucleophil wie gesättigte Carbanionen. Die rc-Elektronen der C=C-Bindung sind weniger nucleophil als die der C=C-Bindung. Die vorwiegend elektrophilen Additionen verlaufen langsamer als an der Doppelbindung und führen primär zu Olefmen (Vinylierung). Mit starken Basen sind auch nucleophile Additionen möglich: HC=CH + ROH (als RO') HCN (als CN-) > > RO-CH=CH2 CH2=CH-CN Vinylether Acrylsäurenitril O NH > [ N— CH=CH2 /V-Vinylpyrrolidon Vinylacetat Vinylchlorid H3C-CO2H HC| (Hg ^} > H2C=CH-OCOCH3 H2C-CH-CI (HB-.200-C) ^ Die durch Quecksilberionen katalysierte Vinylierung der Essigsäure wird im Präparat S. 215 experimentell durchgeführt und die Polymerisation des Vinylacetats im Versuch gezeigt. Die Addition von HCl kann weiter zum 1,1-Dichlorethan führen. Vinylchlorid wird besser aus Ethylen und Chlor über 1,2-Dichlorethan mit nachfolgender /?-Eliminierung von HCl hergestellt. Vinylpyrrolidon läßt sich zu einem wasserlöslichen makromolekularen Produkt (Polyvinylpyrrilodon) polymerisieren, das als Eiweißersatz bei Blutinfusionen dient. Mit Wasserstoff in Gegenwart der üblichen Metallkatalysatoren wird die Dreifachbindung völlig hydriert. Mit Bleiacetat desaktiviertes Palladium auf Calciumcarbonat (Lindlar-Katalysator, siehe S. 547) ermöglicht stereospezifische partielle c/s-Addition zum Alken. Mit Natrium inflüssigemAmmoniak oder - in besonders 218 Kapitel II. Eliminierung und Addition Chlor addiert sich an Acetylen zu Tetrachlorethan, aus dem durch Kochen mit Lauge Trichlorethylen hergestellt werden kann. Die Addition von Wasser an Acetylen führt zu Acetaldehyd; sie gelingt nur in Anwesenheit eines Quecksilbersalzes in saurer Lösung. Die hierbei abgeschiedene Zwischenverbindung, ein Derivat des Vinylalkohols, wird zu Acetaldehyd hydrolysiert. In technischen Prozessen wirkt das Quecksilbersalz katalytisch, da die Zwischenverbindung laufend gespalten wird. Methylacetylen gibt bei analoger Umsetzung Aceton, Phenylacetylen Acetophenon (Präparat S. 215). Die Anlagerung erfolgt also nach der Markownikowschen Regel. Die Ausarbeitung von Methoden zum gefahrlosen Arbeiten mit Acetylen unter Druck hat seine technische Verwendung möglich gemacht (W. Reppe). Außer der genannten Vinylierungsreaktionen spielt auch die Ethinylierung, das ist die Anlagerung des Alkins als Acetylid an elektrophile Atome eine große Rolle. So erhält man in Gegenwart von Cu(I)-Salzen mit Formaldehyd Propargylalkohol, HC=C-CH2OH und 2-Butin-l,4-diol, HOCH2-C=C-CH2OH sowie (mit Acetylen als elektrophilem Partner) Vinylacetylen, H2C=CH-C=CH. Über Nickel-haltigen Katalysatoren entsteht unter Cyclisierung aus drei Molekülen Acetylen Benzol (das schon Berthelot in winzigen Mengen beim Erhitzen von Acetylen auf 400—50O0C erhalten hatte), aus 4 Molekülen entsteht Cyclooctatetraen, ein gelbes Polyen, dessen Doppelbindungen sich aus Ringspannungsgründen nicht in einer Ebene anordnen und deshalb nicht überlappen können, und aus 5 Molekülen unter anderem der Grundkörper der Naturstoffklasse der Azulene. Mehrfache Alkine erhält man durch oxidative Kupplung, z. B. Schütteln der Cu(I)acetylide mit Sauerstoff. Natriumacetylid gibt mit lod Diacetylen, 1,3-Butadiin, HC=C-C=CH. Acetylenderivate kommen auch in Mikroorganismen und Pflanzen vor. Hier findet man sogar solche mit bis zu fünf konjugierten Dreifachbindungen, die zusätzlich eine oder mehrere Doppelbindungen, auch kumulierte enthalten können. - „Konjugierte" Dreifachbindungen, auch solche mit Doppelbindungen, verhalten sich im übrigen nicht wie konjugierte Diene (Delokalisation von Elektronen, 1,4-Addition usw.). Weiterführende Literatur zu Kapitel Il A.C. Cope und E. R. Trum bull, Olefins from Amines: The Hofmann Elimination Reaction and Amine Oxide Pyrolysis, Org. React. 11, 317 (1960). CH. De Puy und R.W. King, Pyrolytic cis-Eliminations, Chem. Rev. 60, 431 (1960). Weiterführende Literatur zu Kapitel II 219 H. R. Nace, The Preparation of Olefins by the Pyrolysis of Xanthates. The Chugaev Reaction, Org. React. 12, 57 (1962). F. 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Aromatische Substitution, I, Experimente: Brombenzol /?-Dibrombenzol Versuch: Hydrolysebeständigkeit von Brombenzol 2,4,6-Tribromanilin Versuch: 2,4,6-Tribromphenol Versuch: 2,4,4,6-Tetrabrom-2,5-cyclohexadienon Nitrobenzol w-Dinitrobenzol l-Chlor-2,4-dinitrobenzol 1-Nitronaphthalin o- und /7-Nitrophenol Af,N-Dimethyl-/?-nitrosoanilin Natriumbenzolsulfonat Benzolsulfochlorid Versuch: Benzolsulfonamid p -Toluolsulfonsäure Natrium-naphthalin-2-sulfonat 2,4,6 -Trinitrophenol (Pikrinsäure) Versuch: Herstellung von Pikraten Versuch: Herstellung von Komplexen mit 1,3,5-Trinitrobenzol Versuch: Komplexe mit Ethylentetracarbonitril 2,4-Dinitro-l-naphthol-7-sulfonsäure Benzol als Aromat 223 Ml. Aromatische Substitution, I. Der aromatische Zustand Das n-Elektronenmodell der Doppelbindung konjugiert ungesättigter Kohlenwasserstoffe (siehe S. 195) läßt sich zum Verständnis des aromatischen Zustands heranziehen, indem man annimmt, daß sich im Bindungsgerüst des Benzols drei EthylenStrukturelemente zu einem Ring zusammengeschlossen haben. In dem so entstandenen ebenen Gerüst mit Bindungswinkeln von 120° sind die a-Bindungen aller 6 Kohlenstoffatome sp2-hybridisiert. Den beiden nachstehend wiedergegebenen KekuleFormeln des Benzolkerns entsprechen 2 Elektronenformeln, in denen sich die 6 pzOrbitale paarweise in n -Wechselwirkungen befinden. Es liegt im Wesen der exzentrischen Überlappung der rc-Elektronen, daß diese in konjugiert ungesättigten Systemen nicht nur wie beim Olefin paarweise in Wechselwirkung treten; vielmehr geht jedes pz-Elektron mit seinen beiden Nachbarn Bindungsbeziehungen ein. Alle 6 rc-Elektronen des Benzolkerns verschmelzen zu einer gemeinsamen „n-Wolke". Dieser Grundzustand des Benzols läßt sich nicht mehr mit Bindungsstrichen wiedergeben. (Zuweilen kennzeichnet man daher die n-Wolke durch einen einbeschriebenen Kreis. Wir benutzen im folgenden weiterhin die Schreibweise von Kekule und sind uns bewußt, daß wir damit nur eine der mesomeren Grenzformeln formulieren.) Das Übereinanderprojizieren der beiden Grenzformeln führt zu einem Bild des mesomeren Grundzustands. Der Mesomeriebegriff (C. K. Ingold, 1933) hat sich für die qualitative Diskussion der statischen und dynamischen Aspekte organischer Moleküle als sehr fruchtbar erwiesen. Folgende Richtlinien schützen vor einer mißbräuchlichen Verwendung: 224 Kapitel III. Aromatische Substitution, I 1. Mesomerie ist nur möglich zwischen Grenzformeln, die fast die gleiche Lage der Atomkerne besitzen und sich im wesentlichen in der Verteilung der Bindungselektronen unterscheiden. (Die Einschränkung „fast" ist durch die unterschiedlichen Bindungslängen von Einfach- und Doppelbindung in den Grenzstrukturen begründet). 2. Die Mesomerieenergie ist umso größer, je ähnlicher die Energieinhalte der fiktiven Grenzformeln sind. (Zum Energieinhalt gelangt man näherungsweise, wenn man die Energie der Bindungen addiert; zu beachten ist jedoch, daß Ladungstrennung das Energieniveau einer zwitterionischen Grenzformel anhebt.) 3. Mesomerie tritt nicht zwischen Grenzformeln auf, die sich in der Zahl ungepaarter Elektronen unterscheiden. 4. Mesomere Systeme müssen eben gebaut sein, damit die Wechselwirkung der TCElektronen maximal ist. (Die Mesomerieenergie nimmt mit cos2 a ab, wenn mit a der Winkel bezeichnet wird, um den zwei Teilstücke eines konjugierten Systems gegeneinander verdreht sind.) Zur Darstellung mesomerer Strukturen zeichnet man die Grenzformeln, die den tatsächlichen Zustand der Verbindung gemeinsam umschreiben, und verbindet sie jeweils durch einen Pfeil mit doppelter Spitze (<->). Resonanz ist die im amerikanischen Schrifttum eingeführte Bezeichnung für das gleiche Phänomen. Dieser Begriff wird nicht nur zur Beschreibung ungesättigter Systeme verwendet, sondern geht über den der Mesomerie noch hinaus. Resonanz kennzeichnet bereits die Wechselwirkung der Bindungselektronen einer Kovalenz im quantenmechanischen Näherungsverfahren. Die über die paarweise Bindung hinausgehende n -Wechselwirkung im Benzolsystem bringt einen weiteren Gewinn an Bindungsenergie. Ein gedachtes Cyclohexatrien ohne Konjugation sollte beim Sättigen mit Wasserstoff Hydrierungswärme liefern, die dem Dreifachen derjenigen des Cyclohexens (119,6 kJ/mol = 28,6 kcal/mol) entspricht. Statt mit 358,8 kJ/mol (= 85,8 kcal/mol) ist die Hydrierungswärme des Benzols jedoch nur mit 208,2 kJ/mol = 49,8 kcal/mol exotherm. Der Grundzustand des Benzols ist somit um 150 kJ/mol = 36 kcal/mol energieärmer als der des fiktiven Sechsrings mit drei isolierten Doppelbindungen. Diese zusätzliche Bindungsenergie wird als Mesomerieenergie oder Resonanzenergie des Benzols bezeichnet. Sie zeigt anschaulich die zusätzliche Stabilisierung des Grundzustandes. 150 kj/mol Statt abwechselnd Bindungen mit 148pm (1,48Ä) (für die C—C-Bindung) und 134 pm (1,34 Ä) (für die C=C-Bindung) hat das Benzol gleiche CC-Bindungslängen; die Elektronenbeugung am Benzoldampf sowie die Röntgen-Strukturanalyse des andere 6-Ring-Aromaten 225 kristallisierten Benzols ergaben eine 6-zählige Symmetrieachse mit einem CC-Abstand von gleichmäßig 139 pm (1,39 Ä). Außer Benzol sind auch andere cyclische oder polycyclische Verbindungen mit konjugiertem Ti-Elektronensystem (nicht jedoch alle) resonanzstabilisiert und zeigen mehr oder weniger ausgeprägt dessen typisches Reaktionsverhalten. Man faßt alle diese Verbindungen unter dem Begriff aromatisch zusammen. Im Gegensatz zum Benzol sind in anderen Aromaten die cyclischen Bindungen meistens nicht gleichwertig. In den drei wichtigsten, gleichberechtigten Grenzformeln des Naphthalins ist die 1,2-Bindung 2mal, die 2,3-Bindung dagegen nur einmal Doppelbindung. Tatsächlich spiegeln die experimentell ermittelten Bindungslängen entsprechend starke Unterschiede im Doppelbindungscharakter der Bindungen wieder. Diese Unterschiede sind im Anthracen noch etwas ausgeprägter. Der aromatische Charakter bleibt erhalten, wenn eine oder mehrere CH-Gruppen des Benzols oder polycyclischer Aromaten gegen Stickstoffoder gegen OxoniumSauerstoff ausgetauscht sind. Im Pyridin steht ein freies Elektronenpaar am N noch für die Salzbildung zur Verfügung. H H H^N^H Pyridin H H H^tXH Benzol H H^^H Pyrylium-Ion ri "CT "CT Additionsreaktionen und Hydrierungswärme zeigen, daß Cyclooctatetraen keinen aromatischen Charakter hat (siehe S. 218). Schon der nicht ebene Bau (Wannenform) - ein ebener regulärer Achtring würde mit Bindungswinkeln von 136° zu stark gespannt sein - genügt, ein Verschmelzen zu einer gemeinsamen n -Wolke zu verhindern. Außerdem ist im Rahmen des M O-Verfahrens der aromatische Charakter an das Vorhandensein von (4 n + 2) 7c-Elektronen gebunden (Hückel-Regel), eine Bedingung, die das Cyclooctatetraen mit 8 rc-Elektronen nicht erfüllt. 226 Kapitel III. Aromatische Substitution, I Cyclooctatetraen 18-Annulen 1,6 -Methanocyclodecapentaen Bei Erweiterung des konjugierten Ringsystems kommt man zu „Annulenen", die der Hückel-Regel genügen, zum Beispiel das 18-Annulen (18 = 4 - 4 + 2 rc-Elektronen). Cyclodecapentaen, ein „gespaltenes" Naphthalin, kann wegen der sich im Raum störenden H-Atome in l- und 6-Stellung keine ebene Form annehmen, wohl aber, wenn diese durch die Methanobrücke ersetzt sind (E. Vogel). Außer an den weiter unten behandelten charakteristischen elektrophilen Substitutionsreaktionen erkennt man aromatische Verbindungen an den zu tiefem Feld verschobenen NMR-Signalen der an die Aromaten gebundenen Wasserstoffkerne. Das Magnetfeld induziert in aromatischen Verbindungen Ringströme, die die benachbarten Protonen gegenüber dem äußeren Feld magnetisch entschirmen. Während die Signale der olefmischen Protonen bei 5,3 ppm, bezogen auf Tetramethylsilan als Standard, erscheinen, liegen die des Benzols bei 7,3 ppm. Im Bereich von 7 bis 9,5 ppm finden sich auch die Signale der anderen hier genannten Aromaten, während das Signal des Cyclootatetraens als Singulett bei 5,8 ppm erscheint. Das eben gebaute Cyclobutadien entspricht nicht der Hückel-Regel (47i-Elektronen), es ist nicht nur nicht aromatisch, sondern offenbar weniger stabil, als ein cyclisches Dien sein sollte (,Antiaromat"). Die Grundverbindung kann nur bei tiefer Temperatur in einer Matrix erhalten werden. Das 5gliedrige Cyclopentadienidion verfügt wie das Benzol über ein System von 6 rc-Elektronen, da man das freie Elektronenpaar des Carbanions in die n -Wolke einbeziehen muß; daß man dem Cyclopentadien mit Alkalimetallen oder metallorganischen Verbindungen ein Proton entziehen kann, ist der Bildung des mesomeriestabilisierten Anions zuzuschreiben. - Im Ferrocen, einem „Sandwich"-Komplex aus Eisen(II) und Cyclopentadien sind die beiden Ringe, typisch wie beim Benzol, elektrophilen Substitutionsreaktionen zugänglich. H H HV—'H H O Ferrocen 7-Brom-l,3,5-cycloheptatrien ist in wässeriger Lösung ionisiert, eine Folge der Stabilität des aromatischen Tropyliumions mit 6 yr-Elektronen. - Auch das Tropolon, Aromaten mit anderen Ringgrößen 227 von dem sich zahlreiche Naturstoffe ableiten, darf man als Abkömmling des Tropyliumions und als aromatisches System ansprechen. Tropolon Das gleiche gilt für das bicyclische, tiefblaue Azulen, dessen Derivate sich in natürlichen etherischen Ölen finden. Neben zwei neutralen Grenzformeln lassen sich zahlreiche zwitterionische aufzeichnen, die den Tropylium- und Cyclopentadienylidring enthalten. Thermisch kann Azulen zu Naphthalin isomerisiert werden. Ebenfalls 6 7c-Elektronen und aromatischen Charakter haben die 5-gliedrigen Heterocyclen Pyrrol, Furan und Thiophen (siehe Kapitel XIV). Bei dem mit 2 nElektronen der Hückel-Regel entsprechenden Cyclopropeniumion macht die aromatische Mesomerie das extrem winkelgespannte System existenzfähig. BF/ C6H5 Halogenierung der Aromaten Brombenzol FeBr, H- Br7 + HBr Als Apparatur dient ein 500-ml-Kolben mit Tropftrichter und Rückflußkühler, dem eine Gasableitung aufgesetzt ist, die etwa 1 cm über der Oberfläche von 200 ml Wasser in einem 1-1-Kolben endet und dann in den Abzug führt. — In den Kolben kommen 90 ml 228 Kapitel III. Aromatische Substitution, I (78g, 1,00mol) trockenes Benzol und 2 g grobe Eisenfeilspäne, in den Tropftrichter 53ml (166g, 1,04mol) Brom. Man läßt zunächst unter leichtem Schütteln 1—2 ml Brom einf ließen, bis eine kräftige Reaktion unter Bromwasserstoff-Entwicklung einsetzt (eventuell schwach erwärmen). Dann reguliert man das weitere Zutropfen des Broms so, daß die Reaktionswärme das Benzol am Sieden erhält, die Umsetzung jedoch nicht zu stürmisch wird. Gegen Ende erwärmt man noch kurze Zeit auf siedendem Wasserbad, bis alles Brom verbraucht ist. Nun wird das Reaktionsgemisch aus einem größeren Rundkolben mit Wasserdampf destilliert. Sobald sich im Kühler Kristalle von p-Dibrombenzol abscheiden, wechselt man die Vorlage und treibt noch einen Teil dieses Nebenprodukts über. — Das zuerst übergegangene Brombenzol wird im Schütteltrichter abgetrennt, mit Calciumchlorid mindestens 1 h getrocknet und destilliert. Die bei 140—17O 0 C übergehende Fraktion liefert bei erneuter Destillation im Bereich 152—158 0 C ziemlich reines Brombenzol. Ausbeute 70-80 g (45-51 %); Sdp. 155 0C. p-Dibrombenzol: Der Rückstand, der bei der ersten Destillation im Kolben geblieben ist, wird noch heiß in eine kleine Porzellanschale gegossen und nach dem Erstarren gemeinsam mit dem Produkt aus der Wasserdampfdestillation auf einem Tonteller gereinigt und aus wenig Ethanol umkristallisiert. Man erhält farblose Prismen mit Schmp. 87 0C. Bromwasserstoffsäure: Bei der Reaktion sind 80g Bromwasserstoff entstanden, die etwa 200 ml Wasser zur Absorption erfordern. (Wurde zu wenig Wasser vorgelegt, muß die Vorlage, sobald sich Nebel zu zeigen beginnen, mit frischem Wasser gefüllt werden.) Zur Reinigung wird die Bromwasserstoffsäure destilliert. Der Siedepunkt steigt nach einem Vorlauf von Wasser auf 126 0 C. Bei dieser Temperatur geht 48proz. Bromwasserstoffsäure azeotrop über, die im Laboratorium oft gebraucht wird. Versuch: Hydrolysebeständigkeit von Brombenzol - Reines Brombenzol spaltet beim Kochen mit methanolischem Kaliumhydroxid kein Bromidion ab, wie die Zugabe von verd. Silbernitrat-Lösung (siehe S. 173) nach dem Ansäuern mit verd. Salpetersäure zeigt. Das Halogen am Benzolkern läßt sich durch nucleophile Reagenzien sehr viel schwerer austauschen als aliphatisch gebundenes. (Diese Resistenz kann durch geeignete Substituenten am Benzolring stark verringert werden; siehe S. 280). Dagegen kann am Aromat gebundenes Chlor, Brom oder lod zum Beispiel durch katalytisch erregten Wasserstoff ersetzt werden. Mit Raney-Nickel in Methanol und in Gegenwart von genügend KOH (um den Halogenwasserstoff aufzunehmen) ist eine gleichzeitige Hydrierung des Kerns nicht zu befürchten. Auch mit Lithiumaluminiumhydrid und verschiedenen seiner Derivate, mit Tri(n-butyl)zinnhydrid, mit Chrom(II)ethylendiamin-Komplex sowie mit Natrium in Alkohol kann Halogen reduktiv vom Aromaten entfernt werden. Mit Magnesium (Grignard-Reaktion) oder Natrium (Wurtz- und Fittig-Synthese) reagieren Alkyl- und Arylhalogenide vergleichbar schnell. Bei der Halogenierung nimmt der aromatische Kern ein elektrophiles HalogenKation auf und stabilisiert sich dann durch Abgabe eines Protons. Das Halogenidion braucht dabei nicht frei aufzutreten. Der Katalysator FeBr3, ZnBr2 oder AlBr3 - bei der Bromierung des Benzols in Gegenwart von Eisen ist nicht dieses selbst, sondern Halogenierung der Aromaten 229 FeBr3 wirksam — polarisiert das Brommolekül derart, daß ein Bromion mit Elektronensextett auf den Benzolkern übertritt und ein komplexes Tetrabromoferration zurückläßt. (Es ist dazu ebensowenig freies Br+ nötig wie ein freies H + bei Säure-BasenReaktionen.) Das stark elektrophile Br+ beansprucht ein Elektronenpaar aus der n -Wolke des aromatischen Kerns. FeBr/ Der als Zwischenstufe auftretende sogenannte cr-Komplex besitzt ein sp3-hybridisiertes C-Atom. Der Verlust an aromatischer Mesomerie wird durch eine neue Mesomerie, und zwar formal derjenigen eines Pentadienkations, teilweise kompensiert. Im nächsten Reaktionsschritt übernimmt das komplexe Anion ein Proton vom tetraedrischen Kohlenstoff der Zwischenstufe, wodurch der aromatische Zustand wieder hergestellt wird. Die unbeständige Säure HFeBr4 zerfällt und gibt das FeBr3 für die nächste Bromübertragung wieder frei. Prinzipiell gleichartig vollzieht sich die Chlorierung des Benzolkerns unter der Katalyse mit elektrophilen Metallhalogeniden. Die notwendige Heterolyse des HaI2 wird durch polare Lösungsmittel begünstigt. Der ^-Komplex stellt eine echte Zwischenstufe (siehe S. 171) dar, seine Bildung ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Reaktion. Halogenierung (und Nitrierung) des mit Deuterium oder Tritium markierten Benzols vollziehen sich mit gleicher Geschwindigkeit wie die von C6H6. Ein „kinetischer Isotopeneffekt" (wie man ihn beobachtet, wenn die [H]-Verbindung rascher reagiert als die [D]-Verbindung und diese rascher als die [T]-Verbindung) sollte auftreten, wenn die C—H-Bindung im geschwindigkeitsbestimmenden Akt gespalten wird. Hier aber wird der Wasserstoff - oder sein Isotop - erst in einer rascheren Folgereaktion abgelöst. 2,4,6-Tribromanilin H + 3Br 2 Unter dem Abzug stellt man aus 200 ml Wasser, 35g (0,4 mol) Kaliumbromid sowie 18,5ml (0,36 mol) Brom eine klare Lösung her und läßt sie aus einem Tropftrichter innerhalb 40 min zur mechanisch gerührten Lösung von 10,0 g (9,8 ml, 0,107 mol) frisch destilliertem Anilin in 300 ml Wasser und 1OmI konz. Salzsäure fließen. Dabei ver- 230 Kapitel III. Aromatische Substitution, I schwindet anfangs die Bromfarbe rasch; wenn sie bestehen bleibt, wird abgebrochen. Das ausgefallene Produkt wird abgesaugt, mit verd. Natronlauge und mit viel Wasser gewaschen. Nach Trocknen auf dem Tonteller reinigt man durch Vakuumdestillation aus einem 100-ml-Schwertkolben mit Claisenaufsatz. Bei 167—170°C/12 Torr gehen 29-3Og (82-85%) rasch erstarrendes Öl über; Schmp. 118-1190C. -Auch das Umkristallisieren aus Ethanol ist zur Reinigung geeignet. Versuch: 2,4,6-Tribromphenol Von der Lösung aus 10 ml Brom und 20 g Kaliumbromid in 250 ml Wasser gießt man langsam unter Umschütteln oder Rühren so viel zur Lösung von 1,5g Phenol in 75 ml Wasser, bis die gelbe Farbe des Broms nicht mehr verschwindet. Der flockige Niederschlag wird abgesaugt, mit Wasser gewaschen und im Vakuumexsikkator über P 2 O 5 getrocknet. Nach Umkristallisieren aus Cyclohexan liegt der Schmp. bei 94-950C. Versuch: 2,4A6-Tetrabrom-2/5-cyclohexadienon OH 1+ABr 2 Br Br 150 ml Brom-Kaliumbromid-Lösung wie oben werden mit der Lösung von 15g Natriumacetat in 100 ml Wasser versetzt. In 3-5 min läßt man dazu die Lösung von 1,5g Phenol in 10OmI Wasser fließen, wobei sich ein gelbes Pulver ausscheidet. Man läßt unter häufigem Umschütteln noch 4 h bei Raumtemperatur stehen, saugt ab, wäscht mit Wasser und trocknet auf dem Tonteller. Ausbeute 6,0—6,5 g hellgelbes Produkt, das gegen 12O 0 C unter Zersetzung schmilzt. — Die Verbindung ist nicht lagerbeständig und selbst ein Bromierungsmittel. Aus einer wässerigen Kaliumiodid-Lösung wird unter Reduktion zum 2,4,6-Tribromphenol lod freigesetzt.. Im Gegensatz zu Benzol werden Anilin und Phenol schon ohne elektrophile Katalysatoren unmeßbar rasch bromiert. An die Erstbromierung, hauptsächlich in /7-Stellung zur funktionellen Gruppe, schließen sich Zweit- und Drittbromierungen an, die zu 2,4,6-Tribromanilin bzw. -phenol führen. Die Orientierung in 2-, 4- und 6-Stellung wird anhand der Grenzformeln der a-Komplexe für o- und /?-Substitution plausibel. Neben den drei Carbenium-Grenzformeln, die infolge des Elektronensextetts auf relativ hohem Energieniveau liegen, tritt eine Ammonium- bzw. elektrophile Zweitsubstitution 231 Oxoniumstruktur auf. Amino- und Hydroxygruppe besitzen einen +M-Effekt (mesomeren Effekt mit Elektronendonatorfunktion.) Da der Stickstoff oder der Sauerstoff die positive Ladung ohne Oktetteinbuße übernehmen kann, sind diese Grenzformeln wesentlich energieärmer und bestimmen in erster Linie die Elektronenverteilung in den mesomeren Zwischenstufen. Das niedrige Energieniveau der Zwischenstufen für die o- und /^-Substitution hat geringe Aktivierungsschwellen und hohe Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten zur Folge. Die Bereitschaft des Anilins oder Phenols, ein Halogenkation zu übernehmen, ist so groß, daß zur Heterolyse des HaI2 kein komplexbildendes Metallhalogenid nötig ist. H Br Dagegen kann bei der m-Bromierung des Anilins oder Phenols die Carbeniumlücke nicht vom freien Elektronenpaar des Stickstoffs bzw. Sauerstoffs geschlossen werden. Das 2,4,6 -Tribromphenol kann noch einmal ein Bromkation in der Position 4 aufnehmen. Eine Aromatisierung durch Protonenabgabe ist dann aber nicht mehr möglich. Der Verlust des 0-gebundenen Protons liefert vielmehr 2,4,4,6-Tetrabrom2,5-cyclohexadienon, das man als eingefrorene Zwischenstufe der aromatischen Substitution auffassen kann. Das sehr empfindliche Tetrabromketon läßt sich nur isolieren, wenn man den Bromwasserstoff abpuffert, was im Versuch mit Natriumacetat geschieht. In Gegenwart von Säure kommt die Rückreaktion zu Tribromphenol zum Zug. Br Br Br Br Wie Amino- und Hydroxygruppen besitzen auch Acylamino-, Alkoxy- und Acyloxyfunktionen freie Elektronenpaare und einen +M-Effekt. Alle diese Gruppen begünstigen aufgrund ihrer elektronenliefernden mesomeren Eigenschaft eine elektrophile Zweitsubstitution in o- oder /7-Stellung. Am Kern gebundenes Halogen, das ebenfalls in der Lage ist, eine positive Ladung zu übernehmen (-h M-Effekt), dirigiert einen zweiten Substituenten gleichfalls in o- oder /7-Stellung, sein entgegengerichteter induktiver Effekt (— !-Effekt) führt jedoch zur Elektronenverarmung des Kerns, so daß die Reaktionsgeschwindigkeit gegenüber der des Benzols meist herabgesetzt ist. Substituenten mit elektronenanziehendem mesomeren Charakter (— M-Effekt) wie beispielsweise Nitro- und Carbonylgruppen erschweren die Zweitsubstitution und 232 Kapitel III. Aromatische Substitution, I zwar besonders in o- und p- Position. Der schon an Elektronen verarmte Benzolkern ist weniger als das Benzol selbst bereit, für die Bildung des cr-Komplexes noch zusätzlich eine volle positive Ladung zu übernehmen. Außer vom mesomeren. Substituenteneffekt werden Richtung und Geschwindigkeit der Zweitsubstitution, wie schon am Halogenbenzol besprochen, von elektrostatischen oder induktiven Substituentenwirkungen geprägt. Die Polarität einer Kovalenz nimmt mit steigender Differenz der Elektronegativitäten der beteiligten Atome zu. Diese Elektronegativität wächst nach dem Periodensystem der Elemente von links nach rechts, und zwar in der ersten Periode stärker als in den folgenden, so daß Fluor in dieser Funktion die Spitze hält. Da die wichtigsten Substituenten über Sauerstoff-, Stickstoff- und Schwefelatome an den aromatischen Kern gebunden oder Halogenatome sind, wird unabhängig vom mesomeren Effekt in allen diesen Fällen das C-Atom l des Benzolkerns positiviert. Diese Elektronenverarmung teilt sich elektrostatisch - mit der Entfernung abnehmend — dem ganzen aromatischen Kern mit, wodurch die Zweitsubstitution erschwert wird. Wenn der Erstsubstituent eine positive Ladung trägt, wie im Trimethylaniliniumion oder (formal) im Nitrobenzol, ist die Geschwindigkeit der Zweitsubstitution infolge des induktiven Elektronenentzugs stark vermindert. Als Eintrittsstellen sind die o- und p-Positionen besonders benachteiligt, weil an der Mesomerie der entsprechenden Zwischenstufen energiereiche Grenzformeln mit zwei benachbarten positiven Ladungen beteiligt wären. Da im Zwischenzustand der m-Substitution die Ladungsverteilung günstiger ist, findet der Eintritt zum Beispiel des Broms so gut wie ausschließlich in w-Stellung statt. Aus ähnlichen Gründen dirigieren die Sulfo-, Sulfonyl-, Carboxy-, Carbonylund Nitrilgruppen (HOSO2- -SO2-, HO2C-, —CO- N=C-) am Benzol Zweitsubstituenten in die m-Stellung. Bei den letzten drei trägt das mit dem Benzolkern verbundene C-Atom zwar nicht eine volle, jedoch eine partielle positive Ladung, so daß Grenzstrukturen mit positiver Ladung am benachbarten Ringkohlenstoff auch hier nicht zur Mesomerie beitragen und deshalb Zweitsubstitution in o- oder /^-Stellung fast nicht zum Zug kommt. Man hat die hier zusammengefaßten Akzeptor-Gruppen früher als „Substituenten 2. Ordnung" bezeichnet. Reaktionsgeschwindigkeit der Bromierung von Aromaten 4 233 N(CH 3 J 3 'N(CH3). 3'3 H Br Energiereiche Grenzformeln für die Zwischenstufen der p- und o-Bromierung Zwischenstufe der A77-Bromierung Das Zusammenspiel der mesomeren und elektrostatischen Substituenteneffekte bei der Zweitsubstitution wird noch von sterischen Faktoren ergänzt. Mit wachsender Raumerfüllung des Erstsubstituenten wird die o-Substitution zugunsten der vom Raumanspruch unabhängigen/?-Substitution benachteiligt. Die folgende Aufstellung enthält die relativen Reaktionsgeschwindigkeiten (/crel) der Bromsubstitution von Benzolderivaten in Abhängigkeit vom vorhandenen Erstsubstituenten (Rest). Sie zeigt, wie außerordentlich groß der Einfluß des Erstsubstituenten ist. Rest *rel N(CH 3 J 2 1 Q 18 OH 1011 CH 2 CI 0,8 OCH 3 109 Cl, Br 0,1 NHCOCH 3 108 CH3 340 NO2 Rest *rel H 1,0 CO2H 104 10~ 6 Eine elektrophile Fluorierung ist nicht zu erzielen, da die F2-Heterolyse zuviel Energie erfordert. Bei der lodsubstitution der Aromaten ist die Umkehrreaktion nicht mehr zu vernachlässigen: ArH + I 2 - ArI + Hl Elementares lod ist ein schwächer elektrophiles Agens als Cl2 oder Br 2 ; nicht das Benzol selbst, wohl aber Phenole und Arylamine als stärker nucleophile Aromaten werden unmittelbar iodiert. Dagegen sind ICl, I 2 + AgClO4 (J. Goubeau, 1932) oder I 2 + Ag2SO4 in starker Schwefelsäure (W.A. Waters, 1950) wirksamere lodierungsmittel. Auch lod in Gegenwart von Oxidationsmitteln wird empfohlen z. B. mit HgO; die Behandlung des Benzols mit lod und rauchender Salpetersäure bei 50-8O0C dürfte wohl die bequemste Methode zur Darstellung des lodbenzols sein. Mineralsaure Lösungen von unterchloriger oder unterbromiger Säure sind energische Halogenierungsmittel (Halogenkationen). Für die Bromierung selbst sehr reaktionsträger Aromaten mit Brom und Silbersulfat in konzentrierter Schwefelsäure darf man wohl auch das Bromkation verantwortlich machen. Eine handliche Wägeform des Broms („festes Brom") ist das leicht zugängliche rote, bei 1350C schmelzende Pyridiniumperbromid C 5 H 5 NH + Br 3 ". In der Lösung tritt dabei das im Gleichgewicht Br3" ^ Br~ + Br 2 vorhandene Br2 in Reaktion. 234 Kapitel III. Aromatische Substitution, I Af-Bromsuccinimid und andere N-Bromcarboxamide vermögen sowohl als Quelle für „positives" Brom als auch für Bromatome zu dienen. Bei Benzolhomologen kann man daher Kern- und Seitenkettenbromierung erzielen, wobei Lösungsmittel, polare Katalysatoren oder Radikalzünder eine gewisse Lenkung gestatten. Über die Bromierung von allylständigem Kohlenstoff siehe S. 196. Die schon lange bekannten photochemischen Additionen von Chlor und Brom an Benzol, die zu Hexahalogencyclohexanen führen, sind Radikalkettenreaktionen. Die erstere wird industriell durchgeführt, da dem einen der isomeren Produkte, dem y-Hexachlorcyclohexan starke insektizide Wirkung zukommt. Nitrierung und Nitrosierung Nitrobenzol HN °3 L H 2 SO 4 Zu 125ml (23Og) konz. Schwefelsäure in einem starkwandigen 1-1-Kolben gießt man allmählich unter Umschütteln 10OmI (14Og) konz. Salpetersäure (d = 1,40). Nachdem man die warme Mischung durch Eintauchen in kaltes Wasser auf Raumtemperatur abgekühlt hat, fügt man unter häufigem Umschütteln langsam in mehreren Anteilen 89 ml (78g, 1,00mol) Benzol zu. Wenn hierbei die Temperatur über 50-6O0C steigt, taucht man vor dem weiteren Eintragen des Benzols das Gefäß kurze Zeit in Eis/Wasser. Bei jedem Zusatz von Benzol ist eine vorübergehende intensive Orangefärbung zu beobachten. Nachdem man den Kolben mit aufgesetztem Steigrohr noch 30 min in einem Wasserbad von 6O 0 C erwärmt hat, trennt man im Schütteltrichter die obere Schicht, die das Nitrobenzol enthält, ab und wäscht sie im Schütteltrichter mit Wasser, dann mit verd. Natronlauge und zuletzt mit Wasser, wobei zu beachten ist, daß das Nitrobenzol jetzt die untere Schicht bildet. Man erwärmt das Nitrobenzol auf dem Wasserbade so lange mit wenig Calciumchlorid, bis die anfangs milchige Flüssigkeit klar geworden ist. Bei der anschließenden Vakuumdestillation geht das Nitrobenzol bei 86-88 0C / 12 Torr über, Sdp. 208-21O0C / 760 Torr; Ausbeute 100-105 g (81-85%). /77- Dinitrobenzol O7N In einem 200-ml-Erlenmeyerkolben versetzt man 40 ml (74g) konz. Schwefelsäure vorsichtig mit 20,0 ml rauchender Salpetersäure (d = 1,51; 30,2 g, 0,48 mol). Dazu läßt man aus dem Tropftrichter in 20min unter mechanischem Rühren 20,Og (0,16 mol) frisch destilliertes Nitrobenzol fließen und sorgt dabei durch gelegentliche Außenküh- Nitrierung von Benzolderivaten 235 lung dafür, daß die Temperatur bei 60—7O 0 C bleibt. Das Gemisch wird noch 45 min auf dem siedenden Wasserbad erhitzt und dann auf 70Og Eis/Wasser gegossen. Der hellgelbe Niederschlag des rohen /77-Dinitrobenzols, der zu 6% das o-Isomere enthält, wird abgesaugt, in einer Reibschale mit Natriumhydrogencarbonat-Lösung fein zerrieben und nach erneutem Absaugen und Waschen mit Wasser an der Luft getrocknet, Ausbeute 25-26 g (93-97%); Schmp. 73-8O0C. - Das so gewonnene Rohprodukt wird durch mehrmaliges Umkristallisieren aus Methanol und Abkühlen im Eisbad gereinigt. Zum Nachwaschen verwendet man dabei wenig eiskaltes Methanol. Reines m-Dinitrobenzol schmilzt bei 9O 0 C. 1-Chlor-2,4-Dinitrobenzol xCl HNO3 Wie bei der Herstellung von A77-Dinitrobenzol (voranstehend) bereitet man in einem 500-ml-Kolben eine Mischung von 80 ml konz. Schwefelsäure und 40 ml rauchender Salpetersäure (d = 1,51) und tropft in diese in 30min 20,0 g (0,18mol) Chlorbenzol, wobei die Innentemperatur 60-7O 0 C nicht übersteigen soll. Nach anschließendem halbstündigem Erhitzen auf dem siedenden Wasserbad gießt man das zweiphasige Gemisch unter Rühren mit einem Glasstab auf 500 g zerstoßenes Eis. Von den Kristallen des rasch erstarrenden Reaktionsproduktes hebt man eine Probe als Impfmaterial auf. Man löst den gesamten Ansatz in 10O ml Benzol, trennt im Schütteltrichter die Phasen, wäscht die Benzollösung mit Wasser, filtriert sie wenn nötig, und trocknet sie mit Calciumchlorid. Dann destilliert man das Benzol auf dem Wasserbad ab und entfernt die letzten Reste bei mäßigem Unterdruck. Nach Aufnehmen des Rückstandes in 90 ml warmem Methanol oder Ethanol läßt man unter Animpfen abkühlen. Wenn sich das Reaktionsprodukt zunächst ölig abscheidet, erwärmt man es schwach, bis das System eben wieder einphasig wird, und impft erneut an. Nach Aufbewahren im Kühlschrank saugt man 30—31 g blaßgelbe Kristalle mit Schmp. 51 0 C ab. Vorsichtiger Wasserzusatz zur Mutterlauge fällt weitere 2-3 g mit Schmp. 49-5O0C. Gesamtausbeute 88-92%. Die Nitrierung ist die wichtigste Methode, Stickstoff mit dem aromatischen Kern zu verknüpfen. Ähnlich wie bei der Halogenierung ist auch die Geschwindigkeit der Nitrierung sehr stark von der Natur des Aromaten abhängig, so daß die Nitrierbedingungen sehr unterschiedlich sein können. Mischungen von konzentrierter oder wasserfreier Salpetersäure mit konzentrierter Schwefelsäure bezeichnet man als Nitriersäure. Auch aus Alkalinitrat und konzentrierter Schwefelsäure kann man Nitriersäure bereiten. Durch geeignete Wahl der Nitrierungsbedingungen - hier vor allem des Wassergehalts der Nitriersäure - kann man die Mono- oder die schwerer erfolgende Dinitrierung des Benzols zur Hauptreaktion machen. Unter den Bedingungen der Darstellung des Nitrobenzols wird das reaktivere Toluol schon teilweise dinitriert. Um 236 Kapitel III. Aromatische Substitution, I Mononitrotoluol (60% /?-, 4% m- und 36% o-Isomer) zu erhalten, legt man den Kohlenwasserstoff vor und rührt nur wenig mehr als l Äquivalent Nitriersäure ein. Die zweite Nitrogruppe sucht überwiegend die m-Stellung zur ersten auf. Die Überführung des m-Dinitrobenzols in das 1,3,5-Trinitrobenzol erfordert energische Bedingungen, nämlich Behandlung mit großem Überschuß reiner Salpetersäure in rauchender Schwefelsäure bei höherer Temperatur. Bequemer gelangt man zum 1,3,5Trinitrobenzol über das als Sprengstoff bekannte 2,4,6-Trinitrotoluol. Unter dem substitutionserleichternden Einfluß der Methylgruppe nimmt die Trinitrierung des Toluols mit wasserfreier Nitriersäure bei langsamer Temperatursteigerung bis UO 0 C einen glatten Verlauf. Die Oxidation der Methylgruppe liefert Trinitrobenzoesäure und deren Decarboxylierung das symmetrische Trinitrobenzol. Viele aromatische Polynitroverbindungen können durch genügend starke Initialzündung (Quecksilberfulminat) zur Explosion gebracht werden. Primäre und sekundäre Arylamine werden, um Oxidation durch die Salpetersäure zu verhindern, vor der Nitrierung am Stickstoff acyliert. Bei der Nitrierung durch Salpetersäure-Schwefelsäure-Gemische ist das Nitroniumion, NOj, das aktive Agens. Seine Existenz hat sich unter anderem durch RöntgenStrukturanalyse des kristallisierten Nitroniumperchlorats, NOjClO4", sowie des Distickstoffpentoxids, NOjNO3", ergeben und konnte spektroskopisch in der Nitriersäure nachgewiesen werden. In wasserfreier Nitriersäure liegt das Gleichgewicht HONO2 + 2H 2 SO 4 — NO2+ + H3O+ + 2HSO 4 weitgehend auf der rechten Seite (Gefrierpunktserniedrigung weist auf 4 gelöste Teilchen hin); mit steigendem Wassergehalt nimmt die NOj-Konzentration und damit die Nitrierungsgeschwindigkeit ab. Die elektrophile Aktivität des Nitroniumions ergibt sich aus dem Auftreten von Grenzformeln mit Elektronensextett am Stickstoff: ^)=N =5 «_> U=N+-UI <-> |Ü—N+=5 Die Nitrierung in konzentrierter oder reiner Salpetersäure verläuft wesentlich langsamer als mit Schwefelsäurezusatz. Wässerige Salpetersäure, oder auch Lösungen wasserfreier Salpetersäure in Nitromethan, Eisessig oder Essigsäureanhydrid, verwendet man zur Nitrierung von Aromaten, die reaktiver als Benzol selbst sind. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist auch hier allein das Nitroniumion, das durch Autoprotolyse entsteht, das elektrophile Agens. Nitrierungen mit reinen kristallisierten Nitroniumsalzen haben mehr theoretisches als praktisches Interesse. Dagegen wurden mit dem aus N 2 O 5 , HF und BF3 leicht zugänglichen Nitroniumfluoroborat zahlreiche Nitrierungen ausgeführt (G. Olah, 1956). Die Nitrierung mit Distickstoffpentoxid im organischen Lösungsmittel, in dem es kovalent vorliegt, verläuft nicht über freie NOj-Ionen; N 2 O 5 dient hier als Donator für das Kation, ähnlich wie Cl2 als Cl+-Generator. Acylnitrate, RCO—O—NO 2 , Nitrierung des Naphthalins 237 aus AgNO3 und Carbonsäurechlorid oder Salpetersäure und Carbonsäureanhydrid können ebenfalls zur Nitrierung verwendet werden. Der Substitutionsakt von NOj vollzieht sich nach dem gleichen Additionsschema, das für die Halogenierung (S. 227) beschrieben wurde; die Protonenabgabe unter Rückbildung des aromatischen Systems tritt als rasche Folgereaktion auf. HSO; 1-Nitronaphthalin CHCOONO Unter einem Abzug versetzt man in einem 500-ml-Erlenmeyerkolben 90 ml Eisessig und 50 ml Acetanhydrid unter Eiskühlung langsam mit 20,0 ml konz. Salpetersäure (d = 1,40; 0,180 mol). Man erwärmt in einem Wasserbad von 4O 0 C und trägt während 15min 20,0 g (0,156 mol) feingepulvertes Naphthalin portionsweise unter gelegentlichem Umschütteln oder Rühren ein. Das gelbe Gemisch wird 2 h auf 5O 0 C und 7 h auf 70—75 0 C erwärmt, wobei sich geringfügig nitrose Gase entwickeln. Nach Eingießen in etwa 1 I Eis/Wasser und Stehenlassen über Nacht wird filtriert, mit Wasser, Natriumhydrogencarbonat-Lösung und wieder mit Wasser gewaschen. Das auf einem Tonteller getrocknete, orangefarbene Rohprodukt wird in einem 100-ml-Schwertkolben im Vakuum der Wasserstrahlpumpe destilliert. Bei 160—165 0 C / 12 Torr gehen fast ohne Vorlauf 24—25 g Nitronaphthalin mit Schmp. 47—53 0 C über. Eine 9proz. Verunreinigung durch 2-Nitronaphthalin entfernt man durch Umkristallisieren aus 300 ml Petrolether (Sdp. 40—8O 0 C); dabei ist durch Animpfen beim langsamen Abkühlen der Lösung Ölabscheidung zu vermeiden. Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank erhält man 18,5-20,5 g (69-76%) 1-Nitronaphthalin mit Schmp. 56-570C. Aus der eingeengten Mutterlauge lassen sich noch 2 g weniger reines Produkt gewinnen. Bei der Nitrierung des Naphthalins ist der Reaktionsgeschwindigkeitsunterschied zwischen Mono- und Disubstitution geringer als bei einkernigen Aromaten. Aus diesem Grund führt man elektrophile Substitutionen beim Nitronaphthalin unter milderen Bedingungen durch. Die Orientierung der elektrophilen Substitution ist so gut wie ausschließlich kinetisch bestimmt; für die Produktverteilung sind die relativen Geschwindigkeiten der Reaktionen an den verschiedenen C-Atomen der cyclischen Systeme maßgebend. Man erhält diese, relativ auf Benzol bezogenen Konstanten experimentell im Konkurrenzversuch, indem man definierte Gemische aus der Probesubstanz, beispiels- 238 Kapitel III. Aromatische Substitution, I weise Chlorbenzol, und Benzol mit einem Unterschuß eines elektrophilen, beispielsweise nitrierenden, Agenzes behandelt. Im gewählten Beispiel zeigt sich dann, daß neben 1000 Molekülen Benzol nur 33 Moleküle Chlorbenzol nitriert werden; die Konkurrenzkonstante K des Chlorbenzols bezogen auf Benzol ist somit 0,033. Während bei der Nitrierung des Benzols jede der 6 CH-Gruppen die gleiche Reaktionschance besitzt, liefert die Nitrierung des Chlorbenzols, wie ein weiterer Versuch ergibt, 29,6% o-, 0,9% m- und 69,5% /?-Nitrochlorbenzol. Es gilt somit v- _ Chlorbenzol Benzol 2 /Cp + 2 /Cm H- /Cp _ - wobei /C0, km und kp als die partiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten bezeichnet werden. Die auf eine Benzolposition, deren spezifische Reaktionsgeschwindigkeit /CH = l gesetzt wird, bezogene Reaktionsgeschwindigkeitskonstante /C0 einer o-Position des Chlorbenzols berechnete sich dann zu ~ 0,033- 6 = 0,029 Entsprechend gilt fcm = 0,0009 und fcp = 0,137. Diese partiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten geben das Ausmaß der Aktivierung oder Desaktivierung an, die der Erstsubstituent in jeder der möglichen Positionen bewirkt. Zur Illustration dieses wertvollen Prinzips seien von einigen Verbindungen die partiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der Nitrierung aller Positionen bezogen auf Benzol (/cBenzol = 1) angegeben: NH-C6H5 0.029110.029 2 -IQ 0.001 k^ 0.001 0.137 8 10 ' ' 5-10 6 8-106 Wie bei der Bromierung beschleunigen auch hier aktivierende (das heißt die Reaktionsgeschwindigkeit erhöhende) Reste die Substitution vorwiegend in o- und pStellung, wirken also o- und /^-dirigierend. Dagegen wird bei den stark desaktivierten Benzolabkömmlingen die m-Substitution bevorzugt. Bei den Halogenbenzolen tritt trotz Gesamtdesaktivierung überwiegend o- und/?-Substitution auf. Es liegt auch hier ein unschwer zu durchschauendes Zusammenspiel von mesomeren, induktiven und sterischen Substituenteneffekten vor, in welchem der + M-Effekt des Halogens die Substitutionsrichtung, der — !-Effekt aber die Reaktionsgeschwindigkeit bestimmt. Die bei der Halogenierung noch nicht erwähnte Reaktionsförderung durch Alkylreste erstreckt sich vorwiegend auf o- und /7-Substitution. Für die Elektronenlieferung der Alkylgruppen sind zwei Effekte verantwortlich zu machen: der induktive, der in der Elektronegativität (sp2-C > sp3-C) seine Ursache hat und in der Reihe Reaktionsgeschwindigkeit der Nitrierung CH 3 < C 2 H 5 < C H ( C H 3 J 2 < C(CH 3 J 3 239 zunimmt, sowie möglicherweise durch Hyperkonjugation, die bei CH3 am stärksten und bei C(CH3)3 am schwächsten ausgeprägt ist. Als Hyperkonjugation (BakerNathan-Effekt) bezeichnet man die Tatsache, daß die C,H-Bindung als Elektronendonator dient und zum Beispiel im Fall der Substitution des Toluols eine zusätzliche Delokalisierung der positiven Formalladung ermöglicht, wie mit der dritten und vierten Grenzformel symbolisiert werden soll: Die theoretische Deutung dieses Effektes ist jedoch nicht unumstritten. Mit wachsendem Wirkungsradius des Alkylrests kommt es außerdem zu einer steigenden sterischen Behinderung des Angriffs auf die 0-Stellung. So ist das Verhältnis o-Substitution: /7-Substitution beim Toluol 1,57 aber beim Cumol nur 0,22. Bei den anellierten mehrkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffen Phenanthren und Pyren wächst die Geschwindigkeit der Nitrierung mit steigender Ringzahl. Beim Naphthalin sind die partiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten für die a- und ^-Stellungen 470- bzw. 50mal so groß wie die des Benzols (die entsprechenden Aktivierungsschwellen also entsprechend kleiner). Bei der Bildung des a-Komplexes aus Naphthalin und dem elektrophilen Agens bleibt die Mesomerie eines Benzolkerns unangetastet. Von den 255 kJ/mol (61 kcal/ mol) Mesomerieenergie des Naphthalins müssen also nur 105 kJ/mol (25 kcal/mol) (255-150 kJ/mol) aufgebracht werden. Die Grenzformeln machen auch die Bevorzugung der a-Substitution klar. H NO2 Natürlich sind an der Mesomerie der Zwischenstufe auch Grenzformeln beteiligt, die die positive Ladung im zweiten Kern tragen. Bei der Bromierung des Naphthalins ist die !-Stellung sogar lOOfach gegenüber der 2-Position bevorzugt. Aktivierende Erstsubstituenten dirigieren die Zweitsubstitution des Naphthalins in denselben Kern, desaktivierende in den Nachbarkern (da sie diesen weniger beeinflussen). 240 Kapitel III. Aromatische Substitution, I OH OH o- und p-Nitrophenol OH HNO3 OH 40g Natriumnitrat oder 50g Kaliumnitrat werden in einem 0,5-l-Rundkolben unter Erwärmen in 100 ml Wasser gelöst. Vor dem völligen Abkühlen auf Raumtemperatur läßt man vorsichtig unter Umrühren 50g konz. Schwefelsäure zufließen und dann bei 2O 0 C unter mechanischem Rühren aus einem Tropftrichter die durch Erwärmen verflüssigte Mischung von 25 g kristallisiertem Phenol und 2,5 ml Wasser zutropfen, wobei man die Temperatur stets zwischen 20 und 25 0 C hält. Nach 2stündigem Stehenlassen bei Raumtemperatur versetzt man mit dem doppelten Volumen Wasser, läßt unter Kühlung mit Eis/Wasser absitzen, gießt die wässerige Schicht so gut wie möglich von dem Öl ab, wiederholt das Auswaschen mit Wasser noch 3mal und destilliert das o-Nitrophenol mit Wasserdampf ab. Das abgesaugte und zwischen Filtrierpapier getrocknete gelbe Präparat ist im allgemeinen schmelzpunktrein; falls nicht, wiederholt man die Dampfdestillation. Schmp. 45 0 C; Ausbeute 12g (33%). — Das mitentstandene kaum flüchtige pNitrophenol wird anschließend aus dem Rückstand der Wasserdampfdestillation isoliert. Hierzu läßt man über Nacht im Kühlschrank stehen, saugt das Rohprodukt ab und kristallisiert es unter Zusatz von ca. 2 g Tierkohle aus 250 ml 0,5N Salzsäure um. Das erste Kristallisat beträgt 4g, aus der Mutterlauge kristallisieren nach Einengen weitere 2,5g des fast farblosen p-Nitrophenols vom Schmp. 114 0 C (18%). Die Flüchtigkeit des o-Nitrophenols rührt von der intramolekularen Wasserstoffbrücke her, die keine starke Bindung an umgebende Lösungsmittelmoleküle (Solvatation) oder gleiche Nachbarmoleküle zuläßt. Nitrosierung der Aromaten 241 m- und/7-Nitrophenol sind in reinem Zustand farblos; 0-Nitrophenol ist gelb. Die Salze aller drei Nitrophenole sind intensiv farbig, und zwar in der o- und m-Reihe rotorange bzw. gelborange, in der /?-Reihe tiefgelb (Anwendung von p-Nitrophenol als Indikator). Die Ablösung des Protons hat also einen bathochromen, das heißt farbvertiefenden, Effekt zur Folge. (Darunter versteht man allgemein eine Verschiebung der Lichtabsorption nach längeren Wellen.) Der bathochrome Effekt der Salzbildung des Phenols selbst ist mit dem Auge nicht erkennbar, das Ultraviolett-Absorptionsspektrum zeigt aber die charakteristische Bandenverschiebung. Mit der Einführung der chromophoren Nitrogruppe in das Phenolat überschreitet die langwellige Absorptionsbande die Grenze zum Sichtbaren. Phenole lassen sich schon mit verdünnter Salpetersäure nitrieren. Da die Nitrierung bei völliger Abwesenheit von salpetriger Säure nur langsam in Gang kommt und durch Spuren von Nitrit beschleunigt wird, liegt der - allerdings nicht streng bewiesene - Schluß nahe, daß es sich hier eigentlich um eine Nitrosierung handelt und die Nitroverbindung durch eine sich rasch anschließende Oxidation der primär gebildeten Nitrosophenole entsteht. Dabei wird aus Salpetersäure neue salpetrige Säure gebildet, die den Kreisprozeß fortsetzt. 'i v\ LJM/"V // V\ • NO2 + HNO2 Allerdings ist das Verhältnis von o- zu /7-Nitrophenol bei der Nitrierung etwa 1:1, während bei alleiniger Nitrosierung die /^-Stellung fast lOfach bevorzugt ist. Hier sei auch die Hydroxynitrierung erwähnt, ein Prozeß, bei dem zum Beispiel aus Benzol mit 55prozentiger Salpetersäure in Gegenwart von Quecksilbernitrat und etwas salpetriger Säure 2,4-Dinitro- oder 2,4,6-Trinitrophenol gebildet wird. Dabei findet als erstes eine elektrophile Mercurierung des Benzols statt. Der Quecksilberrest wird kationisch von NO + verdrängt, das so entstandene Nitrosobenzol geht durch Reaktion mit Stickoxiden über das Diazoniumion (vgl. S. 600) in Phenol über, welches nun nitriert wird. Hg(NO3I2 Phenole und Arylamine werden mit Quecksilber(II)-acetat in o- und ^-Stellung mercuriert. Thiophen, das dem Benzol aus Steinkohlenteer beigemengt ist, wird rascher elektrophil substituiert als Benzol und kann durch Mercurierung oder Sulfonierung (siehe S. 244) selektiv entfernt werden. 242 Kapitel III. Aromatische Substitution, I /V,/V-Dimethyl-p-nitrosoanilin In einem 1-l-Stutzen werden 40g (0,33 mol) Dimethylanilin in 250 ml halbkonz. (also etwa 5N) Salzsäure gelöst. Man umgibt den Stutzen mit Eis, gibt 200 g Eis hinein und läßt aus einem Tropftrichter unter mechanischem Rühren während 20 min die kalte Lösung von 25 g Natriumnitrit (0,36 mol) in 100 ml Wasser zufließen; dabei soll die Temperatur nicht über 5 0 C steigen, und es sollen sich keine nitrosen Gase entwickeln. Nach einstündigem Stehenlassen saugt man das orangegelbe Hydrochlorid scharf ab und wäscht zweimal mit eiskalter 2N Salzsäure und dann mit wenig kaltem Ethanol. Nach Trocknen an der Luft erhält man 50—55 g (82-90%) /V,/V-Dimethyl-p-nitroso-aniliniumchlorid, das für die Reduktion (S. 576) und die Freisetzung des Dimethylamins (S. 278) genügend rein ist. - Zur weiteren Reinigung des Hydrochlorids löst man das noch feuchte Präparat in 600 ml heißer 2N Salzsäure, ohne dabei bis zum Sieden zu erhitzen. Nach Zusatz von 200 ml 95 proz. Ethanol und 100 ml konz. Salzsäure bewahrt man über Nacht im Kühlschrank auf, wobei sich das Hydrochlorid wieder abscheidet. Nach Absaugen und Auswaschen mit wenig eiskalter 2iM Salzsäure gelangt man zu 35-38 g /V,/V-Dimethyl-p-nitrosoaniliniumchlorid mit Schmp. gegen 18O 0 C (Zers.). — Herstellung der freien Base: In einem 500-ml-Erlenmeyerkolben suspendiert man 20 g des umkristallisierten Hydrochlorids (0,11 mol) im zweiphasigen System aus je 50 ml Wasser und Methylendichlorid. Unter Rühren läßt man in 5—10min 70 ml 2N NatriumcarbonatLösung zufließen. Nach weiterem 5-minütigen Rühren trennt man im Scheidetrichter und schüttelt die wässerige Phase 2mal mit je 20 ml Methylendichlorid aus. Die vereinigten organischen Lösungen wäscht man mit wenig Wasser und trocknet sie über Calciumchlorid. Man destilliert das Lösungsmittel am Rotationsverdampfer ab und nimmt den Rückstand in 40 ml siedendem Benzol auf. Nach Abkühlenlassen auf 4O 0 C wird mit dem gleichen Volumen Petrolether (Sdp. 40—8O 0 C) versetzt und mehrere Stunden im Kühlschrank aufbewahrt. Nach Absaugen wäscht man mit wenig eiskaltem Gemisch aus gleichen Teilen Benzol und Petrolether und erhält etwa 13g (26%) /V,/V-Dimethylp-nitrosoanilin als grüne Blättchen mit Schmp. 84-860C. Im Gegensatz zum dimeren Nitrosobenzol (S.490) liegt das AT,Af-Dimethyl-/7nitrosoanilin im kristallisierten Zustand in der monomeren grünen Form vor. Man darf wohl die Mesomerie mit der zwitterionischen Grenzformel für diese Stabilisierung verantwortlich machen. Bemerkenswert ist die leichte nucleophile Substituierbarkeit der Dimethylaminogruppe durch OH ~, die zur Gewinnung von reinem Dimethylamin ausgenutzt werden kann (siehe S. 278). Die Alkylierung des A^N-Dimethyl-p-nitrosoanilins findet am Nitrosostickstoff statt. Die Reaktionsprodukte liefern mit Alkalihydroxid Nitrone, zwitterionische Verbindungen, deren Bindungssystem demjenigen der Azoxyverbindungen entspricht. N-Nitrosierung R-CH 2 -HaI + ON-V V N(CH3)2 + NaOH —— 243 R-CH = N-/ V N(CH3J2 + NaCl + H2O "O Im allgemeinen werden Nitrone durch JV-Alkylierung von Oximen oder durch Umsetzung von N-Alkylhydroxylaminen mit Carbonylverbindungen hergestellt. C=O + N-CH3 —> C=N-CH3 < R C=N + X-CH3 R HO R g OH Die Protonierung des JV,JV-Dimethyl-4-nitrosoanilins erfolgt am Sauerstoff und führt zum gelben chinoiden Immoniumion. Bei Nitrosierungen wie der des N,N-Dimethylanilins darf das Nitrosierungsmittel nicht im Überschuß eingesetzt werden, da dieser die gebildete Nitrosoverbindung zur Nitroverbindung und anderen Folgeprodukten oxidiert. Sekundäre Arylamine wie AT-Methylanilin oder Diphenylamin liefern schon in schwach saurer Lösung gelbe Nitrosamine. Zur Einführung der Nitrosogruppe am Stickstoff ist nicht nur das Nitrosylion (vgl. S. 241) befähigt, sondern vermutlich auch HONO, N 2 O 3 und NOCl. Die erwähnten Nitrosamine lassen sich durch Chlorwasserstoff in Alkohol, Ether oder Eisessig in die /?-Nitroso-Verbindung umlagern (O.Fischer und E.Hepp). Es liegt jedoch keine echte intramolekulare Gruppenverschiebung vor, sondern eine Entnitrosierung, gefolgt von einem irreversiblen Eintritt der Nitrosogruppe in die/?-Position. HCl Die milde Abspaltbarkeit der Nitrosogruppe vom Stickstoff aromatischer oder aliphatischer Nitrosamine kann zur Isolierung und Reinigung sekundärer Amine dienen, die als Nitrosamine aus wässeriger Lösung ausfallen oder mit organischen Lösungsmitteln extrahiert und durch kurze Säurebehandlung regeneriert werden. Nitrosamine sind wegen ihrer starken cancerogenen Wirkung mit äußerster Vorsicht zu handhaben! 244 Kapitel III. Aromatische Substitution, I Sulfonierung Natriumbenzolsulf onat Man versetzt 15Og flüssige rauchende Schwefelsäure mit 5—8% SO 3 -Gehalt in einem 300-ml-Erlenmeyerkolben unter gutem Umschütteln allmählich mit 44,5ml (39,0 g, 0,5 mol) Benzol und wartet dabei nach jeder Zugabe, bis sich der letzte Anteil, welcher anfangs auf der Schwefelsäure schwimmt, beim Umschütteln gelöst hat. (Die Sulfonierung erfordert etwa 10—15min.) Man läßt das Reaktionsgemisch aus einem Tropftrichter langsam unter Umrühren in 500 ml eisgekühlte, kalt gesättigte Kochsalz-Lösung in einem 1-1-Becherglas fließen. Nach einiger Zeit, besonders leicht, wenn man die Wandungen des Glases mit einem Glasstab reibt, scheidet sich das Produkt in glänzenden Blättchen aus; nach längerem Stehen hat sich ein dichter Kristallbrei gebildet. Man saugt ab, preßt den Niederschlag mit einem Glasstopfen fest und wäscht 2mal mit wenig gesättigter Kochsalz-Lösung. Das auf Filtrierpapier oder Ton luftgetrocknete Salz wird pulverisiert und im Trockenschrank auf 11O 0 C erhitzt, bis es staubtrocken ist. Ausbeute etwa 10Og mit Natriumchlorid verunreinigtes Natriumbenzolsulfonat. -Zur Reinigung kristallisiert man 5 g des Rohprodukts aus absolutem Ethanol um (Natriumchlorid ist in Alkohol sehr wenig löslich). Um das als Nebenprodukt entstandene Diphenylsulfon abzutrennen, erwärmt man 30 g des pulverisierten Salzes mit 50 ml Ether, filtriert warm und wäscht mit Ether. Nach Verdampfen des Ethers erhält man eine kleine Menge kristallines Diphenylsulfon, das nach Umkristallisieren im Reagenzglas aus Ligroin bei 128—129 0 C schmilzt. Die aromatischen Sulfonsäuren gehören zu den stärksten Säuren der organischen Chemie und stehen in der Aciditätskonstante nur wenig hinter der Schwefelsäure zurück. Ihre Wasserlöslichkeit (Benzolsulfonsäure ist sehr hygroskopisch) und zuweilen geringe Kristallisationsneigung erschweren die Isolierung. Dagegen lassen sich die Natrium- oder Kaliumarylsulfonate häufig aussalzen, wie das Beispiel Natriumbenzolsulfonat zeigt. Die Erdalkalisalze sind im allgemeinen leidlich wasserlöslich; das bietet die Möglichkeit, im Anschluß an die Sulfonierung die überschüssige Schwefelsäure als Calcium- oder Bariumsalz zu entfernen. Aus den löslichen Erdalkaliarylsulfonaten kann man dann durch Umsetzung mit Alkalicarbonaten leicht die sulfonsauren Alkalisalze gewinnen. Zur Sulfonierung des aromatischen Kerns gemäß ArH + H 2 SO 4 ^ ArSO3H + H2O genügt bereits konzentrierte Schwefelsäure; rauchende Schwefelsäure reagiert jedoch wesentlich rascher. Daß das Schwefeltrioxid das aktive elektrophile Agens ist, zeigen Mechanismus der Sulfonierung 245 Sulfonierungen mit den kristallisierten Komplexen aus SO3 und Dioxan oder Pyridin sowie mit der Lösung von SO3 in Nitrobenzol. SOoH In rauchender Schwefelsäure (Oleum) liegt das SO3 wohl vorwiegend solvatisiert als H 2 S 2 O 7 vor. Für die Sulfonierungen mit konz. Schwefelsäure macht man ein vorgelagertes Autoprotolyse-Gleichgewicht verantwortlich mit dem hypothetischen HSOJ als aktiver Stufe. 3H 2 SO 4 ^± HSO3+ + H3O+ + 2HSO 4 In geringem Ausmaß reagieren die entstandenen Arylsulfonsäuren zu Diarylsulfonen weiter. Sulfone sind recht stabile Neutralkörper; ihre Herstellung durch Oxidation von Thioethern wurde schon S. 161 an einem Beispiel beschrieben. C 6 H 5 SO 2 OH + C6H6 > C 6 H 5 SO 2 C 6 H 5 + H2O Die Abhängigkeit der Sulfonierungsgeschwindigkeit von der Natur der aromatischen Verbindung ist im großen ganzen die gleiche wie bei Halogenierung und Nitrierung, wenngleich quantitativ etwas schwächer ausgeprägt. Der Sulfonsäurerest zeigt eine starke induktive Elektronenanziehung. Die Zweitsulfonierung ist daher erschwert und ergibt nahezu reine Benzol-m-disulfonsäure. Mit hochprozentigem Oleum ist auch die Benzol-l,3,5-trisulfonsäure erhältlich. Die Sulfonierung ist ein reversibler Prozeß. Die Desulfonierung zu Kohlenwasserstoff und Schwefelsäure erfolgt, je nach der Natur des Arylrestes, in siedender verdünnter bis SOprozentiger Schwefelsäure. Normalerweise entspricht einer leichteren Sulfonierung auch eine größere Hydrolyseempfindlichkeit. Die partielle Sulfonierung mit anschließender Hydrolyse besitzt zur Trennung von Kohlenwasserstoffgemischen einige Bedeutung. Mit überschüssiger D2SO4 kann man in einer Folge elektrophiler Substitutionen Benzol bis zum [D6]Benzol deuterieren. Benzolsulf ochlorid PCi5 Man mischt 80g des nach S. 244 gewonnenen rohen Natriumbenzolsulfonats mit 50g pulverisiertem Phosphorpentachlorid in einem 500-ml- Rundkolben, erhitzt unter dem Abzug 6 h im Ölbad auf 180 0 C und rührt dabei ab und zu um. Das abgekühlte Reak- 246 Kapitel III. Aromatische Substitution, I tionsprodukt gießt man langsam in einen Schütteltrichter, der 600 ml Eis/Wasser enthält schüttelt mehrfach um, nimmt nach einstündigem Stehenlassen das Benzolsulfochlorid mit Ether auf, wäscht die etherische Phase mit Wasser, trocknet sie mit wenig Calciumchlorid und destilliert nach dem Abdampfen des Ethers im Vakuum. Die Hauptmenge der charakteristisch riechenden Flüssigkeit geht bei 120—124 0 C / 1 2 Torr über; Ausbeute 40-50 g. Reines Benzolsulfochlorid erstarrt in Eiswasser und schmilzt bei 14 0 C. Sulfonsäurechloride stellt man meist aus Alkalisulfonaten mit PCl5 oder POCl3 her. 3ArSOoNa + + PCI5 > 3ArSO 2 CI + 2NaCI + NaPO3 Die Chlorsulfonsäure macht es möglich, die Sulfochloridgruppe direkt in den aromatischen Kern einzuführen. Mit Benzol erhält man so bei Raumtemperatur in 75prozentiger Ausbeute Benzolsulfochlorid. C6H6 + 2HOSO 2 CI > C 6 H 5 SO 2 CI + H 2 SO 4 + HCI Sulfochloride lassen sich mit Alkoholen oder Aminen in Sulfonsäureester bzw. Sulfonamide überführen, jedoch vollziehen sich diese Umsetzungen viel langsamer als bei den Carbonsäurechloriden. Daß man Benzolsulfochlorid, wenn auch nicht ganz unzersetzt, mit Wasserdampf destillieren kann, beweist die Hydrolysestabilität in neutralem bis schwach saurem Medium. Die Alkylester der Benzolsulfonsäure und der billigeren /7-Toluolsulfonsäure (S. 247) sind geschätzte Alkylierungsmittel. Man gewinnt sie durch dosierten Zusatz starker Natronlauge zur Lösung des Sulfochlorids im betreffenden Alkohol. Versuch: Benzolsulfonamid - In einer Porzellanschale verreibt man 10g feinpulverisiertes Ammoniumcarbonat mit etwa 1 ml Benzolsulfochlorid und erwärmt die Mischung unter gutem Umrühren über einer kleinen Flamme, bis der Geruch des Sulfochlorids verschwunden ist. Nach dem Abkühlen versetzt man mit Wasser, saugt ab, wäscht mehrfach mit Wasser und kristallisiert aus Ethanol um, dem man bis zur Trübung heißes Wasser hinzufügt, Schmp. 156-1570C. Die Sulfochloride reagieren mit primären und sekundären Aminen viel rascher als mit dem weniger nucleophilen Hydroxylion. Man kann die Sulfonamide durch Schütteln der Komponenten in lOprozentiger Natronlauge herstellen. Auch Pyridin ist als HCl-Akzeptor geeignet. Auf die analytische Bedeutung der Sulfonamide zur Trennung von primären und sekundären Aminen wurde schon S. 158 hingewiesen. Darüber hinaus lassen sich flüssige primäre oder sekundäre Amine als kristalline Benzol-, Toluol- oder /?-Brombenzolsulfonyl-Derivate charakterisieren. /7-Toluolsulfonsäure 247 Die stark elektronenanziehende Sulfonylgruppe erhöht die Acidität des N-gebundenen Wasserstoffs der Sulfonamide so stark, daß diese in wässeriger Natronlauge als Salze löslich sind. C 6 H 5 SO 2 NHR + OH> C6H5SO2-S-R + HOH Nur formal ist der Stickstoff des Anions Träger einer vollen negativen Ladung; der größte Teil davon wird vom Sulfonylrest abgezogen. - Mit Halogenierungsreagenzien, zum Beispiel Hypochloriten, geben primäre Sulfonamide N-Mono- oder N9NDihalogenVerbindungen, die als Oxidations- oder Desinfektionsmittel (Chlorlieferanten) Verwendung finden. Ein wichtiger Vertreter ist das A^N-Dichlor-p-toluolsulfamid (Chloramin T). p-Toluolsulfonsäure CH3 H 2 SO 4 ^ CH3 SO3H In einem 500-ml-Kolben mit Wasserabscheider (siehe S. 54, das seitliche Rohr soll möglichst 10—15ml fassen) werden 40 ml (74g, 0,72 mol) konz. Schwefelsäure und 200 ml (174g, 1,90 mol) Toluol auf dem Babo-Trichter oder im Luftbad (nach Zugabe von Siedesteinchen) zu kräftigem Sieden erhitzt. Von Zeit zu Zeit wird das abgeschiedene Wasser in einen kleinen Meßzylinder abgelassen. Nach etwa 5-stündigem Kochen, wenn sich 16-18 ml Wasser gesammelt haben (theoretisch entstehen bei der Reaktion 13,0 ml Wasser), läßt man abkühlen und versetzt mit 12,5 ml Wasser, wobei der Kolbeninhalt erstarrt. Man saugt ab und preßt zur Entfernung von Toluol und o-Toluolsulfonsäure gut auf einem Tonteller ab, löst das zurückbleibende p-Toluolsulfonsäure-hydrat in etwa 70 ml heißem Wasser, kocht mit etwas Kohlepulver auf, saugt auf einer vorgewärmten Nutsche bei geringem Unterdruck ab, wäscht mit 20 ml kochendheißem Wasser und leitet in die erkaltete Lösung unter Kühlung durch ein weites Rohr (08mm) Chlorwasserstoffgas bis zur Sättigung ein. Die abgeschiedenen Kristalle werden auf einem säurefesten Filter oder auf einer Glasfritte abgesaugt, mit wenig eiskalter konz. Salzsäure gewaschen und noch 2mal in der gleichen Weise umkristallisiert. Man trocknet schließlich im Vakuum über Kaliumhydroxid, das man vorher pulverisiert und mehrfach erneuert, bis die Kristalle des p-Toluolsulfonsäure-monohydrats völlig frei von Salzsäure sind (Probe mit Silbernitrat-Lösung). Schmp. 104-1050C; Ausbeute nach Smaligem Umkristallisieren 50-54 g (36-39%). Die Sulfonierung mit einem Unterschuß an Schwefelsäure erlaubt die direkte Isolierung der freien Sulfonsäure. Dies wird dadurch ermöglicht, daß das bei der Reaktion gebildete Wasser, das bei Anwendung der stöchiometrischen Menge Schwefel- 248 Kapitel III. Aromatische Substitution, I säure deren sulfonierende Wirkung bald aufheben würde (daher der Überschuß bei der Methode von S. 244), abdestilliert und mit einem Wasserabscheider (Abb. 46) vom Toluol getrennt wird. Mit diesem Kunstgriff läßt sich die gesamte Schwefelsäure aufbrauchen. Sulfoniert man Toluol bei O 0C mit Oleum (Bedingungen, unter denen keine Desulfonierung stattfindet), so gelangt man zu einem Gemisch aus 43% o-, 4% m- und 53% /7-Toluolsulfonsäuren. Dieses Verhältnis entspricht wohl dem der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten für die 0-, m- und /?-Sulfonierung bei dieser „kinetisch kontrollierten Reaktion". Bei der Sulfonierung oberhalb 100 0C mit noch etwas Wasser enthaltender Schwefelsäure kommt dagegen auch die Desulfonierung zum Zug. In einer Folge von Sulfonierungs- und Hydrolyseschritten wird das kinetische Produktgemisch von dem thermodynamischen Gleichgewicht der drei isomeren Toluolsulfonsäuren untereinToluol + H 2 SO 4 ^± Toluolsulfonsäuren + H 2 O ander überlagert. Diese „thermodynamisch kontrollierte Reaktion" liefert bis zu 90% /?-Toluolsulfonsäure als stabiles Isomeres. Da sehr häufig ein und dieselbe Reaktion bei kinetischer oder thermodynamischer Kontrolle verschiedene Produkte liefert, bietet sich in der Wahl der Reaktionsbedingungen oft eine Möglichkeit, die Ausbeute an gewünschtem Produkt zu erhöhen. Die 0-Toluolsulfonsäure ist Zwischenstufe bei der Herstellung des Süßstoffes Saccharin. Man überführt zu dessen Herstellung ein Gemisch aus o- und p -Toluolsulfonsäuren in die Sulfochloride, friert das bei 690C schmelzende/?-Isomere aus und behandelt den an der 0-Verbindung angereicherten flüssigen Teil mit Ammoniak. Das Sulfonamid wird mit Permanganat zur 2-(Aminosulfonyl)benzoesäure oxidiert; diese schließt spontan den Ring zum l,2-Benzisothiazol-3(2//>on-dioxid, dessen Natriumsalz als Süßstoff Verwendung findet. Als Nebenprodukt der Saccharinfabrikation ist /7-Toluolsulfochlorid (Tosylchlorid) billig erhältlich. Der Tosylrest und noch mehr der der /7-Brombenzolsulfonsäure („Brosylrest") sowie die Reste der aliphatischen Methansulfonsäure („Mesylrest") und besonders der Trifluormethansulfonsäure („Triflatrest") gehören zu den starken nucleofugen Gruppen. Reversibilität der Sulfonierung Natrium-naphthalin-2-sulfonat H 2 SO 4 249 In einem 250-ml-Weithalskolben mit mechanischem Rührer und Tropftrichter werden 64g (0,50 mol) reines Naphthalin (Sdp. 93—94 0 C/12 Torr) im Ölbad geschmolzen und unter stetem Rühren auf 165 0 C (Badtemperatur) erhitzt. Bei dieser Temperatur läßt man in 30 min 38 ml (70g, 0,67 mol) konz. Schwefelsäure zutropfen. Man erwärmt das Reaktionsgemisch unter Rühren 2 h auf 165-1670C, 1 h auf 17O 0 C und schließlich 1 h auf 173 0 C (dabei verdampfen Wasser und etwas Naphthalin). Dann gießt man die braune, noch heiße Reaktionsmischung in 450 ml Wasser in einem 1-1-Becherglas. Aus der so gewonnenen Lösung wird die Sulfonsäure als Natriumsalz gefällt, indem man unter mechanischem Rühren vorsichtig 15g Natriumcarbonat-decahydrat und danach langsam 90 g gepulvertes Natriumchlorid einstreut. Die Lösung erstarrt in kurzer Zeit zu einem Brei, der noch 6 h kräftig gerührt werden muß, um die Ausscheidung zu vervollständigen. Der hellbraune Niederschlag wird auf einer großen Nutsche zunächst vorsichtig abgesaugt, dann scharf abgepreßt (Dauer etwa 45min). Zur Reinigung löst man das rohe Salz in 1 I heißem Wasser, erhitzt 15 min mit 15g Kohlepulver zum schwachen Sieden und filtriert durch ein mit siedendem Wasser angefeuchtetes und vorgewärmtes großes Faltenfilter. Der Filterrückstand wird 3mal mit je 50 ml heißem Wasser ausgewaschen. Aus dem abgekühlten Filtrat kristallisiert das Natriumsalz in farblosen, glänzenden Blättchen. Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank saugt man ab und wäscht auf der Nutsche 2mal mit je 50 ml eiskaltem Wasser. Die Mutterlauge wird im Vakuum zusammen mit allem Waschwasser bis auf etwa 300 ml eingeengt und im Kühlschrank aufbewahrt. Die sich dabei abscheidende zweite Fraktion wird nach scharfem Absaugen durch 2maliges Suspendieren in je 50 ml eiskaltem Wasser gewaschen und mit der ersten Fraktion vereint im Trockenschrank bei 100-11O0C getrocknet. Nach dieser Reinigung enthält das Präparat kaum noch Chloridionen (Probe mit Silbernitrat-Lösung). Ein elegantes Verfahren zur direkten Darstellung der freien Naphthalin-2-sulfonsäure aus den Komponenten findet man bei O. N. Witt [Ber. Dtsch. Chem. Ges. 48, 751 (1915)]. Es sei zur Abwechslung an Stelle der gegebenen Vorschrift empfohlen. Das Trihydrat schmilzt bei 830C. Naphthalin wird leichter sulfoniert als Benzol. Nimmt man die Substitution unterhalb 4O 0 C vor, erhält man Naphthalin-1-sulfonsäure und -2-sulfonsäure im Verhältnis 96 : l im Einklang mit der üblichen Bevorzugung der !-Substitution (S. 239). Arbeitet man dagegen in wasserhaltiger Schwefelsäure bei 17O0C, also wie beim obigen Präparat (bei der Sulfonierung wird Wasser gebildet), stellen sich die folgenden Gleichgewichte ein: SO3H •T ^ l r^ .Y ^XT' ,SO3H *^ /** ^H 7 SO/ 250 Kapitel III. Aromatische Substitution, I Etwa 15% 1-Sulfonsäure und 85% 2-Sulfonsäure sind das Ergebnis dieser thermodynamisch kontrollierten Reaktion. (Auch aus der reinen 1-Sulfonsäure erhält man unter diesen Bedingungen das gleiche Gleichgewichtsgemisch.) Daraus folgt, daß sowohl die Reaktionsgeschwindigkeit der Bildung, als auch die der Hydrolyse von 1Naphthalinsulfonsäure größer sind, als die von 2-Naphthalinsulfonsäure. Die Isomerengleichgewichte scheinen von sterischen Faktoren beeinflußt zu sein. Die voluminöse Sulfonsäuregruppe wird in der !-Position des Naphthalins vom Wasserstoff in Stellung 8 behindert. Auch beim Toluol liegt nur wenig o-Sulfonsäure im Gleichgewicht vor (S. 248). Andere Verhältnisse scheinen beim Anthrachinon zu herrschen, das erst bei höherer Temperatur von Oleum, und zwar ausschließlich in 2-Stellung, sulfoniert wird. Zugabe von Quecksilber beeinflußt den Prozeß derart, daß man unter gleichen Bedingungen ein Gemisch von 97% 1-Sulfonsäure und 3% 2-Sulfonsäure erhält (R.E. Schmidt, 1903). Da man die Säuren nicht wechselseitig ineinander überführen kann, hat man es in beiden Fällen mit kinetisch kontrollierten Reaktionen zu tun. Möglicherweise erklärt eine primäre Mercurierung das Katalysephänomen. Anilin wird besonders leicht sulfoniert. Die als Komponente für Azofarbstoffe wichtige Sulfanilsäure wird durch Erhitzen des Aniliniumhydrogensulfats auf 2000C („Backverfahren") gewonnen. C6H5-NH3 + HSOA~ -^=^- C6H5-NH2 + H 2 SO 4 - Die Eigenschaften der Sulfanilsäure sprechen für das Vorliegen eines inneren Salzes („Zwitterion"). Da die aromatische Aminogruppe schwach basisch, die Sulfogruppe dagegen stark sauer reagiert, ist es verständlich, daß die Sulfanilsäure nur mit Alkalihydroxiden, nicht aber mit verdünnten Mineralsäuren Salze bildet. Die Amide der Sulfanilsäure sind wertvolle Chemotherapeutika gegen Streptokokken- und Staphylokokken-Infektionen (G. Domagk, 1934). Die Stammverbindung wurde mehr und mehr von Abkömmlingen verdrängt, die einen aromatischheterocyclischen Rest am Stickstoff tragen, zum Beispiel dem Sulfathiazol. N^ -SO 2 -NH-C/ J Um solche Verbindungen durch Wechselwirkung eines Sulfochlorids mit einem Arylamin zu erhalten, muß man die Aminogruppe der Sulfanilsäure reversibel schützen. Die Umsetzung des Acetanilids mit Chlorsulfonsäure ergibt das 4-Acetaminobenzolsulfochlorid. Nach Herstellung des substituierten Sulfonamids läßt sich der NAcetylrest leicht mit 2N Salzsäure entfernen. Die Sulfonamide sind nämlich gegen Hydrolyse sehr viel stabiler als die Carboxamide (S. 315). Pikrinsäure CH 3 CO-NH R-NH, HCl 251 SO 2 Cl SO2-NHR Den Mono-, Di- und Trisulfonsäuren der Naphthylamine und Naphthole kommt große technische Bedeutung zur Darstellung von Azofarbstoffen zu. 2,4,6-Trinitrophenol (Pikrinsäure) OH H2SO, OH SOoH HNO. 20 g (0,21 mol) Phenol werden in einem Becherglas mit 45 ml konz. Schwefelsäure gerührt, wobei sich unter Erwärmen eine bräunliche Lösung bildet. Diese Lösung läßt man unter mechanischem Rühren in 100 ml konz. Salpetersäure (d = 1,41; 1,5 mol) eintropfen, die sich in einem 500-ml-Kolben im Ölbad (ohne Heizung) unter dem Abzug befinden. Unter kräftiger Entwicklung nitroser Gase steigt dabei die Temperatur spontan an. Zur Vervollständigung der Reaktion heizt man das Ölbad zunächst auf 10O0C, bis die Gasentwicklung abgeschlossen ist, dann noch einige min bis auf 112 0 C. Die schon in der Endphase einsetzende Kristallisation der Pikrinsäure wird durch Eingießen in die Gfache Menge Eis/Wasser vollständig. Nach kurzem Stehenlassen wird abgesaugt, gut ausgewaschen und noch feucht gesammelt. Ausbeute 35g (72%) Pikrinsäure mit Schmp. 120-1210C. Aus Sicherheitsgründen soll das Präparat mit etwa 10% Wassergehalt in einer Flasche ohne Schließstopfen (Explosionsgefahr beim Mahlen der Kristalle) aufbewahrt werden. Eine Spatelspitze kann aus wässerigem Ethanol oder aus Benzol zu nahezu farblosen, derben Kristallen mit Schmp. 122 0 C umkristallisiert werden. Bei der Nitrierung des ungeschützten Phenols mit starker Salpetersäure entstehen durch Oxidation unerwünschte Nebenprodukte. Man bedient sich daher des Kunstgriffes, das Phenol mit Schwefelsäure in die weniger oxidationsempfindliche Phenol2,4-disulfonsäure überzuführen und dann erst die Salpetersäure einwirken zu lassen. Das Nitroniumion verdrängt dabei nicht nur das Proton in 6-Stellung, sondern auch die beiden Sulforeste. Solche Substituentenverdrängungen - schon oben wurde die saure Hydrolyse der Sulfonsäuren als elektrophile Substitution angesprochen - sind in großer Vielfalt bekannt. Neben SO3H lassen sich in geeigneten Fällen auch Halogen-, Carboxylund Acetylgruppen gegen die Nitrogruppe austauschen. Die Desulfonierung der Phenolsulfonsäuren ist auch durch Halogen möglich. 252 Kapitel III. Aromatische Substitution, I Nitrogruppen erhöhen die Acidität des Phenols erheblich, wie die folgende Aufstellung der entsprechenden pKA-Werte (siehe S. 292) zeigt. Säure Phenol 2-Nitrophenol 3-Nitrophenol 4-Nitrophenol 2,4-Dinitrophenol 2,4,6-Trinitrophenol pKA 9,9 7,2 8,0 7,1 4,0 0,8 Mit dem pXA = 0,80, also der Säuredissoziationskonstante 0,16, nähert sich die Pikrinsäure in ihrer Acidität starken Mineralsäuren. Nach Abspaltung des Protons übernimmt jede der Nitrogruppen infolge ihres induktiven und mesomeren Effekts einen Teil der negativen Ladung des Phenolations; mit dieser Ladungsverteilung geht eine Senkung des Energieniveaus einher. Wie das Trinitrotoluol (S. 236) besitzt auch die Pikrinsäure oxidierende und reduzierende Gruppen im Molekül, die ihr Sprengstoffcharakter geben. Mehrfach nitrierte Verbindungen dürfen nicht stärker erhitzt (zum Beispiel destilliert) werden! Bemerkenswert ist die Fähigkeit von Polynitroaromaten mit elektronenreicheren Aromaten Komplexe zu bilden. Versuch: Herstellung von Pikraten — Man löst 0,80 g reine Pikrinsäure in 20 ml Benzol und verteilt die Lösung auf vier Reagenzgläser. Diese Proben versetzt man mit den warmen Lösungen der in der Tabelle aufgeführten Mengen aromatischer Verbindungen in je 2 ml Benzol. Es scheiden sich, teilweise erst nach kurzer Zeit, die kristallinen Molekülverbindungen ab. Aromatische Verbindung 0,40 g 0,60 g 0,20 g 0,20 g Naphthalin Phenanthren a-Naphthol 0-Naphthol Komplex Kristallfarbe Schmp. [0C] gelb orangegelb rotorange rotorange 150—151 144—145 189-190 155 Daß es sich bei den Pikraten nicht um Salze sondern um Molekülverbindungen handelt, ergibt sich daraus, daß die saure Hydroxygruppe gar nicht erforderlich ist. Donator-Akzeptor-Komplexe 253 Versuch: Herstellung von Komplexen mit 1,3,5-Trinitrobenzo! - Man verteilt die Lösung von 0,80g farblosem 1,3,5-Trinitrobenzol in 12ml Methanol auf 3 Reagenzgläser. Diesen Proben setzt man die Lösungen von je 0,20g der aromatischen Komponenten in je 3 ml Methanol zu. Aromatische Verbindung Naphthalin Phenanthren N,N-Dimethylanilin Komplex Kristallfarbe Schmp. [0C] blaßgelb zitronengelb schwarzviolett 151-152 159-160 108-109 Die Neigung des Ethylentetracarbonitrils (Tetracyanethylen) Molekülverbindungen mit Aromaten zu bilden, übersteigt noch die der Pikrinsäure und zeigt, daß es sich dabei nicht um ein Monopol der Polynitroaromaten handelt. Versuch: Herstellung von Komplexen mit Ethylentetracarbonitril — Die farblosen Lösungen der aromatischen Kohlenwasserstoffe (s. unten) in Cyclohexan werden mit dem gleichen Volumen der farblosen, kalt gesättigten Lösung von Ethylentetracarbonitril in Chloroform (Löslichkeit gering) gemischt, wobei die folgenden Farben die Bildung der Molekülverbindungen anzeigen: Aromat Farbe Benzol hellgelb XyIoI orange Mesitylen rotorange Naphthalin weinrot Phenanthren violett Anthracen grasgrün Im Falle des Anthracens verschwindet die Farbe bald wieder, worauf das farblose DielsAlder-Addukt auskristallisiert (zur Diensynthese vgl. S. 200). Die in sehr großer Zahl bekannten, gut kristallisierenden Komplexe der Polynitroaromaten mit aromatischen Kohlenwasserstoffen wie Phenolen, Arylaminen und Arylethern haben analytische Bedeutung zur Stofftrennung und Identifizierung (siehe S. 703). Neben der Pikrinsäure und dem Trinitrobenzol werden 2,4,6-Trinitroresorcin (Styphninsäure), 2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol (Pikrylchlorid) und 2,4,7-Trinitrofluorenon für diese Zwecke verwendet. Die Komplexe lassen sich leicht spalten. Die der Pikrinsäure zerlegt man, indem man ihre Lösungen in Benzol oder Chloroform mit warmer Natriumhydrogencarbonat-Lösung oder sehr verdünntem Ammoniak schüttelt; dabei geht die Pikrinsäure in die alkalische Phase, die zweite Komponente in die organische. Komplexe mit 1,3,5-Trinitrobenzol lassen sich häufig trennen, indem man sie in einem unpolaren Lösungsmittel über eine Aluminiumoxid-Säule laufen läßt, die das 1,3,5-Trinitrobenzol adsorbiert. Durch Röntgen-Strukturanalyse wurde gezeigt, daß die beiden Komponenten der Komplexe mit ihren Ringebenen übereinander liegen. Danach und aufgrund weiterer 254 Kapitel III. Aromatische Substitution, I Untersuchungen betrachtet man diese Komplexe als Ti-Komplexe (auch ElektronenDonator-Akzeptor-Komplexe oder „charge-transfer"-Komplexe genannt), bei denen eine Wechselwirkung zwischen dem obersten besetzten Orbital des Donators und einem unbesetzten Orbital der Polynitroverbindung als Akzeptor vorliegt. Formal entstehen dabei zwei Radikalionen (die sowohl eine Formalladung als auch ein ungepaartes Elektron besitzen). Da das getrennte Elektronenpaar im Zustand der Spinkopplung verbleibt, haben die Komplexe keinen Biradikalcharakter (sind also auch nicht paramagnetisch). In den Ti-Komplexen ist die Bindung der Partner um so fester, je höher die Elektronenaffinität des Akzeptors und je niedriger das lonisationspotential des Donators ist. Die Donatoraktivität nimmt mit dem Alkylierungsgrad des Benzolkerns, insbesondere aber beim Übergang zu polycyclischen Aromaten, zu. Weitere Donator-Akzeptor-Komplexe liegen in den Chinhydronen (siehe S. 568) sowie in Molekülverbindungen der Aromaten mit dem Silberion, mit Br2, Cl2, SO2 oder mit O2 vor. Ein außerordentlich wirksamer Akzeptor ist die an Elektronen verarmte Doppelbindung des Tetracyanethylens. 2,4-Dinitro-1 -naphthol-7-sulfonsäure (Flaviansäure) OH S03/H2S04 OH HOoS S °3H HNO3 SO 3 H 50g (0,35 mol) fein pulverisiertes a-Naphthol werden unter dauerndem Umschütteln allmählich in 20Og 25proz. Oleum (d = 1,93) eingetragen und gelöst. Dann wird je 1 h im Ölbad auf 9O 0 C und 125 0 C erwärmt. - Um festzustellen, ob das a-Naphthol dabei vollständig in die 1-Naphthol-2,4,7-trisulfonsäure umgewandelt worden ist, wird eine Probe im Reagenzglas mit etwa 1OmI Wasser vermischt, die Lösung mit etwa 1OmI konz. Salpetersäure versetzt und bis fast zum Sieden erwärmt. Wenn sich die gelbe Lösung beim Abkühlen trübt oder Flocken abscheidet, ist die Reaktion durch Zugabe von stärkerem Oleum und erneutes Erhitzen zu vervollständigen. — Die abgekühlte Schmelze wird allmählich in 500 g zerstoßenes Eis eingerührt. Nach Filtrieren wird die braune Lösung mit 85 ml konz. Salpetersäure (d = 1,41; 120 g, 0,82 mol) vermischt und 30 min auf 5O 0 C erwärmt. Nach 12stündigem Stehenlassen bei Raumtemperatur wird abfiltriert und aus heißer verd. Salzsäure umkristallisiert. Die so gewonnenen gelben, bei 151 0 C schmelzenden Nädelchen werden zuerst auf Ton, dann im Exsikkator über Kaliumhydroxid getrocknet. Ausbeute etwa 94 g (85%). 2,4-Dinitronaphthol (Martiusgelb) und seine 7-Sulfonsäure (Flaviansäure) fanden früher als gelbe Wollfarbstoffe Verwendung. Flaviansäure dient auch als Basenfäl- Weiterführende Literatur zu Kapitel III 255 lungsmittel (siehe S. 676). Bei der beschriebenen Herstellung ist - wie bei Pikrinsäure eine 2fache elektrophile Substitution des Sulforestes durch die Nitrogruppe beteiligt. Weiterführende Literatur zu Kapitel III P. Garratt und P. Vollhardt, Aromatizität, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1973. RJ. Garratt und M. V. Sargent, Nonbenzoid Conjugated Cyclic Hydrocarbons, Adv. Org. Chem. 6, l (1969). R. Stroh, Austausch von Wasserstoff gegen Chlor im Kern von Isocyclen mit aromatischem Charakter, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/3, S. 651, Thieme, Stuttgart 1962. A. Roedig, Einführung von Brom durch Austausch von Wasserstoff in Isocyclen und Heterocyclen mit aromatischem Charakter, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/4, S. 233, Thieme, Stuttgart 1960. A. Roedig, Einführung von Jod in Isocyclen und Heterocyclen mit aromatischem Charakter, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/4, S. 557, Thieme, Stuttgart 1960. W. Seidenfaden und D. Pawellek, Einführung der Nitrogruppe durch Austausch von Wasserstoff gegen die Nitrogruppe, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 10/I9 S. 479, Thieme, Stuttgart 1971. F. Muth, Methoden zur Herstellung und Umwandlung aromatischer Sulfonsäuren, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9, S. 429, Thieme, Stuttgart 1955. C. M. Suter und A. W. Weston, Direct Sulfonation of Aromatic Hydrocarbons and Their Halogen Derivatives, Org. React. 3, 141 (1946). D.E. Pearson und CA. Buehler, Unusual Electrophilic Substitution, Synthesis /97/, 455. K. Foster, Organic Charge-Transfer Complexes, Academic Press, London und New York 1969. IV. Aromatische Substitution, Il Experimente: Benzophenon 3-Benzoyl-propionsäure l-Tetraion 1-Indanon a) Über 3-Phenylpropionyl-chlorid mit AlCl3 b) Aus 3-Phenylpropionsäure mit Polyphosphorsäure Triphenylchlormethan Cumol 1-Chlormethylnaphthalin 2,4-Dihydroxyacetophenon 4-(Dimethylamino)benzaldehyd 2,4-Dihydroxybenzoesäure Salicylaldehyd 2-Naphthol Dimethylammoniumchlorid Versuch: Liebermannsche Reaktion 2,4-Dinitrophenylhydrazin 2-Chlor-l,3,5-trinitrobenzol(Pikrylchlorid) Friedel-Crafts-Reaktionen 259 IV. Aromatische Substitution, II. Acylierung und Alkylierung nach Friedel-Crafts und ähnliche Reaktionen Benzophenon A(Cl3 Aktives Aluminiumchlorid: Voraussetzung für das Gelingen einer Friedel-Crafts-Reaktion ist die einwandfreie Beschaffenheit des als Katalysator benutzten wasserfreien Aluminiumchlorids. Handelsübliche Präparate aus versiegelten Gefäßen, die schon einmal geöffnet wurden, sind meist wegen der Undichtigkeit des Verschlusses teilweise hydrolysiert und nicht mehr verwendbar. Man prüfe im schräg gehaltenen Reagenzglas über der Flamme, ob sich eine kleine Probe vollständig oder wenigstens zum weitaus größten Teil sublimieren läßt. Nicht allzu stark verdorbene Präparate lassen sich durch Sublimation brauchbar machen. Für diese Sublimation, die unter dem Abzug durchgeführt werden muß, ist eine sorgfältig getrocknete, mit einer Porzellanschale bedeckte Konservendose gut geeignet; nach Beendigung des Prozesses, bei dem nicht zu stark geheizt werden soll, schüttet man das lockere, nicht sublimierbare Material aus und hebt dann die Krusten des sublimierten Aluminiumchlorids mit einem Messer von den Wandungen der Dose und der Porzellanschale ab. Gelbe Farbe des Präparats hat keinen Einfluß auf dessen Aktivität. Acylierung: In die Lösung von 29,0 ml (35,2g; 0,25 mol) frisch destilliertem (Sdp. 75 0 C / 12 Torr) Benzoylchlorid in 12OmI (105g; 1,35 mol) frisch destilliertem, thiophenfreiem Benzol (das gleichzeitig als Reaktionskomponente und Lösungsmittel dient) trägt man unter jeweils kurzem Abheben des Kühlers im Laufe von 10min 35g (0,26 mol) fein pulverisiertes Aluminiumchlorid (das in einem verschlossenen Gefäß abgewogen wurde) portionsweise ein. Nach jeder Zugabe schüttelt man kräftig um, bis sich das Aluminiumchlorid gelöst hat. Anschließend versieht man den Rückflußkühler mit einer Gasableitung, die in den Abzug führt, und erwärmt die tiefbraune Lösung 3 h in einem Wasserbad von 5O 0 C; die anfangs starke Entwicklung von Chlorwasserstoff ist dann beendet. Das überschüssige Benzol wird unter vermindertem Druck (etwa 200 Torr) abdestilliert, bis das Reaktionsgemisch eben gallertartig zu erstarren beginnt. Den noch warmen Kolbeninhalt gießt man vorsichtig auf etwa 300 ml Eis/Wasser und spült letzte Reste mit etwas eiskaltem Wasser dazu. Nach Zusatz von 10 ml konz. Salzsäure wird so lange kräftig geschüttelt, bis sich (in etwa 10 min) der feste braune Komplex vollständig zersetzt und ein rotes Öl auf der wässerigen Phase gesammelt hat. Man nimmt die organische Phase in 1 50 ml Ether auf und schüttelt die wässerige noch einmal mit 50 ml Ether aus. Die vereinigten Etherauszüge werden 2mal mit je 50 ml 2IM Natronlauge sowie einmal mit 50 ml Wasser gewaschen und über wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet. Anschließend destilliert man den Ether ab, füllt das zurückgebliebene rote Öl in einen Schwertkolben mit Claisenaufsatz (Nachspülen mit etwas Ether) oder einen Kolben mit 260 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II Kugelrohr und destilliert im Vakuum. Benzophenon geht bei 164—165 0 C / 1 2 Torr als farbloses, kristallin erstarrendes Öl über; es wird aus dem Schwert oder Kugelrohr herausgeschmolzen und pulverisiert. Ausbeute 39—40 g (86-88%) einer bei 46-47 0 C schmelzenden farblosen Kristallmasse mit charakteristischem Geruch. 3- Benzoylpropionsäure O C ^COCHXH 7 CO 5 H In einem 1 -I-Kolben mit mechanischem Rührer, Rückflußkühler und Gasableitung in den Abzug werden 200 ml (175g, 2,25 mol) thiophenfreies Benzol und 30g (0,30 mol) pulverisiertes Bernsteinsäureanhydrid (siehe S. 310) innerhalb von 45 min durch den mit Schliffstopfen versehenen dritten Tubus mit 88 g (0,66 mol) fein pulverisiertem aktivem Aluminiumchlorid (siehe voriges Präparat) in 4 Portionen versetzt, wobei man durch kräftiges Rühren ein Zusammenballen verhindert. Kommt die exotherme Reaktion unter Entwicklung von Chlorwasserstoff nach der ersten Zugabe von Aluminiumchlorid nicht spontan in Gang, erwärmt man etwas. Nach Abklingen der Reaktion kocht man unter ständigem Rühren noch 30 min im Ölbad unter Rückfluß. Dann läßt man (zur Hydrolyse des Aluminiumchloridkomplexes) durch einen Tropftrichter innerhalb von 20 min 150 ml Wasser in das gerührte Reaktionsgemisch fließen. Nach Zugabe von 45 ml konz. Salzsäure tauscht man den Rückflußkühler gegen einen absteigenden aus und treibt das Benzol durch Einleiten von Wasserdampf ab. Man überführt den noch heißen Rückstand in ein Becherglas, spült mit etwas heißem Wasser und läßt abkühlen. Das kristalline Produkt wird abgesaugt, auf der Nutsche mit 10OmI verd. Salzsäure gewaschen und zur weiteren Reinigung mit 35 g Natriumhydroxid in 250 ml Wasser 30 min auf dem siedenden Wasserbad verrieben. Man saugt vom Aluminiumhydroxid ab, rührt das Filtrat noch heiß 5 min mit 2 g Aktivkohle, saugt ab und versetzt die fast farblose Lösung mit 60 ml konz. Salzsäure. Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank wird abgesaugt, mit Wasser gewaschen und im Vakuumexsikkator getrocknet. Ausbeute 48—51 g (90-95%) 3-Benzoylpropionsäure mit Schmp. 114-1160C. Eine kleine Probe schmilzt nach Umkristallisieren aus Wasser bei 116-117 0C. 1-Tetraion SOCl 2 AlCl3 Unter dem Abzug werden 30g (0,18 mol) trockene 4-Phenylbuttersäure (siehe S. 544) in einem 100-ml-Kolben mit 18,OmI (0,25 mol) reinem Thionylchlorid übergössen und nach Aufsetzen eines Rückflußkühlers mit Calciumchlorid-Rohr auf dem Wasserbad bis Friedel-Crafts-Reaktionen 261 zum Schmelzen der Säure erwärmt. Ohne Wärmezufuhr läßt man dann die mit Freisetzung von SO2 und HCI verbundene Reaktion 30 min ablaufen und kocht dann noch 5 min unter Rückfluß. Nach Abkühlenlassen destilliert man das überschüssige Thionylchlorid bei etwa 12 Torr und zum Schluß 10O 0 C ab. Das zurückgebliebene 4-Phenylbuttersäurechlorid ist für die Cyclisierung ausreichend rein. — In einem 250-ml-Kolben mit Tropftrichter, mechanischem Rührer und Gasableitung in den Abzugsschacht werden 34 g (0,25 mol) fein pulverisiertes Aluminiumchlorid (siehe oben) mit 90 ml, (78 g, 1,0 mol) trockenem, thiophenfreiem Benzol übergössen. Dazu läßt man während 30 min unter Rühren die Lösung des 4-Phenylbuttersäurechlorids in 60 ml thiophenfreiem Benzol tropfen und hält dabei die Temperatur durch Außenkühlung mit Eis/Wasser unterhalb 1O 0 C. Man rührt noch 5 h bei Raumtemperatur und läßt zur Hydrolyse unter erneuter Außenkühlung mit Eis/Wasser 100 ml Wasser in 30 min zutropfen. Nach Zusatz von 1OmI konz. Salzsäure rührt man bis zur Lösung der festen Anteile weiter, trennt im Schütteltrichter die organische Phase ab und schüttelt die wässerige mit 25 ml Benzol aus. Die vereinigten Benzolextrakte werden mit NatriumhydrogencarbonatLösung und dann mit Wasser gewaschen. Nach Abdestillieren des Benzols wird im Vakuum destilliert; bei 122-124 0 C/10 Torr gehen 22—23 g (82-86%) farbloses 1Tetralon über. 1-lndanon a) Über 3-Phenylpropionylchlorid mit Aluminiumchlorid Analog der Herstellung von 1 -Tetraion (voranstehendes Präparat) werden 1,0 g (67 mmol) reine 3-Phenylpropionsäure mit 6,0 ml (80 mmol) frisch destilliertem Thionylchlorid in das Säurechlorid übergeführt, dann wird dessen Lösung in 25 ml thiophenfreiem Benzol mit 12g (90 mmol) Aluminiumchlorid in 35 ml Benzol umgesetzt. Das Rohprodukt wird in einem Schwertkolben oder Kugelrohr bei 117-118 0 C/12 Torr destilliert. Ausbeute 7,0-7,8 g (79-88%) farbloses 1-lndanon mit Schmp. 40-410C. b) Aus 3-Phenylpropionsäure mit Polyphosphorsäure 60g Diphosphorpentoxid trägt man portionsweise unter Rühren und Kühlen im Eisbad in 30 ml sirupöse Phosphorsäure (85proz., d = 1,71) ein. Nach Aufsetzen eines Calciumchlorid-Rohrs erwärmt man unter gelegentlichem Umschütteln 3 h auf dem siedenden Wasserbad. Dann bringt man den Kolben in ein 70 0 C heißes Ölbad und trägt unter mechanischem Rühren 10g (67 mmol) 3-Phenylpropionsäure spatelspitzenweise während 20 min ein. Wenn sich alles gelöst hat, entfernt man den Rührer und hält unter Feuchtigkeitsausschluß noch weitere 80 min bei 7O 0 C, wobei sich das Reaktionsaemisch braun- 262 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II rot färbt. Nach Abkühlen auf 50 0 C wird in 200 ml Eis/Wasser gegossen und mit 3mal 70 ml Ether ausgeschüttelt. Die mit Natriumhydrogencarbonat und Wasser gewaschene Etherlösung wird über Calciumchlorid getrocknet und der Ether im Vakuum abdestilliert. Das zurückgebliebene, noch blaßgelbe kristalline Rohprodukt wird wie oben angegeben durch Vakuumdestillation gereinigt. Ausbeute 7,2—8,0 g (81—90%) 1 -Indanon, das bei 40-410C schmilzt. Die von C. Friedel und M. Crafts 1877 entdeckte Alkylierung und Acylierung des aromatischen Kerns unter der Einwirkung von Aluminiumchlorid gehören zu den wichtigsten Synthesen in der organischen Chemie. Bei der Ketonsynthese nach Friedel-Crafts substituiert das aus dem Carbonsäurechlorid mit Aluminiumchlorid erzeugte Acyliumion elektrophil den aromatischen Kern; das Proton liefert mit dem komplexen Anion Aluminiumchlorid und Chlorwasserstoff R-C X +AlCl3 ^ R-C = O-AlCl3 ^ R-CO + AlCl4" + R-C=O (H*) + [AlClJ" HClH-AlCt3 Daß der elektrophile Katalysator Aluminiumchlorid mindestens in stöchiometrischer Menge verwendet werden muß, rührt von der Bildung eines Komplexes aus dem Keton und l mol Aluminiumchlorid her. Aluminiumchlorid ist hochmolekular und nur wenig in inerten Lösungsmitteln löslich. Die AlCl3-Komplexe der Carbonsäurechloride lösen sich jedoch in Schwefelkohlenstoff, Methylen- oder Ethylendichlorid. Vielfach verwendet man auch einen Überschuß der zu acylierenden aromatischen Verbindung als Verdünnungsmittel. Das dimere AlBr3 löst sich in Schwefelkohlenstoff und bietet die Möglichkeit, immer in homogener Phase zu arbeiten. Oft verwendet man Nitrobenzol, in welchem Aluminiumchlorid als Komplex löslich ist, als resistentes Lösungsmittel für Acylierungen. Neben den Aluminiumhalogeniden dienen Zinntetrachlorid, Bortrifluorid oder Eisen(III)-chlorid als mildere Friedel-Crafts-Katalysatoren, ebenso Zinkchlorid, das jedoch nur bei stark nucleophilen Aromaten wirksam ist. Im mesomeriestabilisierten Acyliumion befindet sich der größte Teil der positiven Ladung am Sauerstoff (Oktett-Grenzformel). Die am Grundzustand untergeordnet beteiligte Sextett-Grenzformel symbolisiert die elektrophile Aktivität des Ions, die allerdings hinter derjenigen des Nitroniumions zurücksteht. Desaktivierte Benzol- Ringschluß durch Friedel-Crafts-Reaktion 263 derivate wie Nitrobenzol, Benzoesäure oder Benzonitril sind daher der FriedelCrafts-Synthese nicht zugänglich. R-C=OI <-» R—£=Q> Carbonsäureanhydride sind ebenfalls geeignete Friedel-Crafts-Acylierungsmittel. Sie verbrauchen allerdings 2 mol Lewis-Säure. C 6 H 6 + CH3-C-O-C-CH3 + 2AICI 3 > O CH 3 O C 6 H 5 -C=O-^AICI 3 + CH 3 COOAICI 2 + HCI Bernsteinsäureanhydrid liefert mit Benzol 3-Benzoylpropionsäure (S. 260). Deren Reduktionsprodukt, 4-Phenylbuttersäure geht nach Umwandlung in das Säurechlorid leicht eine intramolekulare Acylierung zum l-Tetraion ein. Daß diese Umsetzung in Benzol als Lösungsmittel ausgeführt werden kann (S. 260), beleuchtet den Vorzug der Ringschlußreaktion vor der intermolekularen Acylierung. O O -l- HCl Analog gelangt man von 3-Phenylpropionsäurechlorid zu 1-Indanon. Diese intramolekulare Friedel-Crafts-Acylierung eröffnet den bequemsten Zugang zu substituierten Tetralinen und Indanen. Für solche Ringschlüsse zu cyclischen Ketonen hat sich auch die Einwirkung von wasserfreiem Fluorwasserstoff, konz. Schwefelsäure oder Polyphosphorsäure auf die freien Carbonsäuren bewährt. Polyphosphorsäure wird heute als mildes und bequemes Kondensationsmittel am meisten geschätzt (Nazarow); siehe Cyclisierung der 3-Phenylpropionsäure (S. 261). Bei längeren co-Phenylcarbonsäurechloriden, die zu cyclischen Ketonen mit größerer Ringgliederzahl führen, muß zur Vermeidung intermolekularer Reaktionen in großer Verdünnung gearbeitet werden (Verdünnungsprinzip von Ruggli-Ziegler, siehe auch S. 407). Ganz allgemein werden die Cycloalkane mit ungespannten Ringen (Gliederzahl 5,6 mit Einschränkung auch 7) am raschesten gebildet; kleinere (Gliederzahl 3,4) entstehen wegen Deformation der Valenzwinkel (Baeyer-Spannung) langsamer, jedoch relativ glatt, mittlere (Gliederzahl 8-12) wegen gegenseitiger Behinderung auf derselben Ringseite einander gegenüberstehender Methylenwasserstoffatome (Van der Waals-Spannung) und der Verdrillung der Torsionswinkel aus der günstigen ekliptischen Anordnung von 60 (Pitzer-Spannung) kaum noch. Größere Ringe bilden sich im allgemeinen wieder leichter. 264 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II Aus Phosgen entstehen in doppelter Friedel-Crafts-Reaktion Diarylketone, aus dem Gemisch von CO und HCl in Gegenwart von AlCl3 und Cu(I)Cl nach Gattermann-Koch Aldehyde. 2 C6H6 + COCl 2 _HC[ - ArH + CO HCl.AlCla.CuCl Druck Ar-C Dabei wird aus CO und HCl offenbar das bei Raumtemperatur nicht stabile Formylchlorid in kleinen Anteilen gebildet, das die Friedel-Crafts-Reaktion eingeht. Auch Phenylester von Carbonsäuren sind der Reaktion mit AlCl3 oder BF3 zugänglich. Das Acyliumion acyliert den Kern eines zweiten oder des eigenen Moleküls in o- oder/7-Stellung, so daß o- bzw. /?-Hydroxyphenylketone gebildet werden (Friessche Verschiebung). oder HO Triphenylchlormethan + CCU (C 6 Hs) 3 CCl Als Apparatur dient ein 1-l-Zweihalskolben mit Rückflußkühler, von dem eine Gasableitung bis über die Oberfläche von etwa 300 ml Wasser in einen 1-l-Kolben und dann weiter in den Abzugschacht führt; der zweite Tubus ist mit einem Stopfen verschlossen. — Man legt 230 ml (204 g, 2,62 mol) thiophenfreies Benzol sowie 50 ml (80 g, 0,52 mol) reinen, über Calciumchlorid getrockneten Tetrachlorkohlenstoff vor und trägt unter vorsichtigem Umschwenken während 25—30 min portionsweise 60g (0,45 mol) fein pulverisiertes aktives Aluminiumchlorid (siehe Präparat S. 259) ein, wobei man den Stopfen jeweils nur ganz kurz abnimmt und das Aluminiumchlorid zwischendurch gut verschlossen aufbewahrt. Damit die unter HCI-Entwicklung ablaufende Reaktion nicht zu stürmisch wird, kühlt man von Zeit zu Zeit mit Eis/Wasser. Nach Abklingen der Hauptreaktion erhitzt man noch 30 min auf dem siedenden Wasserbad unter Rückfluß und gießt das abgekühlte dunkelbraune Reaktionsgemisch langsam unter stetem Umschwenken auf eine Mischung von je 200 g gestoßenem Eis und konz. Salzsäure, die sich in einem 2-ISchütteltrichter befindet. Sollte das Eis vor der Zersetzung der ganzen Menge geschmol- Herstellung von Cumol 265 zen sein, fügt man neues Eis und ebensoviel konz. Salzsäure zu. (Die Salzsäure dient dazu, die Hydrolyse des Triphenylchlormethans zurückzudrängen.) Man schüttelt kräftig und setzt, falls sich dann die Schichten nicht trennen, 50-100 ml Benzol zu. Die wässerige Phase wird noch einmal mit 10O ml Benzol ausgeschüttelt; die vereinigten Benzolextrakte werden mit 40 ml eiskalter konz. Salzsäure gewaschen und über Calciumchlorid getrocknet. Dann wird das Benzol auf dem siedenden Wasserbad soweit wie möglich abdestilliert, wobei man gegen Ende vorsichtig einige Milliliter Acetylchlorid oder reines Thionylchlorid zufügt (zur Überführung von etwa entstandenem Triphenylmethanol in Triphenylchlormethan). Der abgekühlte Rückstand wird mit dem gleichen Volumen absolutem Ether durchgerieben und einige h im Eisbad aufbewahrt. Unter schwachem Unterdruck saugt man den Kristallbrei auf der Nutsche ab, tränkt den scharf abgepreßten Kristallkuchen nach Aufheben des Unterdruckes mit eiskaltem Ether und saugt erneut ab. Aus der eingedampften Mutterlauge erhält man auf die gleiche Weise eine zweite, weniger reine Fraktion. Die Gesamtausbeute an Rohprodukt beträgt nach Trocknen im Exsikkator über Schwefelsäure 100—105g (80—84%, bezogen auf Aluminiumchlorid), Schmp. des Rohproduktes 108-110 0 C. - Zur Reinigung löst man das Rohprodukt in möglichst wenig (etwa 70 ml) heißem Benzol, kocht unter Zusatz von einigen Millilitern Acetylchlorid oder Thionylchlorid auf, fügt das 4fache Volumen Petrolether (40—8O 0 C) zu, läßt nach Animpfen unter Eiskühlung kristallisieren und wäscht mit eiskaltem Petrolether. Das im Vakuumexsikkator getrocknete Triphenylchlormethan muß, da es langsam schon von der Luftfeuchtigkeit hydrolysiert wird, gut verschlossen aufbewahrt werden. Zur Reinheitsprüfung ist die Titration einer Probe mit 0,1N alkoholischer Natronlauge gegen Phenolphthalein geeignet. Das umkristallisierte Produkt schmilzt bei 110-1120C und ist immer noch blaßgelb. Ausbeute 80-85 g (64-67%). Cumol 400 ml 80proz. Schwefelsäure, hergestellt durch langsames Eingießen von 317ml 96proz. Schwefelsäure in 115ml Wasser, werden in einem 1-l-Kolben mit Rückflußkühler, mechanischem Rührer und Tropftrichter, in einem Ölbad auf 65 0 C (Badtemperatur) erwärmt. Bei dieser Temperatur läßt man unter starkem Rühren (wichtig, da Zweiphasenreaktion) innerhalb von 2 h die Mischung aus 38 ml (30 g, 0,50 mol) Isopropylalkohol und 89,0 ml (78,0 g, 1,00 mol) thiophenfreiem Benzol zutropfen, rührt noch weitere 2 h bei 65 0 C, läßt abkühlen und gießt in einen 1-I-Schütteltrichter. Man wäscht die obere Schicht mit 50 ml Wasser, 100 ml 2N Natriumcarbonat-Lösung sowie 2mal mit je 50 ml Wasser und trocknet über Natriumsulfat. Zweckmäßig verwendet man zum Nachspülen des Scheidetrichters sowie zum Auswaschen des Trockenmittels einige Milliliter Ether. Das Reaktionsprodukt wird über eine etwa 20cm lange Kleinfüllkörperkolonne oder eine entsprechende Vigreux-Kolonne fraktionierend destilliert. Nach einem Vorlauf von Ether und Benzol und einer geringen Zwischenfraktion geht Cumol bei 149-152 0 C (HauDtmenae bei 151 0 C) über. Ausbeute 38-39 g (63-65%). 266 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II Die Umsetzung des Benzols und seiner Derivate mit ^//cj/halogeniden wird von AlCl3, FeCl3, SnCl4, BF3 oder ZnCl2 (Reihe fallender Aktivität) katalysiert. Wie die Acylierung ist auch die Friedel-Crafts-Alkylierung eine elektrophile Substitution. Bei primären Alkylhalogeniden spielt die Koordinationsverbindung mit dem elektrophilen Katalysator die Rolle des elektrophilen Agens, das mit dem positivierten Carbeniumteil angreift. + CH 3 -Cl-AlCl 3 — + CH3 AlCl 4 -^ +HCl-HAlCl 3 Vermutlich schon bei sefc-Alkyl-, sicher aber bei terf-Alkylhalogeniden wird mit Aluminiumchlorid das Carbeniumsalz (R)3C+AlCl4 gebildet, das besonders rasch reagiert. Polyhalogenalkane können mehrfach reagieren. Die Umsetzung des Tetrachlorkohlenstoffs mit Benzol (siehe S. 264) führt über die Zwischenprodukte Trichlor(phenyl)methan und Dichlor(diphenyl)methan zum Chlor(triphenyl)methan als Endprodukt. Das aus diesem mit AlCl3 entstehende Chlor(triphenylmethylium)aluminat ist wegen völliger Delokalisierung der positiven Ladung nicht elektrophil genug, Benzol zu substituieren. Dagegen reagieren die stärker nucleophilen Phenole ohne Schwierigkeit weiter. Die Tritylierung des Phenols mit Triphenylmethylchlorid zum /?-Tritylphenol ist sogar ohne Aluminiumchlorid möglich. 1 -Chlormethylnaphthalin Vorsicht! 1-Chlormethylnaphthalin und die entstehenden Nebenprodukte sind tränenreizend und blasenziehend (Abzug!), die nebenher entstehenden Chlormethylether sind cancerogen! In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler und Rührer werden 25,6g (0,2 mol) Naphthalin, 11 g Paraformaldehyd, 26 ml Eisessig, 16,5 ml 85proz. Phosphorsäure und 36,2 ml konz. Salzsäure vermischt. Diese Mischung wird unter Rühren 6 h im Wasserbad auf 80—85 0 C erwärmt. Danach kühlt man auf 15—2O 0 C ab und überführt in einen Schüttelrichter. Nach Zugabe von ca. 200 ml Ether schüttelt man zweimal mit je 200 ml Eiswasser aus. Die Etherphase wird weiter mit 50—10OmI kalter 10proz. Kaliumcarbonatlösung und schließlich mit 100-200 ml kaltem Wasser gewaschen. Das Ausschütteln mit Kaliumcarbonatlösung soll sehr vorsichtig geschehen, da durch das in Freiheit gesetzte CO2 ein Überdruck im Scheidetrichter entstehen kann. Es muß also regelmäßig belüftet werden. Die Etherlösung wird dann durch mehrstündiges Stehen mit wasserfreiem Kaliumcarbonat und etwas Magnesiumcarbonat getrocknet. Wenn sich dabei erneut eine wässerige Phase abscheidet, wird diese abgetrennt und der Überstand erneut mit Kaliumcarbonat getrocknet. Sowohl das Auswaschen als auch das an- Friedel-Crafts-Reaktion mit Olefinen 267 schließende Trocknen der Etherlösung muß sehr sorgfältig geschehen, da kleine Wasseroder Säurespuren eine Verseifung des Produktes bei der abschließenden Destillation bewirken können. Die trockene Etherlösung wird zur Entfernung des Lösungsmittels zuerst bei Normaldruck, dann an der Öl- oder Wasserstrahlpumpe im Kugelrohr oder in einem Schwertkolben destilliert. Nach einem Vorlauf von unumgesetztem Naphthalin bei 90-11O0C (Vorsicht! Kristalle können die Apparatur verstopfen) gehen bei 120—1350C (Luftbad) und 1 Torr oder 148-1530C (Luftbad) und 14 Torr 23,0 g (65%) 1-Chlormethylnaphthalin über. Die Chlormethylgruppe —CH2Cl wird in Aromaten durch „Chlormethylierung" mit Formaldehyd (oder Paraformaldehyd) und Chlorwasserstoff eingeführt. Die Reaktion wird mitunter durch Zinkchlorid katalysiert. Statt des monomeren oder polymeren Formaldehyds können auch sein Dimethylacetal oder Chlormethylmethylether ClCH2OCH3 (aus Paraformaldehyd, HCl und Methanol; Vorsicht! Carcinogen) eingesetzt werden. Bei der Friedel-Crafts-Reaktion kann man die Stufe des Carbeniumions bzw. des polarisierten Komplexes auch vom Alken aus erreichen. H2C=CH2 + HCI + AICI3 -> CH 3 CH 2 CI^AICI 3 Zur industriellen Darstellung des als Ausgangsverbindung für Styrol wichtigen Ethylbenzols läßt man Aluminiumchlorid und Chlorwasserstoff - beide in katalytischen Mengen - auf Benzol und Ethylen einwirken. C6H6 -»H2C=CH2 0 3 —> C 6 H s CH 2 CH 3 Die analoge Umsetzung des Propylens liefert das wichtige Cumol. Bei dem S. 265 beschriebenen Versuch wird das Isopropyliumion aus Isopropylalkohol und Schwefelsäure erzeugt. Verschiedene Nachteile schränken die Bedeutung der Friedel-Crafts-Alkylierung als Laboratoriumsmethode ein: a) Mehrfachsubstitution des aromatischen Kerns b) Isomerisierungen. Zu a): Das aus Benzol und Methylchlorid mit AlCl3 entstehende Toluol wird rasch weiter methyliert. Mit überschüssigem Methylchlorid kann man sukzessive die Stufe des Hexamethylbenzols erreichen. Die Endstufe bildet das gelbe isolierbare Heptamethylbenzenium-chloroaluminat, dessen Struktur der eines cr-Komplexes entspricht. HC CH3 -I- CH 3 Cl + AICl3 HC 268 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II Zu b): Primäre Alkylhalogenide gehen in Gegenwart von Aluminiumhalogeniden in sekundäre über; für diese Umlagerung wird eine Hydrid Wanderung im Carbeniumion verantwortlich gemacht. CH-,-CH9-CH Da se/c-Alkylhalogenide rascher in die Friedel-Crafts-Alkylierung eintreten, erhält man aus Benzol mit n-Propylbromid und AlBr3 Isopropylbenzol. Mit milderen Katalysatoren läßt sich die Isomerisierung mehr oder weniger vermeiden. Die Friedel-Crafts-Reaktion ist reversibel; es kann daher zu scheinbaren Alkylwanderungen kommen. So entsteht aus 0-, m- oder/?-Xylol nach längerer Einwirkung von AlCl3 und HCl bei 500C das thermodynamisch bestimmte Gleichgewicht mit 17% o-, 62% m- und 21% /^-Isomerem, während die kinetisch kontrollierte Methylierung von Toluol 55% 0-, 17% m- und 28% /^-Isomeres liefert. - Neben Stellungsisomerisierungen findet man Disproportionierungen, z. B. aus Alkylbenzol zu Benzol und Dialkylbenzol. Auch Umlagerungen in den Seitenketten von Alkylbenzolen werden bei der Reaktion mit Aluminiumhalogeniden beobachtet. Das aus sekButylbenzol im Gleichgewicht entstehende Isobutylbenzol verdankt seine Entstehung einer Methylwanderung im Paar der Carbeniumionen. Einheitliche Monoalkylierungsprodukte erhält man durch lierung und nachträgliche Reduktion der Carbonylfunktion zur Methylengruppe. Die Friedel-Crafts-Alkylierung läßt sich auf Olefine übertragen, wobei der aromatischen Substitution eine olefinische Addition entspricht. H3Cx C H3C Cl + H H2C=CH2 _A^'3c > (CH3J2CH-CH2-CH2CI Die technisch wichtige Addition von Isoalkanen an Alkene erfordert ebenfalls Friedel-Crafts-Katalysatoren und zeigt bezüglich der intermolekularen Hydridübertragung zu dieser enge mechanistische Beziehungen (siehe auch S. 194). Houben-Hoesch-Synthese 2,4- Dihydroxyacetophenon OH CH 3 CN ZnCl 7 XHCl 269 OH HN Wasserfreies Zinkchlorid: Man schmilzt Zinkchlorid im Reagenzglas über der Bunsenbrennerflamme, bis kein Wasserdampf mehr entweicht, zerschlägt nach dem Abkühlen vorsichtig das Glas, entfernt die Glassplitter, wiegt in einem verschlossenen Wägeglas möglichst rasch ein Stück oder nur wenige Stücke des sehr hygroskopischen Kristallkuchens ab und pulverisiert diese unmittelbar vor der Verwendung in einer kleinen Reibschale. Acylierung: Als Apparatur dient ein unter dem Abzug aufgebauter 300-ml-Kolben mit unten erweitertem Gaseinleitungsrohr, das über zwei Waschflaschen mit konz. Schwefelsäure und Sicherheitsflasche mit einer Chlorwasserstoff-Stahlflasche verbunden ist; die Gasableitung führt in den Abzugschacht. — Zur Lösung von 16,5g (149 mmol) reinem Resorcin (im Schwertkolben destilliert; Sdp. 16O 0 C / 12 Torr) und 11,5ml (9,0g, 0,22 mol) frisch destilliertem wasserfreiem (zuvor 1 h über Diphosphorpentoxid gekochtem) Acetonitril in 75 ml absolutem Ether werden 6,0 g wasserfreies Zinkchlorid gegeben. Dann wird, zunächst unter Kühlung mit einem Eisbad, nach 30 min ohne weitere Kühlung Chlorwasserstoff eingeleitet und öfter umgeschüttelt, wobei sich das Zinkchlorid in etwa 1 h löst. Nach etwa weiteren 30 min trübt sich die rötliche Lösung und erstarrt dann bald zum Kristallbrei. Man beendet die Gaseinleitung und bewahrt das Gefäß, mit einem Korkstopfen verschlossen, noch 5 h bei Raumtemperatur im Abzug auf. Ohne vorher abzusaugen, wird dann der Kristallbrei in 200 ml Wasser gelöst; dabei müssen die ersten Milliliter vorsichtig unter Außenkühlung zugegeben werden. Nach Abtrennen der Etherschicht destilliert man in einem 500-ml-Kolben oder im Rotationsverdampfer aus der wässerigen Phase zur Entfernung des gelösten Ethers im Vakuum auf dem Wasserbad etwa 10 ml Wasser über, ersetzt den absteigenden Kühler durch einen Rückflußkühler und erhitzt die gelbe Lösung 30min zum Sieden. Nach dem Abkühlen nimmt man das abgeschiedene gelbe Produkt in 10O ml Ether auf, schüttelt die wässerige Phase mit 2mal 70 ml Ether aus, trocknet die Etherextrakte über wasserfreiem Natriumsulfat und destilliert den Ether ab. Ausbeute 13—15 g rohes 2,4-Dihydroxyacetophenon mit Schmelzbereich 125—135 0 C. — Zur Reinigung löst man in 180 ml heißer 1N Salzsäure, läßt langsam erkalten und bewahrt noch einige h im Kühlschrank auf. Die Kristalle werden auf einer Nutsche abgesaugt, mit einigen Millilitern eiskaltem Wasser gewaschen und im Vakuumexsikkator über Kaliumhydroxid getrocknet. Ausbeute 9—10g (40—44%) beigefarbenes 2,4-Dihydroxyacetophenon mit Schmp. 142-1440C. Erneutes Umkristallisieren aus 160 ml 1N Salzsäure liefert 8—9 g (36—40%) reines Produkt mit Schmp. 144-1450C. Die für die Herstellung von 2,4-Dihydroxyacetophenon angewendete HoubenHoesch -Synthese gestattet es, mehrfache Phenole unter schonenden Bedingungen 270 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II mit Nitrilen, HCl und Lewis-Säure zu Ketonen zu acylieren. Das Nitril vereinigt sich mit Chlorwasserstoff zum Imidsäurechlorid, das unter der Einwirkung von Zinkchlorid eine elektrophile aromatische Substitution bewirkt; das Imin wird anschließend hydrolysiert. Phenol selbst oder 2-Naphthol werden lediglich in Imidsäureester, ArO—Q=NH)CH3, übergeführt, unsubstituierte Aromaten reagieren nicht. Bei der Gattermannschen Aldehydsynthese werden wie bei ihrem Vorbild, der Houben-Hoesch-Synthzse, mehrfache Phenole von der Art des Phloroglucins und Resorcins mit Blausäure bzw. Nitrilen und HCl in Ether acyliert, wobei vermutlich ein Derivat des Formimidsäurechlorids ClHC=NX bzw. Homologe ClC(R)=NX die elektrophilen Agenzien sind; die zunächst entstehenden Benzylidenimine hydrolysieren leicht. Bei weniger reaktiven Phenolen setzt man Zinkchlorid zu. Phenolether, Alkylbenzole oder polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe benötigen Aluminiumchlorid in Benzol oder Chlorbenzol als schärfere Kondensationsmittel. NH CH 3 -C = N + HCl —- CH3-C NH CHo-C Cl Ebenfalls auf Aromaten beschränkt, die nucleophiler sind als Benzol selbst (auch Aniline, Pyrrole und Indole; siehe S. 271), ist die bequeme Aldehydsynthese nach A. Vilsmeier. Aktive formylierende Agenzien sind dabei die aus N-Methylformanilid oder A^N-Dimethylformamid und Phosphoroxychlorid entstandenen mesomeren Kationen. Die mit aromatischen Verbindungen gebildeten Imoniumsalze werden rasch hydrolysiert. CH + POCI H-C N PO2CI2 N-CH3 N R R = CH 3/ C6H5 3/ 6 mesomer CH O CH3 Ar-C R H Cl- + H2O Ar-C + H2N Cl - Vilsmeier-Reaktion 271 Auch N,N-Dialkyl(chlomethylen)ammoniumchloride, die man aus N,N-disubstituierten Formamiden mit Phosphorpentachlorid, besser noch mit Phosgen, erhält, sind als Formylierungsmittel brauchbar. O COCI2 X Cl -> H-C X^ + + CO2 NR NR 2 Cl ~ Daß N,N-Dimethylformamid in Gegenwart von Phosphoroxychlorid Styrol in Zimtaldehyd sowie Phenylacetylen in jS-Chlorzimtaldehyd überführt, unterstreicht erneut die engen Beziehungen zwischen aromatischer und olefinischer Reaktivität. Zur Einführung der Formylgruppe in wenig nucleophile Aromaten wie Benzol oder Naphthalin verwendet man neben einer Lewis-Säure (Dichlormethyl)methylether, den man mit Phosphorpentachlorid aus Ameisensäure-methylester erhält, oder den entsprechenden Thioether (A. Rieche, 1960). /OCH 3 CICH-O-CH3 + ArH + ' 3 > Ar-CH +H2 ° > ArCH=O + CH 3 OH + HCI Vorsicht! Die halogenierten Methylether sind cancerogen. 4-(Dimethylamino)benzaldehyd + (CH 3 ) 2 NCHO P Ci3 ° » (CH3J2N-^V- CHO In einem 250-ml-Kolben mit Tropftrichter, auf dem ein Calciumchlorid-Rohr sitzt, Rührer, Innenthermometer sowie Calciumchlorid-Rohr, das den vierten Tubus verschließt, werden 35,5 ml (32,0 g, 0,44 mol) /V,/V-Dimethylformamid in 15 min unter Eiskühlung und Rühren mit 10,OmI (16,7g, 0,11 mol) frisch destilliertem Phosphoroxychlorid versetzt; dabei soll die Innentemperatur 10 0 C nicht übersteigen. Man ersetzt den Tropftrichter durch einen zweiten und läßt durch diesen 14,1 ml (13,5 g, 0,11 mol) frisch destilliertes /V,/V-Dimethylanilin während 20min in die weiterhin gekühlte und gerührte Mischung fließen. Dann wird noch 2 h unter Rühren auf 9O 0 C erhitzt, das Gemisch auf 100 g Eis/ Wasser gegossen und durch tropfenweise Zugabe von 200 ml BOproz. NatriumacetatLösung unter Rühren neutralisiert. (Steigt dabei die Temperatur höher als etwa 2O 0 C, bildet sich ein grünblauer Farbstoff, der sich später nicht vom Produkt abtrennen läßt.) Nach 12stündigem Aufbewahren im Kühlschrank haben sich 13—14g (79—85%) nahezu farbloser kristalliner p-(Dimethylamino)benzaldehyd ausgeschieden (Schmp. 59 bis 63 0 C). — Zur Reinigung löst man in 35 ml heißem 95proz. Ethanol, filtriert durch einen 272 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II vorgewärmten Trichter, wäscht mit wenigen Millilitern siedendem Ethanol und stellt die Lösung mehrere Stunden in den Kühlschrank. Der Kristallbrei wird abgesaugt, mit wenig kaltem Ethanol gewaschen und scharf abgepreßt. Nach Trocknen über Calciumchlorid im Vakuumexsikkator erhält man 8—9 g eventuell noch beigefarbenen Aldehyd mit Schmp. 70—72 0 C. Durch Einengen der alkoholischen Mutterlauge auf ein Drittel ihres Volumens und Kühlen im Kühlschrank gewinnt man nochmals etwa 1 g vom gleichen Schmelzpunkt. Gesamtausbeute 55-60%. 2,4- Dihydroxybenzoesäure OH KHCO 3 OH CO 2 H In einem 1-l-Kolben mit Rückflußkühler werden 40g (0,34 mol) Resorcin, 200 g (2,00 mol) Kaliumhydrogencarbonat (oder 168 g Natriumhydrogencarbonat) und 400 ml Wasser 2 h auf dem siedenden Wasserbad erwärmt und dann im Babo-Trichter 15 min zum Sieden erhitzt. Nach dem Erkalten gießt man den Kolbeninhalt in einen 2-l-Stutzen und säuert die dunkelbraune Lösung an durch langsame Zugabe von 180 ml konz. Salzsäure (d = 1,1 9) mit einem Tropftrichter, dessen Rohr auf den Boden des Stutzens mündet. Dabei fällt das Produkt in fast farblosen Blättchen aus. Man läßt den Ansatz einige h in einem locker verschlossenen Kolben im Kühlschrank stehen und saugt dann auf einer Porzellannutsche ab. Nach Waschen mit eiskaltem Wasser und Trocknen an der Luft erhält man so 32-35 g Rohprodukt. - Zur Reinigung kocht man diese in 130 ml Wasser mit 3 g Aktivkohle kurz auf, filtriert durch einen vorgewärmten Glastrichter mit angefeuchtetem Faltenfilter und wäscht 2mal mit je 15 ml kochendem Wasser. Nach Abkühlenlassen, mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank, Absaugen und Trocknen im Exsikkator über Calciumchlorid erhält man 24-26 g reines Produkt. Einengen der Mutterlauge auf das halbe Volumen und Kühlen liefern weitere 2—3 g. Gesamtausbeute 46 bis 50% 2,4- Dihydroxybenzoesäure, die bei 202-2040C unter Decarboxylierung schmilzt. Der anionische Sauerstoff im Phenolation übertrifft in der Stärke des elektronenliefernden mesomeren Effekts noch die Aminogruppe. Die Kernsubstitution des Phenolations durch das nur schwach elektrophile Kohlendioxid liefert ein eindrucksvolles Beispiel dafür, in welchem Ausmaß die Reaktivität des Benzolkerns durch Substituenten beeinflußt wird. Das Phenolation verfügt über mehrere nucleophile Zentren und bildet in der Kälte mit Kohlendioxid reversibel das Phenylcarbonation. In der Hitze liegt dessen Zerfallsgleichgewicht auf Seiten der Komponenten, die sich nun zum Salicylation vereinigen. Die von H. Kolbe (1860) aufgefundene Salicylsäuresynthese wird noch heute industriell ausgeführt: Trockenes gepulvertes Natriumphenolat wird mit CO2 unter Druck auf 13O0C erhitzt; Ansäuern des Reaktionsprodukts ergibt in fast quantitativer Ausbeute Salicylsäure. Salicylsäure und -aldehyd 273 Die Tatsache, daß es hierbei ausschließlich zur 0-Substitution kommt, ist auf Chelatbildung (siehe S. 680) des Natriumions mit dem Phenolatsauerstoff und CO2 zurückzuführen; Kaliumphenolat wird unter denselben Bedingungen in o- und pStellung angegriffen. Bei den Anionen des Resorcins, Pyrogallols und Phloroglucins ist die Nucleophilie des Kerns so groß, daß hier die Carboxylierung schon in wässeriger Lösung gelingt, wie die Darstellung der 2,4-Dihydroxybenzoesäure aus Resorcin mit Alkalihydrogencarbonat in siedendem Wasser beweist (oben). Unter den gleichen Bedingungen wird m-Aminophenol in das Tuberkulostatikum /j-Aminosalicylsäure (PAS) übergeführt. Wenngleich eine mechanistische Beziehung zur Kolbe-Reaktion fraglich ist, sei hier die Isomerisierung des Kaliumphthalats bei 40O0C zu Kaliumterephthalat erwähnt, der bei der Herstellung von Polyesterfasern („Terylen") aus Terephthalsäure und z. B. Ethylenglykol industrielle Bedeutung zukommt (B. Raecke). Salicylaldehyd In einem 1-l-Kolben mit Rückflußkühler, Tropftrichter und Innenthermometer erwärmt man die Lösung aus 12Og (3,00 mol) Natriumhydroxid und 120 ml Wasser im Wasserbad auf 8O 0 C, versetzt mit 37,5g (0,39 mol) reinem Phenol und läßt die Lösung nach Entfernung des Wasserbads abkühlen, ohne dabei umzuschüttein, um ein Auskristallisieren von Natriumphenolat zu vermeiden. (Falls doch Natriumphenolat auskristallisiert, löst man es durch Erwärmen und versucht erneut, die kurzfristige Übersättigung bei 60—7O 0 C zu erreichen). Sobald die Temperatur der Lösung 7O 0 C beträgt - spätestens jedoch, wenn die ersten Kristalle ausfallen — läßt man aus dem Tropftrichter etwa ein Drittel von insgesamt 60,0 ml (0,75 mol, 90,0 g) Chloroform zulaufen und schwenkt leicht um (wobei die Flüssigkeit vorübergehend fuchsinrot wird). Unter Einregulieren der 274 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II Innentemperatur auf 65—7O 0 C durch Eintauchen des Kolbens in heißes Wasser fügt man nach 10 min das zweite Drittel und nach weiteren 15 min den Rest des Chloroforms zu; in diesem Stadium soll öfters umgeschüttelt werden. Zum Schluß wird das Reaktionsgemisch noch 1 h im Wasserbad unter Rückfluß gekocht, wobei die Innentemperatur schließlich auf etwa 75 0 C ansteigt. Man ersetzt den Tropftrichter durch ein Einleitungsrohr und leitet Wasserdampf ein (zur Ausführung der Wasserdampfdestillation siehe S. 55), bis kein Chloroform mehr übergeht. Dann läßt man etwas abkühlen, säuert die braune Flüssigkeit vorsichtig mit 2N Schwefelsäure an und leitet erneut so lange Wasserdampf ein, bis sich aus dem Kondensat (insgesamt etwa 500—600 ml), keine Öltropfen mehr abscheiden. Das Destillat wird mit 100 ml, dann mit 50 ml Ether ausgezogen. Aus den vereinten Etherlösungen destilliert man die Hauptmenge des Ethers auf dem Wasserbad oder im Rotationsverdampfer ab. Der Rückstand, der neben Salicylaldehyd unverändertes Phenol enthält, wird in einer Glasstöpselflasche mit 60 ml konz. Natriumhydrogensulfit-Lösung kräftig geschüttelt, wobei sich ein fester Brei der Hydrogensulfitverbindung des Aldehyds abscheiden muß. Nach 1 h saugt man auf einem kleinen BüchnerTrichter scharf ab und wäscht zur vollständigen Entfernung von Phenol mehrere Male mit je 10 ml Alkohol sowie schließlich mit Ether. Die perlmutterglänzenden Blättchenwerden im Abzug in einem 250-ml-Kolben mit Steigrohr durch vorsichtiges Erwärmen mit 12OmI 2N Schwefelsäure unter SO2-Entwicklung zersetzt. Nach dem Abkühlen schüttelt man mit 2mal 50 ml Ether, trocknet die etherische Lösung mit Natriumsulfat und destilliert im Vakuum, wobei der Salicylaldehyd bei 73 0 C / 12 Torr als farbloses Öl übergeht. Ausbeute 9-10 g (28-31 %). Aus dem heiß filtrierten und mit Kochsalz gesättigten Rückstand der Wasserdampfdestillation kristallisiert (öfters erst nach längerer Zeit) p-Hydroxybenzaldehyd aus. Er läßt sich durch Umkristallisieren aus 50 ml Wasser unter Zusatz von wenig schwefliger Säure reinigen. Schmp. 106-11O0C; Ausbeute 2-3 g. Bei der Aldehydsynthese nach Reimer-Tiemann ist aus Chloroform und Alkalihydroxid entstandenes Dichlorcarben das elektrophile Agens. CI3CH + OHoder OR~ CI3C^ — CI3C+ HOH + Cl ~ bzw ROH Cl-C—Cl Die Acidität des Chloroforms, die sich beispielsweise in einem basenkatalysierten H, D-Austausch in schwerem Wasser oder in der Verschiebung des Protonenresonanzsignals in Lösungsmitteln unterschiedlicher Basizität kundtut, hat ihre Ursache im induktiven Effekt der Chloratome, die den größten Teil der negativen Formalladung des Trichlormethylanions übernehmen. Dieses gibt ein Chloridion ab. Dichlorcarben läßt sich auch durch thermische Zersetzung von Alkalitrichloracetaten erhalten. - Eine Additionsreaktion des Dichlorcarbens an die Olefindoppelbindung ist im Präparat auf S. 200 experimentell demonstriert. Auf S. 199 finden sich auch einige Ausführungen über Carbene. Reimer-Tiemann-Synthese und NIH-Verschiebung 275 I + CCl 30% und analog 10% Während die Addition des elektrophilen Dichlorcarbens an den Phenolat-Sauerstoff letztlich zu Triphenyl-orthoformiat führt, gehen aus der Anlagerung an die nucleophilen Kernpositionen Cyclohexadienone hervor, die sich durch Verschiebung eines Protons aromatisieren. Die anschließende Hydrolyse des BenzylidenchloridAbkömmlings folgt bekannten Vorbildern (S. 174). o- und /7-Kresol liefern neben Hydroxyaldehyden Derivate des Cyclohexadienons. Die Methylgruppe blockiert hier eine Aromatisierung; auch die Hydrolyse des nicht benzylständigen Dichlormethylrestes unterbleibt. CHCl 3 _ NaOH ' CHO 25% Cl2CH 12% Biologische Oxidation von aromatischen Verbindungen Aromatische Verbindungen werden im Säugetier (Leber) und durch Bakterien oder Pilze oxidativ verändert („oxygeniert") und abgebaut. Benzol wird vom Hund z.B. als Muconsäure (cis.cis- (oder Z,Z-) 2,4-Hexadien-l,6-disäure) im Harn ausgeschieden. Der durch das Enzym Monooxygenase vermittelte Angriff des Sauerstoffs führt unter Aufhebung des aromatischen Systems zu Arenoxiden. Diese hochreaktiven Zwischenstufen können a) zu Phenolen isomerisieren, b) zu trans-\,2-D\o\Qn hydrolysieren, c) mit Thiolen (z. B. dem cysteinhaltigen Tripeptid Glutathion) zu SArylverbindungen reagieren (Entgiftung). 276 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II Die zum Phenol führende Isomerisierung ist mit einer Wanderung des dem Sauerstoff benachbarten H-Atoms in die Nachbarstellung verbunden (NIH-Verschiebung, von National /nstitutes of //ealth, B. Witkop), was durch Isotopenmarkierung festgestellt wurde. Als Oxidationsprodukt des Naphthalins ist ein 1,2-Epoxid isoliert worden, das zu 1-Naphthol isomerisiert. Das 2,3-Epoxid ist nur in der valenztautomeren stabilen Form des 3-Benzoxepins bekannt, die sich aus dem 1,2-Epoxid wegen des damit verbundenen Verlust s der Benzol-Resonanz nicht bildet. 1,2-Epoxid 2,3 -Epoxid Die Synthese der Arenoxide geht von Epoxiden halogenierter Cyclohexene aus (E. Vogel), z. B. H H2 -2HBr Br H2 Nucleophile aromatische Substitution und ähnliche Reaktionen 2-Naphthol ,5O3Na NaOH -Na2SO3 Für die anschließend beschriebene Alkalischmelze benutzt man am besten einen 1 mm starken Kupfertiegel von ca. 9 cm Höhe, 8 cm oberem und 5 cm unterem Durchmesser, der von einem Eisenring gehalten wird und ein nicht zu dünnes 360 0C-Thermometer, das zum Schutz gegen das geschmolzene Alkali in einer etwa 18 cm langen und 10 mm weiten Kupferhülse mit etwas Ölbadflüssigkeit (zur Wärmeübertragung) steckt. Zum Ausgießen der Schmelze wird ein etwa 25*35 cm großes Kupferblech benötigt dessen Ränder 1 cm zu einer Wanne hochgezogen sind. Während des Versuchs, der unter dem Abzug durchzuführen ist, müssen Schutzbrille und -handschuhe getragen werden. 210 g (5,25 mol) Natriumhydroxid werden im Kupfertiegel mit 20 ml Wasser versetzt und unter Umrühren erhitzt. Sobald die Temperatur von 28O 0 C erreicht ist, trägt man unter fortdauerndem Erwärmen mit einer etwas kleineren Flamme 70,0 g (0,30 mol) feingepulvertes Natrium-2-naphthalinsulfonat unter Umrühren ziemlich rasch ein und hält dabei die Temperatur zwischen 260 und 28O 0 C. Dann vergrößert man die Flamme etwas, Phenole aus Sulfonaten 277 wodurch die Schmelze unter Entwicklung von Wasserdämpfen und Aufblähen schleimiger wird, bis schließlich bei 31O 0 C die eigentliche Reaktion eintritt. Nachdem man die Temperatur etwa 5 min bei 310—32O0C gehalten hat, ist die Schmelze dünnflüssig geworden und die Reaktion beendet. Die Schmelze wird (mit einer kräftigen Tiegelzange) sofort auf das Kupferblech in dünner Schicht ausgegossen, nach dem Abkühlen zerkleinert und in 1 I Wasser gelöst. Man fällt das Naphthol mit 500 ml konz. Salzsäure und extrahiert 1 mal mit 200 ml und 2mal mit je 100 ml Ether. Nach dem Trocknen der vereinten Etherauszüge über Natriumsulfat destilliert man den Ether ab und reinigt den Rückstand durch Vakuumdestillation in einem 100-ml-Schwertkolben oder Kugelrohr. Nach geringem Vorlauf gehen bei 153 0 C / 12 Torr 25g (58%) 2-Naphthol über, die aus dem Schwert oder Kugelrohr herausgeschmolzen und in einer Reibschale pulverisiert werden; Schmp. des fast farblosen Präparats 119-121 0C. Durch Umkristallisieren aus Benzol erhält man farblose Blättchen mit Schmp. 121-1220C. Der nucleophile Austausch des Sulfonatrests erfordert energische Bedingungen. Im Gegensatz zur sauren Hydrolyse der Sulfonate (elektrophile Substitution, S. 250) ist die nucleophile alkalische Spaltung mit einem Wechsel der Oxidationsstufen verbunden. SO3Na -1-2NaOH-y .^xONa T +Na 2 SO 3 H-H 2 O Das industriell wichtige Phenol wird außer durch Alkalischmelze des Natriumbenzolsulfonats auch aus Chlorbenzol mit 15prozentiger Natronlauge bei 37O0C hergestellt. (Über das Auftreten von Arinzwischenstufen siehe S. 282). Die technische Gewinnung von Phenol durch Autoxidation von Cumol ist auf S. 472 beschrieben, die Umwandlung aromatischer Amine in Phenole auf S. 615. Phenole reagieren in wässeriger Lösung sauer (siehe Tab. auf S. 252) („Carbolsäure"). Die gute Mesomeriestabilisierung des Phenolations ist die Ursache der im Vergleich mit Alkoholen gesteigerten Acidität. Phenole können durch Farbreaktion mit Eisen(III)-chlorid erkannt werden. Die meisten geben eine rotviolette Farbe, bei Brenzkatechin ist sie grün. Diese Farbreaktion wird auch von den auf S. 403 besprochenen Enolen und von 0c/-Nitroalkanen (S. 165) gegeben. Die Hydroxygruppe der Naphthole ist reaktiver als die der Phenole. Im Gegensatz zu Phenol lassen sich Naphthole direkt mit Alkohol und Schwefelsäure verethern. 278 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II Auch die von Bucherer entdeckte reversible Überführung von Naphtholen in Naphthylamin in Gegenwart von Sulfit- oder Hydrogensulfitionen sei hier erwähnt. 2Naphthol läßt sich mit wässerigem Ammoniumsulfit bei 15O0C im Autoklaven zu 95% in 2-Naphthylamin umwandeln. Für die Umkehrreaktion benutzt man wässeriges Natriumsulfit. 2-Naphthylamin ist cancerogen (siehe S. 518). HSO; Dimethylammoniumchlorid (CH3J2N 1.NaQH B 2. H.,0 + " (CH3J2NH + In eine Lösung von 24,0 g (0,60 mol) Natriumhydroxid in 500 ml Wasser in einem 1-1Kolben trägt man 24,Og (0,13 mol) /V,/V-Dimethyl-p-nitrosoaniliniumchlorid (S. 242) ein und schüttelt die grüne Suspension nach Verschließen mit einem Schliff stopfen kräftig durch. Dann wird der Kolben mit einem absteigenden Kühler verbunden. Als Vorlage dient ein 500-ml-Kolben, der mit 80 ml 2N Salzsäure (0,16 mol) beschickt ist; der Destillationsvorstoß soll etwa 1 cm tief in die Säure eintauchen. Der Destillationskolben wird (nach Zugabe von Siedesteinchen) im Babo-Trichter zunächst 0,5 h zum ganz schwachen Sieden, dann so stark erhitzt, daß das entstehende Dimethylamin dabei zusammen mit Wasser in die vorgelegte Salzsäure destilliert. Man kocht so lange, bis (nach etwa 1 h) 300 ml übergegangen sind. Das von wenig /V,/V-Dimethyl-p-nitrosoanilin gelb gefärbte Destillat wird mit 5 g Aktivkohle 5 min unter Rühren auf dem siedenden Wasserbad erwärmt und durch ein Faltenfilter filtriert. Die Kohle wird auf dem Filter 3mal mit je 30 ml heißem Wasser gewaschen. Filtrat und Waschflüssigkeit konzentriert man bei etwa 12 Torr auf etwa 50 ml, füllt diese (zur besseren Isolierung des Produkts) in einen 100-ml-Kolben um (Nachspülen mit etwas Wasser) und destilliert im Vakuum das Wasser völlig ab. Die Ausbeute an farblosem, über Kaliumhydroxid im Vakuumexsikkator getrocknetem Dimethylamin-hydrochlorid beträgt 9,0—9,5 g (85—90%). Die wasserfreie hygroskopische Substanz läßt sich aus 15-20 ml absolutem Ethanol Umkristallisieren, wobei man allerdings 2-3 g verliert. Das als Nebenprodukt entstandene Nitrosophenol scheidet man aus dem abgekühlten Rückstand im Destillationskolben durch Ansäuern mit Schwefelsäure ab und nimmt es im Schütteltrichter mit der nötigen Menge Ether auf. Die braungrüne Lösung wird nach kurzem Trocknen mit CaCI2 auf dem Wasserbad auf einige Milliliter eingeengt und scheidet dann beim Abkühlen p-Nitrosophenol kristallin ab. Schmp. 120—13O 0 C (unter Zersetzung). Die völlige Reinigung des Produkts ist schwierig. /?-Nitrosophenol steht mit seiner tautomeren chinoiden Form, dem Chinonmonoxim, im Gleichgewicht. In ganz reinem festem Zustand ist es fast farblos (Oxim), die Lösungen sind olivgrün (Nitrosoform im Gleichgewicht). 2,4-Dinitrophenylhydrazin 279 Versuch: Liebermannsche Reaktion — Eine kleine Menge Nitrosophenol wird in wenig geschmolzenem Phenol gelöst und die Lösung mit etwas konz. Schwefelsäure versetzt. Es entsteht eine kirschrote Färbung, die nach Verdünnen mit Wasser und Zugabe von Natriumhydroxid-Lösung in Blau umschlägt. Die alkalische Hydrolyse Af-dialkylierter /j-Nitrosoaniline ist eine gute Methode, sekundäre Amine in reiner Form zu gewinnen, da die definierte Alkylierung des Stickstoffs nicht möglich ist (siehe S. 157). 2,4- Dinitrophenylhydrazin NHNH N2H4 In einem 500-ml-Erlenmeyerkolben löst man 20g (99 mmol) 1-Chlor-2,4-dinitrobenzol (siehe S. 235) in 15OmI warmem 95proz. Ethanol. Unter Umschwenken versetzt man mit einer Mischung von 12 ml SOproz. Hydrazin-hydrat und 15 ml Ethanol. Die Lösung färbt sich rotviolett; nach wenigen min beginnen sich rote Kristalle auszuscheiden. Man erwärmt noch 2 h im Wasserbad von 7O 0 C, kühlt im Eisbad und saugt ab. Nach Waschen mit 25 ml warmem Ethanol und anschließend mit 100 ml Wasser wird das leuchtend rote Produkt bei 10O 0 C getrocknet; Ausbeute 18g (92%) 2,4-Dinitrophenylhydrazin mit unscharfem Schmp. unter Zersetzung bei 192—1950C. Zum Umkristallisieren eignet sich Butanol oder Dioxan. 2,4-Dinitrophenylhydrazin wird zum Nachweis und zur Identifizierung von Carbonylverbindungen viel verwendet (siehe S. 347). Die Aldehyd- und Keton-2,4-dinitrophenylhydrazone kristallisieren gut und lassen sich aufgrund ihrer Farbe im Dünnschichtchromatogramm gut erkennen (siehe S. 348). 280 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II 2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol (Pikrylchlorid) PCI, Unter dem Abzug werden in einem 500-ml-Kolben 50,0 g (0,22 mol) Pikrinsäure (siehe S. 251; wird die handelsübliche Suspension von Pikrinsäure in Wasser benutzt, saugt man auf einer Nutsche fest ab und trocknet im Vakuumexsikkator über Diphosphorpentoxid) mit 100 g (0,48 mol) Phosphorpentachlorid gut vermischt. Man setzt einen Rückflußkühler mit Gasableitung auf und erhitzt im 80—9O 0 C warmen Wasserbad. Nach ca. 15 min tritt unter Verflüssigung, Braunfärbung und Abspaltung von Chlorwasserstoff die Reaktion ein. Nach deren Abklingen (in etwa 90 min) wird das Produkt langsam unter kräftigem Rühren mit einem Glasstab auf 500—700 g zerstoßenes Eis gegossen und dann auf einer Porzellannutsche abgesaugt. Zur Reinigung (unter dem Abzug) trägt man das Rohprodukt langsam in eine Mischung von 50 ml Salpetersäure (d = 1,4) und 200 ml konz. Schwefelsäure in einem 1 -l-Erlenmeyerkolben ein und erhitzt auf einer Heizplatte auf 80—9O 0 C Innentemperatur. Unter Aufschäumen geht das Produkt in Lösung; diese wird nach 1 min deutlich heller. Man läßt abkühlen, fällt das 2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol durch Eingießen in 800 ml Eis/Wasser, nutscht ab, wäscht mit Wasser und trocknet im Vakuumexsikkator über Calciumchlorid; Rohausbeute 38—42 g. Zum Umkristallisieren löst man in der Mischung aus 35 ml Benzol und 95 ml Ethanol in der Hitze auf, saugt bei nur geringem Unterdruck durch eine im Trockenschrank vorgewärmte Nutsche und spült Kolben- und Filterrückstand mit 30 ml heißem Benzol-Alkohol-Gemisch. Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank saugt man die blaßgelben Nadeln ab und trocknet sie im Vakuumexsikkator über Calciumchlorid. Ausbeute 27-31 g (50-57%) 2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol mit Schmp. 80-820C. Aromatisch gebundene Halogenatome sind normalerweise gegen nucleophilen Austausch sehr resistent. Im /?-Chlornitrobenzol läßt sich das Halogen schon durch Kochen mit verdünnter Natronlauge abspalten. Eine Häufung elektronenanziehender Gruppen in o- oder /7-Stellung erhöht die Austauschfahigkeit des Halogens weiter; 4-Chlor-l,3-dinitrobenzol reagiert bereits bei Raumtemperatur mit alkoholischer Hydrazinlösung (siehe oben). 2-Chlor-l,3,5-trinitrobenzol steht in der Reaktivität den Carbonsäurechloriden nur wenig nach; es wird auch wie ein solches dargestellt (und benannt) (siehe S. 303). Aliphatische und aromatische SN2-Reaktionen unterscheiden sich im Energieprofil grundsätzlich. Während bei der Umsetzung des Alkylhalogenids mit einem nucleophilen Partner nach SN2 lediglich ein Übergangszustand passiert wird (Abbildung S. 169), zeigt die SN2-Reaktion der aromatischen Reihe ein Energieprofil mit zwei Gipfeln. Nach Überwindung eines ersten Übergangszustandes wird eine Zwischenstufe gebildet; ein erneuter Energiehub führt über einen zweiten Übergangszustand nucleophile aromatische Substitution 281 zu den Produkten. Obwohl das Energieprofil damit dem in Abbildung 74 für die SN l-Substitution entspricht, hat die Zwischenstufe eine ganz andere Konstitution. Dies sei am Beispiel der Umsetzung des 2,4-Dinitrochlorbenzols mit Hydrazin illustriert. Die Anlagerung des Hydrazins an das C-I des Benzolkerns ist mit dem Verlust der aromatischen Mesomerie verbunden. Die vom nucleophilen Agens in den Kohlenstoffring hineingetragene negative Ladung wird von den beiden Nitrogruppen übernommen. Hier liegt die Ursache der aktivierenden Wirkung solcher o- oder /?-ständiger, elektronenanziehender Substituenten, wenn man den Übergangszustand in erster Näherung mit der Zwischenstufe gleichsetzt. Das substituierte C-Atom ist in der Zwischenstufe sp3-hybridisiert. O9N -HH2N-NH2 Die aktivierende Wirkung nimmt in folgender Reihe ab: -N2+ > —NO > -NO2 > -CN > -CHO > -CO2H > N(CH 3 ) 3 > Cl > H Sie kann bei Vorhandensein mehrerer Substituenten so stark sein, daß die Zwischenstufe isolierbar ist. Bei der Überführung von 2,4,6-Trinitroanisol in das entsprechende Phenetol durch Kaliumethanolat konnte J. Meisenheimer das tiefrote kristalline Kaliumsalz gewinnen. und andere mesomere Grenzformeln Für alle aromatischen Substitutionen gilt folgende Orientierungsregel: Substituenten, die in o- und /^-Stellung die elektrophile Substitution erschweren, erleichtern die nucleophile Substitution und umgekehrt. 282 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II Im Gegensatz zu den aliphatischen Fluoriden sind die aromatischen, verglichen mit den Chloriden und Bromiden, viel SN2-reaktiver (siehe l-Fluor-2,4-dinitrobenzol, S. 618). Die hohe Elektronegativität des Fluors erleichtert den Angriff des Nucleophils. Ähnlich dem Halogen läßt sich bei ausreichender Aktivierung auch die Nitrogruppe als Nitrit-Anion vom aromatischen Kern ablösen. So geht/7-Dinitrobenzol schon mit siedender 2 N Natronlauge in Nitrophenol und Natriumnitrit über. Die alkalische Spaltung des/j-Nitroso-^N-dimethylanilins (S. 278) ist ein Beispiel für die Verdrängung der Aminofunktion. Auf den Austausch des Sulfonatrestes gegen die Hydroxygruppe gründet sich die S. 276 ausgeführte Synthese von Phenolen. Wasserstoff wird dann als Hydridion vom aromatischen Kern verdrängt, wenn er ein Oxidationsmittel als Akzeptor findet. So erhält man bei der Behandlung von Nitrobenzol mit gepulvertem KOH bei 6O0C 2-Nitrophenol; ein Teil des Nitrobenzols wird dabei zum Azoxybenzol reduziert. 2C 6 H 5 -NO 2 -»• 3H" O" I -C 6 H 5 -N = N-C 6 H 5 + 3OH" Ein weiteres Beispiel ist die von Anthrachinon-2-sulfonat ausgehende Synthese des Alizarins durch oxidierende Alkalischmelze (siehe S. 574). Bei dem oben diskutierten Substitutions-Mechanismus vereinigt sich das nucleophile Agenz mit der aromatischen Verbindung zu einer additiven Zwischenstufe. Die anschließende Eliminierung führt den aromatischen Zustand wieder herbei. Der neue Substituent tritt stets in der Position auf, die die austretende Gruppe verläßt. Arine Nichtaktivierte Halogenaromaten reagieren nicht oder nur unter Extrembedingungen nach diesem Mechanismus. Ungewöhnlich leicht vollziehen sich dagegen der Übergang von ArHaI in ArNH 2 mit Kaliumamid in flüssigem Ammoniak sowie die Bildung von Biphenyl aus Fluorbenzol und Phenyllithium bei Raumtemperatur. Hier begegnet uns ein zweiter Reaktionsweg der nucleophilen aromatischen Substitution, ein Eliminierungs- und Additionsmechanismus, der an seinen typischen Umlagerungen leicht zu erkennen ist. [l-14C]Chlorbenzol liefert mit Kaliumamid in flüssigem Ammoniak ein Gemisch fast gleicher Teile [l-14C]Anilin und [2-14C]Anilin (J. D. Roberts, 1953). Dieses Ergebnis ist verständlich, wenn man Dehydrobenzol (Benz-in) als bindungssymmetrische Zwischenstufe annimmt, die Ammoniak in zwei Richtungen addieren kann. Arme 283 Die Bildung von Biphenyl aus Lithiumphenyl und Fluorbenzol (G. Wittig, 1942) kommt so zustande, daß das Phenyllithium durch sein basisches Anion ein acides ö-ständiges Wasserstoffatom vom Fluorbenzol als Proton abspaltet und durch Lithium ersetzt. Abspaltung von LiF führt zum Dehydrobenzol, an das sich weiteres Phenyllithium anlagert. Durch hydrolytische Abspaltung des Lithiums entsteht dann Biphenyl. ^=1X /=\ H+ Sowohl l-Fluor- als auch 2-Fluornaphthalin werden entsprechend über Dehydronaphthalin beide in l- und 2-Stellung phenyliert (R. Huisgen, 1955). Die 14C-Markierung hat gelehrt, daß auch die alkalische Hydrolyse des Chlorbenzols bei 37O0C über Dehydrobenzol abläuft. Dehydrobenzol eignet sich sehr gut als Dienophil in der Diels-Alder-Synthese und bildet zum Beispiel mit Phenanthren das 3flügelige 9,10-Dihydro-9,10a-benzenoanthracen (Triptycen) (siehe S. 620). Außer den genannten sind inzwischen weitere Synthesen für Dehydrobenzol als Zwischenprodukt entwickelt worden (siehe Lehrbücher). Alle gehen von o-Phenylenverbindungen mit einem nucleofugen und einem elektrofugen Rest (siehe S. 620) aus. Die Isolierung eines Arins ist bisher nicht gelungen, das Ion C6H4" wurde jedoch massenspektrometrisch beobachtet. Die Hammett-Beziehung Einen erfolgreichen Ansatz für quantitative Voraussagen des Ablaufs elektrophiler aromatischer Substitutionen bietet die Hammett-Beziehung: 284 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II Man erhält eine Gerade, wenn man die Logarithmen der Dissoziationskonstanten m- oder/?-substituierter Benzoesäuren gegen die Logarithmen der Geschwindigkeitskonstanten der alkalischen Hydrolyse der zugehörigen Benzoesäureester aufträgt. Die Gleichung Iog(k/k0)= Q-log(K/K0) charakterisiert eine durch den Nullpunkt führende Gerade, wobei k0 und K0 die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante des unsubstituierten Benzoesäureesters bzw. die Dissoziationskonstante der Benzoesäure bedeuten. Die Werte k und K beziehen sich auf die m- oder /^-substituierten Verbindungen. Die Linearität bleibt erhalten, wenn man von den Daten der Esterhydrolyse zu den Geschwindigkeitskonstanten anderer Seitenkettenreaktionen aromatischer Verbindungen übergeht; es ändert sich dabei lediglich der reaktionsspezifische Q-Wert, also der Proportionalitätsfaktor. Auch andere, die aromatische Seitenkette betreffende Gleichgewichtskonstanten fügen sich dieser Beziehung. Die an vielen tausend Geschwindigkeits- und Gleichgewichtskonstanten geprüfte Hammett-Gleichung: Iog(/c//c0) =Q-a, gilt auch für \og(K/K0). Die logarithmische Änderung einer Geschwindigkeits- oder Gleichgewichtskonstanten unter dem Einfluß eines m- oder/?-Substituenten wird dabei mit dem Produkt aus der Substituentenkonstante a und dem reaktionsspezifischen Q-Wert gleichgesetzt. (Man spricht hier auch von einer linearen Beziehung der Freien Energie, da die Logarithmen von Geschwindigkeits- und Gleichgewichtskonstanten der Freien Energien proportional sind). Die Substituentenkonstanten o wurden aus den Dissoziationskonstanten der substituierten Benzoesäuren ermittelt, für die willkürlich Q = +1 festgelegt wurde. Die praktische Bedeutung der Hammett-Gleichung ist augenfällig: Verfügt man über wenige Geschwindigkeits- oder Gleichgewichtsdaten substituierter Benzolderivate, kann man diejenigen für weitere m- oder/?-substituierte Verbindungen mit einem mittleren Fehler von ±15% vorausberechnen. Größer noch ist der Erkenntnisgewinn. Die Substituenten-Konstante a gibt lediglich die elektronische Fernwirkung des Substituenten am Reaktionsort, richtiger, am C-I des 3- oder 4-substituierten Benzolkerns wieder. Positiver und negativer mesomerer und induktiver Substituenteneffekt wirken sich auf Größe und Vorzeichen von a aus. Wegen der von Reaktion zu Reaktion wechselnden sterischen Beeinflussung durch o-Substituenten kann die Hammett-Gleichung dort nicht angewandt werden. Negative a-Werte (Tabelle) bedeuten steigende Elektronendichte an C-I durch die Elektronenlieferung vom Substituenten. Elektronenanziehende Substituenten verursachen Elektronenmangel im Kern und damit positive cr-Werte. Eine näherungsweise Zerlegung der o--Werte in Anteile des mesomeren und induktiven Effekts ge- Hammett- Beziehung 285 lang R. W. Taft; zu den Vereinfachungen gehört die Gleichsetzung des induktiven Effekts von m- und/?-Substituenten am C-I. Wie zu erwarten, ist der mesomere Effekt von /?-Substituenten viel stärker als der von m-Substituenten; aber auch bei letzteren ist er nicht null. Das Gegeneinander von induktivem und mesomerem Effekt bei NH 2 , OH und den Halogenen, schon auf S. 231 erwähnt, findet hier seinen zahlenmäßigen Ausdruck. Man erkennt beispielsweise, daß sich mesomerer und induktiver Effekt /7-ständigen Fluors nahezu aufheben. Die induktive Elektronenanziehung der Nitrogruppe übertrifft die gleichgerichtete mesomere bei weitem; lediglich der erstgenannte Effekt wird bei der Trimethylammoniogruppe wirksam. Tabelle 1. Hammett-a-Konstanten für p- und m-Substituenten sowie deren Aufteilung auf Beiträge des mesomeren (<rMp und <rMm) und induktiven Effekts (a,). Substituent (T_ orm t7Mp ^Mm °"i 4-0,10 + 0,25 + 0,23 -0,05 + 0,50 + 0,47 + 0,45 + 0,38 -h 0,32 + 0,27 + 0,59 -h 0,63 + 0,86 NH2 OH OCH3 CH3 F Cl Br I CO2H CO2C2H5 COCH3 CN NO 2 NJ (CH3)3N + -0,66 -0,36 -0,27 -0,17 + 0,06 + 0,23 + 0,23 + 0,28 + 0,27 + 0,52 + 0,52 + 0,68 + 0,78 + 0,86 + 1,90 -0,16 0,00 + 0,12 -0,07 + 0,34 + 0,37 + 0,39 + 0,35 + 0,36 + 0,40 + 0,31 + 0,63 + 0,71 + 0,90 4-1,76 -0,76 -0,61 -0,50 -0,12 -0,44 -0,24 -0,22 -0,10 + 0,20 + 0,25 + 0,09 + 0,15 0,00 -0,26 -0,25 -0,11 -0,02 -0,16 -0,10 -0,06 -0,03 + 0,08 + 0,04 + 0,04 + 0,08 + 0,04 Nicht weniger aufschlußreich sind die reaktionsspezifischen Q -Werte, deren Vorzeichen und Größe angibt, ob und in welchem Ausmaß Zufuhr (negatives Q) oder Entzug (positives Q) von Elektronen das Reaktionsereignis begünstigt. Hier liegt die Bedeutung der Hammett-Gleichung bei der Klärung von Mechanismen. Wünscht man den Elektronenbedarf am Reaktionszentrum zu ermitteln, dann führt man in die Nachbarstellung einen Phenylrest ein und mißt den Einfluß von m- oder/?-Substituenten auf die Geschwindigkeitskonstante. Die meisten Q-Werte für Seitenkettenreaktionen liegen zwischen — l und +1. Qualitativ stehen die o-Werte auch zu den Geschwindigkeitskonstanten der Substitution von Benzolderivaten in Beziehung. Die elektrophile Substitution erfolgt rascher als die des Benzols, wenn der Erstsubstituent negatives ap liefert. Alle Substituenten mit negativem <TM wirken o,p-dirigierend. Bei der quantitativen Prüfung versagt die Hammett-Gleichung zunächst; sie gilt erst wieder, wenn man neue G+ -Werte einsetzt, in welchen der Beitrag mesomerer Elektronenlieferung viel stärker zur Geltung kommt. Solche hat H. C Brown (1957) durch Messung der Geschwindigkeiten der Solvolyse von kernsubstituierten a,a-Dimethylbenzylchloriden gewonnen. 286 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II -er Hierbei kommt die Bereitschaft des Substituenten X, die positive Ladung zu übernehmen, quantitativ zum Ausdruck, wie die Gegenüberstellung einiger er und G+Werte zeigt. x CH3O CH3 F CN NO 2 -0,27 -0,17 +0,06 -0,78 -0,31 -0,07 +0,66 +0,79 + 0,68 + 0,78 Die Anwendung der a+ -Werte ist dann angezeigt, wenn der aromatische Kern im Übergangszustand der Reaktion einen erheblichen Teil der positiven Einheitsladung zu tragen hat. In begrenztem Umfang kann man einen der Hammett-Beziehung ähnlichen Ansatz nach Taft auch auf aliphatische Reaktionen anwenden. Weiterführende Literatur zu Kapitel IV G. A. Olah (Hrsg.), Friedel-Crafts and Related Reactions, 4 Bände, Interscience Publishers, New York, London und Sydney 1963-1965. C. W. Schellhammer, Die direkte Einführung von R-CO-Gruppen durch Umsetzung von Aromaten oder reaktionsfähigen Heterocyclen, Methoden der organischen Chemie (Houben-WeylMüller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 15, Thieme, Stuttgart 1973. P. H. 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Vogel, Phenyl-alkane bzw. -cycloalkane durch Friedel-Crafts-Alkylierung, Weiterführende Literatur zu Kapitel IV 287 Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5//a, S. 501, Thieme, Stuttgart 1970. C. C. Price, The Alkylation of Aromatic Compounds by the Friedel-Crafts Method, Org. React. 3, l (1946). G. A. Olah, Carbokationen und elektrophile Reaktionen, Angew. Chem. #5, 183 (1973). R. Stroh, Chloralkylierung, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/3, S. 1001, Thieme, Stuttgart 1962. R. C. Fuson und C. H. McKeever, Chloromethylation of Aromatic Compounds, Org. React. /, 63 (1942). G. A. Olah und W. S. Tolgyesi, Haloalkylations in G. A. Olah (Hrsg.), Friedel-Crafts and Related Reactions, Bd. 2, S. 659, Interscience Publishers, New York, London und Sydney 1964. P.E. Spoerri und A.S. Du Bois, The Hoesch Synthesis, Org. React. 5, 387 (1949). C.W. 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Reaktionen der Carboxylgruppe Experimente: Essigsäure-ethylester Benzoesäure-methylester Adipinsäure-diethylester Glykoldiacetat (l ,2-Diacetoxyethan) Die Fettsäuren aus Fetten, Verseifung Ethylenglykol aus dem Diacetat, Umesterung Acetylchlorid Butyrylchlorid Benzoylchlorid /?-Nitrobenzoylchlorid /7-Phenylazobenzoylchlorid (Azobenzol-4-carbonsäurechlorid) p -Brombenzoylchlorid Benzyloxycarbonylchlorid Versuch: Hydrolyse von Säurechloriden Versuch: Esterbildung. Ethylacetat,/?-Nitrobenzoate Essigsäureanhydrid (Benzoesäureanhydrid) Buttersäureanhydrid Bernsteinsäureanhydrid Versuch: Hydrolyse von Anhydriden Dibenzoylperoxid Acetamid Versuch: Amidsynthesen. Acetanilid, Benzanilid Versuch: Acetamid-quecksilber Versuch: Hydrolyse von Acetamid Benzyloxycarbonyl-D, L-alanin D,L-Alanylglycin Versuch: Papierchromatographie Succinimid aus dem Ammoniumsalz der Bernsteinsäure Succinimid durch Umamidierung Hofmann-Abbau des Nicotinsäureamids, 3-Aminopyridin Acetonitril Verseifung eines Nitrils zur Carbonsäure, Phenylessigsäure (Phenylacetamid) Korksäure aus dem Dinitril Harnstoff nach Wöhler Versuche mit Harnstoff: Biuret, Reaktion mit Hypobromit, Reaktion mit salpetriger Säure, Hydrolyse 290 Semicarbazid-hydrochlorid Versuch: Benzaldehyd-semicarbazon Cyclopentanon aus Adipinsäure Säure-Base-Begriff 291 V. Reaktionen der Carboxylgruppe Säure - Base - Begriff Die Definition einer Säure kann nicht ohne die einer Base erfolgen. Den umfassendsten Begriff für Säuren und Basen hat 1923 G. N. Lewis formuliert. Danach sind Säuren alle Teilchen (A), die sich aufgrund einer Elektronenpaarlücke mit Basen verbinden, also solchen Teilchen (B), die ein freies Elektronenpaar besitzen. A + :B ^ Ä—B oder A+ + :B~ ^ A—B Lewis-Säuren sind also alle Kationen (außer Oniumionen wie N(CH3)J oder anderen Komplexen) aber auch neutrale Moleküle mit unaufgefüllten Elektronenschalen wie BF 39 AlCl 3 , SbCl5 und elektronenanziehende, d.h. elektrophile Systeme wie CO2, SO3 und viele andere mehr. Lewis-Basen sind außer der klassischen Base OH" alle Teilchen mit freiem Elektronenpaar, also alle Anionen, aber auch neutrale Moleküle wie H2O, NH 3 , R2S oder Olefine, d. h. alle nucleophilen Systeme. Die enger gefaßte Definition einer Säure als Proton-Donator stammt von J. N. Brönstedt und von T. Lowry aus dem gleichen Jahr (1923). Die Basen werden hier als Proton-Acceptoren definiert und umfassen genau die oben beschriebene Gruppe von Verbindungen. Säuren und Basen reagieren miteinander so, daß sich bei der Protolyse ein Gleichgewicht einstellt, in dem neben der Säure AH und der Base B die zur Säure „konjugierte" Base A~ und die zu B „konjugierte" Säure BH+ entsteht. AH + B *± A' + BH+ Diese Reaktion beinhaltet die Konkurrenz von 2 Basen, nämlich B und A~, um das Proton; wenn B stärker basisch ist als A", liegt das Gleichgewicht auf der rechten Seite und umgekehrt. Lösungsmittel, die selbst Proton-Acceptoren oder -Donatoren sind, hier vor allem das Wasser, protolysieren Säuren unter Bildung von Hydronium-ionen. l.AH + H 2 O <± A" + H 3 O + K _ [A-J[H3O+] 1 [AH][H2O] und werden von Basen zu Hydroxid-Ionen protolysiert. 2. B + H 2 O «* BH+ + OH" = 2 [BH+][OH-] [B][H2O] 292 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Die annähernd konstante Konzentration der Wassermoleküle [H2O] kann in die Konstanten K 1 bzw. K 2 einbezogen werden. Man erhält dann die Säurekonstante KA und die Basenkonstante KB. Die Größe dieser Konstanten gibt die Stärke einer Säure bzw. einer Base in verdünnter wässeriger Lösung an. _ [A-J[H3O+] K [BH+][OH-] "[B] Da jeder Säure AH eine Konjugatbase A~ entspricht, könnte man auch deren Basenkonstante (KB) zur Kennzeichnung wählen, was jedoch keinen Vorteil bringt. Hingegen ist es nützlich, die Basen (B) durch Angabe der Säurekonstanten ihrer Konjugätsäuren (BH+) zu charakterisieren. Formuliert man in diesem Sinn die Protolyse von BH+ 3. BH+ 4- H 2 O 4± B + H 3 O + so ergibt sich für die Säurekonstante KA, : A _ [B][H3O+] ' [BH+] K A - und K8 hängen in folgender einfachen Weise zusammen: KA. . K,- Den Ausdruck [H3O+] [OH~] nennt man das lonenprodukt des Wassers. Statt der Säurekonstanten, deren Werte zwischen ca. 10~ 25 (NH3 + H 2 O ?± H- H3O+, extrem schwache Säure) und 109 (HClO4) liegen können, benutzt man allgemein die „Säurezahl" pKA, die den negativen dekadischen Logarithmus von KA bedeutet: pKA = -logKA. Je stärker die Säure, desto kleiner ist ihr pKA-Wert. In Wasser kann er — 1,73 (= pKA des H 3 O + ) nicht wesentlich unterschreiten und 15,75 (pKA von H 2 O) nicht wesentlich überschreiten. In nicht-wässerigen Lösungsmitteln wie Alkoholen, Eisessig und flüssigem NH3 herrschen, je nach ihrer Basizität, andere Protolysegleichgewichte. Für die Beziehung der Säurezahl pKA, einer Konjugatsäure zur Basenzahl pKB der entsprechenden Base gilt gemäß obiger Gleichung pKA, + pK B =14 Die Stärke einer Säure und die ihrer konjugierten Base sind also einander komplementär: Je stärker eine Säure, desto weniger basisch ist ihr Anion und vice versa. In einfacher Weise bestimmt man den pK-Wert einer schwachen bis mittelstarken Säure (bzw. Base) durch Halbneutralisation der verdünnten Lösung. Hierbei ist nämlich in Gl. 1. [AH] = [A"] und somit KA = [H3O+], das heißt pH = pKA. Carbonsäuren 293 Die wichtigsten Verbindungen saurer Natur im Alltag des organischen Chemikers sind die Carbonsäuren, die durch die Carboxylgruppe charakterisiert sind. Carbonsäuren sind schwach bis mittelstark mit pKA > 2 (Essigsäure: pKA = 4,75). Zu den organischen Säuren gehören weiterhin Sulfon-, Sulfinsäuren, Phenole, sowie Enole (ebenfalls OH-acid); Ammonium- und Imoniumverbindungen (als Konjugatsäuren), Sulfonamide, Amide, Imide (NH-acid); Thiole (SH-acid); Acetylene, Trinitromethan, Triphenylmethan, 1,3-Diketone (CH-acid) und andere. Über „harte" und „weiche" Säuren und Basen, sowie über Unterschiede zwischen Basizität und Nucleophilie sind an anderen Stellen Ausführungen gemacht. Carbonsäuren Die Carbonsäuren verdanken ihren sauren Charakter der Tatsache, daß bei ihnen eine OH-Gruppe an einem Kohlenstoffatom sitzt, das durch den doppelt gebundenen Sauerstoff positiviert und somit H+-abstoßend ist. Den Hauptbeitrag an Energie, die zur Ladungstrennung nötig ist, steuert die Mesomerie des entstehenden Carboxylations bei. R C OH R OH C OH R-C O + B *± R— C t e n ~ l N + HB+ Von bedeutendem Einfluß auf die Säurestärke ist der Rest R. Dieser kann negativierend sein wie die Alkylgruppen der Fettsäuren oder, wenn er ein elektronegatives Atom X wie O, N, S, Halogen und so weiter mit —!-Effekt enthält, positivierend. Dabei hängt die Größe der induktiven Wirkung natürlich vom Abstand des Substituenten von der Carboxylgruppe ab. Auch eine mesomere, die Acidität verstärkende Wirkung geeigneter rc-elektronenhaltiger Gruppen ist bekannt, die sich bei den a,/?ungesättigten Fettsäuren als Resonanz-Stabilisierung des positiven Molekülteils formulieren läßt. 294 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Tabelle 2. pKA-Werte einiger Säuren in Wasser (gerundet) A. Carbonsäuren RCO 2 H pK A H H3C 3,75 4,75 4,8 5,0 4,25 3,1 2,5 H3C-CH2-CH(Cl) H3C-CH(Cl)-CH2 H2C(Cl)-CH2-CH2 ClCH2 Cl2CH Cl3C HS-CH2 2,9 4,0 4,5 2,85 1,5 0,7 3,7 HO2C-CH2 (1.) HO 2 C (1.) _f_ 2,8 1,2 2,35 H3CCH2CH2 H3C(CH2)9 H 2 C=CH H3C-HC(OH) H3C-CO H3N-CH2 (Glycin) C6H5 C6H4(O-NO2) C 6 HJm-NO 2 ) C6H5(P-NO2) 4,2 2,15 3,5 3,4 B. Andere Säuren, Konjugatsäuren Säure Phenol p-Nitrophenol HCN 1 Säure pKA 9,3 10,65 10,75 9,8 9,8 4,6 9,9 7,15 9,3 4,0 -11 ~7 HNH3 (Ammoniumion) HNH2(CH3) HNH(CH3)2 HN(CH 3 ) 3 HNH 2 (CH 2 COj) (Glycin) HNH 2 (C 6 H 5 ) (Aniliniumion) HNH2(C6H4-/>NO2) 2 Barbitursäure n-Butanthiol Thiophenol C6H5SO3H (^-NH2)C6H4SO3H 1 2 0,7 3,3 1,0 pKA-Werte anderer Nitrophenole siehe S. 252. pKA-Werte weiterer Nitroaniliniumionen siehe S. 533. —c oc ' \OH Säure-verstärkende Wirkung eines Elektronenanziehenden Restes X \ 0-H O— H Mesomerie der positiven Ladung bei a,/?- ungesättigten Säuren Exakte Aussagen über induktive und mesomere Effekte von Substituenten hat man erstmalig durch planmäßige Variation der Sustituenten aromatischer Carbonsäuren erhalten (siehe „Hammet-Beziehung" auf Seite 283.) Die Reaktionen der Carboxylgruppe sind 1. durch die Elektrophilie ihres C-Atoms und 2. durch die Nucleophilie ihrer O-Atome bestimmt. 1. Die Elektrophilie des Kohlenstoffs befähigt diesen zur Reaktion mit nucleophilen Agenzien. Diese wird als Acylierung (Acyl = RCO) bezeichnet. Reaktionen der Carbonsäuren 295 ,0 / 'OH + :Y~ > I R—C-Y C9^ _ —~OH" > /^ R-C ° ciH \ Acylierungsprodukt Hierzu gehören die meisten der in diesem Kapitel besprochenen Reaktionen. Nahezu alle Derivate der Carbonsäuren (außer ihren Salzen und den Amiden) sind stärkere Acylierungsmittel als die Säuren selbst. Die Reaktion verläuft über ein tetraedrisch gebautes Addukt (Orthosäurederivat), das wegen der Resonanzstabilität der Carbonylgruppe unter Abspaltung eines Liganden rasch in den trigonalen Zustand des Acylierungsprodukts übergeht. Bewahrt man eine Carbonsäure in 18O-haltigem Wasser auf, so findet ein Austausch von 16O gegen das Isotop statt, der auf dem Weg über die Orthosäure zu verstehen ist. 18 OH <± R-C 18 R-C + H 2 18 O <± R— C-OH + H2O OH OH OH 2. Die Carboxygruppe kann als Nucleophil mit einem ihrer Sauerstoffatome in Reaktion treten, besonders leicht im deprotonierten Zustand, als Anion. Wir sprechen von ^O einer Acyloxyübertragung (R—C ^ ). E = Elektrophiles Teilchen Hierzu gehört zum Beispiel die Alkylierung von Carboxylationen zu Estern (S. 298) oder die der Carbonsäuren mit Diazomethan zu Methylestern (S. 632). Carbonsäuren werden durch energische Oxidation von Methylgruppen, primären Alkoholen, Aldehyden oder durch oxidative Spaltung von C—C-Bindungen erhalten. Weitere verbreitete Synthesemethoden sind: Hydrolyse von Nitrilen oder Trihalogenmethyl-verbindungen, Carboxylierung, also Einführung von CO2 in stark nucleophile Agenzien wie metallorganische Verbindungen, Phenolate und andere (siehe S. 434). 296 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Einführung eines Carboxyalkylrests, —C—CO 2 H, durch Malonester- oder Acetessigester-Synthese (siehe S. 413). Carbonsäureester Veresterung Essigsäure-ethylester CH 3 CO 2 H + C 2 H 5 OH <± CH 3 CO 2 C 2 H 5 + H 2 O Die Reaktion erfolgt in einem 2-Hals-Schliffkolben von 0,51, dessen einer Tubus mit einem 250 ml Tropftrichter, der andere mit einer Rohrbrücke und einem absteigenden Schlangenkühler verbunden ist. Man erhitzt im Kolben eine Mischung aus 50 ml 96prozentigem Ethanol und 50 ml konzentrierter Schwefelsäure im Ölbad auf 14O 0 C und läßt, sobald diese Temperatur erreicht ist, durch den Tropftrichter eine Mischung von 400 ml Ethanol und 400 ml Eisessig (je 7 mol) in dem Maße zufließen, wie der sich bildende Essigester überdestilliert. Das Destillat wird zur Entfernung mitgegangener Essigsäure im Scheidetrichter solange mit 1N Natriumcarbonatlösung geschüttelt (Vorsicht Gasentwicklung, Schäumen!), bis die obere Schicht neutral ist, dann wird diese abgetrennt, zur Entfernung des Alkohols mit einer Lösung von 10O g Calciumchlorid in 10O ml Wasser ausgeschüttelt und nach Abtrennen über Calciumchlorid getrocknet. Fraktionierte Destillation auf dem Wasserbad gibt 490-525 g (80—85% d.Th., bezogen auf den Eisessig) vom Siedepunkt 78 0 C. Verwendung für Acetessigester (S. 401), Acetylaceton (S. 401). Benzoesäure-methylester C 6 H 5 CO 2 H + CH3OH <± C 6 H 5 CO 2 CH 3 + H2O 30,5 g Benzoesäure (0,25 mol) werden in 150 ml Methanol nach Zugabe von 3 ml konzentrierter Schwefelsäure 4 h am Rückflußkühler zum Sieden erhitzt. Man destilliert dann auf 50 ml ab, versetzt mit 300 ml Wasser und ethert mehrmals aus. Die Etherschicht wird mit 1N Natriumcarbonatlösung entsäuert, mit Na-sulfat über Nacht getrocknet und das Lösungsmittel abgedampft. Beim Destillieren unter vermindertem Druck gehen bei 83 0 C / 11 Torr 26-30 g (80-90% d.Th.) des Esters über. Adipinsäure-diethylester HO 2 C(CH 2 J 4 CO 2 H + 2C 2 H 5 OH & H 5 C 2 O 2 C(CH 2 ) 4 CO 2 C 2 H 5 + 2H 2 O In einem mit absteigendem Kühler und Thermometer versehenen 0,5-l-Rundkolben werden 75 g Adipinsäure (0,5 mol), 180 ml abs. Ethanol (3 mol), 90 ml Toluol und 10 Trop- Ester der Carbonsäuren 297 fen konz. Schwefelsäure vorsichtig im Ölbad erhitzt. Das azeotrope Gemisch aus Wasser, Alkohol und Toluol beginnt bei 75 0 C überzugehen; man reguliert die Wärmezufuhr so, daß in der Stunde nicht mehr als 100 ml Destillat erhalten werden. Wenn die Siedetemperatur 78 0 C erreicht hat, schüttelt man das gesamte Destillat zur Entfernung des Wassers mit 75 g wasserfreiem K 2 CO 3 kräftig durch, saugt ab und gibt das Filtrat in den Reaktionskolben zurück. Nun wird nochmals wie zuvor langsam destilliert, bis 78 0 C erreicht sind, dann der Rückstand in 0,5 I Ether gelöst, die Lösung mit Na-carbonatlösung entsäuert, verdampft und i. Vak. fraktionierend destilliert. Man erhält 95 g (=95% d. Th.) Adipinsäure-diethylester, die bei 138 0 C / 20 Torr übergehen. Glykoldiacetat (1,2- Diacetoxyethan) BrCH2-CH2Br + 2KOCOCH 3 > CH2 OCOCH33 2 \ + CH 2 OCOCH 3 2KBr In einem 500-ml-Kolben mit Rückflußkühler erhitzt man die Mischung von 62 g (29,5 ml, 0,33 mol) 1,2-Dibromethan, 20 ml Eisessig und 60g (0,61 mol) frisch geschmolzenem, fein pulverisiertem Kaliumacetat (vgl. S. 309) in einer Heizhaube 2 h lang zum Sieden. Danach destilliert man das Reaktionsprodukt vorsichtig durch einen absteigenden Kühler ab, versetzt das Destillat abermals mit 62 g 1,2-Dibromethan und 80 g Kaliumacetat wie oben, erhitzt 2—3 h zum Sieden und destilliert erneut ab. Das Destillat fraktioniert man an einer Widmer-Spirale, fängt von 14O 0 C ab auf und destilliert danach nochmals die von 180—19O 0 C mit Hauptanteil bei 186 0 C siedende Fraktion heraus. Ausbeute 70g (73% d.Th.). Aus Carbonsäuren und Alkoholen entstehen, vorzugsweise beim Erhitzen in Gegenwart eines Protonen-liefernden Katalysators, in einer Gleichgewichtsreaktion Ester und Wasser RCO2H + R'OH * RCO2R' + H 2 O K= [RCO2H] -[R' OH]* Als Protonen-Lieferanten werden meistens starke Säuren wie Schwefelsäure, SuIfonsäuren oder Salzsäure verwendet, auch stark saure Ionenaustauscher des Sulfonsäuretyps sind brauchbar, deren nachträgliche Abtrennung durch einfaches Dekantieren oder Filtrieren möglich ist. Die Gleichgewichtskonstante K beträgt für das Beispiel der Veresterung von Essigsäure mit Ethanol bei molarem Ansatz 2/ . 2/ / 3 / 3 V3 ' V3 das heißt, es befinden sich im Gleichgewicht je 2/3 mol (66%) Ester und Wasser sowie V3 mol unumgesetzte Säure und Alkohol. 298 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Um zu höheren Ausbeuten zu kommen, erhöht man meistens die Menge einer Reaktionskomponente und verschiebt damit die Lage des Gleichgewichts. Das Gleichgewicht läßt sich ferner nach rechts verschieben, indem man eines der Reaktionsprodukte laufend aus dem Ansatz abführt. Zur Darstellung schwerflüchtiger Ester wird das bei der Reaktion gebildete Wasser dem Ansatz entzogen. Eine viel angewandte Methode besteht darin, daß man eines der beiden oder beide Produkte azeotrop abschleppt. Andere Methoden zur Herstellung von Estern 1. Reaktion von „aktivierten" Derivaten der Säure wie Säurechloride oder -anhydride mit Alkoholen, möglichst in Gegenwart von Basen zur Bindung des Protons. + X HOR' -> R— C OR' + H+ + X = RCO, HaI u.a. Il O Diese Reaktionen sind exergonisch und verlaufen meist rasch und vollständig. Sie sind besonders dann anzuwenden, wenn die alkoholische Komponente ein Phenol ist, weil in diesem Fall die H "'"-katalysierte Veresterung versagt. 2. Reaktion des Carboxylat-Ions, als Alkali- (S. 297) oder als Ag+-SaIz, mit Alkylhalogeniden. + X-Ag + OR' R-C + R'— X Q-Ag + -> R-C X = HaI Bei dieser Acyloxyübertragung handelt es sich um eine nucleophile Substitution (S. 166). X kann Halogen sein (meistens) oder auch eine andere nucleofuge Gruppe, das heißt Anion einer starken Säure wie zum Beispiel Methoxysulfonyloxy (— OSO2OCH3, Anion des Methylsulfats) oder Toluolsulfonyloxy (Tosyl, -OSO2C6H4CH3). Die Synthese von Phenylestern nach diesem Prinzip gelingt nur mit besonders reaktionsfähigen Arylhalogeniden wie etwa l -Halogen- 2,4 -dinitro-benzolen oder auf Umwegen. 3. Reaktion von Carbonsäuren mit Diazoalkanen (S. 632). Die Reaktion ist so gut wie ausschließlich auf die Herstellung der Methylester mit Diazomethan beschränkt, läßt sich jedoch besonders einfach und glatt durchführen und wird deshalb sehr häufig angewendet. Verseifung der Ester Esterhydrolyse (Verseifung) und Umesterung 299 Wird im H+-katalysierten Gleichgewicht RCO 2 H + R'OH ?± RCO 2 R' + H2O die Konzentration des Wassers erhöht, so wird die rückläufige Reaktion begünstigt, und es kommt zur Hydrolyse des Esters zu Säure und Alkohol. Von Verseifung spricht man meistens, wenn ein Ester durch wässerige Alkalilaugen hydrolysiert wird. Seifen sind die Salze der höheren Fettsäuren, die bei der Verseifung der Fette, der natürlichen Ester des Glycerins, entstehen. Im Gegensatz zur sauren Esterhydrolyse, die zu einem Gleichgewicht führt, wird der Ester bei der alkalischen Verseifung völlig gespalten, da in einem zweiten Schritt die Säure in das Salz übergeführt wird, das wegen seiner Resonanzstabilisierung nicht mehr mit dem Alkohol reagiert: RCO2R' + NaOH RCO2R' + NaOR" -> *± RCOjNa+ RCO2R" + + R'OH R'OH Der Verbrauch an OH~-Ionen, der sich durch Titration leicht feststellen läßt, gibt das Äquivalentgewicht der veresterten Säure an. Ersetzt man in der H+-katalysierten Reaktion das Wasser durch einen zweiten Alkohol oder in der basenkatalysierten Reaktion durch sein Alkoxid, so kommt es zum Gleichgewichtsaustausch des Alkoxylrests, daß heißt zur Umesterung. In den allermeisten Fällen verläuft die Veresterung bzw. Hydrolyse in der Weise, daß der Acylrest der Carbonsäure auf den Sauerstoff des Alkohols (bzw. der Acylrest des Esters auf den Sauerstoff des Wassers) übertragen wird (Acyl-O-Spaltung). Der Sauerstoff eines 18O-markierten Alkohols findet sich im Ester wieder. Die andere Möglichkeit, Übertragung des Acyloxyrests auf den Alkylrest des Alkohols unter Alkyl-O-Spaltung ist viel seltener. Sie tritt zum Beispiel bei der Alkylierung des Carboxylations und - noch seltener - bei der Säure-katalysierten Veresterung (Hydrolyse) von solchen Alkoholen (Estern) auf, deren Alkylrest wie tert. Butyl leicht ein Carbeniumion bildet. R'O—|—H i I O Il R—C-O—|—H i l R-C —— OH Il O R'—— OH Alkyl-O (selten) Acyl-O (normal) Die katalytische Wirkung des Protons besteht in der Regel in einer Bindung an den Carbonyl-Sauerstoff, wodurch die Anlagerung des Alkohol(Wasser)-Sauerstoffs an 300 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe den so positivierten Carboxylkohlenstoff möglich wird. Das Addukt, ein Orthosäurederivat, in dem eines der drei Sauerstoffatome im Oniumzustand vorliegt, geht unter Wasser-(Alkohol-)abspaltung in den Ester (die Säure) über. O -^H + Il R—C-OH Tl OH R—C-OH +R'OH O +H 4 Il R—C-OR' Ti OH R—C-OH \)R' + H2O OH I R—C-OR' Ersetzt man in dem voranstehenden Gleichgewicht H 2 O durch einen neuen Alkohol R"OH, entsteht aus dem Ester RCOOR' auf dem Weg von rechts nach links der neue Ester RCOOR" (Umesterung der Säure). Ist der Rest R der Carbonsäure so elektronenreich, daß er ein Acyliumkation stabilisieren kann, wie etwa bei der Mesitylencarbonsäure, dann kann die H2O-Abspaltung der Anlagerung des Alkohols vorangehen; dieser Vorgang entspricht kinetisch einer SN l -Reaktion. + H HC Mesitylencarbonsäure Bei der Hydrolyse von Estern durch wässerige Metallhydroxide (Verseifung) ist der erste Schritt eine Anlagerung des stark nucleophilen OH ~- Ions. Das Addukt zerfällt irreversibel unter Alkoholabspaltung, da das Carboxylation wegen seiner Mesomeriestabilisierung die energieärmste Komponente des Systems ist. Verseif u ng: R-C OR' + OH" OR' + R'O~ OH + R OH ' Setzt man statt des Hydroxidions einen zweiten Alkohol (als Alkoxid R"O~) in die Reaktion ein, so findet durch Abspaltung von OR' aus dem Addukt in einer Gleichgewichtsreaktion Umesterung (Acy !Übertragung) statt. Verseifung und Umesterung Umesterung: 301 R-C / \>R' + R"O~ *± R—C-OR" C^R* u> «± R-C / OR" + R'O~ Die Geschwindigkeit der alkalischen Esterverseifung hängt sehr stark von der Natur der Komponenten ab. Carbonsäureester mit elektronenanziehenden Gruppen am Alkylrest oder Phenolester werden rascher verseift als andere, ebenso diejenigen, die sich von stärkeren Säuren ableiten. Die Ester aromatischer Carbonsäuren sind infolge Mesomerie (Delokalisierung der positiven Ladung vom CarbonylKohlenstoff) schwerer solvolysierbar. u.s.w. Orthoester sind Säurederivate der Struktur R—C(OROa. Sie sind nicht direkt aus den Säuren (und Alkohol) zugänglich, sondern entstehen aus Imidoesterhydrochloriden oder Imidchloriden und Alkohol. NH2CIR—C X .OC2H5 + 2C2H5-OH > RC-OC2H5 OC 2 H 5 + NH4CI OC 2 H 5 Sie übertragen unter H+-Katalyse zwei ihrer Alkoxylreste auf Carbonylverbindungen (Acetalisierung), Orthoameisensäure-triethylester wird dazu als präparatives Reagens gebraucht. Da ihnen die mesomeriefahige C=O-Gruppe fehlt, sind die Orthoester gegen Basen sehr beständig. Die Fettsäuren aus Fetten, Verseifung 2 g eines Speisefetts werden mit 4ml Ethanol und 1 ml 1ON Kaliumhydroxid 1 h am Rückfluß zum Sieden erhitzt (Schliff vor Aufsetzen des Kühlers von Lauge reinigen!). Nach dem Abkühlen gibt man 15 ml Wasser zu, wobei sich alles klar löst. Nun wird mit starker Schwefelsäure auf etwa pH 2 gebracht und die Emulsion mit Ether ausgeschüttelt. Einen kleinen Teil der Etherlösung versetzt man tropfenweise mit einer Lösung von Diazomethan in Ether bis die gelbe Farbe gerade bestehen bleibt. Diese Probe ist nach Abdampfen des Ethers zur gaschromatographischen Analyse des Gemischs der Fettsäure-methylester geeignet. Der Hauptteil der Etherlösung wird i. Vak. abgedampft und im Exsikkator getrocknet, wobei die Fettsäuren als farblose, z.T. schmierige Kristalle anfallen. 302 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Ethylenglykol aus dem Diacetat, Umesterung CH 2 OCOCH 3 | CH 2 OCOCH 3 + 2CH 3 OH H+ H > CH 2 OH | CH 2 OH + 2CH 3 CO 2 CH 3 In einem 250-ml-Kolben kocht man die Lösung von 49g (44,5ml, 0,33 mol) 1,2-Diacetoxyethan und 0,9g p-Toluolsulfonsäure in 60 ml Methanol 3 h unter Rückfluß. Nach dem Abkühlen dampft man das Methanol am Rotationsverdampfer ab und schüttelt den abgekühlten Rückstand zur Entfernung von Esterresten zweimal im Scheidetrichter mit je 50 ml Ether aus. Die untere Phase wird durch kurzes Schütteln i. Vak. von restlichem Ether befreit und dann bei 13 Torr und 90—12O 0 C Badtemperatur in einem Kugelrohr destilliert, Ausbeute 16,5g (80%d.Th.) Ethylenglykol. In der homologen Reihe der aliphatischen Carbonsäuren haben die ersten drei Vertreter, Ameisensäure (Sdp. 100,50C), Essigsäure (Sdp. 1180C) und Propionsäure (Sdp. 1410C) einen stechenden, die weiteren - soweit sie bei Raumtemperatur flüssig sind - einen unangenehm ranzigen Geruch. Die gesättigten Fettsäuren im engeren Sinne dieser Bezeichnung von C12 an sind fest, kristallin und nahezu geruchlos (PaImitinsäure, C 15 H 31 CO 2 H, Schmp. 630C, Stearinsäure, C 17 H 33 CO 2 H, Schmp. 7O0C). Die für ihre Molekülgröße relativ hohen Siedepunkte der Carbonsäuren rühren von einer Dimerisierung über Wasserstoff-Brücken zwischen den Carboxylgruppen her. O • • • H-O R-C // \ C-R VH ...„' Bei zunehmender Länge der Fettsäuren treten zwischen den Alkylketten auch van der Waals'sche Wechselwirkungen hinzu, welche die Kristallisation der höheren Fettsäuren bestimmen. In den wässerigen Lösungen der Alkalisalze von höheren Fettsäuren (Seifen) assoziieren sich die hydrophoben Alkylketten, während die hydrophilen Carboxylat-Enden hydratisiert sind und sich um Kationen gruppieren („amphiphile" Wechselwirkungen der Seifen). Auf diese Weise bilden sich Aggregate von vielen Molekülen, sogenannte Micellen, die entweder, mit dem hydrophilen Rest um ein Kation geschart, die hydrophoben Ketten nach außen orientieren oder mit den hydrophoben Ketten ein Fettröpfchen einschließen und die hydrophilen Carboxylat-Enden nach außen richten. So erklärt sich die Reinigungswirkung der Seifenlösungen sowie ihre Glitschigkeit und Filmbildung (Seifenblasen). Die niederen Carbonsäureester sind farblose, angenehm fruchtähnlich riechende Flüssigkeiten, die höheren Homologen sowie die Ester aromatischer Säuren vielfach kristalline Substanzen. Da die Assoziation durch H-Brücken wegfällt, sind die Siedepunkte der Ester mit kleinen Alkylresten (CH3, C 2 H 5 , C 3 H 7 ) niedriger als die der Säuren: Herstellung der Carbonsäurechloride 303 CH 3 COOCH 3 CH 3 COOC 2 H 5 Sdp. 570C Sdp. 78 0 C CH3COOH Sdp. 1180C. Die Methylester der Fettsäuren eignen sich daher auch gut zur Gaschromatographie. Bemerkenswert ist, daß die Schmelzpunkte der Methylester meist höher liegen als die der entsprechenden Ethylester; so ist zum Beispiel Oxalsäure-dimethylester fest (Schmp. 540C, Sdp. 1630C) der Diethylester flüssig (Schmp. -40,60C, Sdp. 1850C). Die Ester spielen eine bedeutsame Rolle als Lösungsmittel und als aktivierte Carbonsäurederivate. So läßt sich die Alkoxylgruppe durch Amine, Hydroxylamin oder Hydrazin ersetzen (S. 313). Ferner sei auf das umfangreiche Gebiet der Esterkondensationen (S. 401) hingewiesen. Reduktion zu Alkoholen siehe S. 535. Die biologisch wichtigen ungesättigten Fettsäuren, Komponenten der bei RaumtemperaturflüssigenÖle, zeigen - wie diese gegenüber den gesättigten Fetten - durchwegs tiefere Schmelzpunkte. Carbonsäurechloride und Säureanhydride Acetylchlorid 3CH 3 CO 2 H + PCI3 > 3CH 3 COCI + H 3 PO 3 In einem 250-ml-Dreihalsschliffkolben, der, auf dem Wasserbad stehend, mit einem 100-ml-Tropftrichter, einem Thermometer und Rückflußkühler ausgestattet ist, läßt man im Abzug zu 90g (1,50mol) wasserfreier Essigsäure aus dem Tropftrichter 72g (0,50 mol) Phosphortrichlorid fließen. Dann erwärmt man solange auf 5O 0 C, bis die lebhafte HCI-Entwicklung nachgelassen hat und zwei Schichten entstanden sind. Das Acetylchlorid wird nun bei siedendem Wasserbad von der phosphorigen Säure (untere Schicht) abdestilliert. Das Präparat wird durch 2-malige fraktionierende Destillation, das zweite Mal nach Zugabe von 5 Tropfen Essigsäure (zur Entfernung möglicher PCI3Spuren) gereinigt, wobei die zwischen 48 und 53 0 C übergehende Fraktion aufgefangen wird. (Siedepunkt von Acetylchlorid: 51 0 C). Ausbeute 70—80 g (60-67% d.Th.). Verwendung für Essigsäureanhydrid (S. 308). Butyrylchlorid C 4 H 7 COOH + SOCI2 > C 4 H 7 COCI + SO2 + HCI In einem 100-ml-Schliff-Rundkolben, der über einen Anschützaufsatz mit Rückflußkühler (Calciumchloridrohr) und Tropftrichter verbunden ist, läßt man im Abzug zu 26 ml (43 g, 0,36 mol) frisch über Leinöl destilliertem Thionylchlorid ohne Heizen oder Kühlen 26 g n-Buttersäure (0,30 mol) im Laufe einer Stunde zutropfen, wobei sich HCI und SO2 entwickeln. Dann erhitzt man 30 min auf siedendem Wasserbad und fraktioniert unter Benützung einer Kolonne. Butyrylchlorid geht nach einem geringen Vorlauf bei 100 bis 101 0 C / 760 Torr als farblose Flüssigkeit über. Ausbeute 23-24 g = 75% d. Th. 304 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Benzoylchlorid C 6 H 5 CO 2 H + SOCI2 > C 6 H 5 COCI + HCI + SO2 40g (0,33 mol) trockene Benzoesäure werden in einem 250-ml-Schliffrundkolben mit aufgesetztem Kühler mit 10OmI (1,33 mol) frisch über Leinöl destilliertem Thionylchlorid übergössen und im Ölbad unter Rückfluß auf 8O 0 C erwärmt (Abzug). Nach einer halben Stunde ist die kräftige Gasentwicklung (HCI und SO2) beendigt; man gießt das abgekühlte Gemisch in einen Fraktionierkolben und destilliert das überschüssige Thionylchlorid auf lebhaft siedendem Wasserbad so weit wie möglich ab; es ist für die gleiche Operation nochmals verwendbar. Das Benzoylchlorid wird hierauf der Destillation im Vakuum unterworfen. Nach einem beträchtlichen Vorlauf, der schon bei 3O 0 C Ölbadtemperatur übergeht und im wesentlichen aus (ebenfalls wieder verwendbarem) Thionylchlorid besteht, destilliert man die Hauptmenge. Reines Benzoylchlorid siedet bei 87 0 C / 20 Torr oder 194 0 C / 760 Torr. Ausbeute 40—42 g (= etwa 85%). Viel verwendetes Laboratoriumspräparat. p-Nitrobenzoylchlorid P(NO 2 )C 6 H 4 CO 2 H + SOCI2 > P(NO 2 )C 6 H 4 COCI + HCI + SO2 16,7g trockene p-Nitro-benzoesäure (0,10 mol, S. 484) werden im 100-ml-Schliffkolben mit 20,Og frisch über Leinöl destilliertem Thionylchlorid (0,17 mol) bei 110 bis 12O 0 C Badtemperatur am Rückflußkühler gekocht (Abzug). Nach ca. 30min wird das Reaktionsgemisch homogen, nach 21/2 stündigem Kochen ist die HCI- und SO2-EnIwicklung abgeschlossen. Man destilliert das überschüssige Thionylchlorid bei Normaldruck ab und überführt das rohe p-Nitrobenzoylchlorid noch warm in einen kleinen Schwertkolben oder einen für die Kugelrohrdestillation geeigneten Kolben; mit wenig trockenem Benzol wird nachgewaschen. Bei 141—142 0 C / 11 Torr gehen 17—18g Säurechlorid als sofort kristallin erstarrendes, gelbes Öl über; Schmelzpunkt 71-720C. Umkristallisieren aus 90 ml Ligroin (Sdp. 60-8O0C) liefert 14,5-15,5 g gelbe Nadeln (78-84%d. Th.) vom Schmp. 72-730C. Durch Umsetzung mit p-Nitrobenzoylchlorid lassen sich Alkohole als Ester mit definiertem, scharfem Schmelzpunkt charakterisieren (S. 308). p-Phenylazobenzoylchlorid (Azobenzol-4-carbonsäurechlorid) In einem 100-ml-Rundkolben übergießt man das Gemisch von 5,0g (22 mmol) p-Phenylazobenzoesäure (S. 490) und 5g wasserfreiem Natriumcarbonat mit 25ml frisch über Leinöl destilliertem Thionylchlorid und kocht mit aufgesetztem Kühler und Calciumchloridrohr im Ölbad 1 V2 h unter Rückfluß (Abzug). Anschließend destilliert man über einen absteigenden Kühler so viel wie möglich von dem Thionylchlorid ab und löst den Rückstand durch Kochen mit 50 ml Ligroin (Kp. 90-10O0C) unter Rückfluß. Die Lösung wird heiß durch ein Faltenfilter dekantiert und das Auskochen mit je 20 ml Ligroin noch Herstellungsmethoden für Carbonsäurechloride 305 dreimal wiederholt. Die vereinigten Filtrate werden auf 50 ml eingeengt und auf O 0 C abgekühlt. Das Säurechlorid wird abgesaugt, zweimal mit Petrolether (Kp. 30—6O 0 C) gewaschen und in einem Vakuumexsikkator über Phosphorpentoxid und Paraffinschnitzeln eine Woche lang getrocknet (Vakuum öfters erneuern). Man erhält 4,8 g (89%) orangerote Kristalle vom Schmp. 95 0 C, die zur Darstellung von Azoestern (S. 704) verwendet werden können. p- Brombenzoylchlorid P-BrC 6 H 4 CO 2 H + CICOCOCI -> p-BrC 6 H 4 COCI + CO + HCI + CO2 In einem 100-ml-Kolben gibt man zur Suspension von 2,0g p-Brombenzoesäure in 20 ml Benzol zwei Tropfen Pyridin und 2 ml Oxalylchlorid und erhitzt mit Rückflußkühler und Calciumchloridrohr im Abzug (Entwicklung von Kohlenoxid und Chlorwasserstoff!) zum Sieden, bis eine klare Lösung entstanden ist (5 bis 10 min). Anschließend dampft man vorsichtig im Vakuum ein, trocknet den Rückstand im Hochvakuum, nimmt mit 15ml warmem Petrolether auf und filtriert von ungelösten Anteilen. Beim Eindampfen des Filtrats erhält man 2,0g (93%) p-Brombenzoesäurechlorid als kristallinen Rückstand. Ein reineres Produkt erhält man, wenn man das Filtrat im Tiefkühlschrank zur Kristallisation aufstellt und das Säurechlorid absaugt: 1,4g (64%) weiße Nadeln vom Schmp. 4O 0 C. Säurechloride werden aus den Carbonsäuren oder ihren Salzen und Chloriden anorganischer Säuren wie PCl3, PCl5, POCl3 oder SOCl2, mitunter auch organischer Säuren wie ClCOCOCl, erhalten. Die Auswahl des Chlorierungsmittels richtet sich nach der Leichtigkeit, mit der die Carbonsäure reagiert, nach dem Siedepunktsunterschied zwischen Chlorierungsmittel und Produkt und nach dem Preis. Wirkt, wie bei der Essigsäure und ihren Homologen, bereits PCl3 leicht ein, zieht man dieses dem energischer wirkenden PCl5 vor. Benzoesäure reagiert mit PCl3 weniger leicht, gut aber mit PCl5, von dem allerdings nur 2 Chloratome ausgenutzt werden. (Nur bei Einsatz von Salzen der Carbonsäuren reagieren auch die Chloratome des Oxychlorids POCl3). Im Laboratorium verwendet man meistens Thionylchlorid, das außer dem gewünschten Carbonsäurechlorid nur gasförmige Produkte (HCl, SO2) bildet. Bei der - im Laboratorium - selteneren Verwendung des sehr giftigen Phosgens, COCl2, entstehen in analoger Weise die Gase HCl und CO2, aus Oxalylchlorid entstehen HCl, CO und CO2. Der Reaktionsmechanismus läßt sich mit Thionylchlorid am übersichtlichsten formulieren: Es entsteht primär unter HCl-Abspaltung ein gemischtes Anhydrid, das leicht SO2 abspaltet. S=O " HCI > R-C O Cl Ähnlich verlaufen die Reaktionen mit den anderen Reagenzien. 306 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Benzyloxycarbonylchlorid Chlorameisensäure-benzylester C 6 H 5 CH 2 OH + COCI2 > C 6 H 5 CH 2 OCOCI + HCI Vorsicht: Alle Arbeiten mit dem giftigen Phosgen müssen in einem gut ziehenden Abzug bei bereitliegender Gasmaske ausgeführt werden. Die Apparatur besteht aus einem 500-ml-Rundkolben mit drei nicht zu engen Schliffhälsen. Der mittlere ist für einen gut wirksamen Rührer vorgesehen, ein seitlicher für ein in die Flüssigkeit eintauchendes Thermometer, der andere trägt einen Anschützaufsatz mit Gaseinleitungsrohr, das bis dicht an die Oberfläche der Flüssigkeit heranreicht. Die zweite Öffnung des Aufsatzes ist mit einem CaCI 2 -Rohr verschlossen. Die ganze Apparatur soll bequem in ein Dewargefäß mit Trichlorethylen-CO2 eingesenkt werden können, das leicht wieder zu entfernen ist. Man gibt in den Kolben 108g (1,0mol) frisch destillierten Benzylalkohol, stellt das Gewicht des transportierbaren Anteils der Apparatur fest (ohne Rührwerk) und taucht den Kolben in das Kältebad ein. Bei -1O 0 C (nicht tiefer kühlen, da Benzylalkohol bei -15 0 C erstarrt) leitet man unter kräftigem Rühren Phosgen aus der Stahlflasche ein. Man reguliert den Zustrom so, daß die Temperatur unter -10 0 C bleibt. Wenn sie anfängt, rasch abzusinken (nach ca. 2 h), beendet man das Einleiten und kontrolliert durch Wägung, ob etwas mehr als 1 mol Phosgen (98g) aufgenommen sind. Wenn 105g Mehrgewicht erreicht sind, wird das Kältebad entfernt, das Gasleitungsrohr durch einen Stopfen ersetzt (CaCI 2 -Rohr bleibt!) und der Ansatz unter Rühren langsam auf Raumtemperatur gebracht. Dabei entweichen HCI und überschüssiges Phosgen. Zu ihrer völligen Entfernung saugt man mit einer Wasserstrahlpumpe unter stetigem Rühren sehr langsam 24 h lang im CaCI2-Turm getrocknete Luft durch den Kolben, indem man den einen Außentubus als Einlaß, den anderen für das Saugstück benutzt. Schließlich evakuiert man nach Entfernen des Rührers und Verstopfen des Mitteltubus noch 5 min mit der Wasserstrahlpumpe. Man erhält ca. 150 g (93%) eines nahezu farblosen, flüssigen, nicht destillierbaren Chlorids. Es ist im Kühlschrank viele Monate lang unzersetzt haltbar und wird zur Herstellung von Benzyloxycarbonyl-aminosäuren verwendet. Beim voranstehenden Präparat bildet sich fast ausschließlich der Monoester des Dichlorids der Kohlensäure, da die Reaktivität des ersten Chloratoms des Phosgens erheblich größer ist, als die des Benzyloxycarbonylchlorids. Die niedrigen Säurechloride sind flüssig (die höheren fest) farblos und stark Schleimhaut-reizend. Sie lassen sich unter vermindertem Druck unzersetzt destillieren. Ihre Siedepunkte liegen wegen fehlender intermolekularer Wasserstoffbrücken niedriger als die der entsprechenden Säuren. Siedepunkte von CH3COCl: C 6 H 5 COCl: 510C 1960C CH3CO2H: C 6 H 5 CO 2 H: 1180C 25O0C Formylchlorid zerfällt schon bei Temperaturen oberhalb -6O 0 C in CO und HCl. Beständig ist dagegen Formylfluorid. Reaktionen der Carbonsäurechloride 307 Die Säurechloride sind wirksame Acylierungsmittel. Ihre große Reaktivität gegenüber allen nucleophilen Verbindungen verdanken sie dem stark elektronen-anziehenden Effekt des Chlors, der den elektrophilen Charakter des Carbonyl-Kohlenstoffatoms erheblich verstärkt. Da dieser Effekt beim Brom und Jod geringer ist, sind Säurebromide und -jodide weniger reaktionsfähig. Säurefluoride sind ebenfalls reaktionsträger. x R-C + Nu> x R—C-Nu ' o> +xR—C-Nu » o ^n o Nu = HOR, HNR 2 , HSR usw. oder deren Anionen, X = Cl, Br Das tetraedrische Addukt aus Nucleophil (Nu") und RCOX zerfällt rasch zum Acyl-Produkt und dem stabilen (solvatisierten) Halogenidion. Wasser hydrolysiert die niederen Fettsäurechloride stürmisch bereits in der Kälte; die höheren und Benzoylchlorid reagieren (auch wegen der verminderten Mischbarkeit) mit Wasser erst in der Hitze. Versuch: Hydrolyse von Säurechloriden a) Acetylchlorid: Man gieße in einem Reagenzrohr etwa 0,5 ml Acetylchlorid allmählich zu 2 ml Wasser. Ist das Wasser sehr kalt, kann man kurze Zeit die im Wasser untersinkenden und mit diesem sich mischenden Tropfen des Chlorids beobachten. Schüttelt man, so tritt eine lebhafte Reaktion unter Erwärmung ein. b) Benzoylchlorid: Man führe den gleichen Versuch mit Benzoylchlorid aus. Auch bei längerem Schütteln keine wahrnehmbare Veränderung; man muß einige Zeit kochen, um die völlige Zersetzung zu erreichen. Nach dem Erkalten kristallisiert Benzoesäure aus. In gleicher Weise bringe man Benzoylchlorid mit 2N Lauge zusammen. Alkalihydroxide wirken wegen der größeren Nucleophilie des OH -Ions noch lebhafter als Wasser auf Säurechloride ein. Mit Alkoholen und Phenolen reagieren die Säurechloride unter Bildung von Estern, mit Ammoniak, primären und sekundären Aminen zu Amiden (S. 314) und mit Thiolen zu Thiolestern. Die relative Leichtigkeit dieser Reaktionen entspricht der auf S. 168 angeführten Nucleophilitätsreihe. + H2O > > > RCO 2 H RCO 2 R' RCON(R') 2 RCOSR' -HHCI H-HCI ( + HCI) +HCI + Cl + R'OH + HN(R') 2 + R'SH > Nach Schotten-Baumann kann man Amine und Hydroxylverbindungen wie Alkohole oder Hydroperoxide, in wässeriger Lösung unter Zusatz von Alkalihydroxiden 308 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe oder -carbonaten acylieren. Alkohol reagiert deshalb rascher als die OH~-Ionen, weil die im Gleichgewicht - wenn auch in kleiner Menge - vorliegenden Alkoxid-ionen viel nucleophiler sind. ROH + OH- 4* H2O + RO- AIs Basen besonders empfehlenswert sind tertiäre Amine im inerten Solvens oder vor allem wasserfreies Pyridin als basisches Lösungsmittel. Die Schotten-Baumann-Reaktion dient oft zum qualitativen oder quantitativen Nachweis alkoholischer oder phenolischer Hydroxylgruppen. Weiterhin wendet man Säurechloride an, um Alkohole oder Phenole als Ester aus Lösungen abzuscheiden oder um sie zu charakterisieren. Man bedient sich hierbei oft des Benzoylchlorids oder seiner Nitroderivate, da diese leicht kristallisieren. Versuch: Esterbildung — a) Ethylacetat. Zu 1 ml Ethanol fügt man tropfenweise unter Außenkühlung mit Wasser das gleiche Volumen Acetylchlorid, versetzt dann, ebenfalls unter Kühlung, mit dem gleichen Volumen Wasser und macht vorsichtig mit Natronlauge schwach alkalisch. Hat sich nicht schon hierbei über der wässerigen Flüssigkeit eine leicht bewegliche Schicht des angenehm riechenden Essigesters abgeschieden, so fügt man noch fein pulverisiertes Kochsalz hinzu, bis zur Sättigung, wonach sich Essigester abscheidet. b) Ester von p-Nitrobenzoesäure: In einem Reagensglas werden 5ml einer 10proz. wässerigen Lösung eines wasserlöslichen Alkohols mit 1-2 ml 2N Natronlauge alkalisch gemacht, mit der Lösung von ca. 300 mg (mittlere Spatelspitze) p-Nitrobenzoyl-chlorid (S. 304) in 1—2 ml Aceton versetzt und sofort kräftig 1 min lang geschüttelt. Schwache, aber deutlich wahrnehmbare Erwärmung. Nach kurzer Zeit wird der farblose körnig kristalline Niederschlag abgesaugt und mit Wasser gewaschen. Der Schmelzpunkt der rohen Ester steigt nach dem Umkristallisieren aus Methanol und beträgt dann ( 0 C) beim Methylester: 96, Ethylester: 57, n-Propylester: 35, Isopropylester: 110, n-Butylester: 35, sek. Butylester: 25, Isobutylester: 68, tert. Butylester: 132 (Umsetzung dauert länger), Cyclohexylester: 50, Benzylester: 86 und Phenylester: 132 0 C. Essigsäureanhydrid CH 3 COCI + CH 3 CO 2 Na > CH 3 COOCOCH 3 + NaCI Zur Herstellung des Essigsäureanhydrids benützt man die gleiche Apparatur wie beim Acetylchlorid (S. 303). Zu 80g (1,00mol) fein pulverisiertem, wasserfreiem Natriumacetat (dessen Herstellung siehe unten) läßt man aus einem Tropftrichter tropfenweise 54 g (0,75 mol) Acetylchlorid fließen. Sobald etwa die Hälfte des Chlorids hinzugefügt ist, unterbricht man die Reaktion auf kurze Zeit, um mit Hilfe eines am unteren Ende der Länge nach breit gedrückten und etwas umgebogenen Glasstabs die breiige Masse durcheinander zu rühren, und läßt erst dann den Rest so langsam nachfließen, daß kein unverändertes Acetylchlorid abdestilliert. Hierauf destilliert man mit leuchtender Flamme unter fortwährendem Carbonsäureanhydride 309 Bewegen des Brenners das Anhydrid von dem Salzrückstand ab. Das Destillat wird schließlich unter Zusatz von 3 g fein pulverisiertem, wasserfreiem Natriumacetat, welches die letzten Anteile unveränderten Acetylchlorids vollends zu Essigsäureanhydrid umsetzt, einer fraktionierenden Destillation unterworfen. Siedepunkt des Essigsäureanhydrids 138°C/760 Torr. Ausbeute 55-60 g (=65-72%). Das Präparat ist auf Chlor zu prüfen, indem man eine Probe mit Wasser kocht und nach Zugabe von verdünnter HNO3 einige Tropfen Silbernitratlösung zufügt. Verwendung für Acetylierungen, PerkinReaktion (S, 371). In analoger Weise kann Benzoesäureanhydrid (Schmp. 42 0 C) präparativ gewonnen werden. Herstellung des wasserfreien Natriumacetats: Das kristallwasserhaltige Salz (3H 2 O) erhitzt man in einer flachen Schale aus Eisen oder Nickel direkt über dem Brenner, Nachdem das Kristallwasser verdampft ist, gießt man die Schmelze in eine Porzellanschale. Nach dem Erstarren wird das Salz noch warm gepulvert und sofort unter Verschluß gesetzt. Auch das käufliche, wasserfreie Acetat muß vor dem Versuch geschmolzen werden. Buttersäureanhydrid C 3 H 7 COCI + HO 2 CC 3 H 7 > C 3 H 7 COOCOC 3 H 7 + HCI Man stellt sich Butyrylchlorid nach der auf S. 303 angegebenen Vorschrift dar, unterläßt aber die Destillation; zum 10O 0 C heißen Ansatz läßt man im Verlauf von 15—20min nochmals 26g (0,30 mol) Buttersäure bei derselben Temperatur zufließen. Nun wird die Temperatur um 3O 0 C pro Stunde gesteigert, so daß nach 3 h 19O 0 C erreicht sind. Die HCI-Entwicklung ist jetzt praktisch zu Ende, das Buttersäureanhydrid kann i. Vak. destilliert werden. Nach einem geringen Vorlauf geht fast die ganze Menge bei 96—98 0 C / 22 Torr über. Ausbeute 39 g = 83% d. Th. Auch gemischte Anhydride, solche die zwei verschiedene Säurereste enthalten, kann man dadurch bereiten, daß man Chlorid und Salz zweier verschiedener Säuren anwendet. Da sich die gemischten Anhydride besonders der aliphatischen Säuren bei höherer Temperatur gewöhnlich zu den symmetrischen disproportionieren, arbeitet man dabei unter Kühlung in einem indifferenten Lösungsmittel wie Chloroform oder Tetrahydrofuran, in welchem die Carbonsäuren durch Zusatz einer tert. Base wie Triethylamin als Salze gelöst werden. Das gemischte Anhydrid aus Essigsäure und Ameisensäure, ein starkes Formylierungsmittel, entsteht schon beim Mischen von Essigsäureanhydrid mit hochprozentiger Ameisensäure. 310 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe O H2C-" C \ > \ O H Bernsteinsäureanhydrid H 2 C^ C ° 2H I 2 CH 3-CO O + CH3-CO + 2CH 3 COOH ^CO 2 H 2 C \C/ In einem 250-ml-Rundkolben, der mit Rückflußkühler und Calciumchloridrohr versehen ist, werden 30 g Bernsteinsäure (0,25 mol) mit 50 ml (ca. 0,5 mol) frischem Essigsäureanhydrid (Präparat S. 308) auf dem Drahtnetz über kleiner Flamme unter öfterem Schütteln so lange erhitzt, bis alles gelöst ist. Beim Abkühlen (zuletzt im Kühlschrank) kristallisiert Bernsteinsäureanhydrid in schönen Nadeln. Man saugt rasch ab, wäscht einige Male mit kaltem Ether und trocknet im Exsikkator. Ausbeute 22,5g (88% d. Th.) vom Schmp. 118-1190C. In analoger Weise lassen sich auch andere schwer flüchtige Anhydride zum Beispiel Benzoesäureanhydrid (Schmp. 42 0 C) darstellen. Die Wasserspaltung zwischen 2 Carboxylgruppen durch ein anderes Carbonsäureanhydrid verläuft über das gemischte Anhydrid nach RCOOH + CH3COOCOCH3 RCOOCOCH3 + HOOCR *± <± RCOOCOCH3 + CH3COOH RCOOCOR + CH3COOH Der Ablauf der umkehrbaren Reaktionen wird durch einen Überschuß des billigeren (hier Essigsäure-)Anhydrids in die gewünschte Richtung gelenkt. Anhydride entstehen unter anderem auch aus Carbonsäuren unter der wasserabspaltenden Wirkung von Carbodiimiden (S. 329), die dabei in Harnstoffderivate übergehen. Die Anhydride der Fettsäuren sind Flüssigkeiten oder kristallisierte Stoffe. Sie besitzen einen scharfen Geruch, sind in Wasser unlöslich, lösen sich jedoch in indifferenten organischen Lösungsmitteln. Ihr spezifisches Gewicht ist größer als das des Wassers. Der Siedepunkt liegt höher als der der entsprechenden Säure; Sdp. Essigsäure 118 0C, Sdp. Essigsäureanhydrid 138 0C; der Schmelzpunkt liegt im allgemeinen tiefer. Das chemische Verhalten der Anhydride gegen Wasser, Alkohole, Phenole, Thiole sowie Amine gleicht vollkommen dem der (als gemischte Anhydride aus Carbonsäure und Chlorwasserstoff aufzufassenden) Carbonsäurechloride (S. 307), nur reagieren die Anhydride langsamer als die Chloride. Versuch: Hydrolyse von Anhydriden — Man versetzt 3 ml Wasser mit 0,5 ml Essigsäureanhydrid. Dieses sinkt zu Boden und löst sich selbst nach längerem Schütteln nicht. Erwärmt man die Mischung des Anhydrids mit Wasser einige Zeit, so tritt langsam Lösung ein. Nimmt man statt Wasser verdünnte Lauge, so geht die Auflösung rascher vor sich. In Alkohol tritt beim kurzen Erwärmen der Geruch des Essigesters auf. Benzoesäureanhydrid ist bedeutend reaktionsträger. Ketene und Lactone 311 Essigsäureanhydrid wird sehr häufig benutzt, um die Acetylgruppe in Alkohole, Phenole oder Amine einzuführen. Ein Tropfen konzentrierte Schwefelsäure steigert die Reaktionsgeschwindigkeit. Die thermische Zersetzung an einem glühenden Platindraht überführt Essigsäureanhydrid unter weiterer Wasserabspaltung in Keten. H3C-CO H3C-CO Im Laboratorium wird Keten in einer Radikalreaktion durch thermische Zersetzung von Aceton gewonnen. CH3-CO-CH3 -> H2C=C=O + CH 4 Bequem und mit guter Ausbeute läßt es sich mit der von E. Ott entwickelten „Ketenlampe" gewinnen. Keten dient ebenfalls als Acetylierungsmittel. Unter der katalytischen Wirkung von Schwefelsäure geht Keten in das dimere Diketen über, das die Struktur eines jS-Lactons hat. Solvolytische Ringöffnung führt zu Derivaten der Acetessigsäure (S. 406). Das einfachste /J-Lacton, j8-Propiolacton, entsteht aus Keten und Formaldehyd durch Cycloaddition. H2C-CO I l H2C=C-O Diketen H2C-CO I l H2C-O ß-Propiolacton CH2 \ 2C CO x H H 2C ° y-Butyrolacton Als Lactone bezeichnet man cyclische Ester, die durch Reaktion einer Carboxylgruppe mit einer Hydroxylgruppe desselben Moleküls entstehen. Sie bilden sich leicht - in einer H+-katalysierten Gleichgewichtsreaktion - wenn die alkoholische Gruppe zum Carboxyl in y-Stellung (5-Ring) oder ^-Stellung (6-Ring) steht. Großringlactone, zu denen mehrere Aritibiotika gehören, bezeichnet man als Makrolide. a-Hydroxycarbonsäuren können unter den Bedingungen der Esterbildung unter gegenseitiger Wasserabspaltung aus 2 Molekülen 6-gliedrige Lactide bilden z.B. Lactid aus Milchsäure: 312 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Dibenzoylperoxid 2C 6 H 5 COCI + H 2 O 2 +20H " > C6H5CO-O-O-COC6H5 + 2CI~ + 2H 2 O Zu 50 ml etwa 10 proz. wässerigem Hydrogenperoxid läßt man unter guter Eiskühlung und stetem Schütteln, am besten in einer G lasstöpf seif lasche, abwechselnd 4N Natronlauge und Benzoylchlorid derart tropfen, daß die Lösung immer schwach alkalisch bleibt. Nachdem etwa 30 ml Lauge und 15g Benzoylchlorid (0,11 mol) verbraucht sind, ist das Hydrogenperoxid umgesetzt, Dibenzoylperoxid hat sich flockig abgeschieden, der Geruch des Chlorids ist nahezu verschwunden. Man saugt ab, wäscht mit Wasser aus und trocknet. Ausbeute 10—12g (80—95%). Zum Umkristallisieren stellt man ohne Erwärmen eine konzentrierte Lösung in Chloroform dar, filtriert diese falls nötig und läßt sie langsam in das doppelte Volumen Methanol einfließen. Dabei kristallisiert die Substanz in farblosen Prismen vom Schmp. 106—108 0 C (unter Zersetzung). Eine kleine Probe erhitze man im trockenen Reagenzglas rasch über der Flamme. (Vorsicht, Schutzbrille!) Dibenzoylperoxid muß wie alle organischen Peroxide mit großer Vorsicht gehandhabt werden. Das Peroxid der Benzoesäure ist Ausgangssubstanz für die einfachste Synthese von Epoxiden nach Prileschajew. Es wird nämlich in absoluter etherischer oder besser benzolischer Lösung durch Natriumethylat in das Natriumsalz der Perbenzoesäure und in Benzoesäureester gespalten. C6H5C-O-O-CC6H5 C 2 H 5 ONa > C6H5C _ Q _ ONa + H 5 C 2 OCOC 6 H 5 O O O Nach Abtrennen des Esters und Ansäuern wird die Perbenzoesäure in Chloroform aufgenommen. Diese Lösung dient als Reagens für die oben genannte Reaktion mit Olefinen. Ethylen selbst tritt nicht in Reaktion. In neuerer Zeit hat die in Substanz stabile, kommerziell erhältliche m-Chlorperbenzoesäure die Perbenzoesäure weitgehend verdrängt (S. 496). Die wenig beständigen Peroxysäuren sind viel weniger acid als die zugehörigen Carbonsäuren. Die Fähigkeit der Diacylperoxide zur Spaltung in neutrale, radikalische Bruchstücke macht diese Verbindungsklasse zu Initiatoren von "RadialKettenreaktionen. Technisch besonders bedeutend ist die auf S. 208 am Beispiel des Styrols ausgeführte Olefin-Polymerisation. Carbonsäureamide Allgemeines Acetamid CH 3 COONH 4 A > CH 3 CONH 2 + H2O 80g (1,0 mol) Ammoniumacetat und 60 ml Eisessig (1,0 mol) werden auf dem Drahtnetz in einem kleinen Rundkolben mit aufgesetzter Widmer-Kolonne, Thermometer und Herstellung der Carbonsäureamide 313 absteigendem Kühler 5—6 h lang im gelinden Sieden erhalten. Man achte darauf, daß die Temperatur von 103 0 C nur wenig überschritten wird; der Eisessig und das bei der Reaktion gebildete Wasser destillieren langsam ab und werden zur Kontrolle in einem Meßzylinder aufgefangen. Wenn etwa 80 ml übergegangen sind, wird stärker erhitzt, bis das Thermometer 14O 0 C anzeigt. Man läßt etwas abkühlen, gießt die noch warme Schmelze in einen 250-ml-Rundkolben und destilliert fraktionierend im Vakuum. (Vorsicht! Destillat kann im Kühler erstarren). Die bei 85—90 0 C / 12 Torr übergehende Hauptmenge wird beim Abkühlen fest. Man saugt auf einer Nutsche scharf ab und trocknet den Rückstand auf Ton im nicht evakuierten Exsikkator. Aus dem Filtrat läßt sich ein weiterer Anteil Acetamid herausdestillieren. Die reine Verbindung siedet bei 223 0 C / 760 Torr. Eine kleine Probe soll aus Benzol umkristallisiert werden. Schmp. 8O 0 C. Ausbeute 55 g (über 90%). Verwendung des Präparats für Acetonitril (S.324). Aus niedrigen Carbonsäuren kann man ganz allgemein das Amid herstellen, indem man ihr Ammoniumsalz trocken destilliert oder zweckmäßiger, indem man es längere Zeit mit einem Überschuß der Säure auf höhere Temperatur erhitzt und das gebildete Wasser aus dem Reaktionsgemisch herausdestilliert (siehe oben). Der Überschuß wirkt der Dissoziation des Salzes in Säure und Base entgegen. CH 3 COjNH 4 *i CH 3 CO 2 H + NH 3 Amide entstehen auch bei der Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure auf Nitrile mit anschließender, leicht verlaufender Hydrolyse des Addukts (siehe S. 326). Allgemeiner anwendbar ist die Acylierung von Ammoniak, primären oder sekundären Aminen mit Säurechloriden (S. 314) oder Säureanhydriden (S. 710). Die dabei auftretenden Protonen können vom eingesetzten Amin selbst gebunden werden, es wird dann nur die Hälfte acyliert. Zweckmäßiger arbeitet man jedoch entweder in Gegenwart wässeriger Lauge oder unter Zusatz eines tert. Amins wie Pyridin, ChinoHn, Triethylamin und anderen als Protonen-Akzeptor. Da die Amine bedeutend nucleophiler sind als die Hydroxyl-ionen, läuft die Amidbildung der alkalischen Hydrolyse in Wasser den Rang ab. Auch Ester sind der Aminolyse zugänglich. In der Reihenfolge der Acylierungsfähigkeit von Carbonsäurederivaten stehen sie aber wegen des relativ schwachen elektronenanziehenden Effekts der O-Alkylgruppe hinter den anderen Carbonsäurederivaten zurück. Mit den stark nucleophilen Hydrazinen reagieren die Ester allerdings genügend rasch zu Säurehydraziden (S. 708). Das noch stärker nucleophile Hydroxylamin bildet aus allen Säurederivaten mehr oder weniger leicht die Hydroxamsäuren. / R—C' NHOH — /OH R-C X NOH Diese sind als kirschrote Fe(III)-Komplexe empfindlich nachzuweisen. Eine Ausnahmestellung bei Acylierungsreaktionen nimmt die Ameisensäure ein. N-Formyl- 314 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Verbindungen erhält man schon beim gelinden Erwärmen von primären oder sekundären Aminen mit der hochprozentigen Säure. Acylierungspotenz von Carbonsäurederivaten R—C=O Cloride > Anhydride, Azide > Thioester > Phenylester > Alkylester > Amide X = Cl OCOR N3 SR' OAr OAIk NR2 Versuch: Amidsynthesen a) Acetanilid. Zu 1 ml Anilin fügt man tropfenweise Acetylchlorid, wobei unter lebhaftem Zischen eine heftige Reaktion eintritt, welche aufhört, sobald etwa das gleiche Volumen des Chlorids hinzugefügt ist. Unter Kühlung und Reiben mit dem Glasstab versetzt man mit dem fünffachen Volumen Wasser, wobei sich ein reichlicher Niederschlag von Acetanilid abscheidet. Der Niederschlag wird abfiltriert und aus wenig heißem Wasser umkristallisiert. Schmp. 115 0 C. b) Benzamid. Zur Herstellung von Benzamid versetzt man 2N wässeriges Ammoniak unter Schütteln mit einigen Tropfen Benzoylchlorid. Fast momentan scheiden sich farblose Kriställchen flockig ab, die abgesaugt und aus Wasser umkristallisiert werden. Schmp. 128 0 C. Die SäureamideR —CONH2 sind mit Ausnahme des flüssigen Formamids kristallisierte Substanzen. Die Anfangsglieder der homologen Reihe sind in Wasser leicht löslich, auch die höheren Glieder lassen sich aus heißem Wasser Umkristallisieren. Die Siedepunkte liegen viel höher als die der Säuren. Der basische Charakter des Amidstickstoffs ist durch die Mesomerie sehr stark vermindert, starke Säuren übertragen das Proton, und Alkylierungsmittel ihren organischen Rest, auf den Sauerstoff des mesomeren System, weil das O-substituierte Amid (A) - im Gegensatz zum N-substituierten (B) ein mesomeriefähiges System darstellt. Harnstoff, das Diamid der Kohlensäure bildet ein schwerlösliches Nitrat (siehe S. 327). O <-> OH R-C ; R-C NH3 A B protonierte Säureamide Charakteristisch für die Säureamide sind ihre Verbindungen mit zweiwertigem Quecksilber. Sie entstehen bei der Umsetzung der Amide mit Quecksilberoxid, zum Beispiel 2CH 3 CONH 2 + HgO -> (CH 3 CONH) 2 Hg + H2O Reaktionen der Carbonsäureamide 315 Versuch: Acetamid-quecksilber — Man löst etwas Acetamid in Wasser, versetzt mit wenig gelbem Quecksilberoxid und erwärmt. Das Oxid geht hierbei in Lösung, indem sich die oben formulierte in Wasser leicht lösliche Verbindung bildet. Die zu Nitrilen führende Wasserentziehung und die Einwirkung von Hypohalogeniten auf Säureamide werden in späteren Präparaten behandelt. Durch saure oder alkalische Hydrolyse wird die Amidgruppe mehr oder weniger leicht unter Rückbildung der Säuren abgespalten. Versuch: Hydrolyse von Acetamid - Im Reagenzglas erhitzt man etwas Acetamid mit 2N Natronlauge zum Sieden. Es tritt intensiver Ammoniakgeruch auf, die Lösung enthält Natriumacetat. Die Essigsäure weist man nach, indem man mit Schwefelsäure gerade kongosauer macht, das Reagenzglas durchschüttelt und dann zum Sieden erhitzt (Siedestein). Ein über die Mündung gehaltenes Lackmuspapier wird rot (Allgemeiner Nachweis von flüchtigen Säuren, Geruch). Benzyloxycarbonyl-D, L-alanin C 6 H 5 CH 2 OCOCI + H 2 N-CH(CH 3 )CO 2 - -> C 6 H 5 CH 2 OCONH-CH(CH 3 )CO 2 H + Cl~ In einem 250-ml-Dreihalskolben, der mit 2 Tropftrichtern und Rührwerk versehen ist und sich in einem Eiswasserbad befindet, löst man 8,9g (0,10 mol)D,L-Alanin (S. 354) in 50 ml 1N Natronlauge. Dann läßt man unter gutem Rühren und Kühlen gleichzeitig 17 g (0,10mol) reines Benzyloxycarbonylchlorid (S. 306) und 50 ml 2N Natronlauge zutropfen. Nach weiteren 1 stündigem Rühren unter Kühlen schüttelt man mit 50 ml Ether aus (nicht zu heftig schütteln, Emulsionsbildung) trennt ab, verwirft den Ether und setzt die wässerige Lösung zur Entfernung des gelösten Ethers in einem 1 -I-Kolben unter Wasserstrahlvakuum, wobei tüchtig umgeschüttelt wird. Ist so die größte Menge des Ethers entfernt, säuert man mit 45 ml halbkonzentrierter Salzsäure unter Kühlung an. Man läßt einige Zeit bei O 0 C stehen, saugt den kristallinen Niederschlag ab und wäscht einige Male mit eiskaltem Wasser. Zum Umkristallisieren wird unter gelindem Erwärmen in 30 ml Aceton gelöst und mit Wasser bis zur eben auftretenden Trübung versetzt. Beim zu raschen Abkühlen scheidet sich das Benzyloxycarbonyl-alanin oft als Öl ab, kristallisiert aber beim Aufbewahren im Kühlschrank. Man saugt ab und trocknet über P 2 O 5 im Exsikkator. Ausbeute 16-17 g (70-74%) vom Schmp. 115 0 C. Schmelzpunkt der L-Verbindung: 84-860C. Aminosäuren Carbonsäuren, die eine Aminogruppe enthalten, werden als Aminosäuren bezeichnet. Die wichtigsten sind aliphatische a-Aminosäuren, die eine primäre Aminogruppe am C-Atom benachbart zur Carboxylgruppe besitzen. Alanin (a-Aminopropionsäure) ist, wie die 19 anderen a-Aminosäuren (als L-Enantiomer, [(5)-Form] siehe S. 359) Bau- 316 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe stein der Eiweißstoffe (Proteine). Außer den cyclischen Iminosäuren Prolin und Hydroxyprolin und der einfachsten, dem Glycin (Aminoessigsäure) leiten sich alle vom Alanin ab, indem ein H-Atom seiner Methylgruppe durch aliphatische, aromatische, Sauerstoff-, Stickstoff- oder Schwefel-haltige Gruppen substituiert ist. Die wäßrige Lösung der meisten a-Aminosäuren reagiert angenähert neutral. Da ihre Carboxylgruppe ein pKA um 2,5 hat, also bei pH 2,5 schon zu 50% und bei pH 7 zu 100% dissoziiert ist und ihre Aminogruppe (pKB ~ 9,5) bei pH 7,5 zu 99% protoniert ist, liegen die a-Aminosäuren bei pH 7 als „Zwitterionen" vor. Der „isoelektrische Punkt", bei dem die Zahl der positiven und negativen Ladungen einer gegebenen, größeren Menge von Molekülen genau gleich groß ist, liegt bei den neutralen Aminosäuren um pH 6. R H2N-CH-CO2< +"" -H 2 U R H3N-CH-CO2 —*-» R I H3N-CH-CO2H Zwitterion Unter den Bedingungen der Veresterung (Alkohol und Chlorwasserstoff) läßt sich die Carboxylgruppe verestern (Aminosäureester-hydrochloride), nach Zugabe von Lauge läßt sich das Anion der Aminosäure an seiner NH2-Gruppe acylieren (siehe obiges Präparat). Durch amidartige Verknüpfung einer a-Aminosäure mit der Aminogruppe einer zweiten (Peptid-Bindung) entsteht ein Dipeptid, die Fortsetzung des Vorgangs führt zu Polypeptiden und Proteinketten. Die Carboxylgruppe der Aminosäuren verdankt ihre relativ scark saure Natur (siehe Tabelle 2, S. 294) dem induktiven Effekt des Ammoniumsubstituenten, der in der a-Stellung am wirksamsten ist. /?-, y- usw. - Aminosäuren haben zunehmend höhere pKA-Werte. Der Benzyloxycarbonylrest (Z-Rest) hat als erste „Schutzgruppe" für die Peptidchemie große Bedeutung (Bergmann und Zervas). Er läßt sich nach erfolgter Peptidsynthese ohne Angriff der Peptidbindung abspalten, zum Beispiel durch katalytisch aktivierten Wasserstoff (Hydrogenolyse) oder durch HBr in wasserfreiem Medium (Solvolyse). C 6 H 5 CH 2 Br HBr C 6 H 5 CH 3 R Rf C6H5CH2JO-C-NH-CH-CO-NH-CH-CO! H ^^ \ O Z-Peptid ^ H 2 /Pt I R HOC—N H-CH 1-CO2 R R* H2N-CH-CO-NH-CH-CO- Aminosäuren und Peptide 317 Dieser Reaktion, die auf der Eigenschaft des Benzylrests beruht, bereitwillig in den Carbenium- oder Radikalzustand überzugehen, sind alle Ester (und Ether) des Benzylalkohols und seiner Derivate zugänglich. Im obigen Fall entsteht durch die Esterspaltung eine Carbaminsäure, die leicht decarboxyliert. Peptidsynthese D,L-Alanylglycin Formeln siehe weiter unten. Zur Synthese von Peptiden nach der Mischanhydrid-Methode werden allgemein 2 Lösungen bereitet, wie hier am Beispiel der Reaktionskomponenten BenzyloxycarbonylD,L-alanin ( -0,L-AIa) und Glycin-ethylesterhydrochlorid (GIyOEt-HCI) geschildert wird. Lösung I: 2,23g Z-D,L-Ala (10mmol) (S.315) werden, in 5ml trockenem Tetrahydrofuran gelöst, mit 1,4OmI (10mmol) Triethylamin neutralisiert und auf -15 0 C abgekühlt. Nach 10 min werden 0,95 ml (10 mmol) Ethoxycarbonylchlorid zupipettiert, das Reaktionsgemisch bleibt unter gelegentlichem Umschütteln möglichst kurze Zeit bis zur Vereinigung mit der vorbereiteten Lösung Il im Kältebad. Lösung II: 1,54g (1,1 mmol) GIy-OEt- HCI (S. 634) werden, in 30 ml Tetrahydrofuran suspendiert, mit 1,54ml (1,1 mmol) Triethylamin versetzt und einige min umgeschüttelt. Lösung I und Lösung Il werden im Kühlbad zusammengegeben sogleich daraus entfernt und geschüttelt bis Raumtemperatur erreicht ist. Bei verschlossenem Gefäß muß der Stopfen wegen der CO2-Entwicklung öfter gelüftet werden. Nun wird im Vak. verdampft, der meist ölige Rückstand in 100—200 ml Essigester gelöst. Die Lösung wird 3mal mit 1N Salzsäure, 3mal mit 5proz. wäßriger KHCO3-Lösung und 3mal mit Wasser gewaschen und über MgSO4 getrocknet. Der nach dem Abdampfen im Vak. zunächst ölige Rückstand erstarrt beim längeren Aufbewahren kristallin. Das Gewicht des Rohprodukts beträgt 2,37 g (77% d. Th.). Zur Verseifung wird der Z-Dipeptidester in 20 ml Dioxan + 10ml 1N NaOH gelöst, 1 h bei Raumtemperatur aufbewahrt, danach mit 10OmI Wasser versetzt, mit 1OmI 1N H 2 SO 4 angesäuert und 3mal mit je 10O ml Essigester ausgeschüttelt. Die Lösung wird nach dem Trocknen über MgSO4 im Vak. verdampft. Es hinterbleiben 2,03g (=94% d. Th.) sirupöses Z-Dipeptid. Zur hydrogenolytischen Entfernung der Schutzgruppe wird es in 80 ml Tetrahydrofuran gelöst und die Lösung nach Zusatz von ebensoviel Wasser und 0,5g 10proz. Pd-Kohle Katalysator in einem engen Gefäß (Standzylinder) durch langsames Durchleiten von Wasserstoff durch ein mit Fritte versehenes langes Einleitungsrohr hydriert. Der Katalysator soll dabei im Schweben bleiben. Das Gefäß ist mit einem doppelt durchlochten Stopfen versehen, durch dessen zweite Bohrung ein Ableitungsrohr führt, das — zur Probe auf abgespaltenes CO2 — in ein Reagenzglas mit Bariumhydroxidlösung eingetaucht werden kann. Wenn kein BaCO3 mehr ausfällt wird vom Katalysator abfiltriert und die Lösung im Vak. zur Trockne verdampft. Man erhält 1,0g D,/.-Alanyl-glycin (93% d.Th.). Nach Umkristallisieren aus wenig Wasser unter vorsichtigem Zusatz von Aceton schmilzt die Probe bei 236 0 C (unter Zersetzung). 318 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Versuch: Papierchromatographie — Die Ausgangsaminosäuren D,£-Alanin und Glycin, das Dipeptid D,/.-Alanylglycin und einige andere verfügbare Aminosäuren werden auf einen geeigneten Filtrierpapierbogen als kleine runde Flecken ihrer ca. 1 proz. wässerigen Lösungen, wie auf S. 96 beschrieben, aufgetragen und nach dem Trocknen der Flecken in einem Gemisch aus 75Tl. sek. Butanol, 20Tl. Eisessig und 15Tl. Wasser (Volumina) aufsteigend Chromatographien. Nach einigen Stunden markiert man den oberen Lösungsmittelrand, läßt den Bogen an der Luft oder im Trockenschrank trocknen und besprüht ihn mit einer 1 proz. Lösung von Ninhydrin in Methanol. Die violettblauen Flecken, die die Position (R F -Werte) der Substanzen anzeigen, sind nach einigen Stunden ohne zusätzliches Erwärmen sichtbar, sie erscheinen viel rascher, wenn man das Papierchromatogramm z. B. in einem Trockenschrank erhitzt. Auch die Dünnschichtchromatographie (S. 91) ist sehr gut zur Analyse von Aminosäuren und Peptiden geeignet. Peptide und Proteine Die Peptidbindung, eine Amidbindung zwischen der Carboxylgruppe einer und der Aminogruppe einer zweiten L-a-Aminosäure bildet das Grundprinzip für den Bau einer Vielzahl peptidartiger Wirkstoffe, z. B. Insulin, Hypophysenhormone, und der größenordnungsmäßig aus 100 und mehr Aminosäuren zusammengesetzten Proteine. Da die Amidbindung wegen ihrer Mesomerie (S. 314) partiellen Doppelbindungscharakter besitzt, besteht prinzipiell die Möglichkeit einer cis/trans-Isomerie. In den Polypeptidketten herrscht ganz überwiegend die etwas energieärmere trans-Konfiguration vor. trans || 0 | O- eis H O N ^/ \ C 1 H <-> H - O N + \^ \ C I . /1 H ' C N 8 C H , /3 C v v v N/ v H H 8 R-' \ & Teil einer Polypeptidkette (Tripeptid) Man nennt den durch die Reihenfolge (Sequenz) der a-Aminosäuren gegebenen Bau die Primär Struktur; aus ihr leitet sich durch intermolekulare Wechselwirkung Peptide und Proteine 319 von C=O und HN (Wasserstoffbrücken) die Sekundärstruktur (wendelartige Bereiche, Helix; Faltblattbereiche) und - durch zusätzliche Wechselwirkungen wie Disulfidbrücken, lonenbeziehung zwischen —NH 3 und —CO^, „hydrophobe Bindung" zwischen lipophilen Seitenketten verursacht - die Tertiärstruktur ab, die für die biologischen Funktionen maßgebend ist. Die Tertiärstruktur zahlreicher Proteine ist heute durch Röntgenstrukturanalyse ihrer Kristalle bekannt, nachdem J. C. Kendrew und M. Perutz 1960 erstmalig diese Technik erfolgreich zur Strukturermittlung der O2-transportierenden Hämoproteine Myoglobin (im Muskel) und Hämoglobin (im roten Blutkörperchen) angewandt haben. Die Peptidsynthese ist eine Acylierungsreaktion; die acylierende Aminosäure wird als carboxyl-aktiviertes Derivat mit der Aminogruppe der zweiten Aminosäure gekuppelt. Da sie mit der Aminogruppe ihresgleichen nicht reagieren darf, muß diese reversibel geschützt sein. Die Carboxylgruppe der Aminkomponente braucht nicht unbedingt geschützt zu sein, aus Gründen der Löslichkeit und um denkbare Nebenreaktionen ganz zu vermeiden, benutzt man aber meistens Aminosäureester. Als N-Schutzgruppe haben sich neben speziellen Resten der in Präparat S. 315 verwendete Benzyloxycarbonylrest (Z) und der ter/-Butyloxycarbonylrest (Boc (CH3)3COCO) besonders bewährt. Der erste Rest kann mit den auf S. 316 geschilderten Reagenzien ohne Beschädigung der Peptidbindung abgespalten werden, der zweite durch Protonen in wasserfreiem Medium als Isobuten +CO 2 . Zur Aktivierung der Carboxylgruppe der N-geschützten Acylkomponente sind viele Reaktionen ausgearbeitet worden, die in der Spezialliteratur zu finden sind. Bei der hier behandelten Peptidsynthese macht man von den gemischten Anhydriden (A) der Z-Aminosäuren und Ethylkohlensäure Gebrauch, die aus den Triethylammoniumsalzen mit Chlorameisensäure-ethylester (Ethoxycarbonylchlorid) bei tiefer Temperatur entstehen und ohne Isolierung mit dem Ethylester der zweiten Aminosäure umgesetzt werden. Esterverseifung und hydrogenolytische Abspaltung des Z-Rests führt zum Dipeptid. ZNHCH(CH 3 )CO 2 - + CICOC2H5 -> ZNHCH(CH 3 )COCOC 2 H 5 8 H 2 NCH(CH 3 )CONHCH 2 CO 2 H < H2/Pd C A ÄS " I A + H 2 NCH 2 CO 2 C 2 H 5 -> ZNHCH(CH 3 )CONHCH 2 CO 2 C 2 H 5 + CO2 + C 2 H 5 OH ' < OH Weitere Acyl-aktive Derivate (wie A) sind die Azide oder die Ester mit stark sauren Phenolen (o-Nitrophenol, Halogenphenole, Thiophenol) und viele andere. Auch Dicyclohexylcarbodiimid kann zur Wasserabspaltung zwischen Carboxyl- und Aminogruppe verwendet werden. Bei der Peptidsynthese an fester Phase (Merrifield) erfolgt der schrittweise Aufbau der Peptidkette beginnend an einer an einem Polystyrolharz benzylester-artig ge- 320 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe bundenen Aminosäure mit Boc-Aminosäuren, die mit Dicyclohexylcarbodiimid angeknüpft werden und deren geschützte Aminogruppe vor jeder weiteren Anknüpfung acidolytisch freigesetzt wird. Dabei bleibt die wachsende Peptidkette an der festen Phase, alle anderen Produkte der Reaktionen werden durch Auswaschen entfernt. Zum Schluß spaltet man das Syntheseprodukt durch wasserfreie Acidolyse vom Trägerharz ab. -CH2OCOCH (R 1 )NH [COCH(R 2 n )NH]COCH(R n+ 1 )NHBoc +HBr > /~A-CH2Br + HO 2 C-CH(R 1 JNHCO Peptid NH3 a) Succinimid aus dem Ammoniumsalz der Bernsteinsäure /CO 2 NH 4 "2V LJ /C x -NH3 ^ "2V HoC ^ '/ *• ^x NH 2 f* JL -CO2-NH4+ —£. 112*-' —9n n & In einem 250-ml-Rundkolben, der mit einem absteigenden Luftkühler und Thermometer verbunden wird, löst man 39 g Bernsteinsäure (0,30 mol) durch langsame Zugabe von 50 ml konzentriertem Ammoniak unter Schütteln und Kühlen. Dann werden im Abzug mit freier Flamme etwa 40 ml Wasser abdestilliert. Beim weiteren Erhitzen beginnt sich das feste Salz unter Ammoniakentwicklung zu zersetzen, wobei die Temperatur am Thermometer nicht ansteigt. Erst wenn sie, bei stetigem Weitererhitzen, 105 0 C erreicht hat, wechselt man die Vorlage und fängt das bis 275 0 C übergerhende Destillat auf. Das Succinimid erhält man in einer neuen Vorlage beim Weitererhitzen, das so lange fortgesetzt wird, bis sich der restliche Kolbeninhalt unter Dunkelfärbung zu zersetzen beginnt. Das erstarrte Destillat wird aus wenig eiskaltem Ethanol umkristallisiert. Man erhält 25 g farblose Tafeln (= 76%) vom Schmp. 119-1220C. Das Präparat wird für /V-Bromsuccinimid (S. 197) gebraucht. Imide sind doppelt acylierte (sekundäre) Derivate des Ammoniaks. Die Einführung eines zweiten Acylrests in ein Säureamid erfordert normalerweise ein starkes Acylierungsmittel und energische Bedingungen: Diacetimid (CH3CO)2NH wird aus Acetamid und Acetylchlorid in der Hitze erhalten. Im Fall des Succinimids führt schon Erhitzen des Ammoniumsalzes der Bernsteinsäure zum Ziel. Das zunächst entstehende Mono-amid wird intramolekular leicht von der in der Nähe befindlichen zweiten Carboxylgruppe zum Imid acyliert. Der Fünfring bildet sich wegen der vorgegebenen Nähe der Reaktionsstellen besonders leicht. Succinimid und Hofmann-Abbau O H 2 C' H,C NH2 OH -H 2 O 321 NH X O b) Succinimid durch Umamidierung H2C -COoH HCONH, ^CO 2 H H2C \ NH CO H2C. HCO2H H2C, H2O In einem für die Vakuumdestillation geeigneten 100-ml-Schwertkolben verschließt man den für die Siedekapillare bestimmten Tubus mit einem Gummistopfen, der zweite Tubus trägt wie üblich das Thermometer. Man füllt 45,0 g Bernsteinsäure (0,38 mol) und 23,0 g Formamid (0,51 mol) ein und erhitzt unter Normaldruck 4 h im Ölbad auf 180—19O 0 C (Abzug). Anschließend gießt man vorsichtig die im Schwert kondensierte Ameisensäure aus, läßt die Temperatur etwas absinken und destilliert das Succinimid im Wasserstrahlvakuum. Das gegen 150—16O 0 C / 1 2 Torr übergehende, kristallin erstarrende Produkt wird aus 50 ml Ethanol umkristallisiert. Nach Stehen im Kühlschrank wird abgesaugt, mit wenig eiskaltem Ethanol gewaschen und im Exsikkator über Schwefelsäure getrocknet: 28,5-30,5 g farbloser Tafeln vom Schmp. 119,5-1220C. Aus der eingeengten Mutterlauge lassen sich weitere 1,3-2,Og gewinnen, was die Ausbeute auf 79-83% d. Th. erhöht. Zwischen einer Säure RCOOH und einem Amid R'CONH2 stellt sich beim Erhitzen ein Gleichgewicht ein: R-COOH + R'CONH 2 *± RCONH 2 + R'COOH Entfernt man durch Abdestillieren die leichter flüchtige Komponente, hier die aus Formamid gebildete Ameisensäure, so entsteht praktisch quantitativ das neue Amid. Das Bernsteinsäurehalbamid schließt aus den oben genannten sterischen Gründen unter Wasserabspaltung leicht den 5-Ring. Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen Hofmann-Abbau des Nicotinsäureamids, 3-Aminopyridin a IN CONH2 + Br2 + ANaOH ,NH2 + Na 2 CO 3 + 2NaBr + H 2 O "N In einem 1-I-Becherglas werden unter Kühlung mit einem Eis-Kochsalz-Bad unter Rühren 20g Natriumhydroxid in 215ml Wasser gelöst, anschließend rührt man 25,6g 322 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe (8,2 ml, 0,32 mol) Brom ein. Wenn die Temperatur auf O 0 C gestiegen ist, gibt man 16 g (0,13 mol) fein gestoßenes Nicotinsäureamid unter starkem Rühren auf einmal hinzu und rührt, bis die Lösung nach etwa 15 min klar geworden ist. Man erwärmt nun noch 45 min auf 70-75 0C, kühlt wieder ab, sättigt mit ca. 45 g Natriumchlorid und schüttelt sieben mal mit Methylenchlorid aus. Man trocknet über Natriumsulfat, dampft i. Vak. ein und erhält ca. 10g gelbrote Kristalle. Diese werden zur Reinigung in 80 ml Benzol und 20 ml Petrolether gelöst und die Lösung 20min mit 1 g Aktivkohle und 0,5g Natriumhydrogensulfit am Rückfluß gekocht. Anschließend dekantiert man heiß durch ein Faltenfilter und läßt das Produkt im Eisschrank kristallisieren. Beim Absaugen zerfließen die hygroskopischen Kristalle sehr leicht. Deshalb dekantiert man die Mutterlauge besser, wäscht den Rückstand mit 10 ml Petrolether und trocknet i. Vak., 8 g weiße Kristalle, Ausbeute 65%, Schmp. 62-64 0C. Von den Carbonsäureamiden ausgehend, führt eine wichtige Abbaureaktion zu primären Aminen: Der Hofmann-Abbau der Säureamide mit Natriumhypobromit (AW. von Hofmann, 1881). In seinem Verlaufe bildet sich zunächst ein AT-Bromcarbonsäureamid, das in dem basischen Medium zum Isocyanat umgelagert wird. Dieses addiert sofort Wasser zur Carbaminsäure, die spontan in CO2 und das Amin zerfällt. Präparativ läßt sich der Hofmann-Abbau besonders schön am oben geschilderten Abbau des Nicotinsäureamids zu 3-Aminopyridin demonstrieren. Am klassischen Beispiel des Acetamids ist die Reaktionsfolge so zu formulieren: CH 3 CONH 2 Br2 > CH 3 CONHBr N- Brom acetamid OH " > CH3N=C=O Methylisocyanat H2 °> CH 3 NHCO 2 H Methylcarbaminsäure "COj ^n > CH3NH2 Methylamin Die Reaktion des N-Bromamids mit Alkali wird häufig als a-Eliminierung zu einem Acylnitren interpretiert, das dann umlagert: CHoCONHBr QH " > (CH 3 -)CO—Nl > CH3N=C=O Nitrene besitzen wie die C-analogen Carbene nur ein Elektronensextett am Stickstoff. Wegen der dadurch gegebenen Labilität ist jedoch wahrscheinlicher, daß Acylnitrene nicht als freie Zwischenprodukte des Hofmann-Abbaus auftreten. Vielmehr kann die Wanderung des Alkylrestes in dem durch Deprotonierung des N-Bromamids entstehenden Anion gleichzeitig mit der Ablösung des Bromanions eintreten: CH3CONHBr QH " > CH3-C-N-Br > CH3N=C=O Hofmann- und Curtius-Abbau 323 Der wandernde Rest verbleibt bei seiner Umlagerung im Bereich des Reaktionskomplexes, denn optisch aktive Gruppen bewahren nach analoger Wanderung ihre Konfiguration. AT-Bromsuccinimid bildet mit Alkali 3-Aminopropionsäure (ß-Alanin), der Hofmann-Abbau von Phthalimid ergibt Anthranilsäure (formulieren!), der von Harnstoff (S. 329) Hydrazin und daraus durch Oxidation molekularen Stickstoff. Nach einem ganz ähnlichen Mechanismus verläuft der Curtius-Abbau der Carbonsäureazide (T. Curtius, 1894). Diese werden entweder durch Nitrosierung der Carbonsäurehydrazide (aus Carbonsäureestern und Hydrazin) oder - weniger glatt - aus Carbonsäurechloriden oder gemischten Anhydriden mit Natriumazid erhalten: CO 2 R' _" 2 p* > + NaN3 RCONHNH 2 RCOCI Beim Erhitzen der Carbonsäureazide in inerten Lösungsmitteln bilden sich die Isocyanate (vgl. S. 327) in isolierbarer Form. Beim Curtius-Abbau werden Acylnitrene nicht durchlaufen, vielmehr erfolgt die Wanderung des Restes R konzertiert mit dem Austritt von molekularem Stickstoff: In der Regel wird die Zersetzung der Carbonsäureazide jedoch in Ethanol vorgenommen, so daß man durch spontane Addition an die Isocyanate Ethylurethane erhält (formulieren!). Wegen der leicht erfolgenden hydrogenolytischen Abspaltung von Benzylresten (S. 316) wird oft auch Benzylalkohol als Reaktionspartner verwendet: RCON 3 + C 6 H 5 CH 2 OH -N 2 —> RNHCOOCH 2 C 6 H 5 Benzylurethan RNHCO 2 CH 2 C 6 H 5 -C 6 H 5 CH 3 ^^—> ' RNHCO 2 H 2 ^ " ^-> RNH -CO 2 ' Carbaminsäure Urethane werden allgemein sauer oder alkalisch verseift und geben so ebenfalls die primären Amine: RNHCO 2 R' _^.2°H > RNHCO 2 H , ^ > RNH 2 Eine Vereinfachung des Curtius-Abbaus stellt der Schmidt-Abbau dar, bei dem das Carbonsäureazid in situ aus der Carbonsäure und Natriumazid im zweiphasigen 324 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Gemisch aus Chloroform und konzentrierter Schwefelsäure erzeugt wird (K. F. Schmidt, 1923): RCO 2 H H 3 " > RCON 3 — N2 —--> CO 2 RNH 2 Der Schmidt-Abbau kann auch auf Ketone angewandt werden und verläuft dabei ähnlich der Beckmann-Umlagerung der Oxime (S. 348). Achtung: Carbonsäureazide sind explosiv, deshalb müssen Curtius- und SchmidtAbbau unter Einhaltung angemessener Vorsichtsmaßnahmen (Schutzschild, Schutzbrille) vorgenommen werden. Beim Schmidt-Abbau bildet sich überdies die flüchtige, giftige Stickstoffwasserstoffsäure (Abzug!). Seltener wird der Lossen-Abbau angewandt, bei dem Hydroxamsäuren unter entsprechender Umlagerung zu Isocyanaten dehydratisiert werden: RCONHOH —-> RNCO Nitrile Acetonitril H 3 CCONH 2 ( _P^} > H3CC=N In einen 250-ml-Rundkolben füllt man 20g Phosphorpentoxid (0,14 mol) ein, fügt 12g (20 mmol) trockenes Acetamid hinzu, mischt durch kräftiges Schütteln, verbindet den Kolben mit einem kurzen absteigenden Kühler und erhitzt dann die Mischung vorsichtig mit einer nicht zu großen leuchtenden Flamme, wobei unter Schäumen und Aufblähen Reaktion eintritt. Nach einigen min destilliert man unter stärkerem Erhitzen das Acetonitril in die Vorlage (Reagenzrohr) über. Das Destillat wird mit seinem halben Volumen Wasser versetzt, worauf man so viel festes Kaliumcarbonat hinzufügt bis sich dieses in der unteren wässerigen Schicht nicht mehr auflöst. Man trennt dann im Scheidetrichter (mit kurzem Ansatzrohr) und destilliert das Acetonitril nach Zugabe von wenig Phosphorpentoxid ins Fraktionierkölbchen. Sdp. 82 0 C. Ausbeute etwa 6 g (73% d.Th.)- Bei der hier ausgeführten, allgemein anwendbaren Nitrilsynthese wird aus einem Säureamid mit dem energisch wirkenden Trockenmittel P 2 O 5 Wasser abgespalten. Die Reaktion ist im Prinzip umkehrbar (Amide aus Nitrilen). Da man Säureamide ihrerseits durch Wasserabspaltung aus den Ammoniumsalzen erhält (siehe Präparat S. 312), können beide Schritte vereint zur direkten Nitrildarstellung aus Carbonsäuren dienen. Auch die Wasserabspaltung aus trans- (oder E-)Aldoximen führt zu Nitrilen. Diese Reaktion ist als Abbaureaktion in der Zuckerchemie von Bedeutung (Wohl, Zemplen). Herstellung und Reaktionen der Nitrile 325 Eine wichtige Darstellungsmethode für Nitrile ist die nucleophile Substitution von Halogen- oder anderen anionoiden Gruppen wie Tosyl durch Cyanid (KolbeSynthese). Sie ist auf S. 150 praktisch und theoretisch abgehandelt. Die Synthese der aromatischen Nitrile aus Diazoniumsalzen nach Sandmeyer wird auf Seite 616 besprochen. Die Nitrile der niederen Carbonsäuren (bis C13) sind flüssig, die höheren kristallisierte Stoffe, deren Wasserlöslichkeit mit steigender Molekularmasse abnimmt. Acetonitril hat die hohe Dielektrizitätskonstante 39 (Wasser ca. 80), ist daher ein gutes aprotisches Lösungsmittel für ionisierende Verbindungen, in dem viele Heterolysen rascher als in weniger polaren Solventien ablaufen. Die Reaktionsfähigkeit der Nitrile gründet sich auf die Dreifachbindung, die verschiedene Anlagerungsreaktionen am elektrophilen C-Atom ermöglicht. Die hydrolytische Spaltung zu Ammoniak und Säure, die durch längeres Erhitzen mit starken Mineralsäuren oder starken Laugen erfolgt, beginnt mit der Anlagerung von Wasser bzw. OH" an den Nitrilkohlenstoff und durchläuft die Amidstufe, die sich bei kontrollierter Arbeitsweise fassen läßt. Zu Amiden führt auch die Einwirkung von H 2 O 2 in schwach alkalischer Lösung, von Braunstein in siedendem Dichlormethan oder von HCl-Gas in wasserfreier Ameisensäure (F. Becke). Im letzten Fall liefert die Ameisensäure durch CO-Abspaltung das zur Hydrolyse (des Imidchlorids) nötige Wasser. Weitere Reaktionen seien durch die Formelgleichungen angedeutet: RCN + H2S 2 _ > [R-C ] _ > R-C Thiocarbonsaureamid RCN + HCI > R—Cv > R-C Imidsäurechloridhydrochlorid Imidsäure-ethylesterhydrochlorid (Iminoesteroder -etherhydrochlorid) OC 2 H 5 Von präparativer Bedeutung ist das Formimidsäure-ethylester-hydrochlorid, das beim Einleiten von trockenem HCl in eine Lösung von äquivalenten Mengen wasserfreier Blausäure und Ethylalkohol in absolutem Ether auskristallisiert. Durch Alkohol wird das Salz bei Raumtemperatur langsam zu Orthoameisensäure-triethylester und Ammoniumchlorid gespalten. NH2CIHC OC 2 H 5 + 2C 2 H 5 OH > OC 2 H 5 HC-OC2H5 OC 2 H 5 + NH4CI 326 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Diese Synthese des Orthoameisensäureesters ist günstiger als die aus Chloroform und Natriumethylat. Der Orthoameisensäureester findet zur Acetalisierung von Carbonylgruppen Verwendung. Nitrile lassen sich mit Metallen in protonenhaltigen Lösungsmitteln (S. 517) mit katalytisch erregtem Wasserstoff (S. 547) oder mit Lithiumalanat zu primären Aminen reduzieren (Präparat S. 536). Verseifung eines Nitrils zur Carbonsäure, Phenylessigsäure (Phenylacetamid) C 6 H 5 CH 2 CN + 2H 2 O + H 2 SO 4 > C 6 H 5 CH 2 CO 2 H + (NH 4 )HSO 4 40g (0,33 mol) Benzylcyanid (Phenylacetonitril, Präparat S. 150) werden in 40 ml Eisessig gelöst und mit der Mischung aus 40 ml konz. Schwefelsäure und 40 ml Wasser versetzt. Die Lösung kocht man 45 min am Rückflußkühler, fügt nach Abkühlen im Eisbad das doppelte Volumen Wasser zu und saugt nach einiger Zeit die auskristallisierte Phenylessigsäure ab. Wenn sich eine Probe in Natriumcarbonatlösung nicht klar löst (Phenylacetamid), wird das ganze Rohprodukt in 200 ml 2 N Natriumcarbonatlösung aufgenommen, die Lösung vom Amid abfiltriert und aus dem klaren Filtrat die Phenylessigsäure mit Schwefelsäure langsam wieder ausgefällt. Die Säure kann direkt aus ziemlich viel heißem Wasser oder/nach dem Trocknen, aus Petrolether umkristallisiert werden. Infolge ihres niederen Schmelzpunkts (76 0 C) erscheint sie häufig zu Anfang ölig. Zur Reinigung destilliert man die Phenylessigsäure zweckmäßig aus einem Säbelkolben oder im Kugelrohr i. Vak., wobei sie nach kurzem Vorlauf bei 140—1440C / 12 Torr übergeht. Die Ausbeute beträgt 34-38 g (82-92%d. Th,); sie kann durch Ausethern der ersten schwefelsauren Mutterlauge ein wenig erhöht werden. Unter milderen Bedingungen (3g Benzylcyanid in 8 ml konzentrierter Schwefelsäure lösen, nach 6 h in 500 ml Wasser eingießen) führt die Verseifung im wesentlichen nur bis zum Phenylacetamid (Schmp. 155 0 C). Korksäure aus dem Dinitril NCCH 2 (CH 2 ) 4 CH 2 CN > HO 2 CCH 2 (CH 2 ) 4 CH 2 CO 2 H a) Saure Hydrolyse: 20g Korksäure-dinitril (1,6-Dicyanohexan, S. 151) (0,15 mol) werden, wie oben für Phenylessigsäure beschrieben, mit einem Gemisch aus je 40 ml Wasser, Eisessig und konzentrierter Schwefelsäure hydrolysiert. Die entsprechende Aufarbeitung liefert beim Ansäuern der alkalischen Lösung 24-25 g farbloser Korksäure (94-97% d.Th.), die sich im Schmelzpunkt 139-14O0C bereits als recht rein erweist. b) Alkalische Hydrolyse: Man kocht 20 g Korksäure-dinitril (0,15 mol) mit einer Lösung von 18 g Natriumhydroxid (0,45 mol) in 30 ml Ethanol und 60 ml Wasser auf dem Ölbad 5 h unter Rückfluß; die Abscheidung des Natrium-suberats kann gegen Ende Stoßen verursachen. Man verdünnt mit 200 ml Wasser bis zur klaren Lösung und säuert unter Kühlung im Eisbad vorsichtig mit 10OmI halbkonzentrierter Salzsäure an, wobei sich die Korksäure kristallin abscheidet. Nach kurzem Stehen wird abgesaugt und mit Wasser auf der Nutsche gewaschen. Nach dem Trocknen erhält man 23-24 g einer bei 137-1390C schmelzenden Korksäure (90-94% d. Th.). Hydrolyse der Nitrile und Harnstoff 327 Zur Hydrolyse von Nitrilen mit empfindlichen Substituenten werden zuweilen Umwege eingeschlagen. So kann man zum Beispiel die leicht verlaufende Addition von Schwefelwasserstoff zum Thiocarbonsäureamid (S. 325) benutzen und dieses dann leicht hydrolysieren oder mit Alkohol-HCl das Imidsäure-ethylester-hydrochlorid herstellen, das ebenfalls leicht hydrolysierbar ist. Die Cyanhydrine (a-Hydroxynitrile, S. 360) und a-Aminonitrile (S. 354) lassen sich nur mit Säure zu den a-Hydroxy- bzw. a-Aminosäuren hydrolysieren, da Alkali eine Abspaltung von Cyanid bewirkt. + Über Isonitrile (Isocyanide) R—N=C| sind auf S. 519 einige Ausführungen gemacht. Cyanat-lsocyanat Harnstoff nach Wöhler 2KNCO + (NHJ2SO4 > 2OC(NH 2 ) 2 + K2SO4 Die Lösung von 41 g Kaliumcyanat (0,50 mol) und 40g Ammoniumsulfat (0,30 mol) in 500 ml Wasser dampft man auf einer Porzellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne. Den Rückstand kocht man in einem Rundkolben erschöpfend mit absolutem Alkohol aus und engt die filtrierte Lösung ein, bis beim Abkühlen und Impfen Kristallisation eintritt. Man erhält 12-14 g Harnstoff (40-46%) vom Schmp. 132 0 C. Aus der Mutterlauge isoliert man nach dem Abdampfen des Alkohols den Rest als Nitrat. Zu diesem Zweck nimmt man den Abdampfrückstand in soviel Wasser auf, daß etwa 1 g in 5 ml gelöst sind und gibt auf 5 ml Lösung 1 ml konzentrierte Salpetersäure zu. Das Harnstoffnitrat, das sofort in farblosen Kristallen ausfällt, wird nach wenigen min abgesaugt und mit wenig eiskaltem Wasser gewaschen. Mit der Wöhler'schen Harnstoff-Synthese wurde 1828 zum ersten Mal ein Produkt der Zelltätigkeit von Säugetieren künstlich erhalten. Das Cyanation ist ein mesomeres, ambidentes Ion, das nucleophil mit seinem Sauerstoff- oder Stickstoffende reagieren kann. Es bildet mit dem NH^-Ion 2 Säure-Basen-Gleichgewichte, in denen als Konjugatsäuren entweder Cyansäure oder Isocyansäure vorliegen. Isocyansäure und Ammoniak reagieren unter Addition an die CN-Doppelbindung zu Harnstoff. ^ NH; + [N=C-O]1 NH3 + HO-C=N Cyansäure ^ NH3 + HN=C=O Isocyansäure H-NH2 + > H2N C=O HN=C=O H2N 328 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Die besondere Reaktivität des kumulierten Doppelbindungssystems zeigen auch die Ester der Isocyansäure, die Isocyanate, die man zum Beispiel aus primären Aminen und Phosgen oder durch den auf S. 323 behandelten Curtius-Abbau der Carbonsäuren herstellen kann. RNH 2 + CI2CO -> RN=C=O + 2HCI Isocyansäure und ihre Ester reagieren unter Addition mit allen Nucleophilen, zum Beispiel mit Wasser zu Carbaminsäuren, die leicht CO2 unter Bildung von Ammoniak bzw. primären Aminen abspalten. Die hydrolytische Zersetzung des Phenylisocyanats (S. 529) gibt auf diese Weise Anilin, das sich an die Ausgangssubstanz zu Diphenylharnstoff anlagert. C6H5N=C=O + H2O -> C 6 H 5 NHCO 2 H Carbaminsäure -rn -^L-* C 6 H 5 NH 2 C 6 H 5 NH 2 + C6H5N=C=O -> C 6 H 5 NHCONHC 6 H 5 Mit Alkohol entstehen die beständigen Ester der Carbaminsäuren, die Urethane, mit Aminen substituierte Harnstoffe (siehe oben), mit Hydrazin Semicarbazide (siehe Präparat S. 330). Die große Reaktionsfähigkeit von a,o>-Diisocyanaten wird zur Herstellung von Kunststoffen benutzt; durch Polyaddition von a, CD- Diaminen entstehen Polyharnstoffe, von a,c0-Diolen Polyurethane. Ist bei diesen Reaktionen etwas Wasser anwesend, bildet sich durch Hydrolyse, wie oben formuliert, CO2, das die in Polyaddition befindliche, fest werdende Masse zu einem leichten Schaumstoff auftreibt. Noch reaktionsfähiger im analogen Sinn als die Isocyanate sind ihre S-Analogen, die Isothiocyanate (Senföle). Mit Aminen geben sie Thioharnstoffe. Die Ester der Cyansäure (ROC=N) sind noch nicht lange bekannt. Man erhält die aromatischen Cyanate durch Einwirken von Phenolat auf einen Überschuß von Chlorcyan, die einfachen aliphatischen Cyanate durch eine hier nicht näher zu beschreibende Thermolyse von Alkoxy-l,2,3,4-thiotriazolen (E. Grigat, 1967). + ClCN ^ ff \ Y _ o - C = N + CI Während die aromatischen Cyanate sogar in der Hitze stabil sind, lagern sich die aliphatischen leicht in die Isocyanate um. In ihrer Reaktionsfähigkeit stehen die Cyanate hinter den Isocyanaten zurück. Auch die schon lange bekannten Thiocyansäureester, RSC=N, (Rhodanide) sind in der aromatischen Reihe beständig, während sich die Alkylrhodanide leicht in die Isothiocyanate (Senföle) umlagern lassen. Auch die im folgenden Versuch angegebene Herstellung von Biuret durch Erhitzen Reaktionen des Harnstoffs 329 des Harnstoffs beruht auf einer Addition und zwar des Harnstoffs an Isocyansäure, die ihrerseits durch thermische Spaltung des Harnstoffs in Umkehrung seiner Synthese entstanden ist. H 2 NCONH 2 H2NCONH2 + HN=C=O A > > HN=C=O Biuret + NH3 H 2 NCONHCONH 2 Versuche mit Harnstoff Versuch: Biuret — In einem Reagenzglas erhitzt man eine Probe Harnstoff vorsichtig über den Schmelzpunkt. Es wird NH3 abgespalten (Geruch); die erstarrte Schmelze liefert, aus Wasser umkristallisiert, Biuret vom Schmp. 1930C. Versetzt man die wässerige Lösung von Biuret mit wenig Kupfersulfatlösung und etwas Natronlauge, so tritt eine schöne violette Färbung auf. Versuch: Reaktion mit Hypobromit — Eine Lösung von Harnstoff in Wasser wird mit Natronlauge alkalisch gemacht und mit einem Tropfen Brom versetzt: Stickstoffentwicklung als Folge eines Hofmann-Abbairs (S, 321) und Weiteroxidation des Hydrazinderivats. Versuch: Reaktion mit salpetriger Säure - Zu einer mit Salzsäure angesäuerten Lösung von Harnstoff fügt man wässerige Nitritlösung: Stickstoffentwicklung und CO 2 Bildung. Formulieren! Harnstoff wird zur Beseitigung von salpetriger Säure z.B. bei der Synthese von Ethylnitrat (S. 147) verwendet. Versuch: Hydrolyse — Eine Probe Harnstoff wird mit etwas Barytwasser [Ba(OH) 2 Lösung] im Reagenzglas gekocht. Es fällt langsam Bariumcarbonat aus und Geruch nach Ammoniak tritt auf. Harnstoff wird durch Säuren und Laugen nur langsam hydrolysiert, weil sein CAtom aus Mesomeriegründen wenig elektrophil ist. Dasselbe gilt für die Urethane. In Gegenwart des Enzyms Urease wird Harnstoff rasch zu NH4" und Carbonat hydrolysiert. Düngemittel! Durch Abspaltung von Wasser (bzw. H2S) entstehen aus N,N-disubstituierten Harnstoffen (bzw. Thioharnstoffen) Carbodiimide. Die Reaktion kann bei beiden Körperklassen durch das System Phosphin/Tetrachlorkohlenstoff bewirkt werden (R. Appel), bei Thioharnstoffen auch durch Schwermetallionen (Pb+ +, Hg+ +). Carbodiimide gehen äußerst leicht durch Anlagerung von Wasser in Harnstoffe über und werden als wasserabspaltende Reagentien zum Beispiel in der Polynucleotid- oder Peptidsynthese (S. 319) verwendet. R-NH I C I R— N Y -H 2 X p Il + H2O R-NH X O X =O R— N R-NH I CO I R-NH Harnstoffderivat Carbodiimid 330 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Semicarbazid-hydrochlorid NH2 N2H4 + HOCN > O=C NH-NH2 O Il H 2 NCNHNH 2 + CH 3 COCH 3 *± O CH3 Il / H2NCNHN=C CH3 50g Hydrazinsulfat (0,30 mol) werden in einem 0,5-l-Becherglas in 200 ml siedendem Wasser mit Natriumcarbonat genau neutralisiert und dabei gelöst. Dann kühlt man auf 50 0C, setzt die Lösung von 35g Kaliumcyanat (0,40 mol) in 10OmI Wasser im Laufe von 5 min zu und läßt über Nacht bei Zimmertemperatur stehen. Nachdem man vom auskristallisierten Hydrazodicarbonamid 1 (5—7 g) abfiltriert hat, fügt man 60 ml Aceton (ca. 0,8 mol) zu, schüttelt kurz durch, saugt von wenig anorganischem Salz rasch ab und gibt zum Filtrat weitere 10 ml Aceton. Der Ansatz bleibt unter öfterem Umschütteln 24 h stehen, während derer das Acetonsemicarbazon auskristallisiert. Es wird abgesaugt, mit wenig Eiswasser gewaschen und an der Luft oder im Exsikkator getrocknet. Man erhält 30-35 g vom Schmp. 193-195 0 C. Zur Zerlegung des Semicarbazons wird es pro 10g mit 8 ml konzentrierter Salzsäure übergössen und unter Rühren und öfterem Eintauchen in ein Wasserbad von 5O 0 C in Lösung gebracht, die manchmal schwach opalesziert. Man läßt sie im Eisbad erkalten. Dabei kristallisiert das Semicarbazid-hydrochlorid zu einem dicken Brei, der scharf abgesaugt, mit wenig eiskalter halbkonzentrierter Salzsäure und zweimal mit wenig kaltem Alkohol gewaschen wird. Diese erste Kristallfraktion wiegt 14—15g und hat den noch zu tiefen Schmelzpunkt von 136-1380C (unter Zersetzung). Zur Reinigung löst man sie bei 2O 0 C in 25 ml 2N Salzsäure, gibt 50 ml Alkohol zu und stellt die Lösung ins Eisbad. Beim Kratzen der Gefäßwand mit einem Glasstab scheiden sich Kristalle ab, die nach 1 h abgesaugt, mit wenig kaltem Alkohol, dann Ether gewaschen werden. Man erhält ca. 6 g reines Semicarbazid-hydrochlorid vom Schmp. 172—174 0 C. Aus der Mutterlauge dieser Kristallisation werden durch Zugabe von 50 ml Ether und Aufbewahren im Eisschrank weitere 2,5 g mit derselben Reinheit abgeschieden. Weitere 7 g vom Schmp. 173—174 0 C erhält man schließlich durch Versetzen der salzsauren Mutterlauge der ersten Kristallisation mit dem doppelten Volumen an Alkohol, Kaltstellen, Absaugen und Waschen wie oben. Die insgesamt isolierten 14-16 g Semicarbazid-hydrochlorid entsprechen einer Ausbeute von 44—50%, bezogen auf das Acetonsemicarbazon. Semicarbazid reduziert als primäres Hydrazid (der Carbaminsäure) DiamminSilber-Lösung und Fehling'sche Lösung. 1 Die Verbindung entsteht aus Semicarbazid und Isocyansäure nach H 2 NCONHNH 2 + HNCO > H 2 NCONHNHCONH 2 Bei zu rascher Zugabe des Cyanats entsteht infolge einer relativ höheren Isocyansäurekonzentration mehr Nebenprodukt. Semicarbazone und Kalksalzdestillation 331 Mit Aldehyden, etwas langsamer mit Ketonen, tritt Semicarbazid unter Wasserabspaltung zu Semicarbazonen zusammen, die wegen ihrer leichten Spaltbarkeit besser als die Phenylhydrazone und Oxime zur Abscheidung und Reinigung von Carbonylverbindungen geeignet sind. Versuch: Benzaldehyd-semicarbazon — Man löst eine Spatelspitze (einige 100 mg) des dargestellten Hydrochlorids in 2-3 ml Wasser, fügt zum Abpuffern der entstehenden H ^-Ionen eine Spatelspitze Natriumacetat zu und schüttelt mit einigen Tropfen Benzaldehyd. Um homogene Lösung zu erzielen, kann etwas Alkohol zugesetzt werden. Nach kurzer Zeit kristallisiert das Benzaldehyd-semicarbazon aus. Man saugt ab und kristallisiert aus Alkohol um. Schmp. 214 0 C (Zersetzung). Durch gelindes Erwärmen mit konzentrierter Salzsäure wird das Semicarbazon wieder in seine Komponenten zerlegt. Ketone aus Carbonsäuren Cyclopentanon aus Adipinsäure [O 2 C(CH 2 J 4 CO 2 ]Ba A > In einem 500-ml-Rundkolben, der mit einem Innenthermometer, das fast bis zum Boden reicht, und Destillieraufsatz mit absteigendem Kühlrohr ausgestattet ist, erhitzt man eine innige Mischung von 102g Adipinsäure (0,70 mol) und 10g kristallisiertem Bariumhydroxid (Ba(OH) 2 -SH 2 O) (30 mmol) im Metall- oder Luftbad langsam bis zum Schmelzen (150-16O0C) und dann auf 285-29O0C. Man hält bei dieser Temperatur 2 h wobei Cyclopentanon mit wenig Adipinsäure und Wasser überdestilliert; schließlich verbleibt nur ein trockener schwarzer Rückstand im Kolben. Im Destillat trennt man das Wasser vom leichteren Keton ab und trocknet dieses mit Kaliumcarbonat, wobei gleichzeitig die Adipinsäure entfernt wird. Destillieren über eine Kolonne liefert 30g (=48% d.Th.) vom Siedepunkt 129-1320C / 760 Torr. Die Bildung von Ketonen beim Erhitzen der Erdalkalisalze von Carbonsäuren unter Abspaltung des Erdalkalicarbonats ist eine der ältesten Ketonsynthesen. O Il H3C-C-O H3C Ca > H3C CO + CaCO3 1 H3C-C-O Il O Während sie bei Monocarbonsäuren nicht immer befriedigende Ausbeuten gibt, erfreut sie sich zur Darstellung cyclischer Ketone allgemeiner Beliebtheit. Da das 332 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe Barium-carbonat im obigen Versuch durch überschüssige Adipinsäure unter CO 2 Entwicklung und Bildung neuen Barium-adipats zersetzt wird ist es nicht nötig, die ganze Adipinsäure als Barium-Salz einzusetzen, sondern man kommt mit einer katalytischen Menge an Ba(OH)2 aus. C 4 H 8 (COOH) 2 + BaCO3 > C 4 H 8 (COO) 2 Ba + CO2 + H2O Für die Synthese von Ringketonen großer C-Anzahl (C15-C20) wie Muscon oder Exalton eignen sich nach Ruzicka besser die Thoriumsalze. Universeller sind die vom Malonester (S. 414) und Acetessigester (S. 413) ausgehenden Ketonsynthesen. Allgemein werden Ketone bekanntlich durch Oxidation aus sekundären Alkoholen erhalten. Zur direkten Umwandlung von Carboxylgruppen in Ketone siehe Kap. EX. Weiterführende Literatur zu Kapitel V W.B. Jensen, The Lewis Acid-Base Definition: A Status Report, Chem. Rev. 78, l (1978). CH. Rochester, Acidity Functions, Academic Press, London, New York 1970. H. Henecka und E. Ott, Methoden zur Herstellung, Umwandlung und Decarboxylierung von Carbonsäuren, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 359, Thieme, Stuttgart 1952. R. H. De Wolfe, Synthesis of Carboxylic and Carbonic Ortho Esters, Synthesis 1974, 153. H. Henecka, Carbonsäureester, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 503, Thieme, Stuttgart 1952. H. Henecka und P. Kurtz, Carbonsäureamide, Methoden der organischen Chemie (HoubenWeyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 653, Thieme, Stuttgart 1952. R. A. Boissonnas, Selctively Removable Amino Protective Groups Used in the Synthesis of Peptides, Adv. Org. Chem. 3, 159 (1963). W. H. Härtung und R. Simonoff, Hydrogenolysis of Benzyl Groups Attached to Oxygen, Nitrogen, or Sulfur, Org. React. 7, 263 (1953). E. Wünsch, Synthese von Peptiden, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 15/1 und /5/2, Thieme, Stuttgart 1974. W. Grassmann und E. Wünsch, Synthese von Peptiden, Fortschritte Chemie organischer Naturstoffe, Herausg. L. Zechmeister, Bd. 13, S. 444, Springer-Verlag, Wien 1956. Th. Wieland, Aus der Chemie der Polypeptide, Angew. Chem. 7/, 417 (1959); Th. Wieland, PeptidSynthesen, Angew. Chem. 63, l (1951), 66, 507 (1954); Th. Wieland und B. Heinke, Peptid-Synthesen, Angew. Chem. 69, 362 (1957). N. F. Albertson, Synthesis of Peptides with Mixed Anhydrides, Org. React. 12,157 (1962). H. Henecka, Ersatz der Carboxylgruppe durch die Aminogruppe, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. 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Aufl., Bd. 5, S. 755, Thieme, Stuttgart 1952. Vl. Reaktionen der Carbonylgruppe, I. Experimente: Versuch: Hydrogensulfitverbindung Acetaldehyd-diethylacetal Acetessigester-ethylenacetal 2-Ethyl-l,3-dithian Versuch: l - Phenylethyliden -1,1- bis(thioessigsäure) Versuch: Paraformaldehyd Versuch: Paraldehyd Versuch: Metaldehyd Versuch: Reduktion von Silberionen Versuch: Fehlingsche Probe Versuch: Schiffsche Probe Versuch: Hexamethylentetramin Versuch: Acetaldehyd und Ammoniak Versuch: Benzaldehyd und Ammoniak Isobutyraldehyd-cyclohexylimin Versuch: Schiffsche Base !-(N-Morpholino)-l-isobuten 1-(N- Pyrrolidino)-l-cyclohexen, 2-Allylcyclohexanon 2 - Benzoylcyclohexanon Versuch: Semicarbazon des Ethylmethylketons Versuch: Phenylhydrazon des Benzaldehyds Versuch: 2,4-Dinitrophenylhydrazone von Aldehyden und Ketonen Acetophenonoxim Acetanilid durch Beckmann-Umlagerung Cyclohexanonoxim e-Caprolactam aus Cyclohexanonoxim Versuch: Polymerisation von e-Caprolactam Mannich Reaktion. Gramin Strecker-Synthese. D,L-Alanin Methylamin durch reduktive Methylierung a- Pheny lethy lamin Spaltung des racemischen a-Phenylethylamins mit D-Weinsäure Mandelsäure l - Phenyl-2-nitroethylen 336 Aldolverknüpfung unter Basekatalyse. Dibenzalaceton Aldolverknüpfung unter Säurekatalyse. Benzalacetophenon Versuch: Acetaldehydharz Polarisierung der Carbonylgruppe 337 Vl. Reaktionen der Carbonylgruppe, I. Einige einfache Additionen an die Carbonylgruppe Das hervorstechende Merkmal der Carbonylgruppe C=O ist die elektrophile Eigenschaft des Kohlenstoffs. Diese ermöglicht die zahlreichen Umsetzungen der CarbonylVerbindungen, die durch nucleophile Addition eingeleitet werden, wobei die Aldehyde in der Regel reaktionsfähiger sind als die Ketone, da der <5( + )-Charakter des Kohlenstoffs in den Ketonen durch den -h I-Effekt zweier Alkylgruppen stärker abgeschwächt wird. X : • • • C=O I r\ I > X—C—O- + I I H+ > X—C—OH I I Der <5( + )-Charakter der Carbonylgruppe kommt auch in der Lage der typischen Carbonylfrequenz im IR-Spektrum zum Ausdruck: gesättigte offenkettige Ketone zeigen die Bande bei 1705 bis 1725 cm"*, also bei geringerer Frequenz als die gesättigten Aldehyde, deren Bande bei 1720 bis 1740 cm~ 1 liegt. Die im vorigen Kapitel behandelten Carbonsäureamide besitzen, wenn sie nicht a,/J-ungesättigt sind, Carbonylbanden um 1680 cm" l . Dafür wie für ihre geringe Reaktivität an der Carbonylgruppe ist der mesomere Einfluß des Stickstoffs verantwortlich. Die gesättigten Carbonsäureester haben Carbonylbanden um 1740Cm"1, in diesem Fall bedeutet die hohe Frequenz jedoch keine gesteigerte Reaktivität, vielmehr wirkt sich der( — )-I-Effekt der Alkoxygruppe auf die Carbonylfrequenz aus. Säurechloride besitzen Banden bei 1800cm"1 und Anhydride zwei Carbonylbanden bei 1810 und 1750 cm"1, während die Carbonylschwingungen von Carbonsäuren, durch deren dimere Struktur bedingt, bei 1710cm"1 liegen und verbreitert sind. Als nucleophile Addenden an Aldehyde und Ketone kommen vor allem in Betracht: Ammoniak und primäre oder sekundäre Amine, Hydroxylamin und Hydrazine; Carbanionen wie Cyanid, Acetylide sowie Anionen von Nitrolalkanen, Carbonsäureestern oder -anhydriden, von aliphatischen Aldehyden und Ketonen oder von Organometallverbindungen (siehe Kapitel IX); außerdem organische Verbindungen mit nucleophilem Kohlenstoff wie z. B. Phenole (siehe S. 374). N=C', R—C=C T , O2N-Cr, O=C-Cr, —C~ MgX; Weiterhin lagern sich an: Das Hydrogenslfition, HSO3" (zu „BisulfitVerbindungen"), Alkohole und Mercaptane (zu Acetalen und Mercaptalen), aliphatische Diazoverbindungen (siehe S. 630), das Hydridion H", die Elektronen eines unedlen Metalls (Reduktion, siehe Kapitel XI, S. 511), Peroxide ROO": und viele andere. 338 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I Die Addition an die C=O-Gruppe verläuft in manchen Fällen spontan, in den meisten, muß durch Säuren oder Basen katalysiert werden. Protonen oder LewisSäuren (ZnCl2, AlCl3, BF3 u.a.) lagern sich an den Sauerstoff der Carbonylgruppe an und verstärken dadurch die elektrophilen Eigenschaften des Carbonylkohlenstoffs. H+ + O=C -> HO=C <-> HO-C + Eine beschleunigende Wirkung von Basen tritt auf, wenn diese durch Protonenentzug die nucleophilen Eigenschaften des Addenden steigern oder überhaupt erst hervorbringen. Oe -> -C=C Eine wichtige Methode zur quantitativen Abscheidung von Carbonylverbindungen ist die Fällung mit Hydrogensulfit; da die so gewonnenen kristallinen Hydrogensulfitverbindungen leicht wieder zu zerlegen sind, lassen sich Carbonylverbindungen auf diese Weise auch reinigen. Versuch: Hydrogensulfitverbindung eines Aldehyds — Zu einigen ml ca. 40 proz. Natriumhydrogensulfit-Lösung gibt man unter kräftigem Rühren oder Schütteln einige Tropfen Benzaldehyd, Nach kurzer Zeit fällt das kristallisierte Na-SaIz der or-Hydroxybenzolsulfonsäure C 6 H 5 CH(OH)SO 3 Na aus. Zur Zerlegung siehe Vorschrift auf S. 634. Die Addition des Hydrogensulfitions an die C=O-Gruppe ist, wie viele solche Additionsreaktionen, eine Gleichgewichtsreaktion. Beim Erwärmen mit schwachen Laugen oder mit Säuren wird der Hydrogensulfitrest als Sulfit oder SO2 aus dem Gleichgewicht entfernt, die Bisulfitverbindung also zerlegt: OH O I Il . +QH " > S O 3 - + H 2 O R-C-SO3 *± R-C + HSO 3 ; HSO3--< I I \—-JTT-* H 2 SO 3 -> SO2 + H 2 O +H H H Acetaldehyd - diethylacetal CH 3 CHO + 2C 2 H 5 OH > CH 3 CH(OC 2 H 5 J 2 + H2O In einer V 2 -l-Flasche werden 20g wasserfreies Calciumchlorid in 13OmI 95proz. Ethanol gelöst. Man kühlt die Flasche im Eisbad auf 8 0 C und läßt dann 62 ml frisch destillierten Acetaldehyd (Kp. 20-220C) vorsichtig an der Innenwand der Flasche hinab- Acetale und Ketale 339 laufen, so daß er eine Schicht auf der Lösung bildet. Nun schließt man die Flasche fest mit einem Korkstopfen und schüttelt sie kräftig einige min lang durch. Sie wird dann ein bis zwei Tage bei Raumtemperatur aufbewahrt und gelegentlich geschüttelt. In dieser Zeit teilt sich der Inhalt der Flasche in zwei Phasen. Die obere Phase wird schließlich abgetrennt und dreimal mit je 30 ml Wasser gewaschen. Anschließend trocknet man sie über Kaliumcarbonat und unterwirft sie einer fraktionierenden Destillation in einer Apparatur mit einer wirksamen, wenigstens 90 cm langen Kolonne. Man sammelt die von 101-103,50C siedende Fraktion, 55—70 g, Ausbeute 42-54% d.Th. Acetessigester-ethylenacetal H 2 C-CH 2 °\ /° \/ CH 3 COCH 2 CO 2 C 2 H 5 HOCH2-CH2OH > H3C CH2-CO2C2H5 In einem mit Rückflußkühler und Wasserabscheider versehenen 250-ml-Kolben werden 30g Acetessigsäure-ethylester, 16,Og Ethylenglykol, eine Spatelspitze p-Toluolsulfonsäure und etwa 50 ml Benzol bis zum Aufhören der Wasserentwicklung erhitzt. Man dampft i. Vak, ein und destilliert den Rückstand: Kp 99-101 0 C / 1 7 Torr, Ausbeute 31 g (77%). Aus Aldehyden und Alkoholen bilden sich Acetale, dabei verläuft die erste Stufe zum „Halbacetal" häufig spontan, die zweite bedarf einer milden Säurekatalyse. OR' + OR' RCHO + R'OH *± R-CH \ OH R'QH/H\ H 2° R-CH \ OR' Halbacetal Acetal Die Bildung von Ketalen aus Ketonen und Alkoholen verläuft deutlich schwieriger und wird häufig, wie oben, mit Toluolsulfonsäure als Katalysator in siedendem Benzol unter Auskreisen des gebildeten Wassers durchgeführt. Auch aus Keton und Orthoameisensäureester lassen sich Ketale erhalten (formulieren!). 2-Ethyl-1,3-dithian S-CH2 HSCH 2 CH 2 CH 2 SH + C 2 H 5 CHO > C 2 H 5 CH ^CH2 S-CH2 In einem 1-I-Dreihalskolben löst man 11,6g (14,4ml, 0,2 mol) Propionaldehyd und 21,6g (20 ml, 0,2 mol) 1,3-Propandithiol in 500 ml Chloroform und rührt 1 h. Dann kühlt man mit Eis auf O 0 C, fügt auf einmal 8 ml Bortrifluorid-etherat zu, rührt noch 1 h 340 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I intensiv und stellt das Gemisch dann für 15 h in den Eisschrank. Anschließend wird auf ein Gemisch von 200 ml 10proz. Natronlauge und Eis gegossen, die (untere) organische Phase dreimal mit kalter Natronlauge und mit Wasser gewaschen und über Kaliumcarbonat getrocknet. Nach Eindampfen i. Vak. destilliert man bei 94—98 0 C und 16 Torr über eine kleine Kolonne und erhält 17,4g (65%) Thioacetal. Versuch: 1 - Phenylethyliden-1,1 -bis(thioessigsäure) C6H^ /SCH 2 CO 2 H C H 3 C/ ^SCH2CO2H C6H5COCH3 + 2HS-CH2-CO2H > 1 g Acetophenon (S. 434) wird durch kurzes Erwärmen in 2 ml Thioglykolsäure gelöst. In die abgekühlte Lösung wird blasenweise HCI-Gas eingeleitet. Nach kurzer Zeit erwärmt sich der Ansatz, und das Reaktionsprodukt beginnt sich, mitunter in Tröpfchen, auszuscheiden; bei weiterem Einleiten erstarrt alles zu einem Kristallbrei. Man saugt ab und wäscht mit möglichst wenig eiskaltem Wasser, bis das Filtrat etwa pH 3—4 zeigt. Umkristallisieren aus wenig Wasser, in dem das Mercaptal in der Hitze sehr leicht löslich ist, liefert 1,52g (ca. 50%) weiße Nadeln mit Schmp. 132-1330C. Die Dithioacetale (Mercaptale, Mercaptole) bilden sich aus Thiolen und Aldehyden oder Ketonen unter der katalytischen Wirkung von starken Mineral- oder Lewis-Säuren. Durch Erhitzen mit wässerigen Säuren werden die Dithioacetale hydrolytisch in die Ausgangskomponenten zurückgespalten, allerdings viel schwieriger als die ihnen analogen Acetale (S. 338). Gegen Alkalien sind Acetale und Thioacetale beständig. Letztere lassen sich mit Raney-Nickel unter Entschwefelung hydrogenolytisch spalten. Damit ist neben den Reduktionen nach Kishner-Wolff (S. 544) und Clemmensen (S. 510) eine weitere Methode zum Ersatz von Carbonylsauerstoff durch Wasserstoff gegeben. Formaldehyd und Acetaldehyd polymerisieren leicht. In frisch bereiteter wässeriger Lösung liegt Formaldehyd fast ausschließlich als Hydrat HO—CH2—OH (Dihydroxymethylen) vor, das sich unter H2O-Abspaltung in einer durch H + - oder OH ~ katalysierbaren Gleichgewichtsreaktion zu „ Polyoxymethylenhydraten" HOCH2-<OCH2)n—OCH2OH kondensiert. Übersteigt die Zahl n etwa 10, fallen die Kondensationsprodukte als farblose Pulver aus, und es entsteht, wenn man das Lösungs- und Kondensationswasser abdampft, ein Gemisch von Makromolekülen mit bis zu 100 C-Atomen, der amorphe Paraformaldehyd. Je nach Polymerisationsgrad lösen sich diese Produkte beim Kochen in Wasser rascher oder langsamer auf, wobei sie zu kleineren Molekülen abgebaut werden. Beim Erhitzen auf 160-17O0C zerfällt Paraformaldehyd durch schrittweisen Abbau von den Enden her in gasförmigen Formaldehyd, der auf diese Weise bequem erzeugt werden kann. Beim Erhitzen von Paraformaldehyd mit kleinen Mengen Schwefelsäure entsteht das bei 640C Mercaptale und Paraldehyd 341 schmelzende, in organischen Lösungsmitteln und in Wasser lösliche kristallisierte 1,3,5-Trioxan (Trioxymethylen). Wasserfreier Formaldehyd ergibt, in Petrolether, Benzol oder anderen Verdünnungsmitteln in Gegenwart geeigneter Initiatoren, hochpolymere Polyoxymethylene vom Molekulargewicht 50000 und höher, die als Kunststoffe verwendet werden können, wenn durch Blockierung der Endhydroxyle, etwa durch Acetylierung, die Pyrolysierbarkeit verhindert wird. H x ^CH3 /CO "O H. I I^ H 3 CCN ^ V X. H2C. CT I ~0 I ^CH2 H H I I H,C- C- O - C - CHO 3 I I O O J ^O" 1,3,5 - Trioxan I I "O^ ^CH3 Paraldehyd H 3 C- C- O - C - CH3 H I H I Metaldehyd Versuch: Paraformaldehyd - 100 ml der auf S. 468 bereiteten wässerigen Formaldehydlösung werden mit einigen ml verd. Salzsäure in einer Porzellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne eingedampft. Es bleibt ein weißer amorpher Rückstand („Paraform") zurück, der sich in keinem der gebräuchlichen Lösungsmittel löst. Eine Probe wird durch Kochen mit viel Wasser in Lösung gebracht, eine andere in einem Reagenzglas über freier Flamme vorsichtig erhitzt. Sie verflüchtigt sich unter teilweiser Sublimation und stechendem Formaldehydgeruch. Beim Aufbewahren von Acetaldehyd trimerisiert sich dieser allmählich zum flüssigen Paraldehyd. Diese Reaktion läßt sich durch Protonen außerordentlich beschleunigen. Wie beim oben erwähnten Trioxan, fallen auch beim Paraldehyd die typischen Aldehydreaktionen negativ aus. Versuch: Paraldehyd — In einem nicht zu kleinen Erlenmeyerkolben versetzt man 5 ml frisch destillierten Acetaldehyd unter Kühlung mit einem Tropfen konz. Schwefelsäure. Wenn die heftige Reaktion zu Ende ist, schüttelt man, um die Schwefelsäure zu entfernen, in einem kleinen Tropftrichter den gebildeten Paraldehyd mit Wasser, trennt nach dem Absitzen die obere Schicht, den in Wasser unlöslichen polymeren Aldehyd ab (bei zu starker Verdünnung muß man ausethern), trocknet mit wenig CaCI2 und destilliert aus einem kleinen Fraktionierkolben. Siedepunkt 124 0 C/760 Torr. In Umkehrung zu seiner Bildung kann der Paraldehyd wieder in Acetaldehyd zurückverwandelt werden, wenn man nach Zusatz einiger Tropfen konz. Schwefelsäure auf dem Wasserbad den leicht flüchtigen Gleichgewichtspartner über eine Kolonne abdestilliert. Nach dieser Methode kann man sich jederzeit frischen Acetaldehyd bereiten. 342 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I Man prüfe reinen Paraldehyd auf die Aldehydreaktionen mit ammoniakalischer Silbernitrat-Lösung, fuchsinschwefliger Säure (siehe unten) oder Natriumhydrogensulfit-Lösung. Sie fallen negativ aus. Unterhalb O 0C tritt die tetramere cyclische Form des Acetaldehyds auf, der kristallisierte „Metaldehyd", das 2,4,6,8-Tetramethyltetroxocan. Versuch: Metaldehyd — In einige ml mit dem doppelten Volumen absolutem Ether verdünnten Acetaldehyd leitet man unter Kühlung mit Eis/Kochsalz einige Blasen HCIGas ein. Nach kurzer Zeit scheidet sich Metaldehyd in Kristallnadeln aus; er wird abgesaugt und mit Ether gewaschen. Das Filtrat liefert nach gleicher Behandlung weiteren Metaldehyd. Metaldehyd, der als „Hartspiritus" Verwendung findet, ist wie Paraldehyd haltbar und, frisch bereitet, geruchlos. Er zeigt keine Aldehydreaktion; beim Aufbewahren tritt jedoch deutlich Acetaldehydgeruch auf, als Zeichen dafür, daß sich auch hier langsam ein Gleichgewicht einstellt. Durch Erhitzen kann Metaldehyd vollständig depolymerisiert werden. Von diesen reversiblen Polymerisationen der Aldehyde sind die unter C—C-Verknüpfungen verlaufenden zu unterscheiden. So geht Formaldehyd unter der Wirkung von ganz schwachen Alkalien [Ca(OH)2, CaCO3] in Glykolaldehyd, Glycerinaldehyd und weiter in ein Gemisch von Hexosen über, aus dem E. Fischer D, LFructose isoliert hat. Die basekatalysierte Polykondensation des Acetaldehyds führt zu nichtdefinierten Harzen; sie fällt, wie die zu definierten Produkten führende Aldolreaktion, unter die Addition CH-acider Verbindungen an die Carbonylgruppe (S. 337). Versuch: Reduktion von Silberionen - 5 proz. Silbernitrat-Lösung wird tropfenweise mit 2N Ammoniak versetzt, bis der hellgelbe Niederschlag eben wieder in Lösung gegangen ist. Von der so hergestellten ammoniakalischen Silbernitrat-Lösung werden einige ml zu einigen Tropfen mit Wasser verdünnter Formaldehyd- oder AcetaldehydLösung gegossen. Zu einem Teil des Gemisches gibt man einen Tropfen Natronlauge; es fällt sofort metallisches Silber aus. Die schwach alkalische Probe ohne Zusatz von Natronlauge scheidet erst nach längerer Zeit - rascher beim Erwärmen - Silber aus, das sich z.T. als Spiegel an der Gefäßwandung niederschlägt. Versuch: Fehlingsche Probe — Durch Vermischen gleicher Volumina 7proz. Lösung von CuSO 4 -BH 2 O in Wasser und SOproz. Lösung von Natriumkaliumtartrat in 3—4N Natronlauge erhält man Fehlingsche Lösung. Einige ml dieses Reagenzes werden mit mehreren Tropfen Form- oder Acetaldehyd-Lösung versetzt. Nach Erwärmen zum Sieden scheidet sich gelbes CuOH aus, das sich rasch in rotes, unlösliches Cu2O verwandelt. Durch diese Metallionen werden Aldehyde zu Carbonsäuren oxidiert. Präparativ verwertet wird die milde Oxidation von Aldehyden zu Carbonsäuren mit Ag2O, das aus Silbernitrat und Natronlauge unmittelbar vor der Oxidation bereitet wird. Reaktionen von Aldehyden 343 Versuch: Farbreaktion mit fuchsinschwefliger Säure (Schiffsche Probe) — Man löst einige Körnchen Fuchsin heiß in Wasser zu einer etwa 0,2proz. Lösung und gibt in der Kälte nach und nach starke wässerige schweflige Säure zu, bis sich die Mischung nach einiger Zeit entfärbt hat. Aus dem so gewonnenen Reagens, das sich (gut verschlossen) längere Zeit hält, wird mit Aldehyden eine rote Farbe erzeugt. Man prüfe seine Empfindlichkeit an jeweils stärker verdünnten Aldehyd-Lösungen. In Wasser schwer löslichen Aldehyden, wie Benzaldehyd, setzt man etwas Alkohol zu. Der Alkohol ist vorher für sich zu prüfen, da er nach längerem Stehen, besonders am Licht, nachweisbare Mengen von Acetaldehyd enthält. Die vom Formaldehyd erzeugte blaurote Farbe wird durch konz. Salzsäure mehr blau, während sie bei anderen Aldehyden unter diesen Umständen fast ganz zurückgeht. Die Farbreaktion mit fuchsinschwefliger Säure erlaubt eine scharfe Unterscheidung zwischen Aldehyden und Ketonen. Glucose reagiert in verdünnter wässeriger Lösung negativ. Eine Vorstellung zum Mechanismus der Farbreaktion findet man auf S.583. Einwirkungen von Aminen auf Carbonylverbindungen Versuch: Hexamethylentetramin - Einige ml Formalinlösung werden mit demselben Volumen konz. Ammoniak versetzt und in einer Porzellanschale auf dem Wasserbad trocken gedampft. Es bleibt ein kristalliner Rückstand von Hexamethylentetramin (Urotropin) zurück. Versuch: Acetaldehyd und Ammoniak. 2,4,6-Trimethylhexahydro-s-triazin — 10 ml des beim Destillieren von technischem Acetaldehyd unterhalb 25 0 C übergehenden Anteils werden im kleinen Erlenmeyerkolben in Eis/Kochsalz-Mischung gekühlt und unter leichtem Schütteln langsam mit 20 ml konz. Ammoniak versetzt. Unter gelegentlichem Umschütteln läßt man bei Raumtemperatur 2 h stehen und saugt dann die gebildeten Kristalle ab. Nach dem Trocknen im nicht evakuierten Exsikkator über NaOH hat das Präparat einen Schmp. von 95-960C. Die entsprechende Reaktion von Acetaldehyd mit Ammoniak in Ether ist als Reinigungsschritt des Aldehyds beim Präparat (S. 478) durchzuführen. Versuch: Benzaldehyd und Ammoniak, Hydrobenzamid -1 ml reiner Benzaldehyd gibt beim Schütteln mit 10 ml konz. Ammoniak nach einiger Zeit einen farblosen kristallinen Niederschlag, der nach Absaugen und Umkristallisieren aus wasserfreiem Alkohol bei 10O 0 C schmilzt. Der erste Schritt bei der Reaktion der Carbonylgruppe mit Ammoniak, primären oder sekundären Aminen besteht immer in einer Addition des Stickstoffs an den elektrophilen Kohlenstoff zu einem Addukt, das mit seinem Dehydratisierungsprodukt im Gleichgewicht steht. C=O + NH3 <± C +± C=NH + H2O R R OH R 344 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I Je nach Natur der Reste R und R' setzen sich diese Rrimärprodukte weiter um: Beim besonders reaktionsfähigen Formaldehyd führt eine Folge von Additionsund Kondensationsschritten bis zum hochsymmetrisch gebauten Hexamethylentetramin. Sein räumlicher Aufbau tritt in vielen anderen polycyclischen Verbindungen auf und stellt im Adamantan, dem entsprechenden Kohlenwasserstoff, einen Ausschnitt aus dem Diamantgitter dar (C statt NH). Beim Acetaldehyd entsteht ein Trimeres, der ,Aldehydammoniak", dem die Struktur des 2,4,6-Trimethylhexahydro-s-triazins zukommt. 3 Moleküle Benzaldehyd kondensieren sich mit 2 Molekülen Ammoniak zum N9N'Dibenzyliden-benzdiyldiamin (Hydrobenzamid). H \ /N\ ^ H 3 C-C ^C-CH 3 I l HN^ .NH H N = CH-C 6 H 5 / C 6 H 5 -CH \ N = CH-C 6 H 5 Hydrobenzamid Urotropin Adamantan Isobutyraldehyd-cyclohexylimin CH3 X CH-CH = CH37 Zu 20,2g (23ml) Cyclohexylamin tropft man unter Eiskühlung und Rühren 14,4g (18,2ml) Isobutyraldehyd. Nach 30min vervollständigt man die Wasserabscheidung durch Zusatz von einigen Körnchen Kaliumhydroxid und trennt das Imin nach einigen Stunden von der wässerigen Phase im Scheidetrichter. Wenn die Trennung nicht glatt verläuft, kann sie durch Zusatz von Ether erleichtert werden. Man trocknet die organische Phase über weiterem Kaliumhydroxid, dampft ggf. den Ether i. Vak. ab und destilliert das Produkt im Wasserstrahlvakuum, Sdp. 82 0 C / 26 Torr, Ausbeute 26,1 g (85%). Versuch: Schiffsche Base — 1 ml Anilin in 5 ml Ethanol wird mit 1 ml Benzaldehyd im Reagenzglas einige min zum Sieden erhitzt. Beim Abkühlen kristallisiert gelbes /VBenzylidenanilin mit Schmp. 52 0 C. - Beim Erwärmen mit verd. Salzsäure tritt bald der Geruch von Benzaldehyd auf. Die Imine (Azomethine, „Schiffsche Basen") entstehen aus allen Carbonylverbindungen mit primären Aminen durch Addition und Wasserabspaltung. Die aliphatischen Imine sind unbeständig und schwer rein zu erhalten, die aromatischen dagegen Imine und Enamine 345 meist gut kristallisierende Verbindungen. Die C=N-Bindung in Konjugation mit den beiden aromatischen Ringen verleiht ihnen die gelbe Farbe. Imine lassen sich - zum Beispiel durch katalytisch erregten Wasserstoff - zu sekundären Aminen reduzieren. Bei dieser reduktiven Alkylierung von Aminen brauchen die Imine nicht isoliert zu werden. Auf dem Umweg über die a-Carbanionen der aliphatischen Imine lassen sich Aldehyde in a-Stellung alkylieren (Stork, 1963, Wittig, 1963, Kapitel K). 1-(N-Morpholino)-l-isobuten O (CH 3 J 2 CH-CHO + f ^] ^N^ H (CH 3 ) 2 C = CH-N N O —/ In einem 100-ml-Kolben mit Wasserabscheider und Rückflußkühler werden vorsichtig 21,8g (22ml, 0,25 mol) Morpholin und 18,Og (23ml, 0,25 mol) Isobutyraldehyd gemischt. Man füllt den Wasserabscheider bis zum Überlauf mit Isobutyraldehyd und kocht 3 h unter Rückfluß. Dabei sammeln sich 9 ml Wasser. Anschließend wird i. Vak. destilliert, wobei das Enamin bei 56—57 0 C / 11 Torr übergeht, Ausbeute 28,6g (81 %). 1-(N-Pyrrolidino)-1-cyclohexen f 2-Allylcyclohexanon O N H BrCH 2 -CH = CH2 l /*^^2 CH-CH 2 CH 2 -CH=CH 2 In einem 500-ml-Kolben mit Wasserabscheider und Rückflußkühler werden 19,6g (21 ml, 0,2 mol) Cyclohexanon und 18,Og (21 ml, 0,2 mol) Pyrrolidin in 300 ml Benzol so lange gekocht, bis sich 3,8 ml Wasser abgeschieden haben (ca. 3 h). Anschließend dampft man am Rotationsverdampfer ein und destilliert den Rückstand i. Vak. aus einem geräumigen Kolben (Schäumen!). Bei 114-120°C/16 Torr gehen 24,0 g (79%) Enamin über. 346 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I Diese löst man in einem mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter ausgestatteten 500-ml-Dreihalskolben in 200 ml Acetonitril, tropft in 30min 23,1 g (16,5ml) AIIyIbromid zu und kocht 13h unter Rückfluß. Anschließend wird der größte Teil des Acetonitrils i. Vak. (am Rotationsverdampfer) abdestilliert. Man nimmt den Rückstand mit 120 ml Wasser auf, erhitzt das Gemisch zur Zerlegung des Iminiumsalzes 20 min im siedenden Wasserbad und schüttelt nach dem Abkühlen viermal mit je 50 ml Ether aus. Die vereinigten Etherphasen werden mit wenig gesättigter Ammoniumsulfatlösung gewaschen, über Natriumsulfat getrocknet und am Rotationsverdampfer eingedampft. Nach einem Vorlauf von unumgesetztem Cyclohexanon geht das Allylcyclohexanon während der Vakuumdestillation bei 92—95°C/16 Torr über, Ausbeute 9,3g (42%). 2- Benzoylcyclohexanon C6H5COCi Man stellt 24,0 g Pyrrolidinocyclohexen wie vorstehend beschrieben dar und löst sie in einem mit Rührer, Calciumchloridrohr und Tropftrichter ausgestatteten 500-ml-Dreihalskolben in 25OmI CH2CI2 und 15,9g (22ml) Triethylamin. Bei O 0 C werden nun 22,4 g (18,5 ml) Benzoylchlorid in 175 ml Chloroform zugetropft. Man rührt über Nacht bei Raumtemperatur, versetzt dann mit 70 ml konz. Salzsäure und 175ml Wasser und kocht zur Hydrolyse des Benzoyl-enamins 5 h bei starkem Rühren unter Rückfluß. Nach dem Abkühlen wird die Chloroform- Phase abgetrennt, dreimal mit je 100 ml Wasser gewaschen, über Natriumsulfat getrocknet und nach Filtration am Rotationsverdampfer eingedampft. Der Rückstand wird getrocknet und aus Ether/Petrolether umkristallisiert, Ausbeute 20,7 g (65%) vom Schmp. 92-93 0 C. Sekundäre Amine lagern sich ebenfalls an Carbonylverbindungen an, doch ist bei diesen die stablisierende Wasserabspaltung nur zwischen Hydroxygruppe und dem Wasserstoffatom des a-ständigen C-Atoms möglich. Durch destillative Entfernung des Wassers erhält man hier Vinylamine („Enamine") eine ebenfalls gegen wässerige Säure sehr empfindliche Verbindungsklasse. - Enamine sind von großer Bedeutung, da die Ladungsaufspreizung in dem mesomeren System C=C- N ~ . C-C=N einen glatten Angriff von Elektrophilen am C-2 ermöglicht (Stork, 1954). Die üblicherweise eingesetzten sekundären Amine sind Pyrrolidin, Piperidin und Morpholin. Als Elektrophile eignen sich besonders Säurechloride und aktivierte Alkylierungs- Enamine, Semicarbarone und Hydrazone 347 mittel wie Allylhalogenide und a-Halogencarbonsäureester, sowie elektronenarme Olefine («,/^-ungesättigte Carbonylverbindungen). Einfache Alkylhalogenide ergeben oft Produktgemische. Die oben beschriebene Umsetzung des !-(N-Pyrrolidino)-l-cyclohexens mit Allylbromid (Formeln siehe S. 345) führt über das labile Immoniumsalz zum 2-Allylcyclohexanon und gestattet somit die Alkylierung eines Ketons in der a-Stellung. Die oben erwähnte Alkylierung von Carbanionen entsprechender Imine (siehe S. 446) ergibt grundsätzlich die gleichen Produkte. Sie ist jedoch aufwendiger, dabei aber viel drastischer, verläuft aber auch mit normalen Alkylhalogeniden glatt. Die Acylierung von Enaminen führt zunächst zu den stabilen vinylogen Carbonsäureamiden, in denen die auf S. 314 besprochene Mesomerie der Amide über die Doppelbindung hinweg (vinylog) auftritt. C-C6H5 ^ ^--C6H5 Erst die energische saure Hydrolyse führt zu den 1,3-Dicarbonylverbindungen weiter (Formeln siehe S. 346). 1,3-Dicarbonylverbindungen werden auch durch Esterkondensationen erhalten (S. 401). Beim Hydrieren gehen die Enamine in terf-Amine über. Semicarbazone, Hydrazone, Oxime Versuch: Semicarbazon des Acetons oder Ethylmethylketons - (Die Herstellung von Acetonsemicarbazon als Zwischenprodukt ist bei dem Präparat S. 330 beschrieben, die des Benzaldehydsemicarbazons auf S. 331). Man löst einige hundert mg Semicarbazidhydrochlorid in 2 ml Wasser, fügt eine Spatelspitze Natriumacetat zu und versetzt mit 0,2 ml Aceton oder Ethylmethylketon. Das nach einigen Stunden auskristallisierte Semicarbazon wird abgesaugt, mit wenig Eiswasser gewaschen und trocken gesaugt. Nach Aufbewahren im Exsikkator hat das Acetonsemicarbazon den Schmp. 185—187 0 C, das des Butanons den Schmp. 135—136 0 C. - Semicarbazone können durch Aufkochen mit wässeriger Mineralsäure leicht wieder in die Komponenten gespalten werden. Versuch: Phenylhydrazon des Benzaldehyds-Zur Lösung von 1 ml Phenylhydrazin (S. 621) in 10 ml 10proz. Essigsäure gibt man tropfenweise, unterbrochen durch kräftiges Schütteln des verschlossenen Gefäßes 1 ml Benzaldehyd. Die Kristalle werden abgesaugt und aus wasserhaltigem Ethanol umkristallisiert; Schmp. 158 0 C. Versuch: 2,4-Dinitrophenylhydrazone von Aldehyden und Ketonen — Zur Suspension von 200 mg 2,4-Dinitrophenylhydrazin (S. 279) in 5 ml Methanol gibt man ganz langsam konz. Schwefelsäure, bis alles gelöst ist. Nach Zusatz von 100-200 mg der Carbonylverbindung fällt entweder nach wenigen Minuten das kristallisierte 2,4-Dinitro- 348 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I phenylhydrazon aus, oder wenn das nicht der Fall ist, beim Verdünnen mit dem gleichen Volumen 2N Schwefelsäure. Man kann auch eine gesättigte Lösung des Reagenzes in Salzsäure verwenden. Die kristallisierten Derivate bilden sich mit nahezu quantitativer Ausbeute. Sie werden aus Ethanol umkristallisiert. Schmelzpunkte der Dinitro-phenylhydrazone von: Formaldehyd 166 0 C, Acetaldehyd 1680C, Benzaldehyd 237 0 C, Aceton 1280C, Butanon 115 0 C, Acetophenon 25O 0 C. Sie lassen sich papierchromatographisch oder dünnschichtchromatographisch trennen und charakterisieren. RF-Werte von Dinitrophenylhydrazonen einiger Carbonylverbindungen auf Kieselgel mit dem Laufmittel Chloroform, Hexan, Essigsäure-ethylester (100:20:10 Vol.) Formaldehyd Acetaldehyd Propionaldehyd Benzaldehyd 0,23 0,24 0,39 0,40 Furfural Aceton Butanon Phenylbutanpn 0,24 0,34 0,48 0,46 Hydrazin selbst gibt mit Carbonylverbindungen in zweifacher Kondensation die sog. Azine, Formaldehyd reagiert unter Vernetzung zu einem hochmolekularen Produkt. Phenylhydrazin hat sich in der Zuckerchemie als wichtigstes Reagenz bewährt (Osazone, S. 387). Phenylhydrazone von a-Oxocarbonsäureestern entstehen durch Kupplung von Acetessigestern oder Malonestern mit Benzoldiazoniumsalz (S. 603, Japp-Klingemann-Reaktion). Reduktion zu Aminosäuren, Fischer'sche Indolsynthese (S. 655). Acetophenonoxim NOH C 6 H 5 COCH 3 + H 2 NOH " H2 ° > C6H5C^ CH3 Zur Lösung von 24g (0,20 mol) Acetophenon in 10OmI Ethanol gibt man die Lösung von 16,8g (0,24 mol) Hydroxylaminhydrochlorid in 30 ml Wasser und die von 15g Kaliumhydroxid in 20 ml Wasser. Man erwärmt 2 h auf dem Wasserbad, verdünnt mit 200 ml Wasser und bringt nach Abkühlen den pH mit Schwefelsäure auf 3—4. Der dabei gebildete Niederschlag wird abgesaugt und mit Wasser gewaschen. Man erhält 24-25 g Oxim (89-93% d. Th.) vom Schmp. 55—57 0 C. Ein bei 59 0 C schmelzendes Präparat wird durch Umkristallisieren aus Ethanol/Wasser erhalten. Acetanilid durch Beckmann-Umlagerung. 10g Acetophenonoxim werden in 1 I trockenem Ether gelöst, in die Lösung trägt man bei 1O 0 C nach und nach unter Rühren 17g Phosphorpentachlorid ein. Nach 3 stdg. Rühren bei Raumtemperatur versetzt man unter Kühlen vorsichtig mit Eiswasser, schüttelt gut durch, trennt die Etherschicht ab, wäscht sie 2mal mit Wasser und trocknet mit Na2SO4. Aus der weitgehend eingeengten Lösung kristallisieren 6,5—7 g (65—70% d. Th.) Acetanilid aus, das nach Umkristallisieren aus Ether/Petrolether bei 115 0 C schmilzt. Bildung und Reaktion der Oxime Cyclohexanonoxim C 6 H 10 O + NH2OH "H2° > C 6 H 10 NOH 349 In einem 2-l-Rundkolben löst man 85g (1,20 mol) Hydroxylaminhydrochlorid in 200 ml Wasser. Unter guter mechanischer Rührung und Außenkühlung, damit die Temperatur nicht über 4O 0 C steigt, gibt man 98g (1,00 mol) Cyclohexanon zu und läßt dann eine Lösung von 66g (wasserfreiem) Natriumcarbonat in 18OmI Wasser aus einem Tropftrichter einfließen. Dabei scheidet sich das Cyclohexanon-oxim kristallin aus. Da die Beckmann-Umlagerung, die auf S. 350 ausgeführt wird, ein sehr reines Oxim erfordert, erhitzt man den Kolben im siedenden Wasserbad, bis das Oxim geschmolzen ist. Nach dem Erkalten durchsticht man mit einem Glasstab die erstarrte Ölschicht, gießt die wässerige Phase ab und schmilzt das Oxim noch einmal mit 60 ml Wasser unter gelegentlichem Umschütteln. Nach Abtrennen des Wassers destilliert man das Oxim aus einem 300 ml Claisenkolben mit Schwertansatz oder im Kugelrohr. Bei 103-105 0 C/ 12 Torr gehen 95-95 g (75-85%) farblose Substanz über, die einen Schmp. von 88 0 C hat. Die Oxime sind wichtige Derivate der Carbonylverbindungen. Die Geschwindigkeit ihrer Bildung aus Aldehyden (rascher) und Ketonen zeigt zwischen pH 5 und 7 ein Minimum. Im Sauren erfolgt Aktivierung des Carbonylkohlenstoffs durch Protonierung des Sauerstoffs, im Alkalischen liegt Hydroxylamin als nucleophile Base vor. 1. Die Oxime dienen als Derivate zur Kristallisation und Charakterisierung von Aldehyden und Ketonen. Aus den Oximen können diese ziemlich leicht zum Beispiel durch Behandeln mit einem Überschuß einer zweiten billigen Carbonylverbindung wie Formaldehyd oder Benzaldehyd und Säure zurückgewonnen werden (Umoximierung). 2. Sie entstehen aus „aktiven" Methylenverbindungen und salpetriger Säure oder ihren Derivaten (S. 421) über die tautomeren NitrosoVerbindungen und vermitteln so den Zugang zu den Carbonylverbindungen. 3. Durch Reduktion mit fast allen denkbaren Mitteln gehen sie in primäre Amine über. 4. Die Ketoxime erleiden beim Behandeln mit wasserabspaltenden Mitteln die auch technisch wichtige Beckmann-Umlagerung. 5. Die Oxime kommen in geometrischen Isomeren vor, die oft ineinander umwandelbar sind und die man früher als syn- und anti-Formen bezeichnet hat, heute verwendet man besser die Symbole Z und E. Die syn/an //-Nomenklatur sollte endgültig verlassen werden, nachdem die einfache Gleichsetzung syn = eis und anti = trans infolge eines Irrtums von Hantzsch starke Verwirrung gestiftet hat. Das auf S. 348 hergestellte und einzig bekannte Isomere des Acetophenonoxims, als anti-Form bezeichnet, hat nicht die damals angenommene Struktur einer tf«//-(gegenüber)-Stellung von Methyl und Hydroxyl, sondern die /rarts-Konfiguration bezüglich der OH- und Phenylgruppe. Bei den Aldoximen hat sich die alte Nomenklatur auf die gegenseitige Stellung von Hydroxyl und Wasser- 350 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I stoffatom bezogen, so daß man das hochschmelzende Oxim des Benzaldehyds als anti-Oxim bezeichnet hat. Man bedient sich auch der cis/trans Notation, wobei die Stellung der OH-Gruppe gegenüber dem Rest mit höherer Priorität (S. 359) am CAtom maßgeblich ist. Die E/Z-Nomenklatur ist ohne besondere Voraussetzungen eindeutig. C 6H5v xCH3 CH 3, yC2H5 C 6H5v ,H C 6H5v xH C Il C Il C Il N OH HO N N OH —HCI m > Ether HO HCIin C Il N (E-) oder transAcetophenonoxim (E-) oder transButanonoxim (E-) oder IransBenzaldoxim (Schmp. 36°) früher: syn- oder a- (Z-) oder cisBenzaldoxim (Schmp. 132°) anti- oder ß- Mit Acetanhydrid geben (E-) oder /raAW-Aldoxime O-Acetylderivate, während aus den (Z-) oder m-Formen durch ß-Eliminierung Nitrile entstehen. AT-Alkyl- (oder Aryl-)Derivate der Oxime heißen Nitrone. Sie sind, wie schon auf S. 242 erwähnt, aus Carbonylverbindungen und AT-substituiertem Hydroxylamin oder (bei R3 = Alkyl) durch Umsetzung von Oximen mit Alkylierungsmitteln zugänglich. Nitrone zeigen geometrische Isomerie, ebenso wie auch die Hydrazone. R1 \C = N /° R2/ c-Caprolactam aus Cyclohexanonoxim. In einen 250-ml-Erlenmeyerkolben gibt man 55 ml reine konz. Schwefelsäure und trägt portionsweise unter Kühlung und gelindem Schütteln 57 g Cyclohexanonoxim ein, wobei die Temperatur nicht über 2O 0 C steigen soll. Inzwischen hat man in einem 250-ml-Weithals-Rundkolben, mit Thermometer und Rührer versehen, 30 ml reine konz. Schwefelsäure im Ölbad auf 12O 0 C vorgeheizt. Jetzt dreht man den Brenner unter dem Heizbad ab und läßt aus einem Tropftrichter die klare Lösung des Oxims unter gutem Rühren zufließen. Das Tempo des Zutropfens muß so bemessen werden, daß die bei der Umlagerung frei werdende Reaktionswärme gerade die Aufrechterhaltung einer Innentemperatur von 118—122 0 C ermöglicht. Die Einhaltung dieser Temperatur ist entscheidend für den Erfolg der Operation1. Nach der etwa eine Stunde erfordernden Zugabe des Oxims heizt man noch 10min auf 125 0 C, läßt erkalten und gießt auf 200 g zerstoßenes Eis. Unter energischer Kühlung mit Kälte1 Fällt die Temperatur unter 1150C, ist sofort das Zufließen des Oxims zu unterbrechen, bis durch Ölbadheizung wieder 12O0C erreicht ist; bei Ansammlung größerer Mengen des Oxims wird nach dem Aufheizen die Reaktion zu heftig. e-Caprolactam durch Beckmann-Umlagerung 351 mischung neutralisiert man die wässerige Lösung mit konz. wässerigem Ammoniak, bis Phenolphthaleinpapier eben gerötet wird. Die Temperatur darf dabei 2O 0 C nicht übersteigen. Im Scheidetrichter entzieht man der wässerigen Lösung das Caprolactam durch dreimaliges Ausziehen mit je 100 ml Chloroform. Die Auszüge werden gewaschen und mit Calciumchlorid getrocknet. Nach dem Abdestillieren des Chloroforms auf dem Wasserbad gießt man heiß in einen Claisen-Schwertkolben um und destilliert im Vakuum. Bei 140 0 C / 1 2 Torr gehen 46-50 g farbloses, kristallin erstarrendes Caprolactam über, (80-88% d.Th.), Schmelzpunkt 66—68 0 C. Bei der durch Säuren aller Art (Mineralsäuren, PCl5, Tosylchlorid u.a.) ausgelösten Beckmann-Umlagerung der Ketoxime geht mit der Abspaltung der Hydroxylgruppe zur Erhaltung des Elektronenoktetts am Stickstoff eine Wanderung desjenigen Kohlenstoffrests einher, der zur OH-Gruppe trans-ständig ist. Die am Kohlenstoff entstehende Elektronenlücke, durch die Nitriliumgrenzform gemildert, wird durch Anlagerung von H 2 O geschlossen. Aus dem E- oder /raws-Acetophenonoxim entsteht auf diese Weise Acetanilid (und nicht Benzoesäuremethylamid), das cyclische Cyclonexanonoxim gibt den 7-gliedrigen Ring des e-Caprolactams. Die Beckmann-Reaktion zeigt wegen des (virtuellen) Elektronensextetts am Stickstoff enge Analogie zu den auf S. 322 besprochenen Reaktionen von Hofmann, Curtius, Lossen und K. F. Schmidt bei den Carbonsäuren. Die Anwendung der letzten (Stickstoffwasserstoff und starke Schwefelsäure) auf Carbonylverbindungen führt ebenfalls zu Säureamiden. Im Überschuß vorhandener Stickstoffwasserstoff kann sich in Konkurrenz zu Wasser in einer 1,3-dipolaren Cycloaddition an das ungesättigte Zwischen-ion anlagern; aus Cyclohexanon entsteht dann 1,5-Pentamethylentetrazol (Cardiazol). 352 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I H IN -2H* e-Caprolactam ist ein wichtiges Ausgangsmaterial für das Polyamid „Perlon" (Polyamid 6). Beim Erhitzen mit katalytischen Mengen von Säure wie auch Base geht es unter fortlaufender Umamidierung in hochmolekulares e-Aminocapronsäureamid über. Das Polymere „Nylon" (Polyamid 6.6) erhält man durch Erhitzen des Salzes aus Hexamethylendiamin und Adipinsäure. O Il ,CJ Perlon (Polyamide) •|yjx> Nylon (Polyamid 6.6) H Beide zeigen wegen der zahlreichen „Peptid"-Bindungen große Ähnlichkeit mit dem natürlichen Polypeptid Seide, sind jedoch reißfester und stärker wasserabstoßend. Versuch: Polymerisation von c-Caprolactam — Etwa 5 g reines c-Capro/actam werden in einem normalen Reagenzglas (160:16 mm) unter Zusatz von einem Tropfen konz. Salzsäure im Wasserbad geschmolzen. Nach dem Erstarren zieht man das Reagenzglas in der Gebläseflamme kapillar aus, und zwar so, daß der Leerraum über der Substanz möglichst gering ist. Nach Aufsetzen eines Gummistopfens mit Glasrohr evakuiert man an der Wasserstrahlpumpe auf 12 Torr und schmilzt die Kapillare unter Vakuum ab. Dre Polymerisation erfolgt beim sechsstündigen Erhitzen im Ölbad auf 25O0C, wobei man das Reaktionsgefäß zweckmäßig mit einer Klammer unter der Badoberfläche fixiert. Nach dem Abkühlen und Zerschlagen des Gefäßes erhält man eine spröde elfenbeinfarbene Masse, die sich in der Wärme aus der Schmelze mit Hilfe eines Glasstabs zu feinen Fäden ausziehen läßt. Mannich-Reaktion 353 Mannich-Reaktion Gramin CH2O + (CH3J2NH 14ml Eisessig, 8g ca. 40proz. Formalinlösung und 9g wässerige, 50proz. Dimethylaminlösung (0,1 mol) werden unter Eiskühlung vermischt. Die kalte Mischung wird auf einmal unter Rühren zu 11,7 g Indol (0,1 mol) gegeben, die sich in einem 250-ml-Becherglas befinden. Unter Erwärmung entsteht eine gelbe klare Lösung. Nach 4 h macht man mit 2N Natronlauge alkalisch, wobei alles zu einem dicken Kristallbrei erstarrt. Man saugt ab und wäscht mit Wasser alkalifrei. Nach dem Trocknen im Exsikkator über NaOH erhält man 17g farblose Kristalle vom Schmp. 132 0 C (über 95% d. Th.). Man kann aus Aceton Umkristallisieren, wodurch der Schmp. auf 134 0 C ansteigt. Als Mannich-Reaktion bezeichnet man die meist durch Protonen katalysierte Kondensation eines sekundären Amins (seltener primäres Amin oder NH 3 ) mit Formaldehyd und Verbindungen mit potentiell anionoidem Kohlenstoff. Als Nucleophile reagieren hier außer den enolisierbaren, aliphatischen Verbindungen mit beweglichem Wasserstoff (incl. Alkinen) auch aromatische Ringe, die durch Elektronenabgebende Substituenten negativiert sind, also o- und /?-Stellungen in Phenolen oder die /f-Stellung des Indols. Beispiele: C 6 H 5 COCH 3 + CH 2 O + HN(CH 3 J 2 > C 6 H 5 COCH 2 CH 2 N(CH 3 ) 2 oder ,OH ^ + CH2O + H N } - Beim oben ausgeführten Beispiel kann als Zwischenprodukt ein Indolenin formuliert werden. Es ist sicher, daß die Reaktion in zwei Stufen abläuft. Zuerst bildet der Aldehyd mit dem Amin ein Carbinolamin (A), dessen OH durch die Säure zu einem durch Mesomerie stabilisierten Dialkylmethylenammoniumkation (B) abgespalten wird, an das sich die nucleophile C-Komponente anlagert. 354 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I (R) 2 N-CH 2 OH A —C: -QH"> (R)2N=CH2 < > (R)2N-CH2 B > -C-CH2-N(R)2 + CH2-N(R)2 A vollzieht am Kohlenstoff eine Aminomethylierung. Dimethyl-methylenimmoniumchlorid bzw. -iodid, die einfachsten Beispiele für die Zwischenstufe B lassen sich präparativ rein herstellen und sind auch kommerziell erhältlich. Ersteres kann mit Vorteil direkt in die Mannich-Reaktion eingesetzt werden (L-F. Tietze 1976). Außer dem weitaus am meisten gebrauchten Formaldehyd können auch andere Aldehyde bei der Mannich-Reaktion verwendet werden. Die „Mannich-Basen", die hier entstehen, ähneln in ihrer C—N-Bindung in gewisser Weise den Alkylhalogeniden, besonders wenn sie quartären Stickstoff enthalten. R-CH2-^HaI; R-CH2^2NR3 Sie können deshalb als Alkylierungsmittel dienen, wie beim Präparat Tryptophan auf S. 422 präparativ gezeigt ist. Strecker-Synthese D,L-Alanin CH3CHO + HCN + NH3 —> CH 3 CH(NH 2 )CN —> CH 3 CH(NH 2 )CO 2 H 13,2 g (300 mmol) frisch destillierter Acetaldehyd werden im Abzug in 100 ml Ether gelöst und in einer Druckflasche (verschraubbare Druckflasche genügt) über eine kalt gesättigte Lösung von 18g (355 mmol) Ammoniumchlorid geschichtet. Dazu läßt man unter Umschütteln und Eiskühlung aus einem Tropftrichter langsam eine Lösung von 20,0 g (400 mmol) Natriumcyanid in 30 ml Wasser tropfen. Die verschlossene Flasche wird bei Raumtemperatur 3 h auf der Maschine geschüttelt, der Inhalt in einen 500 ml Schliffkolben überführt und unter Eiskühlung nach und nach mit 100 ml konz. Salzsäure (freie Blausäure!) versetzt. Nach dem Aufsetzen einer Destillationsbrücke zieht man den Ether ab, beläßt noch 1 h auf dem siedenden Wasserbad und dampft schließlich die braun gewordene Lösung im Vakuum zur Trockne ab. Durch einen mit konz. Ammoniak befeuchteten Glasstab überzeuge man sich davon, daß der Rückstand HCI-frei ist. Um eine stärkere Verfärbung der Reaktionslösung zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Versuch bis hierher zügig durchzuführen. Den trockenen Rückstand kocht man 3mal mit 75 ml absolutem Alkohol unter Rückfluß auf, saugt jeweils ab und versetzt die vereinigten Filtrate mit etwa 20 ml Ether bis zu beginnender Trübung. Nach Aufbewahren über Nacht im Kühlschrank wird von anorganischen Salzen abgesaugt. Dann engt man die Lösung im Vakuum zur Trockne ein. Strecker-Synthese 355 Den braunen Rückstand von Alaninhydrochlorid nimmt man mit 300 ml destilliertem Wasser auf, schüttelt 10min mit 1-2 g Aktivkohle und saugt ab. Das hellgelbe Filtrat wird sodann, wie unten beschrieben, mit einem Anionenaustauscher in freies Alanin übergeführt. Die nun chloridfreie Lösung wird im Wasserstrahlvakuum zur Trockne eingedampft. Den Rückstand digeriert man mit 25 ml siedendem absolutem Ethanol, stellt 1-2 h in den Kühlschrank und saugt ab: 7,5-10 g fast farbloses Alanin (28-35% d. Th.) mit Schmp. 264—267 0 C (Zers.)- Sind die Kristalle noch gelblich gefärbt, so löst man in wenig 70proz. Alkohol und läßt unter kräftigem Rühren in 300 ml Aceton einfließen. Ionenaustauscher: 80—10Og körniger Lewatit (MIH) (oder ein gleichwertiges Austauscherharz mittlerer Basizität, etwa DOWEX 1 oder 2 bzw. AMBERLIT IRA 400—410, siehe S. 84) läßt man mehrere Stunden in 300 ml 2N Natronlauge quellen. In eine Austauschersäule (Glasrohr mit 2,5 cm Durchmesser und 1 m Länge) gibt man unten etwas Glaswolle und füllt zu etwa 3/4 der Länge mit dem Austauscherharz. Damit keine Luftblasen eingeschlossen werden, füllt man das Rohr erst mit Wasser und schüttelt dann den Austauscher hinein, der sich langsam absetzt. Die Harzzone wird auch oben mit Glaswolle fixiert. Man wäscht nun die Säule mit einigen Litern destilliertem Wasser aus, bis die abtropfende Flüssigkeit neutral reagiert. Die Tropfgeschwindigkeit soll 1 Tropfen/Sek. betragen. Der Austauscher darf nicht trocken werden. Die Lösung des Alaninhydrochlorids wird mit der gleichen Durchlaufgeschwindigkeit durch die Säule geschickt, wozu etwa 3 h erforderlich sind. Sodann spült man in gleicher Weise mit etwa 600 ml dest. Wasser nach und arbeitet die Alaninlösung wie oben auf. Weitere 200 ml Durchlauf werden zur Kontrolle der Vollständigkeit der Elution getrennt eingedampft; besser zum Nachweis und sehr viel schneller ist die Farbreaktion mit Ninhydrin (S.499). Nach Gebrauch regeneriert man die Austauschersäule mit 300 ml 2N Natronlauge und spült in derselben Weise wie oben bis zur neutralen Reaktion des Waschwassers nach. Das Austauscherharz wird zweckmäßig unter Wasser aufbewahrt. Die erste Synthese von a-Aminosäuren von A. Strecker verläuft über die a-Aminonitrile und stellt nach ihrem Mechanismus eine Aminoalkylierung (s. Erklärung zum vorigen Präparat) des Cyanidions dar. Das aus einem beliebigen Aldehyd, hier dem Acetaldehyd und dem Ammoniumion entstehende Carbinolamin (oder Aldehydimin) reagiert mit CN" zum Alaninnitril, das durch Eindampfen mit Salzsäure zur Aminosäure verseift wird. NH3 +CN + CH3CHO > * H 2 N—CH(CH 3 )OH(oderHN=CHCH 3 ) VerS H 2 N-CH(CH 3 )CN ' > H 3 N-CH(CH 3 )CO 2 - Mit dem besonders reaktiven Formaldehyd entstehen durch 2- und 3-fache Reaktion außer Glycin (S. 315) auch Iminodiessigsäure (A) und Nitrilotriessigsäure (Trimethylamin-a,a',a"-tricarbonsäure, B), die wie besonders die Ethylendiaminotetraessigsaure C (Triton B, Versene, EDTA) als sehr wirksame Metallkomplexbildner ausgedehnte Verwendung finden. 356 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I CH2-CO2H HN CH2-CO2H A CH2-CO2H HO2C-CH2-N CH2-CO2H B HO2C-CH2 N-CH2-CH2-N HO2C-CH2 CH2-CO2H CH2-CO2H Mit Hydrazin und Aceton liefert die Strecker-Synthese Hydrazoisobuttersäurenitril, das zur Azoverbindung NC-C(CH3)2—N=N-C(CH3)2—CN dehydriert werden kann. Verwendung dieses Nitrils zur Auslösung von radikalisch verlaufenden Olefinpolymerisationen (S. 211). Leuckart-Reaktion Methylamin durch reduktive Methylierung 2NH 3 + 3CH 2 O > 2H 2 NCH 3 + CO2 + H2O 250 g Ammoniumchlorid (4,7 mol) werden mit 570 g 35proz. Formaldehydlösung (6,6 mol) in einem Destillierkolben mit absteigendem Kühler allmählich erhitzt. Man steigert langsam bis auf 104 0 C — Thermometer in der Flüssigkeit — und hält so lange auf dieser Temperatur, bis nichts mehr überdestilliert, etwa 41/2 h von Anfang an. Es haben sich dann 100-12Og Wasser und Methylalkohol (aus dem Formalin stammend) in der Vorlage kondensiert. Nachdem der Kolbeninhalt erkaltet ist, saugt man vom ausgeschiedenen Ammoniumchlorid scharf ab und dampft das Filtrat auf dem Dampfbad auf das halbe Volumen ein, saugt nochmals vom Ammoniumchlorid ab und engt das Filtrat so weit ein, bis sich auf der Oberfläche eine Kristallhaut bildet. Nach dem Erkalten wird das auskristallisierte Methylammoniumchlorid scharf abgesaugt. Das Filtrat engt man so weit wie möglich ein und entfernt schließlich den Rest des Wassers im Vakuumexsikkator über festem NaOH und konz. Schwefelsäure. Der Rückstand wird durch Digerieren mit Chloroform von Di- und Trimethylammoniumchlorid befreit und schließlich scharf abgesaugt. Mit dem zuerst auskristallisierten Salz zusammen ergeben sich so 110 bis 125g. Um das rohe Salz vom restlichen Ammoniumchlorid zu befreien, wird es durch Auskochen mit 250 ml absol. Alkohol eine halbe Stunde lang extrahiert. Aus dem Alkohol scheidet man durch Abkühlen (CaCI 2 -Rohr!) reines Methylammoniumchlorid ab und benützt die Mutterlauge zu einer weiteren Extraktion. Nach fünfmaligem Extrahieren erhält man etwa 10Og (37 %d. Th.). In den Carbinolaminen ist die Hydroxylgruppe nicht nur, wie bei der MannichReaktion durch nucleophile C-Verbindungen ersetzbar, sondern auch unter Reduk- Leuckart-Reaktion 357 tion durch anionischen Wasserstoff. Diesen liefert in der oben ausgeführten Methylaminsynthese der im Überschuß vorhandene Formaldehyd, der dabei in Ameisensäure (Formiat) übergeht, die wieder als Reduktionsmittel dient und dabei zu CO2 oxidiert wird. Im Prinzip haben diese Vorgänge, besonders der erste, Ähnlichkeit mit der später zu besprechenden Reaktion von Cannizzaro (S. 377). Die unvermeidliche Bildung von Di- und Trimethylamin wird zur Hauptreaktion, wenn man die Konzentration des Formaldehyds erhöht. Sie kommt dadurch zustande, daß primäres Amin nach demselben Mechanismus ein- und zweifach weiter methyliert wird. Formaldehyd als reduzierendes Methylierungsmittel für Amine (Eschweiler). Durch Zusatz von Ameisensäure von vornherein erhält man bessere Ausbeuten (Clarke). Mit Ammoniak plus Ameisensäure(-estern) oder Formamid führt man nach Leuckart generell die reduzierende Aminierung von Carbonylverbindungen durch. Man erhält so primäre und sekundäre (oft als AT-Formylverbindungen) sowie tertiäre Amine, deren Anteil vom Ausgangsamin und vom Verhältnis der Komponenten abhängt. // + H 2 N-C or-Phenylethylamin Ein 500-ml-Schliffkolben wird mit 125g Ammoniumformiat beschickt und mit einer Destillationsbrücke (oder Kniestück und absteigendem Kühler) versehen; das Thermometer soll durch den Stutzen bis in das Reaktionsgut eingeführt werden. Man heizt mit einem Ölbad, bis das Thermometer 165 0 C in der siedenden Flüssigkeit anzeigt; das wässerig-ammoniakalische Destillat wird verworfen. Man läßt die Badtemperatur auf 13O 0 C sinken, entfernt die Destillationsbrücke, versetzt vorsichtig mit 60g frisch dest. Acetophenon (0,5 mol) und fügt zwischen Kolben und absteigendem Kühler senkrecht ein etwa 30cm langes, weites Rohr (z.B. Destillationsaufsatz ohne Füllkörper) ein. Innerhalb 1 h steigert man die Badtemperatur auf 175 0 C, wobei sich im oberen Teil des Rohrs etwas festes Ammoniumcarbonat abscheidet und Wasser abdestilliert. Nach 4 h bei 170—18O 0 C hat die nunmehr homogene Mischung durchreagiert. Nach dem Erkalten schüttelt man im Scheidetrichter zur Entfernung von überschüssigem Ammoniumformiat und Formamid mit 2mal 60 ml Wasser aus, die man ihrerseits mit 30 ml Benzol auszieht. Das Rohprodukt zusammen mit der Benzollösung überführt man wieder in den Reaktionskolben, versetzt mit 60 ml konz. Salzsäure und destilliert 358 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I das Benzol ab; dann tauscht man den Destillations- gegen einen Rückflußkühler aus und hält die Reaktionsmischung zur Hydrolyse der /V-Formylverbindung noch 45 min am Sieden. Die erkaltete, saure Lösung schüttelt man zur Entfernung von Neutralanteilen mit 2mal 25ml Benzol aus. In einem 1 -l-Rundkolben macht man die saure Lösung anschließend vorsichtig mit 75 g Natriumhydroxid in 250 ml Wasser alkalisch, wobei sich das a-Phenylethylamin als Schicht abscheidet. Das Amin wird mit Wasserdampf abgeblasen, wobei man durch Ölbadheizung des Kolbens eine Vergrößerung des Flüssigkeitsvolumens vermeidet. Nach Sammeln von 600 ml Destillat reagiert das Kondensat nicht mehr alkalisch. Im erkalteten Destillat nimmt man die Base in 50 ml Benzol auf, trennt ab und schüttelt noch mit 4mal 25 ml Benzol aus. Die vereinigten Benzollösungen werden mit einigen Plätzchen Kaliumhydroxid getrocknet. Nach Abdestillieren des Benzols geht das a-Phenylethylamin bei 74—76 0 C / 1 5 Torr über; zweckmäßig läßt man die durch die enge Siedekapillare eingesaugte Luft zuvor ein Natronkalkrohr passieren. Man erhält 45-48 g (74-79% d. Th.) farbloses a-Phenylethylamin. Optische Aktivität, Cahn-Ingold-Prelog-Regel Die aus Acetophenon dargestellte Base ist das racemische Gemisch der Antipoden, das im folgenden durch fraktionierte Kristallisation der Salze mit D-Weinsäure getrennt wird. Die diastereomeren Salze aus D-Base/D-Säure und aus L-Base/D-Säure haben verschiedene Löslichkeit in Alkohol, aus dem das letztere, schwer lösliche zuerst auskristallisiert. Über die anderen Möglichkeiten zur Aufspaltung von Racematen wie spezifische Enzymeinwirkung, Chromatographie an optisch aktiven Adsorptionsmittel u. a, informiere man sich in den Lehrbüchern. Spaltung des racemischen or-Phenylethylamins in die Antipoden mit D-Weinsäure In einem 1-l-Kolben löst man 50g D-Weinsäure (0,3 mol) in 400 ml 96proz. Alkohol durch Erwärmen im Wasserbad auf 65-7O0C. In die mechanisch gerührte Lösung läßt man durch einen Tropftrichter 40 g frisch destilliertes racem. a-Phenylethylamin (0,3 mol) in 10O ml Ethanol innerhalb 10 min einfließen, wobei man die Badtemperatur auf 65-70 0 C hält; meist scheidet sich das weinsaure Salz schon während der Zugabe des Amins aus. Nach 4 h Rühren bei der angegebenen Temperatur heizt man auf 75 0 C auf, saugt die abgeschiedenen Kristalle auf einer vorgewärmten Nutsche rasch ab und wäscht mit 50 ml 5O 0 C warmem Alkohol nach. Nach dem Trocknen erhält man 32-34 g L-a-Phenylethylamin-D-hydrogentartrat (72-76% d. Th., bezogen auf L-Amin). Zur Drehwertbestimmung löst man ca. 0,6 g, auf 1 mg genau abgewogen, in einem 10 ml Meßkölbchen in dest. Wasser und füllt bis zur Marke auf. In einem Polarimeterrohr von 1 oder 2 dm Länge bestimmt man mit einem Polarimeter, den Drehwert und ermittelt die spezifische Drehung: optische Aktivität, Cahn-Ingold-Prelog-Regel 359 Dabei bedeuten: a D der Drehwinkel bei der Natrium-D-Linie, I die Rohrlänge in dm und c die Konzentration in g/1 OO ml Lösung. Für das Aminsalz wird man einen Wert nahebei [a]g° = +13,2° finden. Das L-Amin-hydrogentartrat wird in 300 ml Wasser gelöst und mit 13g Na-hydroxid in 50 ml Wasser und etwas Eis versetzt. Man nimmt das freigesetzte Amin in 80 ml Ether auf und zieht die wässerige Phase noch 3mal mit 30 ml Ether aus. Nach Trocknen mit festem KOH wird der Ether abdestilliert und das L-Phenylethylamin (12-14 g) wie auf S. 358 im Wasserstrahlvakuum destilliert. Zur Drehwertbestimmung füllt man ein 1 dmRohr rasch (Vermeidung der Carbonatbildung!) mittels Kapillarrohr mit dem frisch destillierten L-Amin. Bei sorgfältigem Arbeiten wird man a D = -35,5 bis -37 0 C finden. Ein aus Wasser umkristallisiertes Hydrogentartrat liefert mit a D = -38,30C ein nahezu optisch reines L-Amin. Aus der alkoholischen Mutterlauge des L-Amin-hydrogentartrats läßt sich beim Erkalten und Einengen das weinsaure Salz eines am D-Antipoden angereicherten Amins erhalten; wie oben läßt sich daraus das Amin freisetzen. Optisch rein erhält man das DAmin über das in Wasser schwerlösliche Salz mit L-Äpfelsäure. Wenn L-Äpfelsäure zur Verfügung steht, versäume man die Bereitung der D-Form nicht. Die im wesentlichen auf Emil Fischer zurückgehende Bezeichnung der Antipoden als zur D- oder L-Reihe gehörend, ist auch heute noch für die meisten Fälle ausreichend, wo eine präparative Verknüpfung mit einer als D- oder L- definierten Aminosäure (oder einem Zucker) hergestellt werden kann. Im vorliegenden Fall ergab sich die Zuordnung der (-) drehenden Base zur L-Reihe durch die Oxidation zu L-Alanin. CO2H H 2 N-C-H CH3 L - Phenylethylamin L - Alanin Da aber eine solche Verknüpfung in vielen Fällen weder präparativ noch gedanklich möglich ist, haben Cahn, Ingold und Prelog eine eindeutig definierende Nomenklatur ausgearbeitet, bei der die Antipoden als (R)- und (S)-Formen unterschieden werden. Die Einordnung erfolgt nach dem topologischen Drehsinn (Rectus = rechts herum, Sinister = links herum), wenn die 4 ungleichen Substituenten am chiralen CAtom mit genau definierten Prioritäten ausgestattet und in bestimmter Weise abgezählt werden. Die Abzählung erfolgt nach dem Lenkrad-Modell, wobei der Substituent mit geringster Priorität (P4) als Lenksäule nach hinten weggerichtet wird, während die drei größeren (P1, P2 und P3) an den Enden der Speichen des Lenkrades gedacht werden und in fallender Priorität entweder rechts (R) oder links (S) herum angeordnet sind: 360 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I s (R) Die Prioritäten ergeben sich in erster Linie aus den Ordnungszahlen der Schlüsselatome (höhere Ordnungszahl bedeutet höhere Priorität, so daß am Ende der Lenksäule sehr häufig H steht). Bei zwei Schlüsselatomen gleicher Ordnungszahl (z.B. zwei C-Atome) entscheidet die jeweils größere Zahl von Substituenten mit höchster Ordnungszahl an diesen Substituenten. Doppelbindungen werden wie zwei Einzelbindungen gewertet. Die Regeln sind im einzelnen komplizierter, jedoch immer eindeutig. Man lese sie in den Lehrbüchern nach. Mit der Eindeutigkeit der Regeln nimmt man häufig in Kauf, daß die Konfigurationssymbole (R) und (S) einen recht formalistischen Charakter besitzen. In der Notation nach Cahn, Ingold und Prelog ist das linksdrehende L-Phenylethylamin als (S)-Phenylethylamin zu bezeichnen und umgekehrt, jedoch ist die Übereinstimmung von Drehsinn, L- und (S)-Symbol zufallig und keinesfalls verallgemeinerungsfähig. Nach den gleichen Prioritäten werden die Symbole E und Z den unterschiedlich konfigurierten Doppelbindungen zugeordnet (S. 372, 611,612). Mandelsäure C 6 H 5 CHO + HCN > C 6 H 5 CH(OH)CN HZ ° > C 6 H 5 CH(OH)COOH 15g frisch destillierter Benzaldehyd (0,14 mol) werden im Abzug in einem Zylinder mit Gummistopfen mit etwa 50 ml einer konzentrierten Lösung von Natriumhydrogensulfit versetzt. Die Mischung wird solange mit einem Glasstabe umgerührt, bis sie zu einem Brei der Bisulfitverbindung erstarrt ist, und dann noch kräftig durchgeschüttelt. Man filtriert an der Saugpumpe ab, preßt fest zusammen und wäscht einige Male mit wenig eiskaltem Wasser nach. Die Verbindung wird dann mit etwas Wasser zu einem dicken Brei angerührt und mit einer kalten Lösung von 12g (~0,2mol) reinem Kaliumcyanid in 25 ml Wasser versetzt. Nach kurzer Zeit gehen die Kristalle in Lösung, und das Mandelsäurenitril scheidet sich als Öl ab, welches man im Scheidetrichter von der wässerigen Lösung trennt und sofort weiter verarbeitet. Verseifung des Nitrits: Das Nitril wird in einer Porzellanschale mit dem vierfachen Volumen konzentrierter Salzsäure auf dem Wasserbad so weit eingedampft, bis sich an der Oberfläche der Flüssigkeit Kristalle reichlich abzuscheiden beginnen. Man läßt das Reaktionsgemisch über Nacht im Kühlschrank stehen, filtriert die abgeschiedenen Kristalle nach dem Verreiben mit wenig Wasser an der Saugpumpe ab und wäscht sie mit nicht zu viel Wasser nach. Aus dem Filtrat gewinnt man durch Ausethern noch eine weitere Menge der Säure. Die rohe Mandelsäure wird auf einen Tonteller abgepreßt, getrocknet und durch Umkristallisieren aus Benzol rein erhalten. Schmp. 1180C, Ausbeute 11—15g (50-70%d.Th.)- Beispiele der Aldol-Verknüpfung 361 Bei der hier ausgeführten Variante der Cyanhydrinsynthese findet eine nucleophile Substitution des locker gebundenen —SO3" durch CN~ in der Bisulfitverbindung statt. C 6 H 5 CH(OH)SO 3 + CN> C 6 H 5 CH(OH)CN + SO3" Dabei entsteht eine Mischung gleicher Teile der D- und L-Formen des Cyanhydrins (Mandelsäurenitrils) und aus ihr durch Verseifung D, L-Mandelsäure. Sie läßt sich ähnlich wie die racemische Base a-Phenylethylamin durch fraktionierte Kristallisation der diastereomeren Salze mit dem Alkaloid Cinchonin spalten. Das Amygdalin der bitteren Mandeln und anderer Steinfrüchte ist die glykosidische Verbindung von D-( —)-Mandelsäurenitril mit Gentiobiose. Es gehört zu der Klasse der /?-Glykoside,da es durch das Enzym Emulsin, eine ß-Glykosidase, in 2 mol GIucose, Benzaldehyd und Blausäure gespalten wird. Aldolverknüpfung 1-Phenyl-2-nitroethylen O6H5CHO + CH 3 NO 2 > C 6 H 5 CH=CHNO 2 + H 2 O 2,8 ml Nitromethan (53 mmol) und 3,5 ml Benzaldehyd (frisch destilliert; 50 mmol) werden in 20 ml Alkohol gelöst und unter Eis-Kochsalz-Kühlung kräftig gerührt. Zu dieser Mischung tropft man langsam kalte methanolische Kalilauge aus 3,5g Kaliumhydroxid, 5 ml Wasser und 10 ml Methanol. Man rührt so lange weiter, bis eine Probe in Wasser klar löslich ist. Dann läßt man die Lösung des Reaktionsprodukts (falls kristallin angefallen sein sollte, nach Auflösen in Eiswasser) unter Rühren in 60 ml eiskalte 1 N Schwefelsäure einließen. Das dabei auftretende, bald erstarrende Öl wird nach dem Festwerden sofort abgesaugt, im Exsikkator über Nacht getrocknet und aus wenig Alkohol umkristallisiert. Man erhält etwa 3 g (40%d.Th.) Phenylnitroethylen in großen gelben Nadeln, Schmp.: 58 0 C. Nitromethan, eine durch den Einfluß der NO2-Gruppe besonders stark acide CH-Verbindung lagert sich als Carbeniatanion leicht an den Carbonylkohlenstoff an. Der dabei entstehende Alkohol spaltet schon in kalter verd. Säure seine benzylständige OH-Gruppe und einen benachbarten Wasserstoff ab unter Ausbildung des energieärmeren konjugierten Systems des Phenylnitroethylens. Die bei der gleichartigen Addition an aliphatische Carbonylverbindungen entstehenden Nitroalkohole, RCH(OH)CH 2 NO 2 , sind in der Kälte gegen Säure beständig. Beim Erhitzen mit Schwefelsäure werden sie allerdings wie alle Nitroalkane, auch sekundäre, über die aci-Form unter N 2 O- und H2O-Abspaltung in die entsprechenden Aldehyde bzw. Ketone verwandelt (Nef-Reaktion). Nef hat die Reaktion besonders in der Zuckerchemie zur Verlängerung einer Aldose um ein C-Atom 362 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I angewandt. Das Zwischenprodukt A kann auch Wasser abspalten zur Hydroxamsäure, die zu Hydroxylamin und Carbonsäure hydrolysiert wird. ^O R—G—N" + H+ > H OH OH R-C=N H /OH /H R— C-N -> R-C X OH O /OH + HN OH (2HN(OH)2 —> 3H2O + N2O) Aldolverknüpfung unter Basekatalyse Dibenzalaceton CH 3 COCH 3 + 2C 6 H 5 CHO —^-> H5C6CH=CHCOCH=CHC6H5 + 2H 2 O In einem 250-ml-Weithalskolben löst man 10g Natriumhydroxid in 100 ml dest. Wasser und 80 ml Ethanol. Eine Mischung von 10,6 g frisch destilliertem Benzaldehyd (10,1 ml, 100 mmol) und 2,9 g reinem Aceton (3,7 ml, 50 mmol) wird im Laufe von 10 min portionsweise in diese mechanisch gerührte Lösung eingetragen; durch Einstellen des Kolbens in Wasser von Raumtemperatur leitet man die Reaktionswärme ab. Nach weiterem 1 stdg. Rühren ist die kristalline Abscheidung des gelben Produkts beendet. Absaugen, gründliches Waschen mit Wasser und Trocknen führt zu 11,0-11,6 g Rohprodukt vom Schmp. 106—108 0 C. Zur Reinigung kristallisiert man aus 45 ml Isopropanol um, wobei man im Eisbad kühlt, absaugt und mit wenig eiskaltem Isopropanol wäscht: 10,0-10,5 g reines, bei 110-111 0 C schmelzendes Dibenzalaceton (86-90% d.Th.)- Aldolverknüpfung unter Säurekatalyse Benzalacetophenon C 6 H 5 COCH 3 + C 6 H 5 CHO H+ > C6H5COCH=CHC6H5 + H2O In einer 10O ml Waschflasche mischt man 10,6 g Benzaldehyd (10,1 ml, 0,1 mol), 12,0 g Acetophenon (0,1 mol, S. 423), beide frisch destilliert, und 12 ml Eisessig. Unter guter Außenkühlung mit Eis und Eiswasser läßt man 90 min lang Chlorwasserstoff hindurchperlen, wobei man das entweichende Gas in Wasser einleitet (Rohr nicht eintauchen). Mechanismus der Aldol-Verknüpfung 363 Die dunkelbraune Lösung erstarrt bald zum Kristallbrei, den man nach Austauschen des Einleitungsrohrs gegen einen Stopfen mehrere h im Eisbad läßt. Am nächsten Tag gießt man in einen 250-ml-Schliffkolben, spült mit etwas Eisessig nach und befreit im Wasserstrahlvakuum von Eisessig und Salzsäure, wobei man innerhalb von 30 min die Ölbadtemperatur auf 10O 0 C steigert. Beim weiteren Erhitzen innerhalb von 30 min bis auf 15O0C, tritt Chlorwasserstoffabspaltung ein. Nach deren Abschluß läßt man erkalten und entnimmt dem Kristallkuchen Impfmaterial, bevor man aus 110 ml 96 proz. Ethanol umkristallisiert. Durch langsames Erkalten und rechtzeitiges Animpfen vermeidet man eine Ölabscheidung. Nach Aufbewahren im Kühlschrank saugt man die hellgelben Kristalle ab, wäscht mit wenig eiskaltem Alkohol und trocknet: 17-18 g Benzalacetophenon mit Schmp. 54—55 0 C (82-86%d. Th.). Die Aldolverknüpfung, zu Unrecht oft als Aldolkondensation bezeichnet, erhielt ihren Namen vom Produkt des Zusammentritts zweier Acetaldehydmoleküle zu ßHydroxybutyraldehyd, das man Aldol genannt hat. Die Reaktion, die sowohl durch Protonen und Lewis-Säuren als auch durch Basen katalysiert wird und prinzipiell umkehrbar ist, hat allgemeine Bedeutung, sie findet zwischen Carbonylgruppen und solchen Verbindungen statt, die eine acide CH-Gruppe enthalten. Ähnlich wie bei der Cyanhydrinsynthese lagert sich das durch Einwirkung der Base entstandene Carbanion an den Carbonylkohlenstoff an, für Acetaldehyd formuliert: H3C-CHO + OH- ,=*- ICH2-CHO + H 2 O H3C-CHO + - ICH2-CHO <=± CH3-CH-CH2-CHO oH3C-CH-CH2-CHO + H2O *=t H3C-CH-CH2-CHO + OH- O" OH ß-Hydroxybutyraldehyd (Acetaldol) Die so entstehenden /J-Hydroxycarbonylverbindugen (Aldole) spalten in vielen Fällen schon in der Kälte Wasser ab unter Ausbildung einer Doppelbindung in Konjugation zum Carbonyl. Acetaldol läßt sich aus Acetaldehyd bei vorsichtiger Arbeitsweise gewinnen, über 8O0C geht es in den ungesättigten Crotonaldehyd, H3C—CH=CH—CHO, über, der im folgenden Versuch am Geruch erkannt werden kann. Das beim Weitererhitzen gebildete Harz verdankt seine Entstehung der oftmaligen Wiederholung der gleichartigen Reaktion an der Aldehydgruppe mit der endständigen, vinylog aktivierten Methylgruppe. Versuch: Acetaldehydharz — Einige Tropfen Acetaldehyd werden, in etwa 2 ml Wasser gelöst, mit 0,5 ml verdünnter Natronlauge im Reagenzglas erhitzt. Unter Gelbfärbung bildet sich über das Aldol Crotonaldehyd, der in der siedenden Lösung an seinem ste- 364 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I chenden Geruch erkennbar ist. Erwärmt man Acetaldehyd mit starker Lauge, so scheidet sich gelbes Aldehydharz aus. Auf die Bildung ähnlicher Stoffe durch voraufgehende Oxidation ist die Bräunung von Ethylatlösungen und von ethylalkoholischem Kaliumhydroxid bei Luftzutritt zurückzuführen. Die katalytische Wirkung des Protons läßt sich durch eine Anlagerung an den Carbonylsauerstoff und Addition des Carbeniumions an die im Gleichgewicht vorhandene Enolform beschreiben. H3CCH=O + H + <==> CH 3 CHOH H H +/ <=> H3C-C-CH2-C H H3C-C+ OH + /H H2C=C OH " H+ > Aldol OH OH Bei der oben präparativ ausgeführten Reaktion von Benzaldehyd mit Acetophenon in Gegenwart eines großen HCl-Überschusses bildet sich durch Addition an die Doppelbindung das kristallisierte /?-Chlorketon, das durch thermische HCl-Abspaltung in Benzalacetophenon übergeht. Verbindungen dieses Typs bezeichnet man auch als Chalkone. Ist o-ständig zum Carbonyl eine OH-Gruppe vorhanden, findet leicht Ringschluß zum Dihydroflavon (Flavanon) statt, einem Vertreter einer großen Klasse von Naturstoffen (Flavone, Flavonole, Anthocyane, Catechine). Aceton besitzt 2 aktivierte Methylgruppen und tritt mit 2 mol Benzaldehyd zum doppelt ungesättigten, ebenfalls gelb gefärbten Keton Dibenzalaceton zusammen. Ohne Partner reagiert Aceton in Gegenwart von HCl-Gas zu Mesityloxid und Phoron, von Schwefelsäure zu Mesitylen (symm. Trimethylbenzol). Mit Formaldehyd als carbonylaktivem Partner finden Aldoladditionen besonders leicht statt. Mit Acetaldehyd reagiert er 3mal zum Trihydroxymethylacetaldehyd, der Aldolverknüpfungen mit Formaldehyd 365 durch ein weiteres Molekül zu Pentaerythrit reduziert wird. In äquimolaren Mengen reagieren beide Aldehyde miteinander zu /?-Hydroxypropionaldehyd, aus dem bei einer technischen Acroleinsynthese katalytisch Wasser abgespalten wird. C(CH 2 OH) 4 Pentaerythrit OCH 2 + H 3 CCHO "H2° > H2C=CHCHO Acrolein In neuerer Zeit wird Acrolein technisch durch katalytische Oxidation von Propen gewonnen. Eine Reaktion des gleichen Typs zwischen Nitromethan und 3 mol Formaldehyd liefert Tris-hydroxymethylnitromethan, das durch Reduktion in Tris-hydroxymethylaminomethan, H2N—C(CH2OH)3 übergeht, eine beim biochemischen Arbeiten zur Herstellung von Pufferlösungen beliebte Base (Tris-Puffer). Mit Aldehyden läßt sich auch die CH-aktive Chlormethylgruppe des Chloressigesters zur Reaktion bringen. Der entstehende a-Chlorester spaltet HCl ab unter Ausbildung des Epoxidrings. Man formuliere die Darzens-Glycidestersynthese (vgl. auch S.407). Über zahlreiche weitere Reaktionen mit Carbanionen siehe Kapitel DC. Die Aldolreaktion hat ihre biochemische Parallele im intermediären KohlenhydratStoffwechsel. Durch das Enzym Aldolase wird spezifisch die Einstellung des Gleichgewichts zwischen Fructose-l,6-diphosphat und den Triosephosphaten Glycerinaldehyd-3-phosphat und Dihydroxyacetonphosphat katalysiert. H2O3P-O-CH2 CO I HOCH I H2O3P-O-CH2 CO I HOCH2 ^ HCOH ' I HCOH I H2O3P-O-CH2 H O I HCOH I H2O3P-O-CH2 C Die Transaldolase überträgt Dihydroxyacetonphosphat auch auf andere Aldosen. Im Zusammenwirken mit Transketolase (Mechanismus siehe S. 380) besorgt sie im Organismus den wechselseitigen Übergang von Hexosen in Pentosen und vice versa. Näheres, auch über ähnliche Vorgänge bei der Synthese von Kohlenhydraten in der Pflanze siehe in den Biochemiebüchern. 366 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I Weiterführende Literatur zu Kapitel Vl H. Meerwein, Herstellung und Umwandlung von Acetalen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 6/3, S. 199, Thieme, Stuttgart 1965. O. Bayer, Acetale, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/1, S. 417, Thieme, Stuttgart 1954. A. Schöberl und A. Wagner, Methoden zur Herstellung und Umwandlung von Mercaptalen und Mercaptolen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9, S. 195, Thieme, Stuttgart 1955. D. Seebach, Nucleophile Acylierung mit 2-Lithium-l,3-dithianen bzw. -1,3,5-thrithianen, Synthesis 1969, 17. R. Tiollais, Sur les aldimines derives des aldehydes acycliques; Preparation et proprietes physiques d'aldimines, Bull. Soc. Chim. Fr. 1947, 715. J. Szmuszkovicz, Enamines, Adv. Org. Chem. 4, l (1963). S. Hünig und H. Hoch, Acylierung von Enaminen, Fortschr. Chem. Forsch. 14, 235 (1970). A. 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Einige aldolartige Kondensationen Perkinsche Synthese, Zimtsäure pu r*r\ — C 6 H 5 CHO + (CH 3 CO) 2 O 3 2 > C 6 H 5 CH=CHCO 2 H + CH3CO2H 21 g (0,2 mol) Benzaldehyd, 30 g (0,3 mol) Essigsäureanhydrid, beide frisch destilliert, und 10g pulverisiertes, frisch entwässertes Natriumacetat (vgl. S. 309) 1 werden in einem Kolben, welcher mit einem weiten, etwa 80 cm langen Steigrohr verbunden ist, 8 h lang in einem Ölbad auf 18O 0 C erhitzt. Dann gießt man das heiße Reaktionsgemisch in einen größeren Kolben, spült mit Wasser nach und leitet so lange Wasserdampf hindurch, bis kein Benzaldehyd mehr übergeht. Man verwendet hierbei so viel Wasser, daß sich die Zimtsäure bis auf einen kleinen Rest einer öligen Verunreinigung in Lösung befindet. Anschließend kocht man die Lösung noch kurze Zeit mit wenig Tierkohle und saugt auf einer heißen Nutsche ab. Beim Abkühlen scheidet sich die Zimtsäure in glänzenden Blättern ab. Sollte sie nicht sofort den richtigen Schmelzpunkt besitzen, kristallisiert man sie noch einmal aus heißem Wasser um. Schmp. 133 0 C; Ausbeute etwa 10g (ca. 35%d.Th.). Erlenmeyer-Synthese, D,L-Phenylalanin H2C-CO C 6 H 5 CONHCH 2 CO 2 H —(CH 3 CQ) 2 Q > N Q C6H5 H2C-CO / \ X X C6H5CHO + N O > N C—CO / \ O C I PU n \ I U ^6 5 PM U 6 5 Hl/ ^ > C 6 H 5 CH 2 CH(NH 2 )CO 2 H Azlacton: In einem Kolben mit Rückflußkühler und Calciumchloridrohr erhitzt man unter häufigem Umschütteln auf dem siedendem Wasserbad das Gemisch aus 17,9 g (0,1 mol) Hippursäure (siehe S. 636), 8,2g wasserfreiem Natriumacetat (siehe S. 309), 30,6g 1 Käufliches „wasserfreies" Na-acetat kann störende Mengen Wasser enthalten. 372 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II Acetanhydrid und 10,6g (0,1 mol) Benzaldehyd (frisch destilliert). Nach etwa 10min löst sich der Kolbeninhalt zu einer tiefgelben Flüssigkeit, aus der sich bald Kristalle abscheiden. Man erhitzt noch eine Stunde weiter, läßt erkalten, gibt 10 ml Alkohol zu und saugt ab. Den Rückstand wäscht man auf dem Filter nacheinander mit 15ml kaltem Alkohol und 50 ml heißem Wasser. Das Produkt ist genügend rein zur Weiterverarbeitung auf Phenylalanin. Ausbeute: 18g, Schmp. 165 0 C. D, L-Phenylalanin: 10g des Azlactons werden in 1OmI Eisessig und 50 ml 40% Jodwasserstoff säure (die handelsübliche ist genügend rein) unter Zusatz von 3 g rotem Phosphor anderthalb bis zwei h am Rückfluß gekocht. Dann läßt man das Reaktionsgemisch auf etwa 7O 0 C abkühlen, saugt vom Phosphor ab und wäscht mit 10 ml heißem Eisessig nach. Die vereinigten Filtrate dampft man im Vakuum zur Trockne ein, fügt zum Rückstand 50 ml Wasser und dampft erneut ein. Zum trocknen Rückstand gibt man 10O ml Wasser und 100 ml Ether und schüttelt so lange, bis sich alles gelöst hat. Die abgetrennte wässerige Phase wird zur vollständigen Entfernung der Benzoesäure dreimal mit je 60 ml Ether gewaschen. Die ganz schwach gelbliche wässerige Phase wird auf 50 ml eingeengt, mit wenig Aktivkohle aufgekocht, klarfiltriert und mit konz. Ammoniaklösung auf einen pH von 5—6 gebracht. Beim Abkühlen scheidet sich das Phenylalanin in farblosen Blättchen ab. Sie werden aus der kalten Lösung abgesaugt und mit 15 ml kaltem Wasser gewaschen. Ausbeute: 4,5g (67%d.Th.). Reinheitsprüfung am besten papier- oder dünnschichtchromatographisch; der Zersetzungspunkt ist stark von der Erwärmungsgeschwindigkeit abhängig. Beiden beschriebenen Präparaten ist gemeinsam, daß ein aromatischer Aldehyd unter Wasserabspaltung mit einer aktiven Methyl(en)gruppe reagiert. Bei der PerkinReaktion ist es die Methylgruppe des Acetanhydrids, bei der Erlenmeyer-Synthese die Methylengruppe des Azlactons, die beide unter der katalytischen Wirkung des basischen Acetations als Carbanionen an die CO-Gruppe des Aldehyds angelagert werden. In beiden Fällen spaltet sich wegen des benachbarten Benzolkerns und des überschüssigen Anhydrids aus den primären Addukten Wasser ab. Die Zimtsäure, die hier nach H : O + (H 3 CCO) 2 O H Vers. ^ C6H5 \=CX CO2H H entsteht, hat die E- (oder /ra^-)Konfiguration. Die energiereichere isomere Z- (oder ds-)Form (Allozimtsäure) kommt neben der Irans-Verbindung im Pflanzenreich vor. Synthetisch wird sie durch partielle katalytische Hydrierung von Phenylpropiolsäure, Perkinische und Erlenmeyer-Synthese 373 C6H5C=CCOOH, erhalten, die ihrerseits auf dem Weg einer allgemeinen Alkinsynthese (siehe S. 216), durch doppelte HBr-Abspaltung aus 2,3-Dibrom-3-phenylpropionsäure zugänglich ist. Die Doppelbindung der Zimtsäure ist durch die Nachbarschaft des Benzolrings erheblich reaktionsfähiger als eine isolierte. Sie läßt sich durch Na-amalgam in verdünnter Lauge reduzieren (S. 510), lagert spielend leicht Brom unter Bildung der eben genannten Dibromverbindung an und dimerisiert sich, wie auf S. 207 ausgeführt ist, beim Belichten zu den Truxillsäuren. Durch Decarboxylierung von Zimtsäure entsteht Styrol. Bernsteinsäureanhydrid ist der Kondensation an seinen beiden CH2-Gruppen zugänglich. Mit ungesättigten Aldehyden wie Zimtaldehyd und Blei(II)-oxid als Base entstehen mehrfach ungesättigte Dicarbonsäuren. Polyensynthese (R. Kühn). In der Malonsäure ist die Methylengruppe reaktionsfähiger als im Essigsäureanhydrid. Sie läßt sich daher nach Knoevenagel und Doebner unter milderen Bedingungen, z. B. in Pyridin mit Aldehyden kondensieren. Dies ermöglicht eine Übertragung der Perkinschen Reaktion in die aliphatische Reihe, wie die Synthese der Crotonsäure aus Acetaldehyd zeigt: H 3 CCHO "C°2 > + CH 2 (CO 2 H) 2 > CH 3 CH=C(CO 2 H) 2 CH3CH=CHCO2H Malonyl-Coenzym A ist auch bei der biologischen Fettsäuresynthese die aktive Methylenkomponente. Erlenmeyer-Synthese. Hippursäure wird durch Essigsäureanhydrid zum Azlacton 2-Phenyl-5-oxazolon dehydratisiert. Dessen reaktionsfähige Methylengruppe lagert sich nach Deprotonierung an den aromatischen Aldehyd unter Bildung des Benzyliden-Azlactons 4-Benzyliden-2-phenyl-5-oxazolon an. Von den verschiedenen Möglichkeiten zur Hydrierung der exocyclischen Doppelbindung und zur Hydrolyse des Ringes wird in dem oben beschriebenen Präparat für beide Schritte lodwasserstoff eingesetzt. Die Hydrolyse vor der Hydrierung gibt über eine unbeständige a-Aminozimtsäure eine a-Keto-carbonsäure; hier würde Phenylbrenztraubensäure entstehen. Die Erlenmeyer-Reaktion läßt sich nicht auf aliphatische Aldehyde übertragen, gut hingegen reagiert Aceton. Synthese von Dimethylbrenztraubensäure und Valin. L-Phenylalanin gehört zu den normalen Proteinbausteinen. Wegen seiner Verwandtschaft mit dem Tyrosin (p-Hydroxyphenylalanin) und damit zum Adrenalin, Thyroxin und den Melaninen sowie dem Isochinolinring in zahlreichen Alkaloiden verdient es besondere Beachtung. 374 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II C 6 H 5 CH 2 \ H 2 C-CO 2 H HN \ I C 6 H 5 CH 2 CHCO 2 H HC-CO / \ + I NH2 CO C6H5 -H,0 NX O C C6H5 -^ C 6 H 5 CO 2 H 'HI/P N o \/ i u CeH5 C6H5CHO ^ C 6 H 5 CH^ /°~ \ N O % / C I C6H5 C H2O > C6H5CH2COCO2H " +NH3 + C 6 H 5 CO 2 H Phenolharz a) In einem 50 ml Rundkolben mit Schliff werden 9,4 g (0,1 mol) kristallisiertes Phenol in 6,5 g 40proz. Formalinlösung (0,08 mol) aufgelöst. Man setzt 0,2 ml 6N Salzsäure zu und erwärmt in einem Wasserbad unter Umschütteln bis die Innentemperatur 6O 0 C erreicht hat. Die nun einsetzende exotherme Polykondensation wird durch Entfernen des Kolbens aus dem Wasserbad gemildert. Anschließend beläßt man den Kolben noch 30 min im siedenden Wasserbad. Von den zwei Schichten wird die obere wässerige abgegossen und das flüssige Harz bei 10O0C Außentemperatur nach Anlegen eines guten Wasserstrahlvakuums durch Abdestillieren aller flüchtigen Bestandteile getrocknet. Zurückbleibt ein zwischen 50 und 8O 0 C erweichender fast farbloser „Novolack", der noch heiß in ein geeignetes Gefäß gegossen wird. Beim Abkühlen erstarrt er zu einer colophoniumartigen Masse, die man, ohne daß sie härter wird, viele Stunden auf 15O 0 C erhitzen kann. Erhitzt man jedoch unter Zusatz von Hexamethylentetramin (Härter), wird ein stark vernetztes, völlig unlösliches Produkt erhalten. b) Der Versuch wird mit derselben Phenolmenge, aber einem Formaldehydüberschuß (16g Formalinlösung, 0,2 mol) wiederholt. Das hierbei erhaltene Harz (ein „Resit") zeigt einen bedeutend höheren Erweichungspunkt und ist nahezu in allen Lösungsmitteln unlöslich. c) Aus dem Ansatz wie unter b), aber mit 0,2 ml 2N Natronlauge erhält man ein rotbraunes Produkt, das sich in wässerigen Laugen auflöst und beim Zusatz von verdünnten Säuren wieder ausfällt. Beim Erhitzen auf über 15O 0 C erhärtet es ohne Zusatz anderer Stoffe (Resol). Phenolharze, die ersten durch Druck und Hitze härtbaren Kunststoffe (Bakelite) lassen sich nicht nur aus Phenol, sondern auch aus substituierten Phenolen (Kresolen, Resorcin usw.) und nicht nur mit Formaldehyd, sondern auch mit anderen Aldehyden, Kondensation vor Carbony!Verbindungen mit Aromaten 375 wie Furfural, technisch erhalten. Da der Aldehyd das Brückenkohlenstoffatom liefert, ist seine Konzentration für den Grad der Vernetzung verantwortlich. H 2 C-CO 2 C 2 H 5 4-Methyl-7-hydroxy-cumarin 10,2ml (SOmmol) frisch destillierter Acetessigester, 8,0g Resorcin und 9 g saurer Kationenaustauscher, z.B. Amberlite IR-120 in der H+ -Form, im Vakuum bei 4O 0 C gut getrocknet, werden unter Rühren auf 14O 0 C erwärmt. Nach einigen min tritt eine heftige Reaktion unter Abspaltung von Ethanol ein, nach weiteren 5 min ist der Ansatz erstarrt. Man hält weitere 20 min bei 15O 0 C und löst nach dem Abkühlen nochmals mit heißem Alkohol unter Aufkochen. Die alkoholischen Filtrate werden zur Trockne verdampft, der Rückstand wird mit wenig kaltem 50proz. Alkohol zerrieben und abgesaugt. Man erhält 9,7 g (69%d.Th.) des Cumarins. Nach Umkristallisieren aus 70proz. Alkohol beträgt der Schmp. 181—1830C. Die Verwendung fester Reagenzien, die hier mit dem unlöslichen H + -Harz gezeigt wird, nimmt in der präparativen Chemie an Verbreitung zu. Nicht nur Säure und Base als Katalysatoren, sondern auch Reagenzien wie Ylene in der Wittig-Reaktion (S. 455), N-Bromsuccinimid (S. 198), Hydrierungskatalysatoren (S. 553) und Amine in der Merrifield-Synthese (S. 319) können an polymere Träger gebunden, in fester Form eingesetzt werden. Der Vorteil dabei ist, daß die Lösungen nach dem Abfiltrieren des festen Reagenzes weniger Nebenprodukte enthalten und so leichter aufgearbeitet werden können. Das Eintreten einer Addition aromatischer Verbindungen an die Carbonylgruppe hängt ab. 1. Von der Elektrophilie des Carbonylkohlenstoffs. Diese muß in allen Fällen, außer beim Formaldehyd, durch Protonen oder Lewissäuren gesteigert werden. 2. Von der Nucleophilie der aromatischen Verbindung. Hier gelten die gleichen Betrachtungen, wie sie für die Leichtigkeit der elektrophilen Substitution am Kern um eine solche handelt es sich auch hier - auf S. 238 angestellt wurden. Benzol und Chlorbenzol reagieren nur mit niederen Aldehyden z. B. in Gegenwart von konz. Schwefelsäure als Katalysator. Elektronen-liefernde Substituenten erleichtern die Reaktion beträchtlich. So reagieren Phenole mit Formaldehyd auch unter Basenkatalyse, mit Acetaldehyd in Gegenwart von sehr wenig HCl und mit dem reaktionsträgeren Aceton oder Acetophenon, das mit Benzol selbst nicht zur Kondensation zu bringen ist, nur bei Vorliegen einer großen HCl-Konzentration. Phenole sind auch der ganz ähnlichen Mannich-Reaktion (S. 353) zugänglich. Vergleiche damit auch die im Prinzip gleichartige Reaktion nach Friedel-Crafts (S. 259). 376 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II Die durch Säuren katalysierte Reaktion führt im 1. Schritt zu einem Alkohol, der unter der Wirkung desselben Katalysators OH abspaltet und als Carbeniumion ein zweites aromatisches Molekül substituieren kann. Phenole und Formaldehyd. Unter alkalischen Bedingungen sind die primären Einwirkungsprodukte, Hydroxybenzylalkohole, isolierbar, beim Phenol selbst 2,4-Di(hydroxymethyl)phenol. Dieselbe Verbindung bildet sich u. a. aus Formaldehyd und Phenol auch unter Säurekatalyse, ist aber dort nicht faßbar. Beim Erwärmen in alkalischer oder saurer Lösung reagieren diese Benzylalkohole weiter, indem sie freie ound /»-Stellungen gleichartiger Moleküle substituieren. So entstehen die makromolekularen, über Methylenbrücken vernetzten Phenol-Formaldehydharze, in denen auch in geringem Maß Etherbindungen vorkommen können. Unter der Einwirkung geringer Säuremengen bilden sich die vorwiegend linearen Novolacke, mit Alkali die wärmehärtbaren Resole, deren vollständige Vernetzung während der Nachhärtung bei 150 0C eintritt. Ausschnitt aus dem Molekül eines Phenoplasten. Bei der oben präparativ ausgeführten Cumarinsynthese nach von PechmannDuisberg wird die Ketogruppe des Acetessigesters (S. 401) durch Protonen, in unserem Versuch vom festen Austauscherharz stammend, aktiviert. An die Addition der besonders reaktionsfähigen 2-Stellung des Resorcins schließt sich die Abspaltung von Wasser und Alkohol zum Cumarinderivat an. Die Stammsubstanz, Cumarin, wird nach Perkin aus Salicylaldehyd und Essigsäureanhydrid erhalten. Vorkommen der Cumarine im Pflanzenreich. Zwei Moleküle des 4-Hydroxycumarins kondensieren Phenoplaste, Gesarol und Cannizzaro-Reaktion 377 sich spielend leicht mit Formaldehyd zum 3,3'-Methylen-bis-4-hydroxycumarin „Dicumarol", das — als Antagonist von Vitamin K - die Blutgerinnung verhindert. 1,1-Di(p-chlorphenyl)-2,2,2-trichlor-ethan (Gesarol, DDT) CI3C-CHO + 2C 6 H 5 CI "H2° > CI3C-CH(C6H4PCI)2 50g Chloralhydrat (0,3 mol) werden mit 100 ml warmer konz. Schwefelsäure geschüttelt. Nach Abtrennen der Schwefelsäure im Scheidetrichter gießt man das Chloral in einen mit Thermometer und Rührer versehenen 500-ml-Weithals-Rundkolben. Nach Zugabe von 61 g Chlorbenzol (0,55 mol) und 70 ml konz. Schwefelsäure läßt man unter Rühren im Verlauf einer halben Stunde 50 ml 20proz. Oleum zutropfen, wobei die Temperatur zwischen 20 und 25 0 C gehalten werden soll. Anschließend wird 4 h bei 3O 0 C gerührt, dann auf 500 g Eis gegossen. Das sich zunächst schmierig ausscheidende Reaktionsprodukt erstarrt binnen kurzem zu einer farblosen Masse, die man absaugt, auswäscht und in einer Porzellanschale auf siedendem Wasserbad mit Wasser digeriert, bis keine Sulfationen mehr nachweisbar sind. Nach zweitätigem Trocknen im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure sind es 62-66 g eines bei 96—101 0 C schmelzenden Rohprodukts (65-69% d, Th.)Rein gewinnt man das Gesarol durch Aufkochen von 10g Rohprodukt mit 85ml Alkohol unter Kohlezusatz und Filtrieren durch eine vorgeheizte Nutsche. Aus dem Filtrat kristallisieren 6,5 g farbloser verfilzter Nadeln vom Schmp. 108 0 C. Die altbekannte Verbindung ist nach der Erkennung ihrer insektiziden Wirkung in größtem Umfang und mit durchschlagendem Erfolg, z. B. bei der Bekämpfung der Malaria (Moskito) eingesetzt worden, in den letzten Jahren aber wegen ihrer großen Beständigkeit, die zu einer Anreicherung im Fett vieler Organismen führt, zurückgezogen worden, obwohl ihr keine Toxizität an Säugetieren zugeschrieben werden kann. Cannizzaro-Reaktion des Benzaldehyds 2C 6 H 5 CHO + KOH > C 6 H 5 CH 2 OH + C 6 H 5 COOK 20g Benzaldehyd (frisch destilliert) werden mit einer kalten Lösung von 18g Kaliumhydroxid in 12 ml Wasser in einem 100-ml-Kolben (mit Schliffstopfen) so lange kräftig geschüttelt, bis eine bleibende Emulsion entsteht. Diese läßt man mit einem Korkstopfen verschlossen über Nacht bei Zimmertemperatur (nicht kälter!) stehen. Dann gibt man so viel Wasser (knapp 40 ml) zu, daß sich die abgeschiedenen Kristalle gerade lösen 1 und 1 Wenn man zu stark verdünnt, ist es schwer, den (im Wasser löslichen) Benzylalkohol vollständig zu isolieren. 378 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II schüttelt fünf bis sechs mal mit je 40 ml Ether aus. Die vereinigten Etherauszüge enthalten neben nicht umgesetztem Benzaldehyd den gebildeten Benzylalkohol; in der wässerigen Phase ist die Benzoesäure als Kaliumsalz gelöst. Die etherische Lösung wird zweimal mehrere min lang mit je 5 ml technischer Bisulfitlauge (40proz. Natriumhydrogensulfitlösung) kräftig durchgeschüttelt. Dann wäscht man den Ether zur Entfernung der gelösten schwefligen Säure mit etwa 5 ml halbkonzentrierter Sodalösung (Hahn häufig öffnen!). Man trocknet mit geglühtem Natriumsulfat, dampft den Ether ab und destilliert den Rückstand im Vakuum. Siedepunkt des Benzylalkohols: 95 0 C / 12 Torr. Ausbeute: 6—7 g (50-62% d. Th.)Die wässerige alkalische Lösung säuert man mit halbkonzentrierter Salzsäure an. Die dabei ausfallende Benzoesäure wird kalt abgesaugt und direkt aus Wasser umkristallisiert. Schmp. 121 0C, Ausbeute: 10g (ca. 75%d.Th.)- Die Cannizzaro-Reaktion, Disproportionierung von 2 Molekülen eines Aldehyds zu je einem Molekül Alkohol und Säure, ist die - wahrscheinlich im Alkaliionkomplex verlaufende - Übertragung eines Hydrid Wasserstoffs von einem Aldehyd auf den Carbonylkohlenstoff eines anderen. In der wässerigen Lauge dürfte der Hydriddonator als hydratisiertes Anion vorliegen, aus dem die Abgabe von H~ erleichtert ist. Die Carbonylgruppe des Acceptormoleküls ist durch die Komplexbildung elektrophil aktiviert. Bei der Reaktion wird ein Äquivalent OH" verbraucht, sie ist nicht reversibel. 2R-/ \> + M + OH Na n u R xc<^cx* /Il "^H l| S: ~0'\\ M+ ° Na H -c-R I^H H0 HO^I + 2'~"NQ-P * 2C 6 H 5 CHO + BzlO'Na* C 6 H 5 x /H ^C 6 H 5 y^ C^ - BzI-O^I (\\ H MOI" + 0 '-Na"' - ?ßH ^C CH2 BzI-O II + I O .0 Na C6H5 (BzIONa) 3?i = B e P Z y I ^ C 6 H 5 - C H 2 Katalytische Mengen von Benzylalkoholat rufen in gleicher Weise eine Disproportionierung des Benzaldehyds zu Benzoesäure-benzylester und Benzylalkohol(at) hervor, das so immer neu entsteht. Dieser „dehydrierenden Veresterung" entspricht in der aliphatischen Reihe die Tischtschenko-Reaktion, bei der mit den schwächer basischen Aluminiumalkoholaten gearbeitet wird, wodurch die sonst eintretende Aldolreaktion vermieden wird. Dabei bildet sich z. B. aus Acetaldehyd und Al-ethylat Essigsäure-ethylester (mit Al 3+ /3 statt Na + wie oben zu formulieren). Al 3+ als Lewis-säure wirkt ähnlich bei der Meerwein-Ponndorf-Reaktion (S. 533). Dort spielt das Alalkoholat die Rolle eines Hydriddonators an eine Carbonylverbindung, die so zum entsprechenden Al-alkoholat reduziert wird (S. 534). Cannizzaro-Reaktion und Benzoin 379 Die Cannizzaro-Reaktion ist durchaus kein Monopol der aromatischen Aldehyde; auch Formaldehyd wird durch starkes Alkali zu Formiat und Methanol umgesetzt. Seine reduzierende Wirkung auf andere Carbonylverbindungen in Gegenwart von Basen (S. 364) ist als „gekreuzte" Cannizzaro-Reaktion aufzufassen. Daß die höheren aliphatischen Aldehyde, vom Acetaldehyd ab, mit Alkali nicht disproportionieren, liegt daran, daß die Aldolreaktion ihr mit ihrer größeren Geschwindigkeit den Rang abläuft. Fehlt am a-C-Atom der Wasserstoff, so tritt auch in der aliphatischen Reihe die Cannizzaro-Reaktion ein. Acyloine Benzoin; Benzil Benzoin 2C 6 H 5 CHO PN- OH > C 6 H 5 COCHC 6 H 5 I Das Gemisch aus 1OmI Benzaldehyd (frisch destilliert) in 25ml Alkohol und 2g Kaliumcyanid in 5 ml Wasser wird 5 min lang am Rückfluß auf dem Wasserbad gekocht. Dann läßt man langsam erkalten, saugt die abgeschiedenen Kristalle ab, wäscht sie mit wenig Alkohol nach und trocknet sie auf dem Wasserbad. Um ganz reines Benzoin zu erhalten, kristallisiert man eine kleine Probe des Rohprodukts aus wenig Alkohol um. Schmp. 134 0 C. Ausbeute etwa 90%d.Th. Benzil OH C 6 H 5 COCHC 6 H 5 HN 3 ° > C 6 H 5 COCOC 6 H 5 Das nach obiger Vorschrift hergestellte rohe Benzoin wird nach dem Trocknen fein pulverisiert und mit der doppelten Gewichtsmenge konz. Salpetersäure in einem Kolben mit Rückflußkühler (Gasableitung vom Kühler in den Abzugsschacht) 2 h unter häufigem Umschütteln auf einem lebhaft siedenden Wasserbad erhitzt. Nach beendeter Oxidation versetzt man das Reaktionsgemisch mit kaltem Wasser, gießt nach dem Erstarren die verdünnte Salpetersäure ab, wäscht mehrmals mit Wasser nach, trocknet auf Ton und kristallisiert aus Alkohol um. Die abgeschiedenen Kristalle trocknet man nach dem Abfiltrieren an der Luft auf Filtrierpapier. Schmp. des Benzils 95 0C. Ausbeute etwa 80%d.Th. In der sogenannten Acyloin- oder Benzoinkondensation liegt eine weitere interessante Aldehydreaktion vor, die in der aromatischen Reihe unter der katalytischen Wirkung von Kaliumcyanid erfolgt. Als Zwischenprodukt bildet sich dabei das Anion des Cyanhydrins. Im Cyanhydrin haben wir, analog zum Benzylcyanid (S. 408) ein acides H-Atom, das durch Basen ab- 380 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II gespalten werden kann. Das durch Mesomerie stabilisierte Anion A tritt mit dem Carbonylkohlenstoff eines zweiten Aldehydmoleküls zusammen. H C 6 H 5 CHO + CN- I _e > C6H5-C-CN <=± C6H5-C-CN < O' OH OHH e > C6H5-C=C=N A OH O H OH C6H5-CI CN I H + C-C6H5 O l > C6H5-C-C-C6H5 CNO 9 I l -CN- > C6H5-C-C-C6H5 OH u I C X R = CH3: ,,aktiver" Acetaldehyd = CH 2 OH: „aktiver" Glykolaldehyd Thiazoliumaddukt Das Additionsprodukt geht unter Abspaltung von Cyanid in Benzoin über. Die katalytische Beteiligung des Cyanids ist augenfällig. In der Reaktion des Cyanhydrinanions begegnet uns eine „Umpolung" (siehe S.445), bei der aus dem ursprünglich elektrophilen Aldehydcarbonyl ein nucleophiles Carbanion wird. - Wie Benzaldehyd reagieren viele seiner am Ring substituierten Abkömmlinge und auch heterocyclische Aldehyde wie Furfural (zu Furoin). Verwandt ist die Cyanid-aktivierte Anlagerung von Aldehyden an aktivierte C,C-Doppelbindungen a,/?-ungesättigter Ketone zu 1,4-Diketonen (H. Stetter, 1974). Aliphatische Aldehyde mit beweglichem Wasserstoff am benachbarten C-Atom gehen in Gegenwart des stark alkalischen Cyanids die Aldolreaktion ein, die von ihnen abgeleiteten Acyloine sind deshalb auf diesem Weg nicht zu gewinnen. Ob die auf S. 342 erwähnte Bildung des einfachsten Acyloins,desGlykolaldehyds aus Formaldehyd nach einem ähnlichen Mechanismus verläuft, ist nicht sicher. Aus Acetaldehyd, in Mischung mit Brenztraubensäure, die dabei katalytisch decarboxyliert wird, erhält man in vitro kleine Mengen von Acetoin, CH3COCH(OH)CH3 (Methylacetylcarbinol), wenn man als Katalysator Vitamin B1 (S. 662) oder andere Thiazoliumverbindungen verwendet. Auch hier verläuft die Reaktion über ein stabilisiertes Anion, bei dem anstelle von CN" der Thiazoliumring an die Aldehydgruppe addiert ist. Thiamin-pyrophosphat (Cocarboxylase) als Coferment der Decarboxylierung von Brenztraubensäure, biologische Acetoinbildung, Acetomilchsäure und Biosynthese des Valins. Das Enzym Transketolase kondensiert mit Hilfe des Coenzyms Thiaminpyrophosphat in reversibler Reaktion den kleineren Keto-anteil von Ketosen, als „aktiven" Glykolaldehyd mit anderen Aldosephosphaten, aus Erythrose-4-phosphat wird z. B. Acyloine 381 mit Xylulose-5-phosphat Fructose-6-phosphat gebildet. Die Reaktion entspricht genau der Acyloinbildung unter CN'-Katalyse. Primäre a-Ketoalkohole nennt man auch Ketole. Sie reduzieren wie auch die Acyloine Silberdiammin-ionen und Fehlingsche Lösung (S. 342), wobei sie, vielleicht über die im Gleichgewicht stehenden Endiole, in 1,2-Dicarbonylverbindungen übergehen. In gärender Hefe lagert sich der „aktive Acetaldehyd" (S. 380), ein Zwischenprodukt der .Glucosevergärung, an zugesetzten „freien" Acetaldehyd in präparativ lohnender Menge zu optisch aktivem Acetoin, an Benzaldehyd zu optisch aktivem 1-Phenyl1-hydroxyaceton, BenzacetoinC6H5CH(OH)-COCH3, an (C Neuberg). Ein präparativer Weg zu den Acyloinen der Fettreihe besteht nach Bouveault und Locquin in der Einwirkung von Kalium- oder Natriumpulver auf die Ester der Fettsäuren in nicht zu konzentrierter Ether- oder Benzollösung (S. unten). Butyroin PC2H5 2C4H9-C \> Na > C4H9CO-CH(OH)C4H9 In einem trockenen, mit Rückflußkühler, Calciumchloridrohr, kräftigem Rührer und Schliff stopfen versehenen 500-ml-Dreihalskolben erhitzt man 10g (0,43g-Atom) von Krusten befreites Natrium in 100 ml absol. XyIoI im Ölbad auf 105-11O0C, bis das Natrium geschmolzen ist. Unter möglichst kräftigem Rühren läßt man nun nach Entfernung des Ölbades langsam abkühlen. Von dem so erhaltenen Natriumpulver wird das XyIoI vorsichtig abdekantiert und das Natrium unter jeweiligem Abgießen des Solvens mit dreimal 30 ml abs. Ether gewaschen. Schließlich gibt man 150 ml abs. Ether zu und versieht den Reaktionskolben mit Rückflußkühler, Rührer und Tropftrichter. Unter Rühren werden nun 25,0 g reiner Buttersäure-ethylester (215mmol) im Laufe von etwa 80 min so zugetropft, daß der Ether durch die Reaktionswärme gerade im Sieden bleibt. Anschließend rührt man noch 1 h bei Raumtemperatur, bis alles Natrium verbraucht ist und sich ein voluminöser, blaßgelber Niederschlag abgeschieden hat, sowie eine weitere Stunde unter Kochen am Rückflußkühler. Sollten auch jetzt noch kleine Natriumreste vorhanden sein, so setzt man wenig Methanol zu und rührt. Das Reaktionsgemisch wird in einem Eisbad gekühlt und aus einem Tropftrichter langsam unter Rühren mit einer Mischung von 13ml konz. Schwefelsäure und 45ml Wasser versetzt. Man entfernt den Rührer, bevor das ausfallende Natriumsulfat zusammenbackt, gießt die etherische Schicht ab und digeriert den Salzkuchen unter jeweiligem Dekantieren mit dreimal 15 ml Ether. Die vereinigten Etherlösungen werden im Scheidetrichter mit 20 ml 10proz. Sodalösung gewaschen und über wasserfreiem Kaliumcarbonat getrocknet. Das Lösungsmittel wird abdestilliert und der Rückstand rasch im Wasserstrahlvakuum destilliert (längeres Erhitzen ist zu vermeiden, da sich sonst ein hochsiedendes Nebenprodukt bildet). Man erhält 10g Butyroin (64%d.Th.) als blaßgelbes Öl vom Sdp. 80—86 0 C / 12 Torr. 382 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II Für die Bildung eines Moleküls Butyroin werden zwei Moleküle Buttersäureester und vier Atome Natrium benötigt. Man nimmt an, daß sich aus je einem Molekül Ester und einem Atom Natrium Radikalanionen bilden, deren Dimerisierungsprodukt durch weiteres Natrium unter Eliminierung von Natriumalkoholat zum Dianion des dem Butyroin zugrundeliegenden Endiols reduziert wird. OR 2C 4 H 9 CO 2 R 2Na OROR -> C4H9-C-C-C4H9 O_O_ ' > 2C 4 H 9 CO_ 2Na ' C4H9-C=C-C4H9 I I ) . " 3Cr O Il > C4H9-C-CH-C4H9 I -2NaOR O_O_ OH Die Endiole lassen sich präparativ vorteilhaft als Bis(trimethylsilylether) abfangen. Die besondere Bedeutung der Acyloinkondensation liegt in ihrer Anwendung auf a,co-Dicarbonsäureester, die auch dann gut zu cyclischen Acyloinen verknüpft werden, wenn der entstehende Ring in den Bereich der kritischen „mittleren" Ringgröße (8-14 Ringglieder) fällt (Hansley, Prelog, Stoll). Man nimmt an, daß die bei der Bildung mittlerer Ringe störenden Wechselwirkungen durch das „Zusammenrutschen" der beiden Estergruppen auf der Oberfläche eines Natriumkügelchens überwunden werden. Tatsächlich stellt der Acyloin-Ringschluß der a,co-Dicarbonsäureester die wirkungsvollste Methode zur Darstellung mittlerer Ringe dar. (CH 7 J Die Acyloine sind als oc-Hydroxyketone in gewisser Weise den Ketosen verwandt. Wie diese reduzieren sie Fehlings-Lösung (analog Versuch, S. 342) und gleich ihnen werden sie durch Phenylhydrazin in Osazone übergeführt. Der Vorgang ist auf S. 388 formuliert. Versuch: Dibutyryl-osazon — 0,5g Butyroin und 0,5g Phenylhydrazin-hydrochlorid werden mit 0,75g wasserfreiem Natriumacetat und 1OmI 50proz. Alkohol in einem Reagenzglas 2-3 h im Wasserbad erwärmt. Beim Erkalten der Lösung scheidet sich ein Öl ab, das bald kristallisiert; allenfalls kann mit etwas Wasser verdünnt werden. Nach dem Umlösen aus Alkohol schmilzt das Dibutyryl-osazon bei 14O0C. Reaktionen der Acyloine 383 Versuch: Benzilosazon - Man kocht 1 g Benzoin in wenig Alkohol und 0,5 ml Eisessig mit 1,5 ml Phenylhydrazin einige Zeit. Nach dem Erkalten kristallisiert das Osazon des Benzils aus. Schmp. 225 0 C. Die gleiche Verbindung entsteht aus Benzil mit Phenylhydrazin sowie durch Autoxidation von Benzaldehydphenylhydrazon. Die Bildung der Osazone aus aHydroxyketonen (und -aldehyden) wird auf S. 387 beschrieben. Präparativ sind die Acyloine als Zwischenglieder für die Darstellung vieler 1,2Diketone wichtig, die daraus durch Oxidation, auf S. 379 mit Salpetersäure, entstehen. Der einfachste aromatische Vertreter dieser Gruppe ist das Benzil (analog Anisil, Furil usw.); er ist wie der aliphatische Grundkörper, das Diacetyl CH3-CO-CO-CH3 (und auch das wasserfreie Glyoxal), gelb. Zum Diacetyl gelangt man vom Ethylmethylketon aus über dessen Monoxim; bemerkenswert ist die Kondensation von Diacetyl zu p-Xylochinon (formulieren!). Die Identität eines der Aromastoffe der Butter mit Diacetyl hat A. Virtanen festgestellt. Die Nachbarstellung der beiden C=O-Gruppen ermöglicht die Kondensation der 1,2-Diketone mit 0-Phenylendiamin zu Chinoxalinen. Versuch: Ketyl des Benzoins— Man löst je etwa 0,1 g Benzil und Benzoin zusammen im Reagenzglas in 10 ml Alkohol und fügt in der Kälte einige Tropfen Lauge zu. Sofort entsteht eine rote Färbung, die beim Schütteln mit Luft verschwindet, nach kurzer Zeit aber wiederkehrt und durch Schütteln erneut zum Verschwinden gebracht werden kann. Dieser Wechsel läßt sich öfter wiederholen. Wenn nach Zugabe einiger weiterer Tropfen Lauge die Färbung ausbleibt, ist kein Benzoin mehr in der Lösung. Die Reaktion kommt dadurch zustande, daß Benzoin durch Alkali ins Anion des Endiols (Stilbendiol) verwandelt wird. Das bei Ausschluß von Wasser in orangegelben Kristallen darstellbare Kaliumsalz bildet mit Benzil in einer Redoxreaktion das rote luftempfindliche Radikal Benzilkalium, welches auch durch Anlagerung von metallischem Kalium an Benzil entsteht. 2 /R—C—C—R || || O O \ / + K oder — R-C=C-R + R—C—C—R I l Il Il K + O' O ~ K + O O 384 ™+ Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II „ R— C— £— R n i «-> 2K- + 2 R— C— C— R o oO O oo n i «-» R-C=C-R -09 i , «-> R— C— C— R Q-O i n Das rote Radikalanion, von dem einige Grenzstrukturen notiert sind, gehört der Klasse der Semichinone an (S. 577). Beim Schütteln mit Luft wird es teils zu Benzil, teils zu Benzoesäure oxidiert. Eine wichtige Reaktion des Benzils und seiner Verwandten ist die schon von Justus Liebig entdeckte Benzilsäureumlagerung, die anschließend präparativ ausgeführt wird. Benzilsäure OH 1 C 6 H 5 COCOC 6 H 5 2. H 3 O °" > (C6H5)2C( \ CO2H 5 g Benzil werden mit 15 ml Alkohol und der Lösung von 5 g Kaliumhydroxid in 10 ml Wasser 10 min lang auf dem Wasserbad im Sieden gehalten. Nach dem Erkalten wird der Kristallbrei von benzilsaurem Kalium scharf abgesaugt, mit wenig Alkohol nachgewaschen und in 20—30 ml kalten Wasser gelöst. Nach dem Filtrieren wird die klare Lösung in der Siedehitze mit verdünnter Schwefelsäure gefällt, die teilweise in Kristallen abgeschiedene freie Säure heiß abgesaugt und mit heißem Wasser gewaschen. Sie kann direkt aus viel heißem Wasser oder, nach dem Trocknen, aus Benzol umkristallisiert werden. Schmp. 15O 0 C; Ausbeute etwa 4g (~75%d.Th.). Als erstes Stadium der Umlagerung tritt ein Additionsprodukt von Benzil mit einem mol Alkalihydroxid auf, von dem aus der Platzwechsel des einen Phenylrestes erfolgt: C.HS C6H5-C-C-OH C'' W") C«„ > n u ^e^s OH C Pn V^w 2 ' *^ O^ Phenanthrenchinon liefert in gleichlaufender Reaktion Biphenylenglykolsäure (formulieren). Die Benzilsäureumlagerung spielt auch bei anderen Verbindungen, wie z. B. beim Trichinoyl und bei den Tropolonen eine Rolle. Benzilsäure-Umlagerung, Photoreaktion der Ketone 385 Photoreaktion von Ketonen Pinakol aus Aceton und Isopropanol CH ^C=O CH, CH 3 + HO-CH CH, CH CH3 hv 3 /I -C^ l\ QHOHCH 3 325 ml eines Gemischs aus gleichen Volumina (ca. 2,2 mol) Aceton und Isopropanol werden in einem mit fließendem Wasser kühlbaren Gefäß mit eintauchender, ebenfalls gekühlter Quarzlampe (z.B. Hanau, TQ 150, No. 5600/001725) 3 Tage bei 5O 0 C gehalten. Dann destilliert man i. Vak. zuerst leichter flüchtige Bestandteile ab und fängt die bei 12 Torr zwischen 75—8O 0 C übergehende Fraktion auf. Diese wird mit einer 90% ihres Gewichts betragenden Menge Wasser homogenisiert. Man saugt das in Tafeln (pinax) auskristallisierte Hexahydrat des Pinakols ab, trocknet es an der Luft und erhält 50-6Og (~15%d.Th.) vom Schmp. 46 0 C. Ketone absorbieren ultraviolettes Licht u. a. im Bereich von 280-290 nm. Dabei werden 2 nichtbindende (Ip)-Elektronen des Sauerstoffs in ein nichtbindendes n*Orbital angehoben (w-7i*-Übergang). Nach Umkehr des zunächst antiparallelen Spins (Singulettzustand), also im Triplettzustand mit entkoppelten Elektronen, reagiert das Molekül mit Isopropanol unter Wasserstoffübertragung, und die beiden 2Hydroxypropylradikale vereinigen sich zum Pinakol. Aceton hat Isopropanol „sensibilisiert". H3C H3C CH, i T H3Cx H3C T t + ,CH3 H—C-OH N C=(V CH, H3C OHOHCH 3 \, H3C C-OH + -C- OH CH3 H3C' Photo-angeregte Ketone können auch die jt-Elektronen von Olefinen aktivieren (sensibilisieren) und sich an die Doppelbindung unter Bildung des Oxetanrings anlagern. (R)2C=O + —c—c— R 2C-O I I Die Energieübertragung auf rc-Elektronensysteme ist auch möglich, ohne daß der Sensibilisator selbst in Bindung tritt. Von der Photodimerisierung der Olefine ist auf S. 208 die Rede. 386 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II Pinakonumlagerungen Bei Einwirkung sehr starker Säuren spaltet sich aus Pinakol eine der ^/-/-Hydroxylgruppen ab, das intermediär entstehende Carbeniumion erfahrt unter Wanderung einer benachbarten Methylgruppe als Anion die als „Pinakolin-Umlagerung" bekannte Isomerisierung des Kohlenstoffskeletts. Das durch H + - Abspaltung schließlich gebildete Keton Pinakon hat man früher als „Pinakolin" bezeichnet. Sein Reduktionsprodukt, 2,2-Dimethyl-3-butanol erleidet mit Schwefelsäure eine ebenfalls mit Gerüstumlagerung verbundene Dehydratisierung; es entsteht Tetramethylethylen („Retropinakolinumlagerung"). In beiden Fällen, die für eine große Zahl ähnlicher „Wagner-Meerwein"-Umlagerungen charakteristisch sind, ist die treibende Kraft das Bestreben, die durch OH "-Abspaltung entstandenen Elektronenlücken zum Oktett aufzufüllen. Phenylgruppen wandern bei solchen Umlagerungen leichter als Alkylreste. In der Chemie der bicyclischen Terpene, beim Übergang vom Borneol- zum Camphen-typ spielt diese Art der Umlagerung eine klassische Rolle. - Mit schwach sauren Katalysatoren (Al2O3) läßt sich aus Pinakol Wasser in normaler Weise zu 2,3-E>knethylbutadien abspalten. H3C OHOHCH 3 H3C CH3 CH3 \_C/CH /v \ H OH CH3 -H 7 O Borne l ° Camphen Kohlenhydrate Eigenschaften der Zucker Kohlenhydrate (Zucker) sind hydroxylhaltige Carbonylverbindungen, die ursprünglich diejenigen Stoffe umfaßten, die der Summenformel Cn(H2O)n entsprechen, doch zählt man auch die sauerstoffarmeren (Desoxy-)Zucker, von denen es in der Natur viele gibt, zu dieser Klasse. Die Chemie der Kohlenhydrate ist durch das Verhalten einiger Hydroxycarbonylverbindungen wie Benzoin (S. 379) und Butyroin (S. 381) Osazonbildung 387 voranstehend in ihren Grundzügen beleuchtet. Die Erscheinungsform als cyclische Halbacetale mit der spezifischen Reaktionsfähigkeit der so gebildeten „glykosidischen" Hydroxylgruppe macht aber einige ergänzende Ausführungen nötig. Als bisher erwähnte, auch für die Zuckerchemie charakteristische Reaktionen von Hydroxycarbonylverbindungen vom Typ der Ketole oder Acyloine, —COCH(OH)— seien genannt: 1. Leichte Oxidierbarkeit (mit Salpetersäure: Benzil aus Benzoin, S. 379, mit Diamminsilberion, Fehlings-Lösung u.a.). 2. Bildung von Osazonen (Phenylosazon des Butyroins, S. 382 des Benzoins, S. 383). Die Bezeichnung dieser Körperklasse stammt aus der Zuckerchemie (-ose-phenylhydrazon), wo das Phenylhydrazin in den Händen von Emil Fischer ganz wesentliche Fortschritte ermöglichte. Die Osazone sind gut kristallisierende, in Wasser schwer lösliche Derivate der in freier Form nur schwer und langsam zur Kristallisation zu bringenden Zucker. Man mache den folgenden klassischen Versuch: Versuch: Glucosazon — Man vermischt die Lösungen von 2 g Phenylhydrazin in 1,5 ml Eisessig und 15 ml Wasser sowie von 1 g D-Glucose in 5 ml Wasser und erwärmt auf 8O 0 C. Nach 20min beginnt sich das Glucosazon in feinen gelben Nadeln abzuscheiden. Nach einstündiger Reaktionsdauer kühlt man ab, saugt die gelben Kristalle ab, wäscht sie mit Wasser und läßt sie an der Luft trocknen. Schmp. 205 0 C. Das identische Osazon erhält man auf gleiche Weise aus D-Fructose oder D-Mannose. Zum Verständnis der reduzierenden Eigenschaften, auch der Ketosen, und der Osazonbildung ist eine Betrachtung des Strukturelements nötig, in welchem eine COoder CN-Doppelbindung neben einer sekundären Hydroxyl- (oder Amin)-funktion steht. Die vorwiegend durch Basen (aber auch durch H + ) katalysierte Gleichgewichts-enolisierung (vgl. Keto-Enol Tautomerie auf S. 409) führt hier zu Endiolsystemen, die - wie 0-Hydrochinone (Brenzkatechin) - leicht oxidiert werden. Die Rück-tautomerisierung kann zu vertauschten CO und CHOH-Funktionen führen, aber auch zum Stellungswechsel von H und OH in der ursprünglichen Carbonylverbindung (2-Epimerisierung nach Lobry de Bruyn - van Ekenstein). (In den Strukturformeln sind unbeteiligte OH-Gruppen oft nur als Striche angedeutet und H-Atome weggelassen). Die Formulierung von F. Weygand sieht auch hier einen Wechsel von „en" und „on"-Formen vor und vermeidet die früher für möglich gehaltene direkte oxidierende Wirkung des Phenylhydrazins. Den Grund dafür, daß sich die Reaktionsfolge nicht über C-3 usw. fortsetzt, kann man in einer sehr wirksamen Stabilisierung der Osazone durch eine innermolekulare Wasserstoffbrücke sehen. Da bei der Osazonbildung der stereochemische Unterschied am C-2 der Aldose verschwindet und die Reaktionsfolge ebenso am Ketoncarbonyl der 2-Ketose einsetzen kann, liefern z. B. D-Glucose, D-Mannose und D-Fructose ein und dasselbe Osazon. Bei der Hydrolyse mit verdünnten Säuren geht es in ein 1,2-Diketon (Oson) über. 388 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II HC=O I HOCH HC=O HC-OH C-OH D-Mannose H 2 COH D-Glucose 1 H 2 COH Endiol H2C-OH C=O I D-Fructose Osazonbildung HC=N-NH-C6H5 6 n H HC-N-NH-C6H5 C-OH En-olhydrazin HC=NH H H HC-N-NH-C6H5 C=O Hydrazinoketose HC=N-NHC6H5 C H NHNH HC-OH Aldose-phenylhydrazon C 6 H 5 NHNH 2 -H 2 O H H HC-N-NH-C6H5 C=N-NH-C6H5 -C 6 H 5 NH 2 C=N-NH-C6H5 6 5 -NH3 2 >C = N —NHC 6 H 5 I Osazon Die bis hier benutzten Formeln der Zucker sind nur bedingt richtig, weil die Carbonylgruppen nicht in freier Form, sondern überwiegend als Halbacetale vorliegen. Der günstige Abstand des am C-5 befindlichen OH-Rests zur Aldehydfunktion der Aldosen bedingt eine innermolekulare Addition an die CO-Gruppe, wobei ein Ohaltiger 6-Ring, eine Aldopyranose entsteht. In untergeordneter Menge ist auch ein 5-Ring (Furanose) am Gleichgewicht beteiligt, in dem die offene Carbonylverbindung nur in winziger Menge vertreten ist. Sie ist zwar verantwortlich für einige Reaktionen wie die mit Cyanid(S. 354), Hydroxylamin und Phenylhydrazin, und sie wird bei der „Mutarotation" durchlaufen, doch bestimmt die durch den Ringschluß entstandene „glykosidische" Hydroxylgruppe am ursprünglichen Carbonylkohlenstoff weitgehend die Chemie der Kohlenhydrate. Man kann die Ringe in der Tollens'schen Weise eckig oder in perspektivisch ebener 1 Die Zugehörigkeit aller Monosaccharide zur D- oder L-Reihe wird in der offenen Formel durch die Stellung der OH-Gruppe am untersten unsymmetrisch besetzten C-Atom, hier C-5, nach rechts (D) oder links (L) ausgedrückt. Konformation der Zucker 389 Form darstellen; wirklichkeitsnäher, wenn auch unübersichtlicher ist die Sesselform, bei der C-I bei D-Glucose die rechte untere Spitze einnimmt und der Acetalsauerstoff in dem vom Betrachter abgewandten Ringteil sitzt. HCOH HO l OH , H9COH D - Glucose H2COH offene Aldehydform H9COH OH Mutarotation Die wässerige Lösung von aus Methanol kristallisierter D-Glucose (a-Anomer) zeigt nach Omin eine spezifische Rotation von a D = +112°, die im langsamen, durch Säuren oder Basen beschleunigten Verlauf auf +52° absinkt. Aus Eisessig kristallisierte D-Glucose (ß-Anomer) zeigt die spezifische Drehung aD = +19°, die in Wasser auf + 52° ansteigt. Diese bei allen Zuckern zu beobachtende Änderung der Drehung (Mutarotation) rührt davon her, daß sich a- und j?-Form, die sich durch Stellung der (glykosidischen) OH-Gruppen an C-I unterscheiden, über die offene Aldehydform ineinander umlagern (siehe Formel). Im Gleichgewicht überwiegt die jS-Form (64,5%), d. i. die energieärmere, in welcher alle Substituenten äquatorial stehen, während die a-Form eine axiale OH-Gruppe an C-I enthält. Dort sind die OH-Gruppen an C-I und C-2 c/5-ständig, was nach Böeseken zu einer stärkeren Erhöhung der Leitfähigkeit von wässeriger Borsäurelösung durch a- als durch jS-Glucose führt (Erhöhung der Säurestärke von Borsäure durch Bildung des Tetraesterkomplexes H+). -c/ \H Bei Ketosen spielt sich die Ringbildung zwischen C-2 und dem 5-OH ab; sie liegen als analoge Furanosen vor. 390 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II Reaktivität der glykosidischen Hydroxylgruppe ''Nw./OH H+ H H>^ ^OCHq i "~ Carbenium - Oxonium ion Methylglykosid H2C -OAC AcO OAc ß - Pentacetyl -D- glucopyranose u r AcC) Df a - Brom - tetracetyl - D - glucopyranose Die halbacetalische OH-Gruppe an C-I von Aldosen und am C-2 von Ketosen ähnelt in ihrem Verhalten einer tert Alkoholgruppe, d. h. sie läßt sich leicht durch andere Nucleophile substituieren. Der Grund ist die auch für die Säurelabilität von Acetalen verantwortliche Ausbildung eines mesomerie-stabilisierten Carbenium- Oxoniumions. Durch Methanol und Chlorwasserstoff bildet sich das kristallisierte a-Methylglucopyranosid * neben wenig j?-Anomerem. In den Glykosiden ist die Mutarotation aufgehoben. Durch Acetanhydrid werden alle OH-Gruppen der D-Glucose acetyliert, in der /?-Pentacetyl-D-glucose (Präparat S. 395) läßt sich die O-Acetylgruppe am C-I mit HBr in Eisessig durch Br ~ ersetzen, man isoliert die schwerer lösliche Tetraacetyla-bromglucose (S. 395). Die so entstandenen, an den O-Atomen geschützten Bromderivate der Monosaccharide sind wertvolle Komponenten für die Synthesen von Glykosiden, z. B. auch von Disacchariden und Oligosacchariden. In ihnen läßt sich das Halogen durch andere Nucleophile ersetzen. Die Konfiguration von Glucosiden an C-I läßt sich besonders leicht nach Acetylierung der übrigen OH-Gruppen im ^-NMR-Spektrum bestimmen. Das AcetalProton steht in den /J-Glucosiden axial und koppelt mit dem transkoplanar angeordneten 2-H (Winkel zwischen beiden H 180°) zu einem Dublett mit der besonders großen Kopplungskonstanten von J = 7-8 Hz. In den a-Glucosiden steht das 1-H dagegen äquatorial und zum 2-H in einem Winkel von nur 60°, das Dublett hat dann eine Kopplungskonstante von nur ca. 3 Hz. In den 13C-NMR-Spektren von Pyranosiden erscheint das C-I mit axialem — OR bei höherem Feld als das mit äquatorialem. Einige weitere Monosen. — Außer den schon genannten Aldohexosen o-Glucose und D-Mannose sowie der 2-Ketose Fructose seien noch die D-Galactose, ein Be1 Zuckerderivate, in denen die am ursprünglichen Carbonylkohlenstoff sitzende OH-Gruppe durch alkoholische, N- oder S-haltige Reste ersetzt ist, nennt man (a- oder ß-)Glykoside. Soll ein bestimmtes GIykosid benannt werden, so wird der Name des Zuckers eingesetzt: ß-Glucosid aus Glucose, a-Mannosid, /?-Ribosid usw. Zur genauen Bezeichnung kann man noch die Pyranose- oder Furanose-Form berücksichtigen : a-Methylglucopyranosid. Konfiguration an C-I, seltenere Zucker 391 standteil des Milchzuckers, die Aldopentosen D-Xylose, Baustein des hochmolekularen Xylans (Holz, Stroh, Kleie), D-Arabinose, D-Ribose (/?-glykosidischer Bestandteil der Ribonucleinsäuren RNS), der Desoxyzucker D-2-Desoxyribose (in DNS) und als Ketopentosen die im „Pentosephosphat-Zyklus" als Phosphorsäureester beteiligten D-Xylulose und D-Ribulose genannt. Die einfachste optisch aktive Aldose ist C3H6O3. Ihre rechtsdrehende Form ist als d-Glycerinaldehyd von E. Fischer der Stereochemie aller Zucker zugrunde gelegt worden. Später konnte gezeigt werden, daß sie (zufällig) wirklich die D-Konfiguration besitzt. Beteiligung an der Aldolasereaktion siehe auf S. 342. Es existieren auch Monosen mit mehr als 6 C-Atomen. Nur erwähnt sei hier die Klasse der Aminozucker: Glucosamin, Neuraminsäure, Muraminsäure. HC=O — HC = O HC = O HC = O |— HOCH2 OH <ß> ~ öd H2COH D-Galactose H2COH D-Xylose H2COH D-Arabinose H2COH D-Ribose HC=O -H H2COH I=O — H2COH D-Ribulose HC=O H 2 COH H2COH D-2-Desoxyribose I— h~OH D-Glycerinaldehyd Die Reduktion von Monosachariden führt zu Zuckeralkoholen, von denen der von D-Glucose abgeleitete Sorbit am bekanntesten ist. Die Oxidation erfolgt am leichtesten (zum Beispiel mit Hypobromit) an der Aldehydfunktion. Dabei entstehen die Aldonsäuren, z. B. aus Mannose Mannonsäure usw. Die Uronsäuren sind Produkte der selektiven (enzymatischen) Oxidation der primären Alkoholfunktion, sie enthalten noch die Möglichkeit der Bildung vonGlykuroniden, glykosidartigen Konjugaten. Solche werden von mannigfachen Substanzen, z. B. dem Bilirubin oder von Steroidhormonen, auch von Pharmaka, in der Leber gebildet und stellen gut lösliche Ausscheidungsformen im Harn dar. Schließlich sind noch die durch Oxidation beider Enden (z. B. mit Salpetersäure) erhältlichen Zuckersäuren zu erwähnen. Die auf S. 396 aus Galactose hergestellte Galactarsäure wird als Schleimsäure bezeichnet. Aus Glucuronsäure geht biosynthetisch über L-Gulonolacton die L-Ascorbinsäure hervor, die als das den Scorbut verhindernde Vitamin C erkannt wurde (A. Szent-Györgyi). Das stark reduzierende Endiol verdankt seine beachtliche Acidität (pKA ~ 4,5) der Nachbarschaft einer CO-Gruppe zur Doppelbindung, die die Bildung des mesomeren Anions zuläßt. 392 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II 6 CO2H 2r -H 2 O > O HO"C T X 0 H -2 H ^ °Ä Anion O «oV^ H CO 1 H 2 COH HOCH I HCOH L-Ascorbinsäure Glucuronsäure (mit Glucosezählung) L-Gulonolacton Disaccharide, Polysaccharide Disaccharide bestehen aus 2 Monosacchariden, indem ein Baustein mit einer seiner Hydroxylgruppen die glykosidische Hydroxylgruppe einer zweiten Monose ersetzt hat. Dabei kann die Glykosidbindung a- oder /^-Konfiguration haben. Fortsetzung dieses Bauprinzips führt über Trisaccharide, . . . Oligosaccharide zu den aus „vielen" (mehrere hundert) Einheiten bestehenden Polysacchariden. Die wichtigsten Disaccharide sind Maltose (Malzzucker), die durch Einwirkung der a-Glykosid-spaltenden Enzyme (a-Amylasen) auf Stärke oder Glykogen als Hydrolyseprodukte entsteht. Sie besteht aus 2 Molekülen D-Glucose, die durch a ( l —>4) Verknüpfung verbunden sind. In der Lactose (Milchzucker), die im Präparat S. 395 mit Säure gespalten wird, tritt als glykosidisch gebundener Baustein D-Galactose auf, die nach ß (l —>4) verknüpft ist. Von besonderer Art ist die Verknüpfung der Bausteine D-Glucose (a-) und D-Fructose (ß-) im verbreitetsten Disaccharid, der Saccharose (Rohrzucker, engl. Sucrose): hier ist die Bindung durch Kondensation der beiden glykosidischen OH-Gruppen geschaffen, Saccharose reduziert deshalb nicht Fehlingsche Lösung. Sie ist durch Säuren besonders leicht zu hydrolysieren (S. 394), ebenso durch das Hefeenzym Saccharase (Invertin, gibt „Invertzucker", eine l : l Mischung beider Zukker, wie sie auch im Honig vorliegt. Dünnschichtchromatographie auf S. 394). HOCH2 (H) a Maltose ^ a - D - Glucopyranosyl D-glucopyranose Lactose (H) a 4 ß - D -Galactopyranosyl D-glucopyranose * Maltose und Lactose reduzieren und kommen in a- und ß-Formen vor, welche Mutarotation zeigen. Di- und Polysaccharide HOCH7 V 393 H2COH H2COH HOCH2 H2COH Saccharose Cellobiose* 4 ß - D - Glucopyranosy l D -glucopyranose a - D - Glucopyranosyl -ßD-f ructof uranosid Unter den Polysacchariden ist die Cellulose als Holzbestandteil, rein in Baumwolle und anderen Samenhaaren, als Pflanzenfaser (Leinen) und Pflanzengerüstsubstanz am weitesten verbreitet. Sie besteht aus 10000-20000 j?-l,4-verknüpften D-Glucoseeinheiten, die im Präparat S. 396 acetolytisch so getrennt werden, daß das Disaccharid Cellobiose, an allen OH-Gruppen acetyliert, als Octa-acetat kristallisiert anfällt. Die Acetylreste werden durch Umesterung mit Na-ethylat als Essigester abgespalten. In der Stärke (Reservepolysaccharid der Pflanzen) und im Glykogen (Muskel, Leber) sind hunderte von D-Glucosemolekülen a-glykosidisch verknüpft, wobei durch Miteinbeziehung der 6-ständigen OH-Gruppen mehr oder weniger stark verzweigte Makromoleküle vorliegen. Durch Bacillus macerans werden helicale Bereiche der Stärke transglykosidierend in ringförmige aus 6-8 ringförmigen Glucoseeinheiten bestehende Cyclodextrine umgewandelt, die wegen ihrer Eigenschaft interessant sind, in wässeriger Lösung mit zahlreichen in die Höhlung passenden Molekülen kristallisierte Einschlußverbindungen zu bilden (F. Gramer). Die Polysaccharide werden als Glykane bezeichnet. Dextran ist ebenfalls ein Glucan, doch sind die a-Glucoseeinheiten in 1,6-Stellung verknüpft (durch Epichlorhydrin vernetztes Dextran-gel zur Chromatographie [S. 85] Sephadex®). Hexosamine sind in den Heteroglycanen wie Hyaluronsäure, Heparin Murein, Chitin enthalten. Xylan, eine aus ß(\ —»4)-verknüpften Xylosebausteinen bestehende „Hemicellulose", die im Holz, reichlich in Stroh, Maiskolben und Kleie vorkommt, wird durch Hydrolyse mit Schwefelsäure in die Pentosemoleküle gespalten, die einer Dehydratisierung zu Furfural unterliegen (Präparat S. 647). Hexosen geben beim Erhitzen mit Säuren in ähnlicher Weise 5-Hydroxymethylfurfural. Auf der Spaltung der beiden Furanderivate durch Anilin unter Bildung von Polymethinfarbstoffen (siehe S. 649) beruht eine Methode der Sichtbarmachung von Zuckern im Papier- oder Dünnschichtchromatogramm. Zur gaschromatographischen Trennung werden die Monosaccharide mit Trimethylchlorsilan oder Bistrimethylsilylamin (CH3)3Si—NH-Si(CH3)3 (Hexamethyldisilazan) in die flüchtigen Trimethylsilylether übergeführt, wobei sämtliche Hydro- * In der vorliegenden Formel ist der rechte Glucosebaustein wie in Zellulose selbst um die Längsachse um 180° gedreht. 394 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II xylgruppen in das Strukturelement —OSi(CH3)3 übergeführt werden können (Versuch unten). Versuch: Reduzierende Wirkung — Man erhitzt je 20-50 mg Traubenzucker, Fructose (Lävulose) und Rohrzucker, wie bei den Aldehydreaktionen auf S. 342 beschrieben, mit ammoniakalischer Silbernitrat- und Fehling'scher Lösung. Eine weitere Probe Rohrzucker wird mit wenig 2N Salzsäure einige Minuten im Reagenzglas gekocht, nach Abkühlen mit 2N Natronlauge neutralisiert. Wiederholung der Fehling'schen Probe. Versuch: Dünnschichtchromatographie — Die verfügbaren Zucker werden in verdünnten wässerigen Lösungen einzeln und in Mischung aufgetragen, ferner eine verdünnte wässerige Lösung von Bienenhonig (ca. 1 proz.) sowie die aus dem Spaltansatz von Saccharose (unten) entnommene Probe, die man in 10 ml Wasser aufgelöst hat. Auf Silicagelplatten chromatographiert man z.B. mit einer Mischung aus 5 Vol. Isopropanol, 3 Vol. /7-Butanol und 2 Vol. 0,1 M wässeriger Borsäure über Nacht. Zur Sichtbarmachung kann man mit einer Lösung von 1,0 g Anilin und 1,8 g Phthalsäure in 100 ml wassergesätt. /7-Butanol besprühen und bei 10O 0 C trocknen, besonders einfach lassen sich Kohlenhydrate durch Besprühen der Platte mit 2N Schwefelsäure und anschließendes Erhitzen auf 100-12O0C aufgrund der durch Verkohlung entstehenden dunkelen Flecke nachweisen. Fructose hat hier R F ca.O,3,Glucose R F ca. 0,4. Versuch: Pentatrimethylsilyl-glucose - 1,3g Glucose, die über Phosphorpentoxid bei 8O 0 C im Vakuum getrocknet sind, werden in 10 ml trockenem Pyridin aufgeschlämmt und mit 10 ml Hexamethyldisilazan versetzt. Der Ansatz wird 90 min auf 105 0 C erwärmt, wobei er schon nach wenigen Minuten klar wird. Die Lösung wird im Wasserstrahlvakuum auf dem Dampfbad soweit wie möglich abgedampft (das Silazan siedet bei 125 0 C/760 Torr) und das Öl im Hochvakuum in einem Kugelrohr destilliert. Das zwischen 120-130°C/0,2 Torr übergehende farblose flüssige Produkt wiegt 3,4g (89%d.Th.). Zur Zerlegung werden einige Tropfen der silylierten Glucose in 1 ml Eisessig, dem wenige Tropfen Wasser zugesetzt sind, kurz über freier Flamme aufgekocht. Als Nachweis für den zurückgewonnenen Zucker dient die Dünnschichtchromatographie auf Kieselgel, z.B. mit Aceton/Wasser (9:1 VoI) als Laufmittel. Nach dem Trocknen wird das Chromatogramm, auf das man auch unzerlegtes Trimethylsilylprodukt aufgetragen hat, wie oben mit 2N Schwefelsäure sichtbar gemacht. Glucose hat hier R F 0,65, das lipophilere Derivat 0,85. D-Glucose aus Saccharose Die Mischung von 750 ml Alkohol, 30 ml rauchender Salzsäure und 30 ml Wasser wird auf 45-5O0C erwärmt. Bei dieser Temperatur trägt man unter stetem Umschütteln portionsweise 250 g reinen, fein gepulverten Rohrzucker („Staubzucker") ein, der vollständig in Lösung gehen muß. Hier entnimmt man ca. 0,5 ml der Lösung, die man zur späteren Dünnschichtchromatographie in einem Schälchen im Exsikkator über festem KOH eindampft. Beim Erkalten des Ansatzes scheidet sich die gebildete D-Glucose — die D-Fructose bleibt gelöst — als zähes Harz ab, in das man nun einige dg wasserfreier Herstellung und Reaktionen der Zucker 395 Glucose einimpft. Häufiges Reiben mit dem Glasstab befördert die Kristallisation, die mehrtägiges Stehen erfordert. Dann ist die Abscheidung zu einem fast farblosen, fein kristallinen Pulver geworden, das man absaugt und alsbald wieder in 20—25 ml heißem Wasser löst; in der Wärme fügt man absol. Alkohol bis zur Trübung hinzu (120—150 ml) und läßt unter Umrühren und Animpfen erkalten. Nach längerem Stehen wird abgesaugt, mit Alkohol gewaschen und im Vakuumexsikkator scharf getrocknet. Ausbeute 50-60 g. Schmp. 1460C. ß-Pentacetyl-D-glucose und Tetracetyl-a-brom-D-glucose 25 g fein gepulverte wasserfreie D-Glucose werden in der Reibschale mit 12g entwässertem Natriumacetat gemischt und in einem 0,5-1-Rundkolben mit 125g reinem Essigsäureanhydrid unter häufigem Schütteln auf dem Wasserbad erhitzt, so daß nach etwa 30 min klare Lösung eingetreten ist. Nach weiteren 2 h gießt man die Lösung in dünnem Strahl unter Rühren in 1 I Eiswasser. Die ausfallende Kristallmasse wird möglichst sorgfältig zerkleinert und, wenn nach einigen Stunden die Hauptmenge des überschüssigen Essigsäureanhydrids zersetzt ist, abgesaugt, hierauf noch mehrere Stunden unter Wasser aufbewahrt. Schließlich wird wieder abgesaugt, scharf abgepreßt und aus etwa 120 ml Alkohol umkristallisiert. Die so gewonnene Pentacetylglucose ist für die weitere Verarbeitung genügend rein. Ausbeute 35—40 g. Tetracetyl-a-brom-D-glucose. 25g der peracetylierten Glucose werden in fein gepulvertem Zustand mit 50g bei O 0 C gesättigter Eisessig-Bromwasserstofflösung 1 unter Kühlung mit Eis übergössen, durch kräftiges Schütteln in Lösung gebracht und 2 h bei Raumtemperatur stehen gelassen. Man gießt hierauf unter Rühren in 850 ml Eiswasser, schüttet das Wasser von dem ausgefällten Niederschlag ab, der nach gründlichem Zerreiben in einer Schale mit Eiswasser abgesaugt und ausgewaschen wird. Dann bringt man das Rohprodukt mit 15OmI Ether in Lösung, läßt im Scheidetrichter das ausgeschiedene Wasser ab, trocknet die Lösung mit geglühtem Natriumsulfat und dampft sie bis zur Hälfte ein. Hierauf läßt man in Eis-Kochsalz auskristallisieren, saugt nach einigem Stehen die schneeweißen Kristalle ab und wäscht sie mit stark vorgekühltem Ether nach. Gesamtausbeute 15g. Nach scharfem Trocknen im Vakuumexsikkator ist das Präparat haltbar. Schmp. 88-890C. D-Galactose aus Lactose. Schleimsäure In 250 ml Wasser, dem man 3 ml konzentrierte Schwefelsäure zugemischt hat, werden 10Og Milchzucker 2 h lang am Rückflußkühler zum Sieden erhitzt. Zum Schluß kocht man noch einige Minuten mit Tierkohle und fällt, ohne zu filtrieren, die Schwefelsäure mit der berechneten Menge Bariumhydroxid (Ba(OH) 2 + 8H 2 O); das sind ungefähr 15g, die man in heiß gesättigter wässeriger Lösung unter gutem Schütteln der Zuckerlösung in diese einfließen läßt. Die Reaktion darf nicht alkalisch werden. Wenn die Lösung frei von Schwefelsäure (und Barium) ist, wird sie abgesaugt und nach Zugabe von 3 ml Eisessig im Vakuum bei 40—5O 0 C Badtemperatur auf 60 ml eingeengt. Der entstehende Sirup wird noch warm mit 10OmI Eisessig zur klaren Lösung vermischt, aus der nach dem 1 Darstellung siehe beim Präparat S. 192. Brom Wasserstoff ist auch in Stahlflaschen verfügbar. 396 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II Erkalten beim Reiben mit dem Glasstab oder nach dem Einimpfen einiger Galactosekristalle dieser Zucker auskristallisiert. Man läßt der Kristallisation einen Tag lang Zeit, saugt auf einer Filterplatte scharf ab, wäscht mit wenig kaltem Eisessig, dann mit wenig kaltem Methylalkohol und schließlich mit Ether. Ausbeute 20—25 g. Schmp. 165 0 C. Die Reinheit der dargestellten Galactose prüfe man durch Bestimmung der spezifischen Drehung im Polarimeter. Eine wässerige Lösung, die in 10 mM g Substanz enthält, soll im dm-Rohr um +8,15° drehen. Dann ist [a] p 0 = +81,5°. Da die Galactose Mutarotation zeigt, beschleunigt man durch Zufügen von einem Tropfen Ammoniak die Einstellung des Gleichgewichts. Schleimsäure. 25g Galactose werden mit 300 ml Salpetersäure von der Dichte 1,15 auf dem Wasserbad bis auf etwa 50 ml unter Umrühren eingedampft. Nach dem Erkalten wird die breiige Masse mit 50 ml Wasser verrührt, einige Stunden stehen gelassen, abgesaugt und mit wenig Wasser nachgewaschen. Ausbeute 15-16 g. Das Präparat dient für eine Synthese des Pyrrols auf S. 644. Octacetyl-cellobiose und Cellobiose aus Cellulose Octacetyl-cellobiose. In ein auf etwa -1O 0 C gebrachtes Gemisch von 75 ml Eisessig und 75 ml Essigsäureanhydrid läßt man 8 ml konzentrierte Schwefelsäure einlaufen, zweckmäßig in einer weithalsigen Schliff-Flasche. In diese Lösung trägt man, ohne weiter zu kühlen, aber unter gutem Durchmischen 20g reiner Watte nach und nach ein. Von Zeit zu Zeit wird mit einem Glasstab die allmählich flüssiger werdende Masse zerdrückt, bis nach etwa einer Stunde eine viscose Lösung entstanden ist. Die gut verschlossene Flasche wird bei etwa 3O 0 C aufbewahrt. Nach 4—5 Tagen beginnt, unter gleichzeitiger Verfärbung der Lösung, die Abscheidung von Cellobioseacetat-Kristallen, die sich im Verlauf weiterer 5 Tage stark vermehren. Nach Einstellen des Ansatzes in den Kühlschrank vervollständigt sich die Abscheidung im Verlauf weiterer 5 Tage. Dann wird der Flascheninhalt abgenutscht (Glasfritte), mit wenig kaltem Eisessig bis zum farblosen Ablaufen nachgespült und gründlich mit Wasser gewaschen (Waschwasser nicht mit Mutterlauge vereinigen). Zur völligen Entfernung anhaftender Schwefelsäure bzw. Sulfoessigsäure wird die Kristallmasse mehrere Stunden in Wasser suspendiert, abgesaugt und schließlich bei 7O 0 C getrocknet. Die Ausbeute an bereits recht reiner Octacetylcellubiose beträgt durchschnittlich 11-12 g. Zum Umkristallisieren wird die Verbindung in der vier- bis fünffachen Gewichtsmenge Chloroform gelöst, filtriert, und die Lösung mit dem dreifachen Volumen Methanol versetzt. Nach kurzem Aufkochen kristallisiert sie beim Abkühlen in schönen Nadeln aus. Schmp. 220-2220C, spez. Drehwert +42° (CHCI3). Durch Aufarbeitung der Mutterlauge läßt sich die Ausbeute erhöhen. Cellobiose. 10g fein gepulverte Octacetyl-cellobiose werden unter starkem Rühren in 85ml einer 10proz. Natriumethylatlösung (in 95proz. Alkohol) während einer Stunde in kleinen Anteilen eingetragen. Es tritt der Geruch nach Essigester auf. Nach einer weiteren Stunde wird die gebildete Additionsverbindung abgesaugt, mit absol. Alkohol gewaschen und in sehr wenig verdünnter Essigsäure gelöst. Nun fügt m^n die 5fache Menge Eisessig zu, filtriert und bringt durch Reiben mit einem Glasstab die Cellobiose zur Kristallisation. Nach Stehen über Nacht im Eisschrank wird abgesaugt und aus wenig Wasser, dem man bis zur Schwelle der Trübung Aceton zusetzt, umkristallisiert. Ausbeute 3—4 g. 397 Weiterführende Literatur zu Kapitel VII H. Henecka, Perkinsche Reaktion, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 442, Thieme, Stuttgart 1952. J. R. Johnson, The Perkin Reaction, Org. React. /, 210 (1942). H.E. Carter, Azlactones, Org. React. 3, 198 (1946). G. Jones, The Knoevenagel Condensation, Org. React. /5, 204 (1967). H. Kämmerer, Über Phenol-Formaldehyd-Kondensate definierter Konstitution und einheitlicher Molekülgröße, Angew. Chem. 70, 390 (1958). 5. Sethna und R. Phadke, The Pechmann-Reaction, Org. React. 7, l (1953). C. G. Overberger und K. N. Sannes, Polymere als Reagentien für organische Synthesen, Angew. Chem. 86,139 (1974). W. H. DaIy, Influence of Support Structure on Preparation and Utilization of Polymere Reagents, Makromol. Chem., Suppl. 2, 3 (1979). 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VIIL Synthesen mit Estern Experimente: Acetessigester Acetylaceton a) Durch Claisen-Kondensation b) Durch Kondensation mit Bortrifluorid Versuch: Farbreaktion mit Eisen(III)-chlorid 1,3-Indandion (Diketohydrinden) Phenylnitromethan via Phenyl-nitroacetonitril Versuch: Acetessigster und Brom Versuch: Rasche Umlagerung von Enol-acetessigester Versuch: ad-Phenylnitromethan Malonsäure-diethylester l-Phenylbutan-3-on via a-Benzylacetessigester (Ketonspaltung) Buttersäure via Malonsäure-diethylester 2-Methyl-l,3-cyclohexandion 2 - Benzyl -1,3 -cyclohexandion D,L-Tryptophan via Acetaminomalonsäure-diethylester D,L-Glutaminsäure aus Acrylnitril 8a-Methyl-l,2,3,4,6,7,8,8a-octahydro-l,6-naphthalindion Claisenkondensation 401 VIM. Synthesen mit Estern Die Esterkondensation Herstellung von ß-Dicarbonylverbindungen Acetessigester 2CH 3 CO 2 C 2 H 5 Na C2H 5 c 2°H 5 0 H > CH 3 COCH 2 CO 2 C 2 H 5 Für das sichere Gelingen dieses Präparates ist die Beschaffenheit des verwendeten Essigesters von großer Bedeutung, da vollkommen alkoholfreier Essigester selbst beim Erwärmen nur langsam von Natrium angegriffen wird, hoher Alkoholgehalt aber die Ausbeute vermindert. Ca. 350 ml Essigsäure-ethylester läßt man zur Entfernung von Alkohol etwa 24 h überca. 10Og Calciumchlorid stehen-. Kurz vor Gebrauch gießt man den Ester rasch ab und destilliert ihn unter Feuchtigkeitsausschluß. Man preßt 13g (ca. 0,56g-Atom) von Krusten befreites Natrium durch die Natriumpresse in 125ml (ca. 1,3mol) des vorbereiteten Essigesters, die sich in einem 500-ml-Kolben befinden, und setzt sofort einen Rückflußkühler auf. Wurde der Essigester richtig behandelt, so darf er hierbei nicht sofort stürmisch aufsieden, vielmehr tritt erst allmählich Wasserstoffentwicklung und gelindes Sieden ein. Durch Heizung mit einem Ölbad hält man 2 h bei gelindem Sieden. Man tauscht dann — auch wenn kleine Natriumreste noch ungelöst sind — den Rückflußkühler gegen eine Destillationsbrücke aus und destilliert den überschüssigen Essigester zusammen mit dem gebildeten Alkohol bei einer Ölbadtemperatur von 10O 0 C ab, zuletzt im Vakuum. Man hebt den Kolben aus dem Ölbad, läßt kurz erkalten, fügt zum trocknen Rückstand 65 ml Essigester und kocht erneut 0,5 h am Rückflußkühler. Dann wird wieder der alkoholhaltige Essigester abdestilliert und die ganze Behandlung noch zweimal mit je 65 ml Essigester wiederholt. Zum Salzrückstand aus Natriumacetessigester fügt man vorsichtig 50g Eis und setzt nach und nach etwa 13OmI 20proz. Schwefelsäure zu, bis die Flüssigkeit eben sauer reagiert. Den sich abscheidenden Acetessigester trennt man im Scheidetrichter ab, wäscht mit 20 ml 2N Natriumcarbonatlösung, dann mit etwas Wasser und trocknet mit wenig Calciumchlorid. Zur Reinigung wird der Acetessigester i. Vak. destilliert. Sdp. 71 0 C / 12,5 Torr, Ausbeute 50-57 g, entsprechend 82-90%d.Th. Acetylaceton a) Durch Claisen-Kondensation H 3 CCO 2 C 2 H 5 + H 3 CCOCH 3 NaNh2 > H 3 CCOCH 2 COCH 3 Dieses Präparat gelingt nur dann gut, wenn alle Reagenzien und Reaktionsgefäße so trocken wie möglich sind. Der Essigester wird 2 Tage über V10 seines Gewichts an trockenem Calciumchlorid, dann nach raschem Filtrieren durch ein Faltenfilter einige 402 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern Stunden über geglühtem Calciumsulfat unter gelegentlichem Umschütteln aufbewahrt. 120 ml des trockenen Essigesters (1,21 mol) und 36,5 ml (0,50 mol) wasserfreies Aceton werden in einen 500-ml-Rundkolben gefüllt, der mit einem CaCI 2 -Rohr verschlossen wird. Unter Außenkühlung mit Eis-Kochsalz trägt man 34g (0,88 mol) fein gepulvertes Natriumamid1 aus einer dicht verschließbaren Weithalsflasche nach und nach ein. Es entwickelt sich alsbald kräftig Ammoniak. Nachdem alles Natriumamid eingetragen ist, läßt man untec häufigem Umschütteln noch 2 h in Eiswasser und weitere 12h bei Raumtemperatur stehen, setzt dann etwa 10Og Eis und danach ebensoviel kaltes Wasser zu, trennt die wässerige Schicht von dem übriggebliebenen Essigester und säuert bis eben zum Verschwinden der alkalischen Reaktion mit verd. Essigsäure an. Aus dieser Lösung wird das Acetylaceton mit gesättigter wässeriger Kupferacetatlösung als Kupfersalz gefällt. 40g (0,2 mol) Kupferacetat (Cu(CH 3 CO 2 J 2 + H 2 O) werden fein gepulvert, in der nötigen Menge siedenden Wassers gelöst. Wenn das Präparat unlösliches basisches Salz enthält, fügt man kleine Mengen Essigsäure zu. Die Lösung verwendet man noch lauwarm, ehe das Salz wieder auskristallisiert. Das blaugraue Acetylaceton-Kupfer wird nach einigen Stunden scharf abgesaugt, zweimal mit Wasser gewaschen, von der Nutsche direkt in einen Scheidetrichter gebracht und darin unter Ether durch anhaltendes Schütteln mit 50 ml 4N Schwefelsäure zerlegt. Nach dem Abtrennen der Etherlösung ethert man die saure Schicht nach, trocknet die vereinigten Auszüge mit Calciumchlorid und bringt das Diketon nach Wegdampfen des Ethers zur Vakuumdestillation. Die Hauptmenge geht zuerst bei 50—6O 0 C / 50 Torr, bei der Wiederholung der Destillation bei 56-68 0 C / 50 Torr über. Ausbeute 15—20g (= 30-40% bez. auf Aceton). b) Durch Kondensation mit Bortrifluorid CH 3 COCH 3 + (CH 3 CO) 2 O Bl=3 > CH 3 COCH 2 COCH 3 + CH 3 CO 2 H In einem 500-ml-Dreihalskolben mit Gaseinleitungs- und Ableitungsrohr (mit Trockenrohr und Schlauch in den Kamin) kühlt man das Gemisch von 23,2 g Aceton und 102 g Acetanhydrid mit einem Eis-Kochsalz-Bad. Durch das Gaseinleitungsrohr leitet man über eine Sicherheitsflasche in 1 h 10Og Bortrifluorid-Gas aus einer Stahlflasche ein (durch Wägen des Reaktionsgefäßes bestimmt, etwa 2 Blasen pro Sekunde). Dann gießt man das Gemisch in einem 1-1-Kolben auf die Lösung von 16Og Natriumacetat-Trihydrat in 500 ml Wasser (Wärmetönung!) und fängt in der nachfolgenden Wasserdampfdestillation 500 ml Destillat auf. Eine Lösung von 48 g Kupferacetat in 600 ml Wasser von 85 0 C wird filtriert und dem Wasserdampfdestillat zugefügt. Der Kupferkomplex wird nach Stehen im Eisschrank über Nacht abgesaugt und durch Schütteln mit 200 ml 20%iger Schwefelsäure und 20OmI Ether im Schütteltrichter versetzt. Man wäscht die wässerige Phase noch zweimal mit Ether nach, trocknet die gesammelten Etherphasen über Natriumsulfat, zieht den Ether i. Vak. ab und destilliert den Rückstand über eine kurze Kolonne: Kp. 134-1360C, 20-30 g, 50-75% Ausbeute. 1 Das Pulverisieren muß möglichst rasch, am besten in einem Metallmörser, ausgeführt werden (Schutzbrille!). Die Qualität des Natriumamids ist entscheidend für die Ausbeute. Es darf nicht alt und verwittert sein. Im Handel sind auch Aufschlämmungen von Natriumamid in Toluol erhältlich, die man ebenfalls einsetzen kann. Herstellung der 1,3-Dicarbonylverbindungen 403 Versuch: Farbreaktion mit Eisen(lll)-chlorid - Die wässerige Lösung von einigen Tropfen Acetylaceton versetzt man mit einem Tropfen Eisen(111)-Chloridlösung. Rotfärbung als charakteristische Enolreaktion. Läßt man nun zu der mit Eis gekühlten Lösung ziemlich schnell verdünntes Bromwasser fließen, verschwindet die rote Farbe des Eisenenolats für kurze Zeit, um dann rasch wiederzukehren. Vergleiche entsprechenden Versuch mit Acetessigester S. 410. Benzoylaceton, C6H5COCH2COCH3, wird auf analoge Weise durch ClaisenKondensation mit Natriumamid aus Acetophenon und Essigester dargestellt. Ausbeute bis zu 75% d. Th. Auch der umgekehrte, billigere Weg der Umsetzung von Benzoesäureester mit Aceton führt bei Anwendung von Natriumamid zum Ziel, nicht dagegen mit Natrium und Natriumethylat. Allgemein ist Natriumamid bei der Synthese von 1,3-Diketonen vorzuziehen. Auch Natriumhydrid wird mit Vorteil angewendet. 1,3-lndandion (Diketohydrinden) CO 2 C 2 H 5 C6H, \ + CO 2 C 2 H 5 H 3 CCO 2 C 2 H 5 3 2 2 5 NaQC2H5 -2C 2 H 5 OH V-CO 2U2M5 O UU C H •/ .. . Hydr °' > ICQ-* •* yse Natriumsalz des 1,3-lndandion-2-carbonsäure-ethylesters. - In einen 500-ml-DreihalsSchliffkolben, der mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter versehen im Ölbad hängt, gibt man 23 g (1 g-Atom) Natrium, das auf folgende Weise feingepulvert worden ist: Das von Krusten befreite Metall wird in einem 500-ml-Schliffkolben unter 300 ml XyIoI (Isomerenmischung, Sdp. ca. 14O 0 C) im Ölbad unter Rückfluß erhitzt, bis alles geschmolzen ist. Dann nimmt man den Kolben rasch aus dem Ölbad, verschließt ihn mit einem Schliff stopfen, umwickelt mit einem Tuch und schüttelt mit aller Kraft, bis das in feinste Tröpfchen zerteilte Natrium erstarrt ist. Je feiner die Zerteilung des Metalls ausfällt, desto besser gelingt die folgende Esterkondensation. Man läßt völlig erkalten und spült das Pulver mit dem XyIoI in den vorbereiteten Reaktionskolben. Dann wird das XyIoI so vollständig wie möglich abdekantiert. Zum Natriumpulver gibt man 111g (0,5 mol) frisch destillierten Phthalsäure-diethylester und erhitzt auf 100—11O 0 C. Unter Rühren läßt man innerhalb von 90 min 11Og Essigsäure-ethylester eintropfen, der wie im vorstehenden Präparat getrocknet wurde. Wenn nach einer halben Stunde etwa V3 zugegeben ist, fängt die Reaktion an, lebhafter zu werden. Man entfernt dann das Ölbad und reguliert während der nächsten Stunde durch die Zutropfgeschwindigkeit des Essigesters die Temperatur so ein, daß die Mischung immer im Sieden bleibt. Wenn alles zugetropft ist, wird bei 95—10O 0 C 4 h weitergerührt und über Nacht aufbewahrt. Am 404 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern anderen Tag bringt man das ausgeschiedene leuchtend gelbe Natriumsalz nach Aufschlämmen in 10O ml abs. Ether auf die Nutsche, saugt ab und wäscht portionsweise mit insgesamt 100—15OmI Ether nach. Dann wird trocken gesaugt und bei 8O 0 C im Trockenschrank getrocknet. Die Ausbeute beträgt bis zu 90g (=75%d.Th.). 1,3-lndandion. — In einem 3-1-Becherglas, das mit einem Thermometer und mit einem guten Rührer versehen ist, erhitzt man auf dem Drahtnetz 1 I Wasser auf 70-8O0C und trägt 80g des gelben Natriumsalzes ein. Dann werden bei genau 7O 0 C unter kräftigem Rühren 80 ml einer Mischung aus 3 Vol. konz. Schwefelsäure und 1 Vol. Wasser in dem Maße zugegeben, daß die Temperatur konstant bleibt. Es findet starke CO2-Entwicklung statt, die gegen Ende abklingt. Dann wird abgekühlt, das Kristallisat bei 10-150C abgesaugt und mit kaltem Wasser säurefrei gewaschen. Nach dem Trocknen im Vakuum beträgt die Rohausbeute 47g (=97%d.Th.), und der Schmp. 128-13O0C. Eine aus Benzol-Petrolether (3:1) umkristallisierte Probe schmilzt bei 1330C. Die Esterkondensation nach Claisen besteht formal aus der Abspaltung von Alkohol zwischen einer „aktiven", d. h. aciden Methin-, Methylen- oder Methylgruppe und einem Ester nach O O R-C-OC2H5 Il + H—C-C \ // > R—C—C—C Il I // + C 2 H 5 OH Als Katalysatoren sind starke Basen nötig, sehr häufig wird Na-ethylat verwendet. Die Wirkung der Base besteht darin, daß sie der aciden Komponente in einer Gleichgewichtsreaktion (a) ein Proton entzieht, so daß sich das mesomere CarbeniatEnolat Anion (A) mit seinem negativen C-Atom an das Estercarbonyl zum Addukt B anlagern kann (Gleichgewichtsreaktion b): a) C 2 H 5 O-Na + + H-C-C=O <=± C 2 H 5 OH I ' i + Na + \-6->>0 C-C /A\ ' \ o b) S R-C/ OC H o+ * * el I l : C-C=O <=* R-C-C-C=O 'J OC2H5I c) R-C-C-C=O <=f R-C-C-C=O H Oc2H5 ^a ' ' ' ' (c) + C 2 H 5 O- Je stärker die Katalysator-Base, desto größer ist die Konzentration des mesomeren Anions A und damit auch die von B. Das Addukt B kann unter Alkoholatabspaltung Mechanismus der Claisen-Kondensation 405 in die 1,3-Dicarbonylverbindung C übergehen (Reaktion c), doch ist die Tendenz hierzu kaum vorhanden, wenn C kein resonanzstabilisiertes Anion zu bilden vermag, d.h. kein acides H-Atom mehr enthält; da alle Reaktionsstufen reversibel sind, wird in einem solchen Fall vielmehr die Dicarbonylverbindung weitgehend zum Ester und dem stabilisierten Anion A der aciden Ausgangskomponente gespalten. Eine viel günstigere Lage der Gleichgewichte stellt sich ein, wenn B und C am mittleren CAtom noch mindestens l H-Atom tragen (C'), wenn also von einer aktiven Methylenoder Methylverbindung ausgegangen wurde. Dann setzt sich nämlich C mit dem stark basischen Alkoholation in ein Säure-Basen-Gleichgewicht, das sehr weit auf der Seite des schwächer basischen mesomerie-stabilisierten Carbeniat-Enolations D liegt (Reaktion d). Dabei wird Alkohol gebildet: O H Il I R-C-C-C=O O Il ..R-C-C-C=O I l + d) + C 2 H 5 O- *-> O Il R-C-C=C-OI l C 2 H 5 OH Man beachte, daß auch Reaktion d reversibel ist. Daher werden die Anionen der 1,3-Dicarbonylverbindungen durch überschüssigen Alkohol unter Umkehrung der Reaktionen d, c, b und a aufgespalten. Alkohol vermindert also die Ausbeute bei allen Esterkondensationen mehr oder weniger stark. Bei der im 1. Beispiel präparativ ausgeführten Synthese des Acetessigesters, einer klassischen Substanz der organischen Chemie, treten nach dem geschilderten Mechanismus 2 gleiche Moleküle, Essigsäureethylester, zusammen (nach a, b, c und d formulieren!). Die Reaktion gibt mit Naethylat in Ethanol wegen der ungünstigen Gleichgewichtslage nur wenige Prozent Ausbeute, die bei Verwendung von alkoholfreiem Na-ethylat1 je nach dessen Menge auf 35-75% ansteigt. Das vom Entdecker der Reaktion, Geuther, vorgeschlagene und auch hier benützte Natrium bildet mit dem Alkohol, der im Essigester zum Gelingen der Kondensation zu 1-2% enthalten sein muß, eine kleine Menge Ethylat, die die Reaktion in Gang bringt (Rk. a, b). Da bei der Stufe c Alkoholat gebildet wird, gewinnt der Umsatz laufend an Geschwindigkeit. Die Ethylatkonzentration bleibt allerdings wegen der Reaktion mit der Dicarbonylverbindung (Reaktion d) begrenzt, bei welcher freier Alkohol entsteht. Dieser muß zur Verbesserung der Ausbeute mehrmals mit überschüssigem Essigester aus dem Ansatz abdestilliert werden. Als Nebenreaktion verursacht das Metall die auf S. 381 geschilderte Acyloinbildung; weiterhin 1 Herstellung von alkoholfreiem Natrium-ethylat: Man läßt entweder unter Xylol gepulvertes Natrium (S. 381) in abs. Ether unter Rückfluß mit der berechneten Menge an abs. Alkohol reagieren und destilliert anschließend den Ether ab oder man löst das Metall in abs. Ethanol und destilliert, zuerst bei Normaldruck, später im ölpumpenvakuum aus einem Ölbad bei 15O0C den Alkohol unter Stickstoff völlig ab. Vakuum erst nach völligem Erkalten vorsichtig aufheben (CaCl2-RoHr!) und die lockere schneeweiße Masse sehr rasch unter Überleiten von Stickstoff pulverisieren und sofort verwenden. 406 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern bildet sich durch Esterkondensation zweier Moleküle Acetessigester etwas Dehydracetsäure(S.420). Als besonders wirksamer Katalysator dient bei Claisen-Kondensationen Natrium amid. Sein Vorteil liegt darin, daß es als Salz der äußerst schwachen „Säure" NH 3 ein sehr stark basisches Anion (NHJ) bereitstellt, das auch den Verbindungen geringerer Acidität Protonen völlig entzieht. Diese Reaktion wird durch die Flüchtigkeit des Ammoniaks noch befördert. NaNH2 + H— C-CO -> C— C— O Na + + NH 3 T Ferner fängt NaNH 2 den auftretenden Alkohol unter Alkoholatbildung ab, wobei seine konjugierte Säure (NH3) wegen ihrer Flüchtigkeit nicht in die Reaktion eingreift. C 2 H 5 OH + NaNH2 -> C 2 H 5 Q-Na + + NH 3 J Noch stärkere Basen sind die Anionen des Na-hydrids, des Na-triphenylmethylids (S. 589) oder geeigneter metallorganischer Verbindungen (Kapitel DC). So läßt sich mit Mesityl-magnesiumbromid sogar Isobuttersäureester, dessen a-ständiges HAt om besonders wenig zur Abspaltung als Proton neigt (warum?), mit seinesgleichen zur Kondensation bringen. Mit solchen überaus starken Basen lassen sich auch Esterkondensationen zu nicht enolisierbaren /?-Dicarbonylverbindungen erzwingen (C. R. Hauser). Die Einführung eines Acylrests, z. B. des Acetylrest in aktive Methylenverbindungen kann auch vom Anhydrid aus mit BF3 als Katalysator erfolgen (S. 402). Man formuliere die katalytische Wirkung der Lewis-Säure ! Weitere Synthese des Acetessigesters aus Diketen (S. 311) und Alkohol. Die Synthese des Indandioncarbonsäureesters aus Essigester und Phthalsäurediethylester (S. 403) ist eine doppelte Claisen-Kondensation, bei der das erste Produkt als Anion mit der Nachbargruppe reagiert. C2H5O CO2C2H5 O l 2 5 Die freie Säure spaltet als jS-Oxosäure leicht CO2 ab. Vom Indandion gelangt man durch Oxidation zum l,2,3-Indantrion-(hydrat), das als „Ninhydrin" in der Analytik der Aminosäuren (S. 499) weite Verwendung findet. Der Esterkondensation sind u.a. noch zugänglich: Die aktiven Methylengruppen von Nitrilen, —CH2C=N, oder die des Fluorens, die aktiven Methylengruppen des o- oder /7-Nitrotoluols oder die zahlreicher Heterocyclen. Variationen der Claisen-Kondensation 407 Mit Ameisensäureester als Esterkomponente entstehen Hydroxymethylen-Verbindungen (jS-Oxoaldehyde) R' O I ^ \ n R—CO-C—C H <=± R-CO-C=C R' I / OH \l n mit Kohlensäureester /J-Oxoester (Einführung der Carboxylgruppe) RCOCH(R')CO 2 C 2 H 5 mit Oxalsäurediethylester, einer besonders reaktionsfähigen Verbindung a-Oxoester, z. B. /?-Nitrophenylbrenztraubensäureester aus /?-Nitrotoluol. O 2 NC 6 H 4 CH 2 COCO 2 C 2 H 5 Als Kondensationsprodukt von Essigester mit Oxalsäure-diethylester hat der Oxalessigester, H 5 C 2 O 2 CCH 2 COCO 2 C 2 H 5 , präparative Bedeutung. Die intramolekulare Kondensation von Dicarbonsäureestern (Dieckmann) oder Dinitrilen führt über cyclische ß-Ketoverbindungen und Ketonspaltung (S. 413) zu cyclischen Ketonen. Nach diesem Prinzip gelingt beim Arbeiten in großer Verdünnung (warum?) die Synthese makrocyclischer Ketone, wie des Muscons, mit guter Ausbeute (K. Ziegler). 2 Moleküle Bernsteinsäureester kondensieren sich beidseitig zum Succinylobernsteinsäureester(l,4-Cyclohexandion-2,5-dicarbonsäureester). Auch a-Chlorfettsäureester, besonders Chloressigester, lassen sich nach Darzens in ähnlicher Weise mit Carbonylverbindungen kondensieren, wobei unter interner Substitution des Halogens Glycidsäureester entstehen (S. 365). R Cr + iC LrO 2 Cx 2 Hg —^- R C C^^^ H ^ - R C C Cx(J2C2Hg X H 1 H I K H CK H H Auch das Anion des Dimethylsulfoxids, das man mit Natriumhydrid aus DMSO darstellt, geht mit Estern eine Claisen-Kondensation zu /?-Ketosulfoxiden ein, welche direkt oder nach Alkylierung am zentralen C-Atom mit Aluminium-Amalgam in feuchtem Tetrahydrofuran zu Ketonen gespalten werden können: 408 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern ^^^H LR H CH 3 -SO-CH 3 NaH ^ CH3SOCH2 Na -^ ^- CH3SOCH2CO-V^N Dies ist eine der wirksamen Methoden zur Darstellung von Ketonen aus Carbonsäure-derivaten (s. besonders Kapitel DC). Nicht nur die Ester organischer Säuren vereinigen sich mit Ketonen oder Säureestern in der geschilderten Art, auch die Ester der salpetrigen Säure und der Salpetersäure schließen sich an. Diese Reaktionen führen zu Oximen und Nitro Verbindungen, die als Salze mit mesomeren Anionen (oft auch Salze der aci-Form genannt) anfallen. R-CO-CH 3 + O N O C H5 2 C6H5 pu NC _i_ n NOP H C2H r*2 H5 o~ > R— CO- C— N^ O C6H5, NC O , ^. s i u+ > RCOCH=NOH ^6H5 \ / H +OH- C6H5 \ NC NO2 H O Die Kondensation der Alkylnitrite und -nitrate ist allerdings nicht so allgemein durchführbar wie die der organischen Ester. Die anschließend beschriebene Synthese des Phenylnitromethans bildet ein präparatives Beispiel. Die Methylengruppe des Benzylcyanids ist durch die Nachbarschaft von Phenyl und CN besonders aktiviert. Phenylnitromethan Natriumsalz von Phenyl-nitroacetonitril C 6 H 5 CH 2 CN + O 2 NOC 2 H 5 NaQC2h5 > C 6 H 5 C(CN)NO 2 Na + 8 g Natrium (ca. 0,35 g-Atom) werden in 12OmI absol. Alkohol in einem Rundkolben von 500 ml Inhalt gelöst. In diese Lösung läßt man, unbeschadet einer Abscheidung von Ethylat, unter Wasserkühlung das Gemisch von 35 g (0,3 mol) Benzylcyanid (S. 150) und 32g (0,35 mol) Ethylnitrat (S. 147) nach und nach einlaufen. Das in der Überschrift formulierte Salz scheidet sich allmählich in kaum gefärbten Kristallen ab. Man läßt zur Beendigung der Reaktion noch 1 h ohne Kühlung stehen, saugt dann ab und wäscht den Salzniederschlag zuerst mit Alkohol-Ether (1 :1), dann mit Ether allein. Ausbeute 40—45 g (= 70-80% d. Th.). Eine Probe des Salzes gibt in alkoholischer Lösung mit Eisen(lll)-chlorid eine intensive olivgrüne Farbreaktion. Phenylnitromethan und Keto-Enol-Tautomerie 409 Phenylnitromethan 40 g Natriumsalz von Phenyl-nitroacetonitril werden im offenen Rundkolben unter einem Abzug auf dem Babotrichter mit 600 ml 2N Natronlauge zu gelindem Sieden gebracht. Dabei entwickeln sich große Mengen von Ammoniak. Wenn die NH3-Entwicklung aufgehört hat, ist die Spaltung beendet. Häufig beginnt das in überschüssiger Lauge schwer lösliche Natriumsalz des Phenylnitromethans schon in der Hitze auszukristallisieren. Wenn dies vor Beendigung des Prozesses eintritt, setzt man bis zur Lösung heißes Wasser zu und kocht weiter, bis sich kein Ammoniak mehr entwickelt. Dann läßt man erkalten und säuert unter guter Eiskühlung und stetem Umschütteln mit etwa 220 ml halbkonzentrierter Salzsäure an bis zur deutlichen Kongoreaktion (pH 2—3) und vollständiger Ausfällung der in Flocken ausfallenden ac/'-Nitroverbindung. Starke CO 2 Entwicklung! Das Reaktionsgemisch bleibt über Nacht stehen, damit die empfindliche ac/'-Verbindung Zeit hat, sich in das stabile Phenylnitromethan umzulagern. Am anderen Morgen ethert man erschöpfend aus, schüttelt die Etherlösung mit Natriumcarbonatlösung durch, dampft den Ether ungetrocknet ab und treibt den Rückstand mit Wasserdampf über. Das Destillat wird wiederum in Ether aufgenommen, dieser mit Calciumchlorid getrocknet und der Inhalt der Lösung nach dem Abdampfen auf dem Wasserbad i. Vak. destilliert. Das Phenylnitromethan geht bei 118-119 0 C / 16 Torr als hellgelbes Öl über mit einer Ausbeute von 14—18g (ca. 50%d.Th.). Über Keto-Enol-Tautomerie Am Beispiel des Acetessigesters, an dem die Verhältnisse besonders eingehend studiert wurden, soll das Wesen dieser wichtigen Gleichgewichtsreaktion (Tautomerie) erörtert werden. Acetessigester nimmt in der Kälte eine begrenzte Menge Brom auf, eine Reaktion, die nur der Enolform zukommt. Br Br racph I l _UDr 0 I OH " " J Br2 ' > HX-C-C-CO9C9H, I l HO H HBr langsam Br I H3C-C-C-CO2C2H5 Il I O H Man kann daher mit einer eingestellten Bromlösung die im Acetessigester enthaltene Enolmenge quantitativ erfassen (Bromtitration nach K. H. Meyer). Eine rasch austitrierte Lösung verbraucht nach kurzer Zeit erneut Brom, d. h. es hat sich dann frisches Enol nachgebildet. Daraus geht hervor, daß sich in einer Lösung von Acetessigester Keto- und Enolform im Gleichgewicht befinden. Die Einstellung dieses Gleichgewichts erfolgt unter den Arbeitsbedingungen der Bromtitration so langsam, daß die Genauigkeit der Erfassung des Enolanteils nicht merklich beeinträchtigt wird. 410 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern Versuch: Acetessigester und Brom - Man löst etwa 0,5ml Acetessigester unter Schütteln in der nötigen Menge Wasser, fügt einige Tropfen Eisenchloridlösung hinzu und läßt in der Kälte aus einem Tropfrohr solange verdünntes ca. 0,5proz. Bromwasser ziemlich rasch zutropfen, bis die rote Färbung des Ferri-Enolats verschwunden ist. Nach kurzer Zeit tritt die Färbung erneut auf und kann durch einige Tropfen Bromwasser wieder zum Verschwinden gebracht werden. Das Spiel läßt sich so lange wiederholen, bis aller Acetessigester in Bromacetessigester umgewandelt ist. Das Verhältnis, in dem Keto- und Enolform sich im Gleichgewicht befinden, ist von der Natur des Lösungsmittels abhängig. Lösungsmittel Wasser Eisessig Ethylalkohol Benzol Petrolether /o Enol 0,4 5,7 12,0 16,2 46,4 Zwischen der Beteiligung tautomerer Stoffe am Gleichgewicht und ihrer Löslichkeit im betreffenden Lösungsmittel besteht die Beziehung worin c die Konzentration, L die Löslichkeiten der beiden Isomeren a und b und G eine vom Lösungsmittel unabhängige Konstante sind. Beim Acetessigester ist im Hinblick auf die Tabelle der Ketoester in Wasser leichter löslich als der Enolester, dieser ist in Petrolether leichter löslich als der Ketoester. Daß die OH-haltige Enolform weniger polar (auch leichter flüchtig) ist, ist der intramolekularen Wasserstoffbrücke zuzuschreiben. H H3C-C^ ^C-OC2H5 2 I Il •v* Der flüssige Acetessigester besteht zu 92,5% aus Keton und zu 7,5% aus Enol. Das frisch destillierte Präparat ist aber erheblich enolreicher, da der Enolester früher abdestilliert und in der siedenden Flüssigkeit nachgebildet wird. Versuch: Rasche Umlagerung von Enol-acetessigester — Man löst 0,5g Acetessigester in 4 ml 1N Natronlauge, kühlt in Eis auf O 0 C ab und fügt unter Umschütteln 4 ml gekühlte 1N Salzsäure auf einmal hinzu. Es bildet sich eine Emulsion, die schon nach wenigen Sekunden klar wird. Das in Wasser schwerer lösliche Enol ist anfangs Phenylnitromethan und Keto-Enol-Tautomerie 409 Phenylnitromethan 40 g Natriumsalz von Phenyl-nitroacetonitril werden im offenen Rundkolben unter einem Abzug auf dem Babotrichter mit 600 ml 2N Natronlauge zu gelindem Sieden gebracht. Dabei entwickeln sich große Mengen von Ammoniak. Wenn die NH3-Entwicklung aufgehört hat, ist die Spaltung beendet. Häufig beginnt das in überschüssiger Lauge schwer lösliche Natriumsalz des Phenylnitromethans schon in der Hitze auszukristallisieren. Wenn dies vor Beendigung des Prozesses eintritt, setzt man bis zur Lösung heißes Wasser zu und kocht weiter, bis sich kein Ammoniak mehr entwickelt. Dann läßt man erkalten und säuert unter guter Eiskühlung und stetem Umschütteln mit etwa 220 ml halbkonzentrierter Salzsäure an bis zur deutlichen Kongoreaktion (pH 2—3) und vollständiger Ausfällung der in Flocken ausfallenden ac/'-Nitroverbindung. Starke CO 2 Entwicklung! Das Reaktionsgemisch bleibt über Nacht stehen, damit die empfindliche ac/'-Verbindung Zeit hat, sich in das stabile Phenylnitromethan umzulagern. Am anderen Morgen ethert man erschöpfend aus, schüttelt die Etherlösung mit Natriumcarbonatlösung durch, dampft den Ether ungetrocknet ab und treibt den Rückstand mit Wasserdampf über. Das Destillat wird wiederum in Ether aufgenommen, dieser mit Calciumchlorid getrocknet und der Inhalt der Lösung nach dem Abdampfen auf dem Wasserbad i. Vak. destilliert. Das Phenylnitromethan geht bei 118-119 0 C / 16 Torr als hellgelbes Öl über mit einer Ausbeute von 14—18g (ca. 50%d.Th.). Über Keto-Enol-Tautomerie Am Beispiel des Acetessigesters, an dem die Verhältnisse besonders eingehend studiert wurden, soll das Wesen dieser wichtigen Gleichgewichtsreaktion (Tautomerie) erörtert werden. Acetessigester nimmt in der Kälte eine begrenzte Menge Brom auf, eine Reaktion, die nur der Enolform zukommt. Br Br racph I l _UDr 0 I OH " " J Br2 ' > HX-C-C-CO9C9H, I l HO H HBr langsam Br I H3C-C-C-CO2C2H5 Il I O H Man kann daher mit einer eingestellten Bromlösung die im Acetessigester enthaltene Enolmenge quantitativ erfassen (Bromtitration nach K. H. Meyer). Eine rasch austitrierte Lösung verbraucht nach kurzer Zeit erneut Brom, d. h. es hat sich dann frisches Enol nachgebildet. Daraus geht hervor, daß sich in einer Lösung von Acetessigester Keto- und Enolform im Gleichgewicht befinden. Die Einstellung dieses Gleichgewichts erfolgt unter den Arbeitsbedingungen der Bromtitration so langsam, daß die Genauigkeit der Erfassung des Enolanteils nicht merklich beeinträchtigt wird. 412 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern ausgeführt ist, einer neutralen Form eine solche mit Säurenatur, die sog. aci-Form, gegenüber (Hantzsch). \ /H o ^ C= N //OH /Cx < "^ ^o Nitroverbindung aci- Nitroverbindung Die Brommethode erlaubt auch hier, die Gleichgewichte quantitativ zu erfassen. Das zuerst bekanntgewordene, wichtigste Beispiel der „Desmotropie" liegt beim Phenylnitromethan vor, das als stabiler neutraler Nitrokörper (Öl) und als labile kristallisierte #d-Nitroverbindung existiert C 6 H 5 CH 2 NO 2 und C6H5CH=NOOH Versuch: aci-Phenylnitromethan - Man schüttelt etwa 2—3 g Phenylnitromethan mit 15ml 2N Natronlauge in einem weiten Reagenzglas. Der neutrale Nitrokörper wird in der Kälte infolge seiner geringen Löslichkeit in Wasser nur ganz langsam ins lösliche Salz verwandelt. (In alkoholischer Lösung verläuft die Salzbildung sehr rasch.) Durch Erhitzen bringt man das Öl in kurzer Zeit in Lösung. Danach kühlt man ab, fügt zu der alkalischen Lösung in einem kleinen Becherglas einige Stückchen Eis und versetzt auf einmal mit 20 ml 2N Schwefelsäure. Das freie aci-Phenylnitromethan scheidet sich in farblosen kristallinen Flocken aus, die man sofort absaugt, mit Wasser wäscht und auf Ton abpreßt. Bei raschem Arbeiten kann man einen Teil des Präparates aus Petrolether (Sdp. 50-6O0C) (unter Zugabe von einigen Körnchen Calciumchlorid) Umkristallisieren. Eine kleine Probe löst man in wenig Alkohol und fügt einen Tropfen FeCI3-Lösung hinzu. Eine zweite, größere Probe versetzt man unter Kühlung mit einigen Tropfen kalter alkoholischer Bromlösung; das Brom wird entfärbt. Die gleichen Reaktionen verlaufen bei dem als Präparat (S. 409) dargestellten Phenylnitromethan negativ. Den Rest der aci-Nitroverbindung läßt man, in Alkohol gelöst, über Nacht stehen. Die Lösung nimmt danach weder Brom auf, noch zeigt sie die Farbreaktion mit Eisenchlorid. Wenn man einige Körnchen auf einem Uhrglas liegen läßt, findet man sie am anderen Tag in ein Öl umgewandelt. Wie man sieht, ist die #a-Form des Phenylnitromethans nur wegen ihrer kleineren Umlagerungsgeschwindigkeit vorübergehend faßbar; im Gleichgewicht hat sie keinen Bestand. - Substanzpaare, bei denen die Tautomeren mit den üblichen Hilfsmitteln isoliert werden können, hat man als „desmotrop" bezeichnet. Malonestersynthese 413 Synthesen mit Acetessigester und Malonestern Malonsäure-diethylester KCN + CICH2CO2K + 2C 2 H 5 OH > NCCH 2 COOK ^-> + KCI NCCH 2 COOH H 2 C(CO 2 C 2 H 5 ) 2 + NH4^ Unter dem Abzug werden in einer großen Porzellanschale 95g (1,0mol) Monochloressigsäure in 200 ml Wasser gelöst, im Wasserbad auf 5O 0 C erwärmt und bei dieser Temperatur mit festem, trocknem Kaliumcarbonat neutralisiert, wozu 75 g erforderlich sind. Man fügt dann 55g feinpulverisiertes, reines Natriumcyanid (oder 70g KCN) (1,1 mol) hinzu und steigert unter gutem Umrühren die Temperatur sehr langsam bis unter lebhaftem Aufsieden die Bildung des Cyanacetats vor sich gegangen ist. Nun dampft man das Reaktionsgemisch unter Umrühren mit einem Glasstab auf dem Drahtnetz soweit ein, bis ein in die zähflüssige bräunliche Salzmasse eintauchendes Thermometer 135 0 C zeigt. Man läßt erkalten, rührt jedoch auch während des Abkühlens noch mit einem Spatel um, da das Produkt sonst zu einer harten, kaum pulverisierbaren Masse zusammenbackt. Es wird dann schnell in einer großen Reibschale gut zerkleinert und in einem mit Rückflußkühler verbundenen Kolben von etwa 1 I Inhalt unter gutem Umschütteln zuerst mit 50 ml absol. Alkohol und anschließend mit der erkalteten Mischung aus 200 ml absol. Alkohol und 150 ml konz. Schwefelsäure allmählich versetzt. Man erwärmt nun die breiige Masse unter öfterem Umschütteln 2 h auf siedendem Wasserbad, kühlt gut ab und versetzt, wieder unter Umschütteln, mit 400 ml Wasser. Nachdem man das ungelöste Salz abgesaugt und auf dem Filter mehrmals mit Ether gewaschen hat, schüttelt man das restliche Filtrat mit diesem Waschether und noch zweimal mit frischem Ether tüchtig aus. Der gesamte Etherauszug wird mit einer konzentrierten wässerigen Natriumcarbonatlösung solange durchgeschüttelt (Scheidetrichter hierbei anfangs nicht verschließen!) bis er nicht mehr sauer reagiert, trocknet mit wasserfreiem Natriumsulfat, dampft den Ether ab und rektifiziert den zurückgebliebenen Malonester. Sdp. 195 0 C / 760 Torr, Ausbeute 90—10Og (= 56-63% d. Th.). 1-Phenylbutan-3-on (Ketonspaltung) a- Benzylacetessigester In einem auf dem Wasserbad montierten, mit Rührer, Rückflußkühler (Calciumchloridrohr) und Tropftrichter ausgestatteten 500-ml-Dreihalskolben löst man 4,6g (0,2gAtome) Natrium in 10OmI absol. Ethanol. Ohne abzukühlen versetzt man mit 26g (25,0 ml, 0,2 mol) Acetessigsäure-ethylester und tropft dann unter Rühren 26 g (23,5 ml, wenig mehr als 0,2 mol) Benzylchlorid zu. Daraufhin wird unter Rühren zum Sieden erhitzt bis die Lösung neutral reagiert (nach etwa 2 h), dann der Rückflußkühler mit einer Destillationsbrücke und einem absteigenden Kühler vertauscht und die Hauptmenge des absol. Alkohols unter Rühren (zur Wiederverwendung) bei schwachem Unterdruck abdestilliert. Nach dem Abkühlen wird das Salz unter Kühlung mit Eisstückchen in Wasser gelöst. Die organische Phase wird durch mehrmaliges Ausethern abgetrennt, nach dem Abdampfen der mit MgSO4 getrockneten Etherlösung wird im Vak. fraktionierend destil- 414 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern liert. Der a-Benzylacetessigester geht bei 135—138°C/5 Torr über. Man erhält 29g (52%d.Th.)1-Phenylbutan-3-on 22,Og (0,1 mol) a-Benzylacetessigester werden mit der Lösung von 6,0g Natriumhydroxid (0,15mol) in 10OmI BOproz. Ethanol bei Zimmertemperatur versetzt und 2 h unter Rühren am Rückfluß zum Sieden erhitzt. Man dampft den Alkohol ab, verdünnt mit 50 ml Wasser, ethert aus, destilliert das Keton im Vak. und erhält 11,9g (80%d.Th.) Ausbeute vom Sdp. 115-12O0C / 15 Torr. Das Dinitrophenylhydrazon (hergestellt wie auf S. 347) schmilzt bei 125-1260C. Buttersäure via Ethylmalonsäure-diethylester (H 5 C 2 O 2 C) 2 CHNa + C2H5I > (H 5 C 2 O 2 C) 2 C(H)C 2 H 5 > (H 5 C 2 O 2 C) 2 C(H)C 2 H 5 Hydrolyse, -CO 2 H 3 CCH 2 CH 2 COOH Bei Synthesen mit Malonester ist besonders darauf zu achten, daß alle Substanzen und Lösungsmittel völlig trocken sind und die Apparatur stets durch ein großes frisch gefülltes Calciumchloridrohr abgeschlossen ist. Geringe Mengen Wasser vermindern die Ausbeute sehr stark. Ethylmalonester. In einem 250-ml-Schliffkolben mit gut wirkendem Rückflußkühler und Tropftrichter löst man 4,6 g Natrium (0,2 g-Atom) in 75 ml absol. Alkohol auf, versetzt die erkaltete Lösung allmählich mit 33,6 g Malonsäure-diethylester (0,21 mol) (Abscheidung von Natriummalonester) und fügt unter Umschütteln in kleinen Anteilen 25 g Ethylbromid (0,23 mol) oder 36 g Ethyliodid (0,23 mol) hinzu. Man erwärmt dann auf dem Wasserbad, bis die Flüssigkeit nicht mehr alkalisch reagiert, was nach ein bis zwei h erreicht ist, destilliert den Alkohol im Vakuum auf einem Wasserbad von 40—5O 0 C ab und nimmt den Ester aus dem Rückstand mit Ether auf (2—3mal extrahieren). Nach dem Verdampfen des Ethers destilliert man das Rohprodukt im Vakuum. Sdp. 68-7O0C / 12 Torr Ausbeute rund 30g (=80%d.Th.). Ethylmalonsäure. Die erkaltete Lösung von 15g Kaliumhydroxid in 12ml Wasser wird in einem kleinen, mit Rückflußkühler versehenen Rundkolben unter Umschütteln nach und nach mit 19g Ethylmalonester (0,1 mol) versetzt. Die anfangs entstehende Emulsion erstarrt bald zu einer festen Masse von Kaliumethylmalonester. Man erwärmt jetzt langsam auf dem schwach siedenden Wasserbad bis die Verseifungsreaktion unter starker Selbsterwärmung eintritt. Man setzt das Erhitzen noch solange fort, bis die Ölschicht verschwunden ist, läßt erkalten, schüttelt das - häufig kristallisierende - Reaktionsgemisch im Kolben zur Entfernung von nicht verseiften Esterresten zweimal mit Ether durch (Gummistopfen aufsetzen!), den man einfach abgießt. Dann säuert man unter Eiskühlung mit 5OmI halbkonzentrierter Salzsäure auf pH 2-3 an und schüttelt die Lösung im Scheidetrichter fünfmal mit je 25 ml Ether aus. Nach dem Verdampfen des mit wasserfreiem Natriumsulfat getrockneten Ethers bringt man den Rückstand durch Abkühlen und Reiben zur Kristallisation. Die so gewonnene Ethylmalonsäure ist für die anschließende Decarboxylierung zur Buttersäure genügend rein. Eine kleine Probe kristallisiere man aus Benzol um. Schmp. 111 0C. Ausbeute 12g (96%). Alkylierung der 1,3-Diketone 415 Buttersäure aus Ethylmalonsäure. 10g Ethylmalonsäure (0,76 mol) werden in einem kleinen Fraktionierkolben, dessen möglichst langes Kondensationsrohr schräg nach oben gestellt wird, während das Thermometerrohr verschlossen ist, in einem Ölbad solange auf 180 0 C erhitzt, bis sich kein Kohlendioxid mehr entwickelt, was nach etwa 30 min erreicht ist. Den Rückstand destilliert man dann aus dem gleichen Kolben in üblicherweise, wobei die Buttersäure zwischen 162—163 0 C übergeht. Ausbeute 5-6 g (70-90%). 2-Methyl-1,3-cyclohexandion KOH Man versetzt die Lösung von 10g Kaliumhydroxid in 30 ml Wasser mit 30 ml Methanol und anschließend mit 20g (0,18 mol) 1,3-Cyclohexandion, das man durch Erwärmen in Lösung bringt. Nach Zusatz von 28g (12,3ml, 0,20 mol) Methyliodid (Vorsicht! Methyliodid ist giftig, vergleiche S. 149) wird 8 h unter Rückfluß erhitzt. Nach dem Abkühlen saugt man den Niederschlag ab und dampft das Filtrat i. Vak. ein. Niederschlag und Eindampfrückstand werden in 18OmI Sproz. Natronlauge gelöst. Zur Entfernung neutraler Verunreinigungen schüttelt man mit Ether aus, befreit die wässerige (!) Phase durch Erwärmen im Rotationsverdampfer von anhaftendem Ether, kühlt dann auf O 0 C und säuert vorsichtig mit 4N Salzsäure bis pH 4 an. Der Niederschlag wird abgesaugt und aus wenig Methanol kristallisiert, Ausbeute 11,3g (50%) 2-Methyl-1,3-cyclohexandion vom Schmp. 204 0 C. Das Präparat findet Verwendung zur Darstellung von 8a-Methyl-1,2,3,4,6,7,8,8 aoctahydro-1,6-naphthalindion (siehe S. 425). 2- Benzyl -1,3-cyclohexandion O O \'-K+ C 6 H 5 CH 2 Cl (KI) O JLxCH2C6H5 ^xWn Zur Lösung von 11,2g (0,1 mol) 1,3-Cyclohexandion in 22ml 20proz. Kalilauge gibt man 13,9g (12,6 ml, 0,11 mol) Benzylchlorid und 1 g Kaliumiodid (als Katalysator, vgl. S. 173) und erwärmt 2 h unter Rückfluß. Nach dem Abkühlen wird Natronlauge bis zur völligen Lösung des Öles zugesetzt und zur Entfernung von Neutralstoffen ausgeethert. Die wässerige (!) Phase wird am Rotationsverdampfer i. Vak. vom anhaftenden Ether befreit und das Produkt durch Ansäuern mit verd. Salzsäure auf pH 4 ausgefällt. Man saugt ab und kristallisiert aus viel Methanol, Ausbeute 8,0 g (40%) vom Schmp. 187 0 C. Durch Einengen der Mutterlauge kann man eine zweite Fraktion gewinnen. Das Präparat dient zur Darstellung von 7-Phenylheptan-1-säure (siehe S. 544). 416 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern In neueren Arbeiten werden die Natriumsalze der 3-Keto- und Malonester häufig mit Natriumhydrid in Dimethylformamid dargestellt. Da der Angriff des mesomeren Anions auf das Alkylhalogenid eine nucleophile Substitution darstellt, beschleunigt das aprotische, polare Lösungsmittel DMF solche Reaktionen gegenüber Alkohol als Lösungsmittel, der die Nucleophilität des (mesomeren) Anions durch Bildung von Wasserstoffbrücken abschwächt (siehe S. 169). DMF und (in höherem Maße) DMSO verstärken jedoch die Tendenz zur O-Alkylierung bei 3-Ketoestern. Die mesomeren Anionen der 1,3-Dicarbonylverbindungen gehören nämlich, wie zahlreiche andere, zur Klasse der alternativ reagierenden (ambidenten) Anionen mit zwei verschieden stark nucleophilen Stellen und können daher bei der Alkylierung oder Acylierung O- oder C-Substitutionsprodukte geben. Weitere ambidente Ionen: Cyanid Rhodanid Diazotat |C=N| < fs—C=N | Ö > |C=N>e » S=C=N) « Ar—N=N-Ö| < \_e ^O .C-N « RX ^O / VO° < R > Ar-N-N=O R \ C=N °9 Nitroalkanat > RX V^ Phenolat > / =O Säureamidat R ~cv « » R-C u.a. \ e Ein anderes Anion mit dieser Eigenschaft ist uns schon im Nitrit auf S. 165 begegnet, das bei der Alkylierung Gemische von Salpetrigsäureestern (O-Alkylierung) und Nitroparaffin (N-Alkylierung) ergibt. Schon auf S. 165 wurde zur Erklärung etwa ausgeführt: Findet die Alkylierung unter SN l-Bedingungen statt, so entsteht mehr Salpetrigsäureester als Nitroparaffin. Umgekehrt steigt dessen Menge unter SN2-Bedingungen, unter denen die stärkere Nucleophilie des Carbanions zur Geltung kommt. Für die Reaktionsweise aller ambidenten Anionen muß demnach die Natur des Alkylierungs-(oder Acylierungs)mittels und die Polarität des Solvens maßgebend sein. Das Lösungsmittel übt zusätzlich durch selektive Solvatationsfähigkeit einen dirigierenden Einfluß aus. Der negative Sauerstoff wird durch Lösungsmittelmoleküle mit Tendenz zur H-Brückenbildung viel stärker umlagert, so daß in solchen sogar Alkylierungen des Phenolations, die in den allermeisten Lösungsmitteln nur am Sauerstoff stattfinden, zu über 50% am Kohlenstoff verlaufen. C- und O-Alkylierung 417 +C6H5CH2CUn WassefjPhenol oderCF 3 CH 2 OH CH2C6H5 40-70% o-und p- Produkt Bei den Anionen der 1,3-Dicarbonylverbindungen setzt die Alkylierung normalerweise nur am C-Atom ein. Beim Acetessigester geben Alkylierungsmittel die über Carbeniumionen wirken, wie Diazomethan, a-Chlormethylmethylether, ClCH2 — O —CH3, oder Ethyliodid in Gegenwart von Silberoxid mehr oder weniger große Anteile (100% bzw. 50% bzw. 10%) an O-Alkylverbindung (Alkoxycrotonsäureethylester). O-Ethylacetessigester läßt sich aber besser aus dem Diethylacetal des Acetessigesters durch Alkoholabspaltung beim Erhitzen gewinnen (formulieren !). Die Acylierung des Natrium-acetessigesters, also des mesomeren Anions und die des Natriummalonesters mit Säurechloriden oder Säureanhydriden liefert nur die C-Acylverbindungen. Mit Acetylchlorid in Pyridin gibt jedoch freier Acetessigester ausschließlich die O-Acetylverbindung. Diese läßt sich durch Erhitzen mit Kaliumcarbonat (und wenig Acetessigester) zur C-Alkylverbindung umlagern (Claisen). CH3 O—COCH3 HX-C=CH-CO9C9H, K 2 CO 3 O CO Il I H3C-C-CH-CO2C2H5 Aus a-Acylacetessigestern läßt sich mit alkoholischem Natriumhydroxid der Acetylrest bevorzugt abspalten, wodurch /J-Ketoester oft besser als durch Claisen-Kondensation zugänglich sind. R-CO-CH-CO22^2" 5 C3H I OH- RCO-CH2-CO2C2H5 + CH3CO HX-CO Oxalessigester ist als Anion ebenfalls der C-Alkylierung zugänglich. Der zum Beispiel mit Ethyliodid erhältliche ß-Ethyloxalessigester gibt bei der decarboxylierenden Verseifung durch Säuren („Ketonspaltung", S. 419) a-Ketovaleriansäure. C2H5 H5C2O2C-C-COCO2C2H5 H > CH 3 CH 2 CH 2 COCO 2 H 418 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern a-Ketosäuren aus Azlactonen, siehe S. 371 . Der oben beschriebenen Acylwanderung ähnlich sind die O —-> C-Verschiebungen von Alkylresten in einfachen Enolethern, 1-Ethoxystyrol z.B. geht beim Erhitzen in Butyrophenon über: / .OC2H5 5n CH 2 O C fi H R —C CH2-C2H5 Man darf diese Reaktion nicht mit der als „Claisen-Umlagerung" bekannten Isomerisierung der Allylether von Enolen und Phenolen zu den C-Allylverbindungen verwechseln, von der die Beispiele des Allylacetessigesters und des Allylphenols formuliert sind. XCH H2C' CO 2 C 2 H 5 H 2 C' "CHo . CO 2 C 2 H 5 CH, CH, ,CH H2C' H2C CH HO (Cope -Umlagerung) Hierbei besteht die Umlagerung in einer sigmatropen Reaktion ^ der Cope-Umlagerung des 1,5-Hexadiens vergleichbar. = CH 2 oder O 1 Sigmatrope Reaktionen sind Umlagerungen im Molekülskelett von Allyl- und vinylogen Allyl-verbindungen, die mit einem Wechsel von ^-Bindungen einhergehen. Bei einer 3.3-sigmatropen Reaktion wandert ein Rest (hier —X—CH=CH 2 ) vom C-I zum C-3 eines Allylsystems Säure- und Ketonspaltung 419 Der große präparative Wert der CH-aciden Ester liegt darin, daß sich die Calkylierten Malonester zu den Malonsäuren verseifen und diese zu Fettsäuren decarboxylieren lassen. Die vom Acetessigester abgeleiteten jS-Ketoester lassen sich in zwei Weisen spalten: 1. Spaltung durch starke Basen (Spaltung zu einer Säure, „Säurespaltung"). R-C -C-C' OC2H5 2 M Beim Erhitzen mit starken Basen (OH , OR ) wird das Molekül in Umkehrung der Claisen-Kondensation zwischen a- und ß-C-Atom zerlegt (vgl. reversible Reaktionen b und c auf S. 404). Na-Ethylat spaltet zu zwei mol Ester, Na-hydroxid unter gleichzeitiger Esterverseifung zu zwei Carbonsäure-anionen. Beispiel: Bernsteinsäure aus Acetessigester + Chloressigester H3C-CO-CH-CO2R H2C-Ql CO 2 R H3C-CO-CH-CO2R > H2C-CO2R QH_ mH2 H3C-CO2- H2C-CO2+ H2C-CO2- ° > Die Umsetzung mit starken Laugen ist stets von der „Ketonspaltung" begleitet, was ihren präparativen Wert mindert. 2. Spaltung durch Erwärmen mit verdünnten Laugen oder Säuren in Wasser („Ketonspaltung"). O R—C—C— C I OC 2 H R Bei diesem Vorgehen tritt die Hydrolyse der Estergruppen in den Vordergrund. Aus alkylierten jß-Ketoestern entstehen dabei intermediär die Salze bzw. die freien /?-Ketosäuren in Lösung. Da sie leicht CO2 abspalten, isoliert man Ketone (siehe Präparats. 413). Beispiel: Lävulinsäure aus Acetessigester + Chloressigester H3C-CO-CH-CO2C2H5 I H 2 C-CO 2 C 2 H 5 —-—> H2 ° H3C-CO-CH-CO2H I H2C-CO2H H 2 C-CO 2 H 420 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern Die Decarboxylierung erfolgt auch bei den Derivaten der Malonsäure, allerdings nicht mit derselben Leichtigkeit wie die der /?-Ketonsäuren. Die Synthesen via Malonester ergeben jedoch einheitliche Produkte. Die auf S. 414 dargestellte Ethylmalonsäure wurde durch trockenes Erhitzen zur Buttersäure decarboxyliert. Die leichte Decarboxylierbarkeit der jS-Oxosäuren wird von Westheimer auf die Ausbildung eines H-verbrückten Übergangszustands zurückgeführt, der primär zur Enolform des resultierenden Ketons führt. R ' R-C 'Ik C=O -> o) Co K J o R-C I H C=O o H Eine andere Verwendungsmöglichkeit des Acetessigesters (und des Malonesters) ist die oxidative Verknüpfung zweier Moleküle durch lod, die beim Natrium-acetessigester zum Diacet-bernsteinsäureester und so allgemein zu 1,4-Diketonen führt: C2H5O2C CO 2 C 2 H 5 H3CCO-C-C-COCH3 H H 2,5- Hexandion -3,4-dicarbonsäure-diethylester Dehydracetsäure entsteht aus Acetessigester durch intermolekulare Kondensation (formulieren!). Beim Kochen mit Säuren wird der Lactonring unter Bildung einer Triketocarbonsäure aufgespalten, die CO2 und H 2 O verliert und so in 2,6-Dimethyly-pyron übergeht. C^ CO +H n Il I ^H ^HC. .CC^ ^C' COCH3 II 0 H 3 C-CO OC-CH 3 H 3 C-C C-CH 3 3 I \ . H * -TT7^ H H H2Cx^ /< !"r HC^ /CH C 2 C' CO2H ° C^ Il II 0 0 Wie man leicht einsieht, können 1,3-Diketone nur im Sinne der Säurespaltung aufgebrochen werden. H. Stetter hat diese Reaktion auf cyclische 1,3-Diketone angewandt, die nach Alkylierung in der 2-Position zu langkettigen Ketosäuren geöffnet werden. Aus 1,3-Cyclohexandion erhält man z.B. durch Benzylierung das 2-Benzylderivat (Präparat S. 415), dessen Behandlung mit Natronlauge die 5-Oxo-7-phenylheptansäure ergibt (Verlängerung um 6 C-Atome): Beispiele für Keton- und Säurespaltung 421 — C6H5CH2CH2CO(CH2)3C02H Die präparative Durchführung dieser Säurespaltung wird erst bei der Wolff-Kishner-Reduktion beschrieben, mit der die Ketosäure schließlich zur 7-Phenylheptansäure reduziert wird (siehe S. 544). Analog erhält man aus 1,3-Cyclohexandion mit Methyliodid das 2-Methyl-l,3cyclohexandion, das weiter unten (S. 425) als Ausgangsmaterial für eine MichaelAddition verwendet wird. Genau so wie im Malonester selbst, läßt sich auch in Acylaminomalonestern (oder Acylaminocyanessigestern oder -acetessigestern) das a-ständige H-Atom durch Alkylreste verschiedener Art ersetzen. Im folgenden Präparat wird Acetaminomalonester verwendet. Man erhält ihn aus Malonester durch Nitrosierung mit Nitrit in Eisessig, die zum Oxim des Mesoxalesters führt. CO2C2H5 ^H2 | CO 2 C 2 H 5 + HONO -> CO 2 C 2 H 5 C-NOH | CO2C2H5 ° + Acetylierung Redukti n CO 2 C 2 H 5 > HC-NH-COCH3 | CO2C2H5 Die reduzierende Acetylierung mit Zn-Staub in Eisessig und Essigsäureanhydrid gibt mit guter Ausbeute das Aminosäurederivat. Die Malon- und Acetessigester sind auch der Kupplung mit Diazoniumsalzen zugänglich (S. 603). Darstellung der Phenylhydrazone von a-Ketosäureestern (JappKlingemann-Reaktion). Acetaminomalönsäure-diethylester (Reaktionsgleichung obenstehend) Isonitrosomalonester (Mesoxalesteroxim). — In einem 1-l-Dreihalskolben, der mit Rührer, Tropftrichter und Bunsenventil versehen ist, löst man 16Og (1 mol) Malonsäure-diethylester in 180 ml Eisessig. Dazu gibt man im Verlauf von 8 h portionsweise unter gutem Rühren eine gesättigte wässerige Lösung von 190 g Natriumnitrit. Die anfangs grüne klare Lösung wird allmählich trübe und erwärmt sich auf 35—4O 0 C. Nach Zugabe des Nitrits trennt man in einem Scheidetrichter die Schichten und schüttelt die obere organische Phase einmal gründlich mit gesättigter Kochsalzlösung durch. Am nächsten Morgen wird die untere Kochsalzlösung abgelassen und der obere rohe Isonitrosomalonester durch eine 2 cm dicke feste Schicht von wasserfreiem Natriumsulfat auf der Nutsche abgesaugt, wodurch er wasserklar wird. Man erhält etwa 18Og. Acetaminomalonsäure-diethylester. — Der gesamte rohe Isonitrosomalonester wird in einem 2-I-Weithals-Rundkolben in einer Mischung von 500 ml Eisessig und 500 ml Essigsäureanhydrid gelöst. Unter sehr gutem Rühren trägt man portionsweise 17Og guten Zn-Staub, so ein, daß die Temperatur nicht über 5O 0 C steigt. Bei guter Außen- 422 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern kühlung (Topf mit durchfließendem Leitungswasser) braucht man dazu höchstens 2 h. Man rührt noch weitere 2 h unter Kühlung, läßt absitzen und saugt vom Zinkacetat ab. Ohne ganz trocken zu saugen, wäscht man mit wenig Essigsäureanhydrid nach und hört mit dem Durchsaugen auf, sobald die Nutsche mit dem trockenen Niederschlag sich erwärmt. Niederschlag sofort mit viel Wasser aufschwemmen! Das Filtrat wird im siedenden Wasserbad i. Vak. völlig eingedampft und der feste Rückstand aus 150-20OmI heißem Ethanol umkristallisiert. Man stellt über Nacht in den Eisschrank und erhält grobe farblose Kristalle vom Schmp. 94—96 0 C. Ausbeute: 130-14Og (60-65 d. Th.). D,L-Tryptophan CH3CONHCH(C02C2H5)2 -- Skatyl-acetaminomalonsäure-diethylester. — Die Reaktion wird in extrem wasserfreiem Ethanol ausgeführt, das nach der auf S. 111 beschriebenen Methode bereitet wurde. In 250 ml dieses Alkohols, die sich in einem 500-ml-Zweihals-Schliffkolben befinden, werden 2,8g (0,12g-Atom) Natrium gelöst, dann 21 g (0,12mol) Gramin (S. 353) und 26g (0,12mol) Acetaminomalonester (vorstehendes Präparat). Jetzt gibt man 30g (0,24 mol) Dimethylsulfat (Vorsicht giftig) portionsweise so schnell zu, daß der Ansatz nicht zum Sieden kommt und läßt ihn verschlossen 4 h bei Raumtemperatur stehen. Dann wird in 1—21 Eiswasser eingegossen und das fest abgeschiedene Reaktionsprodukt abgesaugt, das man mit wenig Wasser wäscht und im Exsikkator trocknet. Man erhält 30g (75%) Rohprodukt. Eine aus wässerigem Alkohol umkristallisierte Probe schmilzt bei 152-1 53 0 C. Tryptophan. - 30 g (ca. 0,1 mol) des vorstehend erhaltenen rohen Skatylaminomalonesters werden mit einer Lösung von 19g Natriumhydroxid in 190 ml Wasser 4 h unter Rückfluß zum Sieden erhitzt. Gegen Ende setzt man etwas Aktivkohle zu, filtriert durch ein Faltenfilter in einen 0,5-l-Stutzen und versetzt unter Eiskühlung mit 50 ml eiskalter konz. Salzsäure, wobei die Temperatur nicht über 25 0 C ansteigen darf. Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank wird die leicht rosa gefärbte Skatyl-acetaminomalonsäure abgesaugt und sofort decarboxyliert. Hierzu erhitzt man sie mit 12OmI Wasser 2—5 h unter Rückfluß. Ohne auf eine etwaige Ausscheidung des Decarboxylierungsprodukts /V-Acetyltryptophan Rücksicht zu nehmen, versetzt man dann mit einer aus 16g NaOH und 40 ml Wasser hergestellten Lauge und erhitzt zur Hydrolyse der Acetylverbindung weitere 20 h unter Rückfluß zum Sieden. ,Dann wird mit Aktivkohle entfärbt, heiß filtriert und das Filtrat nach dem Erkalten mit 24 ml Eisessig angesäuert, wobei ein reichlicher Niederschlag ausfällt, der sich beim Aufbewahren im Kühlschrank noch vermehrt. Man saugt am anderen Tag ab und kristallisiert auf folgende Weise um: In 200 ml Wasser, das 5 g NaOH enthält, auflösen, filtrieren, mit 100 ml 96proz. Alkohol versetzen, auf 7O 0 C erwärmen und 7,5 ml Eisessig zugeben. Beim langsameren Abkühlen scheidet sich D, L-Tryptophan in Kristallen ab, die abgesaugt, mit wenig Eiswasser, dann mit Alkohol und schließlich mit Ether gewaschen werden. Sie zersetzen sich ab 17O 0 C. Man erhält 14g (80% bez. auf Skatylaminomalonester). Synthese von Tryptophan und Glutaminsäure 423 Durch Substitution des a-Wasserstoffs in Acylaminomalonestern und Hydrolyse unter Decarboxylierung lassen sich in genereller Weise a-Aminosäuren synthetisieren. Die Alkylierung wird oft mit Hilfe der Alkylhalogenide vorgenommen, z. B. mit Benzylchlorid, was zum Phenylalanin führt. Bei der Tryptophansynthese macht man von der alkylierenden Eigenschaft der Mannich-Basen Gebrauch (siehe S. 354). In ihnen läßt sich der Stickstoff durch nucleophile Substituenten ersetzen, besonders leicht wenn er im quartären, positiven Zustand vorliegt. Die Substitution durch das Anion des Acetaminomalonesters führt zur Vorstufe des Tryptophans. ^ JC-NHCOCH3 W2H5 /O2C2H5 CH2-C — NHCOCH3 —- —- D ,L- Tryptophan W2H5 Michael-Addition D,L-Glutaminsäure aus Acrylnitril CH 3 CONHCH(CO 2 C 2 H 5 ) 2 + CH 3 CONHC(CO 2 C 2 H 5 ) 2 H 2 CCH 2 CN ' H2C=CHCN ° > > H+ H2 HO 2 CCH 2 CH 2 CHCO 2 H NH2 ß-Cyanethyl-acetaminomalonester. — In einem 250-ml-Schliffkolben, der mit einem CaCI2-Rohr verschlossen ist, löst man 0,1 g Natrium in 50 ml absol. Alkohol. Danach gibt man 21,7 g (100 mmol) Acetaminomalonester (Präparat S. 421) zu und versetzt die Suspension unter Schütteln und Außenkühlung mit Eiswasser innerhalb einiger Minuten mit 6,1 g (115 mmol) Acrylnitril. Der klare Ansatz bleibt 1 h bei Raumtemperatur stehen und wird dann unter öfterem Umschütteln im Eisbad abgekühlt. Die ausgeschiedenen Kristalle werden abgesaugt und mit dem geringfügigen Niederschlag vereinigt, der beim Eingießen der alkoholischen Mutterlauge in 200 ml Eiswasser ausfällt. Im ganzen erhält man 22-25 g (ca. 90%) trockenen Nitrilester vom Schmp. 92-940C. D, L-Glutaminsäure. — 21,6g (80 mmol) Cyanethyl-acetaminomalonester werden mit 75 ml konz. Salzsäure 6 h unter Rückfluß zum Sieden erhitzt. Nach dem Eintrocknen i. Vak. nimmt man den Rückstand in 25 ml Wasser auf, stellt mit konz. Ammoniak ein pH von 3 ein und gibt 50 ml Alkohol zu. Das beim Reiben der Gefäßwand bald kristallisierende Glutaminsäuremonohydrat wird nach einigen Stunden abgesaugt und zum Um- 424 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern kristallisieren in 50—80 ml kochendem Wasser gelöst (einige Kristalle zum Impfen zurückbehalten!). Nach dem Filtrieren wird die heiße Lösung (ca. 8O 0 C) mit demselben Volumen 96proz. Alkohol versetzt, angeimpft und unter öfterem Umrühren im Eisbad abgekühlt. Nach 1—2 h wird abgesaugt, mit 20 ml Alkohol gewaschen und an der Luft getrocknet. Man erhält 6,5-7,5 g (49-57%d.Th.) des D, L-Glutaminsäure-monohydrats, das sich ab 199 0 C zersetzt. Eine der Carbonylgruppe oder einem ähnlichen Akzeptor (z. B. —CN, —NO 2 ) benachbarte Kohlenstoffdoppelbindung stellt ein mesomeres System dar, in dem der /J-Kohlenstoff eine starke positive Partialladung trägt: f * —— [*—^f* f\ ^C-C C-O — \ß a /C-C-C-O| \+ f^ /"* f* __ ^l X /(!=C—C = NI « I > X )c—C=C=Uf I Sie ermöglicht die Addition nucleophiler1 Agenzien, z.B. von NH 3 an Acrylester zum ß-Alaninester. Die entsprechende Addition von Carbanionen an solche Systeme bezeichnet man als Michael-Addition. Diese stellt eine bedeutungsvolle präparative Möglichkeit zur C,C-Verknüpfung dar. Während das oben verwendete Acrylnitril einer der stärksten Michael-Akzeptoren ist, gelingt die Reaktion auch mit «,^-ungesättigten Estern, z. B. mit Maleinsäureester: O Il ROC\ /H Il ,C. K+ 1.CH 3 COCHCO 2 R—^ 2. H 3 O + CH3CO RO 2 C CO2R \H_(LH_CH / C0 R ^H Geht man vom Anion des Malon- oder des Acetessigesters aus, so lassen sich die Produkte den üblichen Decarboxylierungsreaktionen und Säurespaltungen unterwerfen. Letzteres gilt auch für die Michael-Addukte der 1,3-Cyclohexandion-Anionen an Acrylnitril und andere elektronenarme Olefine nach Stetter: -CH7-CN Die normale Addition an die isolierte Doppelbindung der Olefine wird bekanntlich durch einen elektrophilen Schritt eingeleitet (vgl. S. 190). Michael-Addition NaOH 425 HO 2 CCH 2 CH 2 CHCOCH 2 CH 2 CHCOH Man unterrichte sich über die Stereochemie der Addition von Na-Malonester an 4-/m-Butyl-l-cyclohexen-l-carbonitril (Abramovitch, Tetrahedron 24, 357 [1968]). Häufig sind für die Durchführung der Michael-Addition katalytische Mengen Base ausreichend. So lagert sich Acetaminomalonester unter der Wirkung von wenig Ethylat an die Doppelbindung des Acrylnitrils an. Die katalytische Menge genügt, da das im Primärschritt gebildete Carbeniation als stärkere Base dem zuvor aus Ethylat entstandenen Alkohol das Proton entzieht, wodurch Ethylat wieder gebildet wird. CO2C2H5 I CH3CONH-C-CO2C2H5 + C 2 H 5 OH H2C-CH-CN CO 2 C 2 H 5 CH3CONH-C-CO2C2H5 + C 2 H 5 O' H2C-CH2-CN Das Additionsprodukt gibt nach der Hydrolyse der Nitril-, Ester- und N-AcetylGruppen unter Decarboxylierung D, L-Glutaminsäure. Genügend reaktionsfähige Partner wie 2-Methyl-l,3-cyclohexandion und Methylvinylketon gehen die Michael-Reaktion gelegentlich schon ohne Katalysatorzusatz in warmem Wasser ein: Das dabei gebildete 2-Methyl-2-(3-oxobutyl)-l,3-cyclohexandion cyclisiert leicht unter Aldol-Kondensation zu dem bicyclischen Diketon 8a-Methyl-l,2,3,4,6,7,8,8aoctahydro-l,6-naphthalindion. Bei der hier angewandten azeotropen Destillation mit Pyrrolidin verläuft der Ringschluß über das Enamin. HoC -H 9 O OH 8a-Methyl-1,2,3,4,6,7,8,8a-octahydro-1,6-naphthalindion In einem 100-ml-Schliffkolben rührt man die Suspension von 5 g 2-Methyl-1,3-cyclohexandion (40 mmol, Herstellung S. 415) und 5,4g Butenon (Methylvinylketon, 426 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern 77 mmol) in 50 ml Wasser 6 h bei 65 0 C. Anschließend entfernt man überschüssiges Methylvinylketon bei 40 0 C i.Vak. am Rotationsverdampfer, sättigt die wässerige Lösung mit NaCI und extrahiert dreimal mit Methylenchlorid. Die CH2CI2-Lösung wird über Natriumsulfat getrocknet, eingedampft und ihr Rückstand im Hochvakuum in einem Kugelrohr destilliert (Badtemperatur 12O 0 C / 0,2Torr). Man erhält 6,5g Michael-Addukt (83%). Die Lösung des Produkts in ca. 25 ml Benzol wird unter Kühlung mit 0,3 ml Pyrrolidin versetzt und anschließend am Wasserabscheider gekocht, bis das Benzoldestillat klar übergeht. Nach dem Abkühlen verdünnt man das Reaktionsgemisch mit Ether und wäscht das Pyrrolidin mit 1N Salzsäure heraus (bis die Waschlösung sauer bleibt). Anschließend wäscht man mit Wasser und gesättigter NaCI-Lösung, trocknet über Natriumsulfat, filtriert, dampft i. Vak. ein und filtriert den Rückstand mit Methylenchlorid, dem man langsam bis zu 3% Essigsäure-ethylester zusetzt, über 15Og Kieselgel. Das Filtrat wird eingedampft und der Rückstand bei 0,2 Torr und 115°C Badtemperatur in einem Kugelrohr destilliert. Man erhält 4,4g (75%) öliges Produkt, das im Kühlschrank kristallisiert. Die Kristalle können mit kaltem Ether gewaschen oder aus wenig Ether umkristallisiert werden und schmelzen dann bei 49—5O 0 C. Auch die in Kapitel VII (S. 379) besprochenen Anionen der Cyanhydrine lassen sich in einer Michael-Reaktion an elektronenarme Doppelbindungen addieren (,Addition von Aldehyden an aktivierte Doppelbindungen", H. Stetter). Weiterführende Literatur zu Kapitel VIII H. Henecka, Carbonsäureester durch Esterkondensationen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. S9 S. 560, Thieme, Stuttgart 1952. C.R. Hauser und B.E. Hudson jr., The Acetoacetic Ester Condensation and Certain Related Reactions, Org. React. /, 266 (1942). C.R. Hauser, F.W. Swamer und J.T. Adams, The Acylation of Ketones to Form /?-Diketones or 0-Keto Aldehydes, Org. React. 5, 59 (1954). J. P. Schaefer und JJ. Bloomfield, The Dieckmann Condensation, Org. React. /5, l (1967). W. S. Johnson, The Formation of Cyclic Ketones by Intramolecular Acylation, Org. React. 2,114 (1944). O. Bayer, Aldehyde aus a,ß-Epoxy-carbonsäuren und Aufbau von Aldehyden aus CarbonylVerbindungen, Methoden der organischen Chemie (Houben -Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/1, S. 326, Thieme, Stuttgart 1954. M. S. Newman und B. J. Magerlein, The Darzens Glycidic Ester Condensation, Org. React. 5,413 (1949). M. Ballester, Mechanisms of the Darzens and Related Condensations, Chem. Rev. 55,283 (1955). H. Henecka, Carbonsäureester durch Abwandlung anderer Carbonsäureester unter Erhalt der Estergruppe, Alkylierung, Acylierung u.a., Methoden der organischen Chemie (Houben-WeylMüller), 4. Aufl., Bd. S9 S. 600, Thieme, Stuttgart 1952. A. C. Cope, H. L. Holmes und H. O. House, The Alkylation of Esters and Nitriles, Org. React. 9, 107(1957). Weiterführende Literatur zu Kapitel VIII 427 H. O. House, The Alkylation of Active Methylene Compounds in Modern Synthetic Reactions, 2. Aufl., S. 492, W. A. Benjamin, Menlo Park 1972. H. Stetter, Darstellung langkettiger Carbonsäuren ausgehend von Cyclohexandionen-(l,3), Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 2, S. 34, Verlag Chemie, Weinheim 1960; Angew. Chem. 67, 769 (1955). D.S. Tarbeil, The Claisen Rearrangement, Org. React. 2, l (1944). S. J.Rhoads und N.R.Raulins, The Claisen and Cope Rearrangements, Org. React. 22, l (1975). H. Henecka, Michael-Addition, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5, S. 590, Thieme, Stuttgart 1952. E. D. Bergmann, D. Ginsburg und R. Pappo, The Michael Reaction, Org. React. 10, 179 (1959). H. O. House, The Michael Reaction in Modern Synthetic Reactions, 2. Aufl., S. 595, W. A. Benjamin, Menlo Park 1972. H.A. Bruson, Cyanoethylation, Org. React. 5, 79 (1949). IX. Metallorganische Verbindungen Experimente: Synthese von Alkoholen Methylmagnesiumiodid, l - Methyl -1 - cyclohexanol Benzhydrol aus Benzaldehyd Triphenylcarbinol aus Benzoesäure-ethylester Synthese eines Ketons aus einem Nitril: Acetophenon Synthese einer Carbonsäure: Cyclohexancarbonsäure Vinylmagnesiumbromid, l -Vinyl -1 -cyclohexanol Beispiel eines Ethinylmagnesiumbromids, 4-Phenyl-3-butin-2-ol Reformatzky-Reaktion, 1-Hydroxyclohexylessigsäure-ethylester aus Cyclohexanon und Bromessigsäure-ethylester n-Butyllithium 2-Diphenylhydroxymethyl-2-ethyl-l,3-dithian Benzylierung von Isobutyraldehyd-cyclohexylimin 2,2 - Dirnethyl - 3 - phenylpropanol 2-Methylthiodecansäure-ethylester Versuch: (E)-2-Decensäure-ethylester über das Sulfoxid 3,3,5,5 -Tetramethylcyclohexanon 3- Phenyl-2-propanol Versuch: Bereitung eines Ylens l-(3-Nitrophenyl)-l,3-butadien l,4-Diphenyl-l,3-butadien m - Nitrozimt säure - methylester a) Methoxycarbonylmethylen-triphenylphosphoran b) m -Nitrozimtsäure-methylester Cyclohexylidenessigsäure-ethylester Dimethylsulfoxoniummethylid und 1,1-Diphenyloxiran die Metall-Kohlenstoff-Bindung 431 IX. Metallorganische Verbindungen In den metallorganischen Verbindungen ist ein Metall unmittelbar an Kohlenstoff gebunden. Die Metall-Kohlenstoff-Bindung ist im allgemeinen stark polarisiert, da Metalle eine viel geringere Elektronegativität als Kohlenstoff besitzen. Häufig ist die ionische Grenzform gemäß Me-C- < » Me® |C— deshalb auch stark beteiligt. Die Carbanionen der metallorganischen Verbindungen sind starke Nucleophile, die für viele bedeutende Reaktionen herangezogen werden können. Zur Darstellung metallorganischer Verbindungen dienen hauptsächlich der Halogen-Metall-Austausch R—HaI + 2Me 1 > R-Me + MeHaI und die Metallierung aktivierter C,H- Bindungen mit Metallen oder anderen metallorganischen Verbindungen. -C-H + Me > -C-Me + ^H 2 -C-H + RMe > -C-Me + RH Weniger wichtige Darstellungsmethoden wie Ummetallierung und Addition von Metallhydriden an Mehrfachbindungen werden an entsprechender Stelle behandelt. Grignard-Verbindungen Synthese von Alkoholen Methylmagnesiumiodid, 1 - Methyl-1 -cyclohexanol O HO CH, -I- CH 3 MgI — — In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler, Tropftrichter (Calciumchloridrohre) und Rührer läßt man auf 6,1 g Magnesiumspäne (0,25 g-Atom) nach und nach die Lo- 432 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen sung von 41 g (18ml, 0,29 mol) Methyliodid (Vorsicht! Methyliodid ist giftig, vgl. S. 149) in 60 ml absol. Ether fließen. Nach Zugabe von ca. 10 ml wartet man das Eintreten der Reaktion ab (Selbsterwärmung unter Sieden des Ethers), das sich durch Eintrübung des Ethers ankündigt. Wenn die Reaktion nicht spontan anspringt, setzt man ein Körnchen lod zu und erwärmt vorsichtig, wenn sie zu heftig wird, kühlt man das Reaktionsgefäß von außen mit Eiswasser. Der Hauptteil der Lösung aus dem Tropftrichter wird so zugefügt, daß das Gemisch ständig am Sieden bleibt. Man spült den Tropftrichter mit etwas absolutem Ether und erwärmt das Reaktionsgemisch beim Abflauen der Umsetzung 30 min mit einer Schale heißem Wasser zum Sieden. Danach ist das Magnesium fast ganz aufgelöst. Man kühlt nun mit Eiswasser und gibt aus dem Tropftrichter unter Rühren die Lösung von 19,6 g (21 ml, 0,20 ml) Cyclohexanon in 20 ml Ether langsam zu. Anschließend erhitzt man noch 15min zum Sieden. Zur Zersetzung des Grignard-Addukts kühlt man wieder mit Eiswasser und setzt solange ca. 7proz. Salzsäure zu, bis sich alles Magnesiumhydroxid aufgelöst hat. Die Etherphase wird abgetrennt und die wässerige Phase noch zweimal mit Ether extrahiert. Die vereinigten Etherphasen werden mit Wasser und konzentrierter Natriumhydrogencarbonatlösung (zur Entfernung von Säureresten) gewaschen und über Kaliumcarbonat getrocknet. Nach dem Abdampfen des Ethers i. Vak. destilliert man den Rückstand im Wasserstrahlvakuum und erhält 18,Og (79%) 1-Methyl-1-cyclohexanol, das bei 69—72 0 C / 25 Torr übergeht und bei Kühlung im Eisbad zu einer bei 25 0 C schmelzenden Kristallmasse erstarrt. Nicht spontan reagierende Grignard-Ansätze können meistens durch Zugabe eines lodkristalls in Gang gebracht werden. Wenn dieses Mittel versagt, kann man einige Magnesiumspäne, die mit absol. Ether vorher durch Dekantieren fettfrei gewaschen wurden, im Reagenzglas zusammen mit einigen Körnchen lod bis zu dessen Sublimation über freier Flamme erhitzen und das so „angeätzte" Metall dem Ansatz zusetzen. Oft hilft es auch, eine Grignard-Reaktion mit wenigen Magnesiumspänen in Ether mit einem gut reagierenden Alkylhalogenid (CH3I, C 2 H 5 Br) im Reagenzglas anlaufen zu lassen und den lebhaft reagierenden Ansatz rasch in den Hauptkolben einzukippen, wenn in diesem außer Magnesium und Ether erst wenig des reaktionsträgen Halogenids enthalten ist. - Manche Halogenide reagieren nur in der Wärme oder im Verlauf von 1-2 Tagen mit dem Metall. In solchen Fällen muß wegen der Autoxidation des Grignard-Reagenzes unter Schutzgas gearbeitet werden. Benzydrol aus Benzaldehyd C 6 H 5 CHO + C 6 H 5 MgBr > (C 6 H 5 ) 2 C(H)OH In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler, Tropftrichter (Calciumchloridrohre) und Rührer läßt man auf 3,2g Magnesiumspäne (0,132 g-Atom) nach und nach die Lösung von 29 g (19 ml, 127 mmol) reinem, konstant siedendem Brombenzol in 50 ml absol. Ether fließen. Man wartet nach Zugabe von etwa einem Viertel der Lösung das Eintreten der Reaktion ab (Selbsterwärmung unter Sieden des Ethers). Durch Eintragen eines kleinen Körnchens lod wird die Reaktion, die sich bisweilen hartnäckig verzögert, sicher und rasch in Gang gebracht. Bei der Bereitung der Phenylmagnesiumbromidlösung Beispiele für Grignard-Reaktionen 433 ist es wichtig, die Umsetzung durch zeitweise Kühlung in mäßigen Grenzen zu halten und den Zufluß des Brombenzols so zu regulieren, daß sie immer von selbst eben weitergeht. Aus dem Tropftrichter wird das restliche Brombenzol mit wenig absol. Ether in den Kolben gespült. Wenn das Metall zum größten Teil gelöst ist und sich ein Abflauen des Prozesses bemerkbar macht, erhitzt man die Lösung in einer Schale mit warmem Wasser zum Sieden, bis nur noch einige Flitter von Magnesium übrig sind. Dann kühlt man in Eiswasser und läßt unter Rühren, zuerst unter Kühlung, 10,6g (1OmI, 0,1 mol) frisch destillierten Benzaldehyd, mit 1OmI Ether gemischt, in rascher Tropfenfolge in die Grignardlösung einfallen. Zum Schluß läßt man noch 15min lang am Rückflußkühler sieden, bringt in die wieder erkaltete Lösung unter gleichzeitiger Außenkühlung auf einmal 20—30 g Eis, dann zur Lösung des Magnesiumhydroxids die eben nötige Menge halbkonz. Salzsäure, trennt die Etherschicht im Scheidetrichter ab und extrahiert mit wenig frischem Ether nach. Sollte an einem mit der Etherlösung benetzten Glasstab noch Benzaldehydgeruch wahrnehmbar sein, schüttelt man die Lösung nach dem Einengen auf das halbe Volumen erst 5 min lang mit einer 40proz. Lösung von NaHSO3 kräftig durch, dann mit wenig Na2CO3-Lösung, trocknet kurz mit Calciumchlorid und erhält nach dem Verdampfen des Ethers das Benzhydrol als bald erstarrendes Öl. Ausbeute nach dem Abpressen auf Ton 12—14g (75—80%). Der Alkohol kann aus Ligroin oder aus wenig Ethanol umkristallisiert werden. Schmp. 68 0 C. Triphenylcarbinol aus Benzoesäure-ethylester C 6 H 5 CO 2 C 2 H 5 + 2C 6 H 5 MgBr > (C 6 H 5 J 3 COH Zu der wie beim vorstehenden Präparat, aber aus der doppelten Menge Magnesium und Brombenzol bereiteten Grignardlösung läßt man 15g (14,3ml, 0,1 mol) Benzoesäureethylester, gemischt mit 15 ml absol. Ether unter den gleichen Bedingungen wie dort zutropfen, hält zum Schluß noch eine halbe h im Sieden und arbeitet wie beschrieben auf. Der feste Rückstand von Triphenylcarbinol wird aus Benzol umkristallisiert. Farblose Prismen vom Schmp. 162 0 C. Ausbeute 20g (- 77% d. Th.). Beim Erhitzen von Benzhydrol in indifferenten Lösungsmitteln bildet sich schon in Gegenwart minimaler Säuremengen der Di-benzhydrylether (SN l -Reaktion des Carbeniumions). Das ist der Grund, warum bei der präparativen Darstellung von Benzhydrol die vollständige Entfernung von schwefliger Säure durch Ausschütteln mit Natriumcarbonatlösung notwendig ist. Da Triphenylmethyl-(Trityl-)ether aus demselben Grund durch milde Säureeinwirkung (oder auch durch katalytische Hydrierung) gespalten werden, kann die Tritylgruppe zur vorübergehenden Blockierung von OH-Gruppen, z. B. in der Zuckerchemie sowie von Thiol- und Aminogruppen in der Peptidchemie dienen. 434 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen Synthese eines Ketons aus einem Nitril Acetophenon NMgBr CH3CN + C 6 H 5 MgBr -> CH3-C-C6H5 Il H O+ 3 > CH 3 COC 6 H 5 Man stellt sich nach der oben gegebenen Vorschrift aus 40 g (26,6 ml, 0,25 mol) Brombenzol und 6,4 g (0,25 g-Atom) Magnesium eine etherische Lösung von Phenylmagnesiumbromid her, läßt dazu die Lösung von 8,0g (10 ml, 0,195 mol) Acetonitril in 10 ml Ether tropfen und erhält das Reaktionsgemisch noch 1 h auf dem Wasserbad im Sieden. Dann gießt man in einen 1-1 -Rundkolben auf Eis, fügt 100 ml etwa 8N Schwefelsäure zu, treibt den Ether und das entstandene Acetophenon mit Wasserdampf über, ethert das Destillat aus, trocknet mit CaCI2 und destilliert das Keton nach dem Wegdampfen des Ethers fraktionierend i. Vak. Sdp. 88 0 C /12 Torr. Ausbeute 10— 12g (45-50% d. Th.). Das Destillat muß wasserhell sein und beim Abkühlen in Eis kristallisieren. Schmp. 22 0 C. Analog kann aus Benzylmagnesiumchlorid und Acetonitril Phenylaceton (1-Phenyl2-propanon) bereitet werden. Das Keton wird über die Hydrogensulfitverbindung gereinigt und i. Vak. destilliert. Die Ausbeute übersteigt nicht 25%, bezogen auf Acetonitril. Synthese einer Carbonsäure Cyclohexancarbonsäure In einem mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter (Calciumchloridrohre) ausgestatteten 250-ml-Rundkolben werden 4,85g (0,20 g-Atom) Magnesiumspäne nach Zugabe einiger lodkristalle mit 3,0 ml von bereitgestellten 23,7 g (23,7 ml, 0,2 mol) Cyclohexylchlorid (S. 144) und 1,OmI absol. Ether versetzt. Man erwärmt vorsichtig mit kleiner Flamme bis die Reaktion angesprungen ist, was sich am freiwilligen Sieden des Ansatzes zeigt. Nun wird mit 25 ml absol. Ether verdünnt und die Hauptmenge des Cyclohexylchlorids, vermischt mit 25 ml absol. Ether mit einer solchen Geschwindigkeit eingetropft, daß der Ether stets am Sieden bleibt. Zum Abschluß wird noch 15 min auf dem Wasserbad zum Sieden erhitzt. Während der Reaktionskolben jetzt mit Leitungswasser abgekühlt wird, zerschlägt man, zunächst unter einem Tuch, dann in einer großen Reibschale rasch 350 g (8 mol) frisch vom großen Stück abgebrochenes festes Kohlendioxid (Trokkeneis) zu erbsengroßen Stückchen, füllt diese sofort in ein 1 - 1 - Becherglas und gießt die Grignardlösung möglichst rasch darauf (starke CO2-Entwicklung). Schnelles Arbeiten ist erforderlich, weil das feste CO2 aus der Luft rapide Wasser ankondensiert. Man rührt einige min mit einem kräftigen Glasstab um und versetzt dann unter stetigem Umrühren mit 20OmI 2IM Salzsäure, wobei das überschüssige Trockeneis verdunstet. Im Scheidetrichter trertnt man die wässerige Schicht vom Ether, schüttelt sie nochmals mit 50 ml Ether aus und vereinigt die Etherlösungen. Sie werden dann 2 mal mit 50 ml 2 N Natronlauge ausgeschüttelt, wobei die Säure als Salz herausgelöst wird. Um den gelösten Ether zu entfernen, wird die alkalische Lösung in einer Saugflasche mit aufgesetztem Gummi- Spezielle Anwendungen der Grignard-Reaktion 435 stopfen an der Wasserstrahlpumpe unter Schütteln 5 min lang dem Unterdruck ausgesetzt. Dann säuert man unter Eiskühlen und Umschütteln mit 50 ml konz. Salzsäure an, wobei die Säure meist zuerst ölig, aber bald kristallisierend ausfällt. Man erhält 14—15 g Rohprodukt, die nach dem Absaugen und Trocknen im Exsikkator über konz. H 2 SO 4 durch Vakuumdestillation aus einem kleinen Schwertkolben gereinigt werden. Bei 122 bis 124 0 C / 15 Torr gehen 13-15 g (50-60% d.Th.) rasch erstarrende Säure über, die bei 31 0 C schmelzen. Der nicht sehr intensive, aber auf die Dauer unangenehme Geruch der alicyclischen Fettsäure haftet tagelang an Händen und Kleidern. Deshalb vermeide man Verspritzen und unsauberes Arbeiten hier besonders. Vinylmagnesiumbromid, 1-Vinyl-1-cyclohexanol H2C = CHBr+ Mg -^-— H2C = CHMgBr THF HO CH = CH2 In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter (Calciumchloridrohre) werden 6,1 g (0,25 g-Atom) Magnesiumspäne mit 80 ml absol. Tetrahydrofuran 1 übergössen und mit einem Körnchen lod versetzt. Aus 32,Og (21 ml, 0,30 mol) Vinylbromid und 80 ml absol. THF, die beide im Tiefkühlschrank vorgekühlt sind (Vinylbromid siedet bei 16 0 C!) bereitet man eine Lösung, von der man aus dem Tropftrichter sofort ca. 5 ml zulaufen läßt. Nun rührt man und erwärmt gegebenenfalls vorsichtig mit einem warmen Wasserbad, bis sich der Beginn der exothermen Reaktion durch Verblassen der lodfarbe zu erkennen gibt. Danach wird der Rest der Vinylbromidlösung langsam so eingetropft, daß das Reaktionsgemisch eine Temperatur von 40-5O0C behält. Anschließend erwärmt man von außen für 30min auf 5O 0 C. Danach ist alles Magnesium verbraucht. Man kühlt langsam unter Rühren zunächst auf Raumtemperatur und dann auf O 0 C. Dabei scheidet sich das Vinylmagnesiumbromid feinkristallin ab. Bei O 0 C werden unter weiterem Rühren 19,6g (0,20 mol) Cyclohexanon in 50 ml absol. Ether zugetropft. Anschließend rührt man über Nacht bei Raumtemperatur und gießt dann auf 15OmI gesättigte, eisgekühlte und mit Eisstücken versetzte Ammoniumchloridlösung, trennt die organische Phase ab und schüttelt die wässerige Phase noch dreimal mit je 100 ml Ether nach. Die vereinigten organischen Lösungen werden über wenig Natriumsulfat von anhaftenden Wassertropfen befreit, filtriert und zur Entfernung des Tetrahydrofurans am Rotationsverdampfer bei nicht mehr als 5O 0 C Badtemperatur eingedampft. Man nimmt den Rückstand mit 10OmI Ether auf und trocknet sorgfältig über Pottasche. Nach Filtrieren und Abdampfen des Ethers geht der Rückstand bei 15 Torr und 66-69 0 C über: 16,3 g (65%), die beim Abkühlen zu einer bei ca. 5 0 C schmelzenden Masse erstarren. Vorsicht bei der Reinigung von THF, vgl. Warnung in Organic Syntheses, CoIl. Vol. 5, S. 976, J. Wiley and Sons, New York, London, Sydney, Toronto 1973. 436 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen Mit Vinylrnagnesiumc/7/o/vtf ist die Ausbeute höher, jedoch kann nicht mehr auf einen mit Kühlsole gespeisten Rückflußkühler verzichtet werden. Beispiel eines Ethinylmagnesiumbromids, 4-Phenyl-3-butin-2-ol C6H5C=CH + C 2 H 5 MgBr + CH 3 CHO > > C6H5C=CMgBr + C2H6 C6H5C=CMgBr C6H5C=C-CH-CH3 OH Man bereitet eine Ethylmagnesiumbromidlösung aus 6,1 g Magnesiumspänen (0,25 gAtom), 29,4g (20 ml, 0,27 mol) Ethylbromid und 60 ml absol. Ether, wie bei Methylmagnesiumiodid (S. 431) beschrieben. Nach 30min Kochen kühlt man die Grignardlösung auf Raumtemperatur und tropft unter Rühren und gelegentlichem Kühlen die Lösung von 22,0 g (23,6 ml, 0,22 mmol) Phenylacetylen in 25 ml absol. Ether zu. Nach kurzer Zeit beginnt die Entwicklung von Ethan. Vorsicht} Es entstehen etwa 5,5 I leicht brennbares Ethan, das mit Luft explosive Gemische bilden kann. Man lösche alle Flammen in der Nähe und leite das Ethan von dem Calciumchloridrohr auf dem Rückflußkühler durch einen Schlauch direkt in den Abzugskamin. Nach Abklingen der spontanen Reaktion erhitzt man 3 h zum Sieden, kühlt dann auf O 0 C ab und tropft die Lösung von 19,6g (25ml, 0,44 mol, Überschuß!) frisch destilliertem Acetaldehyd in 30 ml absol. Ether zu. Anschließend wird über Nacht bei Raumtemperatur gerührt. Zur Aufarbeitung gießt man das Gemisch auf 150 ml eisgekühlte, gesättigte Ammoniumchloridlösung, der man reichlich Eisstücke zugesetzt hat. Nach Trennung der Phasen und Nachethern der wässerigen Lösung werden die vereinigten etherischen Phasen über Natriumsulfat getrocknet, filtriert und eingedampft. Der Rückstand wird bei 138—144 0 C / 1 6 Torr über eine kurze Kolonne destilliert und ergibt 24,0 g (75%) eines gelblichen Öls, das für die Oxidation zu 4-Phenyl-3-butin-2-on verwendet werden kann (S. 481). Alkyl- und Arylhalogenide lösen in Gegenwart von absol. Ether metallisches Magnesium zu Grignard- Verbindungen auf (V. Grignard, 1901). Diesen wichtigsten metallorganischen Verbindungen der klassischen organischen Chemie schreibt man gewöhnlich die Formel RMgHaI zu. Am raschesten gehen die lodide, dann die Bromide, schließlich die Chloride diesen Halogen-Metall-Austausch ein. Der für das Eintreten der Reaktion notwendige Ether ist zu 2 Molekülen komplex an das Grignard-Reagenz gebunden. 5 2 . , 2 5 O R— Mg— HaI 6 H5C2 C2H5 Außer Diethylether können auch andere aliphatische Ether offener oder cyclischer Mechanismus der Grignard-Reaktion 437 Struktur aber auch terf-Amine verwendet werden. Das oben beschriebene Vinylmagnesiumbromid kann z.B. nur in absol. Tetrahydrofuran erhalten werden (H. Normant, 1957). In Etherlösung scheint für die Grignard-Verbindungen die einfache Formel zumindest nicht uneingeschränkt zuzutreffen. Mit Dioxan läßt sich im Falle des Ethylmagnesiumbromids MgBr2 ausfällen, während Mg(C2H5)2 in Lösung bleibt. In Anwesenheit von Mg(C2H5)2 löst sich MgBr2 in Ether zu einer Lösung, die in jeder Beziehung der Grignardlösung aus Ethylbromid und Mg gleicht. Es liegt also ein Disproportionierungsgleichgewicht vor, das man als Schlenk-Gleichgewicht bezeichnet. 2RMgBr ?=* MgR2 + MgBr2 Die wahre Struktur des Grignard-Reagenzes ist sicher komplexer und stark vom Lösungsmittel und der Konzentration abhängig. Zur Formulierung seiner Reaktionsweise kann man sich aber einfacher der allgemein gebrauchten Formel RMgX bedienen. Die Grignard-Verbindungen reagieren wie Carbanionen, da die kovalente Bindung zwischen Kohlenstoff und dem Metall stark polarisiert ist. Sie werden durch Substanzen, die aciden Wasserstoff enthalten, unter Anlagerung des Protons an R zersetzt: H-r-R' i^i R-LMg-X > HR + R'MgX Es entsteht in diesem Fall der dem angewandten Halogenid entsprechende Kohlenwasserstoff RH und eine neue Magnesium-organische Verbindung, die z. B. bei den Acetylen-Grignard-Verbindungen ihrerseits synthetische Verwendung findet. Das einfachste Beispiel dieser Art ist die Zerlegung durch Wasser H3CMgI + HOH > CH4 + HOMgI Daher: vollständiger Feuchtigkeitsausschluß bei allen Grignard-Reaktionen! Da die Magnesium-organischen Verbindungen außerdem leicht von Sauerstoff oxidiert werden, ist bei länger dauernden Umsätzen Arbeiten unter einem Inertgas angebracht. In analoger Weise wie Wasser reagieren Alkohole, Phenole, Carbonsäuren, primäre und sekundäre Amine, Oxime usw. Acetylen gibt durch MgX-Übertragung die Magnesium-organische Verbindung HC=C-MgBr, die sich auf andere Weise nicht herstellen läßt. In dem oben beschriebenen Beispiel (S. 436) wurde Phenylethinylmagnesiumbromid in gleicher Weise bereitet. Dies sind Beispiele einer Metallierung durch Wasserstoff-Metall-Austausch. Bromacetylene RC=CBr sind zwar leicht erhältlich, sie reagieren jedoch mit Magnesium nicht im Sinne einer Grignard-Reaktion. 438 Kapitel DC. Metallorganische Verbindungen Da ein reaktionsfähiges Wasserstoffatom aus einer Grignard- Verbindung stets l mol Kohlenwasserstoff befreit, kann man die Anzahl aktiver Wasserstoffatome einer Analysensubstanz durch Umsetzung mit Methylmagnesiumiodid und Messen der gebildeten Methanmenge quantitativ bestimmen (Zerewitinow). Für Synthesen ist die hervorragende Additionsfähigkeit der Grignard -Verbindungen von weit größerer Bedeutung. Es findet allgemein Anlagerung des negativierten organischen Rests an ungesättigte Systeme, wie /C=O, /C=N —, —C=N, —N=O, statt; /C=C(^ und —C=C — reagieren nur, wenn sie in Konjugation zu einer der erstgenannten Gruppen stehen (vgl. S. 45 1 ). Die Addition geht in der Weise vor sich, daß das Grignard -Reagens in Gestalt der beiden Komponenten R ( - ) und MgHal (+) aufgenommen wird, und zwar greift der negative Rest immer die Elektronen-ärmere Seite, im Fall von /C=O also das C-Atom an. In dieser Beziehung gleicht die Reaktion der auf S. 361 besprochenen Aldolbildung oder der ersten Stufe der Esterkondensation (S. 404). Auch die Michael-Addition (S. 423) findet ihre Parallele in der Reaktion a,/?-ungesättigter Carbonylverbindungen (vgl. S. 451). Für die Einwirkung von Methylmagnesiumbromid auf Acetaldehyd ergibt sich nachstehende Gleichung: OMgBr CH3-C + CH3MgBr -> C \ Durch Wasser wird das Alkoholat hydrolytisch zersetzt. Als Resultat ist Acetaldehyd in Isopropylalkohol umgewandelt worden. Man kann die Addition von Grignard -Verbindungen allgemein als „aufbauende Hydrierung" bezeichnen und versteht so folgende Grignard-Synthesen: Formaldehyd Ethylenoxid andere Aldehyde Ketone Kohlendioxid -> -> —> —> —> primäre Alkohole (RCH2OH) primäre Alkohole (RCH2CH2OH) sekundäre Alkohole tertiäre Alkohole Carbonsäuren R Nitrile —> Ketone (über Ketimine \C=NH) Die Reaktion der Ester, Chloride und Anhydride verläuft etwas komplizierter. Auch hier findet in der ersten Phase die übliche Addition an die C=O-Gruppe statt. Das Produkt eliminiert jedoch C 2 H 5 OMgBr zum Keton, das seinerseits rascher mit weiterem Grignard-Reagens umgesetzt wird als der Ausgangsester. Umfang der Grignard-Reaktion OMgBr R-C-CH3 OC 2 H 5 O -C 2 H 5 OMgBr 439 O > > " R — r — CH U 3 ^ Il OMgBr CH3MgBr R _ C / CH CH3 H-C OC 2 H 5 + RMgBr > R—C{H "2^ > R-CHO Die Zersetzung durch Wasser liefert schließlich auch hier den tertiären Alkohol. Im Falle des Ameisensäureesters, den man im Überschuß anwendet, gelingt es, die Reaktion im ersten Stadium aufzuhalten und durch Zersetzung des l: 1-Addukts mit Wasser Aldehyde zu gewinnen. Besonders geeignet für die Darstellung von Aldehyden ist Dimethylformamid. Über die Darstellung von Ketonen aus Carbonsäurederivaten siehe S. 441. An stickstoffhaltigen Gruppierungen greift das Grignard-Reagens in gleicher Weise ein. Nitrile ergeben dabei Ketone. Nitrosobenzol läßt sich mit Phenylmagnesiumbromid in Diphenylhydroxylamin, (C6H5)2NOH, überführen. Endständige Acetylene werden außer über ihre Grignard-Verbindungen auch als Natrium- und Lithiumacetylide in flüssigem Ammoniak umgesetzt. Neben den üblichen Ethinylcarbinolen des oben beschriebenen Typs, besitzen die aus Ethoxyacetylen erhältlichen Ethoxyethinylcarbinole praktische Bedeutung. Ihre partielle Hydrierung mit Lindlar-Katalysator (S. 547) führt zu Ethoxyvinylcarbinolen, die sich als 3-Hydroxyenolether mit Säure leicht zu a,ß-ungesättigten Aldehyden hydrolysieren lassen: C2H M gBr ; u U2H6 C2H5OC=CH > C 2 H 5 OC=CMgBr RCQR ' > \-C=C-OC2H6 / I R' OH Rv H 2 /ündlar Rx Zu dem großen Anwendungsbereich kommt eine weitere Reaktion, die bei der Darstellung des Grignard-Reagenzes häufig unerwünscht auftritt, bisweilen aber auch angestrebt wird. Die Grignard-Verbindungen setzen sich, als metallorganische Verbindungen mit organischen Halogenverbindungen oder Toluolsulfonsäureestern im Sinne einer Wurtz-Reaktion um. RMgHaI + HaIR' > R—R' + Mg(HaI)2 Besonders geeignet sind hierfür AlIyl- und Benzyl-Grignard-Verbindungen, bei deren Herstellung man durch Verwendung eines Magnesium-Überschusses und sehr langsames Zutropfen des Halogenids die C,C- Kupplung vermindern kann. 440 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen Auch aromatische Reste verknüpfen sich in dieser Weise. So kommt es, daß man bei der Darstellung von Phenylmagnesiumbromid stets etwas Biphenyl als Nebenprodukt erhält. Viele der hier besprochenen Reaktionen von Grignard-Reagenzien werden auch von den anderen metallorganischen Verbindungen in analoger Weise gegeben. Besonders dient die Zersetzung mit Wasser zu Kohlenwasserstoffen allenthalben für die Gehaltsbestimmung einfacherer metallorganischer Verbindungen und die Reaktion mit Kohlendioxid zu Carbonsäure für den Nachweis metallorganischer Verbindungen. Zink- und Cadmium-organische Verbindungen Reformatzky- Reaktion 1-Hydroxycyclohexylessigsäure-ethylester aus Cyclohexanon und Bromessigsäure-ethylester C 5 H 10 CO + BrCH 2 CO 2 C 2 H 5 -^-> C 5 H 10 C(OH)CH 2 CO 2 C 2 H 5 6,6 g (ca. 0,1 g-Atom) fein granuliertes Zink werden mit 40 ml Benzol überschichtet und durch Auflösen eines Körnchens lod angeätzt. Man bereitet ein Gemisch aus 1OmI (0,1 mol) Cyclohexanon, 33ml trockenem Toluol und 11,1 ml (0,1 mol) Bromessigsäure-ethylester, von dem man zunächst 15 ml dem Zink/Benzol zusetzt. Nun wird zum Sieden erwärmt (Rückfluß) und unter ständigem Sieden der Rest des Gemisches langsam zugetropft. Nach weiterem 3-stündigem Rückflußkochen ist das Zink fast völlig in Lösung gegangen. Das Reaktionsgemisch wird mit 15OmI 2N Schwefelsäure gut durchgeschüttelt, die organische Phase abgetrennt, 2mal mit wenig 2N Schwefelsäure, dann einmal mit 10proz. KHCO3-Lösung ausgeschüttelt und über Na2SO4 getrocknet. Bei der Vakuumdestillation geht nach dem Abdampfen des Toluols und nach wenig Vorlauf die Hauptmenge des Esters bei 115—12O 0 C/ 12 Torr über. Man erhält 12,2 g (=65%d.Th.). Dialkylzink-Verbindungen waren die ersten in der organischen Chemie verwendeten metallorganischen Verbindungen (E. Frankland, 1849). Heute besitzen Zinkorganische Verbindungen noch Bedeutung bei der Reformatzky- und der SimmonsSmith-Reaktion. In der Reformatzky-Reaktion werden a-Halogencarbonsäureester, seltener andere a-Halogencarbonsäurederivate oder a-Halogenketone in die Znorganischen Verbindungen umgewandelt, die mit Ketonen oder Aldehyden die substituierten /Miydroxycarbonsäureester bilden. Aus diesen kann man leicht Wasser zu entsprechenden a,ß-ungesättigten Estern abspalten. BrCH 2 CO 2 C 2 H 5 + Zn > BrZnCH 2 CO 2 C 2 H 5 > > ( K W^CH 2 CO 2 C 2 H 5 BrZnCH2 CO 2 C 2 H5 2 5 + ( )=0 V_/ /—\ /—\ /QH Reformatzky- und Simmons-Smith-Reaktion 441 Die Reformatzky-Verbindungen sind gegenüber Carbonylgruppen weniger reaktiv als etwa Grignard-Verbindungen. Im Gegensatz zu diesen reagieren sie nicht mehr mit Estercarbonylgruppen, was ihre Darstellung erst ermöglicht. Nur in besonderen Fällen können Reformatzky-Verbindungen wie die Alkylmagnesiumhalogenide vorab gesondert dargestellt werden. Normalerweise gibt man, wie in dem obigen Experiment a-Halogencarbonsäureester und Keton zusammen zu dem aktivierten Zink, wobei beide Reaktionen unmittelbar hintereinander ablaufen. Bei der Simmons-Smith-Reaktion (1959) läßt man Zink, das durch Aufziehen von Kupfer oder besser Silber (J. M. Conia, 1972) aktiviert wurde, auf Diiodmethan einwirken. Die entstehende Zink-organische Verbindung IZnCH2I addiert sich an Doppelbindungen unter Bildung von Cylcopropanringen. Statt des Zink-Kupfer-Paares kann auch (C2H5)2Zn eingesetzt werden. Der Angriff der Zn-organischen Verbindung auf die Doppelbindung erfolgt elektrophil. Deshalb werden elektronenreiche Doppelbindungen besser umgesetzt als z.B. a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen. Auffallend ist die Nachbargruppenhilfe von Hydroxyl in Allylalkoholen. .OH Zn(Cu) Durch Ummetallierung erhält man aus Grignard-Verbindungen mit Cadmiumdibromid die Cadmium-organischen Verbindungen R2Cd, die besonders gut für den Aufbau von Ketonen aus Carbonsäurechloriden geeignet sind. 2RMgBr R 2 Cd + CdBr2 + R'COCI > > R 2 Cd + 2MgBr 2 RCdCI R'COR + Bei den Grignard-Verbindungen hatten wir erwähnt (S. 438), daß die Primärprodukte von Carbonsäurederivaten mit einem zweiten Mol des Reagenzes rascher reagieren als die Carbonsäurederivate mit dem ersten, was zur Bildung von tert-Alkoholen Anlaß gibt. Carbonsäurechloride sind am ehesten geeignet, die Stufe des Ketons abzufangen, und mit R2Cd gelingt dies weit besser als mit RMgX. Eine Ausnahme bilden die Thiolester mit 2-Pyridinthiol (T. Mukaiyama, 1973), die auch mit Grignard-Verbindungen in guten Ausbeuten Ketone liefern. Im Kap. VIII (S. 407) haben wir die Claisen-Kondensation von Estern mit DMSO und nachfolgender reduktiver Spaltung zu Methylketonen besprochen. Andere Me- 442 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen thoden zur Gewinnung von Ketonen aus Carbonsäuren folgen auf den Seiten 450 und 453. Lithium-organische Verbindungen Lithium-organische Verbindungen sind starke Basen und starke Nucleophile, sie sind im allgemeinen reaktionsfähiger als die entsprechenden Grignard-Verbindungen. Die einfachen Vertreter wie Methyl-, n-Butyl- und Phenyllithium werden aus metallischem Lithium und den entsprechenden Alkylhalogeniden analog den GrignardVerbindungen dargestellt (siehe S. 443 und 683). Dazu wird das geschmeidige Lithium-Metall zu Drähten oder Bändern gepreßt oder einfach mit einem Hammer flach geschmiedet und mit der Schere zu schmalen Streifen geschnitten. Schwierigere Präparationen wie tert-Euiyl- und Vinyllithium erfordern den Einsatz von Lithium-Dispersion unter Argon-Schutzgas. n-Butyllithium kann in Ether (S. 443) oder Petrolether dargestellt werden, für sec- und terf-Butyllithium findet nur Petrolether (Pentan) Verwendung. Methyllithium sowie n-, sec- und terf-Butyllithium sind (in Lösung) kommerziell erhältlich und werden immer seltener im Labor dargestellt. Eine besonders wichtige Rolle spielt das n-Butyllithium bei der Metallierung C,H-aktiver Verbindungen, d. h. bei der Darstellung komplizierterer lithium-organischer Verbindungen. Ein besonders wichtiges Beispiel ist die Deprotonierung von Phosphoniumsalzen in der WittigReaktion (siehe S. 455): (C 6 H 5 J 3 P-CH 2 R X- + ,7-C4H9Li > (C6H5J3P-CH-R Li X- _yx > (C 6 H 5 J 3 P-CHR « > (C 6 H 5 J 3 P-CHR Die Basizität der Lithiumalkyle hängt von ihrer Struktur und den Bedingungen der Reaktion ab: ter/-Butyllithium ist stärker basisch als sec-Butyllithium und dieses wieder stärker als n-Butyllithium. In Hexan liegt n-Butyllithium hauptsächlich als hexameres Assoziat vor, während es in Ether oder THF unter Komplexierung des Lithiums mit dem Ethersauerstoff bis zu Dimeren und Monomeren aufgespalten wird. Dabei erhöht sich die Basizität des metallorganischen Reagenzes. Eine besondere Steigerung der Basizität erreicht man in den monomeren JV,N,JV',JV'-Tetramethyl-ethylendiamin-Komplexen, in denen die Polarisierung der C,Li-Bindung verstärkt ist: Einen ähnlichen Effekt übt der Zusatz polarer nichtprotischer Lösungsmittel wie z. B. HMPT (S. 169) aus, die ebenfalls das Li-Kation komplexieren und das Butylanion damit basischer und nucleophiler machen. Einfache Lithiumorganische Verbindungen CH 3 CH 3 443 .-N x CH 2 C4H9- - . . Li | '•• CH3 CH3 /\ / CH 2 n-Butyllithium C 4 H 9 Br + 2Li > C4H9Li + LiBr Ein 500-ml-Dreihalskolben mit Rührer, Stickstoffeinlaß mit Tieftemperaturthermometer und einem Pulvertrichter auf dem dritten Hals wird mit 200 ml absol. Ether gefüllt und mit einem langsamen Strom getrocknetem Stickstoff durchspült. Über dem Trichter schneidet man 8,6 g (1,25 g-Atom) flach gehämmertes Lithium mit einer Schere in schmale Streifen, die noch blank in den Ether fallen sollen. Nun ersetzt man den Pulvertrichter durch einen Tropftrichter mit Druckausgleich und Calciumchloridrohr, der 68,5 g (53 ml, 0,5 mol) /7-Butylbromid in 10OmI absol. Ether enthält. Man startet den Rührer, gibt etwa 30 Tropfen der Butylbromid-Lösung hinein und kühlt den Kolben mit einem Kohlendioxid/Methanol-Bad von -30 bis -4O 0 C auf -1O 0 C. Wenn die Lösung trübe wird und auf dem Lithium helle Flecken erscheinen, ist die Reaktion angesprungen. Nun tropft man die restliche Butylbromid-Lösung in 30min zu und hält die Temperatur dabei auf -1O 0 C. Anschließend wird noch 2 h weitergerührt, wobei die Temperatur auf 0-1O0C steigen darf, jedoch nicht darüber, da Butyllithium Ether bei Raumtemperatur merklich spaltet. Man filtriert das Reaktionsgemisch — möglichst unter Stickstoff — durch einen Trichter mit Glaswolle in eine trockene Flasche, in der sich beim Stehen im Eisschrank auch die feineren Schwebestoffe absetzen. Zur Aktivitätsbestimmung und für die Umsetzung in Reaktionen pipettiert man von der überstehenden Lösung ab. Die Ausbeute beträgt 80—90%. Die Aktivität der Lösung wird auf folgende Weise bestimmt: 2 ml werden abpipettiert und in ca. 10 ml Wasser hydrolysiert. Titration mit 0,1N Säure gegen Phenolphthalein gibt den Wert für die Gesamt-Base. Mit einer frischen Pipette werden nun abermals 2 ml der Reagenzlösung abgemessen und in eine Lösung von 1 ml frisch destilliertem Benzylchlorid in 10 ml absol. Ether gegeben. Dabei reagiert nur das /7-Butyllthium gemäß C 4 H 9 Li + C 6 H 5 CH 2 CI > C 6 H 5 (CH 2 J 4 CH 3 + LiCI Nach 1 min titriert man die Restbase wie oben. Die Differenz der beiden Titrationen entspricht der Konzentration an /?-Butyllithium. Die wie oben hergestellte Lösung ist etwa 1,2 M. Bei höherer Reaktionstemperatur aber in sonst entsprechender Weise kann Butyllithium aus A7-Butylchlorid in Hexan oder Benzol dargestellt werden. Das kommerziell erhältliche Butyllithium ist in Hexan gelöst. Für seine Gehaltsbestimmung genügt eine einfache Titration mit 0,1N Säure nach Hydrolyse in Wasser. 444 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen Phenyllithium Darstellung siehe S. 683. 2- Diphenylhydroxymethyl-2-ethyl-1,3-dithian C2H5 H-C 4 H 9 Li -SC2H5 C 6 H 5 COC 6 H 5 H S Li S C-C 6 H 5 I OH Ein 250-ml-Dreihalskolben wird mit Rührer, Calciumchloridrohr und Tropftrichter mit Druckausgleich ausgerüstet, auf den Tropftrichter wird ein Dreiwegehahn gesetzt, dessen zwei andere Enden zu einem Luftballon und einer Stickstoffbombe führen. Auf diese Weise ist es möglich, den Kolben mit Stickstoff zu durchspülen oder den Ballon aufzublasen und (bei verstopftem Calciumchloridrohr) mit der Apparatur zu verbinden. Im Kolben löst man 7,4g (0,05 mol) 2-Ethyl-1,3-dithian (Präparat von S. 339) in 50 ml absol. THF, in den Tropftrichter füllt man 30 ml einer 1,65M (0,05 mol) ButyJlithiumlösung (käuflich oder wie oben dargestellt, Gehalt durch Titration, wie dort angegeben, bestimmen). Man spült die Apparatur mit Stickstoff, verschließt das Calciumchloridrohr mit einem Gummistopfen, schaltet auf den mit Stickstoff gefüllten Ballon um, kühlt den Kolben mit einem Kohlensäure-Methanol-Bad auf -3O 0 C, tropft das Butyllithium ein und rührt 5 h bei dieser Temperatur. Anschließend kühlt man den Kolben durch Zusatz weiterer fester Kohlensäure auf -78 0C, füllt unter Durchblasen von Stickstoff die Lösung von 9,1 g (0,05 mol) Benzophenon in 20 ml absol. THF in den Tropftrichter, schaltet wieder auf den Ballon um, tropft die Benzophenon -Lösung zu, läßt das Bad auf Raumtemperatur kommen und rührt noch 24 h weiter. Die fachgerechte Ausführung des Präparats nach D. Seebach, Synthesis 1969, 17, verlangt Injektion der Reagenzien durch ein Septum in die geschlossene Apparatur, die hier geschilderte, einfachere Arbeitsweise gestattet jedoch die Darstellung des Präparats mit einer erträglichen Ausbeute-Einbuße. Man gießt das Reaktionsgemisch auf 200 ml Wasser, schüttelt dreimal mit Methylenchlorid aus, wäscht die gesammelten Extrakte zweimal mit je 100 ml 10proz. Kalilauge und einmal mit Wasser, trocknet über Pottasche, filtriert, dampft das Filtrat am Rotationsverdampfer ein und kristallisiert den Rückstand aus 300 ml Methanol. Ausbeute 9,7 g (59%), Schmp. 117 0 C. Durch Einengen der Mutterlauge gewinnt man weitere 1,2g Dithian (zusammen 66%). Neben den Phosphoniumsalzen sind viele Schwefelverbindungen begünstigte Objekte der Metallierung mit Butyllithium. Während Thioether sich nur schwer deprotonieren lassen, bilden Mercaptale (Dithioacetale bzw. -ketale) und hier besonders die cyclischen 1,3-Dithiane nach E. J. Corey und D. Seebach (1965) leicht S-stabilisierte Carbanionen. Geht man vom unsubstituierten 1,3-Dithian aus, so gelangt man nach der ersten Alkylierung zur Stufe der Aldehyde: Lithiierte Dithiane 445 HgCl2 R R _CHO CH ° Man bezeichnet solche Reaktionen, bei denen Ketone durch Einführung eines elektrophilen Restes R in geeignete Carbanionen dargestellt werden, als „Umpolungsreaktionen" (D. Seebach, 1969). Die im 1,3-Dithian „latent" oder „maskiert" enthaltene Acylgruppe RCO reagiert dabei nicht in der gewohnten Form des elektro- philen Acylkations RCO, das mit einem Nucleophil R " ein Keton bilden würde (siehe S. 441), sondern unter „Umpolung" als (verkapptes) nucleophiles Acylanion „RCO" mit einem Elektrophil. Man spricht deshalb auch von „nucleophiler Acylierimg". Wir haben ein derartiges Verhalten bereits am Anion des Benzaldehydcyanhydrins kennengelernt (siehe S. 380), allgemeiner verwendbar sind Cyanhydrine, deren Hydroxygruppe durch Veretherung mit leicht abspaltbaren Resten geschützt ist. Auch durch Metallierung von Enolethern und Thioenolethern erhält man Acylanion-Äquivalente. Li I CH / \ lCH3 / > .SC2H5 > H C-C Fl ^ W 2 H2C=CHSC2H5 Li ,SC2H5 -?*-+ H2C-C. X HgC 2 ' > CH 3 COR R In den bis hier besprochenen Reaktionen wurde n-Butyllithium stets als Base verwendet, und die benutzten Substrate besaßen keine elektrophilen Gruppen, mit denen Butyllithium als Nucleophil reagiert hätte. Solche Gruppen sind Carbonylgruppen aller Art, Imine, Sufoxide u.a.m. Auch die Cyangruppe in den oben erwähnten, veretherten Cyanhydrinen würde Butyllithium als Nucleophil addieren, so daß man für die Deprotonierung auf andere Basen ausweichen muß. Als starke Basen, die keine nucleophilen Eigenschaften besitzen, haben sich Lithiumdialkylamide bewährt, besonders häufig werden Lithium-diisopropylamid (LDA) und Lithium-diethylamid verwendet. Ersteres erhält man (S. 448) vor der Metallierungsreaktion aus der Umsetzung von Diisopropylamin mit einem Äquivalent n-Butyllithium, das zweite bequemer aus Lithium-Metall und Diethylamin bei Gegenwart von Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPT, S. 169). 446 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen [(CH 3 ) 2 CH] 2 NH (C 2 H 5 J 2 NH + + LiC4H9 Li HMPT -> > [(CH 3 J 2 CH] 2 NLi + ^H2 + C 4 H 10 (C 2 H 5 J 2 NLi Die Lithium-dialkylamide dienen besonders zur Metallierung von Methylen- oder Methingruppen in der Nachbarschaft von Akzeptoren wie z. B. Estern, Amiden und Nitrilen (R. H. Schlessinger 1973): CH 3 CH 2 CH 2 CO 2 CH 3 LDA > CH 3 CH 2 CHCO 2 CH 3 Li (CH3)2CHBr -LiBr > CH 3 CH 2 CHCO 2 CH 3 I CH(CH 3 ), Die dabei als Zwischenstufen auftretenden Lithium-organischen Verbindungen entsprechen den bei der Claisen-Kondensation formulierten, werden hier jedoch in stöchiometrischer Menge erhalten, während sie bei der klassischen Claisen-Kondensation nur in geringer Menge am Gleichgewicht beteiligt sind und aus diesem bevorzugt abreagieren (siehe S. 404). Demgegenüber kann man das Lithiumsalz des Essigsäure-terrbutylesters aus Essigsäure-fmbutylester mit Lithiumcyclohexylisopropylamid als bei Raumtemperatur stabile Verbindung erhalten: u< CH3-C \ THF/-80°C \ ,0 OC(CH 3 J 3 I - —- LiCH7-C L OC(CH 3 J 3 Sie kann wie oben alkyliert oder mit anderen Elektrophilen abgefangen werden; Ester mit kleineren Alkoholkomponenten müssen durch Beibehaltung tiefer Temperaturen vor der Claisen-Kondensation mit der eigenen Estergruppe bewahrt werden und sind nur bei -780C in THF stabil. Die reaktionsfähigeren Aldehyde und Ketone werden oft in Form ihrer Imine metalliert (Stork, 1963). Dazu reichen bereits Grignard-Verbindungen als Basen aus, aber die Lithium-dialkylamide haben sich auch hier stärker durchgesetzt. Benzylierung von Isobutyraldehyd-cyclohexylimin In einem 25Q-ml-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter und Trockenrohr bereitet man eine Lithiumdiethylamidlösung durch Eintragen von Lithiumstreifen, die mit einer Schere von 1,18g (0,17 g-Atom) flach gehämmertem Lithiummetall geschnitten werden, in ein gerührtes Gemisch von 30 ml Hexamethylphosphorsäuretriarnid (HMPT), 35ml Benzol und 12,5 g (17,8 ml, 0,17 mol) Diethylamin. Bis zum Beginn und gegen Ende der Reaktion muß etwas erwärmt, nach Eintritt der Reaktion wenig mit Wasser gekühlt werden. Stork-Alkylierung der Imine CH3 CH3 447 Li + CH3 / / \CH - C H = N - ( \ „,._., ^A H ^ LiN(C 2 H 5 J 2 ^ CH3 V~*-T r~\ c *"*c"ic[ v_y / CH3 C6H5CH2-C-CH = N-/~\ CH3 Anschließend kühlt man die braunrote Lösung in einem Dewar-Gefäß mit Methanol, das durch Eintragen von fester Kohlensäure auf -6O 0 C gehalten wird. Um das Gemisch rührbar zu halten, werden 15 ml absol. THF zugesetzt. Dann tropft man 26,1 g (0,17 mol) Isobutyraldehyd-cyclohexylimin (Präparat von S. 344) zu und läßt unter weiterem Rühren in 2 h auf-20 0 C kommen. Man kühlt auf-70 0C, tropft 21,7 g (19,6 ml, 0,17 mol) Benzylchlorid zu, entfernt das Kühlbad und rührt weiter, bis sich das Gemisch auf Raumtemperatur erwärmt hat. Man gießt es dann auf 200 ml Wasser, setzt Ether zu, schüttelt durch, wäscht die etherische Phase noch dreimal mit Wasser, trocknet über Natriumsulfat, dampft i. Vak. ein und destilliert den Rückstand im Vakuum der Ölpumpe, Sdp. 102 0 C / 0,1 Torr, Ausbeute 24,9g (60%). 2,2-Dimethyl-3-phenylpropanal CH3 CH3 / \ C6H5CH2C-CH = N - ^ ) CH3 I — -~- HUO+ 3 C 6 H 5 CH 2 -C-CHO CH3 I Man erwärmt 20,0 g des benzylierten Imins unter Rühren mit 100 ml 2N H 2 SO 4 30 min zum Sieden. Nach dem Abkühlen wird ausgeethert, die Etherphase zweimal mit gesättigter Ammoniumsulfatlösung gewaschen, über Natriumsulfat getrocknet, i. Vak. eingedampft und destilliert, Sdp. 11O 0 C / 18 Torr, Ausbeute 7,7g (58%). In dem hier behandelten Beispiel wird Isobutyraldehyd auf dem Umweg über das Cyclohexylimin neben der Aldehydgruppe benzyliert. Angriffspunkt des Elektrophils und Elektronenverteilung im Carbanion bei der Stork-Alkylierung entsprechen denen in einem Enamin, die Ladungsdichte und damit auch die Reaktionsbereitschaft sind beim metallierten Imin jedoch viel größer. Die Umsetzung von Imin-Carbanionen mit Carbonylverbindungen gestattet die Durchführung von „gezielten Aldolkondensationen" (Wittig 1963), in denen auch Ketone mit schwachem (5( + )-Charakter die Rolle der Carbonylkomponente übernehmen können. So reagiert das Carbanion des Acetaldehyd-cyclohexylimins mit Acetophenon zu dem durch Wasserstoffbrücke stabilisierten Hydroxyimin, dessen Hydrolyse zu 3-Methylzimtaldehyd führt. Dieser könnte durch Aldolkondensation der freien Komponenten (Acetaldehyd und Acetophenon) nicht erhalten werden, da 448 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen dann Acetaldehyd als Carbonylkomponente mit sich selbst und mit Acetophenon als Methylenkomponente reagieren würden (formulieren!). C6H5 CH 3 CH = N-^) -^- LiCH2CH = N CH3 H3 O 3 CH 2 -CH c X N 0-H''' . - C 6H5, \ C = CH-CHO C"/ An Stelle der Imine lassen sich auch die JV,JV-Dimethylhydrazone von Aldehyden und Ketonen mit LDA metallieren (E. J. Corey, D. Enders 1976). 2-Methylthiodecansäure-ethylester CH 3 (CH 2 J 7 CH 2 CO 2 C 2 H 5 2 c^SSCH3 > CH 3 (CH 2 J 7 CHCO 2 C 2 H 5 SCH 3 Man stellt eine Apparatur wie bei dem Präparat auf S. 444 zusammen und füllt in den Kolben die Lösung von 5,5g (7,5ml, 55 mmol) Diisopropylamin in 50 ml absol. THF und in den Tropftrichter 34 ml 1,62M Butyllithiumlösung (käuflich oder nach Präparat S. 443), füllt Apparatur und Ballon mit Stickstoff, schaltet bei verschlossenem Calciumchloridrohr auf den Ballon um, kühlt den Kolben im Kohlensäure-Methanol-Bad auf -78 0 C, tropft die Butyllithiumlösung zu und rührt 15 min bei -78 0 C. Unter Durchspülen von Stickstoff wird der Tropftrichter nun mit der Lösung von 10,0 g (11,5 ml, 50 mmol) Decansäure-ethylester in 25 ml absol. THF beschickt. Man schaltet auf den Ballon um, tropft die Lösung zu und rührt noch 30 min bei -78 0 C. Anschließend spült man wieder mit Stickstoff und füllt die Lösung von 5,65 g (6,0 ml, 60 mmol) Dimethyldisulfid in 10 ml absol. THF in den Tropftrichter. Man schaltet auf den Ballon um, tropft die Lösung bei -78 0 C zu, entfernt das Kühlbad, laßt den Kolben auf Raumtemperatur kommen und rührt noch 45 min. Dann gießt man das Gemisch in einen Schütteltrichter mit Ether und 10proz. Salzsäure. Nach Abtrennen der wässerigen Phase wäscht man nochmals mit 10proz. Salzsäure und mit gesättigter Natriumhydrogencarbonat-Lösung und trocknet die Etherphase über Natriumsulfat. Das Filtrat wird am Rotationsverdampfer eingeengt und der Rückstand im Vakuum der Ölpumpe über eine kurze Kolonne destilliert. Nach einem Vorlauf siedet das Produkt bei 132—145 0 C/0,4 Torr, Ausbeute 7,9 g (64%). Die Reinheit des Präparats läßt sich am besten im NMR-Spektrum in CCI4 kontrollieren: Man vergleicht die Höhe des CH3S-Siguletts bei 2,06 ppm (3H) mit der des Ethylmethylen-Quartetts bei 4,13 ppm (2H). Der RF-Wert auf einer Kieselgel-Dünnschichtplatte mit Chloroform beträgt 0,7 (Anfärben mit loddampf). a,ß-ungesättigte aus gesättigten Estern Versuch: (E)-2-Decensäure-ethylester über das Sulfoxid CH 3 (CH 2 ) 6 CH 2 —CH-CO 2 C 2 H 5 SCH3 CH3(CH2J6-CH=CH-CO2C2H5 Hl 4 449 ° > CH 3 (CH 2 ) 6 CH 2 -CH—CO 2 C 2 H 5 SOCH3 H Ue ' > Zur Lösung von 1,0g 2-Methylthiodecansäure-ethylester (4 mmol) in 13ml Methanol tropft man die Lösung von 0,87 g Natrium-meta-periodat in 6 ml Wasser und rührt das Gemisch 24 h bei Raumtemperatur. Anschließend saugt man in einer kleinen Nutsche ab, wäscht den Rückstand mehrmals mit Methanol, dampft die gesammelten Filtrate am Rotationsverdampfer ein, nimmt das zurückbleibende Öl in Ether auf und trocknet mit Natriumsulfat. Beim Eindampfen des Filtrats am Rotationsverdampfer bleibt das Sulfoxid als gelbes Öl zurück. Im Dünnschichtchromatogramm an einer Kieselgelplatte mit Chloroform ist der R F -Wert nun 0,2 der Fleck bei 0,7 soll weitgehend verschwunden sein. Das Sulfoxid wird in einem kleinen Kolben mit Kühler und Stickstoff-Ballon im Ölbad 8 h unter Stickstoff auf 120 0 C erhitzt. Anschließend destilliert man bei 0,4 Torr und einer Badtemperatur von 100-13O0C in ein Kugelrohr: 0,75g (93%) 2-Decensäure-ethylester. Im NMR-Spektrum zeigen die Signale für die beiden Olefin-Protonen, H-2 Dublett bei 5,73 ppm (J = 16 Hz) und H-3 Dublett-Triplett bei 6,88 ppm (J = 7 und 16 Hz) (in CCI4), das Vorliegen der reinen E-Konfiguration. Vielfältig wie die metallierbaren Verbindungen ist auch die Zahl der Elektrophile, mit denen Carbanionen abgefangen werden können. Wir haben ausführlich Alkylhalogenide, Carbonylverbindungen und Ester besprochen. Daneben führen Chlorameisensäureester zu (ß-Keto)-Carbonsäureestern, a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen zu 1,2-Addition an der Carbonylgruppe und 1,4-Addition im Sinne der Michael-Reaktion (siehe S. 423) und Epoxide zu y-Hydroxy-Verbindungen. Im vorstehenden Präparat dient Dimethyldisulfid als Elektrophil zum Abfangen des Ester-a-carbanions. Der entstehende a-Methylthioester läßt sich leicht zum Sulfoxid oxidieren, das im Sinne einer Cope-Eliminierung (S. 493) glatt zum a,/?-ungesättigten Ester eliminiert (B.M.Trost, 1976). Dabei bildet sich überwiegend der E-konfigurierte 2-Decensäureester. Solche Eliminierungen verlaufen viel milder als die klassischen Abspaltungen von Halogenwasserstoff aus a-Halogencarbonsäureestern. Zu Carbonylgruppen a-ständige Sulfoxide und Selenoxide sind allgemein vorteilhafte Zwischenstufen bei der Umwandlung von gesättigten in a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen. Dianionen Genügend starke Basen vermögen zahlreiche Carbanionen ein weiteres Mal zu deprotonieren. Dabei versuchen die negativen Ladungen sich möglichst auszuweichen. 450 Kapitel DC. Metallorganische Verbindungen Bei der Behandlung von Acetylaceton mit Natriumamid in flüssigem Ammoniak bildet sich zunächst das klassische 3-Carbanion, bei weiterer Einwirkung der Base wird jedoch auch die !-Stellung deprotoniert. Die weniger sauren, also schwerer herstellbaren Carbanion-Positionen sind immer auch die nucleophileren, so daß das Dianion an der !-Stellung alkyliert wird, was neue präparative Möglichkeiten gegenüber der klassischen Alkylierung von 1,3-Diketonen eröffnet. Na+ Na+ Na+ 1 CH 3 COCH 2 COCH 3 NH3 " 2 > CH 3 COCHCOCH 3 ^"" 2 NH3 > H 2 CCOCHCOCH 3 CH 3 (CH 2 J 4 COCH 2 COCH 3 ß-Ketoester können nicht mit Natriumamid deprotoniert werden. Man stellt den klassischen Natriumacetessigester z. B. mit Natriumhydrid in THF dar und kann nun die Zweitdeprotonierung mit n-Butyllithium vornehmen, da der Carbonylcharakter von Keto- und Estergruppe im Monoanion bereits so stark abgeschwächt ist (Delokalisierung der negativen Ladung, formulieren!), daß keine nucleophile Addition mehr eintritt. Die Alkylierung erfolgt auch hier nicht in der klassischen a-, sondern in der y-Position: Na+ Na+ CH 3 COCH 2 CO 2 R ^u"3' > TH F " " > a CH 3 COCHCO 2 R "- *"* c u > LiCH 2 COCHCO 2 R CH 3 CH 2 COCH 2 CO 2 R Eine gewichtige Rolle spielt die Dianion-Bildung auch in der Reihe der Carbonsäuren. Hatte schon Ivanoff 1931 gezeigt, daß Phenylessigsäure mit überschüssigem Grignardreagens in der a-Position deprotoniert wird, so läßt sich diese Reaktion mit Lithium-diisopropylamid oder Butyllithium auf eine große Zahl von Salzen aliphatischer Carbonsäuren übertragen. Li | CH 3 CHCO 2 Na CH3 I C4H9-CH-CO2H CH 3 CH 2 CO 2 Na 0 ^1' > i r HB 2 H o* > Diese Reaktionsfolge würde die klassische Malonester-Synthese ersetzen können, gibt aber häufig nicht so gute Ausbeuten wie diese. Bei der Umsetzung von Carbonsäuren mit einem Überschuß von Methyllithium bildet sich zunächst das Lithiumcarboxylat, und anschließend wird ein mol Methyllithium an die Carboxylatgruppe addiert. Hydrolyse gibt dann das um ein C-Atom längere Methylketon. Dianionen und Kupferorganische Verbindungen 451 -CH4 Auch dies ist eine brauchbare Methode zur Darstellung von Ketonen aus Carbonsäuren (vgl. S. 442). Kupfer-organische Verbindungen 3,3,5,5-Tetramethylcyclohexanon O CH 3 MgJ^ CuCl O a) Darstellung von Kupfer(l)-chlorid Zu einer, in einem 250-ml-Becherglas gerührten, heiß bereiteten Lösung von 10,Og Kupfer(ll)-sulfat-Pentahydrat und 2,6 g Natriumchlorid in 32 ml Wasser gibt man portionsweise in größeren Abständen bei Raumtemperatur die Lösung von 2,1 g Natriumhydrogensulfit und 1,8g Natriumhydroxid in 16 ml Wasser. Das ausgefallene Kupfer(l)chlorid wird abgesaugt, zweimal mit je 20 ml Ethanol und 20 ml Ether gewaschen und 45 min im Hochvakuum getrocknet. Es ist licht- und luftempfindlich und muß alsbald eingesetzt werden. Ausbeute ca. 3 g. b) Grignard-Reaktion In einem 500-ml-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter und Rückflußkühler mit Calciumchloridrohr bereitet man, wie auf S. 431 beschrieben, die Grignard-Lösung aus 5,8g (0,24g-Atom) Magnesium, 34,0 g (15ml, 0,24 mol) Methyliodid (Vorsicht! Methyliodid ist giftig, vergleiche S. 149) in 90 ml absol. Ether. Wenn sich nach kurzem Kochen unter Rückfluß alles Magnesium gelöst hat, kühlt man auf Raumtemperatur, fügt 2,0g (8mol%) nach a) frisch bereitetes Kupfer(l)-chlorid zu und rührt 45min. Anschließend kühlt man auf 5 0 C ab und tropft unter äußerer Kühlung mit einem Eisbad 27,6 g (30 ml, 0,2 mol) Isophoron in 30 ml absol. Ether so zu, daß die Temperatur des Reaktionsgemisches nicht über 10—15 0 C steigt. Man kocht noch 1 h, zersetzt dann mit 25g Eis und fügt solange unter Kühlung mit Eiswasser 15proz. Salzsäure zu, bis sich alles Magnesiumhydroxid gelöst hat. Die etherische Phase wird abgetrennt und die wässerige zweimal mit je 20 ml Ether nachgewaschen. Man vereinigt die etherischen Lösungen, trocknet über Natriumsulfat, zieht den Ether am Rotationsverdampfer ab und fraktioniert den Rückstand aus einem 250-ml-Zweihalskolben mit Siedekapillare über eine kurze Kolonne im Wasserstrahl vaku u m. Bei 16 Torr destilliert das Produkt nach einem Vorlauf von Nebenprodukten bei 82—830C, Ausbeute 19,0 g (62%). Die Reinheit des Präparats überprüft man am besten im 1H-NMR-Spektrum. Im Olefinbereich (5—6 ppm) dürfen keine Signale auftreten, vielmehr erscheinen nur Singuletts bei 1,06 (CH 3 ), 1,60 (CH 2 -4) und 2,16 ppm (CH2-2,6) in CDCI3. 452 Kapitel DC. Metallorganische Verbindungen «,^-Ungesättigte Carbonylverbindungen verfügen über zwei elektrophile Zentren: das Carbonyl- und das ß-C: O Demzufolge kann der Angriff von metallorganischen Reagenzien zu zwei isomeren Produkten führen. Lithiumalky l-Verbindungen greifen immer nur das Carbonyl-C an (1,2-Addition), Grignard-Verbindungen reagieren dagegen weniger eindeutig. M. S. Kharasch beobachtete 1941, daß man Grignard-Verbindungen durch Zusatz von Cu(I)-Ionen zur überwiegenden 1,4-Addition im Sinne einer Michael-Reaktion bewegen kann, hiervon macht die oben beschriebene Darstellung von 3,3,5,5-Tetramethylcyclohexanon aus Isophoron Gebrauch. Bei dieser Reaktion treten Kupferorganische Verbindungen als Zwischenprodukte auf, die man auch in stöchiometrischem Verhältnis gewinnen kann. HO CH3 Übersichtlicher sind indessen die Dialkylkupferlithium-Verbindungen. Das beim Umsatz von Kupfer(I)-iodid mit Methyllithium in Ether unlöslich ausfallende Methylkupfer geht mit einem weiteren mol Methyllithium wieder in Lösung. Dabei bildet sich das sogenannte Dimethylkupferlithium (H. H. Gilman, H. O. House, E. J. Corey, G.H. Posner): P|_| CuI + CH3Li > CH3Cu 3 I: > (CH 3 J 2 CuLi Wie die von uns verwendete Formel des Grignard-Reagenzes bezeichnet auch R2CuLi nur in vereinfachter Weise ein kompliziertes Gleichgewichtssystem. R kann verschiedene Gruppen darstellen: Alkyl, Allyl, Vinyl und Phenyl sowie kompliziertere, substituierte Vertreter dieser Gruppen. Alle werden nach der oben für Dimethylkupferlithium angegebenen Methode hergestellt. Oft wird die Kupfer-organische Verbindung durch Phosphine oder Thioether als Liganden stabilisiert. Umsetzungen der Kupfer-organischen Verbindungen 453 Dialkylkupferlithium reagiert nur langsam oder gar nicht mit gesättigten Ketonen, sehr selektiv jedoch mit a,ß-ungesättigten Carbonylverbindungen unter 1,4-Addition. Besonders vielseitig sind dabei die Divinylkupferlithium-Derivate, die bei entsprechender Substitution der Doppelbindung deren Konfiguration bewahren. OC 2 H 5 2H2C = C +CuI -- H 2 C=C (CuLi Li u ö OC2H5 CH3 COCH 3 CH 3 -C=C-CO 2 CH 3 -^ (C 7 H 15 I 2 CuLi - C=C x C7H1/ (E) H \ CO2CH3 / Dialkylkupferlithium geht auch C,C-Verknüpfungen im Sinne von Wurtz-Reaktionen mit Alkyl- und Vinylhalogeniden, Epoxiden und Allylacetaten ein, auch hierbei spielen Divinylkupferlithium-Derivate wieder eine bevorzugte Rolle, sie behalten ihre Konfiguration an der Doppelbindung bei. Aus Säurechloriden und Dialkylkupferlithium erhält man die entsprechenden Alkylketone. Aluminium- und Quecksilber-organische Verbindungen Von den zahlreichen Aluminium- und Quecksilber-organischen Verbindungen soll hier nur auf jene eingegangen werden, die durch Addition an Doppelbindungen gebildet werden. Alane ähneln in ihrer Reaktionsweise den Boranen, was wir schon bei der Besprechung der Zieglerschen Polyethylenherstellung (S. 210) und des Diisobutylaluminiumhydrids (S. 538) beobachten konnten. Dieses wird technisch durch Vermählen von Aluminiumgrieß mit Isobuten und Wasserstoff unter Druck und anschließende Pyrolyse des Triisobutylalans gewonnen. Dabei kann der erste Schritt als Addition von Alan an die Doppelbindung (Hydroaluminierung) aufgefaßt werden. Diisobutylaluminiumhydrid kommt als ungefährliche 20-25 proz. Lösung in Toluol oder Hexan in den Handel und dient als selektives Reduktionsmittel (S. 538). An Olefine addiert es sich in Umkehrung des zweiten Schrittes bei seiner Darstellung. 454 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen ,CH3 3HC=C Während die durch Ummetallierung aus Grignard-Verbindungen erhaltenen Dialkylquecksilber-Verbindungen 2RMgBr + HgBr2 > R 2 Hg + 2MgBr 2 in der präparativen organischen Chemie keine wichtige Rolle spielen, haben die durch Hydroxymercurierung mit Quecksilber(II)-acetat erhältlichen 2-Hydroxylalkylquecksilberacetate erhebliche Bedeutung erlangt, da sie sich mit Natriumboranat glatt zu den sekundären Alkoholen reduzieren lassen (H. C. Brown, 1967). 3-Phenyl-2-propanol OH C6H5CH2CH=CH2 H fl (OCOCH 3 ) 2 > C 6 H 5 CH 2 CHCH 2 HgOCOCH 3 OH Na B H 4 H g . > C 6 H 5 CH 2 CHCH 3 In einem 500-ml-Dreihalskolben mit Rührer löst man 16,Og Quecksilber(ll)-acetat in 50 ml Wasser, setzt 50 ml Tetrahydrofuran und anschließend 5,85 g (6,5 ml, 50 mmol) Allylbenzol zu und rührt 15 min bei Raumtemperatur. Der mit THF gefallene gelbe Niederschlag löst sich nach Zugabe des Olefins wieder auf. Nun setzt man 50 ml 12proz. Natronlauge und 50 ml einer 2proz. Lösung von Natriumboranat in 12proz. Natronlauge zu, dabei wird die Quecksilber-Kohlenstoff-Bindung fast augenblicklich unter Abscheidung von elementarem Quecksilber reduziert. Man sättigt die wässerige Phase unter gelinder Kühlung mit 150 g Kaliumcarbonat und trennt die THF-Phase im Scheidetrichter ab. Sie wird über Kaliumcarbonat getrocknet und im Vakuum eingedampft. Den Rückstand destilliert man bei 10O 0 C/10 Torr in einem Kugelrohr: 5,45g (80%) Ausbeute. Die in dem Präparat veranschaulichte Reaktionsfolge entspricht im Resultat der Markownikow-Hydratisierung des Ausgangsolefins. Diese gelingt jedoch nur unter stark sauren Bedingungen in der Wärme, während der Umweg über die Hydroxymercurierung durchweg bei Raumtemperatur und praktisch neutralem pH, also unter sehr milden Bedingungen abläuft. Hydroxymercurierung und Wittig-Reaktion 455 Wittig-Reaktion Eine der heute wichtigsten C,C-Verknüpfungsreaktionen wurde erst 1954 von G. Wittig aufgefunden, es ist die gemeinhin als Wittig-Reaktion bezeichnete Carbonyl-Olefinierung. In der typischen Ausführungsform wird ein Alkyltriphenylphosphonium-Salz (S. 159) in absolutem Ether unter Luftausschluß mit einer starken Base wie Butyl- oder Phenyllithium zu dem leuchtend orangegelb bis rot gefärbten, mesomeren Phosphinalkylen (Ylen <-> Ylid) umgewandelt, das beim Zutropfen von Ketonen oder Aldehyden unter Entfärbung Olefine bildet, z. B. (C 6 H 5 J 3 PCH 3 BrC6H5 C6H5C C6Hs C _;^ > (C6H5J3P-CH2 «-^ (C6H5J3P-CH2 Ylen Ylid ° > C6H5 fi n ,C=CH2 + (C 6 H 5 J 3 PO Durch nucleophilen Angriff des Ylens an der Carbonylgruppe bildet sich zunächst ein Betain, das über einen Oxaphosphetanring als Übergangszustand oder Zwischenprodukt in Olefin und Triphenylphosphinoxid zerfallt: R \6W R 8H \ _- R \ R \ R / ~ ~ ^ C-QI H 2 C-P(C 6 H 5 J 3 > C^O H 2 C^P(C 6 H 5 J 3 > C + O CH2 P(C 6 H 5 J 3 H 2 C^P(C 6 H 5 ) 3 Die Betaine scheiden sich in etherischer Lösung häufig ab, sie sind bei tiefer Temperatur stabil, zersetzen sich jedoch meist schon in siedendem Ether, manchmal schon bei Raumtemperatur in der gewünschten Weise. Wenn dies nicht hinreichend schnell geschieht, erhitzt man im Bombenrohr oder besser in siedendem, absolutem Tetrahydrofuran. Versuch: Bereitung eines Ylens (C 6 Hs) 3 PCH 2 CH = CH2 Br" ""0^1'» (C6H5J3P = CH-CH = CH2 In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rührer, Calciumchloridrohr und Tropftrichter rührt man die Suspension von 6,0g (16 mmol) trockenem, staubfeinem Allyl-triphenylphosphoniumbromid (S. 1 59) in 75 ml absol. Ether, tropft zunächst aus einer Pipette und nach Eintritt der Gelbfärbung aus dem Tropftrichter 8,5ml (14 mmol) der 1,65M Butyllithiumlösung (vorher titrieren, siehe S. 443) hinzu und rührt 60 min bei Raumtemperatur. Aus der tiefroten Suspension scheidet sich das Ylen langsam gelb aus. 456 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen 1-(3-IMitrophenyl)-1,3-butadien NO2 (C 6 H 5 ) 3 P=CH-CH = In die wie oben bereitete Suspension des Ylens tropft man 1,5 g m-Nitrobenzaldehyd in 20 ml absol. Ether (durch vorsichtiges Erwärmen lösen) zu, jedoch längstens bis die Ylen-Farbe verschwunden ist. Man rührt noch 1 h bei Raumtemperatur und saugt unumgesetztes Phosphoniumsalz, Triphenylphosphinoxid und Lithiumbromid durch eine breite Nutsche mit gutsitzendem Filter ab. Der Filterrückstand wird, noch ehe er zerfließt, zweimal mit Ether nachgespült. Man wäscht die vereinigten Filtrate im Scheidetrichter mit verdünnter Schwefelsäure und Wasser, trocknet über Natriumsulfat und erhält beim Eindampfen das rohe Butadien als empfindliches gelbes Öl. Zur Reinigung löst man es in 5 ml Benzol und gibt die Lösung auf eine mit Petroleumbenzin (Sdp. 25— 4O 0 C) und 100 ml (Schüttvolumen) grobem Kieselgel gefüllte Säule (S. 86). Man spült mit 2 ml Benzol nach und eluiert zunächst mit 200 ml Petroleumbenzin (Sdp. 25— 4O 0 C) das Benzol und anschließend mit 1 I Petroleumbenzin 2% Ether das Butadien. Das Eluat wird in 100-ml-Erlenmeyer-Kolben aufgefangen, von denen man mit einer Kapillare Flecke auf eine Dünnschichtplatte setzt. Man entwickelt die Platte mit Ether und macht das Produkt (R F -Wert 0,75) mit loddampf sichtbar. Die das Produkt enthaltenden Kolben werden vereinigt, man dampft sie vorsichtig im Rotationsverdampfer ein und trocknet den Rückstand im Hochvakuum: 0,60g (34%) gelbes Öl, das im Tiefkühlfach kristallin erstarrt. Es enthält noch c/s-Anteil, das reine trans- Produkt kann man durch verlustreiche Kristallisation bei -2O 0 C aus sehr wenig Ethanol erhalten. Es schmilzt bei 55 0 C. 1A- Diphenyl -1,3- butadien (C6H5J3P-CH2-CH=CH-C6H5 Cr > + LiOC2H5 + LiCI + C 2 H 5 OH (C6H5J3P=CH-CH=CH-C6H5 (C6Hg)3P=CH-CH=CH-C6H5 > + C 6 H 5 CHO (C 6 H 5 J 3 PO C6H5-CH=CH-CH=CH-C6H5 + Man bereitet sich zunächst eine 0,2ISI Lösung von Lithiumethylat in Ethanol, indem man 0,42 g Lithium, mit einer Schere in feine Streifen geschnitten, unter Rühren in 300 ml absolutes Ethanol einträgt und weiterrührt, bis alles Metall gelöst ist. In einem 1 -l-Dreihalskolben mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter löst man 20,0 g (48,3 mmol) Cinnamyl-triphenylphosphoniumchlorid (S. 159) und 5,5g (5,25ml, 52 mmol) Benzaldehyd in 70 ml absolutem Ethanol und gibt 253 ml der 0,2N Lithiumethylatlösung durch den Tropftrichter in raschem Strahl unter Rühren zu. Das Gemisch färbt sich orangerot und scheidet alsbald das Produkt in glänzenden Blärtchen ab. Man rührt noch 30 min, gibt dann 230 ml Wasser zu und saugt das Produkt ab. Die Mischung aus 50% Ethanol und Wasser ist so gewählt, daß Triphenylphosphinoxid noch nicht ausfällt. Man wäscht die Kristalle mit 50 ml 60proz. Ethanol und trocknet sie bei 65 0 C im Vakuum: 5—6 g Beispiele für die Wittig-Reaktion 457 (50-60%). Zur Reinigung wird aus Toluol unter Zusatz von Cyclohexan oder Ethanol umkristallisiert, 3,2g (32%) Schmp. 147-1520C. Das Präparat findet Verwendung für die Diels-Alder-Synthese auf Seite 202. A7?-Nitrozimtsäure-methylester a) Methoxycarbonylmethylen-triphenylphosphoran (C 6 Hs) 3 PCH 2 CO 2 CH 3 Br NaQH (C 6 Hs) 3 P=CHCO 2 CH 3 In einem 500-ml- Becherglas werden 10,4g (25 mmol) Methoxycarbonylmethyltriphenylphosphoniumbromid (S. 159) in 250 ml Wasser gelöst. Man setzt einige Tropfen einer Phenolphthaleinlösung zu und tropft unter Rühren 1N NaOH bis zum Farbumschlag nach Rot ein (ca. 25 ml). Der ausgefallene Niederschlag wird abgesaugt, gut i. Vak. oder auf einer Tonplatte getrocknet und aus 100 ml Essigester kristallisiert: 7,1 g (85%) des stabilen Ylens vom Schmp. 17O 0 C. b) A7?-Nitrozimtsäure-methylester NO2 'CH-CO 2 CH 3 + l' j +(C 6 H 5 J 3 PO CO2CH3 In einem 250-ml-Rundkolben kocht man die Lösung von 3,0 g (20 mmol) m-Nitrobenzaldehyd und 7,8 g (23 mmol) Methoxycarbonylmethylen-triphenylphosphoran 3 h in 75 ml Benzol unter Rückfluß, dampft das Benzol i. Vak. ein und kristallisiert den Rückstand aus wenig Methanol. Dabei bleibt das Triphenylphosphinoxid in Lösung. Man erhält 2,7 g (65%) m-Nitrozimtsäure-methylester als gelbe Prismen, Schmp. 124 0 C. Je stärker die Phosphor -Ylene durch Akzeptorgruppen stabilisiert werden, desto leichter verläuft auch ihre Bildung aus den Phosphoniumsalzen. Benzyl-triphenylphosphoniumchlorid kann schon in viel bequemerer Weise mit Ethylatanionen in das Ylen umgewandelt werden, hierfür dient das oben beschriebene Cinnamyl-triphenylphosphoniumchlorid als Beispiel, das mit Lithiumethylat in Ethanol zum Ylen deprotoniert wird. Das besonders aktivierte Methoxycarbonylmethyl-triphenylphosphoniumbromid läßt sich bereits mit wässeriger Sodalösung in das Ylen umwandeln, im obigen Präparat, m-Nitrozimtsäure-methylester, wird verdünnte Natronlauge verwendet. In dem sich bildenden Methoxycarbonylmethylenphosphoran wird die negative Ladung vom C-2 so wirkungsvoll zum Sauerstoff der Carbonylgruppe delokalisiert, daß das Ylen farblos und gegen Wasser und Luft beständig ist. Unter normalen Umständen reagiert es aber nur noch mit Aldehyden und nicht mehr mit Ketonen. Ähnlich verhalten sich Ylene, die durch Keto-Carbonylgruppen stabilisiert werden. 458 Kapitel DC. Metallorganische Verbindungen o (C 6 Hs) 3 PCH 2 CO 2 CH 3 Br"°°"> (C6H5)3P-CH-C/< > (C6H5J3P-CH=C OCH (öf OCH Den oben erläuterten Beispielen entsprechend, ist die Darstellung der nichtaktivierten Phosphinalkylene mit Butyllithium oder Phenyllithium besonders aufwendig. Oft sind die Ausbeuten an Olefinen auch nicht sehr hoch. Methylencyclohexan bildet sich aus Cyclohexanon und dem mit Butyllithium erzeugten Methylentriphenylphosphoran nur mit 40% Ausbeute. Eine bedeutende Verbesserung der Reaktion erzielt man indessen, wenn man das Ylen mit dem aus Natriumhydrid erhältlichen Natrium-dimethylsulfoxid in trockenem DMSO bereitet (70% neben etwas Benzol). (C6H5)3P-CH3 - - (C6H5J3P = CH2 Br" -^- CT° Besondere Aufmerksamkeit hat man der Stereochemie der Olefine gewidmet, die aus Ylenen und Aldehyden erhalten werden (Schlosser, Bestmann). Die nichtstabilisierten Ylene neigen dabei deutlich zur Ausbildung von cis-(Z)- Olefinen. (C6H5J3P=CHR + R'CHO -> C=C \ + /=C\ H (Z) H H (E) R' Über Möglichkeiten zur stereoselektiven Darstellung von seinen (Z)- oder (E)Produkten unterrichte man sich in der Spezialliteratur. Die carbonylstabilisierten Ylene bilden mit Aldehyden praktisch ausschließlich (E)-Olefine, weniger gut stabilisierte Ylene nehmen eine Mittelstellung ein. Die Ursachen für die stereoselektiven Abläufe der Wittig-Reaktionen sind komplex und werden durch die Geschwindigkeiten der einzelnen Teilschritte kontrolliert. Viele funktionelle Gruppen reagieren nicht mit Phosphinalkylenen und können deshalb Bestandteil der Ylene oder ihrer Reaktionspartner sein. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Synthese von Aldehyden aus Methoxymethylentriphenylphosphoran, das man aus Chlordimethy lether erhält: (C 6 H 5 J 3 P + CICH2OCH3 -> (C6H5J3P-CH2-OCH3 (C6H5)3P=CH-OCH3 _, """" > R-CH=CH-OCH3 -^_+ R-CH2-CHO Homer- Wadsworth-Emmons-Reaktion Cyclohexylidenessigsäure-ethylester O Il Il (C 2 H 5 O) 2 P-CH 2 CO 2 C 2 H 5 NaM 459 "f." > -H O M3+ Il ~ 'l (C 2 H 5 O) 2 P-CHCO 2 C 2 H 5 ^x-CHCO2C2H5 Cyclohexanon > / + (C 2 H 5 O) 2 P f J ^ \>Na Ein 250-ml-Dreihalskolben wird mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter ausgestattet, durch Verzweigungen ermöglicht man das Einführen eines Thermometers und den Anschluß einer Gaszuleitung. Vom Rückflußkühler führt eine Gasableitung über ein Calciumchloridrohr direkt in den Kamin (Achtung! Wasserstoffentwicklung). Man spült die Apparatur mit trockenem Stickstoff und füllt 5,2 g 50proz. oder 3,3 g SOproz. Natriumhydriddispersion (0,1 1 mol) und 30 ml trockenes Benzol ein und tropft in 30— 40min 25,8g (23,0 ml, 0,1 15 mol) Diethoxyphosphonato-essigsäure-ethylester zu, wobei die Temperatur ggf. durch Kühlung bei 30— 35 0 C gehalten wird. Man rührt noch 1 h bei Raumtemperatur und tropft dann in 30-40 min 1 0,8 g (1 1 ,5 ml, 0,1 1 mol) Cyclohexanon hinzu, wobei die Temperatur durch Kühlen mit einem Eisbad bei 20—3O 0 C gehalten wird. Dabei scheidet sich ein sirupuröser Niederschlag von Natrium-diethylphosphat ab. Man rührt noch 15 min bei 60-650C, kühlt auf Raumtemperatur ab und dekantiert das Produkt von dem sirupösen Niederschlag, der viermal bei 6O 0 C mit je 20 ml Benzol gewaschen wird, das nach Abkühlen auf Raumtemperatur dekantiert wird. Die vereinigten Überstände werden am Rotationsverdampfer eingedampft, und man destilliert den Rückstand in einer kleinen Destillationsapparatur mit kurzer Kolonne bei 16 Torr und 112 bis 114 0 C. Ausbeute 13,Og (70%) Cyclohexylidenessigsäure-ethylester. Das Mineralöl aus dem Natriumhydrid verbleibt im Destillationskolben. Eine beliebte Alternative zur Wittig-Reaktion ist die P O-akti vierte Olefinierung nach L. Homer (1959). Die reaktive Spezies ähnelt dabei mehr einem der vorbesprochenen Carbanionen als den Phosphinalkylenen der Wittig-Reaktion. In der allgemein verbreiteten Ausführungsform von W. S. Wadsworth und W. D. Emmons (1961) erzeugt man das a-Carbanion eines Phosphonsäureesters mit Natriumhydrid in Glykol-dimethylether oder Benzol, z. B. -(RO) 2 POONa Die PO-stabilisierten a-Carbanionen sind stärkere Nucleophile als die Phosphinalkylene, wie das präparative Beispiel der Darstellung von Cyclohexylidenessigsäure- 460 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen ethylester zeigt, denn die analogen Phosphinalkylene reagieren in der Regel nicht mehr mit Ketonen. Wie bei den Carbonyl-stabilisierten Phosphinalkylenen erhält man bei Umsetzung mit Aldehyden praktisch ausschließlich die E-konfigurierten Olefine. Die Phosphonsäureester erhält man nach der Michaelis-Reaktion aus Phosphorigsäureester und Alkylhalogeniden, z. B. R (RO) 3 P + BrCH 2 CO 2 R > °\. P-CH2-CO2R ~ RBr > (RO) 2 PCH 2 CO 2 R s R-BrDimethylsulfoxoniummethylid und 1,1-Diphenyloxiran CH3 /^ CH + NaH > CH37 S CH2 H3C-S-CH3 O ICH2 + H2 + NaI ^O C6H CH S CH3 X O C CH2 + CH3SOCH3 + C 6 H 5 COC 6 H 5 > C6H/ 0 In einem 100-ml-Dreihalskolben werden 0,72 g Natriumhydrid (d. h. 1,44 g der 50%igen oder 0,9g der 80%igen Suspension) mehrfach mit Petrolether gewaschen, um das Mineralöl zu entfernen. Man trocknet das Hydrid i. Vak., gibt 6,6 g Trimethylsulfoxoniumiodid (siehe S. 163) zu, versieht den Kolben mit einem Rückflußkühler mit Stickstoffballon und einem Tropftrichter mit Druckausgleich und Trockenrohr. Man verdrängt die Luft durch Stickstoff aus dem Ballon, ersetzt diesen durch einen Schlauch in den Abzug und tropft vorsichtig 30 ml über Calciumhydrid destilliertes (Kp. 64° / 4 mm) Dimethylsulfoxid hinzu. Vorsicht, Wasserstoffentwicklung! Die Temperatur darf nicht über 5O 0 C steigen! Nach 20 min Rühren wird der Stickstoffballon wieder aufgesetzt. Man tropft nun die Lösung von 4,55g Benzophenon in 10 ml Dimethylsulfoxid zu und erwärmt 1 h auf 5O 0 C. Anschließend gießt man das Reaktionsgemisch in 60 ml Eiswasser und schüttelt mehrfach mit Ether aus. Die gesammelten Extrakte werden zweimal mit 25 ml Wasser gewaschen und über Natriumsulfat getrocknet. Man dampft i. Vak. ein und erhält 4,4g Diphenylethylenoxid, Ausbeute 90%, Schmp. 52-56 0 C. Das Produkt kann aus Ethanol umkristallisiert werden, Schmp. 55—56 0 C. Während die Stickstoff-Ylide sehr instabil sind und präparativ keine wichtige Anwendung finden, reagieren die Schwefel-Ylide ähnlich, wenn auch mit anderem Ergebnis als die Phosphor-Ylide. Sie werden allgemein aus Sulfonium- oder Sulfoxoniumsalzen mit Natriumhydrid in DMSO erhalten. Schwefel-Ylide 461 CH3 CH3 CH2 (CH 3 J 3 SO I- -> CH3 O \ S V X CH 2 Bei der Umsetzung mit Carbonylverbindungen erhält man ebenfalls Betaine, die aber unter Verbleib des Sauerstoffs beim Kohlenstoff in Epoxide und Dimethylsulfid bzw. Dimethylsulfoxid zerfallen. Für das oben durchgeführte Präparat wird folgender Mechanismus angenommen: C.H.COC.H. CH 3 O -CH 3 SOCH 3 C6H5 CH3 CHI2 2 6- LH3 CH3' CH —L CH22-C JOI Diese Methode ergänzt die auf S. 496 beschriebenen Darstellungsmethoden für Epoxide. Weiterführende Literatur zu Kapitel IX G. E. Coates, M. L. H. Green, P. Powell und K. Wade, Einführung in die metallorganische Chemie, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1972. K. Nützel, H. Gilman und G. F. 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Oxidation und Dehydrierung Formaldehyd aus Methanol Versuch: Gehaltsbestimmung einer Formaldehydlösung Versuch: Autoxidation des Acetaldehyds Versuch: Autoxidation des Benzaldehyds Versuch: Autoxidation des Cysteins Versuch: Hemmung der Autoxidation durch ein Komplexon Acetaldehyd aus Ethanol mit Dichromat-Schwefelsäure Octanal aus Octanol mit Pyridiniumchlorchromat Jones-Oxidation !.(-)-Menthon 2. 4-Phenyl-3-butin-2-on Braunsteinoxidation von Zimtalkohol /7-Nitrobenzoesäure aus /?-Nitrotoluol Benzoldicarbonsäuren aus Xylolen, Terephthalsäure aus /?-Xylol, Isophthalsäure aus m-Xylol Chinolinsäure aus 8-Hydroxychinolin, Nicotinsäure Versuch: Glykolspaltung mit Periodat Nitrosobenzol aus Phenylhydroxylamin Azobenzol-4-carbonsäure Versuch: Azobenzol aus Nitrosobenzol und Anilin Versuch: Azoxybenzol aus Nitrosobenzol und Phenylhydroxylamin Trimethylaminoxid aus Trimethylamin frww-Cyclohexan-l,2-diol aus Cyclohexen mit Hydrogenperoxid 2,4,6-Tribromnitrosobenzol aus 2,4,6-Tribromanilin mit Peroxyessigsäure Stilbenoxid Cyclohexanonoxim aus Cyclohexylamin Mesoxalsäure-diethylester-hydrat aus Malonsäure-diethylester Ninhydrin aus Diketohydrinden Versuch: Ninhydrinreaktion Adipindialdehyd aus Cyclohexen Biphenyl-2,2-dialdehyd aus Phenanthren a) in Chloroform b) in Methanol Oxidationsstufen 467 X. Oxidation und Dehydrierung Von Oxidation spricht man, wenn einem Atom, Ion oder Molekül ein bzw. mehrere Außenelektronen entzogen werden. Oxidationsmittel sind also stets elektrophile Reagenzien. Durch die Elektronenaufnahme werden sie reduziert. Jede Oxidation ist mit einer Reduktion gekoppelt. Die Elektronenübertragung muß nicht notwendigerweise in einem Schritt bestehen, die Elektronen können mit dem Substrat und dem Oxidans verbunden bleiben, indem sie eine polarisierte kovalente Bindung bilden. Zum Beispiel entsteht beim ersten Schritt der Oxidation des Toluols mit Chlor Benzylchlorid. Dieses steht mit dem Benzylalkohol auf gleicher Oxidationsstufe: 6CHo-Cl -CH 2 OH Ethan läßt sich mit Chlor im Licht u.a. zu Ethylchlorid oxidieren; Abspaltung von H + und Cl" führt zu Ethylen, das somit - auch die gegenüber Ethan um 2 verminderte Zahl der Elektronen zeigt es - ebenfalls ein erstes Oxidationsprodukt des Paraffins ist: +CI2(hv) -HCI H3C-CH3 H I H3C-C-CI H -HCl H2C=CH2 Oxidationsstufe 1 Ethylen, das auf der Oxidationsstufe des Ethylalkohols steht (reversible Wasserabspaltung), läßt sich mit Brom zu Dibromethan oxidieren, welches bei der Hydrolyse Ethylenglykol liefert. Das Glykol ist andererseits auch aus dem Oxidationsprodukt des Ethylens, dem Ethylenoxid, durch Hydrolyse zugänglich. Dibromethan, Ethylenoxid und Ethylenglykol stehen also auf der gleichen Oxidationsstufe, nämlich der des Acetaldehyds, welcher durch Wasserabspaltung aus dem Glykol erhalten werden kann: Oxidationsstufe 1 H2C=CH, BrCH2-CH2Br Oxidationsstufe 2 -2HBr HO-CH2-CH2-OH -H 2 O H,C-CX 468 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Die Oxidation läßt sich auch durch direkte Wegnahme zweier H-Atome bewerkstelligen. Man bezeichnet eine solche Wasserstoffabspaltung auch als Dehydrierung1. Als billigster Wasserstoffakzeptor kann dabei der Sauerstoff dienen, z. B. bei der technischen Synthese des Styrols aus Ethylbenzol oder der des Formaldehyds aus Methanol (unten). Wie bei der katalytischen Hydrierung, um deren Umkehrung es sich hier handelt, wird dieser Prozeß durch feinverteilte Metalle der achten Nebengruppe sehr stark beschleunigt. Im Laboratorium wird auch Schwefel oder Selen als Dehydrierungsmittel angewendet. Durch Wegnahme von Elektronen durch die positive Elektrode (Platin-, Kohle-Anode) lassen sich auch organische Verbindungen elektrochemisch oxidieren. Hierbei kann sowohl der in Gegenwart von Wasser anodisch erzeugte Sauerstoff oder dort gebildetes Oxid die Oxidation bewirken, viele Vorgänge werden aber durch Elektronenentzug eingeleitet, wonach das positive Ion mit nucleophilen Komponenten des Ansatzes abreagiert. Die Reaktion kann auch zur Bildung von Radikalen führen (Kolbesche Alkansynthese). Oxidation mit Luftsauerstoff Formaldehyd aus Methanol H3COH + [O] > H 2 CO + H2O Die Apparatur ist exakt nach den folgenden Angaben und nach Abbildung 75 unter einem Abzug aufzubauen. In einem geräumigen Wasserbad (Kochtopf) mit Thermometer steht ein 250-mlRundkolben. Er ist gemäß Abb. 75 oder mit einem Gummistopfen verschlossen, durch Abb. 75 1 Man unterscheide: Dehydrierung im Angelsächsischen = dehydrogenation; dehydration dagegen = Wasserabspaltung. Formaldehyd aus Methanol 469 den zwei dünne Glasrohre führen. Das eine reicht bis zum Boden des Kolbens; das zweite ist an seinem oberen Ende in einem Winkel von 95—100° abgebogen und zu einer Kapillare von 1,3mm innerem Durchmesser ausgezogen. Die Kapillare steckt, durch einen Gummistopfen verbunden, in einem 40 cm langen, 2,5 cm weiten Rohr aus temperaturunempfindlichem („Supremax"®) Glas, dem Kernstück der Apparatur; in ihm findet an einem Kupferdrahtnetz die Reaktion statt. Dieser Kontakt ist besonders sorgfältig folgendermaßen herzustellen: Ein etwa 80 x 6 cm großes Stück Kupfergaze (Maschenweite: ca. 2-2,5 mm; Drahtstärke: ca. 0,1-0,2 mm), das man, um es geschmeidiger zu machen, langsam durch die Bunsenbrennerflamme gezogen hat, wird über die lange Kante eng zusammengefaltet, so daß eine flachgedrückte Rolle von etwa einem cm Breite entsteht. Aus mehrfach zusammengedrilltem 1-2 mm starkem Kupferdraht biegt man einen etwa 6cm langen Stab mit einer Öse an jedem Ende. Auf diesen wickelt man nun das Gazeband möglichst eng wie auf eine Garnspule in mehreren Lagen zu einer etwa 6 cm breiten Rolle, die eben in das Glasrohr paßt. Sie wird in das Rohr eingeschoben, bis sie von dessen unterem Ende etwa 8 cm entfernt ist und dann noch von beiden Seiten mit zwei Stäben so zusammengestaucht, daß sie an der Glaswand möglichst anliegt (siehe Abb. 75). Von der oberen Rohrmündung führt eine Gummistopfen-Glasrohr-GummistopfenVerbindung in einen senkrecht absteigenden Schlangenkühler, an dessen unteres Ende zwei hintereinander geschaltete Gaswaschflaschen angeschlossen sind, die bis zum Hals in einer Eis-Kochsalz-Mischung stehen. Die letzte Waschflasche ist mit einer Wasserstrahlpumpe verbunden. Außerdem steht eine Stickstoff-Stahlflasche bereit. Ist die Apparatur in dieser Weise vorbereitet, heizt man das Wasserbad auf 46-470C; diese Temperatur ist während des ganzen Versuchs genau einzuhalten! Nun füllt man 70,OmI Methylalkohol in den Rundkolben, wartet einige Minuten, in denen sich das Methanol erwärmt, dreht den Hahn zur laufenden Pumpe ganz auf und erhitzt dann, anfangs vorsichtig, die Kupferspirale mit einem starken Brenner, bis bei Rotglut die Reaktion beginnt. Sie liefert genug Wärme (Knallgasreaktion), um den Kontakt schwach weiterglühen zu lassen, ohne daß man von außen weiter heizt. Beachtet man diese Arbeitsvorschrift genau, werden Explosionen völlig ausgeschlossen. Bei zu niedriger Temperatur des Wasserbades (42—44 0 C) würde zwar die Explosionsgrenze des Methanol-Luft-Gemischs erreicht, aber die Flamme gelangte nur bis zur Kapillare, durch die sie wegen der großen Strömungsgeschwindigkeit der Gase nicht weiter zurückschlagen könnte. (Vergleich mit dem Bunsenbrenner, der auch nur bei zu langsamer Strömung zurückschlägt.) Wenn sich in dem Kolben nur noch ein Rest von etwa 20 ml Methanol befindet, bricht man den Versuch ab, indem man -r zur Vermeidung von Explosionen — die etwas geöffnete Stickstoff-Stahlflasche an das lange, in das Methanol ragende Rohr anschließt, und so die Luft durch das Schutzgas verdrängt. Dann erst stellt man die Wasserstrahlpumpe ab. Die Menge des nicht übergeblasenen Methylalkohols wird gemessen. Hat man 50,0 ml Methanol (ca. 40g; 1,24mol) verbraucht, enthalten die beiden Vorlagen 55—60 ml 30—40proz. (siehe anschließenden Versuch) Formaldehydlösung (44—51 %). Die Ausbeuten können ziemlich stark schwanken, da bei diesem einfachen Modell einer technischen Anlage die Reaktionsbedingungen schwer zu normieren sind. Zur Dehydrierung von einem Mol Methylalkohol braucht man 0,5 mol Sauerstoff, also pro Volumeneinheit Methanoldampf etwa 0,5 Volumen Sauerstoff oder 2,5 Volumen Luft. Das stöchiometrische Gasgemisch muß also ca. 28% Methylalkohol enthalten. Da sich die Volumina wie die Partialdrucke verhalten, muß die Verdampfungstemperatur so ein- 470 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung gestellt werden, daß der Dampfdruck des Methanols 28% des Atmosphärendrucks, also ungefähr 210 Torr ausmacht1. Mit der hier gewählten einfachen Vorrichtung wird volle Sättigung mit CH 3 OH-Dampf nicht erreicht, daher die etwas höhere Temperatur. Versuch: Gehaltsbestimmung einer Formaldehydlösung - 5,00 ml einer Formaldehydlösung werden in einem Meßkolben mit Wasser auf 50,0 ml aufgefüllt. Davon bringt man 20,0 ml in einen Erlenmeyerkolben von 250 ml, setzt erst 30 ml etwa Sproz. Hydrogenperoxid, das vorher gegen Phenolphthalein genau neutralisiert wurde, dann 30,0 ml eingestellter Natronlauge zu und schüttelt um. Nach kurzer Zeit beginnt unter Selbsterwärmung Wasserstoffentwicklung, die sehr heftig wird und die man schließlich durch kurzes Erwärmen zu Ende führt. Die erkaltete Lösung wird dann nach erneuter Zugabe von Phenolphthalein gegen 1N Salzsäure titriert. Die verbrauchte Natronlauge gibt gemäß der Gleichung: 2CH 2 O + H2O2 + 2NaOH > 2HCO 2 Na + H2 + 2H 2 O den Formaldehydgehalt an. Wenn also z. B. 22,5 ml 1N Natronlauge bei der Reaktion verbraucht wurden, enthielten die 20,0 ml (=2,00 ml der ursprünglichen Lösung) 22,5 • 30 mg = 0,675 g Formaldehyd, d.h. die Lösung war 33,8prozentig. Bei dieser Umsetzung wird durch Addition von Hydrogenperoxid an zwei mol H2CO ein Zwischenprodukt der Konstitution, HOCH2-O-O-CH2OH das Dihydroxymethyl-peroxid, gebildet, das man auch in kristallisierter Form isolieren kann, das aber unter Basenkatalyse außerordentlich leicht in Formiat und Wasserstoff zerfällt. Für diese Reaktion, die keinen reduzierend wirkenden atomaren Wasserstoff liefert, gibt vielleicht der Abrollmechanismus am Anion des Peroxids ein richtiges Bild: H-C Y CH OH OH Die einfachen Aldehyde setzen sich mit neutralem Sulfit zu den Hydrogensulfit1 Umfassende Tabellen der Dampfdrucke organischer Verbindungen bei verschiedenen Temperaturen findet man im Bd. II, 2a (1960) des mehrbändigen Nachschlagwerks „Landolt-Börnstein" (Zahlenwerte und Funktionen aus Physik, Chemie, Astronomie, Geophysik und Technik), Springer Verlag, Berlin. Mechanismus der Autoxidation 471 Additionsverbindungen um (siehe S. 338). Hierbei entstehen Hydroxylionen, deren Titration ebenfalls eine Gehaltsbestimmung ermöglicht: OH RCHO H- SO 3 -- + H2O > R-C-SO3 H + OH- Die auch technisch in größtem Maßstab, wenn auch mit anderen Kontakten (Silber oder Eisenoxid-Molybdänoxid) ausgeführte Oxidation des Methanols ist eine echte Dehydrierung. An der heißen Oberfläche des Katalysators wird der Alkohol homolytisch zu Aldehyd und Wasserstoff gespalten und dieser mit dem Luftsauerstoff zu Wasser verbrannt, also aus dem Gleichgewicht entfernt: H 3 COH <=> H2CO + H2; H2 + i O 2 > H2O Viele organische Verbindungen reagieren schon bei normalen Temperaturen, meist sehr langsam, mit Sauerstoff. Man bezeichnet diesen Prozeß als Autoxidation. Er verläuft - soweit er im Dunkeln vor sich geht - nach einem Radikalmechanismus und wird durch radikal-liefernde Reaktionen oder monovalent wechselnde Metallionen (Fe, Co, Cu) in Gang gesetzt. An der Radikalbildung kann auch Licht beteiligt sein, doch ist dessen Wirkung bei der Photooxidation (S. 476) eine andere. Beim Start der Reaktionskette entreißt im ersten Schritt ein Startradikal (Sf) der autoxidablen Substanz (RH) ein H-Atom und erzeugt so ein Primärradikal (R*), das sich mit dem biradikalischen Sauerstoffmolekül zu einem Peroxyradikal zusammengelegt: Start RH + Sf > R' + StH R* + *O—O' > R—O—O* Die Bildungstendenz des Primärradikals bestimmt maßgeblich die Autoxidierbarkeit einer Verbindung. Ist R - durch Resonanz stabilisiert, erfolgt die Oxidation leicht, z. B. bei Allylgruppierungen (Propargylgruppierungen) Benzylgruppierungen: _CH=CH_£H_ _ _£H_CH=CH_ f ^~C* \=/ ^R R—C=Q/ <—> •/ V=C' usw. \=/ "^R Auch bei Aldehydgruppen: und aliphatischen Ethern: \ R' Ö—O—R" trägt die Wechselwirkung des einsamen Elektrons mit den n- bzw. 7i-Elektronen aus der Umgebung zu leichter Autoxidierbarkeit bei. 472 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Die Peroxyradikale setzen sich in einer Kettenreaktion weiter um. Einen besonders übersichtlichen Verlauf nimmt die Autoxidation, wenn das Peroxyradikal mit einem Wasserstoffatom der Ausgangssubstanz ein stabiles Hydroperoxid bildet und so ein neues Radikal erzeugt, das die Reaktionsfolge fortsetzt: Kettenreaktion R—O—O' R» + Q2 + RH > > R—O—OH R—O—O* + R* (s. oben) Die Reaktion kommt zum Ende durch Ausscheiden der Peroxyradikale, die sich in verschiedener Weise zu stabilen Produkten umsetzen, z. B. Abbruch 2 R—O—O' > R—O—O—R + O2 Für die Autoxidation des Cumols gilt das Schema: Bei Zusatz von Schwefelsäure erhält man aus dem Cumolhydroperoxid Phenol und Aceton. Die starke, katalytisch wirkende Säure spaltet ein Hydroxyl ab, gleichzeitig wandert der Phenylrest nach Art einer Pinakol-Umlagerung an den Sauerstoff; dann kommt es zu einer Anlagerung von Wasser und schließlich zur Spaltung: /CH3 o-C-OH2 \ CH3 Da Cumol aus Benzol und dem in hoher Konzentration in den Crackgasen vorliegenden Propen leicht zugänglich ist (S. 265), wird diese Hock" sehe Synthese zweier wichtiger Grundstoffe großtechnisch ausgenutzt. Bei der Autoxidation der Aldehyde entstehen in einer Kettenreaktion Peroxysäuren. Diese reagieren rasch mit einem weiteren Molekül Aldehyd über den HaIbacetalester einer Peroxy säure zu zwei Carbonsäuren: Beispiele für die Autoxidation [Aldehyd >] R-C=O °2 > R-C^ ^ O—O* O # l + R-C=O 473 R-C O # + R-C H / > R-C \ O—O* + R-C % O H > R-C \ O—OH O-.-H R-C # O / \ O—OH %O O NTN V \OH O—O #<J PC / X R OH Versuch: Autoxidation des Acetaldehyds —Zwei ml frisch dargestellten Acetaldehyd (Präparat S. 478) schüttelt man einige Minuten mit Luft in einem gut verschlossenen 100-ml-Kolben, den man wegen des niedrigen Siedepunktes des Acetaldehyds ab und zu in Eiswasser kühlt. Das Reaktionsgemisch wird zu gleichen Teilen in zwei Reagenzgläser pipettiert. Zur ersten Hälfte fügt man 2 ml verdünnte Kaliumiodid-Lösung sowie einige Tropfen Stärkelösung; zur zweiten etwa 5 ml Wasser und prüft diese mit Indikatorpapier (Essigsäure). Nach 20 min versetzt man die wässerige Lösung ebenfalls mit 3 ml der Kaliumiodidlösung und Stärke. Man wird finden, daß die oxidierende Lösung (Peroxysäure) anfangs viel, nach dem Stehen in Wasser nur noch wenig lod freisetzt) Für einen korrekten Vergleich der Farbintensitäten muß man natürlich auch die erste Probe mit 5 ml Wasser verdünnen. Versuch: Autoxidation des Benzaldehyds - Einige Tropfen Benzaldehyd läßt man eine Stunde lang auf einem Uhrglas an der Luft stehen. Es bilden sich Kristalle von Benzoesäure. Das erste Autoxidationsprodukt des Benzaldehyds, die Peroxysäure, kann mit Acetanhydrid als Acetylbenzoylperoxid O O Il Il H3 C—C—O—O—C—C6 H 5 abgefangen werden. Auch bei der Autoxidation der aliphatischen Ether reagiert das Primärradikal zu einer a-Hydroperoxyverbindung (I), die sich in verschiedener Weise weiter umsetzen kann. 474 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung O—O* I R-C-O-CH2R I H l R-C-O-CH2R I t H l I O—O* I R-C-O-CH2R + O2 > H I + R-C-O-CH2R H OH R-C-O-O-CH2R H « 0—OH | R-C-O-CH2R I H I ii + R-C-O-CH2R H X V c/ IM \ IV Die relativ stabilen Verbindungen vom Typ I, die auch aus Aldehyd, Alkohol und Hydrogenperoxid zugänglich sind, können für die gefährlichen Detonationen, die man von Etherperoxiden kennt, nicht verantwortlich sein. Man muß vielmehr eine Umwandlung des Hydroperoxids I annehmen, die vielleicht unter Umlagerung zum a-Hydroxyalkylhydroperoxid II und dessen weiterer Autoxidation zum dimeren explosiven Ethylidenperoxid III oder zu oligomeren, labilen Ethylidenperoxiden IV führt (A. Rieche). Bei der Autoxidation der natürlich vorkommenden mehrfach ungesättigten trocknenden Öle begünstigt die zweifache Allylstellung der zwischen den homokonjugierten Doppelbindungen stehenden Methylengruppen (Linolsäure, Linolensäure) den Angriff des Startradikals. Infolge der Konjugationstendenz reagiert das primäre Radikal am äußeren C-Atom, es bilden sich Hydroperoxiderivate konjugiert ungesättigter Glycerinester. Als Katalysatoren sind hier besonders Mn ++ -Ionen wirksam (Leinölfirnis): -CH=CH-C-CH=CHH +O9 2 ^ « » -CH-CH=CH-CH=CH- O—OH I -CH-CH=CH-CH=CH- Die Parallelreaktionen der intermediären Peroxyradikale, bei denen es schließlich zur Bildung stabiler, vernetzter hochpolymerer Peroxide kommt, nehmen wegen der Beteiligung der Doppelbindungen einen komplizierteren Verlauf. Mehr oder weniger neigen fast alle organischen Stoffe besonders im Licht zur Autoxidation, auf Inhibierung der Autoxidation 475 der z. B. auch das Ranzigwerden der Fette, das Brüchigwerden des Gummis und vieler anderer Materialien beruht. Als Schutz gegen unerwünschte Autoxidationen kann man empfindlichen Stoffen „Antioxidantien" („Inhibitoren") wie Sulfit, Hydrochinon, Diphenylamin u.a., bei Lebensmitteln Tocopherole („Vitamin E", S. 678) zusetzen. Diese machen die Startradikale unschädlich, indem sie bereitwillig ihre Elektronen übertragen und dabei selbst in stabile nicht autoxidable Verbindungen übergehen: SO,- + Sf Str + 'SO3- S2O6" oder St' StH + St- StH + Stark beschleunigt, wenn nicht überhaupt erst eingeleitet werden Autoxidationen durch Spuren von Metallionen, die leicht univalent ihre Wertigkeit wechseln können, wie Fe-, Co- oder Cu-Ionen. Ein klassisches Bispiel für ein solches System ist das Reagens von Fenton, eine stark oxidierende Mischung aus H 2 O 2 und Eisensalz HO—OH HO—OH + Fe2+ 3+ HO* + OH- + + Fe3 + Fe H—O—O' + H + Versuch: Autoxidation des Cysteins in Gegenwart von Eisenionen — In einem 750-ml-Kolben löst man eine Spatelspitze freies Cystein in etwa 400 ml Wasser, gibt dazu einen Tropfen verdünnte Eisen(lll)-chlorid-Lösung und schüttelt um. Die Lösung färbt sich violett. Läßt man sie einige Zeit ruhig stehen, verschwindet die Farbe, um beim kräftigen Schütteln an der Luft wieder zu erscheinen. Diesen Wechsel kann man so lange wiederholen, bis alles Cystein zu fast unlöslichem Cystin oxidiert worden ist. Versuch : Hemmung der Autoxidation durch ein Komplexon — 0,5 g Cystein werden in 10 ml kaltem Wasser klar gelöst (eventuell abfiltrieren). Diese Lösung gießt man zu gleichen Teilen in zwei große Reagenzgläser. Zu einer Probe gibt man eine Spur Dinatrium-ethylendiamin-tetraacetat (Titriplex IM der Firma Merck, Darmstadt, auch EDTA) 476 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung und läßt die Gläser offen stehen. Nach einigen Stunden ist die Lösung, welcher der Komplexbildner zugesetzt wurde, noch klar, während aus der anderen viel unlösliches Cystin ausgefallen ist. Im voraufgehenden Versuch verbindet sich zuerst das Cystein mit den Eisen(III)lonen zu einem violetten Komplex. In diesem Zustand überträgt der Schwefel ein Elektron auf das Eisen; die Farbe verschwindet, es bildet sich Cystin aus 2 Molekülen Cystein und Eisen(II)-Ionen, die beim Schütteln an der Luft wieder zu (Komplexbildenden) Eisen(III)-Ionen oxidiert werden. Im letzten Versuch wird die Autoxidation dadurch unterdrückt, daß die - stets vorhandenen - Schwermetallspuren als Chelate gebunden werden. Bei den durch Farbstoffe (Chlorophyll, Bengal Rosa, Eosin u.a.) sensibilisierten licht-induzierten Autoxidationen reagiert das Sauerstoffmolekül in der spinisomeren Singulettform 1 O 2 . Dem Singulett-Sauerstoff ist die Verwitterung aller organischen Substanzen in der Luft am Sonnenlicht zuzuschreiben. Während im Grundzustand des O2-Moleküls bekanntlich die unteren TT* Orbitale jeweils durch ein rc-Elektron gleichen Spins besetzt sind (Triplettzustand, 3 O 2 ) kehrt geeignete Zufuhr von Energie den Spin eines Elektrons um, so daß sich beide Elektronen mit antiparallelem Spin auf einem ersten angeregten Niveau (92 kJ = 22 kcal energiereicher) oder einem zweiten (155 kJ = 37 kcal energiereicher als der Triplettzustand) befinden. Diese energiereichen Modifikationen sind für die sensibilisierten Photooxidationen verantwortlich. Solche Oxidationen können sich auch in lebenden Organismen abspielen und dabei lebenswichtige Moleküle betreffen, wenn Sensibilisatoren, z. B. Porphyrine oder mit der Nahrung aufgenommene Naturstoffe in die Haut gelangen und dort der Sonne ausgesetzt werden. Hierbei treten schwere, unter Umständen zum Tod führende Irritationen auf. Singulettsauerstoff kann auch auf chemischem Weg erzeugt werden, z. B. durch Zersetzung von H 2 O 2 mit NaOCl oder aus Kaliumperchromat, K 3 CrO 8 , aus Ozoniden organischer Phosphorverbindungen wie (CH3O)PO3 —> (CH3O)3PO + 1 O 2 oder beim thermischen Zerfall von Endoperoxiden (s.u.). Einige spezifische Reaktionen VOn 1 O 2 : 1. Diene, speziall cyclische, addieren den Singulett-Sauerstoff nach Art einer Diensynthese zu Endoperoxiden. Nach G. O. Schenk ist so aus a-Terpinen das im Chenopodiumöl enthaltene wurmtötende Ascaridol zugänglich: O2 .C HCH /)v.Sensibilisator —: • H3C 3 a-Terpinen Ascaridol Oxidation mit Singulett-Sauerstoff 477 Die aus polycyclischen Aromaten, z. B. aus Anthracen oder Rubren entstehenden, analog gebauten, trans-annularen Peroxide geben ihren Sauerstoff als 1O2 beim Erwärmen wieder ab - das höher konjugierte System bildet sich dabei zurück. C 6H5 C6H5 Rubren (rubinrot) 2. Als weitere formale Analogie zum Verhalten eines Dienophils kann die Reaktion von 1 O 2 mit der Allylposition von Olefinen betrachtet werden (siehe „En"-Reaktion, S. 204). So entsteht z. B. aus 2-Methyl-2-penten ein Gemisch aus etwa gleichen Teilen der Allylhydroperoxide. H 2 C. H3Cx U3C' CH2 O—OH \'CH -CH 2 49% 3 CH 51% CH-CH, 3. Elektronenreiche Olefine wie Dihydropyran, Indan oder Diethoxyethen geben in einer (2 + 2)Cycloaddition die sehr labilen Dioxetane, die schon bei Raumtemperatur in 2 Carbonylgruppen aufgespalten werden, die sich zunächst im angeregten Triplett-Zustand befinden und diese Energie in Form von Licht abgeben (Chemilumineszenz). HO-OH C-C 7- O* ^ T O* Il C H O C H5 2 H5C2O H OC2Fi5 H5C2O H Dioxetane können auch aus ß-Bromalkyl-hydroperoxiden mit Base synthetisiert werden. Unter anderem kann das aus 3-Brom-2-methyl-2-butylhydroperoxid erhaltene Trimethyl-l,2-dioxetan als Energiequelle benutzt werden, die durch Energieübertragung aus den angeregten Spaltstücken solche Reaktionen im Dunkeln ermöglicht, die sonst im Licht ablaufen („Photochemie ohne Licht"). So erhält man z. B. beim kurzen Erhitzen einer Benzol-Lösung des Dioxetans mit Acenaphthylen das eis- und trans-Dimere wie bei der Photodimerisierung. Die Energie des angeregten Zustands läßt sich auch mit fluorescierenden Verbindungen als Licht freisetzen. 478 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung CH 3 Br H 3 C-C-CH-CH 3 0-OH Base CH3 CH3 H 3 C- -H 0 —0 [ Y YoT [o J Einwirkung auf 2 >= eis- und trans- Dimer Die Aktivierung des molekularen Sauerstoffs durch Eisenporphyrin-Enzyme (und reduziertes NADP), die zur Inkorporierung einer OH-Gruppe führt (Hydroxylierung zahlreicher Substrate, Monooxygenierung) ist im Kapitel IV am Beispiel der biologischen Phenolbildung erwähnt. Sie ähnelt dem chemischen Modell der elektrophilen Reaktion des elektronendefizienten Sauerstoffs, wie man es auch für die Hydroxylierung durch Peroxyverbindungen annehmen muß (siehe S. 275). Oxidation mit sauerstoffreichen anorganischen Verbindungen Acetaldehyd aus Ethanol mit Dichromat-Schwefelsäure Das Gelingen dieses Präparates hängt wesentlich vom sorgfältigen Aufbau der Apparatur ab! Abb. 76 Acetaldehyd aus Ethanol 479 Wie Abb. 76 zeigt, dient als Reaktionsgefäß ein 1 -I-Schliffrundkolben, der in einem Babotrichter steht und einen Claisenaufsatz trägt. Im konzentrischen Tubus dieses Aufsatzes sitzt ein zweifach durchbohrter weicher, gut passender Gummistopfen, durch den ein Gaseinleitungsrohr bis zum Boden des Kolbens führt und ein 500-ml-Tropftrichter so tief eingeschoben ist, daß seine Rohrmündung bis in den Kolbenhals reicht. Der Einfüllstutzen des Tropftrichters ist mit einem zum kurzen Rohr ausgezogenen Schliffkniestück verschlossen. In dem seitlichen Tubus des Aufsatzes steckt senkrecht ein etwa 40 cm langer Liebigkühler, dessen oberes Ende über eine Destillierbrücke mit einem möglichst wirksamen absteigenden Kühler verbunden ist. An diesen angeschlossen, über ein Reduzierstück und frischen Gummischlauch, sind zwei oder besser drei hintereinander geschaltete Gaswaschflaschen, die in einem größeren Kühlgefäß stehen und mit je 10O ml absolutem Ether beschickt sind. Den Thermometertubus der Destillationsbrücke verschließt ein weicher festsitzender Gummistopfen; er klemmt einen Zwirnfaden mit ein, an dem ein dünnes 50°- oder 1000C-Thermometer im Kondensationsrohr des Liebigkühlers hängt, dessen Quecksilberkugel sich auf halber Höhe des Kühlers befindet. Dem Reaktionskolben ist eine Stickstoff- oder Kohlendioxid-Stahlflasche mit Reduzierventil, Schwefelsäure-Blasenzähler und Bunsenventil (siehe S. 26) so vorzuschalten, daß über ein T-Stück eine Schlauchverbindung zum Gaseinleitungsrohr, eine zweite zum Kniestück führt. Durch den Kühlmantel des Liebigkühlers läßt man während der Oxidation sehr langsam Wasser von etwa 15—2O 0 C strömen, der absteigende Kühler wird mit auf wenige Grad über Null vorgekühltem Wasser gespeist. Da der Acetaldehyd schon bei 2O 0 C siedet und im Inertgasstrom übergetrieben wird, ist es ganz besonders wichtig, darauf zu achten, daß die Apparatur auch gegen einen geringen Überdruck gasdicht ist, und die Vorlage sehr gut gekühlt wird (Gaswaschflaschen ganz in die Kältemischung einpacken). Ist die Apparatur betriebsfertig, gießt man durch den geöffneten Tropftrichter in den Reaktionskolben nacheinander 125ml 95proz. Ethylalkohol (1,62mol), 80 ml Wasser und — langsam — 50 ml reine Schwefelsäure. Den Tropftrichter selbst füllt man mit der noch warmen Lösung von 200 g Natriumdichromat (0,68 mol; 25% Überschuß) in 270 ml Wasser und 10OmI Schwefelsäure. Nun stellt man die Anschlüsse zur Stahlflasche her und läßt so langsam N 2 bzw. CO2 durch die Apparatur strömen, daß die Blasen noch bequem gezählt werden können und heizt unter dem Babotrichter. Wenn der Kolbeninhalt zu kochen beginnt, kann man den Brenner wieder entfernen und die DichromatSchwefelsäure aus dem Tropftrichter langsam mit einer solchen Geschwindigkeit zufließen lassen, daß die exotherme Wärmetönung das Reaktionsgemisch ständig weiter am Sieden hält und das Thermometer im Liebigkühler 25—3O 0 C anzeigt. Hat man - nach etwa zwei Stunden - alle Säure zugegeben, läßt man noch 10 min weiter reagieren, löst die Vorlagen, und schließt dann erst das Stahlflaschenventil. Da sich der im Ether aufgefangene Acetaldehyd nicht durch fraktionierte Destillation vom Lösungsmittel trennen läßt, führt man ihn in den kristallisierten Aldehydammoniak über. Dazu bringt man den Inhalt der beiden Waschflaschen in einen kleinen Stutzen, der durch ein Kältegemisch gut gekühlt wird und leitet aus der Stahlflasche Ammoniakgas ein; als Einleitungsrohr verwendet man dabei, den weiten Rohrteil tief in der Flüssigkeit, ein leeres gerades CaCI 2 -Rohr, das man zur Verteilung der sich bildenden Kristalle öfters hin und her bewegt. Wegen des verdampfenden Ethers alle Flammen in der Nähe löschen ! Wird kein Ammoniak mehr aufgenommen, läßt man noch eine Stunde zur Vollendung der 480 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Kristallisation stehen, prüft eine abgegossene Probe im Reagenzglas, ob bei weiterem Einleiten von NH3 noch eine Fällung entsteht, und saugt, wenn dies nicht der Fall ist, den Aldehydammoniak auf der Nutsche ab. Der Niederschlag wird noch einige Male mit absolutem Ether gewaschen und dann zuerst auf Filtrierpapier, schließlich im nichtevakuierten Exsikkator über Silikagel getrocknet. Das trockene Präparat ist, gut verschlossen aufbewahrt, längere Zeit haltbar; unreine Präparate zersetzen sich nach wenigen Tagen unter Braunfärbung. Ausbeute 50-60 g (50-60%). Über die Struktur dieser Verbindung siehe auf S. 344. Zur Gewinnung des reinen Aldehyds baut man auf einem Wasserbad einen 250-mlFraktionierkolben auf, dessen kurzes Ansatzrohr mittels Schlauchverbindungen über ein zwischengeschaltetes U-förmiges gefülltes Calciumchloridrohr an einen senkrechten Schlangenkühler mit angesetzter Vorlage angeschlossen ist. Den Tubus verschließt ein zweifach durchbohrter Gummistopfen, in dem ein Destillationsthermometer sowie ein kurzes Glasrohr stecken, welches mit einer Kohlendioxid-Stahlflasche verbunden ist. Das Calciumchloridrohr wird bei tiefer Außentemperatur durch warmes Wasser schwach erwärmt, die Vorlage mit Eis-Kochsalz-Mischung gut gekühlt. In den Kolben gibt man die Lösung von 25 g Aldehydammoniak in 25 ml Wasser, dann die erkaltete Mischung von 30 ml konz. Schwefelsäure mit 40 ml Wasser und füllt — um die Autoxidation des Aldehyds zu vermeiden - die Apparatur mit Kohlendioxid. Nun kann der freiwerdende Acetaldehyd überdestilliert werden (Sdp. 21 0 C). Dabei bleibt das Stahlflaschenventil geschlossen. Die Dehydrierung primärer Alkohole ist das wichtigste Verfahren zur Darstellung der Aldehyde. Hierbei dient in der Technik fast ausschließlich der Luftsauerstoff (siehe Präparat S. 468), im Labor wurde früher oft Dichromat verwendet, es ist jedoch sehr schwierig zu vermeiden, daß der Aldehyd zur Carbonsäure weiteroxidiert wird. Bei der Luftoxidation verhindern die hohen Temperaturen am glühenden Kontakt schon von vornherein die Bildung der dehydrierbaren Aldehydhydrate; beim Arbeiten in wässeriger Lösung destilliert man den Aldehyd am besten sofort nach dem Entstehen aus dem Reaktionsgut heraus, dies gelingt freilich nur bei niedrigsiedenden Aldehyden. Bei der vorstehend beschriebenen Darstellungsmethode sorgt der mit warmem Wasser gespeiste Rückflußkühler dafür, daß der Acetaldehyd im Inertgasstrom übergetrieben wird, während der höher siedende Alkohol kondensiert wird und in den Reaktionskolben zurückfließt. Octanal aus Octanol mit Pyridiniumchlorchromat CH 3 (CH 2 J 6 CH 2 OH —C5H5NHCrO3Ci > CH3(Ch,2 Darstellung von Pyridiniumchlorchromat Zur Lösung von 25 g (0,25 mol) Chromtrioxid in 46 ml 6N Salzsäure (0,28 mol) tropft man bei 5 0 C in 10 min vorsichtig 19,6 g (0,25 mol) Pyridin. Man kühlt auf O 0 C ab, saugt Oxidation primärer und sekundärer Alkohole 481 das orangerote Produkt auf einer Glasfilternutsche ab und trocknet es i. Vak., 45 g, Ausbeute 84%. Es ist kaum hygroskopisch und kann im verschlossenen Gefäß, am besten im Kühlschrank, unzersetzt aufbewahrt werden. Oxidation Man suspendiert 6,46 g (30 mmol) Pyridiniumchlorchromat in 40 ml Methylenchlorid, tropft sofort anschließend bei Raumtemperatur rasch die Lösung von 2,60 g (20 mmol) 1-Octanol in 4ml Methylenchlorid zu und rührt 90min. Dann wird dekantiert, und der Rückstand dreimal mit je 30 ml Methylenchlorid gewaschen. Man filtriert die vereinigten Lösungen über 20g Kieselgel und wäscht dieses mit 100 ml Methylenchlorid nach. Die vereinigten Lösungen werden zur Entfernung restlichen Pyridins mit 20 ml 5proz. Schwefelsäure und dann noch dreimal mit je 20 ml Wasser gewaschen. Man trocknet über Calciumchlorid, engt im Rotationsverdampfer ein und destilliert den Rückstand bei 72 0 C / 20 Torr in einem Kugelrohr: 1,65g (64%). Jones-Oxidation 1. (—)-Menthon Man stellt zunächst eine eingestellte Chromsäurelösung her, indem man 10,0 g Natriumdichromat-dihydrat in 30 ml Wasser löst, 13,6g (7,4ml) konzentrierte Schwefelsäure zusetzt und auf 50 ml mit Wasser auffüllt. Diese Lösung kann 0,1 mol des sekundären Alkohols oxidieren. Hierzu werden 15,6 g (0,1 mol) (—)-Menthol in 40 ml Ether gelöst. Unter Rühren und Kühlung auf 25—3O 0 C tropft man die Chromsäurelösung aus einem Tropftrichter in 15min zu. Man rührt noch 2 h bei Raumtemperatur, trennt die Etherphase ab, wäscht die wässerige Phase noch zweimal mit je 20 ml Ether, wäscht die vereinigten Etherphasen mit gesättigter Natriumhydrogencarbonat-Lösung und Wasser, trocknet über Calciumchlorid, dampft i. Vak. ein, destilliert den Rückstand im Wasserstrahlvakuum bei 95—96 0 C über eine kurze Kolonne und erhält 12,9g Menthon, 84% Ausbeute, [a]g°= -29,9° (unverdünnt, [a]o 0= -31,1°, c =20 in Chloroform). 2. 4-Phenyl-3-butin-2-on C6H5C=C-CH-CH3 OH Cr 3 ° > C 6 H 5 C=CCOCH 3 In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rührer und Tropftrichter löst man 24,0 g (0,165 mol) 4-Phenyl-3-butin-2-ol (S. 436) in 60 ml Aceton, kühlt von außen mit einem Eisbad und tropft unter Rühren die Lösung von 20,Og Chromtrioxid (Überschuß! Bei Verwendung 482 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung geringerer Mengen enthält das Produkt noch unumgesetzten Ausgangsalkohol) und 19ml konz. Schwefelsäure in 60 ml Wasser in 90 min zu. Anschließend wird das Gemisch noch 30 min bei O 0 C weitergerührt und dann in 500 ml Wasser und 300 ml Ether gegossen. Man trennt die etherische Phase ab, wäscht sie zweimal mit Wasser und einmal mit gesättigter Ammoniumchloridlösung, trocknet über Natriumsulfat, filtriert, dampft das FiItrat am Rotationsverdampfer ein und destilliert den Rückstand bei 12 Torr und 118—121 0 C über eine kurze Kolonne, Ausbeute 7,2 g (30%) zimtartig riechendes Öl. Bei der Destillation muß die Temperatur des Heizbades auf bis 17O 0 C gesteigert werden, zur Sicherheit Schutzbrille und -schild! In neuerer Zeit sind verschiedene Laborverfahren beschrieben worden, in denen der Chromtrioxid-Pyridin-Komplex CrO3 • 2C 5 H 5 N die Oxidation primärer Alkohole zuverlässig auf der Stufe des Aldehyds beendet (Collins, Ratcliffe). Ungefährlich in der Herstellung und sehr praktisch in der Durchführung der Oxidation sind die von Corey vorgeschlagenen Komplexe Pyridiniumchlorchromat C5H5NHCrO3Cl, der für die oben beschriebene Oxidation von 1-Octanol zu 1-Octanal dargestellt und verwendet wird, sowie Dipyridiniumdichromat (C 5 H 5 NH) 2 Cr 2 O 7 in Methylenchlorid oder (letzterer) in DMF. Mit diesen Reagenzien lassen sich auch beliebig komplizierte primäre Alkohole in guten Ausbeuten zu Aldehyden oxidieren. Pyridiniumchlorchromat in CH2Cl2 eignet sich auch hervorragend zur Oxidation sekundärer Alkohole zu Ketonen, aber diese Reaktion läßt sich schon mit den klassischen Chromsäurelösungen im allgemeinen gut durchführen. Empfindliche sekundäre Alkohole wie z.B. Ethinylalkohole können mit der Jones-Oxidation (E.R.H. Jones) ohne Beeinträchtigung der Dreifachbindung zu Ketonen oxidiert werden. Dabei versetzt man den in Aceton oder Ether gelösten sekundären Alkohol mit der berechneten Menge wässeriger Chromsäurelösung und erkennt das Ende der Reaktion manchmal am Farbumschlag vom gelben Chromat zum grünen Cr(III)-Ion. Diese Oxidationen verlaufen meist zweiphasig, wobei der sekundäre Alkohol und das gebildete Keton in der Phasen-Grenzfläche mit dem Oxidationsmittel in Berührung kommen. Auf diese Weise lassen sich selbst die besonders empfindlichen Ethinylcarbinole zu den Ketonen oxidieren, wie im Beispiel des 4-Phenyl-3-butin-2-ons gezeigt. Als besonders milde spezifische Oxidationsmittel für Alkohole können auch organische Schwefelverbindungen der Sulfoniumstufe dienen. Dabei kann die Oxidation primärer Alkohole nicht über die Aldehydstufe hinausgehen, aus sekundären Alkoholen erhält man natürlich die ohnehin meist gegen Oxidation beständigen Ketone. Viel verwendet wird Dimethylsulfoxid, das elektrophile Agenzien (E) an seinem Sauerstoffatom anlagert und dieses dann gegen den Sauerstoff der zu oxidierenden Hydroxy l Verbindung austauscht. Das als Zwischenprodukt auftretende Dimethylalkoxysulfoniumsalz (I) geht mit Base in ein Ylid (II) über, das in Carbonylverbindung und Dimethylsulfid zerfallt. In der Pfitzner-Moffatt-Reaktion wird als aktivierendes Agens Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) verwendet, das bei der Reaktion in Diphenylharnstoff übergeht. (Man vergleiche die Acyl-aktivierende Wirkung Aldehyde durch Oxidation 483 des Carbodiimids bei Peptidsynthesen auf S. 319). Anstelle des Diimids kann auch Acetanhydrid oder Diphosphorpentoxid verwendet werden. CH3 CH3 H H3C -cnu EQH H X+ O +-S / + E —> EO-S +/ + HO—C-R H l > H3C S—O—C-R i I I \H3 \H3 V / :—R H /H (CH 3 J 2 S + O=C CH3 Il + E: Dicyclohexylcarbodiimid, CH3CO aus Acetanhydrid, P4O10 u.a. Zu den gleichen Oxidationen sind die Sulfoniumaddukte von Cl2 oder Af-Chlorsuccinimid an Dialkylsulfide fähig, die in analoger Weise, über Zwischenprodukte wie I, reagieren dürften (E. J. Corey). CH3 ci-sx sx CH e + Braunstein-Oxidation von Zimtalkohol C6H5CH=CH-CH2OH Mn 2 ° > C6H5CH=CH-CHO In einem 50-ml-Rundkolben, der mit einem Korkstopfen lose verschlossen ist, rührt man die Lösung von 2,68 g (20 mmol) Zimtalkohol in 20 ml spektroskopisch reinem Ether mit Hilfe eines Magnetrührstabes mit 12g aktivem Braunstein. Zur Dämpfung der Wärmetönung wird von außen mit Wasser von Raumtemperatur gekühlt. Nach 20 min ist die Reaktion praktisch beendet. Zur Vervollständigung rührt man noch 2 h weiter, filtriert dann über eine mit Ether aufgeschlämmte Säule von 10OmI Kieselgel (Durchmesser ca. 30 mm, zum Füllen der Säule siehe S. 88), wäscht mit reichlich Ether nach, dampft das Filtrat am Rotationsverdampfer ein und destilliert den Rückstand bei 25 Torr und 135—15O 0 C Badtemperatur in einem Kugelrohr: 2,30g (87%) Zimtaldehyd. Der Verlauf der Oxidation läßt sich besonders gut UV-spektroskopisch verfolgen. Dazu pipettiert man vor Zusatz des MnO2 und danach anfangs im Abstand von je 10 min je 0,2 ml der Lösung ab, verdünnt mit optisch reinem Ether auf 25 ml, nimmt von der verdünnten Lösung mit einer frischen Pipette abermals 0,2 ml ab und verdünnt diese auf 50 ml. Die so erhaltene Lösung kann in die UV-Küvette gefüllt und zwischen 320 und 220 nm vermessen werden. Vor Beginn der Oxidation sieht man die Hauptbande des 484 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Zimtalkohols bei 252 nm, im Verlauf der Oxidation wird diese durch die Hauptbande des Zimtaldehyds bei 282 nm ersetzt. Die Reaktion ist beendet, wenn diese Bande nicht mehr ansteigt und eine symmetrische, von Schultern freie Gestalt angenommen hat. Ebenfalls besonders milde und dabei äußerst einfach in der Durchführung ist die selektive Oxidation von Allylalkoholen mit aktivem Braunstein in Methylenchlorid oder Ether zu den a, ß- ungesättigten Aldehyden oder Ketonen. Sie wird durch Rühren bei Raumtemperatur erreicht, bleibt aber praktisch auf Allyl- und Benzylalkohole beschränkt. Aktiver Braunstein ist heute kommerziell erhältlich, kann aber auch nach Vorschrift (J. Attenburrow et al. J. Chem. Soc. ^952, 1094, S. 1104ff.) dargestellt werden. p-Nitrobenzoesäure aus p-Nitrotoluol mit Dichromat-Schwefelsäure Cr 3 ° "» O2N-/""V-CO2H In einem Dreihalsschliffkolben von 500 ml Inhalt, der mit Rückflußkühler, Rührer und Tropftrichter ausgestattet ist, werden 77g Kaliumdichromat (0,26 mol), 23g p-Nitrotoluol (0,17 mol) und 150 ml Wasser vorgelegt. In die gut gerührte Mischung läßt man von 190 g reiner Schwefelsäure aus dem Tropftrichter etwa die Hälfte so rasch zufließen, daß das Nitrotoluol schmilzt (Schmp. 51 0 C) und die Oxidation einsetzt. Die zweite Hälfte der Schwefelsäure wird in dem Tempo zugetropft, daß die Reaktion unter Selbsterwärmung weitergeht, aber nicht zu heftig wird. Ist alles zugegeben und die Reaktion abgeklungen, wird die Mischung noch 30 min zum gelinden Sieden erhitzt, dann abgekühlt und mit 200 ml Wasser verdünnt. Die ausgeschiedene rohe p-Nitrobenzoesäure wird abgesaugt in einem Literkolben mit 200 ml 1N Natronlauge übergössen und der Wasserdampfdestillation unterworfen. Geht kein unverändertes Ausgangsmaterial mehr über, filtriert man von der alkalischen Lösung das restliche Chromhydroxid ab und rührt das Filtrat in 120 ml 2 N Salzsäure ein. Die bei dieser Arbeitsweise zunächst sehr fein kristallin anfallende p-Nitrobenzoesäure wird noch eine Stunde nachgerührt, wobei die Kristalle erheblich größer werden, sodaß sie abgesaugt und mit Wasser gut ausgewaschen werden können. Die Trocknung kann im Heizschrank bei 120 0 C erfolgen. Man erhält 21 g (71 %) vom Schmp. 236 0 C. Ein besonders reines Produkt vom Schmp. 238 0 C kann man entweder durch Umkristallisieren aus viel Benzol erhalten oder durch Lösen in verdünnter Natronlauge und fraktioniertes Wiederausfällen mit verdünnter Salzsäure. Die beim schwachen Ansäuern ausfallende erste Fraktion nimmt praktisch alle Verunreinigungen auf und wird abgetrennt. Bei stärkerem Ansäuern erhält man dann ein sehr reines Produkt. aromatische Carbonsäuren durch Oxidation Benzoldicarbonsäuren aus Xylolen mit Kaliumpermanganat 485 Terephthalsäure aus p-Xylol In einem dreifach tubulierten 1-I-Rundkolben mit KPG-Rührer und Rückflußkühler löst man 4,0 g Kaliumhydroxidplätzchen (0,10 mol) in 500 ml destilliertem Wasser, fügt 70 g Kaliumpermanganat (0,44 mol) sowie 10,6g p-Xylol (12,3ml; 0,10 mol) hinzu und verschließt den dritten Tubus mit einem Schliffstopfen. Unter Rühren erhitzt man im Ölbad innerhalb von 30 min zum Sieden und hält dann 4 h bei einer Badtemperatur von 125 0C. Nach dieser Zeit ist das Permanganat verbraucht; sollte die überstehende Lösung noch rotviolett sein, reduziere man mit einigen Tropfen schwefliger Säure. Noch heiß saugt man vom Braunstein ab (Saugflasche vorwärmen) und wäscht mit 80 ml siedendem Wasser nach. Dann erhitzt man den Braunstein noch einmal mit 100 ml Wasser und 5 ml 2N Natronlauge auf einem siedenden Wasserbad, saugt wieder ab und wäscht zweimal mit 50 ml heißem Wasser. In die vereinigten, noch heißen Filtrate rührt man 60 ml konz. Salzsäure ein, worauf sich die farblose Terephthalsäure ausscheidet. Nach Stehenlassen über Nacht saugt man ab, wäscht fünfmal mit je 30 ml Wasser und trocknet 2 h bei 11O 0 C. Man erhält so 14—15g Terephthalsäure (84-91%). Terephthalsäure sublimiert unzersetzt oberhalb von 30O 0 C. Zur Charakterisierung ist der mit überschüssigem Diazomethan (S. 632) oder mit Methanol-Schwefelsäure erhältliche Dimethylester geeignet. Nach achtstündigem Kochen des Gemisches von 7,0 g Terephthalsäure, 15OmI Methanol und 6,0 ml reiner Schwefelsäure unter Rückfluß scheidet sich beim Erkalten der kristalline Ester aus. Nun wird mit Eis gekühlt, abgesaugt und aus 15OmI Methanol umkristallisiert. Ausbeute: 7,0-7,5 g Terephthalsäure-dime thylester (86-92%) in farblosen Nadeln mit einem Schmp. von 14O 0 C. Isophthalsäure aus /T?-XyIoI Man verfahre genau wie für die Oxidation von p-Xylol beschrieben. Auch hier beträgt die Ausbeute 14-15 g an der ebenfalls in Wasser schwer löslichen Benzol-1,3-dicarbonsäure. Isophthalsäure sublimiert oberhalb 30O 0 C und schmilzt im geschlossenen Röhrchen bei 348 0 C. Der Dimethylester hat einen Schmp. von 67 0 C. Chinolinsäure aus 8-Hydroxychinolin mit Salpetersäure, Nicotinsäure -c° In einem Stutzen von 0,5 I, der im Eisbad steht und mit Rührer und Thermometer versehen ist, werden 100 ml 65proz. Salpetersäure (d 1,4; 1,45 mol) gegeben. Unter Rühren trägt man 14,5g (0,10 mol) 8-Hydroxychinolin (S. 680) portionsweise so langsam ein, daß die Temperatur zwischen O und 5 0 C bleibt, was etwa 30 min dauert. Dann wird der Reaktionsansatz auf dem Dampfbad zur Trockne gebracht. Der kristallisierte Rückstand, 486 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Chinolinsäurenitrat, wird in 10OmI kochendem Wasser gelöst, die Lösung nach Aufkochen mit wenig Aktivkohle filtriert und im Eisschrank abgekühlt. Es scheiden sich 9—10g (54-60%) Chinolinsäure ab, die sich ab 18O 0 C unter CO2-Abspaltung zersetzt und bei 235-237 0 C als Nicotinsäure schmilzt. Zur mikropräparativen Decarboxylierung erhitzt man 1 g Chinolinsäure im Reagenzglas in einem Ölbad von 20O 0 C eine Stunde lang. Der hellbraune Rückstand wird aus wenig Wasser umkristallisiert und gibt mindestens 0,5g (70%) weiße Kristalle der Nicotinsäure vom Schmp. 235 0 C. Die starken anorganischen Oxidationsmittel wie Permanganat oder Chromsäure führen, je nach Versuchsbedingungen, zu mehr oder weniger durchgreifendem Abbau, wobei nur besonders resistente Molekülstrukturen, wie aromatische, heterocyclische oder cycloaliphatische Oxidationsprodukte gewonnen werden oder solche, die sich infolge ihrer Flüchtigkeit (Acetaldehyd, S. 478) der weiteren Oxidation entziehen. Da der Gehalt einer Dichromatlösung an Polychromsäuren und Chromtrioxid, damit also die oxidierende Wirkung, von der Säurekonzentration abhängt, kann man die Geschwindigkeit und auch grob das Ausmaß der Oxidation durch die Menge der zugesetzten konzentrierten Schwefelsäure regulieren. CrO3 wird oft auch in Eisessiglösung oder in Pyridin verwendet; geeignete organisch lösliche Derivate der Chromsäure sind Chromylchlorid (CrO2Cl2, Etards Reagenz) und Chromsäure-di-ter/butylester (CH3)3COCrO2OC(CH3)3. Besonders schwer lassen sich Paraffine oxidieren. Die Methylgruppe im^-Nitrotoluol wird vom Chromtrioxid nur wegen der Reaktivität der Benzylstellung in der Hitze angegriffen. Außer C-Atomen, die mit negativeren Atomen (O, N, S usw.) substituiert sind, bieten auch rc-Elektronen und tert-C-Atome dem Oxidationsmittel Angriffsmöglichkeiten. Hat die Oxidation an einer Stelle eingesetzt, so geht sie von dort aus schrittweise weiter. Methylgruppen, die an ein aliphatisches C-Atom gebunden sind, werden oxidativ als Essigsäure abgespalten, die gegenüber allen Oxidationsmitteln bemerkenswert stabil ist und aus dem Ansatz quantitativ heraus destilliert werden kann. C-Methyl-Bestimmung nach Kuhn-Roth. Diese Reaktion hat in der klassischen Strukturanalyse von Naturstoffen, z. B. von Terpenen eine besondere Rolle gespielt, hat jedoch an Bedeutung verloren, seit man Methylgruppen mit ihren klaren Signalen im NMR-Spektrum erkennt. Gewisse aromatische Systeme werden unter milden Bedingungen zu Chinonen oxidiert (2-Methyl-l,4-naphthochinon aus 2-Methyl-naphthalin, Präparat S. 565). Unter energischeren Bedingungen können die Benzolringe in polycyclischen Kohlenwasserstoffen und Heterocyclen durch Permanganat in alkalischer Lösung oder auch durch Chromsäure abgebaut werden. Aus Chinolin entsteht so Pyridin-2,3-dicarbonsäure (Chinolinsäure), da der Benzolring elektronenreicher ist als der Pyridinring. Noch leichter bildet sich die Chinolinsäure aus dem bereits im Benzolring oxidierten 8-Hydroxychinolin mit Salpetersäure (Präparat S. 485). Baeyersche Probe und Glykolspaltung CrO 3 487 Pyridin ist gegenüber Kaliumpermanganat so resistent, daß es bei Oxidationsreaktionen gut als Lösungsmittel benutzt werden kann, daneben ist Aceton in der Kälte relativ stabil und daher ebenso verwendbar. Bei vorsichtigem Arbeiten kann man Olefine mit Permanganat zu 1,2-Glykolen oxidieren. Diese Reaktion dient als „Baeyersche Probe" zur Erkennung von C=CDoppelbindungen (S. 186). Das Permanganation tritt dabei in einer Cycloaddition nur von einer Seite an die Doppelbindung heran, und bildet über den cyclischen Mangansäureester nur ds-Glykole, während mit Peroxyverbindungen über die Epoxide trans~G\yko\e entstehen (siehe S. 497). H,0 LJ^ V*, YI Mrr Die C—C-Bindung der 1,2-Glykole wird durch überschüssiges Permanganat leicht oxidativ weiter gespalten. Eindeutiger verläuft diese Spaltung jedoch mit Blei(IV)acetat (R. Criegee) oder Periodsäure (L. Malaprade). Diese beiden spezifischen Reagenzien dienen oft zur Erkennung und Lokalisierung benachbarter Hydroxylgruppen oder der Ethanolamingruppierung. OHOH 1O4- \ I =0 + O=C h> (+NH 3 ) OHNH Versuch: Glykolspaltung mit Periodat — In einem Reagenzglas gibt man zu 3 Tropfen einer 5—10proz. wässerigen Lösung eines 1,2-Glykols (z.B. Weinsäure, Glycerin oder eines Zuckers) 3 Tropfen 5proz. Kaliumperiodatlösung und 3 Tropfen 1N Schwefelsäure, schüttelt gut um und läßt etwa 5 min stehen. Dann reduziert man den Periodatüberschuß mit 10 Tropfen gesättigter schwefliger Säure und weist die entstandenen Aldehyde mit 3 Tropfen Schiff-Reagens (siehe S. 343) nach. Es erscheint, manchmal erst nach einiger Zeit, die charakteristische burgunderrote Farbe (Blindprobe!). Auch 2,4-Dinitrophenylhydrazin-Lösung (S. 347) kann zum Nachweis dienen. 488 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Als billiges Oxidationsmittel mit ähnlichem Wirkungsbereich wie die Chromsäure wird - auch in der Technik - häufig die Salpetersäure angewendet; meistens, wie im Präparat S. 485, halbkonzentriert und in der Hitze. Bei höheren Konzentrationen tritt die nitrierende Wirkung der Salpetersäure stärker in den Vordergrund. Beispiele für Oxidationen mit Salpetersäure sind die Bildung von Adipinsäure aus Cyclohexanol oder - in der Zuckerchemie - die Darstellung von Zuckersäuren aus Aldosen, z. B. (S. 396) Schleimsäure aus Galactose. Vorsicht! Oxidationen mit Salpetersäure verlaufen oft sehr heftig. -CH1 /H POH ^ChT2 HN 3 ° er H C-O^CrO3H Allen in stark saurer wässeriger Lösung ablaufenden Oxidationsvorgängen gemeinsam ist der primäre Angriff der elektrophilen Oxidationsmittel auf genügend elektronenreiche Stellen der Moleküle. Bei der Oxidation eines primären oder sekundären Alkohols durch Chromsäure bildet sich ein Chromsäureester als erstes Produkt, der unter Abspaltung von Chromit (eigentlicher Oxidationsschritt, Elektronenübergang und Abgabe des C-gebundenen Wasserstoffatoms als Proton) in die Carbonylverbindung übergeht. Dieser Oxidationsschritt ist auch geschwindigkeitsbe- \lC-OH H \/\ + CrO3 -> ~ stimmend. Deshalb werden axiale Alkohole schneller oxidiert als äquatoriale, während sonst äquatoriale Hydroxylgruppen schneller reagieren als axiale (z. B. bei der Veresterung). OH \ HO" .schneller H /langsamer Man formuliere den Ablauf für die nachstehend präparativ ausgeführte Oxidation des Phenylhydroxylamins zu Nitrosobenzol. Nitrosoverbindungen Nitrosobenzol aus Phenylhydroxylamin mit Dichromat-Schwefelsäure C 6 H 5 NHOH Cr 3 489 ° > C 6 H 5 NO 11 g (ca. 0,1 mol) frisch bereitetes Phenylhydroxylamin (Präparat S. 519) werden in einer eiskalten Mischung von 50 ml konz. Schwefelsäure und 250 ml Wasser durch portionsweises Eintragen möglichst rasch gelöst (Vermeidung der auf S. 521 erwähnten Umlagerung zu p-Aminophenol). Dann läßt man die auf O 0 C abgekühlte Lösung unter Rühren ziemlich rasch zu einer Lösung von 11 g (55 mmol) Natriumdichromat in 200 ml Wasser fließen, die sich in einem mit Eis-Wasser gekühltem 1 -l-Stutzen befindet. Das Nitrosobenzol scheidet sich alsbald in gelben Flocken aus. Man saugt auf einer kleinen Nutsche ab, wäscht zweimal mit Wasser, bringt den Niederschlag samt Filter in einen Rundkolben und destilliert das leicht flüchtige Nitrosobenzol mit Wasserdampf über. Die grünen Dämpfe setzen sich schon im Kühlrohr in fast farblosen Kristallkrusten ab. Sie werden zum Schluß, nach Abstellen des Kühlwassers, durch vorsichtige Dampfzufuhr geschmolzen und so in die Vorlage gebracht. Das abfiltrierte Nitrosobenzol wird auf Ton abgepreßt und im nichtevakuierten Exsikkator über Calciumchlorid (nicht über konz. Schwefelsäure!) getrocknet. Ausbeute 8 g (ca. 70%). Eine Probe der trockenen Substanz wird im Reagenzglas mit wenig Ether gewaschen (grüne Lösungsfarbe) und zur Schmelzpunktbestimmung nochmals getrocknet. Nitrosobenzol verflüssigt sich bei 68 0 C zu einer grünen Schmelze. Durch Umkristallisieren aus der doppelten Menge Alkohol läßt es sich in absolut reiner, haltbarer Form gewinnen. Aromatische Nitrosoverbindungen sind auch durch Oxidation primärer Amine mit Peroxyverbindungen, z.B. mit Peroxyschwefelsäure (Caro'scher Säure) oder Peressigsäure (30proz. Hydrogenperoxid in Eisessig) darstellbar. Die Oxydation des 2,4,6-Tribrom-anilins zum entsprechenden Nitrosobenzol wird im Präparat S. 494 ausgeführt. Die direkte Einführung der Nitrosogruppe in geeignete Aromaten auf dem Weg der elektrophilen Substitution ist beim Präparat S. 242 (/?-Nitrosodimethylanilin) gezeigt worden. Es gibt, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen, nur tertiäre Nitrosoverbindungen; befindet sich die NO-Gruppe an einem H-tragenden Kohlenstoff, so erfolgt prototrope Umlagerung zum Oxim, das man manchmal auch als Isonitrosoverbindung bezeichnet (vgl. S. 349). H-C-N=O t > \ R / C=N-OH i- Eine Anwendung dieser Reaktion, Oxidation von Cyclohexylamin zu Cyclohexanonoxim durch Wolframat-aktiviertes Hydrogenperoxid wird im Präparat auf S. 497 beschrieben. 490 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Ein aliphatischer Vertreter der Nitrosoverbindungen ist z. B. das Nitrosoisobutan. In festem Zustand sind fast alle Nitrosokörper dimer und damit farblos, in Lösung und in der Schmelze je nach Temperatur mehr oder weniger monomer und damit blau oder grün. Das Dissoziationsgleichgewicht erinnert an die beim Stickstoffdioxid bekannten Verhältnisse: (NO 2 J 2 <=> NO2 + NO2 Die Gruppe NO stellt den wirksamsten Chromophor dar, den wir kennen. Mit einem für die Lichtabsorption belanglosen Rest, wie tert-Butyl, erzeugt sie den blauen Nitrosokohlenwasserstoff Ähnlich wie die Carbonylgruppe (S. 337) ist die Nitrosogruppe unter Aufrichtung der N=O-Doppelbindung der Addition von nucleophilen Reagenzien zugänglich. So läßt sie sich z. B. leicht durch die Elektronen eines unedlen Metalls oder durch das Hydridion zur Aminogruppe reduzieren. Weitere Parallelen zwischen R—N=O und (R)2C=O sind bei den zahlreichen Kondensationsreaktionen z. B. mit primären Aminen, Arylhydroxylaminen oder aktiven Methylenverbindungen zu finden (z. B. S. 500). Azobenzol-4-carbonsäure aus Nitrosobenzol und p-Aminobenzoesäure C 6 H 5 NO + H 2 NC 6 H 4 CO 2 H "H2° > C6H5N=NC6H4CO2H In einem 250-ml-Rundkolben mit Rückflußkühler beläßt man die Lösung von 5,5g (40 mmol) p-Aminobenzoesäure und 4,3 g reinem Nitrosobenzol (voriges Präparat) in 10OmI Eisessig 2 h lang auf dem siedenden Wasserbad. Gegen Ende der Reaktion beginnt die Ausscheidung der Azobenzol-4-carbonsäure, sie wird beim Abkühlen auf Zimmertemperatur (nicht tiefer!) vollständig. Die kupfer- bis bronzefarbigen Kristalle werden abgetrennt, mit Eisessig und anschließend mit Wasser gewaschen und im Exsikkator über Calciumchlorid getrocknet. Ausbeute: 5,5g (50%); Schmp.: 247—2490C. Das schon ziemlich saubere Rohprodukt kann aus Alkohol umkristallisiert werden und schmilzt dann etwa ein Grad höher. Versuch: Azobenzol aus Nitrosobenzol und Anilin C 6 H 5 NO + H 2 NC 6 H 5 "H2° > C6H5N=NC6H5 In einem großen Reagenzglas fügt man zur Lösung von 1 ml Anilin in 3 ml Eisessig die von 1 g Nitrosobenzol in 10 ml Alkohol. Beim gelinden Erwärmen schlägt die Farbe nach dunkelorange um. Nach 10min langem Erhitzen im siedenden Wasserbad setzt man einige ml Wasser zu, worauf beim Abkühlen das Azobenzol in orangeroten Blättchen auskristallisiert. Es wird abgesaugt mit 50proz. Alkohol gewaschen und auf Ton getrocknet. Nach dem Umkristallisieren aus wenig Alkohol erhält man 1-1,5 g vom Schmp. 68 0 C. Zur Abwechslung setze man nach dieser Vorschrift Nitrosobenzol mit einem anderen gut zugänglichen aromatischen Amin um. Azo- und Azoxybenzolderivate 491 Die Kondensation eines primären aromatischen Amins mit einer aromatischen Nitrosoverbindung ist die beste Methode zur Herstellung unsymmetrischer Azoverbindungen. Die Herstellung symmetrischer Azoverbindungen durch geeignete Reduktion von NitroVerbindungen wird auf S. 523, die allgemein bei nucleophilen Aromaten anwendbare Azokupplung auf S. 601 beschrieben. Versuch: Azoxybenzol aus Nitrosobenzol und Phenylhydroxylamin C 6 H 5 NHOH + ON-C6H5 > C6H5-N=N-C6H5 O Zur Lösung von 1 g Nitrosobenzol in 1OmI Alkohol in einem großen Reagenzglas gibt man 1 g Phenylhydroxylamin, dann fügt man einige Tropfen halbkonzentrierte Kalilauge unter Umschütteln zu und erwärmt einige min im Wasserbad. Die gelbrote Lösung wird nun abgekühlt, wobei beim Reiben mit dem Glasstab das Reaktionsprodukt als gelbes Kristallisat ausfällt. Da Azoxybenzol schon bei 36 0 C schmilzt, scheidet es sich oft zunächst ölig ab. Durch Umkristallisieren aus wenig Alkohol oder Petrolether (Impfkristalle zurückhalten!) wird die Verbindung hellgelb, fast farblos erhalten. Bei unsymmetrischer Substitution der N-Atome gibt es zwei isomere Azoxyverbindungen. Durch Reduktion gehen sie in dieselbe Azoverbindung über. Durch konzentrierte Schwefelsäure erfahren Azoxyverbindungen eine interessante, mit der auf S. 521 erwähnten Reaktion des Phenylhydroxylamins verwandte „Umlagerung", die beim Azoxybenzol zum /?-Hydroxyazobenzol, der Muttersubstanz der sauren Wollfarbstoffe, führt (vgl. S. 601). Die Analogie der Nitroso- zu den Carbonylverbindungen gibt sich auch bei der Reaktion mit metallorganischen Verbindungen zu erkennen. Nitrosobenzol reagiert z. B. mit Phenylmagnesiumbromid (S. 493) zu Diphenylhydroxylamin. Diese Substanz läßt sich mit Ag2O zum Radikal Diphenylnitroxid oxidieren (siehe S. 593). Oxidationen mit Hydrogenperoxid Trimethylamin-oxid aus Trimethylamin (CH 3 ) 3 N + H2O2 > (CH 3 J 3 N^O + H2O In einem 300-ml-Erlenmeyerkolben versetzt man 25,0 ml der käuflichen 33proz. wässerigen Trimethylaminlösung (d 0,912; 0,13mol) unter Eiskühlung und gelegentlichem Umschütteln mit insgesamt 20,0 ml SOproz. Wasserstoffperoxid (d 1,11; 0,2 mol) und 492 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung 40 ml Wasser; der Zusatz erfolgt in vier Portionen jeweils im Abstand von 5 min. Ein lockeres Verschließen des Gefäßes vermeidet Trimethylamin-Verluste. Nach Aufbewahren über Nacht bei Raumtemperatur riecht das Reaktionsgemisch nicht mehr nach Amin. Zur Zerstörung des überschüssigen Wasserstoffperoxids versetzt man in kleinen Portionen mit insgesamt 0,5 g Mangandioxid. Nach Abschluß der Gasentwicklung wird in einen 250 ml Schliffkolben filtriert und im Vakuum vom Wasser befreit. Der trockene Rückstand wird durch kurzes Rückflußkochen in 190 ml Aceton und 35 ml Ethanol gelöst und heiß filtriert. Beim Erkalten kristallisiert das Trimethylaminoxid-dihydrat in farblosen Spießen vom Schm. 96 0 C aus. Läßt man die mit dem gleichen Volumen Ether versetzte Mutterlauge einige Zeit im Kühlschrank stehen, erhält man eine zweite Fraktion, zusammen 12—12,8g, entsprechend einer Ausbeute von 84—90%. Man überzeuge sich von dem schwach basischen Charakter des Aminoxids, indem man eine Probe in wenigen Tropfen Wasser löst und mit wässeriger Pikrinsäurelösung versetzt. Es fallen gelbe Nadeln des Pikrats aus (Zers.-P. 205 0 C). Trimethylaminoxid ist gegen siedende 2N Natronlauge stabil; auf Zusatz von etwas Zinkstaub tritt sofort der typische Geruch des tertAmins wieder auf. In den Aminoxiden ist der Sauerstoff koordinativ an den Stickstoff von terJ-Aminen gebunden. Sie haben daher ein hohes Dipolmoment und sind wenig flüchtig. Die vierfache Substitution am Stickstoff führt zu einem tetraedrischen Molekül. Bei vier verschiedenen Substituenten ist die Existenz einer (R)- und einer (S)-Form zu erwarten, die z.B. am Methyl-ethyl-propyl-aminoxid auch gefunden wurden: Pr O Et Et O Pr ^^ I CH3 ^ I CH3 (S)-Form (R)-Form Aminoxide sind schwache Basen, die Bindung des Protons erfolgt am Sauerstoff. An ihm können auch andere Reaktionen stattfinden, von denen die mit Acylierungsmitteln zu erwähnen ist. Das bei der Reaktion mit Acetanhydrid entstehende OAcetyl-trialkyl-ammonium-Kation lagert sich um; nach hydrolysierender Aufarbeitung lassen sich die den Alkylgruppen entsprechenden Aldehyde und sek-Amme isolieren (Polonovski). Am Beispiel des Trimethylaminoxids formuliert: N-Oxide und Cope-Eliminierung CH Acetylierung H 2CJ) 493 I CH3 O CH3 „0 + J=O + ^°— (CH 3 J 2 NH 2 n ~ H3C-N+ ^3 CH, "~\ ^C-CH3 U H2C-O-COCH3 H3C-N CH3 Vergleiche hiermit die ähnliche „Pummerer-Reaktion" der Sulfoxide. Beim Erhitzen geben höhere aliphatische Aminoxide unter cw-Eliminierung von Dialkylhydroxylamin Olefine (Cope-Eliminierung). R' R' R' R' RU_^R H3C-N^_ H H3C^- ^ 1 \r r / /=+\ H3C N-OH H3C Diese Reaktion dient sowohl zur Darstellung von Ölefinen als auch von Hydroxylaminen. Sie ist eine typische a's-Eliminierung (vgl. S. 189) und verläuft unter milderen Bedingungen als die Ester- oder Xanthogenat-Pyrolyse. fraf?5-Cyclohexan-1,2-diol aus Cyclohexen mit Hydrogenperoxid in Ameisensäure (Peroxyameisensäure) In einem 500-ml-Weithalskolben mit Rührer, Tropftrichter und Thermometer erwärmt man die Mischung von 150 ml 98—100proz. Ameisensäure und 30,6 g SOproz. Wasserstoffperoxid (27,5 ml; 0,30 mol) auf 35-4O0C. Unter lebhaftem Rühren läßt man 20,5 g Cyclohexen (25,3ml; 0,25 mol) innerhalb von 15min eintropfen, wobei man durch 494 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Außenkühlung mit kaltem Wasser dafür sorgt, daß die Temperatur im Reaktionsgemisch nicht über 45 0 C steigt! Anschließend rührt man noch 2 h bei 4O 0 C; dann werden Ameisensäure und Wasser im Wasserstrahlvakuum bei höchstens 4O 0 C Badtemperatur abgezogen (Schutzbrille und -schild!). Den Rückstand versetzt man portionsweise mit 100 ml 20proz. wässeriger Natronlauge und erwärmt eine Stunde auf dem Wasserbad. Nach dem Erkalten macht man mit starker Salzsäure neutral (evtl. Säureüberschuß mit etwas NaHCO 3 abstumpfen!) und dampft im Vakuum zur Trockne ein. Man extrahiert den Rückstand 6 h lang mit 15OmI siedendem Isopropanol in einer Soxhlet-Apparatur. Nach Abdampfen des Lösungsmittels destilliert man aus einem 10OmI Schwertkolben mit Claisenaufsatz. Bei 116—118 0 C / 12 Torr gehen 22-23 g Cyclohexandiol (76-79 %) als farbloses kristallin erstarrendes Öl über. Sollte der Schmp. von 102-103 0 C nicht sofort erreicht werden, kristallisiert man aus 70 ml Aceton um (19,5—20,5 g). 2,4,6-Tribrom-nitrosobenzol aus 2,4,6-Tribromanilin mit Peroxyessigsäure Br In einem Thermostat-Wasserbad von 4O 0 C (S. 13) hängt ein 500-ml-Zweihals-Schliffrundkolben (bzw. Dreihalskolben mit Glasstopfen), der einen KPG-Flügelrührer und einen Rückflußkühler trägt. Man läßt den Rührer nicht zu schnell laufen und gibt dann nacheinander in den Kolben 12OmI Eisessig (Überschuß), 25ml SOproz. wässeriges Hydrogenperoxid („Perhydrol"; 0,22 mol), 1,5ml konz. Schwefelsäure, sowie langsam, in kleinen Portionen 16,5g feingepulvertes 2,4,6-Tribromanilin (50 mmol) (S. 229). Nun läßt man noch 8 h bei 4O 0 C Badtemperatur weiterrühren, verdünnt dann die noch warme Suspension mit dem gleichen Volumen Wasser, läßt erkalten und saugt die hellockergelben Kristalle ab. Sie werden über Nacht im evakuierten Exsikkator neben Silikagel und festem Ätzkali getrocknet. Man erhält so etwa 16,5g eines schon ziemlich reinen Produktes (95%), das nach dem Umkristallisieren aus Eisessig (während des Aufkochens färbt sich die Lösung grün!) einen Schmp. von 122-1230C hat (die Schmelze wird dunkelgrün). Die aromatischen Nitrosoverbindungen sind auf S. 489 behandelt. Die in der präparativen organischen Chemie hauptsächlich verwendeten Peroxyverbindungen sind der Grundkörper, Hydrogenperoxid selbst, sowie die organischen Peroxysäuren, „v O—OH Oxidationen mit Peroxysäuren und Wasserstoffperoxid 495 Diese gewinnt man aus höher konzentriertem (mindestens 30proz.) H 2 O 2 und Carbonsäuren in Gegenwart von Schwefelsäure oder aus Diacylhydroperoxiden durch Spaltung mit Alkoholat. Die besonders reaktionsfähige (wasserfreie) Ameisensäure setzt sich mit 30proz. H 2 O 2 unter eigener H + -Katalyse zu Perameisensäure um. Über die Entstehung der Peroxycarbonsäuren bei der Autoxidation von Aldehyden wurde schon auf S. 472 berichtet. — Von den anorganischen Peroxysäuren verdient die Peroxyschwefelsäure (Caro'sche Säure), H2SO5, Beachtung. Hydrogenperoxid reagiert je nach den Versuchsbedingungen in zum Teil spezifischer Weise. In alkalischer Lösung greift das Anion HO—O~ elektrophile Stellen an, z. B. zur Carbonylgruppe konjugierte C=C-Doppelbindungen, a„/?-ungesättigte Ketone geben Epoxyketone (E. Weitz). \=c-c/ I l o H *°*-° H - , \-Lc/ \ .•'->! o NOI- > \_4_c_ / \ / Il o o In wässeriger Lösung läßt sich H 2 O 2 durch Zugabe kleinerer Mengen eines Eisen(II)-salzes stark aktivieren (Fentons Reagens, siehe S. 475). Dieses besonders starke Oxidationsmittel greift neben vielen anderen Substraten auch a-Hydroxycarbonsäuren unter oxidativer Decarboxylierung an (Abbau der Zucker über die Aldonsäuren nach Fenton-Ruff): OH O -t-C H 2 O 2 , Fe" ? _c + CCj2 + H20 i N o« Es ist auch in der Lage, die Polymerisation der Olefine auszulösen. Bei solchen „Redoxpolymerisationen" setzt man den ungesättigten Monomeren außer einer Peroxyverbindung und Fe2 + ein Reduktionsmittel zu, welches Fe3 + laufend zu Fe + + reduziert (W. Kern). Eine Aktivierung des H 2 O 2 kann auch durch UV-Licht oder kleinere Mengen Vanadin(V)-oxid, Osmium(IV)-oxid, Wolframat u.a. erfolgen (N. Milas). Im ersten Fall dürfte es sich um eine direkte homolytische Spaltung in zwei OH-Radikale handeln, in den anderen um eine intermediäre Bildung von Peroxysäuren (Peroxyvanadinsäure, Peroxyosmiumsäure, Peroxywolframsäure). Die Oxidation eines aliphatischen Amins mit H 2 O 2 und Wolframat zum Oxim (Isonitrosoverbindung) wird im Präparat S. 497 ausgeführt. Ohne Aktivator eignet sich verdünntes Hydrogenperoxid zur oxidativen Spaltung von l,2-Dicarbony!Verbindungen (Hollemann-Reaktion). Diacetyl wird z. B. glatt zu Essigsäure, Brenztraubensäure zu Essigsäure und CO2 oxidiert: 496 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung H 3 CCOCOCH 3 H 3 CCOCO 2 H H2 2 ° > > 2H 3 CCO 2 H H 3 CCO 2 H + CO2 H2 2 ° Die Reaktion verläuft über Anhydride, die sich nach Primäraddition des Peroxids an einen Carbonylkohlenstoff und anschließende Umlagerung bilden. Sie spielt eine besondere Rolle bei der oxidativen Aufarbeitung von Ozonspaltungen a,/J-ungesättigter Carbonylverbindungen. Auch die Oxidation tert-Amine zu Aminoxiden, wie sie im Präparat S. 491 beschrieben ist, gelingt ohne Aktivatoren: T(R) 3 N-OH] CiH L OH-J > (R) 3 N^O +H 2 O Die potentiell elektrophile Natur eines Sauerstoffs im H 2 O 2 zeigt sich ebenso bei den verwandten Synthesen der Sulfoxide, Sulfone und Phosphinoxide aus den entsprechenden O-freien Verbindungen. Noch leichter verlaufen diese Oxidationen mit den Peroxysäuren. In diesen ist die Bindung zwischen den O-Atomen infolge der einseitigen Acylierung polarisiert, so daß die OH-Gruppe von vornherein elektrophil ist. Stilbenoxid CeH 5 V \ c __ c / H ^ClC6H4CO3H C6H5 H ' x r/ \6H5 \/ 0 Man gibt die auf O C gekühlte Lösung von 11,Og 85proz. /n-Chlorperbenzoesäure (54 mmol) in 12OmI Methylenchlorid portionsweise zur Lösung von 9,0g (50 mmol) Irans-(E)-Stuben in 80 ml CH2CI2 von O 0 C und beläßt unter gelegentlichem Umschwenken 20 h im Kühlschrank. Danach wird die in CH2CI2 schwerlösliche m-Chlorbenzoesäure abgesaugt (8,0g, 80% d.Th.) und das Filtrat nacheinander mit 10proz. Natriumsulfitlösung (zweimal), gesättigter Natriumhydrogencarbonatlösung (zweimal) und einmal mit Wasser gewaschen. Nach dem Trocknen über Natriumsulfat dampft man ein, kristallisiert den Rückstand aus wenig Diisopropylether im Tiefkühlfach und erhält 7,3 g (75%) farblose Kristalle vom Schmp. 69—7O 0 C. Das klassische Substrat für die Oxidation mit Peroxysäuren sind die Olefine, die nach N. Prileschajew Epoxide geben: /\r O , -0-COC6H5 .C6H5CO2H Epoxidierung mit m-Chlorperbenzoesäure 497 Für das oben beschriebene Präparat Stilbenoxid wird m-Chlorperbenzoesäure als die wegen ihrer Stabilität heute besonders bevorzugte Peroxysäure verwendet. Führt man die Reaktion mit Perameisensäure m hochprozentiger Ameisensäure aus (H2O2 in Ameisensäure), so wird das Epoxid unter Protonenkatalyse acidolysiert, es entsteht das Monoformyl-fraAw-glykol, das durch alkalische Hydrolyse leicht ins transGlykol überführt werden kann (Präparat S. 493): -.-t? \ / f X HC o 3H > \| / OCHO H20 O X / HO ^ X > \l . - / OH HO / v% \ rä-Glykole werden aus Olefinen bei der bereits erwähnten Oxidation mit Permanganat (S. 487) oder mit dem stark oxidierend wirkenden (giftigen) Osmiumtetroxid über cyclische Osmiumsäureester erhalten (R. Criegee). Mit Bleitetraacetat erfolgt in ^O der Wärme die Anlagerung von zwei H3C—C -Radikalen zu Diacetyl-l,2-glykolen ohne sterische Auswahl. Über Epoxide aus Aromaten, Arenoxide, siehe auf S. 275. Trotz ihres an sich elektrophilen Charakters können sich Peroxysäuren doch an den positiven Kohlenstoff der Carbonylgruppe anlagern, wenn diese durch Protonisierung des Sauerstoffs aktiviert ist. Die dabei entstehenden Addukte wandeln sich sofort durch Peroxidumlagerung in Ester um. Diese Baeyer-Villiger-Reaktion führt beim Cyclopentanon zum <5-Valerolacton: Cyclohexanonoxim aus Cyclohexylamin (in Gegenwart von Wolframsalz) H2O2; Wolfram* =NOH In einem 400- ml -Weithals- Erlenmeyerkolben mit Rührer, Tropftrichter und Thermometer werden 24,2ml (19,8g; 0,20 mol) frisch destilliertes Cyclohexylamin und 2 g Natriumwolframat in etwa 120 ml Wasser gelöst. Man läßt den Rührer langsam laufen und tropft 50 ml (0,44 mol) SOproz. Hydrogenperoxid („Perhydrol") innerhalb von etwa 40 min zu. Dabei sorgt man durch Kühlen mit Eiswasser und zeitweiliges Unterbrechen des Eintropfens dafür, daß die stark exotherme Reaktion stets bei etwa 2O 0 C gehalten wird. Der während der Oxidation ausfallende weiße Niederschlag (Cyclohexylamin-Cyclohexanonoxim-Additionsverbindung) wird jeweils durch Zugabe der eben nötigen Menge Methanol (insgesamt etwa 80 ml) aufgelöst. Anschließend rührt man 498 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung noch 2 h bei 2O 0 C langsam weiter und läßt dann den Kolben, mit einem Uhrglas abgedeckt über Nacht an einem nicht zu warmen Ort stehen. Nun neutralisiert man vorsichtig unter Kühlung mit halbkonzentrierter Salzsäure (das nicht umgesetzte Amin), filtriert von einer eventuell entstandenen Trübung ab, versetzt das Filtrat bis zur Sättigung mit Kochsalz und schüttelt es sechsmal mit je 150 ml Ether aus. Die vereinigten Etherauszüge werden mit wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet und destilliert. Das zurückbleibende rohe Kristallisat reinigt man durch Destillation im Schwertkolben oder Kugelrohr unter Vakuum, wobei es bei 103-1050C / 12 Torr übergeht. Schmp.: 9O 0 C; Ausbeute: 15g (66%). Oxidation mit Selendioxid Mesoxalsäure-diethylester-hydrat aus Malonsäure-diethylester CO2Et H2C^ CO2Et SeO2 (H2O) HO C CO2Et CO2Et HO 32g Malonester (0,20 mol) und 22,2g frisch sublimiertes Selendioxid (0,20 mol) werden in 30 g XyIoI unter Rückfluß 16 h auf 13O 0 C erhitzt. Dann wird das Selen abfiltriert und gut mit Ether ausgewaschen. Aus der mit Natriumsulfat getrockneten Ether-XylolLösung dampft man den Ether ab und fraktioniert den Rückstand im Vakuum. Nach Übergehen des XyIoIs wird die Fraktion von 66-10O0C / 12 Torr aufgefangen und ein zweites Mal destilliert. Die dabei erhaltene Fraktion von 90-10O0C / 12 Torr scheidet bei längerem Stehen an der feuchten Luft große glasklare Kristalle von Mesoxalsäureester-hydrat aus. Ausbeute 5,0g (13%). Nach Umkristallisieren aus Aceton Schmp. 57 0 C. Das Selen wird durch Oxidation mit Salpetersäure zu Selendioxid regeneriert. Ninhydrin (Triketohydrinden-hydrat) aus Diketohydrinden O O In einem 500-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler und Rührerwerden 11 g (0,10 mol) frisch sublimiertes Selendioxid in 240 ml Dioxan und 5 ml Wasser gelöst. Unter Rühren erwärmt man auf etwa 60-70 0C, fügt, ohne weiter zu heizen, 14,6g (0,10 mol) rohes Diketohydrinden (Präparat S. 403) zu und kocht die Mischung 6 h lang unter Rückfluß. Dann filtriert man noch heiß vom ausgeschiedenen Selen ab, engt die Lösung auf ein Drittel ein und versetzt den Rückstand mit 10OmI Wasser. Nun kocht man zur Koagulierung des abgeschiedenen harzigen Materials kurze Zeit auf und filtriert ab. Das Filtrat wird durch Destillation auf etwa 50 ml gebracht, filtriert, mit Aktivkohle aufge- Selendioxid-Oxidation, Ninhydrin 499 kocht, nochmals filtriert, auf 25 ml eingeengt und über Nacht bei Zimmertemperatur stehen gelassen. Das abgeschiedene rohe Ninhydrin wird abgesaugt, die Mutterlauge im Vakuum weiter eingedampft und nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank die zweite rohe Kristallisation abgesaugt. Die gesamte Rohausbeute beträgt 6,5-7 g (36 bis 40%). Zur Beseitigung der anhaftenden selenigen Säure wird aus wenig heißem Wasser unter Zusatz von Aktivkohle umkristallisiert. Reinausbeute 5—6 g. Ninhydrin verliert bei 125-13O0C ein mol Wasser und schmilzt dann bei 241-2430C unter Zersetzung. Man bringe das Präparat nicht auf die Haut; es reagiert nach einiger Zeit mit den Aminosäuren zu dunkelvioletten Flecken, die aber mit starken Reduktionsmitteln wie Dithionit oder mit starken Säuren zu entfernen sind! Ninhydrin ist das wichtigste Farbreagenz für Aminosäuren (S. 711), bevorzugt für a-Aminosäuren, die oxidativ zum C-ärmeren Aldehyd abgebaut werden. Das dabei entstehende Ammoniak wird reduktiv in den Farbstoff eingebaut. Der „Ruhemannsche Purpur", ein mesomeres Anion ist dem Murexid (S. 691) ähnlich. U.S.W. Versuch: Ninhydrinreaktion (auch bei Präparaten von Aminosäuren auszuführen) Einige mg irgendeiner Aminosäure (siehe Präparate, S. 355) werden im Reagenzglas in 0,5 ml Wasser mit einigen Kristallen Ninhydrin über der freien Flamme gekocht; tiefe Violettfärbung. Nach dem Abkühlen kann man die violetten Anionen durch Zusatz einiger Tropfen Kupfer(ll)-acetatlösung als rotbraune Kristalle eines Kupferkomplexes ausfällen. Diese sind wesentlich beständiger als die Alkalisalze. Selendioxid ist ein spezifisch wirkendes Oxidationsmittel, das besonders durch Nachbargruppen aktivierte Methylen- und Methylgruppen angreift (Riley 1932). So oxidiert es Methylketone zu Ketoaldehyden und Ketone mit a-ständiger Methylengruppe zu 1,2-Diketonen, aber allylische Methyl- oder Methylengruppen unter milden Bedingungen zu Allylalkoholen. In beiden Fällen werden Seleninsäuren (RSeOOH) als Zwischenstufen durchlaufen. SeO2 — COCHO — COCO- H CH2OH 500 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Analoge Oxidationen sind auch mit salpetriger Säure, ihren Estern oder /?-Nitrosodimethylanilin auf dem Umweg über die Oxime bzw. Azomethine erreicht worden, z. B. Triketopentan aus Acetylaceton. H 3 C-CO N(CH3J2 _ H20 > C= H3C-CO H3C-CO H2 °- CO + H3C-CO H2N--/~\— N(CH3J2 Die Oxidation mit Kaliumnitrosodisulfonat, die speziell zur Einführung eines zweiten Sauerstoffatoms in Phenole geeignet ist und zu Chinonen führt, ist auf S. 572 besprochen. Oxidation mit Ozon Die Anlagerung von Ozon an ungesättigte organische Verbindungen, die Ozonisierung, wird in einer Gaswaschflasche oder in einem speziellen Gefäß mit Schraubenoder Spiraleinsatz meist unter Kühlung ausgeführt. Zur Dichtung der Schliffe verwendet man nicht Fett, sondern, wenn nötig, zerflossenes Phosphorpentoxid oder Graphit. Schlauchverbindungen aus Gummi dürfen nicht benutzt werden. Als Lösungsmittel eignen sich: Hexan, Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, Ethylchlorid, Eisessig und Essigester. In den Kohlenwasserstoffen und Chlorverbindungen sind viele Ozonide schwer löslich und scheiden sich daher während der Ozonisation aus. Bei jedem Arbeiten mit ozonreichen Lösungen muß unbedingt eine Schutzbrille getragen werden! Das Ozon selbst wird im Entladungsapparat (Ozonisator) aus durchgeleitetem Sauerstoff erzeugt. Gute Entwickler liefern bis zu 10 Volumenprozente O3 im Sauerstoff. Zur Bestimmung der für die Ozonisierung erforderlichen Zeit wird folgendermaßen geeicht: Man leitet einige min nach dem Einschalten des Entwicklers das austretende Ozon-Sauerstoff-Gemisch eine bestimmte Zeit (2-5 min) bei konstanter Strömungsgeschwindigkeit durch eine wässerige Lösung von 1,0g Kaliumiodid, die etwas Borsäure enthält. Das ausgeschiedene lod wird anschließend mit O,IN Natriumthiosulfat-Lösung titriert und so die pro min entwickelte Menge Ozon ermittelt, l ml O,l N Thiosulfatlösung entspricht 2,4mg Ozon. Beispiele der Ozonspaltung Adipindialdehyd aus Cyclohexen mit Ozon 501 0 O3 —^- (Ozonid) H2/Pd — — Man löst 12,3g Cyclohexen (Präparat S. 186; 0,15mol) in 14OmI Essigester, der am Tag vorher viermal mit dem gleichen Volumen Wasser ausgeschüttelt, über Nacht mit Calciumchlorid getrocknet und dann abdestilliert wurde. Das Ozonisiergefäß wird in einem großen Dewargefäß mit Aceton- Kohlendioxid auf -50 bis -7O 0 C abgekühlt und dann an den Ozonentwickler angeschlossen. Nicht zu lange vor dem (aus Gasgeschwindigkeit und Ozongehalt zu berechnenden) Ende der Ozonisation schaltet man hinter das Reaktionsgefäß eine Waschflasche mit ca. 2proz. Kaliumiodidlösung. Das Ende der Oxidation erkennt man an einer weingelben Färbung. Auf keinen Fall darf bei diesem Präparat überozonisiert werden! Die klar und dünnflüssig gebliebene Lösung des Ozonids wird noch kalt mit Hilfe von 0,5g frisch dargestelltem Palladium- Katalysator (siehe S. 553) hydriert. Nach Beginn der Wasserstoffaufnahme bremst man die exotherme Reaktion durch Kühlen des Hydriergefäßes mit Eiswasser und läßt sie schließlich unter Selbsterwärmung zu Ende gehen. Nach etwa einer Stunde und Aufnahme von dreiviertel der berechneten Menge Wasserstoff kommt die Hydrierung zum Stillstand: Die Lösung wird nun durch ein Faltenfilter abfiltriert. Weniger Wasserstoff wird gebraucht, wenn bei der Ozonisation nicht genug gekühlt oder überozonisiert wurde. Die Gegenwart von polymerem Ozonid, das nicht hydriert wird, verrät sich dadurch, daß eine Probe der Essigesterlösung auf Zusatz von Ether eine Fällung gibt. Da sich das polymere Ozonid bei der nachfolgenden Destillation explosionsartig zersetzen kann, muß es entfernt werden. Dazu fügt man Ether zur Lösung und schüttelt durch, bis mit weiterem Etherzusatz keine Fällung mehr entsteht. Wenn sich nach kurzem Stehen das polymere Ozonid abgesetzt hat, gießt man die Lösung davon ab und verdampft den Ether. Das Lösungsmittel wird mit einem Fraktionieraufsatz bei 30— 40 0 C im Vakuum abdestilliert. Der Adipindialdehyd wird durch Destillation im Vakuum aus einem kleineren Kolben mit Fraktionierkolonne isoliert. Man erhält 7—9 g (40—52%). Der reine Aldehyd siedet bei 92-94 0 C / 12 Torr, wird in Eis- Kochsalz- Mischung fest und schmilzt dann bei -8 bis -7 0 C. Um ihn vor Autoxidation zu schützen, wird er unter Stickstoff oder Kohlendioxid eingeschmolzen verwahrt. Das nach der Vorschrift auf S. 347 dargestellte Bissemicarbazon hat nach dem Umkristallisieren aus Alkohol-Wasser den Schmp. 206 0 C. Biphenyl-2,2'-dialdehyd aus Phenanthren mit Ozon a) In Chloroform Man beachte die vor dem voraufgehenden Präparat stehenden Ausführungen 10,7 g (60 mmol) reines Phenanthren (Reinigung durch Umkristallisieren aus Ethanol; Schmp. 100,50C) werden in einer Waschflasche oder einem geeigneten Ozonisiergefäß (siehe oben) in 10OmI reinem Chloroform gelöst. Das Reaktionsgefäß wird im Dewar- 502 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung Gefäß mit Aceton-Kohlendioxid-Kältemischung auf -60 bis -7O 0 C gekühlt. Bei dieser Temperatur leitet man nun Ozon-Sauerstoff-Gemisch in die Lösung ein, und zwar etwa 10—14 min länger als zur Aufnahme der theoretisch berechneten Menge nötig wäre. Das Ende der Reaktion ist auch am Auftreten einer schwachen hellblauen Färbung in der ozonisierten Lösung zu erkennen. Zur Verdrängung des überschüssigen Ozons leitet man 10 min reinen Sauerstoff durch das Reaktionsgemisch und spült schließlich die blaßgelbe Lösung in einen Erlenmeyerkolben. Nach Versetzen mit 40 g Natriumiodid und 40 ml Eisessig scheidet sich reichlich lod aus, das eine halbe Stunde später durch Schütteln mit 10proz. Natriumthiosulfatlösung entfernt wird (Scheidetrichter). Man zieht die wässerige Phase nochmals mit Chloroform aus und trocknet die vereinigten organischen Lösungen über Natriumsulfat. Beim Abdampfen des Lösungsmittels bleibt ein zähes gelbes Öl (12,6g) zurück, das aus einem Schwertkolben oder im Kugelrohr im Hochvakuum destilliert wird. Bei 154—155 0 C / 0,01 Torr gehen 10,5-11 g (84-88%) eines blaßgelben Öls über, das nach einiger Zeit (evtl. Anreiben mit wenig Petrolether) zu gelblichen Kristallen vom Schmp. 61—62 0 C erstarrt. Das Produkt läßt sich durch vorsichtiges Umkristallisieren aus 70proz. Alkohol weiter reinigen (Impfkristalle zurückbehalten! Langsam abkühlen lassen!). Der Schmelzpunkt des reinen Diphenyl-dialdehyds liegt bei 62-630C. b) In Methanol 0-OH CHO CH-OCH3 O3 CH 3 OH KI \ / \ 10,Og (56 mmol) reines Phenanthren wie unter a) werden durch Erwärmen in 200 ml Methanol gelöst und durch rasches Abkühlen als fein verteilte Suspension ausgeschieden. Diese wird in einem geeigneten Ozoniergefäß (siehe oben) durch eine Aceton-Kohlendioxid-Kältemischung in einem Dewar-Gefäß auf -3O 0 C abgekühlt. Bei dieser Temperatur leitet man unter gelegentlichem Schütteln ein Ozon-Sauerstoff-Gemisch mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 l/h ein, bis alles Phenanthren in Lösung gegangen ist. Dazu wird etwa das 1,3fache der berechneten Menge Ozon benötigt. Zur Verdrängung überschüssigen Ozons leitet man noch 10min reinen Sauerstoff durch das Reaktionsgemisch und setzt dann in der Kälte 28g Kaliumiodid und 30 ml Eisessig zu, läßt 1/2 bis 1 h bei Raumtemperatur stehen und reduziert das ausgeschiedene lod mit 10proz. Natriumthiosulfatlösung. Unmittelbar danach dampft man im Rotationsverdampfer ein, wobei sich das Produkt kristallin abscheiden soll, gegebenenfalls muß durch Kratzen mit einem Glasstab nachgeholfen werden. Wenn alles Methanol verdampft ist, soll die Kristallisation weit fortgeschritten sein; man setzt dann Wasser zu, saugt den Niederschlag ab und trocknet ihn. Er wird in 40-50 ml Ether gelöst und durch Zusatz von 150 ml Petrolether feinkristallin wieder ausgefällt, zum Schluß durch Kühlen im Aceton-Kohlendioxid-Bad. Man erhält so 7,3-9,5 g (65-85%) gelbliche Kristalle vom Schmp. 61 bis 62 0 C, die wie oben weiter gereinigt werden können. Bis-2,4-dinitrophenylhydrazon: 0,4 g 2,4-Dinitrophenyl-hydrazin werden in 2 ml konz. Schwefelsäure gelöst und in 12 ml 70proz. Alkohol eingegossen. Dieses Reagens setzt man der Lösung von 0,5 g Dialdehyd in 20 ml Alkohol zu, worauf sich das rotorange ge- Mechanismus der Ozonspaltung 503 färbte 2,4-Dinitrophenylhydrazon sofort abzuscheiden beginnt. Nach Umkristallisieren aus Ethylalkohol liegt der Schmp. bei 289-29O0C (Zersetzung). Dioxim: Je 1 g Dialdehyd und Hydroxylaminhydrochlorid werden in 5 ml Pyridin und 5 ml Ethanol 2 h unter Rückfluß gekocht. Nach Abdampfen des Lösungsmittels verreibt man den Rückstand mit 5 ml kaltem Wasser und filtriert. Das zurückbleibende Dioxim schmilzt nach Umkristallisieren aus verdünntem Ethanol bei 186 0 C. Die Reaktion von Ozon mit der Kohlenstoffdoppelbindung beginnt mit einer 1,3dipolaren Cycloaddition, die zu allererst ein „Primärozonid" liefert, nach dem man lange Zeit vergeblich gesucht hat. Es ist erst 1960 bei der Ozonisierung des trans-Diterf-butyl-ethylens durch Criegee und Schröder als kristalline, äußerst labile Verbindung gefaßt worden. Sie gab - als Beweis für die noch bestehende C—C-Bindung bei Reduktion das 1,2-Glykol: OH OH I I C= C -C-H Red. -r-C — C — H H/ V Die Primärozonide sind aber im allgemeinen so reaktionsfähig, daß sie sich sofort zu monomeren Ozoniden oder polymeren Peroxiden weiterverändern. Bei Anwesenheit von Methanol (Präparat S. 502) entstehen so Methoxyhydroperoxide. Ozonisiert man Tetramethylethylen in Gegenwart von Formaldehyd, erhält man das Ozonid des Isobutylens. Diese Mannigfaltigkeit der Produkte läßt sich zwanglos so deuten, daß das Primäraddukt spontan zu einer Carbonylverbindung und einem Peroxidzwitterion zerfällt, das dem nachstehenden Formelschema gemäß über eine erneute Cycloaddition zum Ozonid weiterreagiert (R. Criegee): Primärozonid C = C + O33 / \ J i c—o—o—c—o-o I I Polymere Ozonide Methoxyhydroperoxid Methylenozonid Die Ozonide werden beim Erwärmen mit wässeriger Säure zu zwei Molekülen Aldehyd oder Keton und einem H 2 O 2 hydrolysiert. Da das H 2 O 2 Aldehyde oxidie- 504 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung ren kann, arbeitet man üblicherweise reduzierend auf, indem man mit katalytisch erregtem Wasserstoff spaltet (wie beim Präparat S. 501) oder Kaliumiodid (wie beim Präparat S. 502), Zink in Eisessig, Phosphite, Phosphine oder Thioether einwirken läßt. Bei der Ozonisierung des Phenanthrens kann ein polymeres Ozonid isoliert werden. Ringförmige Verbindungen können infolge der Bifunktionalität nach Aufspaltung des Primärozonids polymere Ozonide geben (die manchmal explosiv sind). Bei offenen Olefinen bestehen die höher molekularen Ozonierungsprodukte wohl aus den auf S. 503 formulierten polymeren Peroxiden. Eine oxidierende Spaltung der Ozonide, z. B. mit verdünntem Hydroperoxid kann ebenfalls zur Aufarbeitung der Ansätze und zur Gewinnung von Carbonsäuren dienen; a, ß- ungesättigte Carbonylverbindungen verlieren dabei ein C-Atom (formulieren!). Bei der - allerdings wesentlich langsamer verlaufenden - Ozonolyse von Alkinen entstehen ebenfalls Carbonsäuren. Der Ozonabbau von Olefinen ist, wegen seiner besonders hohen Spezifität, ein sehr wichtiges analytisches Hilfsmittel zur Lokalisierung von C=C-Doppelbindungen. (Z.B. Strukturaufklärung des natürlichen und künstlichen Kautschuks sowie zahlloser Naturstoffe). Weiterführende Literatur zu Kapitel X K. B. 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Criegee, Mechanismus der Ozonolyse, Angew. Chem. 87, 765 (1975). P. S. Bailey, Ozonation in Organic Chemistry, Academic Press, New York, San Francisco, London 1978. R S. Bailey, The Reactions of Ozone with Organic Compounds, Chem. Rev. 58, 925 (1958). Xl. Reduktion und Hydrierung Experimente: 3-Phenylpropionsäure (Hydrozimtsäure) aus Zimtsäure mit Natriumamalgam Reduktion der Carbonylgruppe nach Clemmensen 1,2-Diphenylethan aus Benzil 4-Phenyl-buttersäure aus 3-Benzoyl-propionsäure 2 - Cyclohexen -1 - on, Birch-Reduktion Anilin aus Nitrobenzol mit Eisen und Salzsäure /?-Toluidin aus /?-Nitrotoluol mit Zinn und Salzsäure Versuch: Chlorkalkreaktion nach Runge Versuch: Isonitrilreaktion Phenylhydroxylamin aus Nitrobenzol mit Zink und Ammoniumchlorid N-Methylhydroxylamin Versuch: Reduzierende Wirkung des Phenylhydroxylamins Versuch: Einwirkung von Säure auf Phenylhydroxylamin Versuch: AT-Nitrosophenylhydroxylamin (Cupferron) Versuch: AT-Phenylbenzalnitron Hydrazobenzol aus Nitrobenzol mit Zink in Natronlauge Versuch: Azobenzol durch Dehydrierung Versuch: Photochemische Umlagerung des Azobenzols Symm. Diphenylthioharnstoff (Thiocarbanilid) Phenylisothiocyanat (Phenylsenföl); Triphenylguanidin Versuch: Reaktion der Amine mit Phenylisothiocyanat Versuch: Phenylisocyanat aus Phenylisothiocyanat mit Quecksilberoxid Thiophenol aus Benzsulfochlorid Versuch: Quecksilber-thiophenolat aus Thiophenol Versuch: Diphenyldisulfid durch Autoxidation des Thiophenols Versuch: Reduktion eines Disulfids zum Thiol m-Nitranilin aus m-Dinitrobenzol mit Ammoniumhydrogensulfid Versuch: Unterschiedliche Basizität der Nitraniline Trichlorethylalkohol aus Chloral 1,6-Hexandiol aus Adipinsäure-diethylester mit Lithium-alanat 4-Methylbenzylamin aus /7-Tolunitril mit Lithium-alanat Natriumborhydrid-Reduktion von Ketonen und Aldehyden, Benzhydrol /?-Nitrobenzylalkohol (-h )-Isopinocampheol 4- Phenylbuttersäure 7- Phenylheptansäure 508 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung Vorbereitung und Ausführung der Hydrierung Herstellung einiger Hydrierungskatalysatoren a) Palladium-Mohr b) Palladium-Tierkohle c) Platinoxid nach Adams d) Raney-Nickel 3-Phenylpropionsäure aus Zimtsäure Härtung eines Speiseöls 1-Naphthylamin aus l-Nitronaphthalin a) mit Wasserstoff und Raney-Nickel b) mit Hydrazin und Raney-Nickel /7-Toluidin aus /?-Nitrotoluol Versuch: Alanin aus Cystin mit Raney-Nickel Dihydrocarvon Reduktionsmittel 509 Xl. Reduktion und Hydrierung Die Reduktion der funktionellen Gruppen organischer Verbindungen kann mit verschiedenen Reduktionsmitteln in recht spezifischer Weise erreicht werden. Immer besteht dabei der eigentliche Reduktionsschritt in einer Bereicherung des Substrats an Elektronen. Von großer präparativer Bedeutung als Elektronenlieferanten sind unedle Metalle; bei Anwendung in protonhaltigen Lösungsmitteln spricht man hierbei oft vom „nascierenden Wasserstoff4. Auch elektronenabgebende Kationen (z. B. Fe 2+ , Sn 2+ , Cr 2+ , Ti 3+ ) oder Anionen (z.B. SH", S 2 O 4 *~ [Dithionit]) werden oft zur Reduktion in homogener Lösung verwendet. In beiden Fällen folgt der Elektronenaufnahme durch das Substrat die Anlagerung eines oder mehrerer Protonen. Bei der Reduktion durch Hydridionen-Übertragung läuft der Vorgang ohne Trennung der Elektronen vom Wasserstoff ab, das H"-Anion wird als Ganzes von einem anorganischen oder organischen Donator (DH) auf eine elektronenarme Stelle des Substrats (Acceptor; A) übertragen, ohne mit H + -Ionen zu H2 zu reagieren. D—H + A + <=> D+ + A—H In diese letzte große Gruppe der Reduktions-(Hydrierungs-)reaktionen, die oft reversibel sind (Redox-Reaktionen), gehören u. a. die Cannizzaro-Reaktion, die Reduktion nach Meerwein-Ponndorf und die Reduktion mit Formaldehyd oder Ameisensäure. Die größte präparative Bedeutung haben inzwischen die Hydrid-Übertragungen mit komplexen Metallhydriden. Weitere Mittel zur Reduktion, über deren Mechanismus nicht immer vollständige Klarheit herrscht, sind Hydrochinone und Endiole sowie Hydrazine, Hydrazone und ihre Oxidationsprodukte, sowie Diimin (HN = NH). Hierbei können Einzelelektronen-Übergänge bzw. H-Atome, also radikalartige Zwischenstufen eine Rolle spielen. Schließlich ist von besonderer präparativer und technischer Wichtigkeit die direkte Anlagerung von Wasserstoffgas an ungesättigte Systeme in Gegenwart von feinverteilten Übergangsmetallen (Platinmetalle, Nickel, Kobalt u. a.), die man als katalytische Hydrierung bezeichnet. Eine Reihe von Metallionen und Komplexen, besonders der Platinmetalle erlaubt auch Katalyse der Wasserstoffübertragung in homogener Lösung. 510 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung Reduktion mit Metallen Amalgam-, Clemmensen- und Birch-Reduktion 3-Phenylpropionsäure (Hydrozimtsäure) aus Zimtsäure mit Natriumamalgam C6H5CH=CHCO2H " " > C6H5CH2CH2CO2H l ! In einer Glasstöpselflasche von 250 ml Inhalt löst man 11,8g Zimtsäure (80,0 mmol) unter Schütteln in 2N Natronlauge, die man portionsweise bis eben zum Umschlag des Universalindikatorpapiers zusetzt, und füllt mit Wasser auf ca. 10OmI auf. Dann trägt man in kleinen Stücken nach und nach 2proz. Natriumamalgam (Darstellung siehe unten) unter stetem Schütteln und öfterem Anheben des Stopfens ein; im ganzen etwa 260 g. Zum Schluß erwärmt man noch im Wasserbad (in warmes Wasser einstellen und dann anheizen) bis sich alles Amalgam zu Quecksilber verflüssigt hat, läßt nach dem Erkalten das Metall im Scheidetrichter ab und säuert mit Salzsäure an. Dabei scheidet sich die Hydrozimtsäure zunächst ölig ab und erstarrt erst beim Abkühlen und Reiben mit dem Glasstab. Man saugt ab und trocknet die rohe Säure im Exsikkator. Zur Reinigung wird sie aus einem kleinen Schwertkolben oder einem Kugelrohr im Vakuum destilliert, wobei sie bei 147-149 0 C / 11 Torr übergeht. Man erhält aus 10g Rohsäure etwa 9 g mit Schmp. 47—48,50C. Das Umkristallisieren aus Wasser ist schwierig, weil sich die Säure in rohem Zustand zunächst ölig abscheidet. Natriumamalgam: Quecksilber und Natrium reagieren miteinander unter Feuererscheinung. Daher muß man mit Schutzbrille im Abzug arbeiten. Man erwärmt 300 g Quecksilber in einer mittelgroßen Reibschale auf 30—4O 0 C vor, spießt das in kleine Würfel geschnittene Natrium (im ganzen 6,5g) auf einen spitzen, etwa 30cm langen Glasstab und drückt die einzelnen Stückchen in rascher Folge unter das Quecksilber, wobei man zum Schutz gegen das Verspritzen einen Tonteller auflegt. Das erstarrte Na-amalgam wird noch warm in kleine Stücke zerschlagen und in einem gut verschlossenen Gefäß aufbewahrt. Will man Na-reicheres Amalgam erhalten, muß man in einem durch die Gasflamme geheizten Tiegel arbeiten. Als reduzierende Metalle werden hauptsächlich verwendet: Na, Na-amalgam, Lithium, Zn, Zn-amalgam, Zink-Kupferpaar, Sn, Al-amalgam in Alkoholen, wasserhaltigen organischen Lösungsmitteln, in neutraler, saurer oder alkalischer wässeriger Lösung oder in flüssigem Ammoniak. Die Metalle besitzen je nach ihrem elektrochemischen Potential die Tendenz, Elektronen aus der äußeren Schale abzugeben. Da sich unedle Metalle in protonhaltigen Flüssigkeiten unter Wasserstoffentwicklung auflösen, spricht man in diesem Zusammenhang oft von Reduktionen mit „nascierendem Wasserstoff4. Viele derartige Systeme entwickeln jedoch unter Bedingungen, unter denen sie organische Moleküle reduzieren, ohne Substrat kein Wasserstoffgas, z. B. Hg-reiches Na-amalgam in Wasser oder Zink in Eisessig (Wasserstoffüberspannung!). Man gewinnt ein umfassenderes Bild, wenn man als ersten Reduktion mit Metallen 511 Schritt bei den meisten dieser Vorgänge eine direkte, nucleophile Reaktion des Metalls mit dem organischen Substrat (Chemisorption) annimmt. In Gegenwart von Protondonatoren (Wasser, Alkohol u. a.) reagieren die zunächst entstehenden metallorganischen Verbindungen sogleich weiter, wobei an die Stelle des Metalls ein H + tritt. Ein übersichtliches Beispiel für die zwei Schritte einer solchen Reaktion bietet die stufenweise Reduktion eines Alkyl- oder Arylhalogenids mit Magnesium über die Grignard -Verbindung: 1. R-CI + Mg 2. R-MgCI + H 2 O 1+2. RCI + Mg + H2O > > RMgCI (Grignard-Reaktion, S. 431) RH + MgCIOH > RH + Mg+ + + Cr + OH~ Man darf annehmen, daß bei der reduktiven Enthalogenierung mit nascierendem Wasserstoff ähnliche Umsetzungen vor sich gehen. Von den ungesättigten Systemen sind erwartungsgemäß diejenigen leicht durch Metalle ( + H"*") reduzierbar, die elektrophile Eigenschaften besitzen, wie ^C=O, —NO 2 und —NO. Isolierte olefinische Doppelbindungen reagieren nicht, in Konjugation zu einem Arylrest, einer Carbonylgruppe oder einer weiteren Doppelbindung können sie jedoch reduziert werden, wie im vorstehenden Präparat gezeigt wird. Einfache Aromaten sind im allgemeinen gegen die metallischen Reduktionsmittel stabil, Substitution mit elektronenanziehenden Resten, wie in der Benzoesäure oder Terephthalsäure bewirkt partielle Reduzierbarkeit des Benzolrings (A. v. Baeyer, R. Willstätter). Ebenso sind die außerhalb der Resonanz stehenden Doppelbindungen polycyclischer Aromaten, z. B. mit Na in Alkoholen reduzierbar. Mit Natrium oder Lithium in flüssigem Ammoniak werden Aromaten zu den Dihydroaromaten reduziert (A J. Birch, S. 515). Die Reduktion der Carbonylgruppe durch Metalle ist wegen ihrer Variationsbreite von besonderem präparativen Interesse. Je nach dem pH des Lösungsmittels, seinem Gehalt an verfügbaren Protonen, der Natur des Metalls und der des Substrats, führt die Reduktion zu Alkoholen, 1,2-Glykolen (Pinakolen) oder Kohlenwasserstoffen (Clemmensen-Reduktion, S. 514). Zum Verständnis der verschiedenen Reaktionswege kann man sich von der chemisorbierten Carbonylverbindung die Vorstellung eines mesomeren über C und O gebundenen Ketyls (Radikalanions) (A-B) machen (M = einwertiges Metall mit hoher H2-Überspannung, • = Elektron). R x ^C = O + M M M A M M B M Durch den Chemisorptionsschritt ist schon ein Teil der Reduktion erfolgt, da hier- 512 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung bei mindestens ein Elektron von der Metalloberfläche aufs Substrat übergegangen ist. Auch das Vorliegen freier Radikalanionen muß in Betracht gezogen werden. Bei Aldehyden findet in proton-reicher Umgebung H * -Addition an den wenig behinderten Kohlenstoff in B statt, es entstehen über die Alkoholatstufe vorwiegend primäre Alkohole. Ketone, deren Carbonylkohlenstoff allgemein weniger reaktionsfähig ist, reagieren aus der Form A heraus weitgehend unter Dimerisierung zu Pinakolen. C-O" R I R— C-OH I R-C-OH I R In stark saurer Lösung schließlich, in der die H2-Entwicklung am Metall (Zn) nur durch Amalgamierung zu verhindern ist (Überspannung!), kann A sogar seinen Sauerstoff verlieren und der Rest durch Elektronen aus dem Metall bis zur Stufe des Kohlenwasserstoffs reduziert werden (Reduktion nach Clemmensen). R> R' M M X-OH 2 M* M+ -H,0 _±V + M Es sei hier auch die elektrolytische Reduktion an Kathoden hoher Überspannung (Blei, Quecksilber) erwähnt, die im Mechanismus sehr ähnlich sein dürfte. Kathoden aus Metallen ohne wesentliche Überspannung (Platin, Palladium, platinierte Metalle) liefern bei der Elektrolyse molekularen Wasserstoff, der durch die Anwesenheit des Edelmetalls katalytisch aktiviert wird und hydrierend wirkt. Über katalytische Hydrierung s. S. 546 ff. Lösungen der Alkalimetalle in Aminen, besonders in flüssigem Ammoniak werden als äußerst wirksame, z.T. spezifische Reduktionsmittel verwendet (Birch-Reduktion). Hierbei wird die blaue Farbe der Lösungen durch das Vorliegen solvatisierter Elektronen hervorgerufen, die wohl auch bei der Reduktion an die elektrophilen Zentren der Substrate herantreten. Die Radikalanionen werden in gleicher Weise, wie bei der Reduktion an Metalloberflächen (S. 511), entweder durch Dimerisierung weiter verändert oder durch stärkere Säuren als NH 3 (NH 4 ^, Alkohol) unter Pro- Mechanismus der Birch-Reduktion 513 tonaufnahme zersetzt. Mit den stark reduzierenden Lösungen, besonders auch von Lithium in flüssigem Ammoniak, gelingen sogar Reduktionen an aromatischen Systemen mit Leichtigkeit. Naphthalin läßt sich mit Na in flüssigem NH 3 zu Tetralin reduzieren, Benzoesäure leicht in die l,4-DihydroVerbindung überführen. Anisol wird in die 2,5-Dihydroverbindung verwandelt, die sich, als Enolether, durch wässerige Säuren über 3-Cyclohexen-l-on zu 2-Cyclohexen-l-on hydrolysieren läßt (Präparat S. 515). OCH, +2H OCH in Wasser Auch zur Reduktion a,/?-ungesättigter Ketone zu gesättigten ist die Methode nach Birch geeignet. Am Diphenylether tritt mit der Lösung von Natrium in flüssigem Ammoniak eine reduzierende Spaltung zu Na-phenyl und Na-phenolat ein (Schorigin, S. 154). 2Na NaO- Systeme, deren Spaltanionen in höherem Maß durch Mesomerie stabilisiert sind, werden noch leichter reduktiv gespalten, so z. B. Allylalkohol und seine Derivate unter Bildung von Propen, Benzylalkohol und seine Derivate zu Toluol. H2C = CH-CH2OH Na in fl.NH 3 H 2 C=CH-CH 3 + H2O Main fl. NH, /-CH 3 +CH 3 OH Hierauf beruht eine Methode zur leichten Abspaltung der BenzyloxycarbonylSchutzgruppen bei Peptidsynthesen (S. 316). 514 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung Reduktion der Carbonylgruppe nach Clemmensen 1,2-Diphenylethan aus Benzil C 6 H 5 COCOC 6 H 5 Zn <" g) > H C 6 H 5 CH 2 CH 2 C 6 H 5 Amalgamiertes Zink: 30 g (0,45 g-Atome) dünne Zinkgranalien oder, noch vorteilhafter, in kleine Streifen geschnittenes Zinkblech von 0,2 mm Dicke werden im 250 ml Rundkolben 5min mit der Lösung von 3g Quecksilber(ll)-chlorid in 50 ml Wasser und 1 ml konz. Salzsäure geschüttelt. Anschließend dekantiert man und spült mit Wasser nach. Das amalgamierte Zink wird mit 7,0 g Benzil (33 mmol) und 100 ml halbkonz. Salzsäure 5 h unter Rückfluß gekocht; nach der zweiten und vierten Stunde fügt man erneut je 1OmI konz. Salzsäure zu. Noch warm gießt man vom Zink ab und spült mit etwas heißem Wasser nach. Das beim Erkalten erstarrende Reaktionsprodukt wird abgetrennt, mit Wasser gewaschen, getrocknet und aus einem kleinen Schwertkolben oder Kugelrohr destilliert; Sdp. 28O 0 C. Ausbeute: 5,0—5,2 g (82—85%). Der Kohlenwasserstoff läßt sich aus wenig Alkohol oder niedrig siedendem Petrolether umlösen. Schmp. 50—52 0 C. In gleicher Weise kann auch Benzoin zu 1,2-Diphenylethan reduziert werden. 4-Phenyl-buttersäure aus 3-Benzoyl-propionsäure 9 5 g Zink werden wie oben in einem 1-l-Rundkolben verquecksilbert. Nach Dekantieren der Sublimatlösung fügt man 60 ml Wasser, 120 ml konz. Salzsäure, 75 ml Toluol und 40g 3-Benzoyl-propionsäure (220 mmol, S. 260) zu und kocht 40 h am Rückfluß; um das Sieden nicht unterbrechen zu müssen, arbeitet man zweckmäßig in einem Abzug des Nachtraums. Während der angegebenen Reaktionszeit setzt man noch dreimal je 50 ml konz. Salzsäure zu. Nach dem Erkalten trennt man im Scheidetrichter die Toluolphase ab und schüttelt die wässerige Lösung nach Verdünnen auf das doppelte Volumen mit zweimal 100 ml Ether aus. Die vereinigten Toluol- und Etherlösungen werden mit Wasser gewaschen und durch Destillation zur Trockne gebracht, das Toluol wird zum Schluß im Wasserstrahlvakuum bei 8O 0 C Badtemperatur abgezogen. Anschließend überführt man den Rückstand in einen 100- oder 150-ml-Schwertkolben und destilliert die Phenylbuttersäure bei 169-171 0 C / 15 Torr. 30-33 g farblose Carbonsäure (82-90%) erstarren in der Vorlage. Schmp. 47-480C. Die Carbonylgruppe von Aldehyden und Ketonen läßt sich durch amalgamiertes Zink in starker Salzsäure bis zur Stufe des Kohlenwasserstoffs reduzieren. Die Reduktion verläuft nicht notwendigerweise über die Zwischenstufe des Alkohols, da Alkohole - außer Benzyl- und Allylalkoholen - unter den Bedingungen der ClemmensenReduktion nicht reduziert werden. Eine mögliche Erklärung des Verlaufs ist auf S. 512 gegeben. Zur Reduktion der Carbonyl- zur Methyl- bzw. Methylengruppe benutzt man auch die auf S. 544 präparativ ausgeführte Methode von Wolff-Kishner oder man Clemmensen- und Birch-Reduktion 515 überführt in die Mercaptale, die hydrogenolytisch mit (H-haltigem) Raney-Nickel entschwefelt werden können. -H 2 O C=O + 2R'SH VSR' l/ \R- Ni(H) ^ > R \ru L» n 2 R Trotz des Umweges wird häufig auch zunächst mit Natriumborhydrid zum Alkohol reduziert (S. 540), dieser in den Toluol- oder Methylsulfonsäureester umgewandelt und letzterer mit Lithium-aluminiumhydrid oder besser Superhydrid (S. 539) zum Kohlenwasserstoff reduziert. 2-Cyclohexen-1-on, Birch-Reduktion OCH3\ l / O Li/NH3 / Achtung! Wegen der Ammoniak-Dämpfe muß das Präparat unter einem gut ziehenden Abzug ausgeführt werden. Ein 1-I-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter, Gaseinleitungsrohr und Blasenzähler wird mit 10 g (10 ml, 93 mmol) Anisol, 50 ml absol. THF und 50 ml te/t-Butanol (als Protonendonator) beschickt und mit einem Methanol-Trockeneis-Bad auf -78 0 C gekühlt. Nun kondensiert man aus einer Ammoniak-Bombe ca. 300 ml NH3 so ein, daß nur wenig Gas durch den Blasenzähler entweicht, und fügt in 30 min unter kräftigem Rühren 2,3 g (0,33 g-Atom) Lithium in schmalen Streifen hinzu, die man durch Zerschneiden des flach gehämmerten Metalls mit einer Schere erhält. Nach beendeter Zugabe werden Kühlbad und Blasenzähler entfernt. Man rührt noch eine Stunde, tropft vorsichtig 20 ml Methanol zur Zerstörung überschüssigen Lithiums zu und läßt das Ammoniak über Nacht verdampfen. Der Rückstand wird in 15OmI Wasser aufgenommen und dreimal mit je 40 ml Petrolether (Sdp. 40—6O 0 C) ausgeschüttelt. Die vereinigten Extrakte werden zur Entfernung von Methanol und te/?-Butanol viermal mit je 20 ml Wasser gewaschen. Der so behandelte Extrakt wird in einem 500-ml-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter und Innenthermometer im Eisbad auf ca. 5 0 C gekühlt. Nun tropft man unter Rühren 100 ml halbkonzentrierte, auf ca. 5 0 C vorgekühlte Salzsäure zu und rührt 30 min bei O 0 C, 30 min bei 35 0C, 1 h bei 6O 0 C und über Nacht bei Raumtemperatur. Man trennt die organische Phase ab, schüttelt die wässerige Schicht dreimal mit je 50 ml Petrolether, wäscht die vereinigten organischen Phasen zweimal mit je 30 ml gesättigter Natriumhydrogencarbonatlösung, trocknet über Natriumsulfat und destilliert den Petrolether nach Filtration über eine kurze Kolonne ab. Der Rückstand wird unter WasserstrahlVakuum in einer Mikrodestillationsapparatur fraktioniert oder, weniger wirkungsvoll, in einem Kugelrohr destilliert; bei 68 0 C und 22 Torr gehen 3,7g (41%) 2-Cyclohexen1 -on über. 516 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung Reduktion der Nitrogruppe Die Reduktion der Nitroverbindungen mit Metallen in protonenhaltigen Lösungsmitteln liefert je nach der H + -Konzentration verschiedene Produkte. Am wichtigsten, auch technisch, ist die Umsetzung in saurer Lösung, die bis zur Aminogruppe führt. Anilin aus Nitrobenzol mit Eisen und Salzsäure (Reaktionsgleichung in der Erläuterung) Ein Dreihalskolben von 2 Liter Inhalt trägt in der Mitte einen Rührer, seitlich einen Rückflußkühler und einen Tropftrichter von 200 ml Fassungsvermögen. Er kann in einem Ölbad erhitzt werden. Die Füllung von 220 g (ca. 4g-Atom) Eisenpulver (Ferrum reductum), 300 ml Wasser und 26ml (0,3 mol) konz. Salzsäure (d 1,18) wird unter kräftigem Rühren etwa 10min gekocht. Dann läßt man innerhalb von 45min 123g (1,00 mol) Nitrobenzol zutropfen, wobei die Heizung gemäßigt werden kann. Anschließend wird noch eine Stunde zum Sieden erhitzt, dann wird das Anilin nach vorsichtigem Zusatz von 15 g Natriumcarbonat mit Wasserdampf übergetrieben. Wenn das Destillat nicht mehr milchig sondern wasserhell abtropft, läßt man noch 300 ml Flüssigkeit überdestillieren, löst dann pro 10OmI Destillat je 25g fein pulverisiertes Kochsalz und schüttelt das Anilin dreimal mit je 10O ml Ether aus. Nun trocknet man die Etherlösung mit einigen Stückchen Kaliumhydroxid (nicht mit CaCI2, da dieses mit Anilin einen Komplex bildet), verdampft das Lösungsmittel und destilliert das Anilin vorsichtig mit freier Flamme (Sdp. 184 0 C) oder besser im Vakuum. Ausbeute 80-87 g (86—93%). p-Toluidin aus p-Nitrotoluol mit Zinn und Salzsäure Granuliertes Zinn. - Man schmilzt in einem mit Ausguß versehenen eisernen Schöpflöffel vor der Gebläseflamme derbes Zinn und gießt es aus einem Meter Höhe tropfenweise in einen Eimer voll Wasser. Granuliertes Zinn ist auch kommerziell erhältlich. 119g (1,OOg-Atom) feine Zinngranalien werden in einem 2-l-Zweihalsrundkolben mit 68,6 g (0,50 mol) p-Nitrotoluol übergössen und in der folgenden Weise durch einen aufgesetzten Tropftrichter mit insgesamt 270 ml (3,15 mol) konz. Salzsäure (d 1,18) versetzt: Man gibt zuerst 30 ml der Salzsäure zu, setzt sofort ein nicht zu enges Steigrohr auf den Kolben und schüttelt um. Nach kurzer Zeit erwärmt sich die Mischung und gerät schließlich in lebhaftes Sieden. Man kühlt von außen mit Leitungswasser, ohne aber die Umsetzung völlig zu unterdrücken und fügt dann nach und nach, so daß die Reaktion stets gut in Gang bleibt, unter dauerndem Schütteln die restliche Salzsäure zu. Zum Schluß erhitzt man noch eine Stunde auf dem Wasserbad, versetzt die warme Lösung mit 10OmI Wasser und fügt allmählich eine Lösung von 15Og technischem Natriumhydroxid in 200 ml Wasser bis zur stark alkalischen Reaktion hinzu1. Nun treibt man das Amin mit auf 160-18O0C überhitztem Wasserdampf über (siehe S. 56), wobei der Kolben in einem Ölbad von 16O 0 C erwärmt wird. Bei dieser Temperatur braucht man nur 1—1,2 Liter Destillat aufzufangen. 1 Bei alkaliempfindlichen Aminen kommt auch die elektrolytische Abscheidung in Frage. Amine durch Reduktion von NitroVerbindungen 517 Dieses schüttelt man dreimal mit 10OmI Ether aus. Die Etherlösung wird getrocknet und eingedampft. Es bleiben 51—52g rohes Amin mit Schmp. 40—42 0 C zurück. Umlösen aus wenig Petrolether (Fraktion 30-4O0C) führt zu 44-45 g (82-84%) p-Toluidin in Form farbloser Tafeln vom Schmp. 43 0 C. Beim Stehen an Licht und Luft verfärbt sich das Präparat leicht. Zur vollständigen Reduktion der Nitrogruppe sind 6 Elektronen nötig, die vom Metall geliefert werden. 1.C 6 H 5 NO 2 + 6e + 6 H + > C 6 H 5 NH 2 + 2H 2 O Vom Zinn können in Salzsäure 4 Reduktionsäquivalente ausgenutzt werden, doch wird in den oben beschriebenen Präparaten davon nicht ganz Gebrauch gemacht. Das intermediär entstehende Zinn(II)-chlorid ist selbst ein starkes Reduktionsmittel. Nitrile vermag es z. B. in Ether bei Gegenwart von HCl zu Aldehydiminen zu reduzieren (Stephens'sche Aldehydsynthese!). In der Technik bedient man sich zur Reduktion der Nitroaromaten nicht des teuren Zinns, sondern man arbeitet noch heute - falls nicht katalytisch in der Gasphase hydriert wird - nach dem alten Verfahren von Bechamp (1854) mit Eisenpulver. Da die nötigen Elektronen 2Fe-Atomen entnommen werden können (Gl. 2) und vom Fe 3+ -Ion Wasser unter Lieferung der nötigen Protonen zersetzt wird (Gl. 3), lautet die theoretische Reduktionsgleichung, in die die Salzsäure nicht mit eingeht wie Gl. 4. 2. 2Fe 3. 2Fe 3+ + 6H 2 O + 4H 2 O > > > 6e + 2Fe 3 + 2Fe(OH) 3 + 6H+ C 6 H 5 NH 2 + 2Fe(OH) 3 4. C 6 H 5 NO 2 + 2Fe In praxi wird aber in Gegenwart von Salzsäure gearbeitet, da im neutralen Medium die Reduktion der Nitroverbindungen einen anderen Verlauf nimmt (siehe später). Auch scheidet sich nicht reines Fe(OH)3 ab, sondern Fe 3 O 4 -(H 2 O) n , das durch Reaktion mit Fe2 + entsteht, so daß vom Metall mehr als 2 g-Atome auf l Mol Nitrobenzol genommen werden müssen. Neuerdings hat auch das katalytische Hydrierungsverfahren, und zwar mit Kupfer oder Nickel als Kontaktmetall, für die Bereitung von Anilin aus Nitrobenzol Eingang gefunden. Die katalytische Hydrierung einer aromatischen Nitroverbindung wird bei den Präparaten auf S. 555 und S. 556 ausgeführt. Auch die Umsetzung von Chlorbenzol mit konz. Ammoniak bei 34O0C und über 300 at, die über Dehydrobenzol (S. 282) verläuft, gewinnt für die Anilindarstellung an Bedeutung. Für die Reduktionsversuche von Nitroverbindungen im kleinen nimmt man am zweckmäßigsten Zinn oder Zinn(II)-chlorid und konz. Salzsäure. Feste Substanzen werden in Suspension schwer angegriffen und verlangen zur Auflösung einen Zusatz von Alkohol oder Eisessig. Das Ende der Reduktion erkennt man im allgemeinen daran, daß das Reaktionsgemisch bei Zugabe von Wasser klar bleibt, da die Hydro- 518 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung Chloride der entstandenen Basen in Wasser meist löslich sind. Dabei ist zu beachten, daß häufig schwerer lösliche Salze des Amins mit Hexachlorozinn(IV)-säure, H2SnCl6, auftreten, die aber vom kochenden Wasser meistens gelöst werden. Wenn solch ein Salz in reichlicher Menge auskristallisiert, kann es durch Absaugen isoliert und anschließend durch Lauge oder Schwefelwasserstoff zersetzt werden. Die primären aromatischen Monoamine sind farblose Flüssigkeiten (Anilin, o-Toluidin, Xylidin) oder feste Stoffe (p-Toluidin, Naphtylamine u.a.). Sie sind ohne Zersetzung destillierbar und mit Wasserdampf flüchtig. In Wasser sind sie ziemlich schwer löslich, Anilin zu 3 Prozent. Manche von ihnen bsonders j3-Naphtylamin, sind krebserregend (Blasenkrebs). Man schütze sich deshalb beim Arbeiten vor der Berührung oder der Einatmung der Dämpfe! Die Di- und Polyamine sind meistens fest, mit Wasserdampf nicht flüchtig und im Wasser viel leichter löslich als die Monoamine. Die Basizität der aromatischen Amine ist infolge der Beteiligung des nichtbindenden Elektronenpaars an der aromatischen Resonanz bedeutend geringer als die der aliphatischen Amine. Das protonierte Aniliniumion, in dem die Mesomerie unterbunden ist, ist um den Betrag der Delokalisationsenergie energiereicher (20 bis 40 kJ/mol = 5-10 kcal/mol) und gibt deshalb leicht ein Proton ab. Daher reagieren die wässerigen Lösungen der Aniliniumsalze sauer (pK^ = 4,6). Sie enthalten die im Dissoziationsgleichgewicht stehende freie Base, die sich in kleiner, aber deutlich nachweisbarer Menge (Chlorkalkreaktion) mit Ether ausschütteln läßt. Versuch: Chlorkalkreaktion nach Runge - Man verdünnt 10 ml Anilinwasser (durch Schütteln von 3 Tropfen Anilin mit 10 ml Wasser im Reagenzglas erhalten) mit 100 ml Wasser und fügt einige ccm einer filtrierten Chlorkalklösung zu: Violettfärbung! Diese empfindliche Probe gibt nur die wässerige Lösung des freien Anilins. Man kann die Reaktion auch benutzen, um kleine Mengen vom Benzol oder Nitrobenzol zu erkennen, indem man die Nitrierung und Reduktion im Reagenzglas durchführt. Die Chlorkalkreaktion ist für Anilin spezifisch. Der Farbstoff ist ein kompliziertes Chinonderivat, dessen Konstitution noch nicht geklärt ist. Zur Charakterisierung der prim. und sek. aromatischen Amine dient oft die Überführung in ein bekanntes kristallines Derivat durch Acylierung, z. B. Acetylierung (S. 710) oder Benzoylierung, besonders auch durch Umsetzung mit Benzol- oder Reaktionen des Anilins 519 p-Toluolsulfochlorid (Tosylchlorid). Bei prim. Aminen wird manchmal auch die Darstellung eines Azomethins (Schiff sehe Base, S. 344) herangezogen. Aromatische Amine können im Papier- oder Dünnschichtchromatogramm durch Kuppeln mit diazotierter Sulfanilsäure (Paulys Reagens) erkannt werden. Versuch: Isonitrilreaktion - Man vermischt in einem Reagenzglas 2 Tropfen Anilin mit 2 ml Alkohol, fügt 0,5 ml konz. Kalilauge und 5 Tropfen Chloroform zu und erwärmt gelinde (Abzug). Charakteristischer, penetranter Geruch des Isonitrils (Isocyanids). Die Bildung erfolgt über das aus Chloroform und Lauge primär entstehende Dichlorcarben: Cl R-NH2 / + IC \ H Cl I m ®/ +2OH~ © © —> R—N—C — > R-N=CI + 2H 2 O + 2C\~ I \ Cl H Cl Ganz analog liefert Ammoniak Cyanid (formulieren!). Von besonderer Wichtigkeit sind die methylierten Aniline, namentlich die tertiäre Base Dimethyl-anilin, die im Laufe des Praktikums mehrfach als Ausgangsmaterial herangezogen (S. 242) und die technisch sehr viel gebraucht wird. Man methyliert das Anilin im großen als salzsaures Salz mit Methylalkohol im Autoklaven. Das dabei auftretende Methylchlorid besorgt die Methylierung. Phenylhydroxylamin aus Nitrobenzol mit Zink und Ammonchlorid C 6 H 5 NO 2 + 2Zn + 3H 2 O > C 6 H 5 NHOH + 2Zn(OH) 2 In einem 2-l-Stutzen versetzt man eine Lösung von 20g Ammoniumchlorid in 400 ml Wasser mit 41 g (0,30 Mol) frisch destilliertem Nitrobenzol und trägt im Verlauf von etwa 40 min unter dauerndem Rühren mit einem Löffel 60 g Zinkstaub (mindestens 75proz., d.h. mindestens 0,7 g-Atome) ein. Der Stutzeninhalt wird dabei durch Einwerfen von Eisstücken auf höchstens 1O 0 C gehalten. Nachdem alles Zink eingetragen ist, rührt man noch 10 min — dann soll der Geruch des Nitrobenzols vergangen sein — und filtriert an der Saugpumpe sofort das Zinkhydroxid auf einer Nutsche ab. Hierauf gießt man das Filtrat in ein Becherglas um (Lösung I). Den Zinkhydroxidschlamm wäscht man im Trichter mit 400 ml Wasser von 45 0 C derart aus, daß man ohne zu saugen die Nutsche mit Wasser füllt, vorsichtig aufrührt und dann erst so schwach saugt, daß das Wasser langsam durchläuft. Erst zum Schluß wird scharf gesaugt, der Filterrückstand mit einem Glasstopfen zusammengepreßt und so Lösung Il erhalten. In jeder der beiden Lösungen (I und II) werden 12Og 520 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung feingepulvertes Natriumchlorid völlig gelöst, wodurch das Phenylhydroxylamin in feinen Kristallflocken zur Abscheidung gebracht wird. Nach halbstündigem Stehen der Suspensionen im Eisbad wird jede scharf abgesaugt, dann auf einem Tonteller gut abgepreßt und auf dem Ton sofort in einem mit frischem Phosphorpentoxid beschickten Exsikkator gebracht, der nicht evakuiert wird. Man erhält insgesamt 20—25 g Rohprodukt. Wenn die zweite Fällung nicht wesentlich dunkler als die erste ist, löst man beide zusammen in 100—120 ml Benzol unter kurzem Aufkochen, filtriert rasch durch ein Faltenfilter im vorgewärmten Trichter und versetzt das warme Filtrat mit 50 ml Petrolether. Beim Abkühlen kristallisiert das Phenylhydroxylamin in glänzenden, weichen farblosen Nadeln vom Schmp. 81 0 C. Zur Ausbeutevermehrung kann man die Mutterlauge mit weiterem Petrolether versetzt längere Zeit im Kühlschrank stehen lassen. Im ganzen erhält man 60—65% bezogen auf Nitrobenzol. Für die Weiterverarbeitung zu Nitrosobenzol (Präparat S. 489) wird das Präparat ohne besondere Reinigung verwendet. Dies muß jedoch bald geschehen, da die nichtumkristallisierte Substanz im besten Fall einige Tage lang unzersetzt haltbar ist. Im Gegensatz dazu istp-Tolylhydroxylamin, das ausp-Nitrotoluol durch Reduktion mit Zinkstaub in Alkohol oder mit Ammoniumhydrogensulfid in der Kälte dargestellt wird, eine recht beständige Verbindung. Da Phenylhydroxylamin bei manchen Personen schwere Ekzeme erzeugt, hüte man sich, es, besonders in Lösung, auf die Haut zu bringen! /V-Methylhydroxylamin aus Nitromethan mit Zink und Ammonchlorid Durch die auf S. 519 beschriebene Reduktionsmethode kann man auch /V-Methylhydroxylamin aus Nitromethan bereiten: In einen Stutzen von 500 ml, der in Eis steht und mit gut wirkendem Rührer versehen ist, gibt man zur Emulsion von 30,5 g (0,50 mol) Nitromethan in 200 ml Wasser, in dem 15g Ammoniumchlorid aufgelöst wurden, unter kräftigem Rühren sehr vorsichtig 95g mindestens 75proz. Zinkstaub (d.h. mindestens 1 g-Atom). Die Temperatur muß ständig unter 15 0 C gehalten werden. Als Außenkühlung ist eine Eis-Kochsalzmischung zu empfehlen. Bei guter Kühlung benötigt man zur Zinkzugabe etwa eine Stunde. Man saugt vom Zinkhydroxidschlamm ab, wäscht mit wenig kaltem Wasser aus und säuert die Filtrate mit Salzsäure an (Universalindikator pH 5—6). Durch Vakuumdestillation wird die Flüssigkeit bis zum Erstarren eingeengt. Zwischendurch muß mehrmals das ausgefallene Ammoniumchlorid abgesaugt werden. Zur Reinigung löst man das auf der Nutsche abgepreßte Salzgemisch in 1OmI absol. Methanol, filtriert vom ungelösten Ammoniumchlorid ab und versetzt das Filtrat langsam mit absolutem Ether, zunächst bis zur beginnenden Kristallisation, dann vorsichtig weiter. Im ganzen werden 1OmI absoluter Ether zugegeben. Es scheiden sich etwa 20g (= 50%) /V-Methylhydroxylamin-hydrochlorid ab. Schmp. 84-870C. Zur partiellen Reduktion der Nitrogruppe kann außer Zink in ammoniumchloridhaltigem Wasser auch amalgamiertes Aluminium, am besten als Grieß verwendet werden. (Aluminium einige Minuten in wässeriger Sublimatlösung schütteln, dann abgießen). Dieses Metall läßt sich gut in Ether anwenden; das erforderliche Wasser wird tropfenweise zugegeben. Die Brauchbarkeit von Ammoniumhydrogensulfid in Alkohol zum selben Zweck ist auf S. 526 erwähnt. Darstellung und Eigenschaften der Hydroxylamine 521 Die organischen Abkömmlinge des Hydroxylamins, besonders die aromatischen, sind schwache Basen. Phenylhydroxylamin ist eine unbeständige Verbindung, die sich unter dem Einfluß des Luftsauerstoffs, von Alkalien und von Säuren verändert. An der Luft oxidieren sich vor allem unreine Präparate zu Nitrosobenzol, das durch seinen stechenden Geruch beim in Zersetzung befindlichen Phenylhydroxylamin erkannt wird. Da sich Nitrosobenzol mit Phenylhydroxylamin zu Azoxybenzol kondensiert (s. S. 491), findet man dieses unter den Zersetzungsprodukten des Phenylhydroxylamins. Nebenher wird Azoxybenzol von Phenylhydroxylamin zu Azobenzol reduziert. Alle Hydroxylaminderivate, RNHOH, wirken wie Hydroxylamin selbst reduzierend. Versuch: Reduzierende Wirkung — Etwa 50mg Phenylhydroxylamin in 2ml warmem Wasser gelöst, werden mit einigen Tropfen ammoniakalischer Silbernitratlösung (S. 342) versetzt. Ausscheidung von Silber, z.T. als Spiegel. Versuch: Einwirkung von Säure — 2,2 g (20 mmol) Phenylhydroxylamin werden nach und nach unter Außenkühlung mit Eis-Wasser zu einer kurz vorher bereiteten Mischung von 1OmI konz. Schwefelsäure und 30g Eisstückchen gegeben. Man verdünnt dann mit 200 ml Wasser und kocht so lange, bis eine mit Dichromatlösung versetzte Probe nicht mehr nach Nitrosobenzol, sondern nach Chinon riecht (10-15 min). Die erkaltete Lösung wird in einem zur Wasserdampfdestillation vorbereiteten (S. 55) 500-ml-Kolben mit der Lösung von 2g (0,7 mol) Natriumdichromat (Na 2 Cr 2 O 7 • 2 H 2 O) in 20 ml Wasser versetzt, dann wird durch Wasserdampf das gebildete Chinon vorsichtig übergetrieben. Man kann 1,0—1,5g (50—75%) davon isolieren. Eine Probe des Kolbenrückstands läßt beim Versetzen mit starker Natronlauge deutlich Ammoniak am Geruch erkennen. Durch Mineralsäuren in der Wärme erleiden Arylhydroxylamine eine „Umlagerung" : Aus Phenylhydroxylamin wird dabei p-Aminophenol, das im obenstehenden Versuch zu p-Benzochinon oxidiert wurde. Der Mechanismus der intermolekularen elektrophilen Substitution ist aus folgender Formulierung deutlich zu erkennen: HNOH HNOH9 Auf dieser Reaktion beruht ein Verfahren, durch kathodische Reduktion von Nitrobenzol das als Zwischenprodukt für Farbstoffe wichtige p-Aminophenol darzustellen. Man arbeitet in alkoholisch-schwefelsaurer Lösung mit Bleikathoden, wobei das auch in saurer Lösung intermediär entstehende Hydroxylaminderivat durch 522 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung die große Geschwindigkeit der Umlagerung vor der Weiterreduktion zu Anilin bewahrt wird. Ist die/7-Stellung zur NHOH-Gruppe besetzt, wie z.B. im/7-Toluylhydroxylamin, entstehen unter der Einwirkung starker Säuren andere Reaktionsprodukte. Zwar tritt auch jetzt H 2 O in die /^-Stellung des mesomeren Immoniumions ein, doch verhindert die Methylgruppe die Aromatisierung. Die Iminogruppe des Chinolimins wird aber rasch hydrolytisch gespalten. NH3 So entsteht nach E. Bamberger das einfachste Chinol, eine in Wasser sehr leicht lösliche, im Gegensatz zum Chinon farblose Verbindung, deren präparative Isolierung nicht einfach ist. Man vergegenwärtige sich und formuliere hier die intermolekularen Substitutionen bei anderen Anilinderivaten: Diazoaminobenzol —> p-Aminoazobenzol (S. 606); Azoxybenzol —> p-Hydroxyazobenzol (S. 491); Af-Nitroso-N-methylanilin —> Nitrosomethylanilin (O. Fischer und E. Hepp, S. 243) und N,JV-Dimethylaniliniumchlorid (bei 2750C) zu 2,4-Dimethylanilin-hydrochlorid. Versuch: /V-Nitrosophenylhydroxylamin (Cupferron) — 2,2g (20 mmol) Phenylhydroxylamin werden in 20 ml 1N Salzsäure gelöst und unter Kühlung in Eis-Kochsalzmischung ziemlich schnell mit der Lösung von 1,4g (20 mmol) Natriumnitrit in 5ml Wasser versetzt. Es scheiden sich sofort weiße Nadeln aus, die abgesaugt, mit eiskaltem Wasser gewaschen und auf Ton getrocknet werden. 2,0—2,5 g (65—82%) vom Schmp. 59 0 C. Um das wasserlösliche Ammoniumsalz herzustellen, löst man die Substanz in Ether (2 g in 100 ml) und fällt durch langsames Einleiten von trockenem Ammoniak das farblose Salz, das abgesaugt, mit Ether gewaschen und im Exsikkator getrocknet wird. Bei tropfenweiser Zugabe der gesättigten wässerigen Lösung des Cupferrons zu sehr verdünnten Eisen(lll)- oder Kupfer(ll)-salzlösungen fallen die wasserunlöslichen Metallkomplexe aus. Der /V-Nitrosoverbindung hat man wegen ihrer ziemlich großen Acidität die Azoxystruktur eines /V-Oxids, dem Kupferkomplex die danebenstehend abgebildete zuzuschreiben. cv V ,,-ISI=NOH / l Il M O / / 'V^Nx Cu Cu ^N Il ° * C6H5 Andere N-Oxyde sind die schon auf S. 350 erwähnten Nitrone, die durch Konden- Cupferron und Nitrone 523 sation von organischen Hydroxylaminen mit Aldehyden oder Ketonen — ähnlich wie die mit ihnen verwandten Oxime - leicht entstehen. Versuch: /V-Phenylbenzalnitron C 6 H 5 NHOH + C 6 H 5 CHO ~H 2 0 > C 6 H 5 N(O)=CHC 6 H 5 2,20g (20,2 mmol) Phenylhydroxylamin werden zusammen mit 2,15g (20,2 mmol) frisch destilliertem Benzaldehyd in 25 ml Alkohol 30 min auf dem Wasserbad unter Rückfluß zum Sieden erhitzt. Beim Abkühlen und Versetzen mit dem halben Volumen Wasser scheidet sich der größte Teil des Nitrons in gelben Kristallen vom Schmp. 105—107 0 C aus. Man kann auf diese Weise 3,5g (ca. 85%) isolieren und zur Reinigung aus 10 ml Benzol, dem man noch warm 1OmI Petrolether zusetzt, Umkristallisieren. Eine kleine Probe wird im Reagenzglas mit 2N Schwefelsäure, der bis zur Lösung des Nitrons Alkohol zugesetzt wird, gekocht. Geruch von Benzaldehyd. Die Reduktion ungesättigter Nitroverbindungen ergibt statt der Hydroxylamine die durch Prototropie entstandenen Aldoxime. CH2-C = NOH Nitrosoverbindungen, R—NO, die Primärprodukte der Reduktion von Nitroverbindungen, können nur unter ganz speziellen Reduktionsbedingungen erhalten werden; meist werden sie sogleich weiter reduziert. Sie sind am bequemsten durch Oxidation der Hydroxylaminderivate zugänglich und werden deshalb präparativ und theoretisch im Kapitel X auf S. 489 behandelt. Hydrazobenzol aus Nitrobenzol mit Zink und Natronlauge 2C 6 H 5 NO 2 + 5Zn + 1ONaOH —> C 6 H 5 NH-NHC 6 H 5 + 5Na 2 ZnO 2 + 4H 2 O Ein 1-I-Zweihalsrundkolben trägt auf dem einen Tubus einen Rückflußkühler, der andere ist mit einem Korkstopfen verschlossen. Diese Apparatur wird so aufgestellt, daß sie ohne Mühe kräftig geschüttelt werden kann. Es werden 50 g Natriumhydroxid (1,25 mol) in 150 ml Wasser gelöst; die noch warme Lauge wird zusammen mit 50 ml Alkohol und 41 g (0,33 mol) Nitrobenzol in den Kolben gegeben. Unter sehr kräftigem Schütteln setzt man zuerst 6-8 g Zinkstaub zu, läßt die anfangs heftige Reaktion, stets weiter schüttelnd, zu Ende gehen und erhält dann durch dauernde Zugabe von Zinkstaub das Reaktionsgemisch im Sieden. Man achte darauf, daß die Umsetzung nicht allzu stürmisch wird, vermeide es aber, ihren Verlauf durch Kühlen zu unterbrechen. 524 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung Der Kolbeninhalt färbt sich zuerst rot (Azobenzol), wird aber schließlich lichtgelb, wenn die nötige Menge des Reduktionsmittels zur Einwirkung gekommen ist. Man braucht etwa 120—15Og (75proz.) Zinkstaub (ca. 2g-Atome). Sollte die Reaktion vorzeitig zum Stillstand kommen, erhitzt man auf einem lebhaft siedenden Wasserbad. Es ist unerläßlich, den Kolbeninhalt fortwährend durch starkes Schütteln in Bewegung zu halten, damit der schwere Zinkstaub mit der organischen Substanz stets gut durchmischt wird. Zu der reduzierten und auf dem Wasserbad erhitzten Mischung gibt man schließlich 500 ml Alkohol, der in der Siedehitze das ausgeschiedene Hydrazobenzol löst. Der ganze Kolbeninhalt wird siedend heiß auf einer Nutsche abgesaugt(vorher Flammen in der Nähe auslöschen!), der Kolben sofort mit 50 ml heißem Alkohol nachgespült und mit diesem der Filterrückstand ausgewaschen. Das Filtrat läßt man in der verschlossenen Saugflasche erkalten, steigert die Kristallisation durch Kühlung in einer Kältemischung, saugt nach einer Stunde scharf ab und wäscht das beinahe farblose Reaktionsprodukt einige Male mit BOproz. Alkohol, dem man eine kleine Menge wässeriger schwefliger Säure zugefügt hat, bis das Filtrat nicht mehr alkalisch reagiert. Durch Umkristallisieren aus nicht zu viel Alkohol erhält man das Hydrazobenzol bei raschem Arbeiten völlig farblos und rein. Schmp. 124 0 C unter Gelbfärbung. Bei der großen Neigung zur Autoxidation, die auch ein ununterbrochenes Arbeiten bei der Darstellung verlangt, ist Hydrazobenzol — im Vakuum gut getrocknet- nur in gut schließenden, mit CO2 oder N2 gefüllten Gläsern, besser noch in zugeschmolzenen Röhren, längere Zeit ohne Verfärbung haltbar. Die Ausbeute an Rohprodukt, das zu den weiteren Präparaten direkt benutzt werden kann, beträgt 20-25 g (60—80%). Hydrazobenzol besitzt als Vorstufe des Benzidins, das aus ihm mit starken Säuren in intramolekularer Umlagerung entsteht, farbstofftechnische Bedeutung. Weiterhin dient es zur Synthese pharmazeutischer Präparate (Butazolidin®). Wie im Hydrazin, von dem es sich ableitet, läßt sich auch in Hydrazobenzol die N—N-Bindung durch starke Reduktionsmittel (Zinn(II)-chlorid, Dithionit) aufspalten, wobei zwei Mole Anilin gebildet werden. Die hervorstechendste Eigenschaft aber ist seine leichte Oxidierbarkeit, z. B. durch Brom, die zum stabilen Azobenzol führt. Beim Schmelzpunkt erleidet Hydrazobenzol eine für Hydrazinderivate ebenfalls typische Disproportionierung: 2 Moleküle Hydrazin geben 2 Ammoniak und N 2 ; Hydrazobenzol gibt Azobenzol und 2 Mole Anilin. VgI. dazu die Zersetzung von 2H 2 O 2 zu H 2 O und O 2 . H CfiHs—N _i C6H5-N H H -N-C6H5 H-HVJ-C6H5 C 6 H 5 NH 2 C 6 H 5 NH 2 N-C6H5 N-C6H5 Versuch: Azobenzol durch Dehydrierung - Man läßt 10g (130 mmol) Brom (= 3,2 ml) in 75 ml 2N Natronlauge (150 mmol) unter Eiskühlung tropfen und schüttelt mit dieser Hypobromitlösung in einem kleinen Scheidetrichter 9,2 g Hydrazobenzol Hydrazo- und Azobenzol 525 (50,0 mmol), die in 60 ml Ether aufgelöst wurden, 10min lang durch. Die rote Etherschicht wird abgetrennt, verdampft und der rote Rückstand von Azobenzol aus wenig Alkohol umkristallisiert. Azobenzol, mit dem Chromophor -N=N- die Grundsubstanz der Azofarbstoffe (S. 601), ist eine sehr beständige, unzersetzt destillierbare Verbindung. Im Gegensatz zu den aliphatischen Azoverbindungen sind die aromatischen durch Resonanz der 7c-Elektronen der Azobrücke mit denen der beiden Kerne nachhaltig stabilisiert. Dies ist einer der Gründe für die bedeutende Echtheit der Azofarbstoffe. Azobenzol tritt als Z-(cis-) oder E-(trans-) Verbindung auf. Durch Licht wird die energieärmere (£>Form in die energiereichere (Z)-Form umgelagert. Im folgenden Versuch werden beide im Dünnschichtchromatogramm auf Kieselgel nebeneinander nachgewiesen. v =N C6H5 trans-(E-) -J^> V=J/ c/s-(Z-) Versuch: Photochemische Umlagerung — Man bereite sich eine kleine ObjektträgerDünnschichtplatte mit Silicagel („Merck. G") nach der auf S. 91 gegebenen Anleitung Wenige Milliliter einer etwa 1 proz. Lösung von reinem Azobenzol in Benzol werden einige Minuten am Rückfluß gekocht und dann sofort zum Erkalten ins Dunkle gestellt. Für ein gutes Gelingen des Versuchs ist entscheidend, daß diese Lösung und - während des anschließenden Chromatographierens - das Chromatographiegefäß so weitgehend wie möglich vor Licht geschützt werden! Ein Tropfen der abgekühlten Azobenzollösung wird mit einer Kapillarpipette zu einem kleinen Fleck (0 ca. 3mm) auf den einen der beiden markierten Startpunkte der Dünnschichtplatte aufgetragen. Dieser Fleck wird einige Minuten dem direkten Sonnenlicht oder ca. eine halbe Stunde diffusem Tageslicht ausgesetzt. Dann wird schnell auf dem zweiten Startpunkt ein kleiner Tropfen der lichtgeschützten Lösung aufgetragen und der Dünnschicht-Objektträger in einen kleinen passenden, zum Chromatographieren in Benzol vorbereiteten Zylinder (Anleitung S. 93) gestellt, der verschlossen und sofort durch Überstülpen eines für Licht undurchlässigen Behälters abgedunkelt wird. Nach 10-20 min hat die Benzolfront das obere Plattenende erreicht; die Platte kann herausgenommen werden. Man sieht jetzt unterhalb der Lösungsmittelfront zwei orangerote Flecken, (£)-Azobenzol, außerdem nicht sehr weit über dem ersten belichteten Startpunkt das gelbe (Z)-Isomere. Azobenzol hat schwach basische Eigenschaften. Mit konzentrierten Mineralsäuren gibt es rote Salze, was man durch Übergießen der Substanz mit Salzsäure feststellt. Durch Reduzieren mit geeigneten Mitteln erhält man aus Azoverbindungen wieder die Hydrazoverbindungen. 526 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung Starke Reduktionsmittel spalten, wie schon erwähnt Hydrazoverbindungen zu primären Aminen. Da sich Azo Verbindungen durch Kupplung von Diazoniumsalzen mit geeigneten Partnern leicht erhalten lassen (S. 601), kann man durch ihre reduktive Spaltung besonders leicht aromatische Amine herstellen. ArNf + Ar'H Ar-N=N-Ar' ArNH, Ar'NH, Aromatische Azoverbindungen lassen sich auch z. B. mit H 2 O 2 oder Salpetersäure zu Azoxyverbindungen oxydieren. Wir können somit zwischen den Reduktionsprodukten der Nitroaromaten mit gepaartem Stickstoff folgende chemische Beziehungen formulieren (Reduktion v.l.n.r.): -N=NI O -N=N—NH-NH- Fe in H 2 O; Elektrolyse Zn in Lauge ; Elektrolyse Sn ^I2; S2O4 ; H 2 und Katalys itor Dispropor :ionierung O2; OBr~ u.a. H2O2; HNO, AzoxyAzo- Hydrazo- Amino-Aromaten Die Reduktion der aromatischen Nitroverbindungen ist nicht nur wissenschaftlich sondern auch technisch von großem Interesse. Die Nutzbarmachung der im Steinkohlenteer enthaltenen Kohlenwasserstoffe begann mit der Entdeckung der Nitrierungsreaktion. Die Reduktion des Nitrobenzols lieferte in technischem Ausmaß das Anilin, das Ausgangsmaterial für zahllose Farbstoffe und pharmazeutische Präparate. Ihm schließen sich die Toluidine, Xylidine, Naphtylamine usw. an. Aromatische Amine können aus den Nitroverbindungen durch die Elektronen eines Metalls in Säure, an der Kathode in saurer Lösung, durch katalytisch aktivierten Wasserstoff oder in bestimmten Fällen auch durch Ammoniumhydrogensulfid erhalten werden. Der Vorgang verläuft, wie am Nitrobenzol präparativ gezeigt wird, über eine Reihe von Zwischenprodukten: ArNO2 ArNO ArNHOH ArNH, Fe(neutral), Elektrolyse Zn in NH4CI; Al-am lgam; SH" i.d. Kälte Sn od. Fe od. E ektrolyse in HCI; H2 katalyt ;SH- i.d. Hitze Peroxyverbindimgen i.d. Hitze Peroxyverbindungen i.d. Kälte Dichromat u.a. NitroNitrosoHydroxylaminoAmino-Aromaten Phenylisothiocyanat 527 Wenn unter den Bedingungen der Anilindarstellung weder Nitrosobenzol noch Phenylhydroxylamin sich anreichern, so hat dies seine Ursache darin, daß im Sauren die Reduktionsgeschwindigkeit dieser Zwischenprodukte weit größer ist als die des Nitrobenzols selbst. Sie lassen sich jedoch in geeigneter Weise bei der elektrolytischen Reduktion und bei der katalytischen Hydrierung nachweisen. In neutraler Lösung verschieben sich die Verhältnisse zugunsten des Phenylhydroxylamins, das auch in alkalischer Lösung neben Nitrosobenzol entsteht. Dort kondensieren sich beide zum Azoxybenzol, das je nach Reduktionsart die auf S. 526 dargestellten weiteren Reduktionen erleiden kann. Beim mildesten Reduktionsverfahren, Kochen mit methylalkoholischer Na-methylatlösung, erhält man aus Nitrobenzol in guter Ausbeute Azoxybenzol (N. Zinin). Das reduzierende Methylat verwandelt sich dabei unter Oxidation in Formiat. Phenylisothiocyanat und Thiole Ähnlich wie CO2 mit primären Aminen zu Carbaminaten reagiert CS2 in Anwesenheit von Basen zu Dithiocarbaminaten. ,*• R-NH2 + CS2 ———> R— NH- C ( - In der aromatischen Reihe geht die Reaktion wegen der geringen Basizität des Stickstoffs unter Abspaltung von H + und dann S ~ ~ weiter. An das intermediär entstehende Isothiocyanat (Senföl) lagert sich sofort ein zweites Molekül des Amins an. Es entsteht Diarylthioharnstoff: H S Ar-N=C=S \ NHAr +ArN "* : S=C/ NHAr S' In der aliphatischen Reihe gelingt die Eliminierung des Schwefels unter Bildung der Senföle nur mit Schwermetallsalzen (HgCl2, FeCl3). Symm. Diphenylthioharnstoff (Thiocarbanilid) — Man erhitzt in einem mit langem Rückflußkühler versehenen Rundkolben 23 g (0,25 mol) Anilin, 30 g (0,40 mol) Schwefelkohlenstoff, 35 ml Alkohol und 6 g fein gepulvertes KOH drei h lang auf dem Wasserbad zum gelinden Sieden, destilliert am absteigenden Kühler Schwefelkohlenstoff und Alkohol ab, versetzt den Rückstand mit Wasser, saugt die gebildeten Kristalle des Diphenylthioharnstoffs ab und wäscht sie mit Wasser, verdünnter Salzsäure und nochmals mit Wasser. Nach dem Trocknen sind es 18-20 g (63—70%). Eine kleine Menge kristallisiert man aus Alkohol um (Schmp. 154 0 C), den Rest benutzt man ohne weitere Reinigung zur Darstellung von Phenylsenföl. 528 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung Phenylisothiocyanat (Phenylsenföl); Triphenylguanidin -15g (ca. 65 mmol) des rohen, oben erhaltenen Diphenylthioharnstoffs werden aus einem 250-ml-Kolben mit 60 ml konz. Salzsäure (d 1,18) auf dem Sandbad am absteigenden Kühler destilliert, bis der Rückstand nur noch 10—15 ml einnimmt. Das Destillat wird nach Zugabe des gleichen Volumens Wasser ausgeethert, der Ether mit wenig Sodalösung ausgeschüttelt, mit Calciumchlorid getrocknet, dann abgedampft und der Rückstand destilliert. Sdp. des Phenylsenföls 222 0 C. Ausbeute um 8g (90%). Neben dem Senföl entsteht bei der Einwirkung von Salzsäure auf Thiocarbanilid noch Triphenylguanidin, das sich aus dem Kolbenrückstand nach Zugabe von 50 ml Wasser und mehrstündigem Stehen als Hydrochlorid abscheidet. Durch Zersetzung mit verdünnter Natronlauge in der Wärme erhält man die freie Base. Aus Alkohol farblose Nadeln vom Schmp. 143 0 C. Die Wirkung der konz. Salzsäure besteht hier hauptsächlich in der Abspaltung von Anilin: Nebenbei wird in geringem Umfang auch Schwefelwasserstoff abgespalten. Das aus dieser Reaktion primär hervorgehende, äußerst reaktionsfähige Diphenylcarbodiimid lagert in der Lösung vorhandenes Anilin zu Triphenylguanidin an, ähnlich wie sich aus Cyanamid und Ammoniak das einfache Guanidin bildet. NHC6H5 S=C N-C6H5 C 6 5 NHC6H5 +C 6 H 5 NH 2 » c \ NHCH _ » -H2S / C 6 H 5 N-C NHC6H5 Triphenylguanidin Diphenylcarbodiimid Die Senföle zeigen grundsätzlich die gleichen Additionsreaktionen wie die ihnen isologen Isocyansäureester (siehe S. 327), z.B. O=C=N —C 6 H 5 , sie reagieren jedoch viel langsamer, was schon aus der Darstellungsmethode für Phenylsenföl hervorgeht. Phenylisocyanat würde dabei durch Wasser sofort zersetzt. Versuch: Reaktion der Amine mit Phenylisothiocyanat - Bei der im Präparat S. 527 beschriebenen Bildung des Diphenylthioharnstoffs reagiert das intermediär entstehende Senföl sofort mit Anilin weiter. Hier wird diese Reaktion für sich ausgeführt. 5 Tropfen Reaktionen des Phenylisothiocyanats 529 Phenylsenföl werden in einem kleinen Reagenzglas mit der gleichen Menge Anilin vermischt und über einer kleinen Flamme gelinde erwärmt. Beim Reiben mit dem Glasstab erstarrt die Schmelze zu Kristallen von Diphenylthioharnstoff, der aus Alkohol zur Schmelzpunktprobe umkristallisiert wird. Schmp. 154 0 C. Zum Vergleich sei auf die auf S. 328 geschilderte analoge Bildung von Diphenylharnstoff aus Phenylisocyanat und Anilin hingewiesen. Phenylsenföl hat sich als wertvolles Reagenz zum stufenweisen Abbau von Peptiden erwiesen (P. Edman, 1950). Es reagiert mit der terminalen Aminogruppe wie oben bei der Bildung von Diphenylthioharnstoff aus Anilin beschrieben (S. 528) zu einem Phenylthioureidopeptid, das unter H + -Einwirkung den Aminosäurerest als 2-Anilino-thiazol-5-on verliert, welches sich in Gegenwart von Wasser ins 3-Phenylthiohydantoin umlagert. R' R' I PhNCS I R-CH-CONH — CHI NH2 -— R — CH- CONH — CH — I HN )=s HN R \ // HC-C O R' I I NHC6H5 HC-C \ s // HNx /N-C 6 H 5 Versuch : Phenylisocyanat aus Phenylisothiocyanat mit Quecksilberoxid — Man erhitzt im Reagenzglas 0,5 ml Phenylisothiocyanat mit dem gleichen Volumen gelbem Quecksilberoxid bis zum Sieden des Senföls. Das Oxid geht hierbei in schwarzes Quecksilbersulfid über, gleichzeitig tritt der äußerst stechende Geruch des Phenylisocyanats auf. Thiophenol aus Benzolsulfochlorid C 6 H 5 SO 2 CI + 1,5Sn + 5HCI > C 6 H 5 SH + 1,5SnCI4 + 2H 2 O In einen 250-ml-Zweihalskolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter gibt man 20g fein granuliertes Zinn (170 mg-Atome, Überschuß), erhitzt auf dem Wasserbad, läßt 50 ml 530 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung konz. Salzsäure zufließen und tropft dann unter öfterem Umschütteln 8g (45 mmol) Benzolsulfochlorid ein. Wenn die Hauptmenge des Zinns gelöst ist, treibt man das Thiophenol mit Wasserdampf über, fügt zum Destillat eine Spatelspitze Natriumdithionit (um O 2 abzufangen), ethert es aus und trocknet die Etherschicht nach der Trennung mit Natriumsulfat. Nach dem Abdampfen, zuletzt im Vakuum, wird das zurückbleibende Thiophenol destilliert und geht fast völlig bei 173 0 C / 760 Torr über. Ausbeute 3—4 g (60-80%). Mit dem stark stinkenden Stoff darf nur unter einem gut ziehenden Abzug möglichst im Stinkraum umgegangen werden. Vor allem bringe man nichts davon an Hände oder Kleider, da der Geruch tagelang haften bleibt. Er kann durch Oxidation mit Hydrogenperoxid unschädlich gemacht werden. Während die sehr stabile Sulfonsäuregruppe praktisch nicht reduziert werden kann, läßt sich der Schwefel der Sulfonsäurechloride mit Metallen in die niedrigen Oxidationsstufen überführen. Mit Zink in Wasser entsteht das Zn-SaIz der Sulfinsäure (ArSO2H), mit Zinn in starker Mineralsäure über die Stufe der Sulfin- und Sulfensäure hinweg das Thiol. - Weitere Darstellungen der Arylthiole sind z. B. aus Diazoniumsalzen oder Grignard-Verbindungen möglich. Aliphatische Thiole werden besser durch nucleophile Substitution z.B. aus den Alkylhalogeniden dargestellt (S. 160). Die Thiole sind stärkere Säuren als die Alkohole, die aromatischen sogar so starke, daß sie mit Alkali und Phenolphthalein scharf titriert werden können (Thiophenol hat pKA ~ 7). Charakteristisch sind die gelben Blei- und die farblosen Quecksilbersalze. Zum Nachweis der aliphatisch gebundenen SH-Gruppe (nicht der aromatisch gebundenen) ist die intensive Farbreaktion mit Na-pentacyanonitrosoferrat (Nitroprussid-Natrium) in alkalischer Lösung besonders geeignet (siehe auch S. 162). Versuch: Quecksilber-thiophenolat aus Thiophenol - Man versetzt die alkoholischen Lösungen von Blei(ll)-acetat und Quecksilber(ll)-chlorid jeweils mit einigen Tropfen Thiophenol. Bemerkenswert ist die Leichtigkeit, mit der Elektronen vom Schwefel abgelöst werden; schon durch den Sauerstoff der Luft, sofort aber durch schwache Oxidationsmittel werden die Thiole zu den Aryl- bzw. Alkyldisulfiden oxidiert: R—S—S—R Red. Versuch: Diphenyldisulf id durch Autoxidation des Thiophenols - Einige Tropfen Thiophenol werden mit einigen ml stark verdünnter Ammoniaklösung auf einem Uhrglas über dem Wasserbad langsam zur Trockne verdampft (Abzug!). Es hinterbleibt ein Öl, das beim Erkalten kristallisiert. Diphenyldisulfid vom Schmp. 61 0C. Reaktionen der Thiole 531 Durch Reduktion gehen die Disulfide unter Aufnahme von Wasserstoff wieder in die Mercaptane über. Auch durch andere nucleophile Agenzien wie Cyanid oder Sulfit werden sie gespalten. Dabei entsteht neben einem Mol Thiol ein Rhodanid, RSCN bzw. Thiosulfat (Bunte-Salz) RSSOf. Versuch: Reduktion eines Disulf ids zum Thiol — 2 Tropfen Thioglykolsäure werden in etwa 3 ml 2 Ammoniak gelöst. Dazu tropft man soviel 5-10proz. methanolische lodlösung, wie gerade noch entfärbt wird. Jetzt gibt eine Probe keine positive Reaktion mit Nitroprussidnatrium; es ist das Disulfid entstanden. Versetzt man mit einigen Körnchen Natriumborhydrid (S. 539), kann man nach kurzer Zeit mit Nitroprussidnatrium wieder freie Sulfhydrylgruppen nachweisen. Ebenso tritt nach Zugabe von wenig Cyanid nach kurzer Zeit die Rotfärbung auf. Ein biologisches Beispiel für ein Redox-System dieser Art liegt im Cystein-Cystin (siehe S. 475) oder Glutathion vor. Als cyclisches Disulfid verdient die Liponsäure (Thioctsäure) Erwähnung, die zum Enzymkomplex Pyruvatoxidase gehört. HC /\CH/CHNCH /CHNCH /°2H 2 2 Liponsäure Mit Chlor setzen sich Thiole und Disulfide zu Arylsulfenylchloriden um; Phenylsulfenylchlorid ist eine tiefrote Flüssigkeit von großer Reaktionsfähigkeit, o-Nitrophenylsulfenylderivate von Aminosäuren in der Peptidchemie. C 6 H 5 SH + Cl2 > C6H5SCI + HCI; RSSR + Cl2 > 2RSCI Durch energische Oxidation, z.B. mit Brom oder Peroxy-Verbindungen, werden aus den Thiolen die Sulfonsäuren gebildet. Aus Cystin entsteht so Cysteinsäure, HO2CCH(NH2)CH2SO3H. Reduktion mit Ammoniumhydrogensulfid Von den zahlreichen Möglichkeiten der Reduktion mit anorganischen Anionen soll hier nur ein Präparat ausgeführt werden. Andere Beispiele findet man in der Reduktion von Benzoldiazoniumchlorid zu Phenylhydrazin mit Sulfit auf S. 621, in der Reduktion von Indigotin zu Leukoindigo mit Dithionit auf S. 654, einer Azoverbindung zum aromatischen Amin mit demselben Reduktionsmittel auf S. 566, bei der reduktiven Verkochung des Benzoldiazoniumsalzes zu Benzol mit alkalischer Stannitlösung (S. 613), der Reduktion von/7-Nitrosodimethylanilin zum Diamin mit SnCl2 532 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung in HCl auf S. 576, sowie in der Reduktion des ungesättigten Azlactons mit lodwasserstoff und Phosphor bei der Synthese von Phenylalanin nach Erlenmeyer (S. 371). Hierbei oxidiert sich das Reduktionsmittel HI zu elementarem lod. Dieses bildet mit dem roten Phosphor Phosphortriiodid, das durch Hydrolyse neuerlich lodwasserstoff liefert. Letztlich ist also der Phosphor das Reduktionsmittel, wie auch bei der Reduktion von Alkoholen auf S. 145. 3I 2 + 2P > 2Pl 3 +6H2 ° > 2H 3 PO 3 + 6Hl Als ziemlich vielseitiges Reduktionsmittel (Alkylhalogenid —-> Alkan, Olefine —» Alkane, Alkine —> trans-Olefine, Epoxide —> Olefine) sei auch das Cr(II)-Ion erwähnt. Im anschließend beschriebenen Präparat wird von der reduzierenden Wirkung des Hydrogensulfids auf eine Nitrogruppe Gebrauch gemacht. /77-Nitranilin aus /77-Dinitrobenzol mit Ammoniumhydrogensulfid m-C 6 H 4 (NO 2 ) 2 + 3H 2 S > Pn-C 6 H 4 (NO 2 )NH 2 + H2O + 2S 16,8g (0,10mol) reines, nötigenfalls aus Alkohol umkristallisiertes /77-Dinitrobenzol, werden unter Erwärmen in 90 ml Ethanol gelöst und nach dem Abkühlen ungeachtet einer Kristallisation mit 16ml 35proz. wässeriger Ammoniaklösung versetzt. Nachdem man den Kolben gewogen hat, sättigt man bei Zimmertemperatur mit Schwefelwasserstoff und erhitzt dann, ohne H 2 S einzuleiten, 30 min am Rückfluß zum Sieden. Nach dem Abkühlen mit Eis-Wasser wird wieder mit H2S gesättigt, wie eben erhitzt und dieser Vorgang ein drittes Mal wiederholt. Jetzt soll das Gewicht um 10,5g (0,30 mol H2S) zugenommen haben. Man verdünnt mit 10OmI Wasser, filtriert vom Schwefel ab, wäscht den Niederschlag mit Wasser und extrahiert ihn mehrmals in der Wärme mit 2N Salzsäure. Aus den sauren Filtraten wird das /77-Nitranilin durch Neutralisierung mit konz. Ammoniaklösung in Freiheit gesetzt. Nach dem Absaugen kristallisiert man aus Wasser um. Man erhält 10—11 g (70-80%) gelbe Kristalle vom Schmp. 1140C. Die Reduktion beider Nitrogruppen der Dinitrobenzole kann mit Zinn und Salzsäure erreicht werden. Es entstehen dabei die entsprechenden Diaminobenzole (Phenylendiamine), die von farbstofftechnischer Bedeutung sind (Bismarckbraun). Will man nur eine Nitrogruppe reduzieren, bedient man sich des weniger energisch wirkenden Ammonium- oder Natriumhydrogensulfids. Eine sehr schonende Reduktion der Nitrogruppe ist auch mit Fe* +-Ionen in alkalischer Lösung möglich. Dabei werden andere reduzierbare Gruppen nicht angegriffen und man erhält z. B. aus o-Nitrobenzaldehyd: o-Aminobenzaldehyd, aus 0-Nitrozimtsäure : o-Aminozimtsäure. Ortho- und /?-Nitranilin werden durch Nitrierung von Anilin dargestellt, nachdem die oxidationsempfindliche und stark aktivierende Aminogruppe durch Acetylierung die Nitraniline 533 geschützt worden ist (siehe S. 236). Auch die nucleophile Substitution des Chlors im /7-Nitrochlorbenzol durch Ammoniak unter Druck bei höherer Temperatur ist eine Möglichkeit zur Synthese des /?-Nitranilins. Die Nitraniline sind gelb (Mesomerie), ihre protonierten Kationen farblos. Die an sich schon geringe Basizität des Anilins (S. 518) wird durch eine Nitrogruppe, besonders in o- oder/7-Stellung aus denselben Gründen, die eine Zunahme der Acidität der entsprechenden Phenole bewirken (S. 252), stark herabgesetzt. Die Einführung einer zweiten Nitrogruppe in den Kern des Anilins setzt natürlich dessen Basizität noch weiter herab. Die Effekte sind aus den pKA-Werten der konjugierten Säuren ArNH 3 ersichtlich: pKA-Werte einiger Nitroaniliniumionen Anilin w-Nitranilin ;?-Nitranilin 0-Nitranilin 2,4-Dinitranilin 4,58 2,60 1,00 0,87 unlöslich. Die ungleiche Basizität der Mono-nitraniline läßt sich durch den folgenden Versuch anschaulich machen: Versuch: Unterschiedliche Basizität der Nitraniline — Je 0,05g der drei gelben Nitraniline werden in Reagenzgläsern in je 1 ml konz. Schwefelsäure unter Umrühren mit Glasstäben in Lösung gebracht. Die farblosen Lösungen werden in je 30 ml Wasser eingegossen. Gelbes o-Nitranilin scheidet sich, als die schwächste Base, z.T. aus, die p-Verbindung bleibt zwar gelöst, jedoch mit gelber Farbe, was teilweises Vorliegen der freien Base anzeigt und /77-Nitranilin bleibt völlig protoniert und daher farblos in Lösung. Als Indikator zeigt es seinem pKA gemäß ein Umschlagsintervall von pH 2-3. Reduktion nach Meerwein-Ponndorf-Verley Trichlorethylalkohol aus Chloral Aluminiumethylat. - In einem 300-ml-Kolben mit Rückflußkühler übergießt man 5,4g Aluminiumspäne oder Aluminiumgrieß (0,2 g-Atome) mit 60 ml absol. Alkohol und gibt etwa 30mg Quecksilber(ll)-chlorid und eine Spur lod hinzu. Nach einigen Sekunden setzt heftige Wasserstoffentwicklung ein1. Wenn die Reaktion sich verlangsamt, läßt Tritt die Reaktion nicht sofort ein, erwärmt man vorsichtig unter Schütteln auf dem Wasserbad; sollte das Aluminium auch dann nicht reagieren, muß man es mit verd. Natronlauge kurz anätzen und dann die Lauge durch wiederholtes Dekantieren mit absolutem Alkohol wieder entfernen. 534 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung man sie durch 2—3stündiges Sieden auf dem Wasserbad zu Ende gehen. Das Metall hat sich dann bis auf wenige Flocken gelöst. Dann wird der überschüssige Alkohol in einem Ölbad von 210-22O0C abdestilliert. Den dunklen flüssigen Rückstand gießt man rasch in einen Claisenkolben um und destilliert ihn mit der freien Flamme unter Verwendung eines kurzen und weiten Luftkühlers rasch im Vakuum über. Sdp. 200—21O 0 C / 1 0 Torr. Das noch flüssige Destillat wird in eine gut schließende Glasstöpselflasche umgefüllt, in der es beim Erkalten erstarrt. Ausbeute etwa 29g (90%). Zum Gebrauch pulvert man die nötige Menge Aluminiumethylat rasch in einem Mörser und wiegt sie ab. Trichlorethylalkohol. - In einen 500-ml-Dreihalskolben bringt man 60g (0,44 mol) wasserfreies Chloral1, 15OmI absoluten Alkohol und 18g (1,1 mol) Aluminiumethylat. Auf den mittleren Hals kommt ein Liebigkühler, der so langsam mit Kühlwasser gespeist wird, daß sich während des nun folgenden Kochens des Kolbeninhalts eine Temperatur von 30-4O0C im Kühler einstellt. Auf diese Weise soll der bei der Reaktion entstehende Acetaldehyd aus dem Gleichgewicht entfernt werden. Durch den zweiten Ansatz wird aus einer Stahlflasche trockener Stickstoff langsam durch die Lösung geleitet. Die dritte Öffnung wird durch einen Stopfen verschlossen. Sie dient zur Entnahme von Proben. Der Kolben wird jetzt im Ölbad auf 135 0 C erhitzt. Nach etwa 24 h (verteilt auf 2-3 Tage) ist alles Chloral verbraucht, was mit folgender Reaktion zu erkennen ist: Man entnimmt einige Tropfen des Reaktionsgemisches mit einer Pipette und versetzt sie in einem Reagenzglas mit Wasser. Nach dem Absitzen des Aluminiumhydroxids wird von diesem abgegossen und etwas gelbes Ammoniumsulfid zugegeben. Solange Chloral anwesend ist, entsteht beim Aufkochen eine dunkelbraune Färbung. Nachdem mit dieser Probe das Ende der Reaktion festgestellt worden ist, wird bei 12O 0 C der Alkohol abdestilliert und der Rückstand von Aluminiumtrichlorethylat nach dem Erkalten mit 60 ml 4N Schwefelsäure zerlegt. Darauf destilliert man mit Wasserdampf und trennt im Destillat das Öl im Scheidetrichter ab. Die Wasserphase sättigt man mit Natriumsulfat und schüttelt sie dreimal mit wenig Ether aus. Öl und etherische Lösung werden vereinigt und mit Natriumsulfat getrocknet. Nach dem Abdampfen des Ethers wird der Trichlorethylalkohol im Vakuum destilliert. Sdp. 84-970C / 125 Torr, Schmp. 16-170C, Ausbeute 45-50 g (74-82%). Das Prinzip dieser Reaktion besteht in der Einstellung eines Hydridverschiebungsgleichgewichts zwischen dem Reduktionsmittel (a-Wasserstoff eines prim. oder sek. Alkoholats) und der zu reduzierenden Carbonylverbindung, im obigen Fall Al-ethylat und Chloral. H 3 CCHOH + CI3CCHO < H 3 CCHO + CI 3 CCHQH Durch Abdestillieren der am leichtesten flüchtigen Komponente, hier des Acetaldehyds, wird das Gleichgewicht ganz nach rechts verschoben. Das wasserfreie Chloral stellt man sich aus Chloralhydrat durch Schütteln mit konz. Schwefelsäure, Trennung der beiden Schichten im Scheidetrichter und Destillation bei 980C / 760 Torr dar. Reduktion nach Meerwein-Ponndorf-Verley 535 Das Aluminium hat sich wegen seiner Fähigkeit, die Reaktionspartner durch Komplexbildung in Reaktionsnähe zu bringen und zu polarisieren, besonders bewährt. Für schwerer zu reduzierende Carbonylverbindungen ist wegen der höheren Reaktionstemperatur Al-isopropylat in se/c-Propanol wirksamer, das dabei zu Aceton oxydiert wird. Man versteht die Rolle des Al durch die folgenden Strukturformeln. Ak >^ O O X O O > O O 0 R-C Il O 1 H^l R' CH3 +,C-CH 3 R - C + 3 I *=* I, | H^l R' CH3 /C-CH3 I ^=* - CI^ R | ^H R' +C-CH 3 R—C, + C-CH 3 I CH 3 I^H | R' CH3 I ^=* I Il Bei Betrachtung der Reaktionsfolge von rechts nach links ist ohne weiteres erklärlich, daß Aceton - im großen Überschuß verwendet — AI-Salze primärer und sekundärer Alkohole dehydrieren kann: Präparative Oxidation nach Oppenauer. Die AIVerbindung des zu dehydrierenden Alkohols wird dabei durch Zugabe von Al-tertbutylat oder Al-phenolat erzeugt. Als H-Akzeptoren werden besser höher siedende Ketone wie Cyclohexanon oder auch /?-Benzochinon verwendet. Weitere hydridabgebende Reduktionsmittel sind die Aldehyde (siehe CannizzaroReaktion und Tischtschenko-Reaktion, S. 378), besonders Formaldehyd (reduktive Methylierung; Präparat Methylamin auf S. 356) sowie das Formiation (Reduktive Aminierung von Carbonylverbindungen mit Ammonium-formiat nach LeuckartWallach; S. 357). Reduktion mit komplexen Metallhydriden 1,6-Hexandiol aus Adipinsäure-diethylester mit Lithium-aluminiumhydrid Vorsicht! Lithium-aluminiumhydrid (Li-alanat) wird in Blechdosen unter Stickstoff geliefert. Angebrochene Packungen sollen alsbald verbraucht werden. Die Substanz ist als Pulver giftig für die Atemwege (Abzug!) und reagiert heftig mit Wasser. In Brand geratenes LiAIH4 mit Sand löschen! H 5 C 2 O 2 C(CH 2 J 4 CO 2 C 2 H 5 ÜAIH4 > HOCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 OH Der als Lösungsmittel verwendete Ether soll wasserfrei sein, ein kleiner Überschuß von Li-alanat sorgt allerdings für sofortige Entfernung von Wasserspuren. Hierzu werden 300 ml „absoluter" Ether mit 2—3 Spatelspitzen gepulvertem Li-alanat eine Stunde am Rückfluß gekocht (Calciumchloridrohr!). Danach kann man den Versuch im selben Kolben ansetzen. In einem 500-ml-Schliffrundkolben, der mit einem dichten Rührer, Tropftrichter und Rückflußkühler - beide mit CaCI 2 -Rohr — versehen ist, werden 15OmI des absoluten Ethers gebracht und sofort 4,2 g (0,11 mol) frisches Lithiumaluminiumhydrid zugegeben. 536 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung Ohne die Auflösung abzuwarten, läßt man zur Suspension unter gutem Rühren 20 g Adipinsäure-diethylester (0,10mol, Präparat S. 296) mit einer solchen Geschwindigkeit zutropfen, daß der Ether nicht zu heftig siedet. Nach dem Eintropfen rührt man noch eine Stunde bei Zimmertemperatur, kühlt dann mit Eis-Wasser auf O 0 C ab und läßt langsam 5 ml Wasser zutropfen. Danach fügt man 30 ml 2 N Natronlauge zu, wobei sich die anorganischen Bestandteile als zäher Brei absetzen. Von diesem wird die Etherlösung abdekantiert, mit geglühtem Natriumsulfat getrocknet und abdestilliert, zuletzt im Wasserstrahlvakuum. Es bleibt ein Öl zurück, das beim Einstellen des Kolbens ins Eisbad kristallisiert. Nach dem Umkristallisieren aus wenig Chloroform erhält man 8 g Hexandiol (= 68%) vom Schmp. 40—41 0C. 4-Methylbenzylamin aus p-Tolunitril mit Lithium-aluminiumhydrid H 3 CC 6 H 4 CN ÜAIH4 > H 3 CC 6 H 4 CH 2 NH 2 Vorsicht beim Umgang mit LiAIH4. Man beachte die dem vorigen Präparat vorangestellten Bemerkungen! In einem wie beim vorigen Präparat ausgestatteten mit 15OmI absolutem Ether beschickten 500-ml-Rundkolben werden 4,2g frisches LiAIH4 (0,11 mol) suspendiert. Man läßt unter Rühren eine Lösung von 11,7 g (0,10 mol) p-Tolunitril in 100 ml absolutem Ether mit einer solchen Geschwindigkeit zulaufen, daß der Ether eben im Sieden bleibt. Es wird noch eine Stunde bei Zimmertemperatur weitergerührt, dann mit EisWasser auf O 0 C gekühlt und das überschüssige Hydrid durch tropfenweisen Zusatz von 10 ml Wasser zersetzt. Durch Zufügen von 30 ml 2N Natronlauge werden die anorganischen Bestandteile in Form eines zähflüssigen Niederschlags abgeschieden, von dem abdekantiert wird. Die Etherlösung wird nach dem Trocknen mit geglühtem Natriumsulfat verdampft, der ölige Rückstand im Wasserstrahlvakuum fraktioniert destilliert, wobei CO2 der Luft durch Vorschalten eines Natronkalkrohrs vor die Siedekapillare ferngehalten wird. Bei 80—81 0 C / 12 Torr gehen 9,7 g (= 80%) der flüssigen Base über. Von den vielen komplexen Metallhydriden hat sich das in Ether und anderen organischen Lösungsmitteln lösliche Lithium-aluminiumhydrid als das wirksamste Reduktionsmittel besonders bewährt. Es entsteht bei der Reaktion von feinst gepulvertem Li-hydrid mit AlCl3 in Ether. Da es seine Wirkung durch Abgabe von HydridIonen entfaltet, lassen sich mit ihm alle Verbindungen reduzieren, die ein elektrophiles Zentrum besitzen. Theoretisch können alle vier H-Atome für die Hydrierung ausgenutzt werden, so daß z. B. nach 1. 2. LiAIH4 + RCHO [R-CH2-OAIH3]+ > [RCH 2 OAIH 3 ]-Li+ > > [(RCH 2 O) 2 AIH 2 ]4RCH 2 OH usw. + LiOH RCHO [(RCH 2 O) 4 AI]Li + 4H 2 O + AI(OH) 3 l mol Reagens 4 mole Aldehyd zum primären Alkohol zu reduzieren vermag. In der Reduktion mit Lithium-aluminiumhydrid 537 Tabelle ist eine Auswahl der wichtigsten funktionellen Gruppen, die mit LiAlH4 reduzierbar sind, zusammengefaßt: Verbindung Aldehyd, Keton Chinon Ester Carbonsäure Säurechlorid prim. Säureamid tert. Säureamid Nitril Nitroverb., aliph. Nitroverb., arom. Sulfochlorid Alkylhalogenid Produkt Alkohol Hydrochinon prim. Alkohol prim. Alkohol prim. Alkohol prim. Amin( + 2H 2 ) tert. Amin tert. Amin; Aldehyd tert. Amine( + 3H 2 ) Azoverbindung, prim. Amine Thiol Kohlenwasserstoff mol LiAlH4 pro mol (theoretisch) 0,25 0,25 0,5 0,7S1 0,5 1,O1 0,5 0,5; 0,25 1,5 ' 1,0 1,5 0,75 0,25 Zu den zwei theoretisch nötigen „Hydridionen" kommen ein bzw. zwei weitere, die durch die aktiven Wasserstoffatome der CO2H- bzw. der NH2-Gruppe unter Bildung von Wasserstoff verbraucht werden. Dasselbe gilt ceteris paribus für die Reduktion von Nitro-Verbindungen, wobei zu den nötigen 3 Elektronenpaaren und dem genannten der zusätzliche Verbrauch eines Hydridions (als H 2 ) durch intermediär entstehenden aktiven Wasserstoff kommt (formulieren!). Wie das Beispiel der Reduktion von Tolunitril zeigt (Präparat S. 536), reagieren in manchen Fällen nicht alle Hydridwasserstoffe des Alanats mit dem Substrat, sondern einige werden in einer inerten Zwischenstufe konserviert, so daß in praxi mehr (hier l mol statt 0,5 mol) benötigt wird. Die nicht ausgenutzten Hydridäquivalente werden bei der Zersetzung mit Wasser schließlich als Wasserstoff frei. Man behandle daher Li-alanat und die mit ihm ausgeführten Reaktionsansätze mit äußerster Vorsicht. - Bemerkenswert ist die Reduktion der Carboxylgruppe zum primären Alkohol. Die Reduktion von Derivaten der Carbonsäuren vollzieht sich in zwei Schritten. Im ersten wird ein Hydridion an die Carbonylgruppe addiert, im zweiten wird ein Sauerstoffrest nucleophil durch Hydrid verdrängt und das auch bei den Carbonsäureamiden, so daß diese nicht primäre Alkohole sondern Amine ergeben (formulieren!). Da der Zweit schritt bei der Reduktion der Amide relativ langsam verläuft, hat man häufig versucht, die Reaktion zur Darstellung von Aldehyden nach der ersten Stufe durch Hydrolyse abzufangen. Wirkungsvoll gelingt dies nur bei gewissen Amiden, in denen die für Carbonsäureamide typische Delokalisierung des nichtbindenden Elektronenpaars am Stickstoff in die Carbonylgruppe behindert ist. Charakteristische Beispiele sind die Carbonsäure-imidazolide (H.A. Staab) und -aziridide (= ethylenimide, H. C. Brown). O II /^ R-C-NI l O Il /CH2 R-C-NCl ^ ^CH 2 Carbonsäure-imidazolid Carbonsäure-aziridid 538 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung In diesen sind die Carbonylgruppen reaktionsfähiger als in normalen Amiden, so daß der erste Teilschritt der Reduktion der nachfolgenden Substitution den Rang ablaufen kann. Nach H. C. Brown lassen sich jedoch auch normale N,N-Dialky\amide zu Aldehyden reduzieren, wenn man die Wasserstoffatome am Lithiumalanat zuvor teilweise mit Alkohol gegen Alkoxy-Reste ausgetauscht hat. LiAIH4 + 2—3C 2 H 5 OH > LiAIH^ 2 (OC 2 H 5 J 2-3 —RCON(CH3)2—^ Diisobutylaluminiumhydrid (S. 453), das sich bei Raumtemperatur als Reduktionsmittel wie Lithiumalanat verhält, kann bei tiefen Temperaturen Ester, Amide und Nitrile mit guten Ausbeuten auf die Stufe der Aldehyde reduzieren. Olefindoppelbindungen bleiben von Lithium-aluminiumhydrid in siedendem Ether meist unangegriffen. Das gilt jedoch nicht ohne weiteres für die Reduktion a,/?-ungesättigter CarbonylVerbindungen zu Allylalkoholen, wo sogar das milde Natriumborhydrid die C,C-Doppelbindung teilweise angreifen kann. Zusatz von etwas Alkohol zu Lithium-aluminiumhydrid oder die Verwendung von Lithium-aluminium-triterf-butoxy-hydrid (aus Lithiumalanat und terf-Butanol) oder Natrium-aluminiumdi-methylglykoloxy-dihydrid (aus Natrium-aluminiumhydrid und Glykolmonomethylether) kann hier hilfreich sein. LiAIH [OC(CH 3 ) 3 ] 3 NaAIH 2 (OCH 2 CH 2 OCH 3 ) 2 BH s< AIH[CH 2 CH(CH 3 ) 2 ] 2 Auch Diisobutyl-aluminiumhydrid und 9-Bora-bicyclo-nonan werden für die saubere Reduktion a,/?-ungesättigter Carbonylverbindungen zu Allylalkoholen empfohlen. Bei Temperaturen über 10O0C reagiert LiAlH4 mit Olefinen stufenweise unter Bildung von Li-aluminiumtetraalkylaten, die bei der Zersetzung mit Wasser Paraffine liefern. LiAIH4 + 4H2C=CHR > Li[AI(CH 2 CH 2 R) 4 ] Eine durchgehende Reduktion von Ketonen zu Kohlenwasserstoffen ermöglicht unter milderen Bedingungen der Zusatz von AlCl3 zum LiAlH4. Das abgeschwächt wirksame Lithium-aluminium-tri-terf-butoxy-hydrid reduziert Säurechloride zu Aldehyden. O O Li [HAI (Oterf-But)3]~+ + R ~ C V Cl Reduktion mit Natriumborhydrid 539 Diese Reaktion kann die klassische Reduktion nach Rosenmund (S. 549) ersetzen. Von den anderen zahlreichen komplexen Metallhydriden ist besonders das Natriumborhydrid (Na-boranat, NaBH4) von präparativer Bedeutung. Es ist ohne wesentliche Zersetzung in eiskaltem Wasser löslich. In verdünnter Lauge ist es auch bei Zimmertemperatur recht stabil, in Alkoholen löst es sich weniger gut und entwickelt langsam Wasserstoff. Durch wässerige Säuren wird es rasch unter !^-Entwicklung hydrolysiert. In neutraler oder alkalischer Lösung kann man die Hydrolyse durch Zusatz eines Edelmetallsalzes katalytisch stark beschleunigen. Platinsalze werden z. B. spielend leicht zu feinst verteiltem Platin reduziert, das als Katalysator wirksam ist. Der dabei entstehende Wasserstoff kann direkt zu katalytischen Hydrierungen benutzt werden; das feinverteilte Metall, besonders auf Aktivkohle, stellt einen sehr wirksamen Hydrierungskatalysator dar (siehe S. 554; H. C. Brown, 1962). Natriumborhydrid ist ein wesentlich milderes Reduktionsmittel als Li-alanat. Es greift nur die elektronenärmsten Stellen an. Die Tabelle zeigt die Unterschiede zum Li-alanat, die man für partielle Reduktion ausnutzen kann. So werden Ketoester und Ketosäuren zu Hydroxyestern und -säuren bzw. deren Lactonen reduziert, die aromatische Nitrogruppe wird bei der Reduktion des /?-Nitrobenzoylchlorids nicht angegriffen. Reaktionen mit Natriumboranat Reduzierbar Aldehyde, Ketone Säurechloride Hydroperoxide Disulfide Produkt Alkohole Alkohole Alkohole Thiole nicht reduzierbar: Säuren, Säureanhydride, Ester, Amide, Nitrile, Imide, Acetale, NitroVerbindungen, Halogenide. Auch die Boranate lassen sich durch partiellen Ersatz ihrer Wasserstoffe in Reaktivität und Spezifität abwandeln. Hier sei nur das stärker wirkende Na-cyanobortrihydrid, Na + [H3BCN]", erwähnt, das in speziellen Lösungsmitteln die Reduktion von Tosylaten zu Kohlenwasserstoffen erlaubt und als Reduktionsmittel bei der reduktiven Methylierung von primären Aminen (ähnlich wie auf S. 356) mit Erfolg herangezogen wird. RNH 2 + CH 2 O —Li[H3BCN] > RNHCH 3 a-Oxosäuren werden in Anwesenheit von Ammoniumionen (über die Iminosäuren) reduktiv in a-Aminosäuren überführt. Auch mit Natriumborhydrid kann man Alkyltosylate in Dimethylsulfoxid zu Kohlenwasserstoffen reduzieren. Li-triethylborhydrid, Li[BH(C 2 H 5 J 3 ] („Superhydrid"), ist eines der stärksten bekannten Nucleophile. Man erhält es aus Lithiumhydrid und Triethylboran 540 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung LiH + (C 2 H 5 J 3 B > Li[BH(C 2 H 5 J 3 ]. Es dient u. a. zur glatten Reduktion von Alkylhalogeniden oder -tosylaten zu Kohlenwasserstoffen. Natriumborhydrid ist nicht so feuchtigkeitsempfindlich wie LiAIH4; es kann ohne wesentlichen Aktivitätsverlust monatelang in einer gut schließenden Flasche aufbewahrt werden. Natriumborhydrid-Reduktion von Ketonen und Aldehyden, Benzhydrol OH C 6 H 5 COC 6 H 5 NaBh4 > C 6 H 5 CHC 6 H 5 In die Lösung von 1,8 g Benzophenon (oder 10 mmol eines anderen Ketons oder Aldehyds) in 8 ml Methanol gibt man unter Rühren mit einem Magnetstab portionsweise 0,4 g Natriumborhydrid und rührt noch 45 min. Danach versetzt man mit Wasser, schüttelt dreimal mit Ether aus, wäscht die Etherphase neutral und trocknet über Natriumsulfat. Nach Filtration dampft man i.Vak. ein, kristallisiert den Rückstand aus Petrolether und erhält 1,5g (82%) Benzhydrol vom Schmp. 68°C. In derselben Weise kann man Benzalacetophenon (S. 362) zu Diphenylallylalkohol (1,3-Diphenyl-2-propen-1 -öl, aus Petrolether, Schmp. 58 0 C), Dibenzalaceton (S. 362) zu 1,5-Diphenyl-1,4-pentadien-3-ol (aus Petrolether-Benzol, Schmp. 64 0 C) und Zimtaldehyd zu Zimtalkohol (Sdp. 131 0 C bei 12 Torr, Schmp. 39 0 C) reduzieren. p-Nitrobenzylalkohol 2P-NO 2 C 6 H 4 COCI + 2NaCI + + + NaBH4 H 3 BO 3 3H2 ° > 20-NO 2 C 6 H 4 CH 2 OH + 2HCI 9,3g (50 mmol) p-Nitrobenzoylchlorid werden in 50 ml wasserfreiem1 Dioxan gelöst. Dazu gibt man 1,5 g (40 mmol; Überschuß) fein pulverisiertes Natriumborhydrid und erhitzt die Suspension etwa 8 h lang in einem 250-ml-Schliffkolben auf einem Ölbad zum gelinden Sieden. Man ersetzt das Ölbad durch ein Eisbad, läßt gut abkühlen (ohne daß das Dioxan fest wird), und fügt dazu etwa 70 ml Wasser, anfangs — so lange sich Wasserstoff entwickelt — langsam tropfenweise unter dauerndem Umschwenken des Kolbens im Eiswasser. Dann schüttelt man kräftig durch und läßt über Nacht bei Zimmertemperatur stehen. Nun wird der gesamte Kolbeninhalt durch Abdampfen der Lösungsmittel im Vakuum zur völligen Trockne gebracht, der Rückstand mit 120 ml 1N Natronlauge versetzt und erst mit 100 ml, dann 5 mal mit je 50 ml Ether ausgeschüttelt. Die ver- Eine Probe darf mit wenigen mg NaBH 4 kein H 2 entwickeln. Reinigung und Trocknung des Dioxans siehe S. 114. Mechanismus der Hydroborierung 541 einigten Etherauszüge werden nach dem Trocknen mit wasserfreiem Natriumsulfat im Vakuum eingedampft. Es bleiben etwa 5,5g roher p-Nitrobenzylalkohol zurück (70%). Dieser wird ohne große Verluste durch Vakuumdestillation aus einem kleinen Schwertkolben oder Kugelrohr gereinigt. Sdp. 185 0 C / 12 Torr; Schmp. 93 0 C. Hydroborierung Die olefinische Doppelbindung wird vom Natriumborhydrid nicht angegriffen, hingegen von Diboran, B2H6 (H. C. Brown, 1959). Dieses reduziert nicht nur alle polaren Doppelbindungen, sondern lagert sich in Form des monomeren BH3 sehr leicht an alle sterisch gut zugänglichen C, C -Doppelbindungen so an, daß drei mol Olefin zu Bortrialkylen aufgenommen werden. Dabei addiert sich das positive Bor regioselektiv an die elektronenreichere Seite, so daß nach R-CH=CH2 _ R-CH-CH2 -> \ \ +2RCH=CH 2 , R r | , pw vR v -> (HUH 2 UM 2 J 3 D H-BH2 3RCH 2 CH 2 OH H + BH2 B(OH) iMaUH oxidativer Spaltung der B, C -Bindungen mit Wasserstoffperoxid in alkalischem Medium Alkohole resultieren, die scheinbar durch eine Anlagerung von Wasser im anti-Markownikow-Sinne an die Olefin-Doppelbindung zustande gekommen sind. Hierin besteht der besondere präparative Wert der Methode. Sterisch anspruchsvolle Olefine addieren sich nur zweimal oder, im Falle des Tetramethylethylens nur einmal (formulieren!) an BH3. Die Addition erfolgt immer stereospezifisch als syn-(m-)-Addition und die so erhaltene Konfiguration bleibt auch bei der Oxidation erhalten. Diese Verhältnisse lassen sich besonders klar an der Hydroborierung des a-Pinens zeigen (siehe Präparat S. 543): Durch Addition von 2 mol a-Pinen an l mol BH3 bildet sich das Diisopinocampheylboran, in dem das Bor an das weniger stark substituierte C-Atom der Doppelbindung getreten ist und zur Methylgruppe trans-ständig steht. Bei der Oxidation zum Isopinocampheol bleibt diese Konfiguration erhalten: Durch Addition von BH 3 an 1,5-Cyclooctadien erhält man das stabile, lagerfähige 9-Borabicyclononan (9-BBN), das die meisten Reaktionen des BH3 in gedämpfter Form eingeht. 542 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung H I B BH, Das gasförmige giftige Diboran wird selten in Substanz verwendet. Man erzeugt es in situ aus Boranat und Bortrichlorid (oder BF3) (Präparat S. 543): 3NaBH, BCU 3NaCI oder in einem getrennten Kolben, aus dem es in das Reaktionsgefäß oder zur Bereitung einer Stammlösung in Tetrahydrofuran übergeleitet wird. In THF ist das BH3 an den Ethersauerstoff gebunden: Die Trialkylborverbindungen sind durch Erhitzen mit Eisessig oder wasserfreier Propionsäure zu den Kohlenwasserstoffen ( + Säureanhydriden) spaltbar (Protolyse). Diese Reaktionsfolge bedeutet eine c/s-Anlagerung von Wasserstoff an die ursprüngliche Doppelbindung, wovon jedoch selten Gebrauch gemacht wird. Der größere präparative Wert der Hydroborierung liegt in der oben beschriebenen Oxidierbarkeit der Boralkyle mit alkalischem Hydroperoxid zu Alkoholen. Oxidation mit Chromtrioxid in saurer Lösung liefert Ketone, mit Halogenen gehen die Alkylborane in Alkylhalogenide über. Erhitzen mit Essigsäure R-CH 7 -C ?-R' H2O2 NaOH R ru r u - D 7 LMo Lr i r\ OH CrO 3 /B\ l R-CH 7 -CO-F HaI 2 R-CH 2 -CH(HaI)-R' Eine weitere präparative Verwendung ist durch die Addition von Trialkylboranen an a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen gegeben. Durch reduktive Alkylierung erhält man so gesättigte Ketone mit längerer Kette H \ I I C=C-C=O BR 3 R-C-CH=C-OBR2 I I H2O I I R-C-CH2-C Beispiele der Hydroborierung 543 Man unterrichte sich auch über die Einschiebungen von Kohlenoxid in die B,CBindung der Borane. Diboran und 9-BBN sind vorzügliche Reduktionsmittel, welche Aldehyde und Ketone glatt reduzieren, mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auch Säurechloride, -amide und Nitrile, kaum jedoch Ester. Bemerkenswert ist die besonders glatt verlaufende Reduktion von Carbonsäuren mit B2H6 zu primären Alkoholen. ( + )-lsopinocampheol NaOH Ein 250-ml-Dreihalskolben, der mit einem Tropftrichter mit Druckausgleich, einem Thermometer, einem Rührer (Magnetrührer reicht aus) und einem Rückflußkühler ausgestattet ist, der über ein Calciumchlorid-Rohr und einen Schlauch mit dem Abzugskamin verbunden ist, wird durch Erwärmen unter Stickstoff getrocknet und mit 1,65 g Natriumboranat, 60 ml durch Destillation über Lithiumalanat getrocknetem Diglykoldimethylether und 13,6g (-)-or-Pinen beschickt. Man taucht den Kolben in ein Wasserbad von Raumtemperatur und tropft unter gutem Rühren in 15 min 7 ml Bortrifluorid-Etherat zu. Dabei scheidet sich das Diisopinocampheylboran als weißer Niederschlag ab. Man rührt 1 h, und zersetzt das Boran dann durch vorsichtiges Zutropfen von 1OmI Wasser (Wasserstoffentwicklung!). Man wärmt das Wasserbad auf 4O 0 C an, setzt in einem Schuß 11 ml 12proz. Natronlauge und danach 11 ml SOproz. Wasserstoffperoxid zu und rührt noch 30min bei Raumtemperatur. Das Gemisch wird mit 10OmI Ether ausgezogen und die etherische Phase zur Entfernung des Diglykoldimethylethers fünfmal mit dem gleichen Volumen Wasser ausgewaschen. Man trocknet die Etherphase über Magnesiumsulfat, destilliert den Ether über eine kurze Kolonne ab und den Rückstand bei 2 mm und 80—82 0 C in einem Kugelrohr, wo das Isopinocampheol (13,1 g, 85%) alsbald erstarrt. Es kann aus 5 ml Petrolether umkristallisiert werden und gibt dann Nadeln vom Schmp. 55-570C, [or]g° = +32,8° (c = 1,0 in Benzol). Die Anlagerung von B 2 H 6 an die Dreifachbindung läßt sich nach dem ersten Schritt anhalten. Besonders gut gelingt dies mit Dialkylboranen. Die Alkenylborane geben mit Essigsäure schon bei O 0 C unter Hydrolyse c/5--(Z)-Alkene, bei der Oxidation mit H 2 O 2 über die Enole CarbonylVerbindungen. Aus endständigen Acetylenen gewinnt man so durch Addition von Dialkylboranen und nachfolgende Oxidation 544 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung mit H 2 O 2 Aldehyde der gleichen C-Atom-Zahl (scheinbare anti-MarjcownikowAnlagerung von Wasser). Reduktion nach Wolff-Kishner 4- Phenylbuttersäure C 6 H 5 COCH 2 CH 2 CO 2 H " 2 ^' H2° > C 6 H 5 CH 2 CH 2 CH 2 CO 2 H In einem 500-ml-Schliffkolben werden 20 g 3-Benzoylpropionsäure (112 mmol, S. 260) in 200 ml Diglykol mit 20 ml SOproz. Hydrazinhydrat (320 mmol) und 25 g Kaliumhydroxid (450 mmol) im Ölbad 2 h unter Rückfluß gekocht. Dann unterbricht man das Sieden, tauscht den Rückflußkühler gegen eine Destillationsbrücke aus und destilliert Wasser und überschüssiges Hydrazinhydrat ab. Nun wird die Badtemperatur auf 180-19O0C gesteigert, wobei Stickstoffentwicklung einsetzt, die nach 4 h abgeschlossen ist. Nach dem Erkalten gießt man die klare gelbe Lösung in 200 ml Eis-Wasser und säuert mit konz. Salzsäure vorsichtig an, wobei zuweilen die Carbonsäure sofort auskristallisiert; eine ölige Abscheidung erstarrt nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank zum Kristallkuchen. Nach Absaugen, Waschen mit Wasser und Trocknen im Exsikkator erhält man 16-17,5 g rohe 4-Phenyl-buttersäure (87-95%) mit Schmp. 44-460C. Zur Reinigung destilliert man entweder im Vakuum aus einem Schwertkolben bzw. in einem Kugelrohr oder man kristallisiert aus wenig niedrig siedendem Petrolether um, wobei man durch Animpfen eine ölige Abscheidung vermeidet; die Aufarbeitung der Mutterlauge ist nötig. Schmp. 48-5O0C. 7- Phenylheptansäure CH 2 C 6 H 5 -^^ C 6 H 5 (CH 2 ) 2 CO(CH 2 ) 3 CO 2 H N » H «- H *°> C 6 H 5 (CH 2 J 6 CO 2 H O In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Innenthermometer werden 8,0g feingepulvertes Natriumhydroxid in 60 ml Diethylenglykol gelöst. Dazu gibt man 8,0 g (40 mmol) Reduktion nach Wolff-Kishner 545 2-Benzyl-1,3-cyclohexandion (S. 415), 5,0 ml (85 mmol) 85proz. Hydrazinhydrat und 7 ml Methanol und kocht 30 h unter Rückfluß. Anschließend destilliert man die flüchtigen Anteile ab, bis die Innentemperatur 195 0 C beträgt und beläßt 14h bei dieser Temperatur. Nach dem Abkühlen verdünnt man mit dem gleichen Volumen Wasser, säuert mit konz. Salzsäure vorsichtig an, schüttelt mit Ether aus, trocknet die Etherphase über Natriumsulfat, filtriert, dampft i.Vak. ein und destilliert den Rückstand bei 14 Torr und Sdp. 201 0 C in einem Kugelrohr, Ausbeute an der öligen Säure 8,0g (98%). Die hier beschriebene Reduktion einer Carbonylgruppe bis zur Stufe des Kohlenwasserstoffs wurde durch ihre ersten Bearbeiter so ausgeführt, daß ein Hydrazon zu heißer wässeriger Lauge getropft (N.Kishner, 1911) oder mit Na-ethylat in Alkohol im Einschmelzrohr viele Stunden auf 18O0C erhitzt wurde (L. Wolff, 1912). Später fand man, daß das Hydrazon nicht vorher gebildet zu sein braucht, sondern während der Reaktion entstehen kann und daß die Verwendung von Lösungsmitteln genügend hohen Siedepunkts das Einschlußrohr unnötig macht. Bei der hier beschriebenen Arbeitsweise von Huang-Minlon wird in Diglykol HOCH2CH2OCH2CH2OH (Sdp. 25O0C) mit SOproz. Hydrazin unter Rückfluß das Hydrazon gebildet, durch Abdestillieren überschüssiges Hydrazin und Wasser entfernt und dann auf die Zersetzungstemperatur gesteigert. Nach D. J. Cram läßt sich die Reaktion sogar bei Raumtemperatur ausführen, wenn man die vorher dargestellten trockenen Hydrazone in eine Lösung von tertButanolat in absolutes Dimethylsulfoxid portionsweise einträgt. Zum Mechanismus der Reaktion wird angenommen, daß sich unter der katalytischen Wirkung der Base das Hydrazon zum Anion der Diazoverbindung, einem Derivat des Diimins, umlagert, welche dann unter N2-Abgabe zerfällt. Das Diimin entsteht auch intermediär bei der gelinden Oxidation von Alkylhydrazinen, z. B. mit K3Fe(CN)6, die zu N2 und Kohlenwasserstoff führt. XC = N —NH 2 R R' p \ ^CH-N = NH —^~ * Diimin H R \ X CH-N = N)~ I R - N CH2 + N2 R 7 R' R' ^CH-NH-NH2 ^** R' Bei dem Beispiel der Phenylheptansäure geht die Säurespaltung des 2-Benzyl-l,3cyclohexandions (S. 415) unter den Reaktionsbedingungen der Reduktion voran. Die Wolff-Kishner-Reduktion ergänzt die auf S. 514 abgehandelte ClemmensenReduktion, welche demselben Zweck dient, dort, wo es sich um säureempfindliche Stoffe handelt, wie z. B. in der Pyrrol-, Indol- oder Furan-Reihe. Weitere Reaktionen 546 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung mit dem gleichen Resultat: Dithioketale -h Raney-Ni (S. 340), Reduktion mit Hydriden (S. 515). Im Zusammenhang mit dem reduzierenden Zerfall des Alkyldiimins sei auf das Phenyldiimin hingewiesen, das aus Phenylhydrazin bei der Oxidation (S. 622) oder aus dem Benzoldiazoniumion bei der Reduktion (S. 620) entsteht und in analoger Weise zerfällt: -N = NH (/ \> + N2 Hierher gehört auch die Stevens'sehe Aldehydsynthese aus /7-Toluolsulfonylhydraziden von Carbonsäuren, bei der ein Acyldiimin als Zwischenprodukt anzunehmen ist und die hydrierende Wirkung des unbeständigen Grundkörpers Diimin HN=NH, der als starkes Reduktionsmittel wie bei der katalytischen Hydrierung (unten) die beiden H-Atome an C,C-Doppelbindungen anlagert. O2S H 7 N-NHL 2 L ——— Oxidation [HN = NH] — ZH + N 2 Di-imin Die hydrierende Wirkung des Hydrazins in Gegenwart von feinverteilten Übergangsmetallen wird im nächsten Abschnitt gezeigt. Katalytische Hydrierung Ohne Katalyse zeigt molekularer Wasserstoff selbst bei höherer Temperatur keine hydrierende Wirkung (obwohl z. B. die Absättigung einer C=C-Doppelbindung mit ca. 125kJ/mol (30kcal/mol) exotherm verläuft; aber große Aktivierungsenergie!). In Gegenwart spezieller Katalysatoren lagert er sich dagegen an ungesättigte Molekülgruppierungen schon bei Zimmertemperatur an. Die katalytische Hydrierung hat mit der Entwicklung dieser Kontakte besonders in der Technik, aber auch im Labor- Heterogene katalytische Hydrierung 547 atorium eine hervorragende Bedeutung gewonnen. In letzter Zeit hat auch die Entwicklung löslicher Katalysatoren große Fortschritte gemacht. Heterogene katalytische Hydrierung Als heterogene Katalysatoren für Hydrierungsreaktionen verwendet man feinst verteilte Metalle aus der Gruppe der Übergangselemente, am häufigsten Nickel, Platin oder Palladium, gelegentlich auch Kobalt, die zur weiteren Vergrößerung der Oberfläche häufig auf Träger (Kohle, Kieselgel) aufgebracht sind. Auf der Oberfläche des Katalysators werden sowohl Wasserstoffais auch Substrat zunächst locker physikalisch adsorbiert (van der Waals-Kräfte). Dann findet unter Beteiligung der Elektronen eine aktivierende Adsorption (Chemisorption) statt. Dabei werden die ursprünglichen Bindungen gelockert oder im Falle des molekularen Wasserstoffs sogar mehr oder weniger bis zur Aufspaltung getrennt und gleichzeitig stärkere Bindungen zur Katalysatoroberfläche hergestellt. Bei der exothermen Chemisorption werden Energien von 40—200kJ/mol (10-50 kcal/mol) und mehr frei. Um diese Beträge verringert sich die Energiebilanz der katalytischen Reaktion gegenüber der ohne Katalysator. Am leichtesten lagert sich der Wasserstoff in Gegenwart der oben genannten Katalysatoren an unpolare Mehrfachbindungen, QC-Doppel- und Dreifachbindung an. Daher ist die katalytische Hydrierung eine wertvolle Ergänzung zu den im ersten Teil dieses Kapitels aufgeführten elektronen- oder hydridabgebenden Reduktionsmitteln, welche C,C-Mehrfachbindungen im allgemeinen nicht angreifen. Die Leichtigkeit, mit der solche ungesättigten Systeme Wasserstoff aufnehmen, hängt wesentlich von den benachbarten Substituenten ab. So wird unter vergleichbaren Bedingungen z. B. Ethylen etwa lOOmal rascher hydriert als Isobuten, 50mal rascher als 2-Buten und l O mal rascher als Propen. Die Addition erfolgt stereospezifisch in c/s-Stellung. Dies erkennt man an den unterschiedlichen Hydrierungsprodukten aus (E/Z)-(ds, /rafls)-isomeren Olefinen (formulieren!). An die Dreifachbindung erfolgt die Wasserstoffanlagerung rascher als an die Doppelbindung, so daß eine partielle Absättigung möglich ist. Ein durch Blei inaktivierter Pd-Kontakt gestattet es, die Hydrierung auf der Stufe des ds-Olefins anzuhalten (H. Lindlar). Die mit nucleophilen Reduktionsmitteln besonders gut reagierenden polaren Mehrfachbindungen, wie sie in der C=O, N=O und C=N-Gruppe vorliegen, werden in Gegenwart der oben genannten Katalysatoren weniger leicht hydriert. Deshalb kann man a,/?-ungesättigte Ketone meist glatt zu den gesättigten hydrieren. Bei der katalytischen Hydrierung von Carbonylverbindungen zu Alkoholen inGegenwart von Säuren treten Ether als Nebenprodukte auf. Ihre Bildung ist auf Alkoxycarbeniumionen zurückzuführen, die aus Halbacetalen durch Wasserabspaltung entstehen. Kaum noch angegriffen wird die C=O-Gruppe in den Carboxylderivaten, etwa 548 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung R1 OR 3 den Amiden oder Estern. Man kann jedoch auch hier die Stufe der Amine bzw. Alkohole erreichen, wenn man in Gegenwart eines Kupferoxid-Kupferchromit(CuO—CuCr2O4)-Spezialkatalysators bei höherer Temperatur im Autoklaven arbeitet (H.Atkins). Die katalytische Reduktion der Nitro- und Nitrosogruppe zur Aminogruppe verläuft mit befriedigender Geschwindigkeit, jedoch mit Abstand langsamer, als die der olefinischen Doppelbindung. So kann man Nitroolefine in Nitroalkane überführen: RCH=CHNO2 "2/Pd > RCH 2 CH 2 NO 2 Sehr resistent, aber doch kataly tisch hydrier bar, sind aromatische und heteroaromatische Systeme. Die Reaktionsgeschwindigkeit läßt sich hier - und natürlich ganz allgemein bei katalytischen Hydrierungen - durch Erhöhung von Wasserstoffdruck und Temperatur beträchtlich steigern. In der Technik wird vorwiegend unter höheren Drucken und in der Gasphase hydriert. Die gleichen Katalysatoren, die die Absättigung der Doppelbindung ermöglichen, wirken bei höheren Temperaturen, wie zu erwarten, auch beschleunigend auf die entgegengesetzte Reaktion, die Dehydrierung ein. Homogene katalytische Hydrierung Einige Übergangsmetalle lassen sich auch als Komplexe in homogener Lösung zur katalytischen Wasserstoffübertragung verwenden. Es sei hier das am besten untersuchte Tris(triphenylphosphin)rhodium(I)-chlorid erwähnt, das mit Alkenen und Wasserstoff unter Liganden Verdrängung einen oktaedrischen Dihydrid-komplex mit 7i-gebundenem Alken bildet. Einschiebung (Insertion) des organischen Substrats zwischen Metall und Hydrid ergibt eine metallorganische cr-Bindung, die durch das zweite Wasserstoffatom in Katalysator und Alkan gespalten wird. RhCl(PPh 3 ) 3 > + H2 + Alken > > PPh3 + RhH 2 CI(PPh 3 ) 2 -alken + Alkan RhHCI(PPh 3 ) 2 -alkyl RhCl(PPh 3 ) 2 Dieser katalytischen Hydrierung sind nur Alkene und Alkine zugänglich, CO, CN oder Azo-Bindungen werden nicht angegriffen. Als Lösungsmittel dienen meist Homogene katalytische Hydrierung, Hydrogenolyse 549 Benzol oder Gemische aus Benzol und Alkohol, jedoch sind selbst Aceton oder Nitrobenzol geeignet. Die Hydrierung mit dem löslichen Katalysator ist sehr von sterischen Gegebenheiten des Substrats abhängig. So wird bei dem auf S. 557 gegebenen Beispiel (Dihydrocarvon) die asymmetrisch disubstituierte Doppelbindung hydriert, die trisubstituierte indessen nicht. In Wasser gelöst katalysiert Pentacyanocobalt(II), [CO(CN)5]3', wohl auch als Hydridokomplex, bei Raumtemperatur und Atmosphärendruck die Anlagerung von Wasserstoff an „aktivierte", z.B. konjugierte C,C-Doppelbindungen (1,3 Butadien—» 1-Buten und 2-Buten; Styrol, Zimtaldehyd) sowie an Chinone, Nitro- und Nitrosoverbindungen (—> Azo-aromaten). Substitutionen durch katalytisch aktivierten Wasserstoff (Hydrogenolyse) Elektronegative Atome, wie z. B. die Halogene in Aliphaten und Aromaten, lassen sich katalytisch durch Wasserstoff ersetzen. Aus Säurechloriden kann man nach K.W. Rosenmund (1918) auf diese Weise Aldehyde darstellen. Hierzu verwendet man einen vergifteten Katalysator. Chlor in Benzyl- oder Allylstellung unterliegt leicht der Hydrogenolyse. In dieser Position ist sogar der Sauerstoff durch H ersetzbar. So liefern Benzylalkohol und seine Ester Toluol. Diese Reaktion macht man sich in der Peptidchemie zur schonenden Abspaltung des Benzyloxycarbonylrests zunutze (siehe Präparat S. 317). Mit Raney-Nickel (H-haltig) gelingt die schon mehrfach erwähnte hydrogenolytische Eliminierung des Schwefels. Die Hydriereinrichtung Die Hydriereinrichtung setzt sich aus der Wasserstoffquelle und der Hydrierapparatur zusammen. Beide sind über ein Hahnkreuz (H) und den Schlauch miteinander verbunden. Alle Schlauchverbindungen sind aus (möglichst kurzem) frischem Vakuumschlauch herzustellen; alle Schliffe sorgfältig einzufetten, die Schliffverbindungen durch kräftige Federn zu sichern. Die gesamte Anlage muß gasdicht sein. Davon überzeuge man sich vorher, indem man sie unter dem Druck des Gasometers längere Zeit stehen läßt. Sie wird unter einem Abzug aufgebaut (kein Feuer in der Nähe!). Die Wasserstoffquelle (Abbildung 77) besteht im wesentlichen aus der Wasserstoffstahlflasche mit Druckminderventil (B; siehe S. 550) und dem Gasometer (G) mit dem Niveaugefäß (N). Den Gasometer bildet ein Meßzylinder, dessen Größe dem Wasserstoffverbrauch anzupassen ist. (Für die anschließend beschriebenen Präparate sollte er möglichst l Liter Fassungsvermögen haben.) Sperrflüssigkeit ist Wasser. 550 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung Wasser Meßzylinder 1 bis 2l Zur Hydrierapparatur Abb. 77 Zum Gasometer im Wasserstrahlpumpe H£ H H2 ] -^- —^Ji 1 • Ul— Hydrfergefäß zum >H5 offen berdruckventil Eintauchtiefe H verstellbar die Hydriereinrichtung Erläuterungen zur Abbildung: B H G Hl M N R T V Z = Wasserstoffstahlflasche mit Druckminderventil = Hahnkreuz = Gasometer-Meßzylinder = Glashahn = Magnetrührmotor = Gasometer - Niveaugefäß = Reaktionsgefäß (R l zum Magnetrühren; R2 zum Schütteln) = Tropftrichter mit Druckausgleichrohr = Stahlflaschenventil = Überdruckventil; gleichzeitig Blasenzähler 551 Tabelle 3 Füllen der Hydrierapparatur mit H 2 und Hydrieren. 2mal Füllen und Abpumpen, dann Füllen und Hydrieren Hahnstellung A (auf) oder Z (zu) Hahn-Nr. Ausgangsstellung 1. H2-Flasche moderat auf, Pumpe läuft bei offenem 5 2. Füllen des Gasometers Gasometer gefüllt 3. H2-Flasche abdrehen 4. 1. Füllung des Hydriergefaß's a) Evakuieren Hahn 5 zu b) Gefäß evakuieren Hahn 5 auf c) H 2 einlassen 5. 2. Füllung a) wie 4 a) b) wie 4b) c) wie 4c) 6. 3. Füllung, wie vorher 7 . Hydrieren, Schütteln Nachfüllen d e s Gasometers dann wie 1-3 1 Z 2 Z 3 A 4 A A Z Z A langsam A, dann Z sofort danach Z sofort danach A A Z A Z A Z Z A Z A Die eigentliche Hydrierapparatur. - Wegen der geringen Löslichkeit des Wasserstoffs in allen Lösungsmitteln muß während der Hydrierung der suspendierte oder gelöste Katalysator selbst dauernd mit der Gasphase in Berührung gebracht werden, damit er sich immer wieder neu mit H 2 beladen kann. Das erreicht man durch intensives Rühren oder durch kräftiges Schütteln oder Vibrieren. In der Abbildung 77 bildet eine etwa 500ml fassende Saugflasche mit ebenem Boden (R 1) (dickwandiges Glas oder ein normaler Rundkolben) das Reaktionsgefäß. Sie trägt über eine Schliffverbindung den abgebildeten Tropftrichter (T) mit Gaseinleitungsrohr und steht auf 552 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung einem Magnet-Rührmotor (M). Der Rohransatz ist mit einem Hahnkreuz (H) verbunden. Soll geschüttelt werden, kann an die Stelle von R l ein Schüttelgefaß mit angesetztem Tropftrichter (R2, Abb. 77), und an die Stelle des Magnetrührers ein Schüttelstativ treten. Auch andere etwa birnenförmige Schüttelgefäße sind üblich. Alle Teile der Hydrierapparatur müssen vakuumfest sein. Vorbereitung und Ausführung der Hydrierung Wasserstoff-Luftgemische werden durch den Katalysator (der in Spuren an den Wänden des Reaktionsgefäßes haften kann) entzündet. Deshalb ist stets vor dem Einströmenlassen des einen Gases das andere durch Evakuieren (oder Verdrängen mit Stickstoff) sorgfältig zu entfernen! Außerdem ist eine Schutzbrille zu tragen! 1. Einfüllen der Substanzen. — In das Reaktionsgefäß (R) wird der Katalysator und ein Teil des Lösungsmittels gegeben, in den Tropftrichter (T) die im anderen Teil des Lösungsmittels gelöste Substanz. Die Katalysatormenge beträgt etwa 5—10% der Substanzmenge. Als Lösungsmittel benutzt man etwa Eisessig, Essigester, einen Alkohol, Ether oder Wasser. Die Wahl des Lösungsmittels spielt eine wichtige, noch nicht ganz verstandene Rolle. Der Erfolg einer Hydrierung hängt oft entscheidend von der Reinheit des Hydrierguts und des Lösungsmittels ab, da vor allem Schwefel — oft auch halogenhaltige und andere Begleitstoffe den Katalysator desaktivieren („vergiften"). 2. Füllen des Gasometers. - Bevor man die Hydriereinrichtung in Betrieb nimmt, wird der Gasometerzylinder (G) frisch gefüllt. Dazu wird gemäß den Punkten 1—3 der Tab. 3 verfahren. Wenn Zweifel über die Luftfreiheit des Gasometers bestehen, muß der gesamte Vorgang noch ein- bis zweimal wiederholt werden. In der gleichen Weise wird der Zylinder während der Hydrierung nachgefüllt, wenn der Wasserstoff verbraucht ist. 3. Füllen der Hydrierapparatur mit Wasserstoff. — Dazu verfährt man gemäß Punkten 4—6 der Tab. 3. Um Reste von Luft zu verdrängen, ist es ratsam, das Evakuieren und Füllen gemäß Punkt 4 noch zweimal zu wiederholen. Dabei - und vor der Hydrierung — ist selbstverständlich der Gasometer wieder zu füllen. 4. Ausführung der katalytischen Hydrierung. - Zuerst wird bei Hahnstellung 7 Tab. 3 der Katalysator „aushydriert", indem man den Magnetrührer (oder das Schüttelstativ) in Gang setzt und am Meßzylinder (G) — ohne Nivellierung - den Wasserstand einige Zeit lang beobachtet. Wenn er sich nicht, oder nicht mehr ändert, stellt man den Rühr(bzw. Schüttel-)-motor ab, läßt den Inhalt des Tropftrichters (T) zum Katalysator fließen und mißt das Anfangsvolumen am Gasometer (G). Dazu bringt man durch Senken des Niveaugefäßes (N) dessen Wasserspiegel mit dem im Zylinder auf eine Höhe. Nun kann man (nach Hochstellen des Niveaugefäßes N) durch Wiedereinschalten des Motors die Hydrierung anlaufen lassen. Während des gesamten Hydriervorgangs notiere man von Zeit zu Zeit das Gasvolumen und fertige sich ein Diagramm der Kinetik an. Dieses gestattet, das voraussichtliche Ende der Reaktion abzuschätzen. Manche Hydrierungen gehen glatter vonstatten, wenn man den Inhalt des Tropftrichters nicht auf einmal, sondern während der Umsetzung tropfenweise zufließen läßt, so daß das Substrat stets auf einen großen Katalysatorüberschuß trifft. Wenn kein Wasserstoff mehr aufgenommen wird, evakuiert man gemäß Punkt 4a der Tab. 3 und läßt über H5 vorsichtig Luft ein. Durchführung der Hydrierung und Herstellung der Katalysatoren 553 Berechnung des Wasserstoffverbrauchs. - Ein mol Substanz braucht für je eine Doppelbindung 22,4 Liter Wasserstoff unter Normalbedingungen. Nach der Formel V = V0 T-760 273-p - wobei p der abgelesene Barometerstand minus der Dampftension des Wassers bei der betreffenden Temperatur, T die absolute Temperatur ist - beträgt das Volumen eines Mols bei p - 760 Torr und t = 180C 25,2 Liter. 5,00 g Zimtsäure (Mol.-Gewicht 148) sind 0,034 mol; der Bedarf an Wasserstoff im Präparat S. 555 beträgt unter den obigen Bedingungen daher 850 ml. Die Messung der H2-Aufhahme bei bekannter Substanzeinwaage, speziell im Mikromaßstab, ist eine elegante Methode zur Bestimmung der Anzahl ungesättigter Gruppen in einer unbekannten Verbindung. Herstellung einiger Hydrierungskatalysatoren. Da die stark oberflächenaktiven (pyrophoren) Metallkatalysatoren an der Luft sehr leicht verglimmen, achte man bei ihrer Herstellung und Handhabung sorgfältig darauf, daß auch keine kleinen Reste irgendwo haften bleiben oder z. B. mit dem Filtrierpapier in den Abfallbehälter gelangen (siehe dazu Versuch S. 556). a) Palladium-Mohr. — In einem 1,5-2-I-Weithals-Erlenmeyerkolben oder Becherglas werden 0,5 g Palladium(ll)-chlorid in 1 Liter 80—9O 0 C heißem Wasser unter kräftigem Durchmischen mit einem Vibromischer (oder auch Rührmotor) aufgelöst und mit 7 g Natriumformiat in 50 ml Wasser versetzt. Dabei fällt das Pd-Mohr augenblicklich in feinsten Flocken aus, die sich beim weiteren Rühren am Boden des Gefäßes zusammenballen. Unter Dekantieren wird der Niederschlag ausgiebig mit Wasser gewaschen. Man bewahrt den Katalysator stets unter Wasser auf (0,3 g Pd in etwa 10 ml), von dem man, wenn nicht in Wasser hydriert werden soll, das Wasser abdekantiert und durch das gewünschte Lösungsmittel ersetzt. Häufiger als in dieser reinen feinstverteilten Form werden Palladium und Platin auf einem Träger, meist Aktivkohle oder auch Asbest (mit 5-30% Pd bzw. Pt) angewendet. b) Palladium-Tierkohle. - Die Tierkohle reinigt man, wenn nötig, indem man sie 6 h lang in 10proz. Salpetersäure auf dem Wasserbad erhitzt, abfiltriert, säurefrei wäscht und bei 10O 0 C trocknet. Man benutzt die auf S. 550 beschriebene Hydriereinrichtung. In den Tropftrichter (T) gießt man die Lösung von 0,1 g Palladium(ll)-chlorid in 1OmI etwa 0,1N Salzsäure, im Reaktionsgefäß (R 1) suspendiert man 2g Tierkohle in 10OmI Wasser. Nun leitet man so lange Wasserstoff durch die Apparatur, bis eine im umgekehrten Reagenzglas aufgefangene Probe des ausströmenden Gases mit ruhiger Flamme abbrennt. Dann stellt man die Hähne gemäß Stellung 7 der Tab. 3 so, daß das Reaktionsgefäß nur noch unter dem Druck des Gasometers steht und läßt unter kräftigem magne- 554 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung tischen Rühren langsam die Palladiumchloridlösung eintropfen. Ist die Lösung entfärbt, wird der Katalysator auf einer Filterplatte abgesaugt und mit viel Wasser nachgewaschen, wobei er wegen Entzündungsgefahr immer von Wasser bedeckt sein muß. Wenn im Filtrat keine Säure mehr nachweisbar ist, wäscht man schnell zweimal mit Alkohol und absolutem Ether und bringt das etherfeuchte Präparat sofort in einen Exsikkator, der evakuiert wird. Nach 24 Stunden wird der Exsikkator durch vorsichtiges Einleiten von Stickstoff oder Kohlendioxid geöffnet; der vollständig trockene Katalysator verglimmt an der Luft nicht mehr und ist gut haltbar. Palladium auf Bariumsulfat ist ein weiterer sehr wirksamer Hydrierungskatalysator, den man durch Fällen von Bariumsulfat in der Palladiumchloridlösung bereitet. Er ist in mancher Beziehung den anderen Katalysatoren überlegen und ermöglicht die Hydrierung z. B. von reduzierenden Zuckern zu ihren Alkoholen oder der Nitrile zu primären Aminen bedeutend schneller als die anderen Edelmetallkontakte. c) Platinoxid nach Adams. — Die Lösung von 2,1 g Hexachloro-platin(IV)-säure (H2PtCI6) in 5ml Wasser wird in einem großen Porzellantiegel mit 20g reinstem Natriumnitrat vermischt und unter ständigem Rühren mit einem dicken Glasstab über einer kleinen Flamme zur Trockne eingedampft. Man steigert die Temperatur allmählich. Der Tiegelinhalt schmilzt und es beginnen sich braune Dämpfe von Stickstoffdioxid zu entwickeln. Nun heizt man mit zwei großen Bunsenbrennern kräftig bis zur mittleren Rotglut (500-60O0C). Die Stickoxid-Entwicklung wird heftiger und geht nach 5-10 min stark zurück. Man läßt erkalten, laugt mit destilliertem Wasser aus, wäscht den schweren Bodenkörper mehrere Male unter Dekantieren nach, saugt ab und trocknet im Exsikkator. Das so erhaltene Platinoxid soll eine mittelbraune Farbe haben. Der Platinoxidkatalysator nach Adams wird unmittelbar vor seiner Anwendung im Hydriergefäß mit Wasserstoff zu dem eigentlich wirksamen feinverteilten Platin reduziert, das schwarz aussieht. Ein Platin-Aktivkohle-Katalysator wurde von H. C. Brown entwickelt. Er entsteht durch Reduktion einer Hexachloroplatin(IV)-säure-Lösung mit Natriumborhydrid in Gegenwart von Aktivkohle. Da die Edelmetall-Kontakte komplexe Hydride unter Bildung von Wasserstoff zersetzen, kann durch Zutropfen einer NaBH4-Lösung im „Eintopfverfahren" der Katalysator gebildet und - nach Zugabe des Substrats - hydriert werden, ohne daß eine Gas-Stahlflasche nötig ist. d) Raney-Nickel. - Es ist schwierig, diese feinverteilte Form des Nickels im Laboratorium herzustellen. Sie wird dadurch erhalten, daß man aus einer durch Schmelzen bei 1200-1500 0 C entstandenen Ni-AI-Legierung das Aluminium mit Lauge herauslöst, wobei Wasserstoff haltiges Nickel (ca. 1 H pro 2 Ni) in äußerst feiner schwarzer Suspension zurückbleibt. Diese wird mit Wasser alkalifrei gewaschen und unter Alkohol luftabge- Beispiele für die katalytische Hydrierung 555 schlössen aufbewahrt. Raney-Nickel darf nie trocken werden, da es pyrophor ist! Man mißt es nach Volumen; 1 ml abgesetzte Suspension enthält etwa 0,6 g Ni. Als Katalysator wird es gewöhnlich im Gewichtsverhältnis 1:10 angewendet. Es katalysiert alle in Frage kommenden Hydrierungen bei Zimmertemperatur etwa wie die Edelmetalle, viele Reaktionen erfordern jedoch geringen Wasserst off-Überdruck (2—5 bar). Gegen Halogen ist Raney-Nickel besonders empfindlich. Auf Grund seines Gehalts an „aktiviertem" Wasserstoff kann Raney-Nickel ohne zusätzliches Wasserstoffgas H2-Additionen bewirken oder organisch gebundenen Schwefel durch H ersetzen (S. 557). 3-Phenylpropionsäure aus Zimtsäure C 6 H 5 CH=CHCO 2 H H2/Pd > C 6 H 5 CH 2 CH 2 CO 2 H Im etwa 250 ml fassenden Hydriergefäß wird 0,50g Pd-Tierkohle (S. 553) in 1OmI SOproz. Methanol suspendiert. In den Tropftrichter kommt die Lösung von 5,0g (0,33 mol) Zimtsäure in 20-30 ml desselben Lösungsmittels. Nach der oben geschilderten Arbeitsweise läßt man Wasserstoff absorbieren, von dem in ca. 3 h die berechnete Menge (850 ml bei 18 0 C und 760 Torr; auf die örtlichen Verhältnisse umrechnen!) aufgenommen werden. Man filtriert vom Katalysator ab, verdampft das Lösungsmittel und kristallisiert die hydrierte Säure wie auf S. 510 beschrieben um. Schmp. 47 0C, Ausbeute über 80%. Härtung eines Speiseöls Einige ml Olivenöl, Leinöl oder Lebertran werden auf einer Analysenwaage genau gewogen, in 50 ml Essigester gelöst und nach Zugabe von 50-100 mg Platinoxidkatalysator (S. 554) wie im vorstehenden Präparat hydriert. Katalysator vorhydrieren! Dabei wird die Wasserstoffaufnahme sorgfältig bestimmt und daraus anschließend die durchschnittliche Zahl der Doppelbindungen des untersuchten Öls ausgerechnet. Die hydrierten Produkte sind nach Abdampfen des Lösungsmittels talgartig fest, sie schmelzen oberhalb von 5O 0 C. 1-Naphthylamin aus 1-Nitronaphthalin NO2 NH2 + 2H 2 O a) mit Wasserstoff und Raney-Nickel 20,0 g 1 - Nitronaphthalin (115 mmol, S. 237) werden in 250 ml Methanol gelöst und mit 2 ml Raney-Nickel-Suspension (ca. 1-1,2 g Nickel) in ein 1-I-Hydriergefäß gespült; an der Wand haftende Teilchen des Katalysators spült man mit etwas Methanol herunter. 556 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung Man verdrängt die Luft durch Wasserstoff (vgl. S. 552) und beginnt mit dem Rühren oder Schütteln. Nach Aufnahme von ca. 8600 ml (theor. 0,345 mol) Wasserstoff kommt die Hydrierung zum Stillstand; die benötigte Zeit hängt von der Aktivität des RaneyNickels ab, dürfte aber kaum mehr als 3—4 h betragen. Ist die Wasserstoffaufnahme rasch, unterbreche man jeweils das Rühren oder Schütteln, wenn man Wasserstoff in das Meßgefäß nachfüllt. Beim Abfiltrieren hält man wegen der Gefahr der Selbstentzündung das Raney-Nickel stets methanolfeucht; nach dem Waschen mit Methanol kann man sich von den pyrophoren Eigenschaften des Nickels überzeugen, wenn man das Filter in einer Porzellanschale trocken werden läßt. Die methanolische Lösung wird eingedampft und der Rückstand mit wenig Lösungsmittel in einem 50 ml Schwertkolben mit Claisenaufsatz gespült. Bei 154—157 0 C / 15 Torr gehen 14-16 g 1-Naphthylamin als rasch erstarrendes Öl über. Umkristallisieren aus 15OmI Cyclohexan führt zu 12—13,5g feinen, bei 5O 0 C schmelzenden Nadeln (73-82%). b) mit Hydrazin und Raney-Nickel In einem 1-I-Dreihalskolben mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter wird eine Lösung von 20g 1 -Nitronaphthalin in 250 ml Methanol mit 3—4 ml Raney-NickelSuspension versetzt und zum Sieden erhitzt. In die gerührte, rückflußkochende Lösung läßt man durch den Tropftrichter eine Mischung von 40 ml SOproz. Hydrazinhydrat und 80 ml Methanol innerhalb einer Stunde einfließen. Nach einer weiteren Stunde Rühren und Rückflußkochen läßt man erkalten, filtriert (Vorsicht! pyrophores Nickel), destilliert das Methanol ab und versetzt mit 60 ml Methylenchlorid und 20 ml Wasser. Nach Schichtentrennung wird die wässerige Phase noch einmal mit 20 ml Methylenchlorid ausgeschüttelt. Nach Abdestillieren des Methylenchlorids überführt man in einen Schwertkolben und arbeitet wie unter a) auf. Aus 14-15 g Destillat werden durch Umkristallisieren 12-12,5 g reines 1-Naphthylamin mit Schmp. 5O 0 C erhalten (73-76%). Bei der zuletzt beschriebenen Hydrierung wird der Wasserstoff durch die metallkatalysierte Zersetzung des Hydrazins geliefert, wodurch sich der apparative Aufwand stark verringert. Der Anwendungsbereich dieser oft bequemen Methode ist jedoch stark eingeschränkt, da viele Verbindungen, wie Amide, Ester, Aldehyde und Ketone mit dem Hydrazin reagieren. Die katalytische Hydrierung der Hydrazone (und der Oxime) führt zu primären Aminen. p-Toluidin aus p-Nitrotoluol -NH 2 + 2H 2 O 5,0g p-Nitrotoluol (40 mmol), welches zuvor aus Methanol bis zur Schmelzpunktskonstanz umkristallisiert werden muß (Schmp. 51,4 0 C), gibt man in ein 500 ml fassendes Hydriergefäß. In einem kleinen Meßzylinder wird in Wasser aufgeschlämmtes Raney-Nickel mit Methanol ausgewaschen und nach dem Sedimentieren 5 ml des Weitere Beispiele für die katalytische Hydrierung 557 methanolfeuchten Katalysators abgemessen. Dieser wird zusammen mit 250 ml Methanol zu der zu hydrierenden Substanz gegeben. Die Apparatur wird wie üblich sorgfältig von Luft befreit und mit Wasserstoff gefüllt. Bei kräftigem Rühren oder Schütteln werden über 90% des berechneten H2-Volumens in etwa 40 min aufgenommen. Die Reaktion ist beendet, wenn über einen längeren Zeitraum (30 min) keine H 2 -Aufnahme mehr feststellbar ist. Im Durchschnitt beträgt die Gesamtdauer der Hydrierung 21/2 h. Zum Schluß wird der Katalysator abfiltriert (Vorsicht! siehe Präparat S. 556), mit Methanol ausgewaschen, das Filtrat zusammen mit dem Wasch-Methanol im Vakuum eingedampft und das verbleibende rohe yo-Toluidin in einem Säbelkolben oder Kugelrohr destilliert. Sdp. 20O 0 C / 760 Torr; Schmp. 45°; weiße grobkristalline Substanz. Ausbeute 3,1 g (80%). Versuch: Alanin aus Cystin mit Raney-Nickel HO 2 CCHCH 2 SSCH 2 CHCO 2 H NH2 NH2 Ni(H) > 2CH 3 CHCO 2 H NH2 In einem Reagenzglas löst man 50—70 mg Cystin in 5 ml 1N Ammoniak und fügt dazu eine Spatelspitze Raney-Nickel. Nun wird das Reagenzglas 30—35 min lang unter öfterem Schütteln in kochendes Wasser getaucht. Die erkaltete Lösung kann man direkt neben den Vergleichsaminosäuren Cystin und Alanin auf einen entsprechenden Filtrierpapierbogen oder auf eine Dünnschichtplatte auftragen. Nach der auf S. 318 gegebenen Vorschrift wird im Laufmittel se/r-Butanol/Ameisensäure/Wasser = 75:15:10 chromatographiert. Anschließend werden die Flecke mit Ninhydrinlösung (s. S. 318) sichtbar gemacht. In dem Hydriergefäß löst man 0,45g Tris(triphenylphosphin)rhodiumchlorid in 80 ml über Calciumhydrid destilliertem Benzol, evakuiert, füllt mit Wasserstoff, tropft dann die Lösung von 5,0g (-)-Carvon in 1OmI Benzol zu und beginnt zu schütteln. Die Aufnahme der theoretisch berechneten Menge (830 ml) Wasserstoff benötigt etwa 3 h. Anschließend filtriert man das Hydrierungsgemisch durch eine kurze Säule mit 60 g Kieselgel, wäscht diese zweimal mit je 15OmI Ether nach, dampft die gesammelten Filtrate i.Vak. ein, destilliert den Rückstand bei 14mm und 100-1020C in einem Kugelrohr und erhält 4,5-4,8 g (89-95%) Dihydrocarvon. Darstellung des Komplexes: Die Hydrierung springt zuverlässiger an, wenn man den Katalysator-Komplex frisch herstellt. Dazu löst man 0,9 g frisch kristallisiertes Triphenylphosphin in 26ml heißem Ethanol, gibt 0,15g Rhodiumtrichlorid-Trihydrat in 5 ml Ethanol hinzu und erhitzt 30 min zum Sieden. Anschließend werden die burgunder- 558 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung roten Kristalle heiß abgesaugt, mit 25 ml entgastem Ether gewaschen und i. Vak. getrocknet. Man erhält 0,45g, Ausbeute 84%, vom Schmp. 157—158 0 C. Weiterführende Literatur zu Kapitel Xl K. N. Campbell und B. K. Campbell, The Addition of Hydrogen to Multiple Carbon-Carbon Bonds, Chem. Rev. 31, 77 (1942). E. L. Martin, The Clemmensen Reduction, Org. React. /, 155 (1942). E. Vedejs, Clemmensen Reduction of Ketones in Anhydrous Organic Solvents, Org. React. 22, 401 (1975). G.S.C. Buchanan und P.D. Woodgate, The Clemmensen Reduction of Difunctional Ketones, Quart. Rev. 23, 522 (1969). D. Staschewski, Der Mechanismus der Clemmensen-Reduktion, Angew. Chem. 71, 726 (1959). W. 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Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe Experimente: 2 - Methyl -1,4 - naphthochinon l ,4 - Naphthochinon /7-Benzochinon aus Anilin Versuch: Hydrochinon aus Chinon Versuch: Chinhydron Versuch: Anilinochinon Versuch: Cycloaddition an Cyclohexadien Tetrachlor - o - benzochinon Versuch: Dehydrierung von Brenzkatechin zu 0-Benzochinon Dehydrierung des Tetralins 4-Methoxy-l,2-benzochinon (Teuber-Oxidation) Kalium-nitrosodisulfonat Anthrachinon Versuch: Anthrahydrochinon Alizarin Chinizarin /?-Amino-dimethylanilin Versuch: Wursters Rot Bindschedlers Grün Versuch: Methylenblau Malachitgrün Kristallviolett Versuch: Verhalten gegen Alkalien und Säuren Fluorescein und Eosin Kupfer-Phthalocyanin Triphenylmethyl Versuch: Lambert-Beer'sches Gesetz Versuch: Triphenylmethylkation Tetraphenyl-hydrazin Versuch: Diphenylaminyl (Diphenylstickstoff) Versuch: Farbreaktion des Tetraphenylhydrazins mit Schwefelsäure 1.3.5 -Triphenyl verdazy l Versuch: Chemisches Verhalten des Radikals Herstellung der Chinone 563 XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe und Radikale Chinone Herstellung der Chinone Chinone können sich durch Einwirkung von Oxidationsmitteln aus aromatischen Kohlenwasserstoffen bilden. So läßt sich z.B. 2-Methyl-l,4-naphthochinon durch Oxidation von 2-Methylnaphthalin mit Cr(VI)-oxid erhalten (Präparat S. 565). Über die Oxidation von Anthracen zu Anthrachinon siehe unten. In der Benzol- und auch in der Naphthalinreihe geht man von Phenolen oder Aminen aus; die übersichtlichsten Synthesen sind Oxidation von/?- oder o-Dihydroxy-, Diamino- oder Arm'nohydroxyaromaten, die zu /?-Chinonen bzw. o-Chinonen führen. NH Chinon - diimin o-Chinon Da /?-Aminophenole durch Diazokupplung (S. 607) von Phenolen und anschließende Reduktion der AzoVerbindung gut zugänglich sind, stellt ihre Oxidation eine der gebräuchlichsten Chinonsynthesen dar. Dies wird am Beispiel des Naphthochinon-1,4 aus a-Naphthol gezeigt (S. 566). Der Grundkörper der /7-Chinone, pBenzochinon, wird durch Oxidation von Anilin erhalten (S. 567). Ein durch Elek- 564 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe tronenentzug (Oxidation) aus dem Amin entstehendes elektrophiles Gebilde (Radikal oder Kation) kuppelt mit einem Anilinmolekül, das Dimere in analoger Weise usw. zu dunkelgrünen Farbstoffen des Chinondiimintyps (Indaminchromophor), die durch hydrolytische Spaltung sowie Weiteroxidation des dabei auftretenden /7-Phenylendiamins und Anilins in /7-Chinon übergehen. Das ,Anilinschwarz" der Färberei ist das polymere Produkt einer weiteren oxidativen Kondensation der obigen Polydiimine mit Anilin, das wahrscheinlich Phenazoniumgruppierungen enthält. Die Oxidation von 0-Dihydroxyaromaten gibt die allgemein empfindlicheren oChinone. Den Grundkörper erhielt R. Willstätter aus Brenzkatechin mit Silberoxid in trockenem Ether. Als Oxidationsmittel besonders gut geeignet ist nach L. Horner Tetrachlor-0-benzochinon (Versuch S. 572). Dieses 0-Chinon ist aus Brenzkatechin durch Chlorierung zum Tetrachlorbrenzkatechin und dessen Oxidation mit Salpetersäure zugänglich (S. 571). Billiger bereitet man es aus dem technischen Pentachlorphenol mit demselben Oxidationsmittel (S. 571 ). Eine glatte Einführung von Sauerstoff in die p- oder o-Stellung zur phenolischen Hydroxylgruppe oder Aminogruppe und Weiteroxidation zu den entsprechenden Chinonen gelingt oft nach H. -J. Teuber mit dem Radikal Kalium-nitrosodisulfonat (Fremy'sches Salz). Diese tief violette Verbindung wird aus Kalium-hydroxylamindisulfonat durch Oxidation mit Permanganat gewonnen (siehe Präparat S. 572). SO3K SO3K / O x HO-N \ SO3K -^- -0-N ~ \ SO3K - / (Beispiel:) Da beim Anthracen Grenzstrukturen mit zwei benzoiden Ringen besondere Bedeutung haben, werden die dazwischenliegenden C-Atome 9 und 10 besonders leicht zum stabilen Anthrachinon oxidiert (mit Chromsäure in Eisessig/Schwefelsäure, S. 573). Anthrachinon ist infolge seiner zwei Benzolringe so stabil, daß es allen aromatischen Substitutionsreaktionen unterworfen werden kann (S. 250). Sulfurierung liefert vorwiegend die 2-Sulfonsäure, deren Na-SaIz („Silbersalz") bei der großtechnischen, klassischen Synthese des Alizarins (1,2-Dihydroxyanthrachinon) Verwendung findet. Herstellung der Chinone 565 V^V TT O Anthrachinon O Anthrachinon - 2 - sulf onsäure Hierbei wird es nach Graebe und Liebermann einer Alkalischmelze unterworfen, während derer durch Luftsauerstoff, im späteren Verfahren durch zugesetztes Oxidationsmittel z.B. Kaliumchlorat, die Hydroxylgruppe in !-Stellung eingeführt wird (S. 574). Alizarin, einer der ältesten „Beizen"-Farbstoffe kommt, als Glykosid seines Hydrochinons in der Krappwurzel vor (Ruberythrinsäure, Krapplack) und bildete früher einen der wichtigsten Farbstoffe. Es wird auf die Faser aufgebracht, nachdem diese durch Ausfällung von Oxiden des Chroms, Eisens oder Aluminiums „gebeizt" worden ist und bildet mit den Metallionen leuchtend farbechte Phenolatkomplexe. Chinizarin (1,4-Dihydroxyanthrachinon), das durch eine Friedel-Crafts-Reaktion von Phthalsäureanhydrid mit Hydrochinon gut zugänglich ist (Präp. S. 574), besitzt nicht die Eigenschaft der Beizenfarbstoffe, da die beiden Hydroxylgruppen nicht zueinander benachbart sind. 2-Methyl-1,4-naphthochinon In einem 500-ml-Kolben werden 14,2g (0,10 mol) 2-Methyl-naphthalin in 15OmI Eisessig gelöst. Unter mechanischem Rühren läßt man aus einem Tropftrichter eine Lösung von 50g (0,5 mol) Chrom(VI)-oxid in 35ml Wasser im Laufe von 10min zutropfen. Die Reaktion verläuft unter Selbsterwärmung. Die Außenkühlung mit Eiswasser soll so bemessen sein, daß die Reaktionstemperatur bei etwa 6O 0 C bleibt. Die Abkühlung zeigt das Ende der Reaktion nach Zugabe des Oxidationsmittels an. Nach einstündigem Erwärmen der Reaktionslösung auf siedendem Wasserbad wird in 500 ml Wasser eingerührt. Man saugt den grüngelben Niederschlag des Methyl-naphthochinons ab und wäscht solange mit Wasser, bis die Waschflüssigkeit keine saure Reaktion mehr zeigt. Das noch feuchte Rohprodukt wird in 75 ml Methanol 15 min unter Rückfluß gekocht und die Lösung heiß in einen Erlenmeyerkolben filtriert. Man läßt langsam erkalten, stellt noch 3 h in den Kühlschrank und saugt die gelben Nadeln vom Schmp. 105 0 C ab. Die Ausbeute an 2-Methyl-1,4-naphthochinon beträgt 6,5—7 g (38—40% d. Th.). 566 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe 1,4-IMaphthochinon N = NR Red. Ox. Diazotierung von Sulfanilsäure (s. auch S. 606). In einem 500-ml-Weithals-Erlenmeyerkolben werden 29g (167mmol) technische Sulfanilsäure mit 9 g wasserfreier Soda in 17OmI Wasser unter Rühren und Erwärmen gelöst. Man läßt im Eisbad auf 15 0 C abkühlen, gibt die Lösung von 12g (175 mmol) Natriumnitrit in 35 ml Wasser zu und rührt das Gemisch sofort in 200 g Eis und 36 ml konzentrierte Salzsäure in einem 1-I-Erlenmeyerkolben ein. Die Mischung wird nunmehr 15—25min im Eisbad gekühlt. Kupplung mit a-Naphthol (s. auch S. 605) und Reduktion. In der Zwischenzeit löst man in einem 2-l-Becherglas 24,0 g (166 mmol) a-Naphthol (Schmp. 96 0 C) in der noch warmen Lösung von 37g NaOH in 200 ml Wasser. Nach Erkalten gibt man 14Og zerstoßenes Eis zu und rührt langsam die eiskalte Lösung der Diazosulfanilsäure ein. Die tiefpurpurrote Lösung des Azofarbstoffs rührt man noch 1 h, erwärmt auf 45—5O 0 C und gibt unter mechanischem Rühren innerhalb von 10 min 80 g Natriumdithionit (Na2S2O4) zu. Die Reaktionslösung nimmt dabei nach und nach eine schmutzigbraune Färbung an. Bleibt der Farbumschlag aus, so muß mehr Dithionit zugesetzt werden. Man erwärmt noch kurz auf 7O 0 C und läßt im Eisbad abkühlen, wobei sich das gebildete 1-Amino-4-naphthol ausscheidet. Der dunkle Niederschlag wird abgesaugt und mit frischer 1 proz. Natriumdithionit-Lösung gewaschen. Das noch feuchte Produkt bringt man rasch mit 0,7g Zinn(ll)-chlorid und 21 ml konz. Salzsäure in 270 ml Wasser unter Erwärmen in Lösung, filtriert und erhitzt nach Zugabe von 35ml konz. Salzsäure 5-10 min zum Sieden. Nach Versetzen mit weiteren 35ml konz. Salzsäure wird die aufgehellte Lösung auf O 0 C abgekühlt, wobei das Hydrochlorid des 1-Amino-4-naphthols in schwach gefärbten Nadeln auskristallisiert. Das abgesaugte, noch feuchte Produkt wird unter Rühren in 700 ml Wasser suspendiert und nach Zugabe von 35 ml konz. Schwefelsäure heiß gelöst. Unbeschadet einer Trübung wird in eine Lösung von 24,5 g (82 mmol) Natriumdichromat in 340 ml Wasser in einem 2-I-Rundkolben eingerührt, worauf sich nach kurzer Zeit das Naphthochinon in Form braunschwarzer Kristalle ausscheidet. Man läßt auf Raumtemperatur erkalten, saugt ab und wäscht mit Wasser. Das noch feuchte Produkt wird in 500 ml warmem Ether gelöst und 10 min mit 4 g Aktivkohle geschüttelt. Man saugt ab und digeriert den Kohlerückstand noch zweimal je 5 min mit je 300 ml warmem Ether. Aus den vereinigten, klaren Lösungen destilliert man solange Ether ab, bis sich die gelben Kristalle auszuscheiden beginnen. Man läßt erkalten, stellt noch 1 h in den Kühlschrank und saugt ab. Die Mutterlauge wird nochmals mit Aktivkohle behandelt und wie oben aufgearbeitet. Die Gesamtausbeute beträgt 12-15,5 g (45-59%d.Th., bezogen auf a-Naphthol) an gelben Nadeln vom Schmp. 124-1250C. Herstellung von /7-Benzochinon p-Benzochinon aus Anilin NH2 CrO, , H* 567 O Zu einer Lösung von 23 g Anilin (V4 mol) in einer Mischung von 100 ml reiner konzentrierter Schwefelsäure und 500 ml Wasser läßt man unter Eiskühlung und Rühren allmählich aus einem Tropftrichter die Lösung von 30 g Natriumdichromat in 75 ml Wasser hinzufließen; die Temperatur soll nicht über 1O 0 C steigen. Das Reaktionsgemisch bleibt dann an einem kühlen Ort über Nacht stehen, und am nächsten Morgen gibt man auf gleiche Art 40g Dichromat in 120 ml Wasser hinzu. Nach 6 h saugt man die dunkelbraune Lösung auf einer großen Nutsche ab und wäscht mit wenig Wasser. Das Filtrat wird zweimal mit je V2 Liter Ether ausgeschüttelt. Die Etherlösung wird alsbald in einem Kolben, der nachher zur Wasserdampfdestillation dient, abgedampft; den abdestillierten Ether benützt man in 2 Anteilen zum nochmaligem Ausschütteln der Oxidationslösung und dampft die Auszüge abermals ein. Auf das zurückbleibende rohe Chinon, mit dem man den Filterrückstand samt dem Nutschenfilter vereinigt hat, leitet man direkt Wasserdampf und treibt es so in prächtigen goldgelben Kristallen in die Vorlage. Ausbeute 14—16g (ca. 50%). Das Chinon wird zuerst kurz zwischen Filtrierpapier und dann im nicht evakuierten Exsikkator über CaCI2 getrocknet. Schmelzp. 116 0 C. Wegen seiner großen Flüchtigkeit darf es nicht längere Zeit offen an der Luft gehalten werden (Versuch mit einer Probe). Zum Umkristallisieren können Alkohol oder Petrolether verwendet werden. Das reine, trockne Präparat ist längere Zeit haltbar. Durch Laugen wird es momentan in ein schwarzes hochmolekulares Produkt unbekannter Konstitution, huminsaures Salz, verwandelt. Versuch: Hydrochinon aus Chinon - Etwa 2 g Chinon werden in 50 ml Wasser suspendiert, das Wasser wird unter häufigem Umschütteln des Kolbens mit Schwefeldioxid gesättigt. Nach einigem Stehen wird die entfärbte Lösung zweimal ausgeethert. Nach dem Trocknen mit CaCI2 und Verdampfen des Ethers hinterbleibt das Hydrochinon kristallisiert; es wird aus wenig Wasser umkristallisiert. Schmelzp. 169 0 C. Eine Probe läßt beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure und einigen Tropfen Dichromatlösung Chinongeruch auftreten. Versuch: Chinhydron - Man löst je 0,5 g Chinon und Hydrochinon in 50 ml warmem Wasser und gießt in Lösungen zusammen. Fast augenblicklich kristallisieren die grünen Nadeln von Chinhydron aus, die man absaugt, mit Wasser wäscht und zwischen Filtrierpapier im nicht evakuierten Exsikkator über CaCI2 trocknet. Man koche einige Kristalle im Reagenzglas mit Wasser und rieche an den Dämpfen. Versuch: Anilinochinon - 4 g Chinon werden in 400 ml Wasser aufgelöst. Zu der auf O 0 C abgekühlten Lösung bringt man 1,72g Anilin, gelöst in 1OmI 20proz. Essigsäure. Man läßt unter häufigem Umschütteln 3 h lang in Eis stehen, saugt dann die rotbraune kristallisierte Ausscheidung ab, trocknet sie im Vakuum und entzieht ihr durch mehr- 568 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe faches, vorsichtiges Auskochen mit Petrolether (Siedep. 80—9O 0 C) die Monoanilinoverbindung, die beim Erkalten in goldbraunen Nädelchen herauskommt. Schmelzpunkt 119 0 C. Der unlösliche Anteil besteht aus Dianilinochinon. Versuch: Cyctoaddition an Cyclohexadien — 2 g Chinon werden mit 6 g Cyclohexadien (S. 197) am Rückflußkühler so lange — etwa 20 h — erhitzt, bis sich Kristalle ausgeschieden haben. Der Kristallbrei wird mit wenig Alkohol digeriert, abgesaugt und mit Alkohol gewaschen. Das Anlagerungsprodukt von 2 Dienmolekülen an ein Chinon wird aus Alkohol umkristallisiert. Schmelzp. 196 0 C. Die ungleich rascher verlaufende Cycloaddition des Chinons an ein Molekül Cyclopentadien ist auf S. 202 beschrieben. Reaktionen der Chinone Die wichtigsten Reaktionen der Chinone beruhen einerseits auf ihrer Reduzierbarkeit, andererseits auf der Reaktionsfähigkeit der durch die Carbonylgruppen aktivierten C,C-Doppelbindungen. Redoxverhalten Durch Reduktion geht das chinoide System in das aromatische der Hydrochinone über. Diese ihrerseits sind mehr oder weniger leicht zu den Chinonen oxidierbar. Ob gegenüber einem zweiten Redoxsystem die oxidierende Wirkung des Chinons -2e",-2H* oder die reduzierende des Hydrochinons überwiegt, hängt von der Substitution und von der Struktur ab und drückt sich im Normalpotential, E 0 , aus. /?-Benzochinon läßt sich schon durch schweflige Säure zu Hydrochinon reduzieren (Versuch S. 567) ist also ein starkes Oxidationsmittel, aus lodid setzt es in saurer Lösung lod frei. Die Chinhydronelektrode besitzt gegenüber der Normalwasserstoffelektrode ein Potential von -h0,71 V, Chinhydron (d. h. sein Chinonanteil) ist relativ stark elektrophil. Chinhydron. Die im obigen Versuch aus äquimolekularen Mengen von Chinon und Hydrochinon entstehenden dunkelgrünen, metallisch schillernden, in Wasser schwerlöslichen Kristalle, Chinhydron, bestehen aus einer l : !-Verbindung, in der beide Komponenten durch die Wechselwirkung der jc-Elektronen des elektronenreicheren Hydrochinons mit dem elektronenärmeren Chinon zusammengehalten werden (Elektronendonator-Akzeptor-Komplex, Charge Transfer Complex). Wie schon auf S. 253 ausgeführt, bilden sich solche Molekülverbindungen allgemein zwischen planaren Strukturen unterschiedlicher Elektronenaffinität, hier z.B. auch aus Redox-Verhalten der Chinone 569 Chinon und Hexamethylbenzol. In ihren chemischen Reaktionen verhalten sich die Charge-transfer-Verbindungen wie ihre getrennten Komponenten. Chinhydron, als definiertes l: l Gemisch von Oxidans und Reduktans, bildet bekanntlich ein Standardsystem zur elektrochemischen Potentialmessung. Sein Anteil an Oxidans (Chinon) gibt ihm gegenüber der Wasserstoffelektrode, wie schon erwähnt, ein Normalpotential von -1-0,71 V. Im analogen Gemisch aus Tetrachlor-/?benzochinon (Chloranil) und seinem Hydrochinon findet man E0 = 0,74, beim Tetramethyl-/?-benzochinon E0 = 0,46V. Der elektronenanziehende ( —I)-Effekt der (Halogen) Substituenten drückt sich in einer (geringen) Steigerung der Oxidationskraft des Halogen-Chinons gegenüber dem unsubstituierten (und damit in einer Verminderung der Reduktionskraft des entsprechenden Hydrochinons) aus, der -h !-Effekt wirkt entgegengesetzt. o-Benzochinon (E0 = -h 0,8 V) ist ein stärkeres Oxidationsmittel als das /?-Chinon, doch wird sein Hydrochinon (Brenzkatechin) durch Tetrachlor-0-benzochinon (E0 = 0,87 V) zum Chinon oxidiert. - Die Chinone der konjugierten Aromaten besitzen niedrigere Redoxpotentiale: 1,4-Naphthochinon: E0 = 0,47 V, Anthrachinon: E0 = 0,15 V. Hier ist die hydrierte Form weniger begünstigt als etwa im Hydrochinon, so daß vom Anthrahydrochinon fast alle Chinone reduziert werden. Auch Sauerstoff wird reduziert und zwar zum Hydrogenperoxid (technischer Herstellung von H 2 O 2 ). Infolge geeigneter Substituenten haben die an der biologischen Elektronenübertragung beteiligten Chinone mit isoprenoider Seitenkette, wie die Ubichinone oder die K-Vitamine genau die zu ihren Redoxfunktionen passenden Potentiale. -^-CHj-CHAc-CH CH3 n CH3 Ubichinone Reaktionen der chinoiden Doppelbindungen Vitamin K Die C,C-Doppelbindungen der Benzochinone und der Naphthochinone sind durch die nachbarständigen Carbonylgruppen aktiviert und damit - wie a,ß-ungesättigte Ketone - zur Addition nucleophiler Reaktionspartner bereit. Es entstehen Derivate des Hydrochinons. O -HHR OH OH - Diesem Schema gehorchen die meisten wichtigen Reaktionen der Chinone, z. B. die Anlagerung von HCl, HCN, Aminen, Thiolen u.a. Mit HCl entsteht als erstes Produkt Chlorhydrochinon (R = Cl), das zu Chlor-/?-benzochinon oxidiert wer- 570 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe den kann. Bei weiterer Addition von HCl und Oxidation kommt man zum gelben 2,3,5,6-Tetrachlor-/?-benzochinon (Chloranil), das wie Tetrachlor-o-benzochinon als präparatives Oxidationsmittel benutzt wird. Die Reaktion von /?-Benzochinon mit Anilin (Versuch S. 567) führt zuerst zum Anilinohydrochinon, das infolge seines niedrigeren Redoxpotentials von noch anwesendem Chinon zum Anilinochinon oxidiert wird. Dieses lagert in gleicher Weise Anilin an die bisher unbeteiligte Doppelbindung an, das so entstehende Dianilinohydrochinon wird wiederum vom Monoanilinochinon zum Dianilinochinon oxidiert. O NHC6H5 Einen interessanten Verlauf nimmt die säurekatalysierte Addition von Acetanhydrid an Chinone (Thiele-Reaktion): O OCOCH, CH3COOCOCH3 'CH3 OCOCH3 Man gewinnt auf diese Weise die acetylierten Hydroxyhydrochinone, die nach Verseifung und Dehydrierung zu den Hydroxychinonen führen. Die C,C-Doppelbindungen der Chinone addieren ferner Brom zu Dibromcyclohexendion-1,4 und weiter zu Tetrabromcyclohexendion-1,4. Ihre dienophilen Eigenschaften treten bei der glatt verlaufenden Reaktion des /?-Benzochinons mit Cyclohexadien zum Bis-(endo-ethylen)-octahydro-anthrachinon in Erscheinung. RMgCl Chinol Die Carbonylgruppen der Chinone können in normaler Weise reagieren, z. B. mit Hydroxylamin zu Oximen (Chinonmonoxim siehe bei/?-Nitrosophenol, S. 278) oder mit Grignard- Verbindungen zu Carbinolen. Solche Addukte, in denen die chinoide Konjugation partiell erhalten ist, heißen Chinole. Tetrachlor-o-benzochinon Tetrachlor-o-benzochinon 571 4Cl 2 a) aus Brenzkatechin In einem mit Gaseinleitungsrohr und Thermometer versehenen 2- oder 3fach tubulierten 500-ml-Rundkolben werden 15,Og (136mmol) Brenzkatechin in 10OmI Eisessig gelöst. Man leitet im Abzug trocknenes Chlor in kräftigem Strom ein, wobei die Temperatur durch Außenkühlung mit kaltem Wasser unter 3O 0 C gehalten wird. Die Lösung färbt sich orange und scheidet im Laufe von 30 min die farblosen Nadeln des Tetrachlorbrenzkatechins aus. Unter gelegentlichem Umschütteln leitet man weiterhin Chlor ein, bis nichts mehr absorbiert wird (etwa 15 min). Nach Aufbewahren über Nacht im verschlossenen Kolben läßt man unter mechanischem Rühren eine Mischung von 20 ml rauchender Salpetersäure und 50 ml Eisessig aus einem Tropftrichter in dünnem Strahl rasch zulaufen. Der Kristallbrei löst sich innerhalb 3 min, die tiefrote Lösung wird nach weiteren 2 min auf 400 g Eis + Eiswasser gegossen, wobei das Chinon als tiefrotes Pulver ausfällt. Nach 10 min saugt man scharf ab und trocknet im Vakuumexsikkator. Die Ausbeute an rohem Tetrachlor-o-benzochinon vom Schmelzpunkt 120—123 0 C beträgt 25-26 g (74,5—77,5%d.Th.). Das Produkt läßt sich durch Umkristallisieren aus etwa 50 ml Tetrachlorkohlenstoff reinigen; 23—24,5 g tiefroter Kristalle vom Schmelzpunkt 129 0C. b) aus Pentachlorphenol HNO, Zur Suspension von 15Og (ca. 0,8 mol) techn. Pentachlorphenol in 300 ml Methylenchlorid, die auf dem Wasserbad siedet und gut gerührt wird, läßt man innerhalb von einer Minute 20 ml konzentrierter Salpetersäure zulaufen. Der Kolbeninhalt färbt sich unter Aufsieden tiefrot. Nach einer weiteren Minute gibt man 40 ml konzentrierte Salpetersäure rasch zu und rührt 15 min weiter. Dann wird mit Eiswasser auf 2O 0 C abgekühlt, langsam mit 120 ml Wasser versetzt, weiter auf 1O 0 C abgekühlt, der ganze Ansatz abgesaugt und der Rückstand auf der Nutsche mit wenig Methylenchlorid gewaschen. Er besteht aus 18g (13%) rohem Tetrachlor-p-chinon (Chloranil). Das Filtrat, das aus 2 Schichten besteht, wird in einem Standzylinder von 500 ml im Ausgußbecken mit einem kontinuierlichen langsamen Wasserstrom gewaschen, der von oben durch ein Glasrohr eintritt, das am Ende eine Fritte trägt und bis zum Boden des Gefäßes reicht. Nach 30 min fließt neutrales Wasser ab. Jetzt trennt man die Schichten im Scheidetrichter, trocknet die rote Methylenchloridphase mit Na2SO4 und dampft im Vakuum zur Trockne. Den Rückstand löst man heiß in 150 ml Tetrachlorkohlenstoff 572 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe und läßt 2 h bei tiefer Temperatur kristallisieren. Man erhält 73 g Rohprodukt vom Schmelzp. 124 0 C. Zur weiteren Reinigung löst man es in Ether, filtriert von einem gelben Bodensatz ab, dampft die Etherlösung ab und kristallisiert aus Tetrachlorkohlenstoff um. Das so erhaltene Chinon schmilzt jetzt bei 127—128 0 C. Aus der Mutterlauge kristallisiert nach Einengen auf die Hälfte und Kaltstellen nochmals Tetrachlor-o-benzochinon vom Schmelzp. 12O 0 C aus, das ebenfalls aus Tetrachlorkohlenstoff umkristallisiert wird und dann über 125 0 C schmilzt. Insgesamt resultieren 53g (38,5%). Versuch: Dehydrierung von Brenzkatechin zu o-Benzochinon — Zu einer Lösung von 25 g Tetrachlor-o-benzochinon in 250 ml wasserfreiem Ether fügt man auf einmal 11g reines Brenzkatechin in 50 ml Ether zu. Nach halbstündigem Kühlen auf -2O 0 C bis -7O 0 C scheidet sich o-Benzochinon in tiefroten Blättchen ab. Man saugt ab und wäscht vor dem Trockensaugen sofort gründlich mit vorgekühltem trockenen Ether nach. Ausbeute 6,4—7 g (60—65% d.Th.). Aufbewahrung im Exsikkator über P 2 O 5 . Je nach Reinheitsgrad ist o-Benzochinon wenige Stunden bis mehrere Tage haltbar. Versuch: Dehydrierung des Tetralins - 7,5g Tetrachlor-o-benzochinon und 1,9g Tetralin (Siedepunkt 206 0 C) werden in 20 ml Benzol 2 h unter Rückfluß gekocht. Das Reaktionsgemisch wird dann mit Wasserdampf destilliert, bis kein Naphthalin mehr übergeht. Man trennt die Benzolphase ab und destilliert das Lösungsmittel ab. Nach Umkristallisieren des Rückstandes aus 3—4 ml Methanol erhält man die glänzenden, farblosen Blättchen des Naphthalins vom Schmelzpunkt 79-8O0C. 4-Methoxy-1,2-benzochinon aus Hydrochinon-monomethylether (Teuber-Oxidation) ^OH ~ k l / _ ~ .— CHO ^^s& In einem 2- 1 -Weithalsrundkolben, der in einem größeren Gefäß mit Eis steht und mit einem Rührer und Tropftrichter versehen ist, werden 3,0g Hydrochinon-monomethylether (24 mmol, S. 153) in 30 ml Ether gelöst. In einem zweiten 1-l-Gefäß, das ebenfalls in Eis steht, löst man gleichzeitig 15,Og Kalium-nitrosodisulfonat (56 mmol) und 3 g Natrium-dihydrogenphosphat in 800 ml Wasser. Diese Lösung gießt man portionsweise in den Tropftrichter und läßt sie von dort unter Rühren rasch zum Hydrochinonether tropfen. Die Temperatur im Reaktionsgefäß soll dabei nicht über 5 0 C steigen. Danach rührt man noch etwa 1 h weiter und schüttelt das Reaktionsgemisch sechsmal mit je 100 ml Chloroform aus. Die rote Chloroformlösung wird mit Natriumsulfat getrocknet und im Vakuum bei Zimmertemperatur eingedampft. Es bleiben 3,2g (90%) rubinrote Nadeln zurück, die sich gegen 85 0 C dunkel färben und bei 86— 89 0 C unter Zersetzung schmelzen. Das o-Chinon ist selbst im Kühlschrank nicht sehr lange haltbar. Darstellung von Kalium-nitrosodisulfonat In einem 1 -I -Weithalskolben, den man dauernd in Eiswasser schüttelt, gießt man auf 200 g Eis 100 m!40proz. Natrium-hydrogensulfit- Lösung (techn. Bisulfitlauge;0,37mol), oChinone und Anthrachinon 573 10OmI 35proz. Natriumnitritlösung (0,50 mol), 20 ml Eisessig sowie — nachdem man 5 min gewartet hat - 25 ml konzentriertes Ammoniumhydroxid. Dazu läßt man unter dauerndem Weiterschütteln im Eisbad eine gut vorgekühlte Lösung von 13g Kaliumpermanganat (0,09 mol) aus einem Tropftrichter in möglichst rascher Tropfenfolge zulaufen. Anschließend läßt man noch etwa 10 min stehen und saugt dann unter Eiskühlung auf einer großen Nutsche vom Braunstein ab (Saugflasche in Eiswasser stellen, Eisstückchen in die Nutsche legen). Zu dem Filtrat gießt man das gleiche Volumen einer gut gekühlten, gesättigten Kaliumchloridlösung und läßt es 1—2 h in Eis stehen. Nun wird das auskristallisierte Kalium-nitroso-disulfonat auf einer Glasfritte scharf abgesaugt. Das rote Salz ist nur kurze Zeit beständig; um ein haltbares Präparat zu bekommen, muß man es sofort Umkristallisieren. Dazu teigt man es in einem Becherglas mit 10OmI 1N Kalilauge an und gibt es unter Rühren in 800 ml einer auf 6O 0 C (nicht höher!) erwärmten 1N Kalilauge. Dabei löst es sich zu einer violetten Lösung, die sofort durch eine Glasfritte gesaugt und in Eiswasser gestellt wird. Nach etwa 2 h werden die ausgeschiedenen orangeroten Kristalle abgesaugt, vier- bis fünfmal mit je 200 ml Methanol gewaschen (die Waschflüssigkeit muß zum Schluß neutral reagieren) und in einem sauberen Vakuumexsikkator über Ätzkali getrocknet. Man erhält so 52 g (73%) Kaliumnitroso-disulfonat. Dieses ist im Exsikkator über Alkali längere Zeit haltbar; an feuchter Luft, besonders mit Säuredämpfen zersetzt es sich leicht unter Aufbrausen. Bei freier /j-Stellung des Phenols tritt der Sauerstoff dort ein, sonst in die orthoPosition zum Erstsubstituenten. So hat man eine besonders bequeme Möglichkeit zur Darstellung von 0-Chinonen, die früher auf andere Weise nur schwierig zugänglich waren. Bei einer Umsetzung, wie sie im vorstehenden Präparat beschrieben ist, werden pro mol Phenol zwei mol des Radikal-Salzes verbraucht, von denen das eine zu Hydroxylamin-disulfonat, das zweite zu Imidodisulfonat reduziert wird. Die Oxidation verläuft nach einem radikalischen Reaktionsmechanismus. Anthrachinon CrO 3 O 1 g möglichst reines Anthracen wird in der eben nötigen Menge Eisessig in der Siedehitze gelöst; dazu fügt man ohne weiteres Erhitzen 3 ml konzentrierte Schwefelsäure und unbeschadet einer Trübung oder Ausscheidung tropfenweise die Lösung von 4 g Natriumdichromat in ganz wenig Wasser. Sehr heftige Reaktion unter fast augenblicklichem Verbrauch der Chromsäure; nach Zugabe von allem Dichromat kocht man noch 5 min. Beim Verdünnen mit Wasser fällt das Anthrachinon flockig aus; es wird nach dem Absaugen, Waschen mit Wasser und Trocknen aus Eisessig umkristallisiert. Hellgelbe feine Nadeln vom Schmelzpunkt 285 0C. Die vollkommen reine Verbindung ist farblos, Vergleich mit Benzo- und Naphthochinon. 574 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe Versuch : Anthrahydrochinon — Durch Erwärmen mit Natronlauge und Zinkstaub wird Anthrachinon reduziert. Es geht mit tiefroter Farbe als Dinatriumsalz des Anthrahydrochinons in Lösung. Die filtrierte Lösung scheidet bei der Berührung mit Luft alsbald wieder Anthrachinon ab. — Formulieren Sie einige mesomere Grenzstrukturen des farbigen Di-anions. Alizarin (1,2-Dihydroxy-9,10-anthrachinon) O O OH ,SO3Na OH",Ox O O In einem Autoklaven erhitzt man die Mischung von 2 g (0,02 mol) Kaliumchlorat, 30g technischem Natriumhydroxid und 10g (0,03 mol) feingepulvertem Natrium-2-anthrachinonsulfonat mit 40 ml Wasser 20 h lang auf 17O 0 C (Ölbad). Die erkaltete Schmelze wird wiederholt mit heißem Wasser ausgezogen, die vereinigten filtrierten Lösungen säuert man in der Hitze mit Salzsäure an. Der Niederschlag wird nach dem Erkalten abgesaugt, mit verdünnter Salzsäure, dann mit Wasser gewaschen und getrocknet. Zur Reinigung kocht man das Rohprodukt (am besten im Extraktionsapparat, Abb. 51) mit Eisessig aus. Schöne rote Nadeln vom Schmelzpunkt 289 0 C. Auch die Sublimation im Vakuum (S. 57) ist zu empfehlen. Beim Arbeiten im offenen Rundkolben, Temperatur 180-19O0C, erhält man viel schlechtere Ausbeuten an Alizarin. Chinizarin (1,4-Dihydroxy-9,10-anthrachinon) O H2SO, ^ Eine Mischung von 5 g Hydrochinon und 20 g Phthalsäureanhydrid wird in einem offenen Kolben mit einem Gemisch von 50 ml reiner konzentrierter Schwefelsäure und 10 ml Wasser 3 h im Ölbad auf 170-18O0C und schließlich hoch 1 h auf 190-20O0C erhitzt Die noch heiße Lösung gießt man dann unter Umrühren in 400 ml Wasser, welches sich in einer Porzellanschale befindet, erhitzt bis zum Sieden und saugt heiß auf der Nutsche ab. Der ganze Ansatz wird einmal wiederholt. Der Rückstand wird im Trockenschrank bei 12O 0 C getrocknet. Er wird dann mit 30 ml XyIoI in einem Rundkolben mit aufgesetztem Rückflußkühler zum Sieden erhitzt und durch einen Heißwassertrichter filtriert. Das Chinizarin kristallisiert in roten Blättchen aus. Diesen Vorgang wiederholt man viermal, wobei man die Mutterlauge immer wieder zum Extrahieren verwendet. Falls erforderlich, setzt man noch etwas XyIoI zu. Dieses Rohprodukt wird getrocknet. Ausbeute 3-4 g. Schmelzpunkt 193-1940C Zur Reinigung löst man das rohe Chinizarin in heißem Eisessig und setzt dann die gleiche Menge heißes Wasser zu. Das Chinizarin fällt dabei teils in Blättchen, teils amorph aus. Es wird heiß abfiltriert, getrocknet und aus XyIoI umkristallisiert. Der Farbstoff wird bei 12O 0 C getrocknet Schmelzpunkt 1960C.'Ausbeute 3-3,5 g. Chinoide Farbstoffe 575 Chinizarin löst sich in Alkalien, ebenso wie Alizarin, mit tief violetter Farbe. Es läßt sich unzersetzt sublimieren. Hydrochinon, infolge seiner Hydroxylgruppen mit Elektrophilen leicht reagierend, braucht für die Friedel-Crafts-Reaktion mit dem Anhydrid nicht den starken Katalysator AlCl3; Protonenkatalyse ist hier genügend. Chinoide Farbstoffe Durch Einbau chinoider 7i-Elektronensysteme in mesomere Strukturen entstehen stark farbige Verbindungen, unter geeigneten Voraussetzungen Farbstoffe. Die Bedingungen zur Mesomerie erfüllt in einfachster Weise die Anordnung wobei X allgemein N oder CR sein kann, während A O oderNR2 und B OH oder NR2 sind. Die zunächst zu behandelnde Gruppierung mit X = N kam schon in dem bei der Anilinoxidation auf S. 563 beschriebenen farbigen Zwischenprodukt vor. Sie gehört einem Chinonimin an. Bei X = CAr trifft man auf die Triphenylmethan-Farbstoffe. Chinonimin- Farbstoffe Verschiedenartige Chinonimin-Farbstoffe erhält man bei Variation der Substituenten A und B. Wenn A - O, B = OH sind, heißen sie a) Indophenole O OH mesomer als Anionen wenn A = O, B = N(R)2 heißen sie b) Indoaniline mesomer mit der fast energiegleichen Zwitterionenform "O wenn A und B = N(R)2 heißen sie c) Indamine, mesomere Kationen 576 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe Von den Indophenolen hat nur 2,6-Dichlorindophenol (Tillmann's Reagens) als Titrationsreagens für Ascorbinsäure gewisse Bedeutung, da das blaue Anion durch das Reduktionsmittel entfärbt wird. Auch die Indoaniline beanspruchen weniger Interesse als die Indamine. Deren Herstellung erfolgt durch oxidative Kupplung der N,7V-Dialkyl-/?-phenylendiamine mit aromatischen terf-Aminen. Als Beispiel wird hier /7-Aminodimethylanilin mit seinen Reaktionen beschrieben. Man erhält das Diamin durch Reduktion von /7-Nitrosodimethylanilin. Die grüne Nitrosoverbindung entsteht sehr leicht durch elektrophile Substitution am Dimethylanilin durch salpetrige Säure, wie im Präparat S. 242 gezeigt wird. p-Amino-dimethylanilin SnCl2 -N(CH 3 J 2 In einem kurzhalsigen Rundkolben von V2 Liter Inhalt löst man 10Og Zinn(ll)-chlorid in 12OmI konzentrierter Salzsäure und trägt unter starkem Rühren oder Schütteln 38g (0,2 mol) p-Nitroso-dimethylanilin-hydrochlorid (Präparat S. 242) in Form des feuchten Rohproduktes nach und nach in kleinen Anteilen ein. Wenn die Reaktion nicht sofort einsetzt, erwärmt man auf dem Wasserbad; das eingetragene Salz soll nach kurzer Zeit vollkommen in Lösung gehen. Die Reaktion muß so reguliert werden, daß sie ständig in Gang bleibt, ohne allzu stürmisch zu werden. Die zum Schluß hellgelbe Lösung wird abgekühlt und unter Außen- und Innenkühlung (etwas Eis einwerfen) mit einer Lauge aus 15Og technischen NaOH in 300 ml Wasser alkalisch gemacht; die anfangs ausgeschiedene Zinnsäure geht in der Hauptsache in Lösung. Nun nimmt man die frei gemachte ölige Base ohne Rücksicht auf kleine Mengen noch ungelöster Zinnsäure in Ether auf, ethert noch 1—2 mal nach, trocknet kurz mit geglühtem Kaliumcarbonat, dampft dann den Ether ab und läßt dieser Operation sofort die Vakuumdestillation der freien Base folgen. Sie geht fast vollständig farblos bei 138-14O0C / 12 Torr über. Ausbeute 18-2Og (etwa 75%). Erstarrt beim Abkühlen, Schmelzpunkt 41 0C. Das freie Amin ist ungemein luftempfindlich. Schon nach einigen Stunden bräunt sich das anfangs farblose Präparat. Unter Stickstoff eingeschmolzen, läßt es sich einige Wochen aufbewahren, in Berührung mit Luft kaum einen Tag. Dagegen sind die Salze beständig. Man führt die Base deshalb ins Hydrochlorid über. 14g (ca. 0,1 mol) werden mit 20 ml 6N Salzsäure in einer Porzeljanschale auf dem Wasserbad eingedampft; der Rückstand wird im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure und (getrennt aufgestelltem) festem KOH vollständig getrocknet. Sehr schön erhält man fast allgemein die Hydrochloride organischer Amine, wenn man sie bis zur sauren Reaktion auf Kongopapier mit alkoholischer Salzsäure neutralisiert und dann durch allmähliche Zugabe von absolutem Ether das Salz unter Reiben zur Ausscheidung bringt. Man hüte sich, durch allzu rasch hinzugefügten Ether das Salz amorph auszufällen. Man warte erst die Kristallisation ab, die sich Darstellung von Wursters Rot 577 meist darin kundgibt, daß sich an den mit dem Glasstab geriebenen Stellen ein pulvriger Überzug bildet. Durch Übergießen mit der gleichen Gewichtsmenge Essigsäureanhydrid wird die Base acetyliert. Kurz im Wasserbad erwärmen, dann mit Wasser verdünnen. Um die noch basische Acetylverbindung abzuscheiden, wird mit Natronlauge schwach alkalisch gemacht. Schmelzpunkt der aus Wasser umkristallisierten Substanz ist 13O0C. Versuch: Wursters Rot — Man löst einige Körnchen des Hydrochlorids im Reagenzglas in einigen Tropfen verdünnter Essigsäure, fügt etwa 5 ml Wasser und einige Eisstückchen und dann einige Tropfen stark verdünntes Bromwasser oder Dichromatlösung zu. Es tritt eine prächtige Rotfärbung auf, die bei Zusatz von weiterem Oxidationsmittel stark zurückgeht. Arbeitet man etwas konzentrierter und erhitzt die oxidierte Lösung zum Sieden, so nimmt man den Geruch des p-Benzochinons wahr. Bei der Oxidation von /7-Aminodimethylamlin, hier mit Brom oder Dichromat, wird das Optimum an Farbstoff, dem sogenannten Wurster'sehen Rot bei Zugabe von einem Atom pro Molekül, also bei Wegnahme eines Elektrons erzeugt. Es bildet sich ein Radikalkation, das seine Stabilität der Delokalisierung der positiven Ladung und des Einzelelektrons verdankt. Geht man vom Tetramethyl-/?-phenylendiamin aus, so entsteht das Radikalkation „Wursters Blau". Monovalente Oxidation geeigneter Hydrochinone in Gegenwart von Basen führt zu ebenfalls farbigen Radikalanionen. Solche Radikalionen hat man früher als Semichinone bezeichnet. 578 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe Bei weiterer Oxidation geht das /7-Aminodimethylanilin ins säurelabile Chinonimmoniumsalz über, das zu Chinon hydrolysiert wird. In der Kälte und in Anwesenheit einer reaktionsfähigen Komponente wie Phenol, Anilin oder Dimethylanilin wird das Kation hingegen in einer elektrophilen Substitutionsreaktion zum Leukoindoanilin bzw. zum Leukoindamin abgefangen. Die Leukoverbindungen werden durch das Oxidationsmittel sofort zu den Farbstoff-Kationen oxidiert. Mit Dimethylanilin entsteht so Bindschedlers Grün. + Chinonimoniumsalz durch Oxidation aus p-Amino-dimethylanilin { ~ N(CH 3 J 2 3 (CH3)2N Leukoverbindung N(CH3)2 (CH3J2N Bindschedlers Grün (mesomer) N(CH3J2 Die eben beschriebene Kupplung des Chinondiimins, aber mit aktiven Methylenkomponenten, z.B. Pyrazolonen, bildet das Prinzip der chromogenen Entwicklung in der Farbphotographie. Das durch Oxidation mit den Silberionen aus N9N-Diethyl-/?-phenylendiamin entstandene Chinondiimin kuppelt mit der Komponente zur Leukoverbindung, die durch weiteres Ag + zum Farbstoff oxidiert wird. R XN H2C I AlK O Pyrazolon (C2H5J2N AlK Während die Indaminfarbstoffe kein färberisches Interesse haben, kommt ihren tricyclischen Verwandten, den Phenazin-, Phenthiazin- und Phenoxazinfarbstoffen Bindschedlers Grün und Methylenblau 579 eine gewisse Bedeutung zu. Bei ihnen ist der Brückenstickstoff Glied eines heterocyclischen 6-Ringes. Als Beispiel sei der sehr bekannte Phenthiazinfarbstoff Methylenblau genannt. Das Experiment seiner Herstellung aus Bindschedlers Grün mit Schwefelwasserstoff lehrt den Zusammenhang der Farbstoffklassen. H 2 S lagert sich an die chinoide C,C-Doppelbindung an, das Thiol schließt nach oxidativer Erzeugung einer neuen Chinoniminstruktur auf analoge Weise den Ring zur Leukoverbindung, die zum cyclischen Indamin oxidiert wird. Bindschedlers Grün ,N, (CH3J2N -H 7 S N(CH3J2 N (CH3)2N N(CH3J2 Methylenblau Leuko - methylenblau Ähnlich verläuft der technische Prozeß, der von /?-Aminodimethylanilin + Dimethylanilin ausgeht und zur Einführung des Schwefels Thiosulfat benutzt. Methylenblau läßt sich leicht, auch durch biologische Systeme zur farblosen Leuko Verbindung reduzieren und hat dieser Eigenschaft seine wichtige Stellung auch in diesem Bereich der Chemie zu verdanken. Bindschedlers Grün 7 g p-Aminodimethylanilin werden zusammen mit 6 g Dimethylanilin in 40 ml konzentrierter Salzsäure, die man mit ebensoviel Wasser verdünnt hat, gelöst. Unter Eiskühlung und Rühren läßt man dazu aus einem Tropftrichter die Lösung von 10g Natriumdichromat in 20 ml Wasser langsam zufließen. Dann setzt man die Lösung von 10g Zinkchlorid in 20 ml Wasser zu, worauf, besonders beim Reiben, das schöne Zinkdoppelsalz des Farbstoffs auskristallisiert. Nach einer halben Stunde saugt man ab, wäscht erst mit kaltem Wasser, dann mit Alkohol und schließlich mit Ether. Ausbeute 10—12 g. Der Farbstoff ist, gut getrocknet, längere Zeit haltbar. 2—3g des Farbstoffs bringt man mit 20 ml 2 N Salzsäure in einen Fraktionierkolben und leitet bei vorgelegtem Wasserkühler Wasserdampf ein. Nach kurzer Zeit sieht man die charakteristischen gelben Nadeln von Chinon übergehen. Versuch : Methylenblau — In eine möglichst konzentrierte wässerige Lösung von Bindschedlers Grün leitet man langsam Schwefelwasserstoff ein, bis nach einiger Zeit der Farbton auf Gelbrot zurückgeht. Jetzt setzt man verdünnte Salzsäure und die Lösung 580 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe von 0,3 g Natriumdichromat zu und bringt mit konzentrierter Zinkchloridlösung das Zink-Doppelsatz über Nacht zur Ausscheidung. Triphenylmethanfarbstoffe Denkt man sich im mesomeren Indaminsystem den Stickstoff durch eine phenylsubstituierte Methingruppe ersetzt, so hat man die Klasse der Triphenylmethanfarbstoffe vor sich. Den Indophenolen entspricht bei den Triphenylmethanfarbstoffen der Benzaurintyp, den Indaminen der Typ des Malachitgrüns. 0 Benzaurin (als Anion mesomer) " ** Malachitgrün (mesomeres Kation) Durch eine zusätzliche „auxochrome" Gruppe in /^-Stellung des dritten Phenylrests wird die Farbe vertieft: eine weitere Dimethylaminogruppe im Malachitgrün führt zum Kristall violett, dessen methylfreier Grundkörper Parafuchsin heißt (Fuchsin enthält einen monomethylierten Benzolring). Sowohl die Indamin- wie auch die Triphenylmethanfarbstoffe lassen sich prinzipiell als Polymethinfarbstoffe (siehe Cyaninfarbstoffe S. 682) auffassen. 2 Kristallviolett (eine Grenzform) Parafuchsin (eine Grenzform) Basische Triphenylmethanfarbstoffe Die Synthese des Malachitgrüns erfolgt durch H+-katalysierte Kondensation (elektrophile Substitution) von Dimethylanilin mit Benzaldehyd, wobei 2 Moleküle der Base in Reaktion treten. Sie führt zur Leukoverbindung des Farbstoffs, der daraus durch Oxidation mit Bleidioxid über die farblose Carbinolbase abgeschieden und mit Oxalsäure als Salz erhalten wird. Basische Triphenylmethanfarbstoffe (H*) 581 C6H4- N(CH3J2 C6H5-CH X C 6 H 5 -CHO + 2 -N(CH 3 J 2 C6H4-N(CH3J2 Leukomalachitgrün N(CH3J2 N(CH3)2 C6H5-C-OH N(CH3) '3'2 Carblnolbase (farblos) C 6 H 5 -C N(CH3) '3'2 Farbstoff (mesomeres Kation) Kristallviolett wird durch Kondensation von Michlers Keton (4,4'-Bis-dimethylaminobenzophenon, zugänglich aus Dimethylanilin und Phosgen) und Dimethylanilin mit POCl3 als Lewis-Katalysator synthetisiert. Die Wasserabspaltung zum chromophoren System erfolgt gleichzeitig mit der Substitution am Dimethylanilin. Hydroxidionen lagern sich mit verfolgbarer Geschwindigkeit an den Methinkohlenstoff an, wobei unter Entfärbung die Carbinolbase entsteht, die in Wasser sehr schwer löslich ist und so auch hier die Reingewinnung des Farbstoffs gestattet, der durch Behandlung mit Säure aus ihr hervorgeht. Durch Säureüberschuß wird eine Dimethylaminogruppe protoniert und damit von der Mesomerie ausgeschlossen: aus dem Kristallviolett entsteht das grüne Doppelkation vom Farbcharakter des Malachitgrüns. H .H + (CH 3 J 2 N C6H^-N(CH3)2 Kristallviolett (mesomeres Kation) (CH3J2N C6H^-N(CH3J2 grünes Doppelkation (Mesomerie eingeschränkt) Malachitgrün (Formeln siehe oben) Darstellung der Leukobase: Eine Mischung von 30g (0,25 mol) Dimethylanilin und 10g Benzaldehyd (ca. 0,1 mol) (beide frisch destilliert) wird mit 10g Schwefelsäure, die man vorher mit 8 ml Wasser verdünnt hat, in einem Rundkolben mit Anschütz-Aufsatz zusammengebracht. Der Kolben ist seitlich mit einem kurzen Kühler und im vertikalen Rohr mit einem Rührer versehen. Man hält nun unter dauerndem Rühren 20 h lang im Sieden (Ölbad von 15O 0 C), macht nach dem Erkalten mit Natronlauge alkalisch und treibt mit Wasserdampf das überschüssige Dimethylanilin weg. Nachdem die Flüssigkeit erkaltet ist, gießt man das Wasser ab, wäscht den Rückstand mehrmals mit Wasser nach, das man zum Schluß möglichst vollständig entfernt, und löst 582 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe ihn im Kolben selbst unter Erwärmung auf dem Wasserbad in der eben nötigen Menge Alkohol auf. Nach dem Filtrieren läßt man die Lösung über Nacht im Kühlschrank stehen, wobei die Base sich in farblosen Kristallen abscheidet, welche abfiltriert, mit Alkohol nachgewaschen und im Exsikkator getrocknet werden. Durch Einengen der Mutterlauge läßt sich noch eine zweite Kristallisation gewinnen. Ausbeute 30 g. Oxidation der Leukobase. 16,5 g des trockenen Präparats (0,05 mol) werden in 120 ml 2N Salzsäure heiß gelöst, die praktisch farblose Lösung verdünnt man mit 280 ml Wasser und trägt unter guter Eiskühlung und stetem kräftigem Umschütteln des Gefäßes die Aufschlämmung von 13g Bleidioxid in 30 ml Wasser in die Lösung ein. Aus der Farbstofflösung wird das Blei mit der Lösung von 25 g Natriumsulfat ausgefällt, dann wird vom Bleisulfat abgesaugt und aus dem Filtrat die Carbinolbase der wässerigen Lösung von 25 g wasserfreiem Natriumcarbonat, ausgefällt. Nach dem Absaugen wird der mit Wasser gut ausgewaschene Niederschlag in der siedenden Lösung von 10g Oxalsäure und 1 g Ammoniumoxalat in 40 ml Wasser gelöst, wobei man die Base in kleinen Anteilen einträgt. Zum Schluß wird filtriert und das Filtrat zu sehr langsamem Erkalten aufgestellt. Die Kristallisation dauert gewöhnlich 1—2 Tage. Die abgesaugten schönen Kristalle des Farbstoff-Oxalats werden im Exsikkator getrocknet. Bleidioxid Falls käufliches Bleidioxid nicht ausreichend aktiv sein sollte, kann man sich auf folgende Weise eine Paste von aktivem Bleidioxid herstellen: 50g Bleitetraacetat werden auf Zentrifugengläser verteilt und so lange unter 460 ml Wasser zerdrückt und verrieben, bis alles Bleitetraacetat in braunes Bleidioxid übergegangen ist. Nun zentrifugiert man 10 min, dekantiert, rührt den Rückstand noch viermal mit je 460 ml Wasser auf und zentrifugiert jedesmal wieder, dann ist das überstehende Wasser schließlich neutral. Man wirbelt den Niederschlag mit 50 ml Wasser auf, saugt auf einer Nutsche nicht ganz trokken und rührt mit wenig Wasser zu einer Paste auf. Kristallviolett (Formeln S. 580, 581) Eine Mischung von 24g (0,25 mol) Dimethylanilin, 10,8g (0,04 mol) 4,4'-Bis-dimethylaminobenzophenon (Michlers Keton) und 10g Phosphoroxychlorid wird in einem offenen trockenen Kolben 5 h lang im lebhaft siedendem Wasserbad erhitzt. Die blau gefärbte Schmelze wird dann in etwa 400 ml Wasser eingegossen und die Lösung mit Natronlauge alkalisch gemacht. Der Überschuß an Dimethylanilin wird mit Wasserdampf abgeblasen (Kühler); wenn keine Öltropfen mehr übergehen, läßt man erkalten, saugt die erstarrte Carbinol-Base ab, wäscht gut mit Wasser nach und kocht mit der Lösung von 4 ml konzentrierter Salzsäure in 1/2 I Wasser gründlich aus. Die blaue Lösung wird siedend heiß durch ein Faltenfilter filtriert, den Rückstand kocht man mit kleineren Mengen der gleichen verdünnten Salzsäure so oft aus, bis fast alles in Lösung gegangen ist. Die vereinigten Auszüge versetzt man nach dem Erkalten unter kräftigem Umrühren so lange mit feingepulvertem Kochsalz, bis der Farbstoff ausgefällt ist. Er wird abgesaugt und aus wenig Wasser umkristallisiert. Beim Erkalten scheidet sich das Kristallviolett in derben, bronzeglänzenden Prismen ab, die man nach dem Absaugen auf Filtrierpapier an der Luft trocknet. Ausbeute 14—15 g (um 75%). Fuchsin und saure Triphenylmethanfarbstoffe 583 Beim Auskochen ist zu beachten, daß man mit möglichst wenig Salzsäure auskommt, da bei einem Überschuß an Säure das viel leichter lösliche saure Salz des Farbstoffs gebildet wird. Versuch: Verhalten gegen Alkalien und Säuren — Die wässerige Lösung eines Tr iphenylmethanfarbstoffs wird mit einigen Tropfen Natronlauge versetzt. Der Farbton geht bald zurück, indem sich gleichzeitig schwach angefärbte Flocken des Carbinols ausscheiden. Bei Zugabe von konzentrierter Salzsäure geht die Farbe über grün ins Gelb des voll protonierten Moleküls über. Die Entfärbung des Fuchsins durch schweflige Säure, wie sie zur Herstellung des Schiff sehen Reagenzes auf Aldehyde (S. 344) ausgeführt wird, beruht auf der Ausbildung von Amidosulfinsäuren in denen die Sulfinsäuregruppen als Akzeptoren die freien Elektronenpaare des Stickstoffs an der Mesomerie mit dem Rest des Moleküls hindern. Aldehyde bilden im System Amin - schweflige Säure a-Aminoalkylsulfonsäuren, in denen die Elektronen am Stickstoff wieder für die Mesomerie des Farbstoffs frei sind. H7N C6H^-NH-SO2H Paraf uchsin t rot mesomeres Kation + RCHO UH 2 SO 3 ) Fuchsinschweflige Säure farblos t keine Mesomerie R H9N = V-N-CH-SO^H ^J H C6H^NH-CH-SO3H r o t t mesomeres Kation , =N—CH-SO 3 H 3 \=/ H C6H^-NH-CH-SO3H R Saure Triphenylmethanfarbstoffe In dieser Klasse sind die Phthaleine von Bedeutung. Die Stammverbindung Phenolphthalein entsteht bei der durch Säure katalysierten Kondensation von Phthalsäureanhydrid mit 2 Molekülen Phenol, wobei sich das farblose y-Lacton der 4,4'-Dihydroxytriphenylcarbinol-0-carbonsäure bildet. Durch OH-Ionen wird eine Phenolgruppe deprotoniert, der Lactonring spaltet sich gleichzeitig auf, so daß das chromophore System des tiefroten, mesomeren doppelten Anions entsteht. Mit H*-Ionen ist der Vorgang rückläufig. 584 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe Die analoge Schmelze von Phthalsäureanhydrid mit Resorcin führt zur Ausbildung des Xanthenringsystems als Baustein des Fluoresceins. Dieser Farbstoff sowie sein Tetra-0-bromderivat, das Eosin, sind auch im sauren Milieu farbig (gelb bzw. rot). Man schreibt ihnen deshalb die chinoide Form zu, die hier vor der Spiranstruktur des Lactons energetisch begünstigt ist, da sie mit der Oxoniumstruktur mesomer ist. Die Anionen fluoreszieren intensiv gelbgrün bzw. orangerot. Fluorescein Eosfn (Tetrabromderivat ,Br an den mit Pfeilen bezeichneten Stellen) Durch Hydrierung zum Triphenylmethan (Leukoform) wird bei allen Farbstoffen der Farbcharakter beseitigt; viele Leukoverbindungen gehen schon an der Luft in die Farbstoffe über. Vom Eosin abgeleitete, in der Phthalkomponente chlorierte Phthaleine (Phloxin, Rose bengale) und solche mit basischen Gruppen (Rhodamine) haben noch heute Bedeutung als Seidenfarbstoffe. Der Rest des stark fluoreszierenden Fluoresceins und Rhodamins kann in der Molekularbiologie zur Markierung von Proteinen, z. B. Antikörpern dienen, die sehr empfindlich im Fluoreszenzmikroskop erkannt werden. Hierzu wird z. B. ein Derivat verwendet, das in /7-Stellung zur Carboxylgruppe eine Isothiocyanatgruppe, —N=C=S, enthält, die Aminogruppen des Proteins unter Thioharnstoffbildung (S. 529) addiert. Fluorescein und Eosin (Formeln oben) 15g Phthalsäureanhydrid (0,1 mol) werden in einer Reibschale mit 22g Resorcin (0,2 mol) innig verrieben und im Ölbad auf 18O 0 C erwärmt Hierzu verwendet man zweckmäßig einen 10OmI Weithals-Erlenmeyer-Kolben aus dickwandigem Duranglas. In die geschmolzene Masse trägt man unter Umrühren mit einem Glasstab im Laufe von 10 min 7 g vorher durch Schmelzen entwässertes und dann pulverisiertes Zinkchlorid ein. Man steigert darauf die Temperatur auf 21O 0 C und fährt mit dem Erhitzen so lange fort, bis die immer dickflüssiger werdende Masse vollkommen fest geworden ist, wozu 1-2 h Zeit erforderlich sind. Die erkaltete, spröde Schmelze wird mit Hilfe eines scharfen In- Fluorescein und Eosin 585 strumentes aus dem Gefäß herausgekratzt fein pulverisiert und in einer Porzellanschale mit 200 ml Wasser unter Zusatz von 1OmI konzentrierter Salzsäure 10min lang gekocht. Es gehen hierbei die nicht in Reaktion getretenen Ausgangsmaterialien und basisches Zinksalz in Lösung. Man filtriert dann das Fluorescein von der wässerigen Flüssigkeit ab, wäscht es so lange mit Wasser nach, bis das Filtrat nicht mehr sauer reagiert und trocknet im Trockenschrank. Ausbeute fast quantitativ. Ein Körnchen des Präparats löse man in wenig Ammoniak und verdünne im Becherglas mit 1 Liter Wasser. Eosin. Zu 16,5 g (0,05 mol) Fluorescein, welche man in einem Kolben mit 80 ml Alkohol übergössen hat, läßt man aus einem Tropftrichter unter Umschütteln 36 g (=12 ml) Brom (0,05 mol) innerhalb 20 min zutropfen. In der Mitte der Reaktion tritt vorübergehend Lösung ein — Dfibromfluorescein ist in Alkohol löslich —, dann aber kommt das schwer lösliche Eosin kristallin zur Abscheidung. Nach 2 h wird filtriert, der Niederschlag mehrmals mit Alkohol gewaschen und im Trockenschrank bei 11O 0 C getrocknet, wobei der Farbton heller wird. Ammoniumsalz. Auf eine Kristallisierschale mit flachem Boden, welche zu 1/3 mit konzentriertem wässerigem Ammoniak gefüllt ist, legt man ein weitmaschiges Drahtnetz und darauf ein Filterpapier, breitet auf diesem Eosin in einer Schicht von etwa 1/2 cm Dicke aus und überdeckt das Ganze mit einem Trichter. Die hellroten Kristalle nehmen sehr bald eine dunklere Färbung an und sind nach etwa 3 h vollständig in das Ammoniumsalz verwandelt, welches dunkelrote, grünschillernde Kristalle bildet. Das Ende der Reaktion ist daran zu erkennen, daß sich eine Probe in Wasser vollständig auflöst. Natriumsalz. 6 g Eosin werden mit 1 g entwässertem Na-carbonat verrieben, in einem nicht zu kleinen weithalsigen Erlenmeyerkolben mit wenig Alkohol durchfeuchtet und nach Zusatz von 5 ml Wasser so lange im Wasserbad erwärmt, bis die Entwicklung von Kohlendioxid aufgehört hat. Zu der wässerigen Lösung von Eosin-Natrium fügt man 20g Alkohol, erhitzt zum Sieden und filtriert die heiße Lösung. Beim Erkalten scheiden sich, manchmal erst nach längerem Stehen, prächtige, braunrote Nadeln mit metallischem Glanz ab, die nach dem Absaugen mit Alkohol gewaschen werden. Hier sei noch ein anderer, aus der Phthalsäure erhältlicher Farbstoff erwähnt, das Phthalocyanin. 586 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe Kupfer-Phthalocyanin Kupfer- Phthalocyanin (Grenzstruktur) Ein inniges Gemisch von 5,0g Phthalsäure (30 mmol) oder 4,5g Phthalsäureanhydrid, 1,0g Kupfer(ll)-chlorid (7,5 mmol), 25g Harnstoff (mehr als zehnfacher Überschuß) und etwa 50 mg Ammoniummolybdat wird in einem dickwandigen großen Reagenzglas unter häufigem Umrühren sechs bis sieben h lang im Ölbad auf 18O 0 C Innentemperatur erhitzt. Dann läßt man erkalten, kocht die blaue Masse mit Salzsäure aus, saugt ab und digeriert den Rückstand mit kalter 2N Natronlauge, saugt wieder ab, kocht das schön blaue Pulver nochmals mit 2 N Salzsäure, wäscht wiederum gut mit Wasser, saugt ab und trocknet im Exsikkator. Ausbeute: 3-3,5 g (70-80%). Der hier im Eintopfverfahren hergestellte Kupferkomplex des Phthalocyanins wurde 1934 durch Erhitzen von Phthalonitril mit Kupfer salz von Linstead synthetisiert. Die Komplexe mit Kupfer und anderen Schwermetallen sind so beständig, daß sie sich aus konz. Schwefelsäure mit Wasser unverändert ausfallen lassen (Versuch!). Der Platinkomplex läßt sich sogar bei dunkler Rotglut im Vakuum unzersetzt sublimieren. Diese große Stabilität ist auf den aromatischen Charakter des konjugiert-ungesättigten heterocyclischen Tetraazaporphins [(4 x 4) + 27i-Elektronen) zurückzuführen. Da die Phthalocyanine sehr lichtecht sind, werden sie häufig als Farbstoffe verwendet. Auf Textilien können sie wegen ihrer Unlöslichkeit nicht direkt aufgebracht werden, sondern müssen aus ihrem Vorprodukt, dem l-Amino-3-iminoisoindolenin (Phthalamidin) durch Wasserdampf auf der Faser entwickelt werden. Durch sechzehnfache Chlorierung des Phthalocyanins entsteht ein ebenso wertvoller grüner Farbstoff. Phthalocyanine ohne Benzolringe, Tetraazaporphine können in ähnlicher Weise aus Succinimid hergestellt werden. Das Porphingerüsf der Natur begegnet uns am Beispiel des Hämins (siehe S. 694). Stabile Radikale 587 Organische Radikale Triphenylmethyl (C 6 H 5 J 3 CCI -*U (C 6 H 5 J 3 C- Darstellung einer Triphenylmethyllösung. 2 g ganz reines, farblos lösliches Triphenylchlormethan werden in einer Glasstöpselflasche von 25ml Inhalt in 20 ml Benzol gelöst. Dann trägt man 5 g Zinkstaub ein und schüttelt 5 min lang kräftig durch. Mit der gold- bis orangegelben Radikallösung stellt man zuerst den bekannten Schmidlinschen Dissoziationsversuch an. Man gießt von der klaren Lösung etwa 2 ml in ein großes Reagenzglas, verdünnt mit 2 ml Benzol und schüttelt um. Die Lösung entfärbt sich, alsbald aber kehrt die Farbe wieder. Durch erneutes Schütteln mit Luft kann das Radikal wieder in das farblose Peroxid übergeführt werden. Die schöne Erscheinung läßt sich noch einige Male wiederholen. Tritt beim ersten Schütteln nicht sofort Entfärbung ein, dann hat man zuviel von der Triphenylmethyllösung verwendet. Man wiederholt dann den Versuch mit der halben Menge. Den Rest der Hauptlösung filtriert man durch ein Faltenfilter und schüttelt mit Luft den ungesättigten Kohlenwasserstoff als Peroxid aus, das in farblosen Kristallen herauskommt und nach einigem Stehen abgesaugt und mit Ether gewaschen wird. Schmelzpunkt unter Rotfärbung und Zersetzung bei 1830C. Der Schmidlinsche Versuch, der hier ausgeführt wurde, demonstriert das Gleichgewichtsverhältnis zwischen Triphenylmethyl und seinem Dimeren. Das Verschwinden der gelben Farbe beim Schütteln mit Luft zeigt an, daß im Gleichgewicht vorhandene gelbe Radikale rasch mit Sauerstoff zum farblosen Peroxid abreagieren. Die Wiederherstellung des Gleichgewichts unter erneuter Dissoziation von farblosem Dimeren erfolgt so langsam, daß man das Entstehen des gelben Radikals in der farblos gewordenen Lösung beobachten kann. /=\ H 2(C 6 H 5 J 3 CCl-2(C 6 H 5 J 3 C ^ (C6H5J2C = C(C6H5J3 AH*46kJ/mol(11kcal/mol) Triphenylmethyl, historisch die erste organische Verbindung, bei der das Vorhandensein einer freien Valenz, eines ungepaarten Elektrons, erkannt worden ist, wurde von M. Gomberg 1900 bei Versuchen zur Darstellung von Hexaphenylethan entdeckt. Triphenylmethyl dimerisiert jedoch nicht zu Hexaphenylethan, sondern ein Triphenylmethyl-Kohlenstoff kombiniert mit dem Kohlenstoff in 4-Stellung einer Phenylgruppe eines zweiten mesomeren Radikals (siehe oben) unter Bildung von l-Diphenylmethylen-4-triphenylmethylcyclohexa-2,5-dien (W.T. Nauta). Diese Art der Dimerisierung ist gegenüber der Bildung von Hexaphenylethan bevorzugt, weil die sterische Abschirmung des Methylkohlenstoffs durch die 3 propellerartig angeordneten Phenylreste eine direkte Dimerisierung der Methvlkohlenstoffe ver- 588 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe hindert. Ein echtes Hexaphenylethanderivat liegt jedoch im Dimeren des 9-Phenyl9-fluorenyl vor (H.A. Staab). Das Dissoziationsgleichgewicht des Triphenylmethyldimeren liegt bei Raumtemperatur weitgehend auf der Seite des Dimeren (Gleichgewichtskonstante 4 a2 K = 6,56 • 10~ 4 in m-Xylol bei 250C). Aus K = c (a = Dissoziationsgrad) er1 —a gibt sich, daß in einer IM Dimerenlösung bei 250C nur ca. 1% des Dimeren dissoziiert vorliegt (bei 0,1 M sind es 4%, bei O 9 OlM 13%). Während im allgemeinen beim Verdünnen farbiger Lösungen die Anzahl der farbigen Moleküle gleich bleibt (Gesetz von Bouguer-Lambert-Beer: E = e - c - d ; die Extinktion ist proportional zur Konzentration und zur Schichtdicke), steigt die Extinktion von Triphenylmethyllösungen mit zunehmender Verdünnung an, weil sich die Anzahl der farbigen Triphenylmethylmoleküle durch die wachsende Dissoziation erhöht. Versuch: Lambert-Beer'sches Gesetz — Man überzeuge sich von seiner Gültigkeit, indem man zwei, mit schwarzem Papier umwickelte Reagenzgläser mit gleichviel ml (1-2) einer verdünnten Farbstofflösung (Tinte) beschickt, die Gleichheit der Farbintensität durch Betrachtung von oben gegen einen weißen Untergrund feststellt und dann eine Lösung mit 5—1OmI Wasser verdünnt. Denselben Versuch führe man mit zwei gleichgroßen Proben der gelben Radikallösung aus, die man ohne starke Luftberührung, am besten unter Stickstoff, in die Gläser einfüllt. Die Dimerisierung von Triarylmethylradikalen wird überwiegend durch sterische Effekte bestimmt. Jeder zusätzliche Substituent in den Phenylresten des Triphenylmethyls erhöht den Dissoziationsgrad. Tris(4-nitrophenyl)methyl und Tris(4-biphenylyl)methyl sind als monomere dunkelgrüne Radikale in kristallisiertem Zustand bekannt, und auch Tris(2-methylphenyl)methyl liegt in Lösung nahezu monomer vor. In diesen Beispielen ist entweder der zentrale Methylkohlenstoff durch oSubstituenten sterisch weitgehend abgeschirmt oder die Dimerisierung des Methylkohlenstoffs mit einem Kohlenstoff in 4-Stellung der Arylreste durch große /?-Substituenten erheblich erschwert. Triphenylmethyl zeichnet sich durch eine hohe Reaktivität aus. Seine Lösungen Triphenylmethylkation und -anion 589 werden bei Zutritt von Luft entfärbt unter Bildung von farblosem Triphenylmethylperoxid. Die Reaktion spielt sich in einer (kurzen) Kette ab (K. Ziegler) (C 6 H 5 J 3 C- + O 2 ^=^(C 6 H 5 ) 3 COO> (C 6 H 5 ) 3 COOC(C 6 H 5 ) 3 + (C 6 H 5 J 3 C- Halogene reagieren momentan mit Triphenylmethyl unter Bildung von Halogenderivaten (Umkehr der Darstellung). 2 (C 6 H 5 J 3 C* + Br2 -> 2(C 6 H 5 J 3 CBr Triphenylchlormethan dissoziiert in flüssigem Schwefeldioxid unter Bildung des orangegelb gefärbten Triphenylmethylkations (Leitfähigkeitsmessungen, P. Waiden). Das gleiche Carbeniumion entsteht auch beim Lösen von Triphenylcarbinol oder Triphenylchlormethan in konzentrierter Schwefelsäure und bei ,dessen Umsatz mit Metallchloriden (Lewis-Säuren wie ZnCl2, AlCl3, SnCl4, SbCl5) in Form von Doppelsalzen. (C 6 H 5 J 3 C 0 SbCI 6 0 SbCl./ (C 6 H 5 J 3 CCI in ™*" > (C 6 H 5 J 3 C* + Cl9 (C 6 H 5 ) 3 C® + HCI + HSO43 Versuch: Triphenylmethylkation — Man bringt einige Körnchen Triphenylcarbinol oder Triphenylchlormethan in 0,5 ml konzentrierter Schwefelsäure mit einem Glasstab in Lösung. Durch Zusatz von wenig Wasser wird die tief orangegelbe Lösung vollkommen entfärbt. Gleichzeitig kommt das Carbinol unverändert zur Abscheidung. Auch Carbanionen können aus Triarylmethanderivaten leicht hergestellt werden. Die Umsetzung von Triphenylmethyl mit Natrium ergibt unter Elektronentransfer das rote Triphenylcarbanion, das man einfacher aus Triphenylchlormethan mit Natriumamalgam hergestellt oder durch Umsetzung von Triphenylmethan mit Natriumamid erhält. (C 6 H 5 J 3 C- + -Na -> (C 6 H 5 J 3 C 9 + Na0 Die auffallende Farbvertiefung, die bei der Umwandlung der farblosen Triarylmethanderivate in Triarylmethylradikale und Triarylmethylionen auftritt, beruht auf der Ausbildung eines großen rc-Elektronensystems, in dem das ungepaarte Elektron, bzw. die Ladung delokalisiert wird. Wie die vergleichbare Lage der ersten Absorptionsbande anzeigt: (C6H5)3C + : 430 nm (C 6 H 5 J 3 C-: 514 nm und (C 6 H 5 ) 3 C~: 500 nm, stehen die mesomeren Systeme in naher Beziehung zueinander. 590 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe •(od.+,-) C-Radikale, die man als Bindeglied zwischen Carbeniumionen und Carbanionen ansehen kann, können planar, flach pyramidal oder tetraedrisch sein. Carbeniumionen sind in der Regel planar, der zentrale Kohlenstoff ist dann sp2-hybridisiert. Carbanionen dagegen besitzen in vielen Fällen eine pyramidale oder tetraedrische Konfiguration. n planar (sp ) 2 ^r*C \7 n • - _^£ tetraedrisch (sp3;a = 109°) *^c* n Y/ pyramidal (109<a<120°) Die spektroskopische Untersuchung (Elektronenspinresonanz, optische Spektren) und Röntgenstrukturanalyse ergab für die meisten C-Radikale eine planare oder nahezu planare Konfiguration. Der Methylkohlenstoff in diesen Spezies ist sp2hybridisiert, und das ungepaarte Elektron befindet sich in einem/?-Orbital. Man bezeichnet diese Radikale als p- bzw. 7i-Radikale. Es gibt jedoch auch pyramidale bzw. tetraedrische C-Radikale, z.B. CHF2, CF3, usw. Tetraphenyl-hydrazin 2(C 6 H 5 ) 2 NH KMn 4 ° > (C 6 H 5 ) 2 N-N(C 6 H 5 ) 2 34g (0,2 mol) Diphenylamin werden in einer mit Gummi- oder Glasstopfen dicht verschließbaren Flasche von etwa 400 ml Inhalt in 20OmI reinem Aceton gelöst. (Das käufliche reine Aceton ist meist gegen Permanganat beständig. Andernfalls trägt man so lange gepulvertes KMnO4 ein, bis dessen Farbe auch beim Kochen am Rückflußkühler etwa V2 h lang bestehen bleibt; das dann abdestillierte Aceton ist für Oxidationen in diesem Lösungsmittel brauchbar.) In die gekühlte Lösung trägt man unter fortgesetzter Kühlung in Eiswasser und lebhaftem Schütteln nach und nach sehr fein gepulvertes Kaliumpermanganat ein; vor jeder neuen Zugabe wartet man, bis Entfärbung eingetreten ist. Nachdem im Verlauf von 1 1 / 2 h etwa 16g Permangant verbraucht sind, trägt man weiteres Oxidationsmittel ohne Außenkühlung ein, und zwar so lange, bis die Farbe V2 h lang bestehen bleibt; keinesfalls jedoch mehr als 14g. Ein Teil des Diphenylamins wird bis zum Phenylisonitril oxidiert (Geruch, Entwicklung von CO2). Hierauf entfärbt man mit einigen Tropfen Alkohol oder Formaldehyd, saugt vom Braunstein abr den man scharf abpreßt und zweimal mit wenig warmem Aceton auswäscht. Die klare Acetonlösung wird Diphenylstickstoff 591 bei geringem Unterdruck aus einem Wasserbad von 35 0 C mit vorgelegtem Kühler abgedampft, den Rest entfernt man im guten Vakuum bei einer Badtemperatur von 2O 0 C. Das auskristallisierte Tetraphenylhydrazin wird unter Eiskühlung durch Übergießen mit 20—30 ml Ether von Schmieren befreit und nach einigem Stehen scharf abgesaugt. Durch Auftropfen von Ether wäscht man das Präparat rein. Man gewinnt so 20 bis 24 g fast farbloses Rohprodukt (60—70% der Theorie), das für die nachfolgende Operation direkt verwendet werden kann. Reines Tetraphenylhydrazin vom Schmelzpunkt 144 0 C (unter Zersetzung) gewinnt man durch Umkristallisieren aus Benzol-Methanol. Das Rohprodukt wird in 10OmI Benzol bei Raumtemperatur unter Rühren gelöst, die Lösung filtriert, und dem Filtrat langsam ca. 200 ml kaltes Methanol unter Umschütteln zugesetzt. Das reine Präparat wird nach dem Absaugen mit Benzol-Alkohol 1:1, dann mit Alkohol allein gewaschen und sofort im Vakuumexsikkator getrocknet. Die Mutterlaugen kann man im Vakuum eindampfen und den Rückstand wie oben durch Digerieren mit kaltem Ether isolieren. Die reine und gut getrocknete Substanz hält sich, vor Licht und Säuren geschützt, jahrelang unverändert. Versuch: Diphenylaminyl (Diphenylstickstoff) — Man löst etwa 0,5 g Tetraphenylhydrazin in 5 ml XyIoI und erwärmt langsam über einer kleinen Flamme. Die anfangs farblose Lösung wird, noch ehe der Siedepunkt des XyIoIs erreicht ist, intensiv olivgrün. Dies ist die Farbe des freien Radikals (>imaxi ~ 700 nm), das sich bei dieser Temperatur sehr rasch weiter verändert. Das kurzlebige Diphenylaminyl disproportioniert unter Bildung von Diphenylamin und p- bzw. o-Semidinderivaten (Dimere, Trimere usw.). In Gegenwart von NO jedoch läßt sich Diphenylaminyl als Diphenylnitrosamin abfangen. ^ 2WzN (C6H5)2N — (C6H5J2NH + (C6H5J2N-/^\- N-C6H5 •NO HNC6H5 + (C6H5)2N-NO Wie der Versuch von H. Wieland zeigt, dissoziiert Tetraphenylhydrazin oberhalb 8O0C sichtbar in Diphenylaminylradikale. Diese Dissoziation läßt sich, ohne die sterischen Verhältnisse zu verändern, durch /7-Substitution beeinflußen und nimmt mit der Natur der /?-Substituenten in folgender Reihe zu: NO 2 < CN < COOC6H5 < H < OCH3 < N(CH3)2. Die Dissoziation der Tetraarylhydrazine wird überwiegend durch den Hydrazingrundzustand bestimmt, insbesonders durch die Wechselwirkung der freien Elektronenpaare an den N-Atomen mit den Aryl-rc-Elektronensystemen. Diese Wechselwirkung muß bei der Dissoziation im Übergangszustand aufgehoben werden, um die Integration der entstehenden freien Valenz in das nElektronensystem zu ermöglichen. Die elektronendrückende Wirkung der pN(CH3)2, OCH3 und CH3-Gruppen führt offenbar zu einer hohen Elektronen- 592 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe dichte an den Hydrazin-N-atomen, die die homolytische Spaltung der N —N-Bindung erleichtert. Elektronenakzeptor-Substituenten dagegen verstärken die Wechselwirkung der freien Elektronenpaare mit den Aryl-rc-Elektronensystem und stabilisieren die Hydrazin-Bindung. Durch eine ausreichende sterische Abschirmung des Aminylstickstoffs kann die Dimerisierung unterdrückt werden, ein Beispiel dafür ist das monomere, in Form von tiefblauen Kristallen isolierbare l,3,6,8-Tetra-terf-butyl-9-carbazolyl. (CH3J3C C(CH3)3 Versuch: Farbreaktion des Tetraphenylhydrazins mit Schwefelsäure — Man übergießt etwa 100mg Tetraphenylhydrazin mit konzentrierter Schwefelsäure. Es tritt anfangs eine schöne rote Farbe auf, die nach kurzem Stehen in ein intensives Blauviolett übergeht. Dieser Farbstoff ist identisch mit demjenigen, der bei dem bekannten Nachweis von Salpetersäure (und anderen Oxidationsmitteln) mit Diphenylamin gebildet wird, nämlich dem Hydrogensulfat des /V,/V'-Diphenyldiphenochinon-diimmoniumions. Aus Tetraphenylhydrazin geht der Farbstoff in einer der Benzidinumlagerung vergleichbaren Reaktion mit anschließender Oxidation hervor. Abfangreaktionen, wie die mit dem Radikal NO werden häufig zur chemischen Identifizierung kurzlebiger Radikale herangezogen. Diphenylaminyl reagiert z.B. auch mit Triphenylmethyl. (C 6 H 5 J 2 N- + (C 6 H 5 J 3 C(C6H5J2N-C(C6H5 Als Radikalstandard wird häufig das violette monomere 2,2-Diphenyl-l-pikrylhydrazyl (S. Goldschmidt) eingesetzt. Hydrazyle, deren freie Valenz am Stickstoff leichter zugänglich ist als der Kohlenstoff des Triphenylmethyls stehen mit den entsprechenden farblosen Tetrazanen in einem Dissoziationsgleichgewicht. C6H5, C6H5 C6H5, C6H5' In vielen Fällen, z. B. bei Alkylradikalen wird neben der Rekombination^auch eine Disproportionierung beobachtet, bei der ein Wasserstoffatom von einem Radikal Nitroxide 593 auf das andere übertragen wird. Diese Reaktion kann außer anderem zum Abbruch von Radikalkettenreaktionen führen (vgl. S. 211). 2CH 3 CH 2 - -Kombination-> CHCHCHCH 2CH 3 CH 2 - -Disproportioniert > CH3CH3 + CH2-CH2 Nitroxidradikale, Vertreter einer sehr interessanten Radikalgruppe, werden durch Dehydrierung von Hydroxylamin oder durch Oxidation von Amin mit Peroxiden erhalten (vgl. die Herstellung des K-Nitrosodisulfonats auf S. 572). Die Dehydrierung von Diphenylhydroxylamin mit Silberoxid z. B. liefert das prachtvoll kristallisierte granatrote Diphenylnitroxid. Nitroxide mit benachbarten CH-Gruppierungen disproportionieren leicht zu Hydroxylaminen und Nitronen: 2RCH2-N-R' I O* -> RCH2-N-R' I OH + RCH=N-R' I |OJ Wird diese Disproportionierungsreaktion durch Alkylsubstitution in allen a-Stellungen ausgeschlossen, wie z.B. in den 2,2,6,6-Tetramethylpiperidin-l-oxyl-Derivaten, dann erhält man sehr stabile monomere Radikale, die unter Erhalt der freien Valenz durch chemische Reaktionen (z.B. in 4-Stellung) variiert werden können. Diese Radikale sind als Spinsonden in der Biochemie von besonderer Bedeutung, da die Struktur des ESR-Spektrums von der Orientierung des Radikals in seiner Umgebung beeinflußt wird. H2C^ ^CH2 H3C -c O* c /Ch3 H3C^ ^N^ ^CH 3 Die Nitroxide verdanken ihre Stabilität der Delokalisierung des Elektrons auf Stickstoff und Sauerstoff, sind also gleichermaßen als N- und O-Radikale zu bezeichnen. 594 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe Sauerstoff-Radikale sind auch von Verbindungen bekannt, die den Sauerstoff an Kohlenstoffatome gebunden enthalten. Durch monovalente Reduktion (Elektronenzufuhr) mit Alkalimetall entstehen aus Ketonen Ketyle, Radikalanionen. Ein unter O2-Ausschluß stabiles Ketyl ist das auf S. 383 gezeigte rote Benzilkalium. Andere O-Radikale, die Aroxyle entstehen durch monovalente Oxidation von 2,4,6-substituierten Phenolen, z.B. aus 2,4,6-Tri-terr-butylphenol das blaue kristalline Phenoxyl (E. Müller). Die Stabilität ist auf eine Delokalisierung des einsamen Elektrons zurückzuführen, wobei die C-Radikal-Grenzstrukturen durch sperrige Reste (bis auf die Reaktion mit O 2 ) geschützt sind. Radikalkationen finden wir auf S. 5 77 (Wursters Rot, Wursters Blau). - An das Auftreten von kurzlebigen Radikalen bei der Photochlorierung (S. 175), der Allylbromierung (S. 196), der Polymerisation von Olefinen (S. 208) oder bei Antoxidantien (S. 475) sei hier erinnert. 1,3,5-Triphenylverdazyl a) 1,3,5-Triphenylformazan C 6 H 5 N 2 + C 6 H 5 CH=NNHC 6 H 5 + N—N .. _./ \ BH5 > C6H5-C # H N=N'' C6H5 10,2g (0,11 mol) Anilin werden in 75ml 4N Salzsäure mit der Lösung von 7,6g (0,11 mol) Natriumnitrit in 15 ml Wasser, wie beim Präparat S.604 beschrieben, diazotiert. Parallel dazu stellt man Benzaldehydphenylhydrazon her. Zur Lösung von 10,6g (0,1 mol) reinem Benzaldehyd in 50 ml Dimethylformamid in einem 1-I-ErlenmeyerWeithalskolben werden unter Umschwenken 10,2 g (0,1 mol) reines Phenylhydrazin zugesetzt (Erwärmung), die gelbe Lösung wird 30 min bei Raumtemperatur stehengelassen. Anschließend verdünnt man mit 250 ml Dimethylformamid und 100 ml Pyridin und stellt die Mischung in ein Kältebad (Eis-Salz). Unter intensivem Rühren tropft man zu dieser Mischung die oben hergestellte Diazoniumsalzlösung zwischen -5 0 C und +2 0 C zu und läßt die Reaktionsmischung nach Beendigung der Zugabe 1 h im Kältebad stehen. Das ausgefallene rotbraune Formazan wird abgesaugt und intensiv mit Methanol, gefolgt von Wasser und wiederum Methanol gewaschen. Das Produkt wird in heißem Dimethylformamid (ca. 100-15OmI, ~ 100 0C) gelöst, die Lösung filtriert und nach Zusatz von Methanol (ca. 100-150 ml) in den Kühlschrank gestellt. Das reine Präparat wird nach dem Absaugen mit Methanol gewaschen und im Vakuumexsikkator getrocknet: 16,5g rotbraune Kristalle (55%d.Th.), Zersetzungspunkt 174-1750C. b) 1,3,5-Triphenylverdazyl (siehe Formel S.595) Zur Lösung von 2g 1,3,5-Triphenylformazan in 10OmI Dimethylformamid in einem 500-ml-Erlenmeyer-Weithalskolben setzt man 5g Kaliumhydrogensulfat und 5ml 30proz. wässerigen Formaldehyd zu und rührt die Mischung 4 h bei Raumtemperatur, wobei die ursprünglich rote Lösung tief violett wird. Nach Zusatz von ca. 15Og Eis gibt man unter Rühren 2N Natronlauge (ca. 25 ml) zu, bis die Farbe der Reaktionsmischung nach grün umschlägt. Das abgesaugte grüne Rohprodukt wird mit Wasser und mit wenig Methanol gewaschen und auf dem Dampfbad in siedendem Aceton (ca. 50—80 ml) ge- Verdazyle 595 löst. Der filtrierten Lösung setzt man ca. 30 ml heißes Methanol zu und läßt das Produkt im Kühlschrank auskristallisieren. Das abgesaugte reine Verdazyl wird mit Methanol gewaschen und im Vakuumexsikkator getrocknet: 1,2g nahezu schwarze Kristalle (57% d.Th.) vom Zersetzungspunkt 141-1420C. Bei der Kupplung des Benzoldiazoniumsalzes mit Benzaldehydphenylhydrazon entsteht zuerst Phenyl-bis(phenylazo)methan, das isoliert werden kann, wenn die Kupplung im pH-Bereich 3—8 durchgeführt wird, in Gegenwart von Base (Pyridin) jedoch über das entsprechende Anion sofort zum dunkelroten Formazan isomerisiert, das sich durch eine starke intramolekulare Wasserstoffbrücke auszeichnet. /C6H5 H C6H5-N=N-C-N=N-C6H5 C6H5 > C6H5-C^ N-I/ H N=Nx" C6H5 In Gegenwart von Säure (KHSO4, BF3, HCl) kondensieren viele Formazane mit Formaldehyd unter Bildung von tiefvioletten Verdazyliumionen, die auf Zusatz von Base durch überschüssigen Formaldehyd zu den grünen Verdazylradikalen reduziert werden (R. Kühn). Triphenylformazan (H+)LcH2O R R Reduktion (durchCH20)^ Oxidation (Br2) // \ N— N \ / N—N Reduktion (z.B. H2S)^ Oxidation R // N-N \ N— N r R - \* N=N PH \*i\2 \ R R r\ C \rf \*t i o CHo \ R Verdazyl (V) grün N-/ H \ R leukoverdazyl(VH) farblos Verdazyliumion (V+) violett Versuch: Chemisches Verhalten des Radikals — Ca. 20 mg 1,3,5-Triphenylverdazyl werden in 50 ml Dimethylformamid gelöst, die grüne Lösung wird auf 3 Reagenzgläser aufgeteilt. a) Bei Einleitung von Schwefelwasserstoff wird die grüne Lösung nach kurzer Zeit farblos. b) Zu einer Verdazyllösung läßt man etwas Bromdampf aus einer Bromflasche absinken, die grüne Lösung wird violett. c) Auf Zusatz von 1 Tropfen 2N Schwefelsäure wird die grüne Lösung ebenfalls sofort violett. Setzt man zu dieser violetten Lösung wenige Tropfen 2N wässerigen Ammoniaks zu, dann wird das grüne Verdazyl zurückgebildet. 596 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe Verdazyle sind die paramagnetische mittlere Oxidationsstufe zwischen farblosen Leukoverbindungen und violetten Kationen. Durch Schwefelwasserstoff werden Verdazyle rasch zu den Leukoverbindungen, 1,2,3,4-Tetrahydro-s-tetrazinen, reduziert. Halogene oxidieren Verdazyle zu den tiefgefärbten Verdazyliumionen. In Gegenwart von Säure disproportionieren 2 Verdazyle, wie Absorptionsmessungen unter Sauerstoffausschluß zeigen, quantitativ in ein farbloses Leukoverdazyl und ein violettes Verdazyliumion; durch Zusatz von Base komproportionieren diese wiederum zu 2 Verdazylen. Weiterführende Literatur zu Kapitel XII S. Patai (Herausg.), The Chemistry of the Quinoid Compounds, Teile / und 2, John Wiley and Sons, London, New York, Sydney und Toronto 1974. J. Cason, Synthesis of Benzoquinones by Oxidation, Org. React. 4, 305 (1948). O. Hoffmann-Ostenhof, Vorkommen und biochemisches Verhalten der Chinone, Fortschritte der Chemie organischer Naturstoffe, Herausg. L. Zechmeister, Bd. 6, S. 154, Springer, Wien 1950. M. G. Evans und J. de Heer, Relation between the Oxidation-Reduction Potentials of Quinones and Their Chemical Structure, Quart. Rev. 4, 94 (1950). Tri- und Diarylmethanfarbstoffe, Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 3. Aufl., Herausg. W. Foerst, Bd. 17, S. 656, Urban und Schwarzenberg, München, Berlin 1966. F. Baumann e. a., Isoindolenine als Zwischenprodukte der Phthalocyanin-Synthese, Angew. Chem. 68,133 (1956). J. W. F. McOmie und J. M. Blatchly, The Thiele - Winter Acetoxylation of Quinones, Org. React. 19, 199 (1972). W. Teilacker e. a., Neue Ergebnisse über freie Kohlenstoff-Radikale, Angew. Chem. 69,322 (1957). C. Rüchardt, Zusammenhänge zwischen Struktur und Reaktivität in der Chemie freier Radikale, Angew. Chem. 82, 845 (1970). F. A. Neugebauer, 1,2,4,5-Tetraazapentenyle, Verdazyle und Tetrazolinyle, Angew. Chem. 85, 485 (1973). XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Experimente: Benzoldiazoniumsulfat a) l-Benzolazo-2-naphthol (Sudangelb) b) 4-Benzolazo-l-naphthol Versuch: Löslichkeit in Natronlauge Diazoaminobenzol, /7-Aminoazobenzol Helianthin (/?-Dimethylaminoazobenzol-sulfonsäure) Versuch: Reduktive Spaltung Kongorot Natrium-/7-nitrophenyl-(E)-(fl«r/)-diazotat (Z)- und (E)-Diazocyanide a) (Z)-/?-Nitrobenzol-diazocyanid (E)-/?-Nitrobenzol-diazocyanid b) (Z)-/?-Chlorbenzol-diazocyanid (E)-/?-Chlorbenzol-diazocyanid c) (Z)-#-Brombenzol-diazocyanid (E)-/?-Brombenzol-diazocyanid Phenol aus Anilin lodbenzol, lodosobenzol, lodobenzol /7-Tolunitril aus/?-Toluidin (Sandmeyer-Reaktion) /?-Toluylsäure Fluorbenzol (Schiemann-Reaktion) /7-Chlorbiphenyl Triptycen 1,3,5-Tribrombenzol aus Tribromanilin Phenylhydrazin Versuch: Benzol aus Phenylhydrazin Phenylazid aus Phenylhydrazin Diazomethan a) aus Nitrosomethylharnstoff b) aus N-Methyl-N-nitroso-/?-toluolsufonamid Gehaltsbestimmung der Diazomethanlösung Versuch: Methylierungen mit Diazomethan Bis-chlormethylquecksilber 4-Phenyl-2-pyrazolin-3-carbonsäure-methylester ß-Naphthylessigsäureamid (Wolff-Umlagerung) 598 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen a) ß-Naphthoylchlorid b) ß-Naphthoyldiazomethan c) ß-Naphthylessigsäureamid Cycloheptanon aus Cyclohexanon Glycin-ethylester; Diazoessigester a) Glycin-ethylester-hydrochlorid aus Chloressigsäure b) Glycin-ethylester-hydrochlorid über Methylenamino-acetonitril Versuch: Hippursäure c) Diazoessigsäure-ethylester Versuch: Reaktion mit Säuren oder lod Trichlormethyl-oxirancarbonsäure-ethylester Diazo Verbindungen 599 XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Als Diazoverbindungen bezeichnet man Derivate des Distickstoffs, in denen dieser an einen organischen Rest gebunden ist. Da die Inanspruchnahme eines Elektrons von | N=N | zur Ausbildung einer positiven Ladung führt, liegen einseitig substituierte Derivate des Stickstoffs als Diazoniumionen vor. R-N=N | «-» R-N=N | Solche sind jedoch nur beständig, wenn sie durch Mesomerie stabilisiert werden, also vor allem in der aromatischen Reihe und bei einigen speziell substituierten Olefinen. In der aliphatischen Reihe sorgt dagegen ein freies Elektronenpaar am N-bindenden Kohlenstoff für Resonanzstabilisierung der Diazoalkane. Diazoalkane sind als Deprotonierungsprodukte der instabilen aliphatischen Diazoniumionen aufzufassen. = u.s.w. NI — -- R-C=N=N Es leuchtet ein, daß die Beständigkeit der Diazoverbindungen durch Gruppen erhöht wird, welche das dem Stickstoff benachbarte, nichtbindende Elektronenpaar delokalisieren können, z. B. die Carbonylgruppe in Diazoketonen oder Diazoessigestern und in den Chinondiaziden (Diazochinonen) oder der Cyclopentadienylring durch Erlangung des 67i-aromatischen Zustands, u.a. "IQ-C=C-N = N O=C-U-N=N ~ i l — i l Diazoniumenolat Diazoketon Diazoniumphenolat Diazochinon (Chinondiazid) N = Nf Diazoniumcyclopentadienat Diazocyclo pentadien 600 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Die Herstellung von Diazoverbindungen erfolgt in der aromatischen Reihe fast ausschließlich vom primären Amin ausgehend durch „Diazotierung" mit salpetriger Säure oder einem ihrer Ester oder mit Nitrosylchlorid. Auch Distickstofftrioxid kann verwendet werden. In der aliphatischen Reihe werden relativ säurestabile Diazoverbindungen ebenfalls durch Diazotierung erhalten (siehe Diazoessigester, S. 634), für Diazoalkane müssen Acylderivate primärer Amine nitrosiert und die N-Nitrosoverbindungen durch Basen zersetzt werden. Näheres hierüber und weitere Synthesemöglichkeiten der aliphatischen Diazoverbindungen findet man auf S. 624. Aromatische Reihe Herstellung von Diazoniumsalzen Man stellt Diazoniumsalzlösungen aus primären aromatischen Aminen durch Versetzen der mineralsauren wässerigen Lösung mit Nitritlösung, meist unter Kühlung her. Die Abscheidung von festen Diazoniumsalzen gelingt mit geeigneten Anionen z. B. als Perchlorate, Tetrafluoroborate, Hexafluorophosphate oder unter Vermeidung von Wasser z. B. in Alkohol mit Estern der salpetrigen Säure und nachfolgender Ausfallung z. B. mit Ether. Die meisten sollen wegen ihrer explosiven Zersetzlichkeit keinesfalls getrocknet und auch in feuchtem Zustand nicht mit einem Spatel oder sonstigen harten Gegenständen berührt werden. Die Tetrafluoroborate sind hingegen auch im trockenen Zustand beständig. Das nitrosierende Agens ist das Nitrosylkation NO+. Die Amine reagieren trotz der hohen Mineralsäurekonzentration rasch, weil aromatische Amine relativ schwache Basen sind und der unprotonierte, reagierende Anteil noch bei niedrigem pH genügend groß ist. Würde man die Säurekonzentration verringern, so käme man in einen pH-Bereich, in dem die bereits entstandenen Diazoniumionen mit den Aminogruppen des noch nicht umgesetzten Amins zur Diazoaminoverbindung kuppeln (siehe S. 601). Außerdem soll das zu diazotierende Amin möglichst in Lösung sein, was sich am einfachsten durch eine genügend hohe Konzentration an Säure erreichen läßt. Sogar äußerst schwach basische, schwer zu diazotierende Amine, nämlich solche mit elektronenanziehenden Substituenten im Ring wie die Nitraniline, reagieren mit dem Nitrosylreagens, wenn man sie in Eisessig löst und in eine Lösung von Na-nitrit in konzentrierter Schwefelsäure eintropft. Reaktionsfähigkeit der Diazoniumsalze Das Diazoniumion zeichnet sich durch vielseitige Reaktivität aus. Die positiv geladene Diazogruppe ist der bei weitem stärkste elektronenanziehende Substituent Diazoniumsalze und Azokupplung 601 (Hammet-Substituentenkonstante a (para) = 1,9, für /?-Nitro = 0,78, vgl. S. 285). Dies hat zur Folge, daß nucleofuge Substituenten in o- oder /7-Stellung zum Diazoniumrest durch andere Nucleophile, z. B. —NO 2 durch —OH substituierbar sind (vgl. S. 613). Wichtig für präparatives Arbeiten aber sind Reaktionen mit Nucleophilen am ß-Stickstoff und Reaktionen unter Stickstoffabgabe. Schließlich spielt auch die Reduktion unter Erhalt der Stickstoff-Stickstoffbindung zu Arylhydrazinen eine Rolle, da die meisten von diesen auf anderem Weg nicht zugänglich sind. Elektrophile Reaktionen des Diazoniumions Die Diazoniumionen zeigen am jS-Stickstoff eine aus der Grenzstruktur ablesbare beachtliche elektrophile Reaktivität, die sie zu einer Bindung an geeignete nucleophile Partner befähigt. Diese in der Farbstoffchemie als „Kupplung" bezeichnete Reaktion bezieht sich nicht nur auf die dort notorischen Phenole und aromatischen Amine, sondern auch auf viele Heterocyclen, aliphatische Carbanionen (Acetessigester, Malonester), nucleophile Anionen wie Hydroxid, Cyanid, Hydrogensulfit oder Azid und andere. Azofarbstoffe Die Kupplungsreaktion, mit deren Hilfe die überaus große Zahl der technischen Azofarbstoffe hergestellt wird, besteht in einer elektrophilen Substitution an Phenolen oder aromatischen Aminen durch das Diazoniumion, wobei das sehr beständige Azoderivat gebildet wird. Phenole werden in alkalischer (als Phenolationen) bis neutraler Lösung, Amine in schwach saurer Lösung gekuppelt. Der Angriff erfolgt an den bei der elektrophilen Substitution bevorzugten Stellen, meist ganz vorwiegend in /7-Stellung, bei /?-Naphthol in a-Stellung, stets unter Ausbildung der (E)-(trans)-Azoverbindung; der einfachste Azofarbstoff, der aber technisch bedeutungslos ist, entsteht aus Benzoldiazoniumion und Phenol: (E)-/?-Hydroxy-azobenzol. Dimethylanilin kombiniert sich in analoger Weise; es entsteht /7-Dimethylaminoazobenzol (Buttergelb). Anilin nimmt - wie alle primären aromatischen Amine - in schwach saurer Lösung das Diazoniumion an der nucleophilsten Stelle, dem Aminostickstoff auf, es entsteht (E)-Diazoaminobenzol, ein Triazenderivat; solche werden auch durch Kupplung aliphatischer sekundärer Amine erhalten. Beim Erhitzen mit überschüssigem Anilin in Gegenwart der schwachen Säure Anilinhydrochlorid wird die Diazoaminoverbindung zu /7-Aminoazobenzol umgelagert (Präparat S. 606). Beim Kuppeln unter stärker, jedoch nicht zu stark sauren Bedingungen gelingt es, das /7-Aminoazobenzol direkt zu erhalten. 602 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen -N(CH3'2 3) -N(CH,) '3'2 Diazoaminobenzol p - Aminoazobenzol (Hydrochlorid:rot) Die praktisch verwendeten Azofarbstoffe leiten sich häufig vom Naphthalin ab und tragen entweder in der Diazokomponente oder im zu kuppelnden Aromaten eine Sulfonsäuregruppe, die sowohl Wasserlöslichkeit als auch Haftung auf der Wollfaser (Salzbildung mit den Aminogruppen des Proteins, aber auch Wechselwirkung des aromatischen Teils mit den hydrophoben und aromatischen Seitenketten) bewirkt. Viel verwendet wird diazotierte Sulfanilsäure (/?-Diazobenzolsulfonsäure), die man beim Präparat „Helianthin" (Methylorange, S. 606) mit Dimethylanilin, für /?-Naphtholorange mit jS-Naphthol kuppelt; 2-Naphthol-3,5-disulfonsäure, R-Säure (R für Rot), ist eine viel benutzte Kupplungskomponente. Diazotierte Sulfanilsäure liegt als Zwitterion vor: Als „Pauly-Reagens" ist die frisch bereitete Lösung der diazotierten Sulfanilsäure zum Nachweis von Phenolen (z. B. Tyrosin in Proteinen) oder Imidazolen (Histidin) in der analytischen Biochemie im Gebrauch. Wie man einerseits Azofarbstoff-liefernde Komponenten durch die Kupplungsreaktion nachweisen kann, so kann man andererseits aromatische Amine durch Diazotierung und Kupplung, z. B. mit R-Säure in Alkali erkennen. Die Elektrophilie der Diazoniumionen wird durch elektronenanziehende Gruppen in o- oder /^-Stellung gesteigert. Das /7-Nitrobenzol-diazoniumion kuppelt - im Gegensatz zum unsubstituierten — auch mit den weniger nucleophilen Phenolethern, z. B. Anisol, bei zwei Nitrogruppen sogar mit Mesitylen oder Butadien. Die relativen Geschwindigkeiten der Kupplung von verschiedenen /^-substituierten Diazoniumionen mit einem Phenol betragen beim Vorliegen von NO 2 : 1300, SO3": 13, Br: 13, H: l, CH3: 0,4, OCH3: 0,1. Kupplung mit aliphatischen Partnern -OCH, 603 OCH, Imidazol und Pyrazol kuppeln an einem ihrer N-Atome, CH-acide aliphatische Verbindungen wie 1,3-Dicarbonylverbindungen (Japp-Klingemann-Reaktion) oder Nitroalkane als Carbeniat-Enolat Ionen am Kohlenstoff. Ist am selben C-Atom ein weiteres H-Atom vorhanden, so lagern sich die Kupplungsprodukte zu den tautomeren Arylhydrazonen um. Dies erinnert an die Umlagerung der analogen Nitrosoverbindungen in die Oxime. H O _l Il IC-C-R C0 2 C 2 H 5 ArN 2 + H 101 I I C=C-R I CO2C2H5 H O I Il Ar-N = N-C-C-R I CO2C2H5 O H Il Ar-N-N = C-C-R CO2C2H5 O _H II ON + IC-C CO2C2H5 I R H Il O=N-C-C-R I CO2C2H5 HO-N = C-C-R CO 2 C 2 H 5 Nicht nur hierbei, sondern in ihrer elektrophilen Reaktivität auch gegenüber Phenolen und aromatischen sekundären Aminen (Dimethylanilin, S. 242) gleichen die DiazoVerbindungen der salpetrigen Säure. Einen Sonderfall bildet die schon auf S. 599 erwähnte Klasse der Diazochinone (Chinondiazide), die durch Diazotierung von o- oder /7-Aminophenolen erhalten werden. Beim Belichten spaltet ein Teil der Moleküle Stickstoff ab, das so entstehende Carben lagert sich zu Cyclopentadiencarbonsäure um, einer CH-aciden Verbindung, die mit unverändertem Diazochinon zu einem rotbraunen Farbstoff kuppelt. Darauf beruht ein Verfahren der Lichtpause (Diazotypie). HO7C 604 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Aromatische Azoverbindungen können auch aus Aminen und Nitrosoverbindungen hergestellt werden (S. 490), doch hat dieses Verfahren wegen der schwierigen Zugänglichkeit der Nitrosoverbindungen für die Farbstofftechnologie keine Bedeutung. Dasselbe gilt für die in Sonderfällen angewandte Herstellung einer Diazoverbindung aus der Nitrosoverbindung und Hydroxylamin R—NO + H 2 NOH H * > R-N=N-OH + 2H 2 O Von präparativer Bedeutung ist die reduktive Spaltung der Azobrücke zu zwei primären Aminogruppen, die unter anderem mit Zinn(II)-chlorid,Na-dithionit oder katalytischer Hydrierung leicht erreicht wird. Man erhält so aus kupplungsfähigen Molekülen über die AzoVerbindung das Amin, zum Beispiel aus Helianthin/?-Aminodimethylanilin (Aminophenole —> Chinone, siehe S. 563). Das erste chemotherapeutisch brauchbare Bakteriostatikum, Prontosil, war ein Azofarbstoff der aus diazotiertem /7-Aminobenzolsulfonsäureamid hergestellt war und der im Gewebe durch biochemische Reduktion in das Sulfonamid zurückgeführt wird (siehe S. 250). Dieses ist der eigentliche Wirkstoff, Antagonist der /j-Aminobenzoesäure beim Bakterienwachstum. Benzoldiazoniumsulfat Zu 10OmI Wasser läßt man unter gutem Rühren 20 ml konzentrierte Schwefelsäure laufen und in die heiße verdünnte Säure 20 g (0,22 mol) frisch destilliertes Anilin. Nachdem man nach und nach 250 g Eis hinzugefügt hat, läßt man zu der auch außen mit Eis (nicht mit Kältemischung!) gekühlten Anilinsulfatlösung, aus der sich das schwer lösliche Salz teilweise ausgeschieden hat, aus einem Tropftrichter allmählich die Lösung von 15,2 g (0,22 mol) Natriumnitrit in 60 ml Wasser fließen; dabei muß tüchtig gerührt werden. Wenn die Hauptmenge des Nitrits hinzugegeben ist, prüft man mit KaliumiodidStärkepapier, ob überschüssige salpetrige Säure vorhanden ist. Dabei ist zu beachten, daß gegen Ende der Reaktion - also bei stark abnehmender Konzentration der Reaktionsteilnehmer — die Umsetzung langsam vor sich geht; man muß daher jeweils einige min warten, ehe man die Prüfung vornimmt. Wenn man schließlich nach 5 min noch freie salpetrige Säure in geringer Menge nachweisen kann, ist die Diazotierung beendet; das Anilinsulfat muß natürlich vollständig in Lösung gegangen sein. Eine Probe darf durch Natriumacetatlösung keine Trübung erfahren. Fügt man zu der Acetat-gepufferten Probe einige Tropfen der Lösung eines Anilinsalzes zu, so fällt gelbes Diazo-aminobenzol aus, das nach Zugabe einiger Eisstückchen mit konzentrierter Salzsäure wieder in Lösung geht. Ferner löse man einige Körnchen /?-Naphthol oder R-Säure in einem kleinen Überschuß von 2N Natronlauge und setze zu dieser Lösung eine Probe der Diazoniumsalzlösung. Die intensiv rote Färbst off lösung, die aus dieser „Kupplung" hervorgeht, bildet ein untrügliches Erkennungsmittel für das Diazoniumsalz und damit auch für das ihr zugrunde liegende primäre aromatische Amin. Die Lösung des Diazoniumsalzes wird möglichst rasch zur Kupplung mit /?-Naphthol (Präparat a), cr-Naphthol, b) und mit Anilin (Präparat S. 606) verwendet. Kupplungen mit Benzoldiazoniumsulfat 605 a) 1-Benzolazo-2-naphthol (Sudangelb) 1,44g (0,01 mol) /?-Naphthol löst man in 40 ml 1N Natronlauge und gibt zur Lösung anteilsweise unter gutem Umrühren ein zwanzigstel der oben bereiteten DiazoniumsalzLösung. Der orange Niederschlag wird abgesaugt und aus Ethanol umkristallisiert. Man erhält ca. 2 g (~80%) goldorange Nadeln vom Schmelzpunkt 134 0 C. b) 4-Benzolazo-1-naphthol Man gibt unter Eiskühlung dieselbe Menge der Benzoldiazoniumsalzlösung wie unter a) zur Lösung von 1,44g or-Naphthol in 1OmI 1N Natronlauge und setzt weitere 30 ml 1N Natronlauge zu. Vom geringfügigen dunkelbraunen Niederschlag (2,4-Bis-benzolazo1-naphthol) wird abgesaugt und das Filtrat mit Salzsäure angesäuert. Der Azokörper wird abgesaugt, mit Wasser gewaschen und im Exsikkator getrocknet. Man erhält 1,7 g Rohprodukt (69%), das aus Benzol umkristallisiert werden kann. Dunkelrote Nädelchen vom Schmelzpunkt 2060C. Versuch: Löslichkeit in Natronlauge — Man schüttelt je 0,1 g von beiden Azonaphtholen im Reagenzglas mit einigen ml 1N Natronlauge. Die o-Verbindung bleibt ungelöst, während die p-Verbindung sich mit braunroter Farbe löst. Zugabe von einigen Tropfen konzentrierter Kalilauge erzeugt bei der gelösten Probe eine kristalline Fällung des schwerlöslichen Kaliumsalzes. Sudangelb (A) und das Azonaphthol B lassen sich auch aus Naphthochinon-1,2 beziehungsweise Naphthochinon-1,4 mit Phenylhydrazin erhalten und sind deshalb zeitweilig als die entsprechenden Monophenylhydrazone angesehen worden. Heute weiß man, daß es sich in beiden Fällen um Gemische von Tautomeren handelt, wobei sich die Gleichgewichte sehr rasch einstellen. +H+ l-Benzolazo-2-naphthol (Sudangelb t Schmelzpunkt 1340C) +H+ U - Benzolazo -1 -naphthol (Schmelzpunkt 2060C) HO 606 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Bei den entsprechenden p- und 0-Hydroxy-phenylazoverbindungen liegen keine Anhaltspunkte für das Vorkommen von Phenylhydrazonen vor, sie sind reine Azoverbindungen. Schmelzpunkt 152 0 C Schmelzpunkt 83 0 C Sowohl bei den Naphthol- wie auch bei den Phenol-azoverbindungen ist im Fall der o-Substitution die Acidität der Hydroxylgruppe stark vermindert, wie die Unlöslichkeit des l-Benzolazo-2-naphthols in wässeriger Lauge zeigt. Es wird hierfür eine Wasserstoffbrücke verantwortlich gemacht, die den Austritt des Protons erschwert und - im Falle der Tautomerie - nahezu unmöglich macht. Auf die intramolekulare Wasserstoffbrücke sind die Wasserdampfflüchtigkeit, Sublimierbarkeit und die relativ stark erniedrigten Schmelzpunkte der o-Isomeren gegenüber den pVerbindungen zurückzuführen (bei denen intermolekulare H-Brücken den Kristall fester zusammenhalten). Diazoaminobenzol, p-Aminoazobenzol Man löst 10g Anilin (0,11 mol) in der Mischung von 50 ml Wasser und 10 ml konzentrierter Schwefelsäure klar auf, kühlt ab und versetzt unter Eiskühlung mit der Hälfte der oben bereiteten Lösung von Benzoldiazoniumsulfat. Dazu fügt man unter Umrühren die Lösung von 50 g Na-acetat in 200 ml Wasser. Der nach Klärung der Flüssigkeit abgesaugte und mit Wasser gewaschene gelbbraune Niederschlag von Diazoaminobenzol wird erst auf Ton, dann im Vakuum scharf getrocknet, hierauf nach Zugabe von wenig Tierkohle aus Alkohol umkristallisiert. Man erhält gelbe Kristalle vom Schmelzpunkt 98 0 C. Eine Probe wird im Reagenzglas mit verdünnter Salzsäure erwärmt. Stickstoffentwicklung. Ferner erwärmt man in einem Reagenzglas 2 g trockenes Diazoaminobenzol in 5 g Anilin, dem man vorher 1 g trockenes, fein zerriebenes Anilinhydrochlorid zugesetzt hat, unter öfterem Umrühren V2 Stunde lang im Wasserbad auf 3O 0 C, dann ebenso lange auf 45 0 C. Wenn eine Probe jetzt, mit Salzsäure erwärmt, keinen Stickstoff mehr entwickelt, löst man das Anilin mit 24 ml 10proz. Salzsäure (6 ml konzentrierte und 18 ml Wasser) heraus. Das zurückbleibende rote Aminoazobenzolhydrochlorid wird aus der 100fachen Menge mit wenig Salzsäure versetztem heißem Wasser umkristallisiert. Durch Behandlung des Salzes mit Na-carbonat erhält man die orangegelbe Base. Helianthin (p-Dimethylaminoazobenzol-sulfonsäure) 15,9g (0,1 mol) Sulfanilsäure werden in 40 ml 2N Natronlauge gelöst; dazu fügt man die Lösung von 6,4 g Natriumnitrit in 80 ml Wasser. Unter Eiskühlung wird hierauf diese Lösung in 40 ml 2N Salzsäure eingegossen. Vorher hat man 9,5g Dimethylanilin in 80 ml 1N Salzsäure gelöst und bringt nun die Methylorange 607 oben bereitete Lösung von Na-diazobenzol-sulfonat mit der des Dimethylanilinsalzes zusammen. Wenn man hierauf bis zur deutlich alkalischen Reaktion Natronlauge zufügt, so scheidet sich sehr bald das Natriumsalz des Farbstoffs in schönen orangebraunen Kristallblättern ab. Man saugt nach mehrstündigem Stehen scharf ab und kann das schon ziemlich reine Präparat aus wenig Wasser Umkristallisieren. Die Ausbeute ist beinahe quantitativ. Man kann auch 15,9 g Sulfanilsäure, in 80 ml Wasser suspendiert, mit 9,5 g Dimethylanilin zur Lösung bringen und dann unter Eiskühlung die Nitritlösung langsam hinzufügen. Das Natriumsalz des Farbstoffs scheidet sich dann direkt aus. Der hier erhaltene Azofarbstoff ist der in der Alkalimetrie viel benutzte Indikator Methylorange. Die verdünnte gelbe Lösung des Helianthins wird mit Säuren rot. Das gelbe Natriumsalz leitet sich von der „Azo"-Form ab, während durch Zugabe von Säuren über das rote mesomere Zwitterion das rote Kation gebildet wird. alkalisch gelb neutral Zwitterion (rot) stark sauer mesomeres Kation (rot) Methylrot ist das analog aus diazotierter Anthranilsäure mit Dimethylanilin erhältliche Produkt. Beim Dimethylaminoazobenzol selbst („Buttergelb") und einigen anderen Azofarbstoffen ist eine krebserregende Wirkung beobachtet worden. Versuch: Reduktive Spaltung — 3 g Helianthin werden in möglichst wenig heißem Wasser gelöst; man fügt so lange von einer Lösung von 8g Zinn(ll)-chlorid in 20 ml konzentrierter Salzsäure in der Hitze hinzu, bis Entfärbung eingetreten ist. Beim Abkühlen und Reiben mit einem Glasstab kristallisiert Sulfanilsäure aus, die man nach einiger Zeit absaugt. Das Filtrat wird mit starker Lauge übersättigt und ausgeethert. Die mit einem Stückchen KOH getrocknete Etherlösung hinterläßt nach dem Abdampfen des Ethers das neben Sulfanilsäure entstandene Diamin, das durch die auf S. 577 angegebene Farbreaktion (Wursters Rot) nachgewiesen wird. Die Base wird beim Abkühlen kristallin. 608 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Zum Nachweis eignet sich auch das Acetylderivat, das durch kurzes Erwärmen der Rohbase mit V2 m' Essigsäureanhydrid im Wasserbad (Reagenzglas) erhalten wird. Mit Wasser verdünnen und die Essigsäure mit Natriumcarbonat abstumpfen. Dies ist nötig, weil die Acetylverbindung wegen der N(CH 3 ) 2 -Gruppe noch basischen Charakter hat. Farblose Kristalle, die aus Wasser umkristallisiert werden können, Schmelzpunkt 13O 0 C. Kongorot 4,6 g (2,5 mmol) Benzidin1 werden in 12 ml konzentrierter Salzsäure, die mit Wasser auf 100 ml verdünnt sind, heiß gelöst, weitere 150 ml Wasser hinzugefügt und die klare, auf 2—3 0 C abgekühlte Lösung mit 3,6 g (52 mmol) Natriumnitrit in 20 ml Wasser innerhalb einer Minute diazotiert. Die „Tetrazo"- (besser Bis-diazo-) Lösung läßt man nach 5 min unter Umrühren in die Lösung von 16g naphthionsaurem Natrium und 20g kristallisiertem Natriumacetat in 250 ml Wasser einlaufen. Wenn eine Probe der Flüssigkeit, mit Salzsäure erwärmt, keinen Stickstoff mehr entwickelt, wird der blauschwarze Niederschlag der Farbsäure mit Na-carbonat unter Erwärmen zum roten Natriumsalz aufgelöst, die Lösung filtriert und mit (nicht zu viel) Kochsalz ausgesalzen. Nach dem Absaugen wird mit Kochsalzlösung gewaschen. Salzsäure fällt aus der Lösung des Natriumsalzes die blaue Säure. Durch doppelte Diazotierung des Diamins und doppelte Kupplung mit 1-Aminonaphthalin-4-sulfonat entsteht der Grundkörper der Substantivfarbstoffe (Direktfarbstoffe), der die Baumwolle (Cellulose) direkt färbenden Benzidinfarbstoffe. Die gegenüber den bisher genannten Azofarbstoffen stark erhöhte Absorption auf der Faser beruht wohl auf der Länge der Farbstoffmoleküle, die überdies in der Flotte als kolloide Aggregate vorliegen. Anion des Kongorots (rot) NH, SOo protoniert (Zwitterion oder Kation: blau) Bei Zusatz von Säure tritt doppelte Protonierung zum mesomeren Zwitterion ein; da ein Molekül 2 positive Ladungen aufnehmen muß, ist eine höhere H+-Konzen1 Vorsicht! Benzidin ist cancerogen. Praktisch angewandte Farbstoffe 609 tration als beim Methylorange nötig, um den Indikatorumschlag von rot nach blau hervorzubringen (pH 3—4). Weitgehend waschechte Färbungen von Baumwolle und ihren hydrophoben Abkömmlingen (Acetatseide) erhält man auch durch Färben mit Dispersionsfarbstoffen, lipophilen, das heißt nicht ionisierenden Mono- und Bisazofarbstoffen, die mit der Faser in hydrophobe Wechselwirkung treten, ferner mit Küpenfarbstoffen, die sich aus der löslichen Leukoform nach Oxidation unlöslich niederschlagen (siehe Indigo, S. 654) oder mit Entwicklungsfarbstoffen. Hierbei zieht man kupplungsfähige Phenole, meist Naphthole, (ß-Naphthol AS, 2-Naphthol-l-carbonsäureanilid), die sich fest an die Baumwollfaser adsorbieren, als Salze auf und kuppelt nach Trocknung mit beliebigen Diazokomponenten zu besonders licht- und waschechten Färbungen. Alle diese Verfahren traten aber etwas in den Hintergrund, als die /tea/aMarbstoffe eingeführt wurden (ab 1955). Es handelt sich um Farbstoffe beliebigen Typs (Anthrachinone, Phthalocyarjine, hauptsächlich aber AzoVerbindungen), die eine reaktive Gruppe tragen, welche - bei schwach alkalischem Milieu - mit den Hydroxylgruppen der Baumwolle, natürlich auch mit Aminogruppen von Wolle und Seide unter Ausbildung einer Kovalenz reagieren. Als solche Gruppen können z. B. chlorierte Heterocyclen dienen, meistens Chlortriazine, in denen die Chloratome abgestuft nucleophil leicht substituierbar sind oder additionsfreudige Doppelbindungen, von denen die Vinylsulfongruppe genannt sei. Diese wird aus Schwefelsäureestern von jS-Hydroxysulfonen durch das Alkali beim Färbevorgang erzeugt. Als Beispiele seien hier nur das Procionbrillantorange GS und die Klasse der Remazolfarbstoffe genannt. SO3H (F)-SO2-CH2-CH2-O - SO3H JOH(F)-SO 2 -CH=CH 2 + SO^" Procionbrilliant orange (p) = Farbstoff molekül Als typischer Vertreter der Remazolfarbstoffe sei das Remazolgoldgelb G erwähnt, ein Azofarbstoff, der durch Kuppeln des diazotierten 4-Amino-2,5-dimethoxyphenyl/?-hydroxyethylsulfons mit einem substituierten Pyrazolon und Veresterung mit Schwefelsäure entsteht. CH HO3S N QCH 3 — - SO2-CH2-CH2-O-SO3H OCH3 Remazolgoldgelb G Als optische Aufheller („Weißmacher") bezeichnet man Fluoreszenzfarbstoffe, deren Absorptionsbande im UV-Bereich liegt. Sie kompensieren den Gelbstich der 610 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der DiazoVerbindungen Fasern indem sie den UV-Anteil des auffallenden Lichts in blau-violettes, sichtbares Fluoreszenzlicht umwandeln. Der Struktur nach leiten sie sich vom 2-Pyrazolin (Kap. XIV), vom Cumarin (Kap. XV) oder - wie Blankophor ® BBH - vom Stuben ab. Blankophor® BBH Kupplung mit einfachen Anionen Einige Anionen kuppeln mit Diazoniumsalzen zu stabilen Azoverbindungen. Mit Hydroxidionen entstehen Diazohydroxide, mittelstarke Säuren, die an weitere OH ~lonen Protonen unter Ausbildung von Diazotatanionen abgeben. Alkalidiazotate scheiden sich in vielen Fällen aus genügend konzentrierten Lösungen kristallin ab. Das mesomere Anion ist natürlich zur (elektrophilen) Kupplung zu Azoverbindungen nicht mehr befähigt. Da seine Bildung reversibel ist, entsteht mit Mineralsäure wieder das Diazoniumion. Dieser Vorgang läuft erheblich langsamer ab, wenn die alkalische Diazotatlösung einige Zeit erwärmt worden ist. Man hat anzunehmen, daß aus dem zunächst gebildeten reaktionsfähigeren (Z)-(cw-, syn-)Diazotat die stabilere reaktionsträge (E)-(trans-, anti-)Form entstanden ist. ^OH rasch cis-Diazohydroxid H+I-H+ N=N trans-Diazohydroxid N=N" N = Nx trans -Diazotat eis-Diazotat Als ambidente Anionen geben die Diazotate mit Säurechloriden N-Nitrosoacylamine. e N =O Ar-N^N^O + RCOCl--Ar-N -* v v c?L Diazohydroxide 611 Mit Sicherheit ist die Existenz von (Z)- und (E)-Diazotaten im festen Zustand erwiesen. Dem im folgenden Präparat aus /7-Nitrobenzoldiazoniumchlorid durch 4 N Natronlauge erhaltenen kristallisierten Salz wird die E-Konfiguration zugeschrieben. Die goldgelbe Farbe weist auf eine Beteiligung der Nitrogruppe an der Mesomerie hin. Natrium-p-nitrophenyl-( E)-(anti)-diazotat 14g p-Nitranilin (0,1 mol) werden in der Hitze in 60 ml Salzsäure (30 ml konzentrierte und 30 ml Wasser) gelöst; die Lösung gießt man auf 80 g Eis, die sich in einem kleinen Filtrierstutzen befinden. Man diazotiert nun bei 5—1O 0 C mit der Lösung von 8 g Natriumnitrit in 20 ml Wasser, die man unter kräftigem Rühren auf einmal hinzufügt, und läßt, nachdem man sich von der Vollendung der Reaktion überzeugt hat, die Diazoniumsalzlösung unter Umrühren in 400 ml auf 40—5O 0 C erwärmte etwa 4N Natronlauge einfließen. Während des Erkaltens kommt das (E)-Diazotat in schönen goldgelben Blättchen zur Abscheidung. Nach mehrstündigem Stehen saugt man das Salz ab und wäscht es mit gesättigter Kochsalzlösung. Es ist nach dem Trocknen auf Ton beliebig lange haltbar und wird durch Auflösen in Alkohol von 6O 0 C, Abfiltrieren des ungelösten Salzes und Abdampfen des Alkohols rein erhalten. Ausbeute 18g (90%). Von den neutralen aromatischen Diazoverbindungen verdienen die Carbonsäureester der Diazohydroxide Erwähnung, z. B. das viel untersuchte Benzoldiazoacetat (Bamberger, Huisgen). Die sehr leicht unter N2-Abgabe und Phenylierung des Lösungsmittels (S. 618) zerfallende Verbindung, die bei normaler Temperatur nicht isoliert werden kann, entsteht in der E-Konfiguration bei der spontanen Umlagerung von AT-Nitrosoacetanilid und (wahrscheinlich in der Z-Form) aus Diazoniumion und Acetat. Die Diazoacetate kuppeln in nicht-wässerigen Lösungsmitteln rasch, z. B. mit Phenolen oder intramolekular sogar gegen räumlich günstig gelagerte Methylgruppen (Indazol aus AT-Nitrosoaceto-o-toluidid, S. 658). Indazol Weitere gut untersuchte neutrale Diazoverbindungen sind die Diazocyanide. Diazotiertes /?-Nitro- oder /7-Halogenanilin gibt in der Kälte mit Cyanid in Wasser 612 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen schwerlösliches niedrigschmelzendes (Z)-Diazocyanid, das sich schon beim Lagern, rasch beim Erwärmen in Lösung in hochschmelzendes (E)-Diazocyanid umlagert (folgendes Präparat). P-X-C6H4N2+ CN " > P-X-C6H4 CN -> P-X-C6H, CN N=N (Z)- und (E)-Diazocyanide (Z)-p-Nitrobenzol-diazocyanid Man suspendiert 13,8g (0,1 mol) gut gepulvertes p-Nitranilin in 45ml konzentrierter Salzsäure +45 ml Wasser. Bei 0° bis +4 0 C gibt man unter gutem Rühren langsam eine Lösung von 6,9g Na-nitrit in 1OmI Wasser zu. Man erhält eine fast klare Lösung, die man sofort filtriert. Die Lösung wird, um Erstarren zu vermeiden, mit 50 ml Alkohol versetzt und im Trockeneisbad auf -10 bis -15 0 C gekühlt. Zur gekühlten Lösung tropft man unter starkem Rühren und Einleiten von Stickstoff eine kalte Lösung von 13g Kaliumcyanid in 25 ml Wasser. Dabei fällt ein helloranger Niederschlag aus, der abgesaugt und rasch mit kaltem Wasser gewaschen wird. Man preßt ihn auf Ton ab, löst sofort in Ether, trocknet mit Mg-sulfat, filtriert, versetzt mit etwa der gleichen Menge Benzin (40°C) und kühlt in Methylenchlorid-CO2. Es kristallisieren 3,5-4 g (ca. 23%) von (Z)p-Nitrobenzoldiazocyanid, die bei 47— 48 0 C schmelzen. Läßt man die Kristalle bei Raumtemperatur stehen, so wird die Substanz allmählich dunkler, der Schmelzpunkt sinkt innerhalb von 24h auf 29—3O 0 C (Mischschmelzpunkt) und liegt nach 4 Tagen bei 79-8O0C (E-Form). (E)-p-Nitrobenzol-diazocyanid 500mg der Z-Verbindung (Schmelzpunkt 47-480C) werden in 50 ml Benzol 15min unter Rückfluß gekocht. Nach dem Abdampfen im Vakuum hinterbleibt ein rotbrauner Kristallrückstand, der aus Benzol-Benzin (4O 0 C) umkristallisiert wird. Man erhält 400 mg (80%) orange-rote Nadeln vom Schmelzpunkt 85-860C. (Z)-p-Chlorbenzol-diazocyanid 12,7 g (0,1 mol)p-Chloranilin werden, wie voranstehend beschrieben, mit 6,9g NaNO2 in 10 ml Wasser diazotiert. Zur klaren Lösung gibt man bei -1O 0 C 50 ml Alkohol und langsam unter starkem Rühren unter Stickstoff die Lösung von 13g Kaliumcyanid in 25 ml Wasser. Man erhält 3-3,5 g (ca. 20%) Z-Verbindung vom Schmelzpunkt 25-26 0 C. Nach Umkristallisieren aus Ether- Benzin hellorange Nadeln. (E) -p- Chlorbenzol -diazocyanid Die c/s-Verbindung wird in Benzol 15min unter Rückfluß gekocht, der Abdampfrückstand aus Benzin (60— 95 0 C) umkristallisiert: orange Prismen vom Schmelzpunkt 103 0C. Ausbeute fast quantitativ. Diazocyanide 613 (Z)-p-Brombenzol-diazocyanid 17,2g (0,1 mol) p-Brom-anilin geben bei gleichartiger Reaktion etwa 3,5g Z-Verbindung vom Schmelzpunkt 45—46 0 C. Nach Umkristallisieren aus Ether-Benzin hellorange Nadeln. (E)-p-Brombenzol-diazocyanid Es wird analog der p-Chlorverbindung durch Umlagerung erhalten. Schmelzpunkt 131 bis 132 0 C. Zu den Anionen, die mit Diazoniumsalzen kovalent kuppeln, gehören auch Arsenit AsO3"' und Sulfit SO3"". Über das Phenyl-(E)-diazosulfonat, C6H5-N=N-SO3" geht die als Präparat auf S. 621 ausgeführte Synthese des Phenylhydrazins. Mit Azid entstehen die unbeständigen Diazoazide (siehe S. 614), mit Thiolen entstehen Diazothiolate, R-S-N=N-Ar. Reaktionen unter Stickstoffabgabe Die Tendenz zur Abspaltung elementaren Stickstoffs verleiht der Kohlenstoff-NflBindung eine gewisse Labilität. Schon bei Zimmertemperatur zerfallen viele Diazoniumionen langsam in Stickstoff und Arylkationen, die sofort nucleophile Teilchen, in Wasser H2O-Moleküle, binden (SN l-Reaktion). Diese Reaktion dient, durch Temperaturerhöhung beschleunigt, als „Verkochung" zur Gewinnung von Phenolen. Zusatz von Säure verhindert eine als Nebenreaktion mögliche Kupplung von Diazoniumsalz mit dem Phenol. Sind nucleophile Anionen anwesend, so treten auch Produkte ihrer Bindung an das Arylkation auf, deren Menge von der Nucleophilie abhängt. Das relativ schwach nucleophile Chloridion erzeugt nur wenige Prozente an Halogenaromaten, Bromid führt zu einer erhöhten Menge, lodid läßt den lodaromaten als Hauptprodukt entstehen. Mit Hydrogensulfid, SH" entstehen Thiole, aus den festen Diazoniumtetrafluoroboraten beim Erhitzen Fluoraromaten (Schiemann-Reaktion). Nimmt man die Phenolverkochung in Gegenwart von Alkoholen vor, so entstehen als Nebenprodukte aliphatische Ether, primäre Alkohole wirken dabei auch reduzierend, so daß die den Diazoniumsalzen zugrunde liegenden Kohlenwasserstoffe entstehen. Zur präparativen Reduktion wendet man in manchen Fällen besser Stannit, Ameisensäure oder unterphosphorige Säure, H 3 PO 2 , an. In die Tab. 4 ist auch die Substitution durch Arsenit zu Arsonsäuren (Bart-Reaktion) und die durch Azid zu Arylaziden aufgenommen, die jedoch anders, über eine Kupplung zum instabilen Diazoazid (unter partieller Beteiligung des Arylpentazols, siehe S. 662), verläuft. 614 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Tabelle 4 Substitutionen des Stickstoffs in Aryldiazoniumionen ArISI2 + H2O Cl ~, Br~ > > ArOH ArCI, ArBr (wenig) ArI ISHBF4 Na2SnO2 H 3 PO 2 u.a. CH 3 OH AsO 3 H 2 N3 > > > > \ > > > ArSH ArF + BF3 (Schiemann-Reaktion) , J ArOCH 3 ArAsO 3 H 2 ArN 3 + N 2 (+ArH + CH 2 O) (Bart Reaktion) (über Diazoazid, u n d Arylpentazol Ar—N ^ l Katalyse mit Cu + (Sandmeyer-Reaktion) oder Cu-Metall (Gattermann-Reaktion) CuCI(+ Cl-), CuBr(+ Br-) K 3 [Cu(CN) 4 ] NO2 > > ArCI, ArBr ArCN SO3- Im unteren Teil der Tabelle sind die durch Kupfer(I)-Salze oder durch Kupferpulver katalysierten Substitutionsreaktion (Sandmeyer-Reaktion, GattermannReaktion) mit aufgeführt, denen Radikalmechanismen zugrunde liegen. Man nimmt an, daß Cu + oder Cu0 das Diazoniumion durch Übertragung eines Elektrons reduzieren, worauf es unter homolytischer N2-Abspaltung ein Arylradikal ergibt. Das beim Redoxvorgang entstandene Cu(II)-ion erhält ein Elektron zurück durch die Reaktion des Arylradikals mit dem in der Nähe befindlichen geeigneten Anion, hier Cl~, aber auch Br", NO^ oder CN". Ar-N=N Ar-N=NAr+ C|-Cu + + C|+ Cu + CI+ Cl > > > Ar-N=NN2 ArCI + Ar+ Cu+ CI' + CuCI2 Eine wie beim Präparat S. 604 bereitete Lösung von Benzoldiazoniumsulfat wird zu gleichen Teilen für die beiden folgenden Präparate verwendet. Reaktion der Diazoniumsalze mit Wasser und lodid Phenol aus Anilin 615 Die Hälfte der Diazoniumsalzlösung (S. 604) wird bei 40—5O 0 C solange stehen gelassen, bis die Stickstoffentwicklung aufgehört hat. Nun wird das entstandene Phenol mit Wasserdampf überdestilliert. Wenn etwa 400 ml Destillat übergegangen sind (negative FeCI3-Reaktion) sättigt man es mit Kochsalz, ethert mehrere Male aus, trocknet die Etherlösung mit CaCI2 und destilliert bei Normaldruck. Es gehen bei 183 0 C 6—7 g (~70% d.Th.) Phenol über, das alsbald erstarren muß (Schmelzpunkt 42 0 C). lodbenzol, lodosobenzol, lodobenzol Die Hälfte der auf S. 604 bereiteten Lösung von Benzoldiazoniumsulfat wird im 500-mlRundkolben mit der Lösung von 15 g Kaliumiodid in 20 ml Wasser einige h unter Wasserkühlung aufbewahrt. Dann erwärmt man mit aufgesetztem Kühler auf dem siedenden Wasserbad bis die Stickstoffentwicklung aufhört, macht mit konzentrierter Natronlauge stark alkalisch, um mitgebildetes Phenol zu binden und destilliert das lodbenzol mit Wasserdampf über. Nach Trennung im Scheidetrichter und Ausethern trocknet man mit Calciumchlorid und destilliert. Siedepunkt 189-190 0C, Ausbeute 14—16 g (~67% d.Th.) Phenyliodidchlorid. 3 g lodbenzol werden in 15 ml Chloroform gelöst. Unter Eiskühlung leitet man aus der Bombe Chlor ein, bis keine Absorption mehr erfolgt. Die schönen hellgelben Kristalle, [C6H5ICI] + CI', werden abgesaugt, mit Chloroform gewaschen und auf Filtrierpapier an der Luft getrocknet. lodosobenzol. 2 g Phenyliodidchlorid werden in einer Reibschale mit 10 ml 3N NaOH gut zerrieben. Nach dem Stehen über Nacht saugt man das gebildete lodosobenzol ab, wäscht mit Wasser aus und trocknet auf Ton. Die Substanz ist nicht kristallin. (C6H5ICI)+CI+ 2OH> C 6 H 5 IO + H 2 O + 2CI~ Aus dem alkalischen Filtrat (ohne die Waschwässer) fällt beim Einleiten von Schwefeldioxid — zur Reduktion des gebildeten lodats — ein farbloses Salz, das nach einigem Stehen abgesaugt und aus heißem Wasser umkristallisiert wird: Diphenyliodoniumiodid. lodobenzol. Die Hauptmenge des dargestellten lodosobenzols wird, mit wenig Wasser zu einem Brei angeteigt, im Rundkolben mit strömendem Wasserdampf behandelt, bis alle Substanz gelöst und das gebildete lodbenzol übergegangen ist. Die (wenn noch trüb, heiß filtrierte) Lösung wird auf dem Wasserbad eingedampft, bis aus einer abgegossenen Probe im Reagenzglas beim Abkühlen reichlich lodobenzol duskristallisiert. Die lodoniumbasen entstehen allgemein aus lodoso- und lodoverbindung in Gegenwart von Alkalien; die beiden Jodhaltigen Moleküle vereinigen sich unter Abspaltung von lodat. C6H5I^O + O 2 IC 6 H 5 lodobenzol NaOH > [C 6 H 5 -I-C 6 H 5 J + OHDiphenyliodoniumhydroxid + NaIO3 Naiodat lodosobenzol 616 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen lodobenzol stammt aus lodosobenzol, aus dem es durch intermolekulare Disproportionierung neben lodbenzol gebildet wird. C 6 H 5 IO + 0IC6H5 -> C6H5I + C6H5I Diese Reaktion findet in geringem Umfang schon in der Kälte statt und so erklärt sich das Auftreten der lodoniumbase, deren lodid isoliert wird, als Nebenprodukt bei der Darstellung von lodosobenzol. Die lodoso- und namentlich die lodoverbindungen verpuffen beim Erhitzen. Aus angesäuerter Kaliumiodidlösung setzen sie die äquivalente Menge lod in Freiheit, wobei sie in lodbenzol zurückverwandelt werden. Die lodoniumionen entsprechen den Ammonium-, Sulfonium- und Oxoniumionen. Auch Diphenylchloroniumchlorid ist beständig. Diphenyliodoniumiodid zerfällt beim Erhitzen in exothermer Reaktion in 2 Moleküle C 6 H 5 I. Versuch mit einer kleinen Probe im Reagenzglas ! Die aromatischen Verbindungen des mehrwertigen lods hat man lange Zeit für eine Monopolklasse der aromatischen Chemie angesehen, bis Thiele (1909) die ganze Verbindungsreihe auch bei den Olefinen, im einfachsten Beispiel am Chloriodethylen ClCH=CHI kennen lehrte. Selbst Methyliodid vermag bei tiefer Temperatur Chlor anzulagern, aber dieses Produkt zerfällt leicht und zwar in Methylchlorid und Chloriod (Ersatz von lod durch Chlor, vgl. dagegen die Finkelstein-Reaktion auf S. 167). Die Derivate des mehrwertigen lods werden erst beständig, wenn das lod, wie der Stickstoff bei Diazoniumionen, an einem sp2-hybridisierten C-Atom haftet. Die Herstellung über das Diazoniumion ist nicht der einzige Weg zur Einführung von lod in den aromatischen Ring. Die direkte oxidative elektrophile Substitution am Benzol durch lod in rauchender Salpetersäure als bequemste Synthese des lodbenzols ist schon auf S. 233 erwähnt. p-Tolunitril aus p-Toluidin (Sandmeyer-Reaktion) In einem Kolben von 2 I Inhalt löst man unter Erhitzen auf dem Wasserbad 50 g Kupfersulfat (0,2 mol) in 200 ml Wasser auf und fügt unter fortwährendem Erwärmen allmählich eine Lösung von 55g Kaliumcyanid (0,85 mol) in 10OmI Wasser hinzu. Da sich hierbei Dicyan entwickelt, führe man diese Reaktion unter dem Abzug aus. Während die komplexe Kupfer(I)-cyanidlösung auf dem Wasserbad auf 60-7O0C weiter erhitzt wird, stellt man sich eine p-Toluoldiazoniumchloridlösung in der folgenden Weise her: 21,4 p-Toluidin (0,2 mol) werden mit einer Mischung von 50g konzentrierter Salzsäure und 150 ml Wasser bis zur Lösung erhitzt, worauf die Flüssigkeit ins Eisbad eingetaucht und mit einem Glasstab lebhaft umgerührt wird, damit sich das salzsaure Toluidin möglichst feinkristallin abscheidet. Man fügt dann unter Kühlung mit Eis so lange eine Lösung von 16g Natriumnitrit in 80 ml Wasser zu, bis man eine bleibende Reaktion auf salpetrige Säure mit Kaliumiodid-Stärkepapier erhält. Das so erhaltene Diazoniumchlorid fügt man dann aus einem Kolben etwa im Laufe von 10 min unter kräfti- Sandmeyer- und Schiemann-Reaktion 617 gern Umschütteln zu der warmen Kupfer(l)-cyanidlösung. Nachdem man noch etwa 15min mit aufgesetztem Steigrohr auf dem Wasserbad erwärmt hat, treibt man das Tolunitril mit Wasserdampf über (Abzug, HCN!). Man ethert aus, schüttelt die Etherlösung zur Entfernung von mitgebildetem p-Kresol zweimal mit 2 N Natronlauge durch, verdampft den Ether und beseitigt das die Gelbfärbung des Präparats verursachende Azotoluol durch Schütteln des warmen Rückstandes mit der Lösung von 4 g Zinn(ll)chlorid in 10 ml konzentrierter Salzsäure. Dann verdünnt man mit Wasser, saugt das bald erstarrende Tolunitril ab und trocknet auf Ton. Wenn das Präparat teilweise ölig bleibt, nimmt man in Ether auf, schüttelt die Etherlösung zur Entfernung von aufgenommenem SnCI2 nochmals mit Lauge, trocknet sie und unterwirft schließlich das Nitril der Destillation. Siedepunkt 218 0 C, Schmelzpunkt 29 0 C. Ausbeute 12-14 g (~65%). Benzonitril. Auf analoge Weise läßt sich mit etwa der entsprechenden Ausbeute die Diazoniumchloridlösung von 18,6 g Anilin in Benzonitril überführen. Flüssigkeit vom Siedepunkt 1860C. p-Toluylsäure. Wer nicht schon früher die Verseifung eines Nitrils zur Säure (Benzylcyanid -+ Phenylessigsäure, S. 326) ausgeführt hat, soll diese Reaktion hier kennenlernen. 5,9 g Tolunitril (0,05 mol) werden nach und nach in die Mischung von 20 ml konzentrierter Schwefelsäure mit 10 ml Wasser, die sich in einem kleinen Rundkolben befindet, eingebracht und unter Rückfluß auf dem Drahtnetz oder Sandbad etwa 1 Stunde lang im Sieden gehalten. Nach dem Erkalten verdünnt man mit Wasser, saugt die kristallisierte p-Toluylsäure ab, beseitigt etwa beigemengtes Amid durch Lösen des Rohprodukts in verdünnter Lauge und Filtrieren und fällt das Filtrat mit Salzsäure. Ein reines Produkt erhält man, wenn man die Verseifung bei 15O 0 C (im Ölbad) 5 h lang vor sich gehen läßt. Zur Reinigung löst man, ohne vorher zu trocknen, in möglichst wenig siedendem Alkohol, spritzt so viel Wasser zu, daß eben keine Trübung eintritt und kocht noch einige min mit wenig Tierkohle, die man jedoch nicht in die siedende Lösung eintragen darf. Die beim Abkühlen der filtrierten Lösung auskristallisierende Säure schmilzt bei 177 0 C. Ausbeute 4g (-60%). Fluorbenzol (Schiemann-Reaktion) — -F HBF Die Lösung aus 20g wie oben diazotiertem Anilin wird mit 60 ml einer etwa 40proz. wässerigen Borfluorwasserstoffsäure versetzt. Der Kristallbrei wird nach 30 min abgesaugt und mit wenig eiskalter Borfluorwasserstoffsäure, dann mit Alkohol und Ether gewaschen. Der Destillierkolben, in dem anschließend die thermische Zersetzung erfolgt, trägt ein Thermometer und ist mit einer Eis-Kochsalz gekühlten Vorlage dicht verbunden, welcher noch zwei mit verdünnter Natronenlauge beschickte Wasserflaschen angeschlossen sind. 34g des gut getrockneten Diazoniumfluoroborats werden mit fächelnder Flamme vorsichtig zersetzt; die Geschwindigkeit kann an der Blasenfolge in den Waschflaschen abgeschätzt werden. Es gehen zwischen 75 0 C und 87 0 C 12,8g rohes Fluorbenzol über. Es wird mit 2N Natronlauge durchgeschüttelt und über geglühtem Na2SO4 getrocknet, sodann fraktioniert destilliert. Dabei erhält man 8 g (ca. 50%) farblose Flüssiakeit vom Siedeounkt 85 0 C / 760 Torr. 618 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Die Fluorierung von Aromaten durch elektrophile Substitution des Wasserstoffs läßt sich wegen der großen Reaktivität des Fluors nicht durchführen. Zur Einführung des Fluors ist die thermische Zersetzung der Diazoniumfluorkomplexsalze, vorwiegend der Tetrafluoroborate nach Schiemann die einzige zuverlässige Methode. Anstelle der Tetrafluoroborate können auch Pentafluorosilikate oder Hexafluorophosphate zersetzt werden. Man kann die Reaktion als elektrophile Substitution des Fluorids im Komplex durch das Arylkation formulieren Ar + + FBF3 > ArF + BF3 Das im Aromaten gebundene Fluor ist äußerst reaktionsträge, befinden sich aber in o- und /^-Stellung elektronenanziehende Substituenten, so kann es leicht nucleophil substituiert werden. Das aus Fluorbenzol durch energische Nitrierung erhältliche l-Fluor-2,4-dinitrobenzol wird zur Dinitrophenylierung endständiger Aminogruppen bei Proteinen und Peptiden verwendet (Sangers Reagens). Selbst stark elektronenanziehend, verleiht Fluor den ^-ständigen H-Atomen z.B. im Fluorbenzol beträchtliche Protonenbeweglichkeit, so daß ein Proton durch starke Basen abgelöst wird. Sehr starke Basen wie Alkali-amide reagieren auch mit dem 0-ständigen Wasserstoff von CWöraromaten. Die sich daran anschließenden Reaktionen des Dehydrobenzols und der Arine sind auf S. 282 besprochen. p-Chlorbiphenyl 15g p-Chloranilin (~0,12 mol) werden in 60 ml Eisessig warm gelöst und mit 40 ml Acetanhydrid versetzt. Nach einigen min kühlt man auf O 0C, wobei sich das Acetylderivat kristallin ausscheidet. In die Suspension leitet man nitrose Gase ein, die man sich durch langsames Zutropfen etwa GOprozentiger Schwefelsäure zu Natriumnitrit, am besten in einer Saugflasche, unter Zwischenschaltung einer leeren Waschflasche, bereitet. Im Laufe von 20 bis 30 min erhält man eine klare grüne Lösung, aus der beim weiteren Einleiten das /V-Nitroso-p-chlor-acetanilid auszukristallisieren beginnt. Der beim Zusatz von 70 ml Eiswasser erhaltene Kristallbrei wird abgesaugt, nach dem Auswaschen mit Wasser scharf abgepreßt und in 200 ml Benzol gelöst. Man schüttelt die Lösung bei Raumtemperatur 10min unter Zusatz von 10g geglühtem Natriumsulfat, filtriert unter gelindem Saugen und wäscht mit 50 ml Benzol nach. Nach 24h ist die spontane Stickstoffentwicklung abgeschlossen. Die dunkle Lösung wird mit Wasser gewaschen, alsdann auf dem Wasserbad das Benzol möglichst vollständig abdestilliert. Bei der anschließenden Vakuumdestillation des Rückstands im Schwertkolben mit Claisenaufsatz ist die Ölbadtemperatur sorgfältig zu regulieren wegen der Gefahr des Schäumens. Bei 151—154 0 C / 1 1 mm gehen 10g Chlorbiphenyl als beim Erkalten erstarrendes Öl über. Nach Umlösen aus wenig siedendem Alkohol derbe Tafeln von aromatischem Geruch, die bei 78 0 C schmelzen. Bei der eigentlichen Gomberg-Reaktion, die gewöhnlich schlechtere Ausbeuten liefert, wird aus einem Diazoniumsalz durch Zusatz von Lauge in Gegenwart des zu Gomberg-Reaktion 619 arylierenden flüssigen oder gelösten Aromaten unter guter Durchmischung das Diazohydroxid erzeugt, das unter homolytischer Stickstoffabspaltung das reaktive Arylradikal liefert. Bei der hier ausgeführten homogenen Arylierung macht man von der spontanen Umlagerung der Nitrosoacyl-arylamine zu Diazoacylaten Gebrauch (S. 611), die ebenfalls unter Radikalbildung zerfallen. -N2 = N-0-CO-CH 3 Entsprechende Phenylierungsreaktionen können auch mit Phenylazo-triphenylmethan oder mit Dibenzoylperoxid ausgeführt werden. In allen Fällen werden mit Vorzug o- und /^-Stellung zu einem bereits vorhandenen Substituenten besetzt unabhängig von dessen Natur. Ebenfalls radikalischer Natur ist die durch Kupfersalze katalysierbare MeerweinArylierungsreaktion, bei der sich die Bestandteile eines Diazoniumchlorids nach N2Abspaltung an geeignet reaktive olefinische Doppelbindungen anlagern. Das z.B. aus Acrylnitril und Benzoldiazoniumchlorid entstehende 2-Chlor-3-phenylpropionitril kann HCl abspalten, wodurch Zimtsäurenitril, das Produkt der Phenylierung des Olefins gebildet wird. H2C = CH-CN = CH-CN 620 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen + In einem 1 -I-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter und Rückflußkühler bringt man die Lösung von 25g (0,14mol) Anthracen und 19,5g (22ml, 0,17mol) Isoamylnitrit in 400 ml 1,2-Dichlorethan zum Sieden und tropft in 30 min die filtrierte Lösung von 20 g (146mmol) Anthranilsäure in 10OmI Diethylenglykoldiethylether zu. Nach weiteren 20 min Kochen setzt man einen absteigenden Kühler auf und destilliert, bis die Siedetemperatur 150—16O 0 C erreicht hat. Dann wird etwas abgekühlt und nach Zusatz von 10g Maleinsäureanhydrid 2—3 min zum Sieden erhitzt. Nun kühlt man mit einem Eisbad, fügt die Lösung von 40g Kaliumhydroxid in 500 ml Methanol/Wasser 2:1 hinzu und saugt die auf 0-1O0C gekühlte schwarze Mischung ab. Der Filterrückstand wird mit ca. 10OmI Methanol/Wasser (4:1) gewaschen, bis das Filtrat farblos ist. Das rohe Triptycen wird bei 10O 0 C getrocknet und wiegt ca. 20 g (54%), Schmp. 251-2540C. Zur Reinigung wird es in 200 ml Methylethylketon unter gelindem Erwärmen gelöst, mit 2—3 g Aktivkohle behandelt und filtriert, auf 140 ml eingeengt, mit 160 ml Methanol versetzt und bei O 0 C kristallisiert. Das Triptycen wird abgesaugt und mit 60 ml kaltem Methanol gewaschen: 15,6g (42%) vom Schmp. 254-2550C. Aus dem Diazonium-Betain der Anthranilsäure kann man das instabile Dehydrobenzol (siehe S. 283) gewinnen, das Wittig zuerst als Produkt der Behandlung von oBromfluorbenzol mit Lithiumamalgam nachgewiesen hat. Es wird allgemein durch eine Diensynthese, hier mit Anthracen abgefangen. Dabei entsteht das schön symmetrische Triptycen. Überschüssiges Anthracen wird zuvor durch eine Diensynthese mit Maleinanhydrid entfernt. Reduktion des Diazoniumions Auf S. 613 wurde erwähnt, daß die „Verkochung" von Diazoniumverbindungen in Gegenwart von Reduktionsmitteln (Ethanol, Hypophosphit, Ameisensäure) Was- Reduktion der Diazoniumsalze, Phenylhydrazin 621 serstoff anstelle des Stickstoffs treten läßt. Als geeignetes Reduktionsmittel verwendet man im folgenden Präparat - wie schon Peter Griess, der Entdecker der Diazoniumsalze - Ethylalkohol. 1,3,5-Tribrombenzol aus Tribromanilin 33g (0,1 mol) 2,4,6-Tribromanilin werden in einem 1-I-Dreihalskolben mit Rückflußkühler, Rührer und Einlaß-Stopfen in 200 ml 95proz. Alkohol plus 50 ml Benzol durch Erwärmen auf dem Dampfbad gelöst. Dann tropft man 14ml konzentrierte Schwefelsäure zu und gibt dann portionsweise 14g (0,2 mol) Na-nitrit so rasch zu, daß die Flüssigkeit nicht hochsiedet. Dann erhitzt man 1 Stunde über das Ende der Gasentwicklung hinaus zum Sieden. Jetzt wird im Eisbad gekühlt und nach 1 h das Kristallisat abgesaugt. Man wäscht auf der Nutsche mit 10proz. Schwefelsäure, saugt dann ab und wäscht mit Wasser. Man erhält 24g (72%) rotbraunes kristallines Rohprodukt. Zur Entfärbung wird es aus 300 ml siedendem Eisessig, dem 50 ml Wasser zugesetzt sind, unter Verwendung von Tierkohle umkristallisiert. 21 g leicht gelbe Kristalle vom Schmelzpunkt 121 0 C. Die DiazoVerbindungen lassen sich auch unter Erhaltung der N,N-Bindung zur Stufe des Hydrazins reduzieren. Phenylhydrazin, das wichtigste aromatische Derivat des Hydrazins wurde erstmalig von E. Fischer wie im folgenden Präparat erhalten. Das klassische Verfahren mit Na-sulfit als Reduktionsmittel geht über das Kupplungsprodukt Phenyl-(E)-diazosulfonat, das häufig zu Anfang der Reaktion in schönen orangegelben Kristallen herauskommt. In zweiter Stufe wird aus einem zweiten mol Sulfit im Ansatz durch Salzsäure schweflige Säure freigesetzt, die sich an die Azodoppelbindung anlagert. Hydrolytische Abspaltung beider AT-Sulfonsäurereste als Schwefelsäure hinterläßt das reduzierte Produkt. NH-NH3 + H2SO4 Phenylhydrazin 47 g Anilin (0,5 mol) werden in 100 ml konzentrierter Salzsäure, die mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt sind, gelöst und wie z.B. auf S. 61 6 beschrieben, mit der Lösung von 38 g (0,55 mol) Natriumnitrit in 100 ml Wasser unter guter Kühlung diazotiert. Vorher hat man eine möglichst gesättigte wässerige Lösung von 1,25 mol = 158 g neutralem wasserfreiem oder 315g kristallwasserhaltigem (7H 2 O) Natriumsulfit bereitet, deren Gehalt der Menge der angewandten Salzsäure entspricht; es ist dies ein Überschuß von 25% über den stöchiometrischen Bedarf. Die frisch bereitete Diazoniumchlorid- 622 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der DiazoVerbindungen lösung gießt man rasch in die kalte Sulfitlösung ein, die sich in einem 2-l-Rundkolben befindet. Die orangerote Lösung, die entsteht, darf sich, wie an einer Probe im Reagenzglas zu prüfen ist, beim Kochen nicht trüben. Ist dies doch der Fall, so muß mehr Sulfit zugefügt werden. Man setzt nun unter Umschütteln nach und nach 100 ml konzentrierte Salzsäure zu, wobei der Farbton der Lösung in Gelb umschlägt. Dann erhitzt man auf dem Wasserbad, fügt einige ml Eisessig hinzu und hellt durch Zusatz von wenig Zinkstaub die Farbe der Lösung auf. Die heiß filtrierte Flüssigkeit wird alsbald mit 300 ml konzentrierter Salzsäure versetzt und langsam erkalten gelassen. Der Kristallbrei von Phenylhydrazoniumchlorid wird auf der Nutsche abgesaugt, möglichst scharf abgepreßt, mit Salzsäure (1 Volumen konzentrierte HCI+ 3 Volumen Wasser) gewaschen und alsbald in einem Scheidetrichter mit 15OmI 4N Natronlauge unter Ether zersetzt. Man ethert zweimal nach, trocknet die Etherlösung der Base mit geglühtem Kaliumcarbonat und destilliert schließlich das Phenylhydrazin im Vakuum. Sdp. 12O 0 C / 12 Torr. Ausbeute rund 30g (28%). Das Präparat muß beim Einstellen in kaltes Wasser nach kurzer Zeit vollkommen erstarren und soll sich in verdünnter Essigsäure ohne Trübung lösen. Schmp. 23 0 C. Eine zweite Methode zur Darstellung von Phenylhydrazin stammt von V. Meyer, derzufolge Diazoniumchloride in stark salzsaurer Zinn(II)-chloridlösung zu Arylhydrazinen reduziert werden. Man beachte den Unterschied der Reaktionsweise von Zinn(II)-salz in saurer und alkalischer Lösung. Phenylhydrazin ist ein wichtiges technisches Präparat (Antipyrin, Pyramidon u.a.) und wird im Laboratorium oft als Charakterisierungsreagenz für Carbonylverbindungen benutzt. Da es stark giftig ist, hüte man sich vor dem Kontakt mit der Haut und vor den Dämpfen! Die Darstellung von Benzaldehyd-phenylhydrazon wird auf S. 347 beschrieben. 2,4-Dinitrophenylhydrazin, das noch schwerer lösliche Hydrazone gibt, wird durch nucleophile Substitution des Chlors durch Hydrazin aus l-Chlor-2,4-dinitrobenzol erhalten (Präp. S. 279). Phenylhydrazin hat in der Zuckerchemie eine hervorragende Rolle gespielt. Bemerkenswert ist seine mehrfache Einwirkung auf Aldosen oder Ketosen, die unter formaler Oxidation des Zuckers und Reduktion eines Moleküls (zu NH 3 und Anilin) zu Osazonen führt (siehe S. 388). Es ist, wie alle Derivate des Hydrazins ein Reduktionsmittel. Durch Cu ++ , Fe3* oder Ag + (Diamminkomplex) wird es zu Phenyldiimin oxidiert, das sofort in Stickstoff und Benzol zerfallt. Versuch: Benzol aus Phenylhydrazin - In einen gewöhnlichen Destillierkolben, der mit absteigendem Kühler versehen ist, und in dem die Lösung von 25 g Kupfersulfat (.5H 2 O) in 75 ml Wasser zum Sieden erhitzt wird, läßt man 5 g Phenylhydrazin, in 5 ml Eisessig und 1OmI Wasser gelöst, langsam einfließen. Heftige Stickstoffentwicklung. Das entstandene Benzol geht mit den Wasserdämpfen über und wird wie üblich aufgefangen und rein gewonnen. Ausbeute 2—3 g. Phenylazid 623 Beim Überhitzen zersetzt sich Phenylhydrazin analog dem Hydrazobenzol, indem ein Molekül ein zweites hydriert. Das Phenyldiimin zerfallt in Benzol und Stickstoff: 2 C 6 H 5 N H N H 2 —> C 6 H 5 NH 2 + N H 3 + (C 6 H 5 N=NH) —> C 6 H 5 + N 2 Fein verteilte Platinmetalle wirken katalytisch beschleunigend. Phenylazid aus Phenylhydrazin In einem 1-I-Dreihalskolben mit Thermometer und Rührer werden unter Eis-Kochsalzkühlung 17g (0,5 mol) frisch destilliertes Phenylhydrazin zu 18OmI 1,5N Salzsäure in 5 min zugetropft. Man rührt weiter bis die Temperatur von O 0 C erreicht ist und überschichtet die Suspension der Phenylhydrazin-hydrochlorid-Kriställchen mit 10OmI Ether. Dann wird die Lösung von 12,5 g Natriumnitrit in 15 ml Wasser so langsam zugetropft, daß 5 0 C nicht überschritten werden. Durch anschließende Destillation mit Wasserdampf treibt man 300 ml Wasser mitsamt dem Ether über, läßt die Etherschicht ab, ethert die wässerige Schicht einmal nach und trocknet die Extrakte über geglühtem Na 2 SO 4 . Durch Vakuumdestillation bei 5—6 Torr erhält man mindestens 10g (60—65%) öliges, stechend riechendes Azid vom Siedepunkt 42-440C. Vorsicht: Die Destillation muß unter allen Vorsichtsmaßregeln (Kolben in einem Drahtnetzzylinder, Drahtglasschirm, Schutzbrille und -scheibe) ausgeführt werden, da Azide bei raschem Erhitzen und bei hohen Temperaturen explodieren können. Bei der hier ausgeführten Synthese von Phenylazid (Azidobenzol) entsteht zuerst die Na-Nitroso-Verbindung, die unter Wasserabspaltung und Umlagerung in das Azid übergeht. Ar-N = N-NH2 Eine andere Synthesemöglichkeit aromatischer Azide aus Diazoniumsalzen plus Na-azid ist auf S. 613 erwähnt. Man kann sie auch durch Brom-Oxidation der (nicht isolierten) Aryltriazene, Kupplungsprodukten der Diazoniumsalze mit Ammoniak, erhalten. Hierbei führt der Abgang des Bromanions zur Azidogruppe. Andere nucleofuge Gruppen wie OH" beim Kupplungsprodukt des Diazoniumions mit Hydroxylamin oder sogar NH 3 (nach Kupplung mit Hydrazin) können analog zur Azidbildung führen. Die Arylazide sind sehr reaktionsfähig. Mit Säuren wird z. B. Stickstoff abgespalten, es bildet sich aber nicht Phenylhydroxylamin, sondern - in Schwefelsäure - durch 624 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Wasseranlagerung an die mesomere Grenzform des Arylkations das stabilere pAminophenol, das mit Säure auch aus Phenylhydroxylamin entsteht, in konzentrierter Salzsäure in analoger Weise /7-Chloranilin. Durch Belichten mit langwelligem UV entsteht ebenfalls unter N2-Abspaltung das „Nitren", das seine Oktettlücke durch Reaktion mit vielen Nucleophilen schließen kann. Die oben formulierte 1,3-dipolare Struktur erklärt die Additionsfreudigkeit der Azide an dipolarophile Mehrfachbindungen. So wird z.B. aus Phenylazid und Acetylendicarbonsäureester 1-Phenyltriazol-2,3-dicarbonsäureester erhalten. N—N = N + H+ NH7 ArN 3 Ar-N + H 2 O — CSC-CO 2 R RO2C7 CO R ' Azide addieren sich besonders glatt an die Doppelbindungen gespannter Olefine (Ziegler). In ihrer 1,3-dipolaren Aktivität und auch in anderen Beziehungen ähneln die Azide sehr den im folgenden behandelten aliphatischen Diazoverbindungen. Aliphatische Reihe Bildung der Diazoalkane Wie einleitend bemerkt wurde, sind aliphatische Diazoverbindungen, in denen die N^"-Gruppe an einem gesättigten Kohlenstoffatom sitzt, bei Raumtemperatur nicht stabil, sie gehen jedoch nach Abspaltung eines Protons in resonanzstabilisierte Zwitterionen über. Diazoalkane können daher nicht durch die in der aromatischen Reihe übliche Diazotierung in saurer Lösung erhalten werden. Die klassische PechmannSynthese des Diazomethans, des Prototyps und wichtigsten Vertreters der Verbindungsklasse geht denn auch von einem durch Ethoxycarbonyl „geschützten" Methylamin (N-Nitrosomethylurethan) oder vom N-Nitrosomethylharnstoff aus. Aus diesen Derivaten spaltet starke Lauge oder Alkoholat den Acylrest ab. Das danach zu erwartende Alkyldiazotat läßt sich in fester Form isolieren, wenn man z. B. N-Nitrosomethylurethan mit K-ethanolat in Ether spaltet (Hantzsch) oder Methylamin in Gegenwart von wasserfreier Base (K-methanolat) mit Nitrosylchlorid „diazotiert" (E. Müller). Herstellung von Diazomethan H3C-NyN^O H5C2O]^C-OC2H5 O 625 K+ _ 0 c(OC 2 H 5 ) 2 H^C-N=N-OK H H3C-NI +N=O K + H Cl -CH 3 OH, -HCl H 3 COj- In Gegenwart von Wasser und Base (OH") geht das Diazotat sofort in Diazomethan über. Die Eliminierung von Wasser aus dem Diazohydroxid läßt sich folgendermaßen formulieren: H HC-HM=N-K)H M ^ QU-§. © _©. © H HQJ~ -—* H 2 C=N-N< >H2C—N=JSh >H2C—N=N | Bei der üblichen Methode zur Herstellung von Diazomethan wird Nitrosomethylharnstoff oder das besser haltbare N-Nitroso-/?-toluolsulfonsäure-methylamid (Diactin®) direkt in Gegenwart von wässeriger oder methanolischer Lauge zersetzt, so daß das formulierte Zwischenprodukt nicht faßbar ist. Diazomethan Bei der Durchführung dieser Experimente ist äußerste Vorsicht geboten! Nitrosomethylharnstoff und Diazomethan sind cancerogen, so daß jede Berührung zu vermeiden ist. Diazomethan ist ferner giftig und explosiv. Da es mit dem Ether verdampft, besteht Gefahr, daß man die Dämpfe einatmet und daß diese sich an scharfen Glaskanten oder Schliffen explosiv zersetzen. Abzug und Schutzschild, bei Destillation der etherischen Lösung Schliffe vermeiden oder leicht fetten! a) aus /V-Nitrosomethylharnstoff H2N-C-N ü / NO CH /V-Nitrosomethylharnstoff. Die Lösung von 20g Methylammoniumchlorid (0,3 mol) (S. 356) und 30g Kaliumcyanat (~0,4mol) (S. 327) in 12 ml Wasser wird 15min lang auf 60—8O 0 C erhitzt, dann kocht man kurz auf, filtriert und kühlt die Lösung auf O 0 C. Eine vorher bereitete, ebenfalls gekühlte Lösung von 20 g Natriumnitrit (0,3 mol) in 626 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen 40 ml Wasser wird nun zu der Lösung des Methylharnstoffs hinzugefügt; zu der Mischung läßt man unter Eiskühlung und mechanischer Rührung 100 ml kalte 25proz. Schwefelsäure zutropfen. Die in kristallinen Flocken sich ausscheidende Nitrosoverbindung wird nach beendeter Operation abgesaugt mit Eiswasser gewaschen und nach dem Trocknen im Vakuumexsikkator aus etwa der doppelten Menge Methylalkohol umkristallisiert. Zur Erhöhung der Ausbeute kühlt man die Lösung in Eis-Kochsalz auf -15 0 C, saugt nach einigem Stehen ab und wäscht mit Ether. Hellgelbe Kristalle vom Schmelzpunkt 124 0 C (Zersetzung) Ausbeute 20g. Die Substanz ist im Kühlschrank aufzubewahren. Auf billigere Weise läßt sich Nitrosomethylharnstoff auf folgendem Wege darstellen: Zu 165 ml konzentriertem Ammoniak läßt man bei Kühlung mit Eis-Kochsalz unter kräftigem Turbinieren 100 g Dimethylsulfat (Vorsicht! Dimethylsulfat ist ein Haut- und Atemgift, Abzug! Reste mit Ammoniaklösung zerstören.) zutropfen; die Temperatur soll dabei nicht über 2O 0 C hinaufgehen. Dann erwärmt man 2 h auf dem Wasserbad, kocht weitere 15 min lang, fügt 85 g Harnstoff zu und kocht nochmals 3 h. Dann wird die Lösung von 40 g Natriumnitrit in 70 ml Wasser zugesetzt und abgekühlt. Die kalte Lösung bringt man in kleinen Anteilen zu einem Gemisch von 50g konzentrierter Schwefelsäure und 200 g Eis und verfährt im übrigen wie oben angegeben, Ausbeute 25 g. Zur Überführung in Diazomethan trägt man 10g Nitrosomethylharnstoff in kleinen Anteilen in 10O ml reinen Ether ein, der mit 30 ml stark gekühlter 40 proz. Kalilauge unterschichtet ist. Die Spaltung wird in einem Scheidetrichter, der in einem Eisbad steht (Stutzen oder Becherglas), unter dem Abzug vorgenommen. Man muß dauernd schütteln und die Temperatur auf 0° bis +5 0 C halten. Nach 10-20 min ist die Reaktion beendet; man läßt die wässerige Schicht ab, gießt die tiefgelbe Etherlösung in einen Erlenmeyerkolben und trocknet etwa 3 h lang über etwa 10g KOH-Plätzchen. Die Lösung wird in einer kleinen enghalsigen Glasflasche, die mit einem Stopfen mit Kapillarrohr verschlossen ist, im Kühlschrank aufbewahrt, falls das Präparat nicht sofort Verwendung findet. Die Diazomethanlösung hält sich mehrere Tage, erleidet aber doch eine stetige, wenn auch langsame Zersetzung unter Stickstoffentwicklung. Da Nitrosomethylharnstoff, in der Kälte aufbewahrt, längere Zeit haltbar ist, stellt man sich jeweils nur die für den augenblicklichen Bedarf notwendige Menge Diazomethan her. b) aus /V-Methyl-/V-nitroso-p-toluolsulfonamid (Diactin®) Zur Herstellung einer etherisch-methanolischen Diazomethanlösung dient eine Destillierapparatur, deren 500-ml-Rundkolben einen Sfach durchlöcherten Gummistopfen trägt (keine scharfen Kanten). Durch eine Bohrung geht ein Gaseinleitungsrohr für Stickstoff, durch die zweite ein 500-ml-Tropftrichter, die dritte führt zu einem gut wirkenden absteigenden Kühler, dessen Ende mit einem Vorstoß in 50 ml Ether eintaucht die sich in der Eis-Kochsalzgekühlten Vorlage (500-ml-Kolben) befinden. Der Destillierkolben enthält die Lösung von 12 g KOH in 15 ml Wasser, dem nach Auflösen 50 ml Methanol und 50 ml Ether zugesetzt wurden. Der Reaktionskolben wird im Wasserbad auf ca. Gehaltsbestimmung der Diazomethanlösung 627 5O 0 C erwärmt, dann läßt man unter Durchleiten von Stickstoff die Lösung von 43g (0,2 mol) „Diactin®" so rasch zutropfen wie der gelbe Diazomethan-Ether abdestilliert. Zum Ende tropft man noch so lange Ether zu, bis das Destillat farblos übergeht. Man erhält so 5-6 g (bis zu 75% d.Th.) Diazomethan in 200 ml Ether-Methanol. Diazomethan ist ein gelbes, sehr giftiges Gas vom Siedepunkt -240C, das für präparative Zwecke nur in Lösung gewonnen wird. In freiem Zustand ist es exploxiv. Als indifferente Lösungsmittel können außer Ether auch Benzol und Petrolether verwendet werden, für kurze Zeit auch Aceton und Alkohole. Gehaltsbestimmung der Diazomethanlösung. Einen aliquoten Teil der Diazomethanlösung (etwa 1/2o) 'aßt man, mit absolutem Ether verdünnt, in eine mit Eis gekühlte 0,2N -etherische Benzoesäurelösung unter Schütteln einfließen. Diese wird hergestellt durch Auflösen von 1,22g reinster Benzoesäure im 500-ml-Meßkolben in absolutem Ether; sie muß gegenüber Diazomethan im Überschuß sein, was man daran erkennt, daß bis zum Schluß der Zugabe N2-Entwicklung eintritt und die Lösung farblos bleibt. Die übrige Benzoesäure wird mit 0,1 N NaOH zurückgemessen. Diazomethan entsteht auch, wenn man die „Isonitril-Reaktion" (S. 519), Einwirkung von Chloroform und starker Lauge, auf Hydrazin anwendet (H. Staudinger). Das Addukt von Dichlorcarben an Hydrazin geht in einer Reihe von HCl-Abspaltungen und prototropen Umlagerungen in Diazomethan über. Außerdem läßt es sich in einer „Foster"-Reaktion aus Formaldoxim mit Chloramin erhalten (Rundel). Cl Cl H V-N-NH2 / n H > ~ 2HCI > > H2C=N2 H2C=N2 + HCI + H 2 O \ R'/ Ox. (HgO) p —M MU N "\ C-N — N R' vorsichtige Hydrierung Eine allgemeine Herstellungsmethode für Diazoalkane ist die Dehydrierung von Hydrazonen, eine umkehrbare Reaktion. Benzophenonhydrazon gibt z.B. mit HgO das tiefrote kristalline Diphenyldiazomethan (Schmelzpunkt 3O0C). Infolge der Einbeziehung der beiden Phenylreste in die Mesomerie ist das Molekül so stabil, daß es ohne Zersetzung schmilzt. Eine intramolekulare Oxidation findet bei der Behandlung von /?-Toluolsulfonylhydrazonen bestimmter Carbony l Verbindungen mit Lauge statt (Cava): unter Eliminierung von /?-Toluolsulfinat und Mitnahme eines Elektronenpaars wird der stickstoffhaltige Teil zur Diazoverbindung oxidiert. 628 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der DiazoVerbindungen f~^-CH3 -^- XC = MjN-^SO2C7H7 X C = N = N> + "O2SC7H7 Ähnlich wirkt auch Tosylazid auf aromatische Hydrazone ein, das dabei in N2 und Tosylamid übergeht. An der Stabilisierung des Diazo-cyclo-pentadiens beteiligen sich die „aromatischen" 7c-Elektronen des Cyclopentadienid-teils (siehe S. 226). Dieses Diazoalkan wird durch Übertragung der Diazogruppe aus dem Azidteil z. B. von Tosylazid auf Lithium-cyclopentadienid erhalten (W. von E. Doering). Li+ _ :f + N-N = N-SO2-C7H7- [^C-N^-N=JJ-SO2C7H7 N H H Li Li+ :-N=N-N-TOS Prototropie» ^C-NEEN + \ ~ . "-^y + H Li H N-TOS / Das cyclische Isomere des Diazomethans, Diazirin, ist auf mehreren Wegen, z. B. durch Dehydrierung von Diaziridin, das seinerseits aus Formaldehyd, Ammoniak und Chloramin entsteht, zugänglich (E. Schmitz). Es ist ein farbloses Gas (Siedepunkt -140C), das gegenüber Säuren beständiger als Diazomethan ist, beim Erhitzen explodiert und durch Belichten in Diazomethan übergeht. H2CO -H NH3 —> (H2C=NH) + NH2CI —^U H 2 C 11/^1 ^x" N H | f^v > H 2 C Il ^xN Diaziridin Diazirin Reaktionen des Diazomethans Die meisten Reaktionen des Diazomethans lassen sich aus der zwitterionischen Ammoniumcarbeniatform a heraus verstehen. H2C-N=N < > H2C=N=S < > H2C=N-g« >H2C"—.N=N. a b c d Die wichtigsten Reaktionen des Diazomethans, die qualitativ für alle Diazoalkane zutreffen, sind: 1. Reaktionen mit Brönstedt-Säuren 2. Reaktionen mit anderen Elektrophilen 3. Photolytische N2-Abspaltung 4. Cyclo-additionen Reaktion des Diazomethans mit Brönstedt-Säuren 629 Ad 1. Diazomethan, meistens in Ether, ist ein sehr oft benutztes Reagenz zur Einführung von Methylgruppen in Carbonsäuren. Von der raschen Veresterung mit Benzoesäure ist bei der Gehaltsbestimmung auf S. 627 Gebrauch gemacht worden. Unter Methylierung reagieren fast alle H^-aciden Verbindungen. Ausnahmen bilden die sehr starken Säuren mit nicht nucleophilen Anionen wie Toluolsulfonsäure, Perchlorsäure, besonders Säuren wie H[AlCl4], H[BF4] usw. Die meisten Phenole (und Enole) sind sauer genug um sich genügend rasch zu Methylethern umzusetzen (untere Grenze etwa bei einem pKA von 12). Sehr schwache „Säuren" wie Alkohole kann man nach Meerwein durch Zugabe von Bor- oder Aluminiumtrialkylester, als Alkoxosäuren reaktionsfähig machen. OR RO Il \J AAl AI —^/ I • OR I OR J H+ +CH2N2 > AI(OF t +ROH Nach E. Müller katalysieren auch Bortrifluorid und besonders gut AlCl3 die Methyletherbildung aus zahlreichen Alkoholen. In Gegenwart von BF3 werden auch die Wasserstoffatome von Aminen durch CH3 ersetzt, ebenso wenn die Amine als Salze nicht methylierbarer Anionen (siehe oben) vorliegen. Bei den Methylierungen dürfte das Methylkation das aktive Reagens sein, das sich durch Anlagerung eines Protons an den Carbeniatkohlenstoff von a) bildet. Das dadurch der Stabilität beraubte Methyldiazoniumion verliert Stickstoff und das in der Nähe befindliche Nucleophil, meist das Anion der Säure, lagert sich an. CfH-N + H + A[CH 3 N 2 A-] CHACHA Ist kein nucleophiles Anion vorhanden, wie bei der Zersetzung mit Perchlorsäure, Tetrafluoroborwasserstoff und ähnlichen, polymerisiert das Methylen zu amorphem unlöslichem Polymethylen, eine Reaktion, die in Abwesenheit von Säuren auch spontan langsam vor sich geht. Ad 2. Auch die Reaktionen mit anderen Elektrophilen dürften durch eine Anlagerung an das Carbeniat eingeleitet werden, wie etwa die Reaktion mit Halogenen, die zu Dihalogenmethan führt oder die mit Quecksilberchlorid (Präparat S. 632). Hier findet wohl zunächst eine Anlagerung der Lewis-säure an den Carbeniatteil statt, worauf dann nach N2-Eliminierung die Stabilisierung durch Chlorübergang erzielt wird. CI2Hg + "CH2-N2 "N CI2Hg-CH2 -analog > Hg(CH 2 CI) 2 CIHgCH2CI 630 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen Die präparativ bedeutendsten Elektrophile sind die Carbony l Verbindungen, deren C-Atom sich, je nach elektrophilem Status rasch an Diazomethan bindet. Auch jetzt wird in den meisten Fällen N 2 abgespalten, die entstandenen Zwitterionen haben die Möglichkeit zum direkten Ladungsausgleich unter Epoxidbildung (a) oder zu Carbenium-Umlagerungen(Homologisierung). O=C + CH2-N2 2 R Im Fall eines cyclischen Ketons führt die Umlagerung zum ringerweiterten Keton (Präparat S. 633). Die Expoxidbildung (a) tritt vorwiegend dann ein, wenn das Molekül elektronen-anziehende, wenig nucleophile nicht-wanderungsbereite Reste enthält, wie die Trichlormethylgruppe im Chloral. Wir bringen hierfür ein Beispiel (S. 639), in dem als Diazoverbindung Diazoessigester verwendet wird. Die Epoxidbildung bei der Reaktion des Diazomethans kann hintangehalten werden durch Zusatz von Lewissäuren, wieder am besten durch AlCl3 in Ether, wodurch die Homologisierung zur Hauptreaktion wird. Eine zuverlässige Methode zur Darstellung von Epoxiden aus Ketonen ist die Umsetzung mit Dimethylsulfoxoniummethylid (S. 460). Trägt die Carbonylgruppe einen sehr leicht abspaltbaren (nucleofugen) Rest, wie das bei den Säurechloriden der Fall ist, so gewinnt das Addukt seine Resonanzstabilisierung durch HCl-Abspaltung sofort zurück, es entsteht das durch Mesomeriebeteiligung der CO-Doppelbindung zusätzlich stabilisierte Diazoketon. fCI H M l -> O' H H ^ + R-C=C-N2+ «-> R-C-CH-N2 I Il O' O Diazoketone spalten - wie alle Diazoalkane - ihren Stickstoff beim Belichten ab, wobei ein Garben (S. 199) entsteht. Speziell bei den Diazoketonen führt auch feinverteiltes Silber zur N2-Abspaltung und einer anschließenden „WoIfF sehen" CarbenUmlagerung, die in Abwesenheit von Wasser zum Keten, in seiner Anwesenheit zu der dem ursprünglichen Säurechlorid homologen Carbonsäure oder mit Ammoniak zu deren Amid führt. Andere polare Verbindungen geben die für die Addition an Keten allgemein üblichen Produkte. Auf dieser Reaktionsfolge fußt die ArndtEistert-Homologisierung, die im Präparat S. 633 ausgeführt wird. andere Reaktionen des Diazomethans O S \s über Säurechlorid, dann CH2N2 O S Ag oder hv 631 n r- n LF OH CHN9 R O=C-CH -> H Q=C=C-R H2 (NH ° > R-CH-C 2 >> (Amid) 2 Ad 3. Die Photolyse der Diazoverbindungen wurde schon mehrfach erwähnt (S. 199). Sie liefert beim Diazomethan das einfachste Garben, Methylen, und zwar das sehr reaktionsfähige Singulettmolekül (gepaarte Elektronen), das sich rasch ins weniger reaktive Triplettcarben (Diradikal) umlagert. Beide addieren sich bekanntlich leicht an olefinische Doppelbindungen (S. 199), und vermögen sich in einzigartiger Reaktion zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff einzuschieben (Insertion). Auch aromatische rc-Systeme werden glatt angegriffen: Methylen gibt mit Benzol Cycloheptatrien (Tropyliden). Ad 4. Zum Verständnis der Cycloadditionen dient die 1,3-dipolare Grenzstruktur des Diazomethans. Mit genügend 1,3-dipolarophilen Doppelbindungssystemen entstehen 5-gliedrige Heterocyclen. Aus Zimtsäure-methylester (der zunächst aus Zimtsäure mit Diazomethan entsteht) und weiterem Diazomethan bildet sich in unserem Beispiel (S. 632) 4-Phenyl-2-pyrazolin-3-carbonsäure-methylester. = CH-CO2CH3 K / ~ CH-C- CO2CH3 • v >N H Es tritt auch bei den Cycloadditionen die große Ähnlichkeit der Diazoalkane mit den Aziden (S. 624) zutage, die aus der isoelektronischen Struktur heraus verständlich ist. Die Reaktion mit GrignardVerbindungen, die dort zu Triazenen führt, gibt hier AzoVerbindungen. Azomethan, das man einfacher durch Dehydrierung von symmetrischem Dimethylhydrazin erhält, ist ein farbloses, explosives Gas. Das ungefährliche Azoisobutyronitril hat Bedeutung als Starter für Radikalkettenreaktionen, da es in der Hitze Stickstoff und 2 Radikale liefert (vgl. S. 211). CH 3 CH3 I I NC-C-N=N-C-CN OH 3 I 2 -C-CN " Nz > I LrH I UrI H3C-N=N-CH3 Azomethan 632 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der DiazoVerbindungen Versuch: Methylierungen mit Diazomethan - Man löst 2—3g eines Phenols (Phenol, Kresol, /?-Naphthol, Salicylaldehyd, Hydrochinon) in wenig Ether oder Methylalkohol und fügt unter Eiskühlung in kleinen Anteilen von der dargestellten Diazomethanlösung zu, bis die Gasentwicklung nicht mehr einsetzt und die Lösung schwach gelb gefärbt ist. Um bei gefärbten Lösungen einen Überschuß an Diazomethan zu erkennen, gießt man einige Tropfen in ein kleines Reagenzglas ab und bringt einen in Eisessig getauchten Glasstab hinein: sofortige Gasentwicklung. Die Reaktionsprodukte werden nach dem Abdampfen des Lösungsmittels entweder durch Destillation oder, wenn sie fest sind, durch Kristallisation gereinigt. Man bearbeite hier eines der im Laboratorium zugänglichen Phenole selbständig und mache Angaben über die Natur des gewonnenen Methylethers. In gleicher Weise verfährt man mit Carbonsäuren (p-Toluylsäure, Phenylessigsäure, Zimtsäure, Oxalsäure, Terephthalsäure, Salicylsäure usw.). Es gibt Phenole, die mit Diazomethan langsam reagieren. In solchen Fällen bringt man sie mit einem Überschuß über den errechneten Bedarf an Diazomethan zusammen und läßt mehrere Tage mit aufgesetztem Kapillarrohr stehen. Die folgenden Versuche sind mit Diazomethan aus Nitrosomethylharnstoff beschrieben, sollten aber abwechslungsweise auch mit Diazomethan aus Diactin® (S. 626) ausgeführt werden. Bis-chlormethylquecksilber Formel siehe S. 629 Aus 4 g (38 mmol) Nitrosomethylharnstoff, 30 ml Ether und 12ml 40proz. Kalilauge bereitet man sich wie auf S. 625 eine Diazomethanlösung. In einem 100 ml Erlenmeyerkolben bringt man 3,0g (11 mmol) Quecksilber(ll)-chlorid in 50 ml Ether teilweise in Lösung. Beim tropfenweisen Zusatz der Diazomethanlösung scheidet sich zunächst unter Stickstoffentwicklung das schwerlösliche Chlormethylquecksilberchlorid aus, das dann aber bei weiterer Zugabe und Schütteln, ebenso wie das Sublimat, in Lösung geht; nach Eintragen von 80-90% der Diazomethanlösung bleibt die gelbe Farbe bestehen. Wenn nötig, entfernt man etwas HgCI durch Filtrieren. Man destilliert zwei Drittel des Ethers ab; beim langsamen.Abdunsten des restlichen Solvens bei Raumtemperatur aus dem offenen Kolben erhält man 3,0-3,2 g Bis-chlormethylquecksilber (86-91% d.Th.) in farblosen derben Prismen vom Schmelzpunkt 34—360C. Wegen der Reizwirkung des Stoffes ist eine Berührung mit der Haut zu vermeiden. 4-Phenyl-2-pyrazolin-3-carbonsäure-methylester Formel siehe S. 631 10OmI etherische Diazomethanlösung (dargestellt aus 10g Nitrosomethylharnstoff, S. 626) werden im Eisbad auf O 0 C gekühlt und unter gelegentlichem Umschütteln im Laufe von 10min mit 2,8g (19 mmol) reiner Zimtsäure portionsweise versetzt. Nach Ende der Stickstoffentwicklung wird die tiefgelbe Lösung in einen 250-ml-Rundkolben filtriert und, mit Calciumchloridrohr verschlossen, 24 h bei Raumtemperatur aufbewahrt. Aus der nur noch schwach gelben Lösung destilliert man die Hälfte des Ethers ab. Nach mehrstündigem Stehen im Kühlschrank werden die ausgeschiedenen Kristalle abgesaugt und mit wenig Ether gewaschen. Die Ausbeute an rohem 4-Phenyl-2-pyrazolin-3- Durchführung der Aradt-Eistert-Homologisierung 633 carbonsäure-methylester vom Schmelzpunkt 122-1250C beträgt 2,3-3 g (59-77% d.Th.). Nach Umlösen aus wenig Benzol schmilzt die Substanz bei 126—1270C. j9-Naphthylessigsäureamid (Wolff-Umlagerung) ^COCl ^ V ~A9+ a) /?-Naphthoylchlorid 17,2g (0,1 mol) /?-Naphthoesäure werden mit 14,5g (8,9 ml) Thionylchlorid im Ölbad unter Rückfluß auf 75 0 C erwärmt. Nach 60 min ist der Ansatz klar und die Gasentwicklung beendet. Man destilliert im Vakuum und erhält bei 180-1850C / 21 Torr 17g (89%) £-Naphthoylchlorid vom Schmelzpunkt 51-520C. b) /?-Naphthoyldiazomethan In die etherische Diazomethanlösung aus 20g Nitrosomethylharnstoff (S. 625) gibt man bei -5 0 C 1OmI einer Lösung von 15g (80 mmol) 0-Naphthoylchlorid in 60 ml Ether und alle 30 min weitere 10 ml. Nach kurzer Zeit setzt eine schwache Entwicklung von Stickstoff ein und das Diazoketon beginnt sich in gelben dicken Nadeln abzuscheiden. Man läßt über Nacht bei -5° bis 0° stehen, saugt ab und wäscht mit Petrolether. Die etherische Mutterlauge wird im Vakuum eingeengt und der kristalline Brei abgesaugt und ebenfalls mit Petrolether gewaschen. Gesamtausbeute 14g (90%). Eine Probe schmilzt nach Umkristallisieren aus Petrolether (60-8O0C) bei 83 0 C. Für die weitere Umsetzung ist das Rohprodukt rein genug. c) /?-Naphthylessigsäureamid In einem 100-ml-Rundkolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter werden 5 g Diazoketon in 30 ml Dioxan gelöst. Dazu gibt man 20 ml einer Mischung von 5ml 10proz. AgNO3 in Wasser +50 ml konzentriertem (15N!) Ammoniumhydroxid. Man erhitzt auf dem Dampfbad und läßt innerhalb von 30 min die übrige ammoniakalische Silbernitratlösung zutropfen. Dann wird heiß filtriert und das Filtrat im Vakuum zur Trockne verdampft. Den Rückstand verreibt man mit wenig kaltem 95proz. Alkohol und saugt ab. Es hinterbleiben 4 g (85%) rohes Amid, die aus 95proz. Alkohol umkristallisiert werden. Farblose Kristalle vom Schmelzpunkt 190-1920C. Cycloheptanon aus Cyclohexanon O CH2N2 O Das zur Ringerweiterung benutzte Diazomethan wird in situ aus N-Methyl-/V-nitrosop-toluolsulfonamid (Diactin®) mit alkoholischer Kalilauge erzeugt. Die Suspension von 634 Kapitel XIIL Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen 45,5 g (0,25 mol) Diactin in 50 ml 96proz. Ethanol +5 ml Wasser und 19,6 g = 20,7 ml (0,2 mol) frisch destilliertem Cyclohexanon wird im Eis-Kochsalzbad auf 1O 0 C gekühlt. Dann gibt man unter Rühren der flüssigen Oberphase 1 ml einer Lösung von 6 g Kaliumhydroxid in 20 ml SOproz. Alkohol zu, entfernt die Kühlung so lange, bis die Temperatur auf 15 0 C angestiegen ist und die Reaktion begonnen hat. Dann tropft man die Kaliumhydroxidlösung langsam unter weiterer Kühlung zu, die Temperatur des Ansatzes zwischen 15—2O 0 C haltend. Nach etwa 1 h ist die Nitrosoverbindung verschwunden. Jetzt wird noch 1/2 h nachgerührt, dann unter Rühren mit ca. 20 ml 2N Salzsäure auf pH 6 gebracht. Unter weiterem Rühren läßt man die Lösung von 40 g Na-hydrogensulfit in 80 ml Wasser zufließen und entfernt den Rührer, nachdem sich ein Brei der Bisulfitverbindung gebildet hat. Unter öfterem Umschütteln läßt man den Absatz 5 h in geschlossenem Kolben reagieren, saugt dann den Niederschlag ab und wäscht ihn auf der Nutsche mit Ether, bis er farblos ist. Sodann bringt man ihn in eine Pulverflasche und schüttelt oder rührt V2 h mit einer lauwarmen Lösung von 50g Na-carbonat in 12OmI Wasser. Danach schüttelt man mehrmals mit Ether aus. Die Extrakte werden über geglühtem Na2SO4 getrocknet, filtriert und im Fraktionierkolben vom Ether durch Abdampfen befreit. Die anschließende Destillation im Wasserstrahlvakuum liefert nach einem kleinen Vorlauf bei 64-65 0 C / 1 2 Torr übergehendes Cycloheptanon. Ausbeute 7,6g (37%d.Th.). Herstellung des Diazoessigesters Glycin-ethylester; Diazoessigester Zur Herstellung von Glycin-ethylester-hydrochlorid kann man, wie unter a) beschrieben, Chloressigsäure mit Ammoniak umsetzen oder wie unter b) über das Methylenaminoacetonitril gehen. a) Glycin-ethylester-hydrochlorid aus Chloressigsäure CICH2CO2H 1NH QH 2. HCI 4 > H 2 NCH 2 CO 2 H-HCI C2H5 H ° > H 2 NCH 2 CO 2 C 2 H 5 -HCI 94g Chloressigsäure (1 mol) in 30 ml Wasser gelöst, läßt man bei 15 0 C in 1 I konzentrierten Ammoniaks (D = 0,913) unter Schütteln einfließen. Der Kolben bleibt verstopft 24 h stehen. Hierauf dampft man den großen Überschuß Ammoniak in einer Schale auf dem Drahtnetz ab (Abzug!), macht, wenn sein Geruch kaum mehr wahrnehmbar ist, mit 100 ml konzentrierter Salzsäure deutlich kongosauer und dampft nun, gegen Ende unter stetem Rühren, auf offenem Feuer so lange weiter ein, bis eine Probe der in der Hitze schon halbstarren hellgelben Masse beim Erkalten vollständig hart wird. Durch Kleinstellung der Flammen und intensives Rühren muß in diesem Stadium Überhitzung vermieden werden. Die heiße Masse reibt man während des Erkaltens in einem Porzellanmörser gut durcheinander und entfernt vor der nachfolgenden Veresterung das noch anhaftende Wasser in der Weise, daß man das gepulverte Gemenge von NH4CI und Glycin-hydrochlorid in einem kurzhalsigen Rundkolben, der in ein siedendes Wasserbad eingehängt ist, an der Vakuumpumpe erhitzt. Nach 4 h pulvert man die Masse abermals und setzt das Erhitzen Glycin-ethylester 635 im Vakuum noch 3 h lang im Ölbad bei 115 0 C fort. Das staubtrockene Salzgemisch wird sodann in einem mit Gaseinleitung und Rückflußkühler versehenen 1-1-Kolben (Abb.20, S. 24) mit 350 ml absolutem Alkohol aufgekocht (Wasserbad, wegen des Stoßens ist der aufliegende Rand des Kolbens durch eine Tuchunterlage zu sichern); in das siedende Gemenge leitet man so lange einen starken Strom trockenes Salzsäuregas, bis aus dem Kühlrohr dicke Nebel austreten. Man löst jetzt die Verbindung mit dem HCI-Entwickler, hält noch eine Stunde lang im Kochen und saugt schließlich die heiße Lösung vom NH4CI auf einer Nutsche ab; man wäscht zweimal mit heißem absolutem Alkohol nach. Aus dem Filtrat kristallisiert beim Erkalten das Glycinester-hydrochlorid aus, das nach 12stündigem Stehen abgesaugt wird. Durch Umkristallisation aus möglichst wenig absolutem Alkohol — etwas NH4CI bleibt häufig ungelöst, darum nicht zu viel Alkohol! - wird das Salz vollkommen rein erhalten. Schmelzpunkt 1430C. Für die Bereitung des Diazoessigesters kann das scharf getrocknete Rohprodukt Verwendung finden. Die Ausbeute daran beträgt 50—60g. Sie kann durch Einengen der Mutterlauge oder auch durch Zugabe von Ether gesteigert werden. In beiden Fällen ist jedoch Verunreinigung mit Ammoniumchlorid zu befürchten. b) Glycin-ethylester-hydrochlorid über Methylenamino-acetonitril N-CH2 2CH2O + NH4CI + NaCN —> H2C^ \ r C2H5OH " C ' u > H 2 NCH 2 CO 2 C 2 H 5 -HCI (+NH 4 CI + CH2O) CN (Wegen Entwicklung von Blausäure im sehr guten Abzug arbeiten!) In einem 1-1-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter, bis zum Boden reichendem Thermometer und Gasauslaß löst man 60g Ammoniumchlorid (1,12mol) in 18Og technischem Formalin (bei 40% Gehalt = 2,4 mol) und kühlt im Eis-Kochsalzbad auf O 0 C. Diese Temperatur sollte während der ganzen Umsetzung möglichst wenig überschritten werden. Wenn nötig, läßt sich durch Einwerfen von Eisstückchen ein Ansteigen der Temperatur über 5 0 C verhindern. Unter kräftigem Rühren wird im Laufe von 1 h eine Lösung von 54 g (1,1 mol) Natriumcyanid in 95 ml Wasser zugetropft; ist die Hälfte der Cyanidlösung zugegeben, so läßt man aus einem zweiten Tropftrichter zugleich 43 ml Eisessig so einließen, daß die Zugabe gleichzeitig beendet ist. Man rührt nun, während das Reaktionsprodukt auskristallisiert, noch 1 h, saugt ab, schlämmt die farblosen Kristalle des Methylenamino-acetonitrils unter Rühren in 150 ml Wasser auf und trocknet nach erneutem Absaugen über Calciumchlorid. Ausbeute 44g (59% d.Th.), Schmelzpunkt 127-1280C. In einem 2-l-Rundkolben sättigt man 285 ml absoluten Alkohol unter kräftiger Kühlung im Eis-Kochsalzbad mit Chlorwasserstoff (Sicherheitsflasche dazwischenschalten). Wenn der Alkohol gesättigt ist (starke Volumenvermehrung!), gibt man 495 ml 96proz. Alkohol und 40,0 g (0,59 mol) gepulvertes Methylenamino-acetonitril zu und erhitzt die Suspension auf siedendem Wasserbad 3 h am Rückflußkühler (Abzug!). Das Methylenamino-acetonitril geht in Lösung, doch verursacht ausfallendes Ammoniumchlorid zuweilen Stoßen des Reaktionsgemisches. Noch heiß wird bei geringem Unterdruck rasch in eine vorgewärmte Saugflasche abgesaugt und das Filtrat über Nacht im Kühlschrank zur Kristallisation aufbewahrt. Die farblosen Nadeln des Glycin-ethyl- 636 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen ester-hydrochlorids (60,5-64 g, 74—78% d. Th.) werden scharf abgesaugt und an der Luft oder im Vakuumexsikkator über NaOH getrocknet; Schmelzpunkt 141-1420C. Eine weitere kleine Kristallfraktion läßt sich durch Einengen der Mutterlauge auf V3 erhalten. Die Synthese von a-Aminosäuren aus a-Halogenfettsäuren und Ammoniak ist schon bei D,L-Valin (S. 156) ausgeführt und besprochen worden. Die hier unter b) angegebene ist eine Modifikation der Strecker-Methode, die wir beim o,L-Alanin (S. 354) kennengelernt haben. Das Aminonitril, das hier als Methylenverbindung kristallisiert anfallt, wird durch H+-katalysierte Alkoholyse ins Ester-hydrochlorid umgesetzt. Über die, Azlacton-Methode" zur Herstellung von a-Aminosäuren ist auf S. 373 berichtet, die vom Malonester ausgehende des D,L-Tryptophans findet man auf S. 422. Eine weitere interessante Bildungsweise, weil parallel zum biologischen Vorgang verlaufend, ist die reduzierende Aminierung von a-Oxosäuren in Gegenwart von Ammoniak, z. B. mit katalytisch aktiviertem Wasserstoffoder mit komplexen Boranaten. Hierbei wird das an sich unbeständige Iminoderivat reduziert. Ebenso kann man a-Isonitrosocarbonsäuren (= Oxime der a-Oxosäuren) oder a-Nitrosäuren zu a-Aminosäuren reduzieren. O n R-C-CO2H + NH3 . Versuch: Hippursäure — Einige Gramm von Glycin-hydrochlorid werden in Wasser gelöst. Man schüttelt die stets alkalisch zu haltende Lösung nach den Regeln der Schotten-Baumann-Reaktion (S. 308) in einer kleinen Stöpselflasche mit einem Überschuß (etwa 2—3 mol) von Benzoylchlorid, das man nach und nach zusetzt, anhaltend durch. Man arbeite in möglichst konzentrierter Lösung. Wenn der Geruch des Säurechlorids nicht mehr wahrnehmbar ist, säuert man mit konzentrierter Salzsäure bis zum Farbumschlag von Kongorot an, läßt einige Stunden stehen, saugt den Kristallbrei ab und befreit das Reaktionsprodukt nach dem Trocknen durch Ether von beigemengter Benzoesäure. Die Hippursäure wird hierauf aus heißem Wasser umkristallisiert. Schmelzpunkt 1870C. Hippursäure ist ein normales Stoffwechselprodukt und wird in der Niere durch enzymatische Vereinigung von Benzoesäure (S-Benzoyl-Coenzym A) und Glycin gebildet. Der Organismus der Vögel paart die Benzoesäure zum Zweck der Entgiftung mit Ornithin (2,5-Diaminovaleriansäure) zum Dibenzoylderivat, der sogenannten Ornithursäure. Darstellung des Diazoessigsäure-ethylesters c) Diazoessigsäure-ethylester H 2 NCH 2 CO 2 C 2 H 5 -HCI NaN 2 637 ° > N 2 CHCO 2 C 2 H 5 In einem 500-ml-Scheidetrichter werden 50g (0,36 mol) Glycinethylester-hydrochlorid in 55 ml Wasser gelöst. Da die Diazotierung exotherm ist, wird der Scheidetrichter entweder auf einem kleinen Dreifuß in einen mit Eis und Wasser gefüllten kleinen Eimer eingesetzt oder ständig unter der Wasserleitung gekühlt. Auch durch Einwerfen von Eisstückchen läßt sich eine zusätzliche Kühlung des Reaktionsgemisches erreichen. Man gibt eine eiskalte Lösung von 25 g Natriumnitrit (0,36 mol) in 35 ml Wasser sowie 25 ml Methylenchlorid zu und setzt nach dem Einwerfen von etwas Eis 5 ml gekühlte 4N Schwefelsäure zu. Durch vorsichtiges Kreisenlassen des Scheidetrichterinhalts ohne aufgesetzten Stopfen (Erwärmung!) wird eine genügende Durchmischung der beiden Phasen erreicht. Man trennt und läßt die gelbe Methylenchloridschicht in einen im Eisbad gekühlten 1-l-Erlenmeyerkolben zu 35ml 2N Sodalösung laufen. Die wässerige Phase im Scheidetrichter wird anschließend nochmals mit 20 ml Methylenchlorid geschüttelt und der Auszug gleichfalls zu der Sodalösung gegeben. Nunmehr gibt man wiederum 5 ml 4N Schwefelsäure zu und verfährt wie beschrieben. Diese Operationen (Zugabe von 5 ml 4M Schwefelsäure und zweimaliges Ausziehen mit Methylenchlorid) werden solange wiederholt, wie sich die organische Phase noch gelb färbt (etwa 4-7 mal). Alsdann versetzt man nochmals mit einer Lösung von 11 g (0,16 mol) Natriumnitrit in 20 ml Wasser und verfährt wie oben, bis das Methylenchlorid sich durch salpetrige Säure grün zu färben beginnt. Die vereinigten, organischen Lösungen werden von der rot gefärbten Sodalösung getrennt (bleibt die Rotfärbung aus, so schüttelt man nach Trennung der Schichten nochmals mit 20 ml 2N NatriumcarbonatLösung durch), mit Wasser gewaschen und etwa 30 min über wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet. Nach dem Abziehen des Lösungsmittels im Vakuum (Badtemperatur 15—2O 0 C) wird der Rückstand mit etwas Methylenchlorid in einen 10OmI Kolben gespült und im Wasserstrahlvakuum destilliert (Schutzbrille!). Die Badtemperatur soll 6O 0 C nicht übersteigen. Bei raschem und sorgfältigem Arbeiten lassen sich Ausbeuten von 32—36g Diazoessigester (80-90% d.Th.) erreichen: Gelbe Flüssigkeit vom Siedepunkt 43-440C / 11 Torr. Das Präparat ist gut haltbar, soll aber nicht ganz fest verschlossen aufbewahrt werden. Versuch: Reaktionen mit Säuren oder lod- Um den Einfluß der H + -lonenkonzentration auf die Zersetzungsgeschwindigkeit qualitativ kennenzulernen, löst man etwa 0,5 ml Diazoessigester in wenig 50proz. Alkohol, verteilt die Lösung auf zwei kleine Bechergläser und fügt zu beiden je 1 ml 0,1 N Salzsäure und 0,1N Essigsäure hinzu. Ferner setzt man zu einer etherischen Lösung des Esters etwas etherische lodlösung. Die Lösung entfärbt sich erst nach einiger Zeit unter Stickstoffentwicklung. Einige Reaktionen des Diazoessigesters Diazoessigester verhält sich chemisch wie ein in seiner Reaktivität abgeschwächtes Diazoalkan, zeigt aber darüber hinaus einige Eigentümlichkeiten. Das durch Thermolyse oder durch Photolyse erzeugte Ethoxycarbonylcarben findet zur Herstellung 638 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen von Cyclopropan- bzw. Cyclopropencarbonsäureestern durch Cycloaddition an Olefine und Aromaten bzw. an Alkine Verwendung. Bei der Thermolyse in Benzol (Buchner) bildet sich ein Gemisch von doppelbindungs-isomeren Cycloheptatriencarbonsäureestern, die aus dem primär gebildeten nicht isolierbaren Norcaradiencarbonsäureester (1) über das 1,3,5-Trien (2) entstehen, l, das als kleiner Anteil mit 2 im Gleichgewicht steht, läßt sich, als Dien, mit Maleinsäureanhydrid oder Acetylendicarbonsäureester abfangen. R = C2H5 und weitere RO7C Fehlt dem (thermolytisch erzeugten) Carben ein Anlagerungspartner, so lagern sich 2 Moleküle zu Fumarsäureester zusammen. Ohne Abspaltung von Stickstoff verläuft die Dimerisierung (und Verseifung) des Diazoessigesters unter der katalytischen Einwirkung von starkem Alkali zu Salzen der „Bisdiazoessigsäure", der Dihydro1,2,4,5-tetrazincarbonsäure. / 2|C \ RO2C RO2C CO2R CO 9 R N-NI |N=N. H CO2R H > X N=N x N=M' tO 2 R Interessant ist das Vorkommen von Diazocarbonyl-Verbindungen als (antibiotische) Produkte von Mikroorganismen. Der Ester des Serinhydroxyls mit Diazoessigsäure, L-Azaserin, sowie L-Diazo-oxonorleucin (DON) hemmen als strukturell ähnliche Antagonisten des L-Glutamins Biosynthesen, an denen das Amid beteiligt ist (Nucleinbasen). Reaktionen des Diazoessigsäure-ethylesters CO2 I CO21 CO2 I 639 H3N-C-H CH2 CH2 I O=C-NH2 I H3N-C-H 3 + H3N-C-H CH2 CH2 I O=C-CHN2 I + I CH2 O I O=C-CHN2 L-Glutamin Azaserin Diazo-oxonorleucin (DON) Die beim Diazomethan auf S. 630erwähnte Reaktion mit Carbonyl-Verbindungen zu Epoxiden wird im folgenden Präparat mit Diazoessigester als Diazokomponente ausgeführt. Trichlormethyl-oxirancarbonsäure-ethylester C 3C CI3C-CHO + N2CH-CO2C2H5 > H ' \C/°\ C /H CO 2 C 2 H 5 In einem 40 ml Claisenkolben werden 15,Og (102mmol) wasserfreies, frisch destilliertes Chloral1 im Wasserbad auf 8O 0 C (Badtemperatur) erwärmt. Man wirft ein Siedesteinchen ein (Lösung der Stickstoffretention) und läßt aus einem Tropftrichter im Laufe von 3 h 12,Og (105mmol) Diazoessigester einfließen. Die Stickstoffentwicklung kann, mittels einer Mariotte'schen Flasche, mit dem Kolben verbunden, verfolgt werden. Im Laufe von etwa 9 h werden rund 2,4 Liter Stickstoff freigesetzt. Das gelbe ölige Reaktionsprodukt wird anschließend im Wasserstrahlvakuum destilliert. Nach einem geringen Vorlauf gehen 17-21 g (72—88% d. Th.) Trichlormethyl-oxirancarbonsäure-ethylester bei 114-122 0 C / 1 2 Torr über. Nochmaliges Fraktionieren bei 117 bis Weiterführende Literatur zu Kapitel XIII Diazotierung und Diazoreaktion, Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 3. Aufl., Herausg. W. Foerst, Bd. 5, S. 783, Urban und Schwarzenberg, München, Berlin 1954. R. Pütter, Methoden zur Herstellung und Umwandlung aromatischer Diazoniumsalze, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 10/3, S. l, Thieme, Stuttgart 1965. H.Ridd, Nitrosation, Diazotation and Deamination, Quart. Rev. /5, 418 (1968). H. Zollinger, The Kinetics of the Diazo Coupling Reaction, Chem. Rev. 5/, 347 (1952). 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Warnhoff, The Reaction of Diazoacetic Esters with Alkenes, Alkynes, Heterocyclic and Aromatic Compounds, Org. React. 18, 217 (1970). XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring Experimente: Pyrrol aus Ammoniummucat Versuch: Fichtenspanreaktion Versuch: Zinkstaubdestillation des Succinimids Versuch: Ehrlich-Reaktion Versuch: Pyrrolrot Furfural aus Kleie Versuch: Darstellung eines Aminoplastes Versuch: Farbreaktion mit Phloroglucin-Salzsäure Versuch: Reaktion mit Anilin Versuch: Indopheninreaktion Indoxyl und Indigo aus Anthranilsäure Versuch: Indigo aus 0-Nitrobenzaldehyd Versuch: Färbung mit Indigo Versuch: 2-Methylindol nach E. Fischer Indazol Benztriazol Nomenklatur 643 XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring Die Nomenklatur der Heterocyclen ist durch eine Vielzahl von Trivialnamen belastet; sie gewinnt jedoch an Übersichtlichkeit durch die konsequente Verwendung der in der Tabelle aufgezählten Endungen, die an die Präfixe Az (für N), Ox (für O) oder Thi (für S) angehängt werden. Pyrrol, Pyridin und Furan bleiben neben vielen anderen als Namen erhalten. Anzahl der Ringglieder Stickstoffhaltige ungesättigt gesättigt -irin Andere Heteroelemente ungesättigt gesättigt -iren 3 4 5 6 7 8 9 10 1 -et -Ol -iridin -etidin -olin(2H) -olidin(4H) -et -Ol -iran -etan -olan -in -epin -ocin -onin -ecin C) C) C) C) C) -in -epin -ocin -onin -ecin -an -epan -ocan -onan -ecan Je nach Sättigungsgrad Dihydro-, Tetrahydro- usw. bis Perhydro-. Bei der Bezifferung erhält das Heteroatom die Nummer 1. Kommen im gleichen Ring verschiedene Heteroatome vor, beginnt die Zählung bei dem mit der höchsten Atommasse und geht so weiter, daß das nächste Heteroatom die nächstniedrige Nummer bekommt.2 Die gesättigten Heterocyclen zeigen meist gegenüber ihren offenkettigen Analogen nur quantitative Verhaltensunterschiede. Bei den partiell ungesättigten Verbindungen findet man kein eigentümliches Verhalten, sondern im wesentlichen nur die Funktionen der einzelnen Gruppierungen. Die völlig ungesättigten fünf- und sechsgliedrigen Heterocyclen zeichnen sich dagegen durch mehr oder weniger ausgeprägten aromatischen Charakter aus: Sie sind eben gebaut und haben ein cyclisch-konjugiertes rc-Elektronensextett: 9 9 9O Furan Pyrrol Thiophen Pyridin 2 Näheres hierüber und zur „Aza"-Nomenklatur steht z. B. im Beilstein, Handbuch der organischen Chemie, 4. Aufl. Bd. 17, S. 3ff. und in Nomenclature of Organic Chemistry der IUPAC, Butterworths, London, 1969. 644 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring Pyrrol aus Ammoniummucat H H I I HO-C - C-OH HxI \ H -—-- Hjtze HC - CH Il Il Unter dem Abzug werden in einer Porzellanschale 30,0 g (0,18 mol) Schleimsäure (Präparat S. 396) zusammen mit 30,0 ml 20proz. Ammoniak zur Trockene eingedampft. Das entstandene Ammoniummucat wird in einem 250-ml-Zweihalskolben mit 40 ml wasserfreiem Glycerin gut vermischt. Auf den Kolben setzt man ein bis in die Mischung reichendes Thermometer und einen absteigenden Luftkühler. Nun wird langsam mit der freien Flamme erhitzt. — Bei 17O 0 C beginnt die Reaktion; zwischen 180° und 21O 0 C destilliert die Hauptmenge des Pyrrols über. (Erhöht man zum Schluß die Temperatur bis auf 30O0C, kann man noch etwas Pyrrol gewinnen.) Das Destillat wird in wenig Ether aufgenommen, die Lösung mit wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet und fraktionierend destilliert. Sdp. 131 0 C. Ausbeute 5— 6 g (40-50%). Die älteste Darstellung des Pyrrols aus dem Ammoniumsalz der Schleimsäure oder einer anderen Zucker säure - ist auch heute noch die bequemste Labormethode. Ihr Ablauf beginnt wahrscheinlich mit einer Wasserabspaltung und folgt dann der allgemeineren Synthese von Paal und Knorr, bei welcher enolisierbare y-Diketone mit Ammoniak kondensiert werden. Derivate des Pyrrols, wie etwa die bei der reduzierenden Spaltung des Protoporphyrins durch lodwasserstoff entstehenden Ethyl-methyl-pyrrole, stellt man am besten nach dem Prinzip der Knorrschen Synthese dar, bei der unter Basenkatalyse ein Keton mit einem a-Aminoketon - das man meist in situ aus einem a-Oximinoketon reduktiv erzeugt - kondensiert wird. Dieses Aufbauprinzip findet man auch in der Natur, wo aus zwei Molekeln <5-Aminolävulinsäure (gebildet aus Glycin und Succinyl-Coenzym A) das Porphobilinogen, der Baustein der Porphyrine entsteht: CO2H CH2 CH2 CO2H CH2 -2H2o" CO2H CH2 CH2 CO2H CH2 H2C-NH2 \ CO2H I H2C. CO l OC-CH2-NH2 NH2 CH2 I l I l HC^ ^CL ^U' ^CH2-NHL 2 H Porphobilinogen C C 6 - A mino lävulinsäure Technisch läßt sich Pyrrol aus Furan und Ammoniak über Aluminiumoxid bei 450 0C erhalten. Eigenschaften und Reaktionen des Pyrrols 645 Versuch: Fichtenspanreaktion - Man erwärmt einige Tropfen Pyrrol im Reagenzglas über kleiner Flamme und bringt in den Gasraum einen mit konz. Salzsäure getränkten Fichtenholzspan. Der Span färbt sich rot. Zeitungspapier-Reaktion: Man läßt einen Tropfen der Testsubstanz auf dem unbedruckten Rand von ungeleimtem (holzschliffhaltigem) Zeitungspapier einziehen und hält das Papierstück über konz. Salzsäure oder befeuchtet nach dem Trocknen mit 6-8N Salzsäure. Pyrrol erzeugt einen dunkelroten Farbstoff, lndol (S. 656) einen violetten, Furfural (S. 647) einen schwach grünen. Versuch: Zinkstaubdestillation des Succinimids— Man mischt in einem Reagenzglas einen Spatel Succinimid mit zwei Spateln Zinkstaub gut durch, spannt das Glas am Stativ fest, hält ein mit konz. Salzsäure befeuchtetes Stück Zeitungspapier dicht vor seine Mündung und erhitzt das Gemenge mit dem Bunsenbrenner. Nach kurzer Zeit bilden sich weiße Nebel und das Papier färbt sich rot, zeigt also (vgl. vorigen Versuch) Pyrrol an. Bei der spezifischen Fichtenspanreaktion, der das Pyrrol auch seinen Namen verdankt (nvQQÖq = feuerrot), werden die Farbstoffe wahrscheinlich durch Kondensation mit aromatischen Aldehydgruppen des Lignins gebildet. Die Zinkstaubdestillation ist ein drastisches Verfahren zur Herausschälung aromatischer Ringstrukturen aus cyclischen Verbindungen. Succinimid wird unter reduktiver Entfernung des Sauerstoffs in Pyrrol verwandelt. Versuch: Ehrlich-Reaktion - Herstellung des Reagenzes: 0,5g p-Dimethylaminobenzaldehyd werden in 15OmI halbkonzentrierter Salzsäure gelöst. Ausführung der Probe: Ein Tropfen Pyrrol wird in wenigen ml Alkohol gelöst, die Lösung mit einigen Tropfen des Reagenzes versetzt: sie färbt sich intensiv rotviolett. Bei tropfenweiser Zugabe von konz. Salzsäure verschwindet die Farbe, um beim Verdünnen mit Wasser wiederzukehren. Diese violette Farbreaktion geben auch alle Derivate des Pyrrols mit freier 2-Stellung. Pyrrol zeigt die typischen Eigenschaften der fünfgliedrigen Heterocyclen, nämlich Elektronenüberschuß an den Ringkohlenstoffatomen, der vom Heteroatom herrührt. Dies läßt sich durch die folgenden Grenzstrukturen veranschaulichen: g—P---o—u~—o Dipolmoment H IN H Nl H KT H Nl H Die Iminogruppe ist - wegen der Einbeziehung ihres nichtbindenden Elektronenpaares in die Resonanz des Ringes - so gut wie nicht mehr basisch, sondern amphoter (pKA des Pyrroliumions: ~0,4, des Pyrrol-NH: ~15). Salzbildung erfolgt nur mit sehr starken Säuren (Pyrrol selbst verharzt) oder starken Basen. Mit Methylmagne- 646 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring siumiodid wird Methan entwickelt; die Magnesyl-Pyrrole reagieren mit Alkylhalogeniden an C-2, mit einigen anderen Elektrophilen wie Kohlendioxid, Carbonsäure halogeniden u.a. teils am Stickstoff und teils am Kohlenstoffatom-2; aber PyrrolKalium wird nur am N methyliert. Säuren führen in Gegenwart von Luft Sauerstoff rasch zur Polymerisation. Versuch: Pyrrolrot — Die Lösung von einigen Tropfen Pyrrol in einigen ml 2N Salzsäure wird im Reagenzglas über freier Flamme zum Sieden erhitzt, bis sich ein amorpher roter Niederschlag abscheidet. Substituierte Pyrrole sind wesentlich stabiler. Die Kohlenstoffatome des Pyrrols haben stark nucleophilen Charakter. Elektrophile Substitution ist hier etwa genau so leicht durchzuführen wie beim Anilin. Wegen der Säurelabilität sind zwar die typischen Benzolreaktionen wie Nitrierung, Sulfonierung, Halogenierung, Friedel-Crafts- und Gattermann-Reaktion nicht ohne weiteres möglich; die große Reaktionsbereitschaft, besonders der C-Atome 2 und 5 erlaubt es jedoch, die meisten dieser Umsetzungen selbst unter Ausschluß stärkerer Säuren und bei gemäßigten Temperaturen vorzunehmen. Chlorierung mit überschüssigem Sulfurylchlorid führt sogar bis zum Pentachlorpyrrolenin (vgl. Phenol, S. 2 30). Acylierung mit Säureanhydriden ist schon in Gegenwart des milden Zinn(I V)chlorids oder ganz ohne Lewis-Säuren möglich. Das nur sehr schwach elektrophile Kohlendioxid reagiert im Sinne der Kolbeschen Salicylsäuresynthese. Diazotierte Sulfanilsäure (= Pauly-Reagens) kuppelt zum Azofarbstoff. Bei der Behandlung mit Chloroform und Alkali zur Einführung des Formylrestes nach Reimer-Tiemann (S. 274) reagiert ein großer Teil des Pyrrols unter Ringerweiterung zu 3-Chlorpyridin: .Cl ITLk, — n V . / " U L J CHO I IC Cl Zu den elektrophilen Reaktionen gehört ferner die Farbreaktion mit /?-Dimethylamino-benzaldehyd, die Paul Ehrlich an Urobilinogen-haltigem Harn entdeckt hat. Der Aldehyd reagiert in Gegenwart von Protonen mit der freien a-Stellung von Pyrrolen unter Bildung eines farbigen mesomeren Kations (Versuch S. 645): Weitere Reaktionen des Pyrrols, Furfural -N(CH 3 J 2 —— ÖL-CH =/=\=N(CH3)2 647 Mit starken Säuren tritt — wegen Protonierung des zweiten Stickstoffs - reversibel Entfärbung ein. In jedem Fall erfolgen die Substitutionen am Pyrrol in 2- bzw. 5-Stellung und nur wenn diese besetzt sind, in 3- bzw. 4-Stellung. Dieses Phänomen läßt sich dadurch erklären, daß für das primär gebildete a-Addukt drei, für das jS-Addukt jedoch nur zwei Grenzstrukturen formuliert werden können: H H H E = Electrophil H H Bei der Reduktion, z. B. mit Zink und Säure, gehen Pyrrole über die Pyrroline in die Pyrrolidine über, die sich in jeder Beziehung wie sek-Amine verhalten. Pyrrolidina-carbonsäure, Prolin, ist ein Baustein der Proteine. a-Pyrrolidon, das Lactam der y-Aminobuttersäure, wird technisch aus y-Butyrolacton (S. 311) und Ammoniak hergestellt. Das durch Vinylierung mit Acetylen erhältliche JV-Vinylpyrrolidon wird zum „Periston®", einem wasserlöslichen eiweißähnlichen Blutplasmaersatz, polymerisiert. Furfural aus Kleie Pentosan H^H2O ^ HO-C—C-OH I \ H2 Cx HC-CHO 7 OH I OH 3H H I H I *~ M n—n N ^O^ ' 2° 300 g Kleie werden in einem 3-l-Schliffkolben mit der Mischung von 15OmI konz. Schwefelsäure und 800 ml Wasser gut durchgeschüttelt. Man destilliert etwa 900 ml Flüssigkeit ab, neutralisiert das Destillat mit Natriumcarbonat und setzt zum Aussalzen 25Og Kochsalz zu. Aus dieser Lösung werden 300 ml abdestilliert. Das Destillat wird wiederum mit Kochsalz gesättigt und dann mit Ether ausgeschüttelt. Der Auszug wird mit wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet, der Ether verdampft und das zurückbleibende Furfural destilliert. Sdp. 162 0 C. Ausbeute 5-7 g. Das Präparat färbt sich beim Stehen ziehmlich rasch braun. Zur besseren Charakterisierung bereite man mit ein paar Tropfen in üblicher Weise das Phenylhydrazon vom Schmp. 97-980C (siehe S. 347). Das bei weitem wichtigste Furanderivat Furfural (früher: Furfurol, von furfur lat. Kleie), wird industriell in großem Maßstab aus Stroh, entkernten Maiskolben und 648 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring anderen pentosanhaltigen Abfallstoffen gewonnen. - Starke Säuren hydrolysieren die natürlich vorkommenden polymeren Pentosane zu monomeren Pentosen, aus denen dann durch Wasserabspaltung Furfural entsteht. Hexosen bilden unter gleichen Bedingungen 5-Hydroxymethylfurfural, das bei weiterer Säureeinwirkung schließlich teilweise in Lävulinsäure und Ameisensäure gespalten wird: ,_ , fi H 1 +2H 2 O H2C - CH 2 | | + HOCH /O CHO -- H3C-^O ^ Aus Schleimsäure bildet sich mit Schwefelsäure Furan-2,5-dicarbonsäure, die sich durch Hitze stufenweise zur Brenzschleimsäure und schließlich zum Furan decarboxylieren läßt. Die variationsfähigste Methode zur Darstellung von Furanderivaten - die Dehydratisierung enolisierbarer y-Dicarbonylverbindungen - hat den Nachteil, daß die Ausgangsstoffe meist nicht leicht zugänglich sind (beste Möglichkeit: Ketonspaltung der Kondensationsprodukte aus a-Halogenketonen und Acetessigester. Formulieren!). Das als Lösungsmittel wichtige Tetrahydrofuran (siehe S. 116) wird technisch aus 1,4-Butandiol gewonnen. Ein anderer Übergang von den Kohlenhydraten zum Furanring ist die Bildung des Chromogens (Farbvorstufe) der Morgan-Elson-Reaktion aus gewissen Aminozuckern: Durch Behandlung von AT-Acetylamino-zuckern (AT-Acetyl-glucosamin) mit Basen in der Wärme entsteht nach R. Kühn 3-Acetamino-5-dihydroxyethyl-furan, das mit /7-Dimethylamino-benzaldehyd (Ehrlichs Reagens, S. 645) zu einem roten Farbstoff kuppelt : Bose r HOCH2-CH-C" CH OH XOH o' Acetylglucosamin HOCH2-CH-1I0J) OH Chromogen Verglichen mit Pyrrol und Thiophen zeigt der Furanring abgeschwächt aromatischen Charakter und deutlicher die Eigenschaften eines Enolethers und die eines 1,3Diens: Säuren führen nicht nur sehr leicht zur Verharzung, sondern auch zur Etherspaltung (siehe Bildung von Lävulinsäure, oben) - Mit Maleinsäureanhydrid und anderen Dienophilen (z. B. auch mit sich selbst) reagiert er nach Diels-Alder unter 1,4-Addition. Elektrophile Substitution ist - wie beim Pyrrol — trotz erhöhter Elektronendichte an den Kohlenstoffatomen wegen der Säurelabilität stark eingeschränkt und bevorzugt die 2- bzw. 5-Stellung. Direkte Einwirkung von Halogen führt beispielsweise zu fast explosionsartiger Zersetzung, unter geeigneten Schutzmaßnahmen mit Brom zum Mono- und Dibromfuran. Viele der scheinbaren Substitutionsreaktionen sind in Wirklichkeit 1,4-Additionen, gefolgt von einer Eliminierung (formulieren!). Furfural verhält sich wie ein typischer aromatischer Aldehyd, ist also wie ein sol- Reaktionen des Furfurals 649 eher der Acyloinreaktion (Bildung von Furoin), Perkinschen Synthese (S. 371) und Cannizzaro-Reaktion (S. 377) zugänglich. Versuch: Darstellung eines Aminoplastes— Man löst in einem Reagenzglas einen Spatel Harnstoff im Gemisch von einem ml Wasser und 0,5ml Salzsäure, gibt 1,5ml Furfural zu und schüttelt gut um. Der Ansatz wird unter Selbsterwärmung langsam dunkel und zähflüssig. (Vorsicht, die Reaktion kann sehr heftig werden!) Nach einigen Stunden zerschlägt man das Reagenzglas und wäscht den schwarzen Kunststoff mit Wasser. Aminoplaste sind makromolekulare Kondensationsprodukte des Harnstoffs oder aromatischer Diamine mit Formaldehyd oder anderen Aldehyden. Der Nachweis des Furfurals und bei geeignetem Vorgehen auch seine quantitative Bestimmung (also auch die von Pentosen) ist mithilfe von zwei empfindlichen Farbreaktionen möglich: der Reaktion mit Phloroglucin-Salzsäure und der Reaktion mit Anilin-Salzsäure. Versuch: Farbreaktion mit Phloroglucin-Salzsäure — Einige Tropfen Furfural werden mit einigen ml einer Lösung von 1 g Phloroglucin in 100 ml halbkonzentrierter Salzsäure im Reagenzglas gekocht: Es entsteht ein dunkelgrüner Niederschlag unbekannter Zusammensetzung. Versuch : Reaktion mit Anilin — 2 ml Anilin werden mit einem ml konz. Salzsäure und 7 ml Alkohol versetzt. Dazu gibt man die Lösung von 1 ml Furfural in 8 ml Alkohol. Die Lösung färbt sich dunkelrot. Man erwärmt kurze Zeit. Beim Erkalten scheidet sich in feinen Nadeln ein violetter Farbstoff aus, der abgesaugt und mit wenig Alkohol und Ether nachgewaschen wird. Nachweis der Pentosen und Hexosen im Papier- oder Dünnschichtchromatogramm siehe S. 394. Bei der Reaktion des Furfurals mit prim. aromatischen Aminen - hier Anilin - in Gegenwart von Säure entsteht das rotviolette Salz des jS-Hydroxyglutacon-dialdehyd-dianils (Th. Zinke). Durch das Amin wird auch die als Di-enolether verkappte, mit Säure freigesetzte zweite Aldehydgruppe des Furfurals als Schiff-Base abgefangen. n—n . ^ J S—'CHO ""O h2Anilin oe - Hydroxyglutacondialdehyd (unbeständig) H J L CH=Ä H L"W-LH H \_/ C6H5N n Man hat das chromophore System eines Cyaninfarbstoffs vor sich. 650 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring In der Hitze gehen die farbigen Anilinium-Salze unter Abspaltung eines Moleküls Arylamin in quartäre /J-Hydroxy-pyridinium-Salze über. Umgekehrt können gewisse Pyridinium-Salze mit Arylaminen zu Glutacon-dianilen aufgespalten werden (siehe S. 674): Wasserstoff * hydriert in Gegenwart von Kupferchromit (einem Katalysator mit spezieller C = O-Affinität) Furfural erst zu Furfurylalkohol und schließlich zu 1,5Pentandiol. Der Furanring selbst läßt sich am besten über Raney-Nickel zur Stufe des Tetrahydrofurans reduzieren. Ein interessantes Derivat dieses Ethers ist nach F. Kögl sowie C. Eugster das Muscarin, Giftstoff des Fliegenpilzes (Amanita muscaria) und anderer Pilze. Das allgemeine Syntheseprinzip für den Aufbau des heterocyclischen Fünfrings, die Kondensation enolisierbarer y-Dicarbonylverbindungen, führt in Gegenwart von Phosphorpentasulfid zu Derivaten des Thiophens. Technisch wird es am billigsten durch Erhitzen von Butan und Schwefel gewonnen: Versuch: Indopheninreaktion — Eine Spur Thiophen wird in etwa 5 ml Benzol gelöst, die Lösung mit einem ml konz. Schwefelsäure und einer Spatelspitze Isatin versetzt und geschüttelt: Der Ansatz färbt sich intensiv blau. - Teerbenzol reagiert schon ohne Thiophenzusatz (Blindprobe!). Bei der Indopheninreaktion handelt es sich um eine durch Schwefelsäure katalysierte elektrophile Kondensation des Thiophens mit Isatin zu einem indigoähnlichen Farbstoff: HN Derivate des Thiophens mit freier 2,5- oder 2,3-Stellung reagieren ebenfalls mit Isatin. Thiophen 65 1 Von allen Fünfringheterocyclen steht Thiophen dem Benzol am nächsten. Die Leichtigkeit der elektrophilen Substitutierbarkeit fallt in der Reihenfolge Pyrrol > Furan > Thiophen > Benzol. Diese Abstufung ist auf Grund der Tatsache verständlich, daß die Stabilität der beim primären Anlagerungsschritt gebildeten Oniumionen in gleicher Folge abnimmt (siehe hierzu S. 647). Andere Kriterien wie Resonanzenergie und chemische Verschiebung der Protonen im 1H-NMR sprechen für ein Ansteigen der Aromatizität in der Reihenfolge Furan < Pyrrol < Thiophen < Benzol. Trotz der nahen Verwandtschaft der beiden Verbindungen erfolgen beim Thiophen Friedel-Crafts-Reaktionen und Halogenierungen (besonders die mehrfachen) deutlich leichter als beim Benzol. Noch stärker ist der Unterschied bei der Mercurierung. Konz. Schwefelsäure sulfoniert bereits in der Kälte. Die letzten beiden Reaktionen können dazu dienen, Teerbenzol thiophenfrei zu machen. Einfacher ist ein Schütteln mit Aluminium(III)-chlorid, das den Heterocyclus sofort zerstört. Gegen Protonensäuren ist Thiophen dagegen ziemlich stabil. — Unter den Bedingungen der Elementaranalyse ist erst metallisches Kalium (nicht dagegen Natrium) in der Lage, den Schwefel herauszubrechen. Thiophen ähnelt dem Benzol nicht nur in seinem chemischen Verhalten, sondern auch in seinem physikalischen (Sdp., Molekulargewicht, Molekülgröße, Löslichkeit) und physiologischen (Geruch; der Körper scheidet Thiophen-2-carbonsäure in dem der Hippursäure (S. 636) analogen Konjugat des Glycins aus). In der Natur kommen Derivate des Thiophens, z. B. a-Terthienyl in der Samtblume, vor: Biogenetischer Zusammenhang mit Polyinen (S. 218). Durch energische katalytische Hydrierung erhält man aus Thiophen Tetrahydrothiophen (Thiolan), dessen Sulfon Sulfolan, als Lösungsmittel und technisches Extraktionsmittel verwendet wird. Indoxyl und Indigo aus Anthranilsäure /V-Phenylglycin-o-carbonsäure ,CO2H + "NH2 ClCH2-CO2H In einem 1-I-Rundkolben mit Rückflußkühler wird die Mischung von 27,5g (0,20 mol) Anthranilsäure, 19,Og (0,20 mol) Monochloressigsäure, 40g wasserfreiem Natriumcarbonat und 400 ml Wasser 3 h lang gekocht. Dann kühlt man den Ansatz auf etwa 652 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring Zimmertemperatur, gießt ihn in einen Stutzen, macht ihn durch vorsichtige Zugabe von konz. Salzsäure unter Umrühren schwach sauer (pH 3—4) und läßt ihn über Nacht stehen. Nach dieser Zeit wird das ausgefallene Rohprodukt abgesaugt, mit 10 ml Wasser gewaschen, unter Zusatz von wenig Aktivkohle aus Wasser umkristallisiert und bei 11O 0 C getrocknet. Schmp. 2080C. Ausbeute etwa 24 g ( 62%). Die Alkalischmelze ist unter einem Abzug auszuführen; es sind Schutzbrille und Handschuhe zu tragen! In einem großen Nickel- oder ersatzweise Eisentiegel werden 9,8g (0,1 mol) /VPhenylglycin-o-carbonsäure, 30g festes Natriumhydroxid und 1OmI Wasser unter dauerndem Umrühren mit einem Thermometer, das in einer Kupferhülse steckt (genauere Angaben bei Präparat S. 276) langsam auf 200° bis 21O 0 C erhitzt. Dabei ist darauf zu achten, daß die Flamme nicht in den Tiegel schlägt. Es bildet sich eine orangerote Schmelze. Man läßt abkühlen, löst die Masse in etwa 200 ml Wasser auf und saugt die Flüssigkeit rasch durch ein hartes Filter. Das Produkt wird nicht isoliert, sondern direkt zu Indigo oxidiert. Indigo (Indigotin) 2O2 Durch die filtrierte Lösung des Indoxylnatriums saugt man mit der Wasserstrahlpumpe so lange Luft, bis ein Tropfen der wässerigen Indigosuspension, auf Filtrierpapier gebracht, nicht mehr an der Luft nachblaut und einen scharfen Rand von gefälltem Indigo zurückläßt. Dann wird der Indigo abgenutscht, mit heißem Wasser gewaschen, vom Filter in ein Becherglas gespült, mit wenig 2lM Salzsäure gekocht, wieder abgenutscht, mit heißem Wasser gewaschen und getrocknet. Ausbeute 7,5g (57,5%). Kleine Mengen können durch Sublimation gereinigt werden. Versuch: Indigo aus o-Nitrobenzaldehyd — In einem Reagenzglas löst man 1 g oNitrobenzaldehyd in 3 ml Aceton, füllt auf das doppelte Volumen mit Wasser auf und versetzt dann die klare Lösung tropfenweise mit 1N Natronlauge. Der Ansatz färbt sich unter Selbsterwärmung dunkelbraun und scheidet nach kurzer Zeit den Farbstoff in kristallinen Flocken aus. Man saugt nach fünf min ab und wäscht den Rückstand erst mit Alkohol, dann mit Ether. Der so gewonnene Indigo ist besonders rein und zeigt deutlich den typischen violetten Oberflächenglanz. Indigo-Synthesen 653 Natürlicher Indigo war jahrtausendelang der wichtigste organische Farbstoff. Indoxyl ist als Enol-O-glucosid Indican vor allem in der Färberwaidpflanze (Europa) und in Indigoferaarten (Tropen) enthalten. Es kann daraus mithilfe des eigenen Pflanzensaftes enzymatisch oder mit Säuren freigesetzt werden und autoxidiert sich dann sofort zu Indigo. Die Konstitution des Farbstoffs ist in klassischen Arbeiten (ab 1865) durch A. v. Baeyer erforscht worden. - Der kostbare antike Purpur wurde von P. Friedländer (1908) als 6,6'-Dibromindigo erkannt. Die Indigosynthese durch Alkalischmelze des N-Phenylglycins (K. Heumann) wurde durch Zusatz von Natriumamid (J. Pfleger) so verbessert, daß der synthetische Farbstoff billiger wurde als der natürliche: ClCH2CO2H Indigo NaNH Die Alkalischmelze von AT-Phenylglycin ist noch heute die wirtschaftlichste Methode bei der industriellen Herstellung von Indigo, doch wird das Ausgangsmaterial am billigsten über eine Strecker-Synthese mit Formaldehyd, Anilin und Blausäure erhalten (formulieren!). Von Heumann stammt auch die von uns benutzte Variante, bei der an Stelle von Anilin Anthranilsäure eingesetzt wird. Von den zahlreichen Synthesen aus dem Laboratorium A. v. Baeyers sei hier nur die eleganteste, im Versuch S. 652 durchgeführte erwähnt. Bei ihr wird o-Nitrobenzaldehyd in alkalischer Lösung mit Aceton kondensiert. Dabei entsteht eine aldolartige Verbindung, die über 0-Nitroso-benzoylaceton durch Acetat- und Wasserabspaltung in Indolon übergeht. Indolon addiert Wasser und wird dadurch zu einem starken Nucleophil, das sich leicht an neu gebildetes Indolon addiert: HO Il + H3C-CO-CH3 H OH "CH2-CO-CH3 NO2 NO 2 ' Jf^CH2-CO-CH3 LK,£n-cH3 -^p Indolon Indigo 654 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring Für die intermolekulare Disproportionierung (zweiter Schritt) kann der Übergang von o-Nitrotoluol zu Anthranilsäure in Gegenwart von Alkalien oder der von oNitrobenzaldehyd zu o-Nitrosobenzoesäure beim Belichten als Muster gelten. Unter Ausnutzung des indigoiden Bauprinzips hat man viele Varianten hergestellt. Ersatz des Stickstoffs durch Schwefel führt zu einem roten Farbstoff. - Der namentlich in seinen Derivaten wichtige Thioindigo kann aus Thiosalicylsäure und Chloressigsäure analog der oben geschilderten Vorschrift über Thioindoxyl (3Hydroxythionaphthen) dargestellt werden (P. Friedländer, 1905): O Thioindigo Aus Isatin und Thioindoxyl entsteht der prächtige Thioindigoscharlach nach einem Mechanismus, der dem der Indopheninreaktion ähnelt: Versuch: Färbung mit Indigo — Eine Spatelspitze Indigo wird in einer kleinen Reibschale (oder auf dem Uhrglas) mit wenigen Tropfen Wasser zu einem feinen Brei zerrieben, in ein Erlenmeyerkölbchen gespült, mit 2N Natronlauge deutlich alkalisch gemacht und unter Erwärmen auf 30-4O0C mit einem geringen Überschuß Natriumdithionitlösung reduziert. Es entsteht bald eine grüngelbe, dann braunstichig gelbe Lösung, die Küpe, auf deren Oberfläche sich durch die Berührung mit der Luft eine feine blaue Haut von Indigo, die sogenannte „Blume" bildet. Man verdünnt mit Wasser auf 25—30 ml, bringt einen vorher benetzten Leinwandstreifen in die Lösung, digeriert ihn darin einige min lang mit einem Giasstab, nimmt ihn heraus, preßt ihn aus und hängt ihn an der Luft auf. Schon nach 5 min ist das Tuchstück tiefblau gefärbt. Leitet man Luft durch die Küpe, fällt der Farbstoff wieder aus. (Auf diesem Wege läßt sich der Indigo reinigen.) Da Indigo wegen seiner völligen Wasserunlöslichkeit nicht direkt auf die Faser aufgebracht werden kann, wendet man seit altersher ein spezielles, „Küpenfärberei" genanntes Verfahren an: Man reduziert den Farbstoff in alkalischer Suspension mit Natriumdithionit oder anderen geeigneten Reduktionsmitteln wie z. B.hydrierenden Bakterien zu einem löslichen Enolat, dem „Leukofarbstoff". - An der Luft oxidiert sich die gelbliche LeukoVerbindung rasch wieder zum Indigo: Küpenfarbstoffe: Indigo und Indanthrene 655 OH Indigweiß Als fertige Küpen sind die (neutralen, also auch zur Wollfarbung geeigneten) Alkalisalze des Indigoweiß-schwefelsäureesters unter dem Namen „Indigosol" im Handel. Zu den Küpenfarbstoffen — die sich durch ganz besondere Echtheit auszeichnen gehören außer den indigoiden auch die als Indanthrenfarben bekannten, aromatisch kondensierten Anthrachinonderivate. Hier sei nur der älteste Vertreter dieser Gruppe, das Indanthrenblau R, angeführt, das aus jS-Amino-anthrachinon durch dehydrierende Dimerisation in einer Kaliumnitrat-Alkali-Schmelze entsteht (R. Bohn, 1910): O Indanthrenblau R gehört zu den stabilsten organischen Verbindungen; es hält nicht nur eine Alkalischmelze, sondern auch Salzsäure bei 40O0C aus. Die dem Indoxyl zugrunde liegende Stammverbindurig ist das Indol, das u.a. im Steinkohlenteer enthalten ist, und das man aus Oxindol durch Zinkstaubdestillation erhält. Besonders übersichtlich ist die Darstellungsmethode von W. Madelung, bei der N-Acyl-0-toluidin durch Natriumamid oder Kalium-/er/-butylat cyclisiert wird: .CHoO Zur Herstellung zahlreicher Indolderivate eignet sich am besten die von E. Fischer angegebene Umlagerung der Phenylhydrazone, die aber beim einfachsten, dem des Formaldehyds nicht zum Ziel führt. Versuch: 2-Methylindol nach E. Fischer — 5,4g Phenylhydrazin (0,05 mol) werden mit 5 ml Aceton vermischt und 45 min auf dem Dampfbad erwärmt, wobei sich etwas Wasser abscheidet. Man setzt dann 15g frisch entwässertes und gepulvertes Zinkchlorid zu und erhitzt 10 min unter Umrühren in einem auf 18O 0 C erwärmten Ölbad. Die dunkle 656 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring Schmelze gießt man in einen 1-I-Rundkolben, spült mit ganz wenig Methanol nach, versetzt mit 50 ml 2N Salzsäure und destilliert das gebildete Methylindol mit Wasserdampf über. Das Destillat (1 I) wird trotz der bereits ausfallenden weißen Kristalle 3mal mit Ether ausgeschüttelt, der Ether getrocknet und abgedampft. Der Rückstand wird mit wenig kaltem Petrolether zerrieben und abgesaugt. Man erhält 4 g (60% Ausbeute) 2-Methylindol, welche aus Petrolether umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 58—59 0 C. Das Phenylhydrazon des Acetons erleidet aus der Enhydrazinform heraus eine säurekatalysierte, sigmatrope Umlagerung, wonach unter Abspaltung des aliphatisch gebundenen Stickstoffs als Ammoniak der Indolring gebildet wird. Als Reaktionsmedium eignet sich sehr gut auch Polyphosphorsäure. CHo H Ist man von Brenztraubensäure ausgegangen, so erhält man Indol-2-carbonsäure und durch deren Hitzedecarboxylierung Indol. Indole sind, wie die Pyrrole (siehe S. 645) praktisch nicht basisch, säureempfindlich und ähnlich leicht elektrophil substituierbar, wobei der Substituent jedoch die 3- vor der 2-Stellung bevorzugt. Nur der ^-Komplex mit Addend in 3-Position kann seine positive Ladung delokalisieren, ohne daß die Resonanz des Benzolrings gestört wird. (Vergleiche entsprechende Verhältnisse beim Naphthalin; S.239): H Ein Beispiel für die leicht verlaufende elektrophile Substitution ist die Graminsynthese (Präparat S. 353). Die Einwirkung von Chloroform und Alkali nach ReimerTiemann führt zum Teil unter Ringerweiterung zu 3-Chlorchinolinen (vergleiche S. 646). Der Wasserstoff am Stickstoff reagiert mit Methyl-magnesiumhalogenid (Zerewitinow-Reagens). Die dabei entstehenden Magnesylverbindungen lassen sich zur Anlagerung des /Mndolylrests an elektrophile Zentren benutzen. Zum Nachweis ist die Fichtenspan- bzw. Zeitungspapier-Reaktion geeignet (siehe Versuch S. 645). Indol ist der Stammkörper einer großen Reihe von Naturstoffen. Die Grundverbindung selbst findet sich u. a. als Duftstoff in Jasmin- und Orangenblüten, als Abbauprodukt des Tryptophans, zusammen mit 3-Methylindol (Skatol) auch in den Faeces. Tryptophan (Präparat S. 422) ist eine essentielle Aminosäure und Ausgangsstoff zahlreicher biologischer Umwandlungsprodukte. Es wird z. B. von Mikroorganis- Tryptophanstoffwechsel 657 men zur 3-Indolylessigsaure, dem Pflanzenwuchsstoff Heteroauxin, von Darmbakterien zum Skatol abgebaut. Ein anderer Weg führt vom Tryptophan zum Chinolinring - im Hundeharn findet sich stets Kynurensäure — oder zum Pyridinring - Nicotinsäureamid (siehe S. 676) - oder zu den Augenpigmenten von Insekten — Ommochrome (A. Butenandt) welche Phenoxazinfarbstoffe sind (Ommatine, Ommine). Durch enzymatische Decarboxylierung entsteht aus Tryptophan Tryptamin, aus 5-Hydroxytryptophan das blutdruckwirksame Serotonin, das auch als chemischer Mediator bei nerven- und gehirnphysiologischen Vorgängen eine Rolle spielt (Neurotransmitter). Heteroauxin ,CH2-CO2H Alkaloide t NHo Tryptamin (5-OH=Serotonin) OH Ommatine N CO2H Kynurensäure ' OH 3 - Hydroxyanthranilsäure a CH3 OH" CO2H Nicotinsäure Die tautomere Form des Indols, Indolenin, ist nur bei Doppelsubstitution in 3Stellung einigermaßen beständig. Permethylierung von Indol gibt 1,2,3,3 -Tetramethyl-indoleniniumsalze. CH CH3 CH3 „Fischer-Base" , CH3 CH3 ,Indolin 658 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring Katalytische Hydrierung des Indolsystems führt unter Absättigung der 2,3-Doppelbindung zu Indolinen. Benzofuran, meist Cumaron genannt, wird industriell aus Steinkohlenteer gewonnen und findet nach saurer Polymerisation zu Cumaronharzen als Lackbindemittel Verwendung. - Benzothiophen, als Thionaphthen bekannt, ist ebenfalls ein Bestandteil des Steinkohlenteers: Thionaphthen Diese Reaktion (einschließlich Reinigung der Gasentwickler) ist mit besonderer Vorsicht unter einem gutziehenden Abzug auszuführen; nitrose Gase sind sehr giftig (Spätwirkung) ! In einem 200-ml-Erlenmeyerkolben versetzt man 30,0 g o-Toluidin (0,28 mol) mit einem Gemisch von 30 ml Eisessig und 60 ml Acetanhydrid (0,59 mol); die Acetylierung verläuft unter Selbsterwärmung. Nach Abkühlen im Eisbad nitrosiert man durch Einleiten von Distickstofftrioxid. Dieses stellt man sich in einem am Stativ f ixierten 1-IGasentwickler (siehe z.B. S. 667) her, der mit 150—18Og technischem Natriumnitrit und (im Tropftrichter) mit konz. Schwefelsäure, die 3 Vol.% konz. Salpetersäure enthält, beschickt ist. Der Entwickler wird durch PVC-Schlauch über eine Sicherheitsflasche (Abbildung 20, S. 24) mit einem Glasrohr verbunden, das in den Reaktionsansatz taucht. — Um nach Verbrauch dieser Natriumnitritmenge (nach ca. zwei h) sofort weiterarbeiten zu können, stelle man eine zweite vorbereitete Saugflasche bereit. Man läßt die Schwefelsäure so rasch zutropfen, daß ein kräftiger N 2 O 3 -Strom entsteht. Der Ansatz ist mit Eiswasser zu kühlen; die Reaktionstemperatur muß stets unter 5 0 C bleiben. Nach etwa einer Stunde beginnt sich die Lösung grün zu färben; es wird jedoch noch weiter eingeleitet, bis eine tief smaragdgrüne Farbe Stickstoffoxid - Überschuß anzeigt. Diese Färbung soll auch nach Unterbrechung der Gaszufuhr noch einige Zeit bestehen bleiben. Die schwarzgrüne Lösung des Nitroso-aceto-o-toluidids wird auf 3000 g Eis-Eiswasser gegossen und zwei h lose verschlossen im Kühlschrank oder im Eisbad aufbewahrt. Nach Überführung in einen Scheidetrichter nimmt man das ausgeschiedene Öl durch mehrmaliges Ausschütteln in insgesamt 200 ml Benzol auf, wäscht die vereinigten organischen Lösungen mit Eiswasser und läßt nach Zugabe von 10 ml Methanol (zur Bindung des restlichen Acetanhydrids) locker verschlossen eine Stunde bei O 0 C stehen. Nach erneutem gründlichen Waschen mit dreimal je 10OmI Eiswasser läßt man die kalte Lösung in einem nur lose (!) abgedeckten Erlenmeyerkolben mit etwas Calciumchlorid über Nacht im Kühlschrank stehen. Es empfiehlt sich, mit dem Ansatz frühmorgens zu beginnen, um den Versuch an einem Tag bis zu dieser Stufe durchführen zu können. Am anderen Morgen gießt man die hellbraune Lösung vom Trockenmittel in einen Indazol und Benztriazol 659 2-l-Erlenmeyerkolben ab, verdünnt unter Nachwaschen des Calciumchlorids mit weiteren 400 ml Benzol und erwärmt die vereinigten Lösungen in einem Wasserbad eine Stunde auf eine Innentemperatur von 35 0 C (diese ist infolge des exothermen Charakters der Indazolbildung ca. 7-1O0C höher als die Badtemperatur), dann weitere sieben h auf eine Innentemperatur von 40—5O 0 C. Diese Temperaturen müssen eingehalten werden, da es sonst zur Wärmestauung kommen kann. Erleichtert wird die Konstanthaltung der Temperatur und die Wärmeabfuhr durch Verwendung eines großen Bades. Nach Beendigung der Umsetzung kocht man auf dem Dampfbad kurz auf und zieht die erkaltete Lösung im Scheidetrichter erst mit 100 ml 2N Salzsäure und dann dreimal mit je 20 ml 5 N Salzsäure aus. Die vereinigten sauren Extrakte werden mit überschüssigem Ammoniak versetzt, wobei sich das gebildete Indazol nahezu farblos abscheidet. Man läßt noch zwei h im Kühlschrank stehen, saugt ab, wäscht mit Wasser und trocknet im Vakuumexsikkator über konz. Schwefelsäure. Zur Reinigung des rohen Indazols vom Schmp. 143-1450C (19g; 58%) ist die Vakuumdestillation im Säbelkolben geeignet; Sdp. bei 17O 0 C / 50 Torr. Auch die Hülsenextraktion mit Benzol liefert ein farbloses Präparat in prächtigen großen Tafeln vom Schmp. 146—147 0 C. Das zunächst gebildete A/-Acetyl-0-toluidin wird zur AT-Nitrosoverbindung nitrosiert, die sich zum trans-Diazoacetat umlagert. Dieses kuppelt, wie auf S. 611 ausgeführt ist, in intramolekularer Reaktion an die räumlich günstig gelagerte Methylgruppe zum Indazol (R. Huisgen). Benztriazol ,NH2 L NH2 HNO2 In einem 250-ml-Becherglas werden 27,0 g o-Phenylendiamin (0,25 mol), 27,7ml Eisessig (30,0 g; 0,50 mol) und 75 ml Wasser vorsichtig erwärmt bis eine klare Lösung entstanden ist. Diese wird auf 5 0 C abgekühlt und mit einer gleichfalls auf diese Temperatur gebrachten Lösung von 18,5 g Natriumnitrit (0,273 mol) in 30 ml Wasser versetzt. Während man nun ohne weiter zu kühlen langsam umrührt, erwärmt sich der Ansatz rasch auf 70—8O 0 C und färbt sich grün. Jetzt wird das Becherglas in Eiswasser gestellt und weitergerührt, bis der Inhalt braunrot geworden ist. Man läßt das Reaktionsgemisch eine Stunde lang bei Zimmertemperatur stehen. Es kühlt sich ab und scheidet das rohe Benztriazol als ein Öl aus, das bei weiterem Rühren im Eisbad bald fest wird. Nachdem man das Becherglas noch etwa drei Stunden mit Eis gekühlt hat, saugt man die Flüssigkeit ab und wäscht den Rückstand mit 50 ml eiskaltem Wasser. Er wird über Nacht bei 45—5O 0 C getrocknet. Rohausbeute: 28,5g (95,8%) eines gelblichbraunen Produkts. Zur Reinigung destilliert man das rohe Benztriazol im Wasserstrahlvakuum aus einem Säbelkolben. Sdp. 201-204 0 C / 15 Torr. Das geschmolzene Destillat gießt man in 6OmI Benzol. Die Lösung wird solange gerührt, bis das reine Produkt völlig ausgefallen ist. Nach zwei h wird das Benzol abgesaugt. Die letzten Lösungsmittelreste entfernt man im Exsikkator mit Paraffinschnitzeln. Ausbeute etwa 95g (~74%) einer farblosen Substanz mit dem Schmp. 96-970C. 660 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring Die innermolekulare Kupplung des diazotierten o-Phenylendiamins, die zum Benztriazol führt, läuft über das Diazoniumion ab. Dasselbe gilt für die analoge Bildung des Benzothiodiazols aus o-Aminothiophenol: HNO2 o-Aminophenole reagieren nach Diazotierung zu o-Chinondiaziden bekanntlich nicht unter Ringschluß weiter (S. 603). Beim Erhitzen von 0-Phenylendiamin mit Ameisensäure entsteht Benzimidazol, dessen 5,6-Dimethylverbindung ein Bestandteil des Vitamins B12 ist. Die mit dem Benzolkern „orthokondensierten" Azole mit zwei und drei Stickstoffatomen sind sehr schwach basische, kristalline Verbindungen von großer Beständigkeit. Benztriazol läßt sich sogar unter Erhaltung des Heteroringes mit Permanganat zu Triazol-4,5-dicarbonsäure oxidieren. Die einkernigen Azole und ihre Derivate sind interessante, auch technisch wichtige Verbindungen mit aromatischem Charakter. Das zusätzliche „tertiäre" Stickstoffatom im Fünfring vermindert infolge seiner elektronenanziehenden Wirkung den negativen Ladungsüberschuß an den Kohlenstoffatomen und somit die Bereitschaft zur elektrophilen Substitution; immerhin kuppeln Pyrazole (wie Indazol) und Imidazole mit Diazoniumsalzen. Die Unbeständigkeit gegenüber Säuren—auch eine nucleophile Eigenschaft - ist jedoch verschwunden. Pyrazol (Schmp. 7O0C; pKA der konjugierten Säure = 2,53) ist in guter Ausbeute z. B. aus Hydrazin und Propargylaldehyd zu erhalten. Seine Derivate, von denen die Pyrazolone - mit Carbonylfunktion in 3-Stellung - die größte Bedeutung haben, gewinnt man aus 1,3-Dicarbonylverbindungen und Hydrazinen. So entsteht z.B. Antipyrin® aus Phenylhydrazin und Acetessigester mit nachfolgender JV-Methylierung (formulieren!), Butazolidin® aus Hydrazobenzol und Butylmalonester: 5 \ X 'VvN2 )n N H 3 N2 ^\ X"V ..„X..xN, jpc IjJ 0 C6H5 nu rv| C6H5 Butazolidin c H3C CH3 Antipyrin Pyrazol Pyrazolone, Imidazole, Triazole, Tetrazole 661 Die Pyrazolone kuppeln in 4-Stellung mit aromatischen Diazoverbindungen zu lichtechten Wollfarbstoffen (z. B. dem Tartrazin). Imidazol (Schmp. 9O0C; pKA der konjugierten Säure = 7,16) entsteht aus Glyoxal, Formaldehyd und Ammoniak („Glyoxalin"); doch dürfte die beste Synthese diejenige aus dem Glykolacetal des Bromacetaldehyds und Formamid unter Ammoniak bei 18O0C sein (H. Bredereck): BrCH2 H2C-OJ MM, I 2 , , V-N3 N-CH2-CH-CO2H H Imidazol H Histidin Die natürliche Aminosäure Histidin enthält den Imidazolring. Ihr Decarboxylierungsprodukt, Histamin, ist eine der Ursachen allergischer Zustände. Imidazol ist unter den Azolen die stärkste Base. Mit seinem pK ~ 7 ist es in der Lage, in neutraler Lösung Protonen zu binden. Diese Base- und Puffereigenschaft der Histidinseitenkette ist es, die man mit der katalytischen Funktion vieler hydrolytisch wirkender Enzyme wie Esterasen oder Trypsin in Zusammenhang bringt. 1,2,3-Triazol-dicarbonsäure (und daraus durch Decarboxylierung 1,2,3-Triazol) sowie Tetrazol entstehen z. B. durch 1,3-dipolare Cycloaddition von Stickstoffwasserstoffsäure an Acetylendicarbonsäure bzw. an Cyanwasserstoff: HO2 C, ___ N 2 ^^ \\ N ° "S HO2C-C -H 2C INI K M H .CH /N^N Nl -- HN I V CH Die 1,3-dipolare Cycloaddition (R. Huisgen, vgl. auch S. 207) eröffnet die Möglichkeit zur Darstellung einer Fülle von 5-Ring-Heterocyclen des Azol-Typs. Pentamethylen-tetrazol, ein als Cardiazol® bekanntes Herzanregungsmittel, wird wie schon auf S. 351 erwähnt, durch Einwirkung von Stickstoffwasserstoff auf Cyclohexanon dargestellt (K. F. Schmidt, 1924). Triphenyl-tetrazoliumchlorid hat als Redoxindikator in der Pflanzenphysiologie Bedeutung. Das wasserlösliche, farblose Salz wird enzymatisch zu einem unlöslichen tiefroten Formazan reduziert: C C6H5 a ' N * C6H5 -C1 Triphenylformazan 662 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring Formazane erhält man durch Kuppeln von Arylhydrazonen mit Diazoniumsalzen. Sie lassen sich umgekehrt leicht zu den Tetrazoliumsalzen oxidieren. Die präparative Herstellung dieses Formazans ist bei seiner Verwendung als Ausgangssubstanz für das Radikal Verdazyl auf S. 594 geschildert. Auch der Pentazolring ist bekannt. Er entsteht bei der Kupplung von Benzoldiazoniumchlorid mit Azidionen über das Pentazen als nicht stabiles Zwischenprodukt, das Stickstoff unter Bildung von Azidobenzol (Phenylazid, siehe auch S. 623) abspaltet (R. Huisgen, I. Ugi, 1957). /?-Ethoxy-phenylpentazol konnte bei -3O 0 C kristallisiert erhalten werden. C 6 H 5 -N=NI + NO— C6H5-N + "C6H5N3 Phenylpentazen Die Fünfringe, die neben Stickstoff noch Sauerstoff- bzw. Schwefel als Heteroatom enthalten, heißen: Oxazol Isoxazol Thiazol Isothiazol . 2-Phenyl-5-oxazolon, das Azlacton der Hippursäure, wurde bereits beim Präparat Phenylalanin (S. 373) besprochen. 2-Mercapto-5-hydroxythiazol heißt Rhodanin. Benzoxazol-2-on ist ein in Pflanzen vorkommender Hemmstoff des Pilzwachstums (AVirtanen, 1955): 4 3 0=5CXQ/C- H2C - N 'l H2 1 Azlacton der Hippursäure Benzoxalon Die schwefelhaltigen aromatischen 5-Ring-Heterocyclen verhalten sich oft ähnlich wie die entsprechenden 6-Ring-Aromaten, in denen statt des Schwefels eine formale C,C-Doppelbindung steht. Wir haben bereits auf die große Ähnlichkeit des Thiophens mit dem Benzol hingewiesen. Thiazol ähnelt in seinen Eigenschaften deshalb S -CH2-CH2OH Aneurin(Thiamin)-Hydrochlorid Weitere Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring 663 dem Pyridin und ist wie dieses nur sehr schwer elektrophil substituierbar. Ein wichtiger natürlich vorkommender Vertreter des Thiazols ist das Aneurin (Thiamin, Vitamin B 1 ) (S. 380), in dem außerdem ein Pyrimidinring (S. 687) enthalten ist. Der Thiazolidinring kommt in den Penicillinen vor. CO2H ^\ O Il C 6 H 5 CH 2 CNH" Die mesomeriestabilisierten Sydnone (Universität Sydney, 1935) sind Heterocyclen, für die nur zwitterionische Grenzstrukturen angegeben werden können. HC-N v M \ -*—*~ HC = N l A,- u.s.w. Sie entstehen aus N-Arylglycinen und salpetriger Säure. Weiterführende Literatur zu Kapitel X\\/ A. H. Corwin, The Chemistry of Pyrrole and Its Derivatives, Heterocyclic Compounds, Herausg. R. C. Elderfield, Bd. /, S. 277, J. Wiley and Sons, New York und London 1950. R. C. Elderfield und T. N. Dodd, Furan in Heterocyclic Compounds, Heterocyclic Compounds, Herausg. R. C. Elderfield, Bd. l, S. 119, J. Wiley and Sons, New York und London 1950. C.-H. Schmidt, Neuere Entwicklungen in der Furanchemie, Angew. Chem. 67, 317 (1955). D. G. Jones und A. W. C. Taylor, Some Aspects of Furan and Pyran Chemistry, Quart. Rev. 4, 195 (1950). F.F. Blicke, The Chemistry of Thiophene, Heterocyclic Compounds, Herausg. R.C. Elderfield, Bd. /, S. 208, J. Wiley and Sons, New York und London 1950. D.E.Wolf und K. Folkers, The Preparation of Thiophenes and Tetrahydrothiophenes, Org. React. 6, 410(1951). J.L. Goldfarb, J.B. Volkenstein und L. J. Belenkij, Änderung der Orientierung von Substitutionsreaktionen an Thiophen- und Furanderivaten, Angew. Chem. 80, 547 (1968). Indigo und indigoide Farbstoffe, Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 3.Aufl.; Herausg. W. Foerst, Bd. 8, S. 748, Urban und Schwarzenberg, München, Berlin 1957. A. v. Baeyer, Zur Geschichte der Indigo-Synthese, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 33, LI (1900). H. Brunck, Die Entwicklungsgeschichte der Indigo-Fabrikation, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 33, LXXl (1900). P. L. Julian, E. W. Meyer und H. C. Printy, The Chemistry of Indoles, Heterocyclic Compounds, Herausg. R.C. Elderfield, Bd. 3, S. l, J. Wiley and Sons, New York und London 1952. R.B. van Order und H.G. Lindwall, Indole, Chem. Rev. 30, 69 (1942). B. Robinson, The Fischer Indole Synthesis, Chem. 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Wiley and Sons, New York, London und Sydney 1967. FR. Benson, The Chemistry of the Tetrazoles, Chem. Rev. 41, l (1947). A.W. Nineham, The Chemistry of Formazanes and Tetrazolium Salts, Chem. Rev. 55,355 (1955). J. M. Sprague und A.H. Land, Thiazoles and Benzothiazoles, Heterocyclic Compounds, Herausg. R. C. Elderfield, Bd.5, S. 484, J. Wiley and Sons, New York und London 1957. R.H. Wiley, D.D.England und L.C. Behr, The Preparation of Thiazoles, Org. React. 6, 367 (1951). F H. C. Stewart, The Chemistry of the Syndnones, Chem. Rev. 64, 129 (1964). XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 6-gliedrigen und mehreren Ringen Experimente: Collidin Versuch: Nicotin aus Tabak 2-Aminopyridin Versuch: Pyridin-hydrochlorid Versuch: 2,4-Dinitrophenylpyridiniumchlorid Versuch: Halbanil und Dianil aus dem Zincke-Salz Propargylalkohol-tetrahydropyranylether a) Chinolin nach Skraup b) 8-Hydroxychinolin Versuch: Darstellung von Metallchelaten 2-Hydroxy-4,6-dimethylchinolin nach Knorr 2-Phenylchinolin aus Chinolin und Lithiumphenyl D,L-l,2,3,4-Tetrahydro-isochinolin-3-carbonsäure Homo-dihydro-carbostyril 4-Amino-uracil Coffein aus Tee Harnsäure Versuch: Murexidreaktion Harman Hämin aus Rinderblut Collidin-Synthese 667 XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 6-gliedrigen und mehreren Ringen Systeme mit einem heterocyclischen Sechsring Collidin CHo I CH3 RO27C. ^CH2 CH 3 CHO ^CO2R CH2 Z _ 3 R0 r \? COoR ^ RU2Lx^xLU2K CH '> NH3 CH3 0^ C H 3 N CH 3 CH3 R=C2H5 Dihydrocollidindicarbonsäure-diethylester. In einem 200-ml-Becherglas erwärmt man auf dem Drahtnetz eine Mischung von 33,Og Acetessigester (0,25 mol) und 10,Og Acetaldehydammoniak (0,17mol) unter Umrühren mit einem Thermometer 3 min lang auf 100—11O 0 C. Dann entfernt man die Flamme, versetzt das warme Reaktionsgemisch mit 70 ml 2N Salzsäure und rührt so lange kräftig um, bis die anfangs flüssige Masse erstarrt ist. Sie wird in einer Reibschale fein zerrieben, abgesaugt, mit Wasser ausgewaschen und auf Ton getrocknet. Für die weitere Verarbeitung kann das Rohprodukt (Ausbeute ca. 25 g) verwendet werden. Eine Probe kristallisiert man aus wenig Ethanol um und erhält so farblose bläulich fluoreszierende Nadeln vom Schmp. 131 0C. 3,5-Collidindicarbonsäure-diethylester Die Dehydrierung zum aromatischen System geschieht mit Distickstofftrioxid. Nitrose Gase sind sehr giftig (Spätwirkung)! Es ist mit besonderer Vorsicht zu arbeiten und ein gutziehender Abzug zu benutzen! Ein 500-ml-Zweihalskolben mit Tropftrichter und Gasableitungsaufsatz wird in einem Babotrichter befestigt. An diesen Gasentwickler schaltet man über PVC-Schläuche eine leere Gaswaschflasche, deren langer Schenkel mit einem Einleitungsrohr verbunden ist. Das Rohr führt zum Boden eines 100-ml-Erlenmeyerkolbens, der zur Kühlung in einem Topf befestigt ist, durch welchen langsam Leitungswasser fließt. — Den Erlenmeyerkolben beschickt man mit der Suspension aus 20 g des pulverisierten rohen Dihydroesters in 25 ml Methanol; den Zweihalskolben mit 50g grob zerkleinertem Arsentrioxid (Vorsicht; sehr starkes Gift!); den Tropftrichter mit einer Mischung von 75 ml konz. Salpetersäure (D. 1,4) und 30 ml Wasser. Nun entwickelt man durch langsames Zufließenlassen der Salpetersäure und gelindes Erwärmen einen gleichmäßigen Distickstofftrioxid-Strom. Man leitet so lange Gas ein, 668 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen bis sich die Festsubstanz ganz gelöst hat und eine Probe mit verdünnter Salzsäure keine Trübung mehr gibt (Erklärung auf S. 670). Jetzt gießt man die Lösung unter Nachspülen mit wenig Wasser in ein mit 10O g Eis gefülltes 600-ml-Becherglas und stumpft die Säure durch vorsichtiges Einrühren von feingepulvertem Natriumcarbonat bis zur alkalischen Reaktion ab. Der dadurch als Öl abgeschiedene Ester wird zweimal mit je etwa 80 ml Ether ausgeschüttelt (Vorsicht; anfangs eventuell noch CO2-Entwicklungl). Die vereinigten Etherlösungen werden — zur Entfernung der Hauptmenge des Alkohols — durch Schütteln mit etwa 80 ml Wasser gewaschen und unter häufigem Umschwenken eine Stunde mit wasserfreiem Kaliumcarbonat getrocknet. Dann wird der Ether abdestilliert und der Rückstand im Vakuum fraktioniert. Sdp. 175—178 0 C / 21 Torr. Ausbeute: 15g Collidindicarbonsäureester (ca. 75%). Kaliumsalz der 3,5-Collidindicarbonsäure In einem 250-ml-Schliffkolben mit Anschützaufsatz, Tropftrichter, Rückflußkühler und Calciumchloridrohr werden 30g Kaliumhydroxid in 10OmI absolutem Ethanol gelöst. Dann läßt man langsam die synthetisierten ca. 15 g Collidindicarbonsäureester zufließen, spült mit wenig Alkohol nach und erhitzt weitere 3—4 h auf dem lebhaft siedenden Wasserbad. Das in Alkohol schwer lösliche Kaliumsalz scheidet sich allmählich in Kristallkrusten ab und wird nach Abschluß der Verseifung von der wieder abgekühlten Flüssigkeit abgesaugt, zweimal mit Alkohol und schließlich mit Ether gewaschen. Ausbeute: 12-14 g (72-84%). Collidin Die Abspaltung der Carboxylgruppen erfolgt durch Erhitzen des Kaliumsalzes mit CaIciumhydroxid in einem dickwandigen schwer schmelzbaren Verbrennungsrohr und mit einem kurzen Ofen, wie sie für die quantitative CH-Analyse verwendet werden. Man mischt das gewonnene Collidindicarbonsaure Kalium (12-14 g) mit seiner doppelten Gewichtsmenge Calciumhydroxid in einer Reibschale sehr gut durcheinander. Das Gemenge füllt man in ein etwa 60 cm langes Verbrennungsrohr, dessen eines Ende zu einem Destilliervorstoß ausgezogen und abgebogen ist und das 10cm von diesem Vorstoß entfernt mit einem nicht zu festen Asbestpfropfen abgedichtet wurde. Das eingefüllte Pulver wird auf der anderen Seite ebenfalls durch einen lockeren Asbestpfropfen abgeschlossen. Das waagerechte Rohr wird etwas geklopft, so daß über der Füllung ein nicht zu enger Gang entsteht. So vorbereitet kommt es in den Verbrennungsofen. Es soll zum Vorstoß - unter den ein Erlenmeyerkolben zu stellen ist - etwas Gefalle haben. Das offene Rohrende wird über einen Blasenzähler mit einer Stickstoffstahlflasche verbunden. Nun wird bei niedriger Temperatur langsam vorgewärmt vorsichtig ein schwacher Stickstoffstrom angestellt und dann die Heizung schrittweise bis zur Höchstleistung gebracht. Das Collidin sammelt sich in der Vorlage, aus der es, wenn nichts mehr übergeht, mit Ether herausgespült wird. Die Lösung wird mit wenig Kaliumhydroxid getrocknet, der Ether abgedampft und der Rückstand destilliert. Bei 172 0 C gehen 3-4 g Collidin (ca. 60%) über. Der Aufbau des Pyridinrings nach A. Hantzsch (hier am Beispiel des Collidins beschrieben) läuft in seiner ersten Stufe wahrscheinlich folgendermaßen ab: Es reagiert zuerst ein Molekül Acetessigester mit einem entsprechenden Aldehyd in einer Knoevenagel-Kondensation zur a,/?-ungesättigten Dicarbonylverbindung und diese dann mit einem zweiten Molekül Acetessigester in einer 1,2- Addition zum Pyridinsynthese nach Hantzsch H ^M ^ ° 669 ° R> + CH3-CO-CH2-CO2C2H5-C2H5O-C-C' H3C-C — +CH3COCH2CO2C2H5 - O R x /H O II ^C x Il C2H5O-C-HC^ CH-COC2H5 H3 C-C 3 Il O Il O C-CH3 3 O .NH3 C2H5OC-C^ ^C-C-OC 2 H 5 H 3 C-C x ^C-CH 3 n FL ^cC H ^ O n 1,5-Diketonderivat (Michael-Addition; siehe S. 423). Schließlich erfolgt mit Ammoniak die Ringverknüpfung. (Ohne Ammoniak kann die 1,5-Dicarbonylverbindung in einer innermolekularen Aldolkondensation einen carbocyclischen Sechsring ausbilden.) Aus vier mol Acetaldehyd und Ammoniak entsteht bei 25O0C in einem technischen Verfahren 5-Ethyl-2-methylpyridin (,Aldehydcollidin"): H H3Cx H 3 C-CO CH3 HCO OCH 3 HC-CH3 II „ Aldehydcollidin" 3 Q,.. ., "CH3 - Picolin Pyrone oder Pyryliumsalze geben ebenfalls mit Ammoniak Pyridinderivate (siehe S. 677). Die Industrie gewinnt Pyridin und seine Methylhomologen (Picoline, Lutidine, Collidin) aus dem Teer, der bei der Kokerei anfällt. Im Pyridin, dem Prototyp der heterocyclischen aromatischen Sechsringe, ist der Stickstoff (im Gegensatz zu dem des Pyrrols) „tertiär" aromatisch gebunden (Trigonal, sp2-Zustand). Er hat stark elektronenanziehende Wirkung, die etwa mit derjenigen einer aromatisch gebundenen Nitrogruppe verglichen werden kann: Die Kohlenstoffatome sind an Elektronen verarmt, und zwar besonders in 2-, 4- und 6Stellung; elektrophile Substitutionen lassen sich allenfalls in 3- oder 5-Stellung erzwingen. Dafür ist der Pyridinkern andererseits in 2-, 4- und 6-Position nucleophilen Substitutionen zugänglich: 670 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen Dipolmoment t Q-O.-Q H CH, Die Basizität des Pyridins (pKA der konjugierten Säure = 5,23) ist schwächer als die eines aliphatischen tertiären Amins und stärker als die des Pyrrols. Die geringe Basizität der Dihydro-Zwischenstufe bei der Collidinsynthese (Lösungsprobe mit verdünnter Salzsäure, S. 668) ist auf eine starke Resonanzbeteiligung des freien Elektronenpaars am konjugierten System zurückzuführen („vinyloges" Urethan): Q RO T T jyL H OR ^ R0 T T H A+*l OR Diese Stabilisierung ist auch der Grund für die im Vergleich zu Dihydrobenzolen erschwerte Dehydrierbarkeit. Elektrophile Substitutionen spielen beim Pyridin - zumal im sauren Milieu die negative Ladung am Stickstoff noch durch Salzbildungfixiertwird - präparativ kaum eine Rolle. Alkylierung nach Friedel-Crafts ist überhaupt nicht möglich, Sulfurierung, Bromierung und Nitrierung erst bei sehr hohen Temperaturen mit nur geringen Ausbeuten. Versuch: Nicotin aus Tabak (Formel S. 676) - 25 g Brasilstumpen werden fein zerkleinert mit 300 ml 4IM Natronlauge auf 5O 0 C erwärmt, dann 2 h bei Raumtemperatur gerührt. Nach dem Abfiltrieren wird 2mal je 1 h mit 250 ml 4N Natronlauge nachextrahiert. Die vereinigten Auszüge werden einer Wasserdampfdestillation unterworfen, bis 2 Liter Destillat übergegangen sind. Diese werden mit 2ISI Salzsäure auf pH 3—4 gebracht und i. Vak. auf 20 ml eingeengt. Man stellt mit Natronlauge auf pH 4 und versetzt mit 1N wässeriger Natriumpikratlösung so lange, bis kein gelber Niederschlag mehr entsteht (ca. 20 ml). Nach Aufbewahren im Kühlschrank wird abgesaugt und mit wenig Wasser gewaschen. Man erhält je nach Tabaksorte 300-600 mg Nicotinpikrat, von dem eine Probe, aus Wasser umkristallisiert, Schmp. 218 0 C zeigt. Im Dünnschichtchromatogramm auf Kieselgel F (Merck) (als methanolische Lösung aufgetragen) zeigt sich nach Entwickeln mit dem Laufmittel Chloroform-Methanol-1N Ammoniak (60:10:1) unter der UV-Lampe nur der Fleck des Nicotins (R F 0,77). Die Lösung vor dem Pikratzusatz enthält laut analoger Chromatographie noch einige Nebenalkaloide. Von den nucleophilen Substitutionen des Pyridins hat die Aminierung mit Natriumamid nach A. Tschitschibabin (1914) große Bedeutung. Aminopyridine 2-Aminopyridin 671 a) Natriumamid. In einem mit CO2 in Dichlormethan gekühlten 500 ml-Dreihalsrundkolben mit Rührer, Gaseinleitungsrohr und einem mit Natronkalk gefüllten Trockenrohr werden etwa 15OmI Ammoniak aus der Stahlflasche verflüssigt. Nach Entfernen des Kühlbads gibt man OJ g Eisen(lll)nitrat hinzu und dann etwa 0,3g reines Natrium. Wenn sich das Metall (blau) gelöst hat, perlt man unter Rühren trockene Luft (Schwefelsäurewaschflasche) durch, bis Entfärbung eingetreten ist. Durch das so entstandene Natriumoxid wird die nachfolgende Amidbildung katalysiert. Nach Entfernen des Einleitungsrohrs werden 5,75g (0,25g-Atom) reines Natrium in Stückchen so rasch eingetragen, daß die Reaktion unter Kontrolle bleibt, dann wird noch weitere 15min gerührt. b) Aminierung. Im direkten Anschluß läßt man in die gut gerührte Suspension des Natriumamids mit einem Tropftrichter vorsichtig 25 ml reines trockenes Dimethylanilin eintropfen und das Ammoniak durch das Trockenrohr entweichen. Wenn dies vollständig ist, wird anstelle des Trockenrohrs ein Rückflußkühler mit Calciumchloridrohr aufgesetzt. In den Kolben läßt man jetzt 16g (0,2 mol) trockenes Pyridin einlaufen, ersetzt den Tropftrichter durch ein Thermometer, das in die Reaktionsmischung taucht und erhitzt auf dem Ölbad, bis eine Temperatur von 11O 0 C erreicht ist. Es entwickelt sich Wasserstoff, die Reaktion ist aber erst nach 8 h zu Ende. Dann wird abgekühlt und der feste Kolbeninhalt vorsichtig mit etwa 40 ml 5proz. Natronlauge zersetzt. Dann gibt man 150 ml Wasser zu und extrahiert zur Entfernung des Dimethylanilins 2mal mit 30 ml niedrigsiedendem Petrolether (30-6O0C). Die wässerige Lösung wird auf 15 0 C gekühlt, mit festem NaOH gesättigt und mehrmals mit Benzol ausgeschüttelt. Nach Trocknen über wasserfreiem Na-sulfat wird das Benzol im Vak. abgedampft und der Rückstand im Vak. destilliert. Man erhält 11-14 g 2-Aminopyridin (65—75%), die bei 95-1OO 0 C / 1 2 Torr übergehen. Die Substanz kristallisiert leicht und kann aus Ligroin (Petrolether mit Sdp. > 1000C) umkristallisiert werden. Schmp. 57 0 C. Der erste Schritt dieser Reaktion besteht in einer nucleophilen Anlagerung des Amidanions an das Kohlenstoffatom 2. Dann wird unter Rearomatisierung der 2ständige Wasserstoffais Hydridion an ein benachbartes Proton abgegeben, während das Natrium an der Aminogruppe verbleibt; es bildet sich Wasserstoffgas und Natriumpyridylamid, das bei der Aufarbeitung sofort hydrolysiert wird: -1-NaNH2 —" "NCL^ XH Na In gleicher Weise läßt sich die Aminogruppe in die 2-Stellung des Chinolins einführen. Die sehr starke organische Base Lithiumphenyl reagiert analog (siehe Präparat S. 683). Die a- und y-Aminopyridine sind etwa um ein bzw. zwei pK-Einheiten basischer als die ß-AminoVerbindungen, da sie sich wie vinyloge Amidine verhalten (vgl. die starke Basizität des Formamidins oder Guanidins, S. 528). In neutraler Lösung, z. B. in Wasser, liegen sie weitaus bevorzugt in der aromatischen Struktur und nicht 672 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen als Imide vor. Im Gegensatz dazu ist bei den a- und y-Hydroxyderivaten die Pyridonform thermodynamisch stabiler: OH O l N H H 3-Aminopyridin bildet ein Diazoniumsalz von der bei Aromaten üblichen Stabilität, und 3-Hyroxypyridin verhält sich wie ein Phenol, da in diesen Verbindungen keine Tautomerie mit dem Ringstickstoff möglich ist. Ein Derivat des 3-Hydroxypyridins ist das Pyridoxin (Vitamin B6, Adermin), das in oxidierter und mit Phosphorsäure veresterter Form (4-Aldehyd, Phosphat an der 5-Hydroxymethylgruppe) eine wichtige Funktion bei der Transaminierung der Aminosäuren zu a-Ketosäuren (und umgekehrt), ihrer Decarboxylierung und Racemisierung ausübt. CH2OH Präparativ besonders wichtig sind die Additionsreaktionen an den Stickstoff des Pyridins. Versuch: Pyridin-hydrochlorid — Unter dem Abzug wird an eine Chlorwasserst off Stahlflasche durch einen Kunststoff-Schlauch hintereinander angeschlossen: als Sicherheitsflasche eine leere Waschflasche (Schlauchansatz ohne Tauchrohr zur Gasflasche), eine Waschflasche mit konz. Schwefelsäure sowie ein Zweihalsschliffkolben mit Gaseinleitungsrohr und Calciumchloridrohr. In den Kolben werden 20 ml wasserfreies Pyridin gefüllt. Das Einleitungsrohr soll so lang sein, daß es 1—2cm über der Flüssigkeitsoberfläche endet. Nachdem man einen schwachen Chlorwasserstoffstrom eingestellt hat, scheidet sich bald das Hydrochlorid an der Oberfläche ab. Während der weiteren Reaktion muß von Zeit zu Zeit die Kristallhaut durch vorsichtiges Umschwenken (ohne daß dabei Pyridin ins Einleitungsrohr spritzt) zu Boden gebracht und die Reaktionswärme mit einem Eisbad abgefangen werden. Ist der gesamte Ansatz fest geworden, kristallisiert man aus dem gleichen Kolben mit 20 ml Chloroform um. Zusatz von wasserfreiem Essigester vervollständigt das Wiederausfällen der farblosen Kristallnadeln. — Pyridin-hydrochlorid ist sehr hygroskopisch, deshalb möglichst rasch arbeiten und dann das Präparat gut verschlossen aufbewahren! Mit starken Säuren bildet Pyridin stabile Salze. Das Hydrochlorid läßt sich sogar unzersetzt bei 22O0C destillieren und ist bei dieser Temperatur (die mit wässeriger Salzsäure nicht ohne weiteres zu erreichen ist) ein bequemes Etherspaltungsmittel (siehe S. 154). Brom lagert sich an Pyridin unter Bildung von JV-Brompyridiniumbromid an, Pyridinium-Salze 673 Brom und Bromwasserstoff unter Bildung eines geruchlosen, kristallinen Pyridinium-perbromids. Das Addukt von Schwefeltrioxid an Pyridin, N-Pyridiniumsulfonat, kann als neutrales Sulfonierungsmittel verwendet werden: H Br p 3 O=S-O Il O I OCR * I Y - Säurechloride werden durch Pyridin in die reaktiveren A/-Acylpyridiniumsalze übergeführt (Einhorn-Variante der Schotten-Baumann-Reaktion). Mit Alkylierungsmitteln entstehen quartäre AT-Alkyl-, mit reaktionsfähigen Arylhalogeniden AT-Arylpyridiniumsalze. Versuch: 2,4-Dinitrophenyl-pyridiniumchlorid — Ein Gramm 1 -Chlor-2,4-dinitrobenzol wird mit einem ml reinem, trockenem Pyridin im Wasserbad erwärmt, bis die anfangs gelbe Lösung eine bräunliche Farbe angenommen hat und fest geworden ist (Vorsicht; exotherme Reaktion!). Die kristalline Masse wird gepulvert, mit Ether gewaschen und unter Zusatz von wenig Tierkohle aus absolutem Ethanol umkristallisiert. Ausbeute fast quantitativ. Infolge der positiven Ladung des Stickstoffs werden die Stellungen 2, 4 und 6 im Pyridiniumion durch nucleophile Agenzien viel leichter angreifbar als im Pyridin. So lagert sich an bestimmte Pyridiniumionen z. B. Cyanid kovalent und reversibel in 4Stellung an. Alkyl-pyridiniumionen addieren in wässeriger Lauge im Gleichgewicht Hydroxylionen an die 2-, 4- oder 6-Stellung unter Bildung sog. „Pseudobasen". Durch Oxidation mit Eisen(III)-cyanid läßt sich die Pseudobase aus dem Gleichgewicht als a- bzw. y-Pyridon abfangen: CN R I R I Y CH3 I ~ CH3 Pseudobase I CH3 N-Methyl-a pyridon Bei Pyridiniumsalzen, die einen stark elektronenanziehenden Rest, wie CN, SO3H oder 2,4-Dinitrophenyl am Stickstoff tragen, führt die Einwirkung von Basen zur 674 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen Aufspaltung des Rings (Th. Zincke; W. König). Mit OH-Ionen entsteht aus dem Dinitrophenyl-pyridiniumsalz (Zincke-Salz) des Versuchs S. 673 das tiefrote Anion des Halbanils - mit aromatischen primären oder sekundären Aminen (Anilin, NMethylanilin) bilden sich unter Ersatz des Dinitranilins die als Chloride gut kristallisierenden Dianilium-Kationen. Beide Derivate sind Pentamethincyanine, Abkömmlinge des Glutacondialdehyds. Vergleiche hierzu den Übergang des Furfurals in dieselbe Körperklasse auf S. 649. O2N H H H H H C = C-C = C-C = Anion des roten Halbanils H H H H H __ N = C-C = C-C = C-OI Dianiliumkation aus Methylanilin und Glutacondialdehyd Versuch: Halbanil und Dianil aus dem Zincke-Salz - 1. Eine kleine Spatelspitze 2,4-Dinitrophenyl-pyridiniumchlorid (S. 673) wird in einem ml Wasser gelöst und dann mit einigen ml 2N Natronlauge versetzt: es entsteht ein tiefviolettroter Farbstoff. 2. 0,25 g des gleichen Pyridiniumchlorids werden in feinst gepulvertem Zustand mit 0,50 ml frisch destilliertem Anilin (Überschuß) im Reagenzglas gut verrührt. Es bildet sich im Lauf mehrerer Stunden eine rote Kristallmasse, die aus dem Chlorid des Dianils und abgespaltenem 2,4-Dinitroanilin besteht. Die Aufspaltung des Pyridinrings ist auch hier durch nucleophilen Angriff der Base auf die 2-Stellung zu erklären. Die fünfgliedrige Kette des Glutacondialdehyds läßt sich, von Aryl- oder auch Alkylpyridiniumsalzen ausgehend, nach K. Ziegler und K. Hafner (1938) zum eleganten Aufbau des 107ü-Aromaten Azulen aus Cyclopentadien verwenden: (B = Base). Picoline, Pyridin-N-oxide 675 R-Nf Fulvenderivat a- und y-Picolin sind erheblich CH-acider als Toluol. Schon Alkoholat vermag ihnen ein Proton zu entziehen: RO" -ROH CX Die negative Ladung kann vom Stickstoff mit übernommen werden. An Aldehyde addieren sich die beiden isomeren Picoline im Sinne einer Aldolreaktion. Durch Quaternierung des Stickstoffs wird diese Seitenkettenaktivierung noch wesentlich verstärkt. Ein bemerkenswert polarisierbares Elektronensystem liegt in den N-Oxiden des Pyridins vor: Der elektronenreiche Sauerstoff kann die 2-, 4- und 6-Stellungen des Rings negativieren, so daß die elektrophile Substitution, die das Pyridin selbst kaum zuläßt, hier stark begünstigt wird. Andererseits lassen sich - unter der Wirkung des positiven Stickstoffs - 2-, 4- und 6-ständige Substituenten (wie o- oder /7-ständige im Nitrobenzol, S.280) leicht nucleophil ersetzen. 4-Nitropyridin-Af-oxid geht z.B. mit Methylat in die 4-Methoxyverbindung über: 5 N Il O H NO2 -H + O2N OCH3 OCHo -NO; Da die N-Oxide aus Pyridinen leicht (z. B. durch Oxidation mit Peroxyverbindungen) darstellbar sind und der Sauerstoff reduktiv (z.B. mit H2SO3; Zn/Essigsäure; katal. H 2 ) wieder leicht entfernt werden kann, sind die N-Oxide wertvolle Zwischenprodukte bei Synthesen in der Pyridinreihe. Nicotin ist ein einfaches Beispiel aus der Klasse der Alkaloide, basischen Inhaltsstoffen von Pflanzen mit zum Teil starken physiologischen Wirkungen. Man isoliert sie häufig über ihre schwerlöslichen Salze mit komplexen Säuren wie Phosphor- 676 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen wolframsäure, Reinecke-Säure (Tetrarhodano-diamminchrom(III)-Säure) u. a., aber auch Flaviansäure (S. 254) oder wie oben als Pikrate. H2C-CH2 Oxidation (KMnO 4 )^ O' • Il O OH n O ^ H 2 C-O-P-O-P-O-CH 2 1 OH OH Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotid (NAD). Das Amid der Nicotinsäure ist, als quartär gebundener Bestandteil, die Wasserstoff-übertragende Gruppe der weitverbreiteten Coenzyme NAD und NADP (mit Pfeil gekennzeichnete OH-Gruppe mit Phosphorsäure verestert). In Gegenwart zahlloser Dehydrogenasen übernimmt sie ein H~ aus den zugehörigen Substraten (Alkohol, Milchsäure, Glycerinsäure-3-phosphat usw.) und geht dabei in die hydrierte Form, NADH (NADPH) über. Diese wiederum wird von einem Flavinenzym der Atmungskette oxidiert. H 3 C-CH 2 OH Alkoholdehydrogenase CH3CHO H H l N+ I R CONH2 fr NADHdehydrogenase Fl Flavin+H* weiter Atmungskette CONH ^ Flavin-H 2 Die Stammsubstanz der sauerstoff-haltigen 6-Ringe, das y-Pyran, verhält sich nicht „aromatisch", sondern wie ein cyclischer Vinylether. Von ihm leiten sich zwei Reihen von Oxoniumverbindungen ab, die aromatischen Charakter haben; die yPyrone und die Pyryliumsalze: Pyrane und Pyrone 677 y - Pyran a - Pyron (2 - Pyron) CC 6-6 Q y - Pyron Pyryliumion a-Pyron ist ein echtes Dien. Zugleich ist es das Enollacton einer a,/?-ungesättigten <5-Oxosäure, wie y-Pyron dasjenige einer isomeren vinylogen Carbonsäure: Beide lassen sich leicht reversibel durch Laugen öffnen und durch Protonen schließen. 2,6-Dimethyl-y-pyron, als bekanntestes Beispiel, zeigt weder Olefin- noch Carbonyl-eigenschaften. Es ist 106 mal basischer als ein echtes Keton. Beim Methylieren tritt das Carbeniumion—wie beim Ansäuern das Proton - an den negativen Sauerstoff: H,C O CH, Mit Ammoniak geben Pyryliumsalze - nach aminolytischer Ringöffnung - Pyridinderivate; Pyrone entsprechend Pyridone. Pyryliumkationen, deren 2-, 4- und 6Positionen mit Alkyl- oder Arylresten besetzt sind, lassen sogar einen Austausch des Sauerstoffs durch aktive Methyl- oder Methylengruppen zu. So liefert z. B. Nitromethan in Gegenwart von Alkoholat 0,0',/7-trisubstituiertes Nitrobenzol. Die verdrängenden nucleophilen Verbindungen greifen dabei wohl nach Art der Pseudobasenbildung (S. 673) an dem dem Heteroatom benachbarten Kohlenstoff an. Man formuliere diesen Mechanismus, der im ersten Schritt analog der Aufspaltung des Zincke-Salzes durch Amine verläuft (S. 674) und im zweiten Schritt das neue Ringsystem gibt. CH, 678 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen Tertiäre Oxoniumsalze, die sich vom Benzopyran (Chroman) ableiten, liegen in den Anthocyanen, den roten und blauen Farbstoffen zahlreicher Blüten und Früchte vor. Sie sind Glykoside von mehrfachen Phenolen des 2-Phenylbenzopyryliumions (Anthocyanidinen) z. B. das Cyanidin(-chlorid) der Rosen, Kornblumen und Kirschen. Die Farbunterschiede rühren nicht, wie früher angenommen vom unterschiedlichen pH in den Pflanzen her, sondern vom Vorliegen höhermolekularer Komplexe des Aluminiums und dreiwertigen Eisens (E. Bayer). OH Cyanidin-ion "^ OH (Cyanin*: 3- und 5-OH mit Glucose verknüpft) Pflanzenphysiologische Verwandtschaft mit Flavonolen, Flavonen, Catechin. Siehe auch über Cumarine (Benzo-a-pyrone) auf S. 376. Dem Benzopyranring begegnet man auch in den Tocopherolen (Vitamin E) von denen a-Tocopherol aufgezeichnet ist. Durch Oxidation geht es reversibel in Tocochinon über. Tocopherole werden deshalb Lebensmitteln als Antioxidantien zugesetzt, sie dienen auch zur Vitamin-E-Anreicherung von diätischen Lebensmitteln und von Futtermitteln. Pyrone kommen auch in der Natur vor, wie z. B. Chelidonsäure (4-Pyron-2,6dicarbonsäure) im Mohn oder Kojisäure als Produkt des Zuckerstoffwechsels mancher Schimmelpilze. Dihydropyran ist zum reversiblen Schutz alkoholischer Hydroxylgruppen geeignet; das acetalartig gebundene Tetrahydropyran läßt sich durch Säuren leicht abspalten: + HOR (T^H Tetrahydropyranylether und Synthese des Chinolins Propargylalkohol-tetrahydropyranylether HC=C-CH 2 -OH -f ( f j -^ HCsC-CH2-O-L J 679 In einem Kolben mit Rückflußkühler, Trockenrohr und Thermometer gibt man zu 26,7 g (29 ml, 0,32 mol) frisch destilliertem Dihydropyran unter Rühren (Magnetrührer) 0,25ml konzentrierte Salzsäure und tropft in 30min 16,8g (17,3ml, 0,3 mol) Propargylalkohol zu. Durch gelegentliches Kühlen mit Eis vermeidet man, daß die Reaktionstemperatur über 6O 0 C steigt. Man rührt noch 2 h bei Raumtemperatur, schüttelt dann mit einer Natriumcarbonatlösung aus (Kohlensäureentwicklung!) und trocknet über Natriumcarbonat. Das Trockenmittel wird mit wenig Ether nachgewaschen. Man vereinigt den Hauptteil des Produkts mit dem Etherrückstand und destilliert bei 9 Torr uad 63-650C, Ausbeute 39,0 g (93%). Chinolin nach Skraup In einem 0,5-l-Zweihals-Schliffkolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter wird die Mischung von 10,Og (8 mmol) Nitrobenzol, 15,5g (0,1 7 mol) Anilin, 50g (~0,6mol; Überschuß) Glycerin (das zur Trocknung in einer Porzellanschale unter dem Abzug bis 18O 0 C erhitzt worden ist) und 13,OmI konz. Schwefelsäure 3 V2 h lang mit kleiner Flamme vorsichtig zum gelinden Sieden erhitzt. Nach der ersten Stunde läßt man weitere 10,0 ml konz. Schwefelsäure im Lauf von 30 min zutropfen. Dann fügt man 50 ml Wasser zu, tauscht den Rückflußkühler gegen einen absteigenden sowie den Tropftrichter gegen ein Einleitungsrohr, treibt das unveränderte Nitrobenzol mit Wasserdampf vollständig ab, macht die noch warme saure Lösung mit 70g festem Natriumhydroxid alkalisch und destilliert das in Freiheit gesetzte Chinolin zusammen mit dem unveränderten Anilin mit Wasserdampf über. Das Destillat wird ausgeethert, der Ether abdestilliert. Die zurückgebliebenen rohen Basen werden in einer Mischung von 250 ml konz. Salzsäure und 100 ml Wasser gelöst. Zu der warmen klaren Lösung gibt man 15,Og Zinkchlorid in 25,0 ml 2N Salzsäure. Das nach dem Erkalten auskristallisierte Doppelsalz Chinolin. ZnCI2 wird - nachdem man den Ansatz einige Zeit in Eis aufbewahrt hat - abgesaugt und mit kalter 2N Salzsäure gewaschen. Dann zersetzt man es mit 40proz. Natronlauge und treibt das Chinolin abermals mit Wasserdampf über. Schließlich ethert man das Destillat aus, trocknet die Etherlösung mit festem Kaliumhydroxid, dampft den Ether ab und destilliert das zurückbleibende Chinolin im Vakuum. Sdp. 11O 0 C / 11 Torr, Ausbeute: 11-12 g (50-55%). Das Präparat ist wasserhell. 680 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen 8-Hydroxychinolin CH2OH HCOH I CH2OH -3H 2 O In einem 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler wird eine Mischung aus 11,Og o-Aminophenol (0,10mol), 9,0g o-Nitrophenol (0,064mol), einer erkalteten Lösung von 6,0g Borsäure in 35,Og Glycerin, einer Spatelspitze feingepulvertem Eisen(ll)-sulfat und 17,OmI 95proz. Schwefelsäure 6 h unter Rückfluß gekocht. Wenn sich im Kühler kein o-Nitrophenol mehr niederschlägt, läßt man abkühlen, gießt den Ansatz in 10OmI Wasser und vertreibt das unverbrauchte o-Nitrophenol mit Wasserdampf. Die zurückbleibende wässerige Lösung wird mit festem Natriumacetat auf pH 3 abgestumpft. Dann saugt man den flockigen braunen Niederschlag ab, bringt das Filtrat mit 2N Natronlauge genau auf pH 7 und destilliert das reine 8-Hydroxychinolin mit Wasserdampf über. Hierbei ist die Kühlwasserzufuhr zu drosseln, damit das Präparat nicht schon im Kühler auskristallisiert (Temperatur zwischen 80 und 9O 0 C halten). Die Vorlage muß gut mit EisWasser gekühlt werden. Wenn nichts mehr übergeht, werden die Kristalle abgesaugt und an der Luft getrocknet. Man erhält etwa 17g 8-Hydroxychinolin (ca. 75% berechnet auf beide Phenole) vom Schmp. 75-760C. Die enge Nachbarschaft zwischen Hydroxylgruppe und Stickstoff macht 8-Hydroxychinolin („Oxin") zu einem sehr starken Chelatbildner für-zahlreiche Schwermetalle. Weitere derartige heterocyclische Verbindungen sind u.a. a,a'-Dipyridyl und o-Phenanthrolin: (Ni) o-o ^-N N-^ a ,a' - Dipyridyl =N N= o - Phenanthrolin Versuch: Darstellung von Metallchelaten - Man löst eine Spatelspitze eines Cu(II)-, Ni(II)-, Co(II)- oder Fe(lll)-Salzes in wenig 2N Essigsäure und gibt dazu einen Überschuß 2N essigsaure Oxinlösung. Es fällt sofort das Chelat aus. Bei der Chinolinsynthese nach Skraup wird zuerst das Glycerin zu Acrolein dehydratisiert. An dieses lagert sich dann (nach Art einer Michael-Addition) das aromatische Amin an. Nun erfolgt zwischen der durch Protonen aktivierten Aldehydgruppe und dem zu ihr räumlich sehr günstig stehenden o-Kohlenstoff des Benzolkerns Ringschluß zum entsprechenden Alkohol, welcher sofort Wasser abspaltet. Das so andere Chinolinsynthesen 681 gebildete Dihydrochinolin disproportioniert unter den Reaktionsbedingungen zum energieärmeren Chinolin und Tetrahydrochinolin. Letzteres wird durch zugesetztes Oxidationsmittel - meist eine dem benutzten Amin entsprechende Nitroverbindung ebenfalls zu Chinolin dehydriert. Die Variante von O. Doebner und W. v. Miller verwendet an Stelle des Acroleins höhere a,/?-ungesättigte Aldehydderivate — die hier fast immer in situ durch saure Aldolkondensation gebildet werden - und kommt so zu Chinolinen, die in 2- bzw. 3-Stellung substituiert sind. Mit Acetaldehyd entsteht z. B. 2-Methyl-chinolin (Chinaldin). - Die Tatsache, daß Acetaldehyd kein 4-Methyl-chinolin (Lepidin) bildet, ist ein Beleg für den angenommenen Mechanismus. In Gegensatz zur Skraupschen Synthese wird bei dieser Variante kein Oxidationsmittel zugesetzt. Die Ausbeuten sind entsprechend geringer. Acetessigester und andere /?-Dicarbonylverbindungen sind ebenfalls bewährte Bausteine für Chinolinsynthesen. Nach Conrad und Limpach läßt man z. B. Acetessigester mit dem aromatischen Amin bei Zimmertemperatur (über die Schiffsche Base) zum ß-Arylammo-crotonsäureester reagieren. Das Enamin cyclisiert sich beim Hinfließen in ein 25O0C heißes inertes Lösungsmittel zu 4-Hydroxy-2-methylchinolin: 250 ° N CH3 Ändert man die Reaktionsbedingungen, indem man das aromatische Amin zum heißen Acetessigester gibt, entsteht das thermodynamisch stabilere Anilid der Acetessigsäure. Durch Erhitzen mit Säuren tritt auch hier Ringschluß zum isomeren 2Hydroxy-4-methylchinolin ein: CH3 OC. 15O0C ^NH2 000 ^B N OH 682 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen Diese von L. Knorr aufgefundene Synthese wird im folgenden Präparat mit pToluidin ausgeführt. 2-Hydroxy-4,6-dimethylchinolin nach Knorr CH3 + CH3COCH2CO2C2H5 H3C, - In einem mit Destillationsbrücke und Tropftrichter versehenen 250-ml-Zweihalskolben werden 78,0 g (0,60 mol) frisch destillierter Acetessigester im Ölbad auf 16O 0 C Badtemperatur erhitzt. Zu dem heißen Ester läßt man langsam eine Lösung von 21,4g (0,20 mol) p-Toluidin in 60 ml XyIoI einließen, wobei man durch weiteres Heizen für das Abdestillieren des XyIoIs sorgt. Nach vollständiger Zugabe engt man im Vakuum auf etwa 50 ml ein und gießt den Rückstand noch heiß in eine vorher (im Trockenschrank) angewärmte Reibschale. Das erstarrende Produkt wird nach dem Erkalten pulverisiert, mit Cyclohexan verrieben und abgesaugt. Man erhält so 31-32 g (82-84%) Acetoacetyl-p-toluidin vom Schmp. 90—91 0 C. 30,0 g (157 mmol) Acetoacetyl-/?-toluidin werden portionsweise in 200 ml konz. Schwefelsäure eingerührt, wobei man durch Außenkühlung die Temperatur des Ansatzes auf 20-3O0C hält. Nach einstündigem Stehen bei Raumtemperatur gießt man das Reaktionsgemisch auf 500 g gestoßenes Eis, saugt den Niederschlag ab, wäscht ihn mit Wasser und trocknet ihn bei 11O 0 C. Die Ausbeute an farblosem 2-Hydroxy-4,6dimethylchinolin beträgt 25g (92%). Schmp. 248-25O0C. Nach Umkristallisieren schmilzt die Substanz bei 255-2560C. Die in der 2- oder 4-Stellung des Chinolins befindliche Methylgruppe (o- und pStellung zum Stickstoff) ist besonders dann reaktionsfähig, wenn der Stickstoff quaterniert ist wie z. B. im N-Methyl-chinaldiniumion oder im JV-Methyl-lepidiniumion. Diese immer wieder anzutreffende, theoretisch leicht verständliche (S. 675) Tatsache spielt eine technisch bedeutende Rolle bei der Herstellung der — als wichtige Sensibilisatoren in der Photographie benutzten — Polymethinfarbstoffe (Cyaninfarbstoffe). So gewinnt man z. B. aus 7V-Ethyl-chinaldiniumiodid und Orthoameisensäureester ein Carbocyanin (Sensitiv-Rot). Man formuliere den Mechanismus der Synthese! '' +^CH=CH-CH =kjg A^ ' I ^25 " S4xAj^J=CH-CH=CH- ^, I l 2 5 2 5 l 2 5 Das Polymethinsystem, das uns schon bei der Farbreaktion des Furfurals (S.649) und bei der Aufspaltung des Zincke-Salzes (S. 614) begegnet ist, kommt auch in der Natur vor. Der tiefrote Farbstoff der roten Bete, das Betanin, von dem sich auch Blütenfarbstoffe ableiten (Betanidine), enthält einen Indolinkern und einen teilhydrierten Pyridinring, die durch zwei Methingruppen verknüpft sind (A. Dreiding). Betanidine und 2-Phenylchinolin 683 Auch die Triphenylmethanfarbstoffe (S. 580) lassen sich als Polymethinfarbstoffe verstehen. 2-Phenylchinolin aus Chinolin und Phenyllithium Phenyllithium: Das käufliche Lithium wird von den dunklen Krusten befreit und unter trockenem Ether mit dem Messer in möglichst feine Schnitzel zerteilt. Davon wiegt man unter trockenem Ether 1,4g (0,20g Atom) ab. Ein Dreihalskolben von 300 ml Inhalt (oder ersatzweise ein Einhalskolben mit Anschützaufsatz) trägt einen gut wirksamen Rückflußkühler, einen Tropftrichter und ein Einleitungsrohr, an welches über eine Waschflasche mit konz. Schwefelsäure und je ein Rohr mit Natronasbest und Phosphorpentoxid eine Stickstoffstahlflasche angeschlossen ist. Das Einleitungsrohr (das bei Benutzung eines Anschützaufsatzes durch den Kühler geführt wird) soll wegen der Verstopfungsgefahr nicht in die Reaktionsflüssigkeit eintauchen. Man stellt einen lebhaften Stickstoffstrom an und gießt das abgewogene Lithium zusammen mit 50 ml absolutem Ether in den nur kurz geöffneten Kolben. Sobald alle Luft verdrängt ist, kann man den Stickstoffstrom langsamer stellen. Nun läßt man 16,Og (0,10mol) mit Calciumchlorid getrocknetes und destilliertes Brombenzol durch den Tropftrichter zutropfen. Die Reaktion beginnt manchmal sofort, manchmal auch erst nach einigem Warten. Sie ist anfangs meist ziemlich heftig und muß gut überwacht werden. Dabei ist häufig umzuschüttein und eventuell mit Eiswasser zu kühlen. Wenn die Reaktion nachläßt, erhitzt man noch 30 min zum Sieden. Das Lithium ist dann zum größten Teil unter Braunfärbung in Lösung gegangen. Zur Lösung des Lithiumphenyls läßt man nach dem Abkühlen durch den Tropftrichter 9,0 g (0,07 mol) Chinolin tropfen, das man vorher über Bariumoxid getrocknet und im Vakuum destilliert hat. Es fällt sofort das gelbe Additionsprodukt des Lithiumphenyls an Chinolin aus. Nach etwa zweistündigem Stehen wird durch Zutropfen von Wasser unter Eiskühlung vorsichtig zersetzt. Dann wird die gleiche Menge Ether zugefügt und, wenn alles Lithium in Lösung gegangen ist, im Scheidetrichter abgetrennt. Die alkalisch-wässerige Schicht wird nachgeethert; die vereinigten Etherlösungen werden abgedampft. Den Rückstand — ein dickes gelbliches Öl (Gemisch von Phenylchinolin und seiner Dihydroverbindung) — kocht man einige min lang mit 60 ml Nitrobenzol (Kolben mit Steigrohr). Nach dem Erkalten wird die Base durch Ausschütteln mit verdünnter Schwefelsäure vom Nitrobenzol abgetrennt. Die saure Lösung befreit man mit wenig Ether von restlichem Nitrobenzol und stumpft sie dann - zuerst mit Natronlauge, zum Schluß mit Natriumcarbonat — ab. Die ausgefallene Base wird durch zweimaliges Ausethern aufgenommen. Nach dem Trocknen der vereinigten Lösungen mit Kaliumcarbonat wird der Ether abdestilliert. Der Rückstand ist bereits recht reines a-Phenylchinolin. Ausbeute an Rohprodukt etwa 12g, d.h. 85% des eingesetzten Chinolins. Umkristallisieren aus Ethanol liefert die reine Base vom Schmp. 684 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen 83—84 0 C. Da diese Kristallisationen verlustreich sind, müssen zur Erhöhung der Ausbeute die Mutterlaugen unbedingt aufgearbeitet werden. Lithium-organische Verbindungen addieren sich nach K. Ziegler mit ihrem stark basischen Anion - ähnlich wie Natriumamid bei der Tschitschibabinschen Synthese (S. 670) - an elektrophile Kohlenstoffatome von Sechsring-Heterocyclen, und zwar vorwiegend an ein dem Stickstoff benachbartes. Wenn der Rest aliphatisch ist, erfolgt im Fall des Chinolins leicht thermische Lithiumhydrid-Abspaltung; hier, wo Phenyl eingeführt wird, entsteht bei der hydrolytischen Aufarbeitung ein Gemisch, das neben 2-Phenylchinolin in größeren Mengen die Dihydroverbindung enthält, die durch Nitrobenzol dehydriert wird. L i C H5 6 N C6H5 höher hydrierte Produkte N C6H5 H7O N n CCH, •6 5 Ist der Stickstoff positiv - wie beim quaternären Ion oder beim N-Oxid - erfolgt aus plausiblen Gründen die Addition eines Carbanions viel leichter. In diesem Fall können selbst die reaktionsträgeren Grignard-Verbindungen als nucleophile C-Alkylierungsmittel dienen. Dabei wird ebenfalls zuerst die 2-, dann die 4-Stellung angegriffen. Elektrophilen Substitutionen ist Chinolin ähnlich schwer zugänglich wie Pyridin. Die positivierende Eigenschaft des Stickstoffs wirkt sich abgeschwächt auch auf den benachbarten Benzolring aus. Chinolin hat seinen Namen von den Alkaloiden der Chinarinde, in denen es vielfach als Gerüstbaustein vorkommt. Hauptbestandteil dieser Alkaloidgruppe ist das Fieber- und Malariamittel Chinin. Durch seine Struktur angeregt, hat man in den zwanziger Jahren die therapeutisch ähnlich wirksamen Chinolinabkömmlinge „Plasmochin®" und „Atebrin®" entwickelt. Atebrin ist ein Derivat des Acridins (Dibenzopyridins). CH3 /C2H5 HC-(CH2J3-N NH CH3O, N C2H5 Atebrin® Tetrahydroisochinoline D,L-1,2,3,4-Tetrahydro-isochmolin-3-carbonsäure ,CH2 CO2- 685 + CH7O •^A4*H" Il T^H 8,25g (BOmmol) D,L-Phenylalanin (S. 371), 20,0 ml 36proz. Formalinlösung (Überschuß) und 60,0 ml konz. Salzsäure (38proz.) werden unter gelegentlichem Umschwenken eine halbe Stunde auf dem Dampfbad erhitzt, mit weiteren 8,0 ml Formalinlösung und 15,0 ml konz. Salzsäure versetzt und weitere 2 h erhitzt. Nach dem Abkühlen saugt man die ausgeschiedenen Kristalle scharf ab und löst sie in der Hitze im Gemisch aus 10O ml Wasser und 200 ml Ethanol. Nach dem Filtrieren durch ein Faltenfilter bringt man die noch heiße Lösung mit 10proz. Ammoniak auf pH 6 und läßt über Nacht im Kühlschrank stehen. Danach wird abgesaugt, mit wenig Ethanol nachgewaschen und im Exsikkator getrocknet. Ausbeute: 4,5g (50-60%). Die kristalline, zwitterionische Iminosäure zersetzt sich bei 326 0 C. Durch Umkristallisieren aus Ethanol-Wasser läßt sich der Zersetzungspunkt auf 335 0 C steigern. Die Synthese des Tetrahydro-isochinolinrings aus Phenylethylaminen und Aldehyden nach Pictet-Spengler ist ihrem Mechanismus nach eine Mannich-Reaktion (siehe S. 353): Es dürfte sich zuerst ein Carbinolamin bilden, das nach proton-katalysierter OH-Abspaltung als mesomeres Carbenium-Immonium-Ion den Benzolring in 0-Stellung substituiert: Die Ringbildung erfordert im vorliegenden Fall des unsubstituierten Phenylrests die kräftige Protonenkatalyse der heißen 20proz. Salzsäure. Ist eine o-Stellung des Phenylrests durch zusätzliche stark elektronenliefernde Substituenten (wie z. B. die Hydroxylgruppe) negativiert, vollzieht sich die Bildung des Tetrahydro-isochinolinrings schon in verdünnter Lösung im schwach sauren Milieu bei 20-4O0C, also unter „physiologischen Bedingungen". Di- und Tetrahydro-isochinoline lassen sich leicht (z. B. mit Palladium und Sauerstoff) dehydrieren. 686 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen 2-Oxotetrahydro-benzazepin, (Homo-dihydro-carbostyril) CH2-CH2 HN* Vorsicht! Stickstoffwasserstoff und Natriumazid sind giftig! Konzentrierte Lösungen der Säure sind sehr explosiv! (Das Natriumsalz versprüht dagegen nur in der Flamme.) - Es ist unter dem Abzug zu arbeiten und eine Schutzbrille zu tragen! In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rührwerk, Thermometer und Gasableitung (der so hoch am Stativ befestigt ist, daß ein Wasserbad darunter paßt) werden 16,6g (0,10 mol) a-Tetraion in 70 ml Eisessig gelöst. Bei dauernd laufendem Rührer trägt man erst 8,5 g (0,13 mol) gepulvertes Natriumazid ein und läßt dann — im Laufe einer Stunde 15,0 ml konz. Schwefelsäure in die Suspension eintropfen, wobei die Temperatur durch Außenkühlung mit Wasser auf 25—3O 0 C zu halten ist. Anschließend wird das Gemisch noch 20min auf 50—6O 0 C erwärmt und, nachdem es sich wieder abgekühlt hat, vorsichtig in 750 ml 10proz. Sodalösung eingerührt. Der bräunliche Niederschlag wird abgesaugt und auf der Nutsche mit wenig eiskaltem Methanol gewaschen (Tropfrohr). Man erhält so 10-12 g (62-75%) eines kaum noch gefärbten Produkts vom Schmp. 139—14O0C. Nach dem Umkristallisieren aus etwa 25ml Benzol bleiben 9,5—11 g des Tetrahydrobenzazepinons in farblosen Nadeln, die bei 141 0 C schmelzen. Das 2-Oxo-tetrahydro-benzazepin wird hier nach einer gebräuchlichen trivialen Nomenklatur als „homo"-loges (um eine CH2-Gruppe reicheres) hydriertes Carbostyril (= 2-Hydroxychinolin) benannt. Seine Synthese macht von der schon bei den Präparaten S. 351 und S. 661 behandelten K. F. Schmidtschen Umlagerung Gebrauch, bei welcher z. B. Ketone mit Stickstoffwasserstoffunter der Einwirkung von konz. Schwefelsäure in Säureamide übergehen. Da der aromatische Rest leichter wandert als der aliphatische, tritt er an den Stickstoff. H,0 -N, • Oxoazepin 4-Amino-uracil H2N OCOC2H5 2 I I Z 5 OC + CH9 I I H2N CN H* H 3 In einen 500-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler (darauf ein Calciumchloridrohr), Rührer und Stopfen füllt man 200 ml absolutes Ethanol und löst in diesem 14,0 g (0,6 g Atom) von Krusten befreites Natrium auf. (Da die Ausbeute mit geringem Wassergehalt Diazine 687 des Ansatzes stark sinkt, darf der Stopfen immer nur ganz kurz abgenommen werden!) Dann erhitzt man auf dem Wasserbad und schüttet 30,Og (0,50 mol) Harnstoff dazu. Hat sich alles klar gelöst, gießt man 57,Og (0,50 mol) Cyanessigsäure-ethylester in die etwa 7O 0 C heiße Flüssigkeit. Nun wird weiter geheizt und weiter gerührt. Nach einiger Zeit scheiden sich in zunehmendem Maße feine Kristallnadeln ab, die nach etwa einer halben Stunde einen so steifen Brei bilden, daß der Rührer steckenzubleiben droht. Er ist dann sofort auszuschalten. Man erwärmt noch weitere 30 min und löst die Kristallmasse völlig durch Zugabe von 300 ml Wasser. Jetzt wird der Rückflußkühler gegen einen absteigenden ausgetauscht und der Alkohol auf dem Wasserbad so weitgehend wie möglich herausdestilliert. Die zurückbleibende Lösung wird mit 10g Aktivkohle aufgekocht, heiß filtriert und anschließend mit 30 ml Eisessig angesäuert. Man läßt eine Stunde im Eisbad stehen, saugt ab und trocknet bei niedriger Temperatur im Trockenschrank. Ausbeute: 46g (72%) eines feinkristallinen gelben Pulvers. Die drei Sechsringheterocyclen mit zwei Stickstoffatomen (die Diazine) heißen: MN 1 N2 IN 1 IN 1 Pyridazin Pyrimidin Pyrazin 4-Aminouracil ist also ein !,ö-Dihydroxy-^amino-pyrimidin1. Seine hier beschriebene Synthese folgt dem allgemeinen Rezept für den Aufbau des Pyrimidinrings, nach welchem ein N—C—N-Körper (Formamidin, Harnstoff) mit einer 1,3DicarbonylVerbindung oder einem ihrer Derivate kondensiert wird. Wir erhalten nach Traube aus Harnstoff und Cyanessigsäure-ethylester unter Katalyse mit Ethanolat 4-Aminouracil. Die analoge Reaktion des Guanidins liefert 2,4-Diamino-6hydroxy-pyrimidin, eine wichtige Vorstufe für Synthesen in der Purin- und Pteridinreihe (siehe S. 690). - Die hier dargestellte 4-Aminoverbindung besitzt eine negativierte 5-Stellung, an die z. B. Phenyldiazoniumsalz gekuppelt werden kann. Uracil selbst erhält man nach diesem Aufbauprinzip aus Harnstoff und Formylessigester. In einfacher Weise entsteht es schon aus Harnstoff und Äpfelsäure mit konz. Schwefelsäure. Dabei wird aus der Äpfelsäure CO abgespalten (Decarbonylierung, allgemeine Reaktion der a-Hydroxysäuren!); es bildet sich Malonhalbaldehyd, welcher mit dem Harnstoff den Ring schließt. Uracil, sein 5-Methylderivat Thymin sowie Cytosin (2-Hydroxy-4-aminopyrimidin) und in geringer Menge dessen 5-Methylverbindung sind die „Pyrimidinbasen" der Nucleinsäuren (siehe Lehrbücher der Biochemie): 1 Die sauerstoffhaltigen Pyrimidine und Purine sind Lactam-Latim-Tautomere und werden je nach Gegebenheit in der einen oder anderen Schreibweise dargestellt. Die Benennung der Sauerstoff-Funktionen erfolgt jedoch nur gemäß der Lactimform als Hydroxygruppen. 688 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen O NH 2 O 0 H Thymin 0 H Cytosin 0 H Uracil inRNS in DNS (Ribonucleinsäure) (Desoxyribonucleinsäure) Barbitursäure O OH N HN [J || Jj . . O HO^N^OHHO^N^O'HO H Lactamformeln LactimAnion (einer vinylogen Carbonsäure 2-Thio-5-methyluracil wirkt dem Hormon der Schilddrüse, dem Thyroxin entgegen und wird klinisch bei deren Überfunktion angewandt. Eine wichtige Gruppe von Pyrimidinderivaten sind die Barbiturate, Abkömmlinge der Barbitursäure, bei denen die beiden Wasserstoffatome in 5-Stellung durch verschiedenartige Reste ersetzt sind. Das älteste dieser Sedativa (Beruhigungs- und Schlafmittel) ist die Diethylbarbitursäure, das „Veronal®", das man aus Diethylmalonester und Harnstoff erhält. Barbitursäure ist — infolge der sehr wirksamen Delokalisierung der negativen Ladung ihres Anions — stärker sauer als Essigsäure. Von den Sechsringverbindungen mit drei Stickstoffatomen seien hier nur einige Derivate des symmetrischen Triazins genannt. pH M Cl J M NH2 J HO^N^OH Cyanursäure C r ^ N ^Cl Cyanursäurechlorid H2N^N^NH2 Melamin Die altbekannte Cyanursäure entsteht durch Cyclotrimerisierung der Isocyansäure (S. 327); ihr Trichlorid (Cyanurchlorid, 2,4,6-Trichlortriazin) aus Cyanwasserstoff und Chlor in verdünnter alkoholischer Lösung. Cyanurchlorid ist ein wichtiges Glied zur Fixierung von Farbstoffen auf der Faser (Reaktivfarbstoffe, S. 609). Das Triamid Melamin bildet mit Formaldehyd farblose, sehr beständige Harze (vgl. Aminoplaste, S. 649). Ein Derivat des l,2,4,5-Tetrazins ist die auf S. 638 erwähnte „ Bisdiazoessigsäure". Coffein und Harnsäure 689 Systeme mit mehreren heterocyclischen Ringen Coffein aus Tee Man extrahiert im Apparat (Abb. 51, S. 60) 100 g feingepulverten Tee 8 h lang mit 400 ml Alkohol. Der alkoholische Auszug wird zu einer Aufschlämmung von 50Og Magnesiumoxid in 300 ml Wasser gefügt und in einer Pozellanschale unter häufigem Umrühren auf dem Dampfbad zur Trockne eingedampft. Der pulvrige Rückstand wird einmal mit 50OmI, dann noch dreimal mit je 250 ml Wasser ausgekocht und heiß abgesaugt. Die vereinigten wässerigen Auszüge werden nach Zugabe von 50 ml verdünnter Schwefelsäure im Vakuum auf etwa ein Drittel eingedampft, wenn nötig von einem sich zuweilen bildenden flockigen Niederschlag abfiltriert und dann fünfmal mit je 40 ml Chloroform ausgeschüttelt. Die hellgelbe Chloroformlösung wird zur Entfärbung mit einigen ml verdünnter Natronlauge, dann mit ebensoviel Wasser geschüttelt und eingedampft. Das zurückbleibende Roh-Coffein wird aus wenig heißem Wasser umkristallisiert. Ausbeute 2—2,5 g. Weiße, biegsame, seidenglänzende Nadeln mit einem Molekül Kristallwasser. In ähnlicher Weise läßt sich aus Kakaopulver, das vorher mit Ether oder Petrolether im Extraktor entfettet werden muß, Theobromin isolieren. Harnsäure (2,6,8-Trihydroxy- purin) OH OH 4,5-Diaminouracil-hydrochlorid 21,Og 4-Aminouracil (0,17mol), Präparat S. 686, werden in einer Reibschale mit Wasser zu einem festen Brei homogenisiert und mit weiterem Wasser (insgesamt 200 ml) in ein 500-ml-Becherglas gespült. Zu dieser Suspension gibt man 20 ml Eisessig und dann unter Rühren in rascher Tropfenfolge die Lösung von 21,Og (0,30 mol) Natriumnitrit in 20 ml Wasser. Es bildet sich unmittelbar die violette 5-Nitrosoverbindung. Der Ansatz wird noch 15min gerührt. Jetzt saugt man die Kristalle ab, wäscht mit wenig Eiswasser und gibt sie (ohne vorher zu trocknen) in einen 250-ml- Dreihalskolben, der mit Rührer, Kühler und Stopfen auf einem Wasserbad im Abzug aufgebaut ist. Nach Zugabe von 30 ml heißem Wasser gibt man unter Rühren und Erhitzen so lange festes Natriumdithionit in den Kolben, bis die Farbe verschwunden ist, versetzt mit weiteren 8,0g Natriumdithionit und erhitzt noch 15 min. Anschließend wird der Ansatz eine Stunde im Eisbad aufbewahrt. Dann wird abgesaugt und das kristalline Diaminouracil-amidosulfinat im Exsikkator getrocknet. Man erhält auf dieser Stufe ca. 20 g Zwischenprodukt. Zur Zerlegung wird das Salz im Becherglas mit 20 ml konz. Salzsäure aufgeschlämmt und eine Stunde auf dem Wasserbad erhitzt. (SO 2 -Entwicklung! Gut ziehenden Abzug benutzen!) Danach läßt man erkalten, kühlt in Eis-Wasser, saugt das kristalline fahl- 690 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen gelbe Hydrochlorid ab, wäscht es auf der Nutsche mit Aceton und trocknet es. Ausbeute: 14-15 g (50-55%). Harnsäure 8,43 g des Diaminouracil-hydrochlorids (0,05 mol) werden mit der doppelten Gewichtsmenge Harnstoff (Überschuß) in der Reibschale fein vermischt und in einem dickwandigen Reagenzglas im Ölbad unter öfterem Umrühren mit einem dicken Glasstab eine Stunde auf 170-18O0C (Badtemperatur) erhitzt. Man läßt dann abkühlen, kocht mit 50 ml Wasser auf und saugt den aus roher Harnsäure bestehenden Niederschlag ab. Zur Reinigung löst man ihn in 50 ml Wasser unter vorsichtiger Zugabe von ca. 8 ml BOproz. Natronlauge, kocht mit Aktivkohle auf und filtriert. Beim langsamen Versetzen des noch heißen Filtrats mit 15ml konz. Salzsäure scheidet sich die Harnsäure als leicht ockergelbes feines Kristallpulver ab. Sie wird abgesaugt und mit Wasser auf dem Filter gewaschen. Ausbeute nach dem Trocknen etwa 6 g (ca. 70%). Zur Gewinnung eines farblosen Produkts wird 1 g der ockergelben Substanz in 300 ml heißer 1N Natriumcarbonatlösung aufgelöst, die Lösung mit einigen Spatelspitzen Aktivkohle aufgekocht und durch ein Faltenfilter filtriert. Läßt man in das heiße Filtrat unter gutem Umrühren aus dem Tropftrichter 300 ml 2N Salzsäure einfließen, scheidet sich schon in der Hitze die Harnsäure als farbloses Kristallpulver aus. Die wichtigste Gruppe der kondensierten heterocyclischen Ringe ist die der Purine, die sich aus einem Pyrimidin- und einem Imidazolring zusammensetzen: 6 _ H7 >8 Purin Harnsäure kommt in tautomeren Formen, einer Lactimform (2,6,8-Trihydroxypurin) und einer Lactamform (nachstehende Formel) vor, von denen die letztere bei weitem überwiegt. Sie ist in Wasser sehr schwer löslich und bildet mit Basen (Deprotonierung des N1) ein einfaches (pKA = 5,7) und ein doppeltes Anion (am N l und am N 9). Die meisten sauren Salze sind in Wasser ebenfalls sehr schwer löslich (Pathologische Ablagerungen: Blasen- und Nierensteine; Gicht). Beim vorstehenden Darstellungsverfahren wurde durch Nitrosierung und Reduktion eine zweite Aminogruppe in die 5-Stellung des 4-Aminouracils eingeführt und von diesem o-Diamin aus mit Harnstoff (nach W. Traube auch mit Cyanat oder Chlorameisensäureester) der Imidazolring geschlossen. O Red. A^NH2 ' (TV^NH2 Z H I ^L^^*\^ — «K\V\-J ^cC JL 1 1^2^ n '' Harnsäure LJ J-J ^^ O CH3 ^AA 0AN^N I l L « CH3 Coffein Purine, Abbau der Harnsäure 691 Verwendet man Ameisensäure oder Formamid zur Cyclisierung mit Diaminouracil, erhält man Xanthin (2,6-Dihydroxypurin). Andere 0-Diaminopyrimidine lassen weitere Variationen zu, deren Zahl durch die Möglichkeit Mono- oder Dimethylharnstoff bei der ersten Stufe, der Pyrimidinsynthese (S. 686) einzusetzen, noch vermehrt wird. Auf diesem Wege können auch die Pflanzenpurine Theophyllin (1,3Dimethylxanthin), Theobromin (3,7-Dimethylxanthin) und Coffein (1,3,7 -Trimethylxanthin, oben) synthetisch gewonnen werden. Das aus Guanidin und Cyanessigester darstellbare 2,4-Diamino-6-hydroxy-pyrimidin wird in gleicher Weise in 2,4,5-Triamino-6-hydroxy-pyrimidin übergeführt, das als „Traubesche Base" eine wichtige Rolle in der synthetischen Chemie der Purine (z. B. Guanin) und Pteridine spielt. Harnsäure ist das Endprodukt des Purinstoffwechsels beim Menschen und bei den höheren Affen; bei den Vögeln und Reptilien ist sie überhaupt das einzige StickstoffAusscheidungsprodukt. Die meisten Säugetiere besitzen ein Leberenzym, Uricase, welches Harnsäure zu Allantoin oxidiert. Mit Salpetersäure entsteht aus Harnsäure Dialursäure und Alloxan. Diese geben mit Ammoniak einen Farbstoff (Murexid), der dem ähnelt, den man bei der Ninhydrin-Reaktion der Aminosäuren erhält (vgl. S. 499). u Harnsäure Uricase.Oj oder PbO, O*^ Ox. HNO, mit Allantoin HO' H Alloxanhydrat H HN -\ O NH "Ö Dialursäure Anion der Purpursäure (Murexid) Versuch: Murexidreaktion — Eine kleine Spatelspitze Harnsäure wird mit einigem Tropfen konz. Salpetersäure in einer kleinen Porzellanschale verrieben und auf dem Wasserbad trockengedampft. Versetzt man den Rückstand mit einigen Tropfen konz. Ammoniak, entsteht eine intensive Rotfärbung. Adenin und Guanin kommen, als Nucleoside an Ribose oder 2-Desoxyribose gebunden, in den Nucleinsäuren vor. Über die Traubesche Base gelangt man auch präparativ in das Gebiet einer verwandten Naturstoffklasse, nämlich zu den Pteridinen. Durch Zusammenschmelzen des 2,4,5 -Triammo-6-hydroxypyrimidins mit Oxalsäure entsteht Leukopterin, das weiße Pigment des Kohlweißlings, ein Derivat des Grundkörpers Pteridin (Pyrimido-pyrazin), (R. Purrmann). Weitere Vertreter dieser Gruppe sind das Xanthop- 692 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen H HN H2IT^T ~N' Guanin in DNS und RNS NH9 OH g ^CH N^^N^OH , JT T H2N^N N (OH) Leukopterin ohne (OH) Xanthopterin CO2H -N' ~N Adenin , /r-COfNH-CH ff I l CH2 p- Aminobenzoesäure CH Vn2 Glutaminsäure CO2H Folsäure (Pteroylglutaminsäure) terin (Farbstoff des Zitronenfalters) oder die Folsäuren. Diese sind Vitamine, deren Coenzym-Funktion im Organismus in der Übertragung des Formyl- oder Methylolrests besteht. Harman (3-Methyl-ß-carbolin) CO7H + CH3CHO — ^Ox. 8 2,50g D,L-Tryptophan (12,3mmol) (S.422) werden in einem 250-ml-Rundkolben in 100 ml Wasser aufgeschlämmt und mit 5,0 ml frisch destilliertem Acetaldehyd (90 mmol) versetzt. Der Kolben wird fest verschlossen und die Suspension 3 h unter gelegentlichem Umschütteln im Wasserbad auf 6O 0 C erwärmt. Dann läßt man den Ansatz über Nacht bei Raumtemperatur stehen. Gewöhnlich bleibt die gelbbraune Lösung klar; sollte sich das Reaktionsprodukt jedoch schon vorzeitig kristallin abscheiden, hat dies keinen Einfluß auf den weiteren Arbeitsgang. Nachdem anschließend der überschüssige Acetaldehyd auf dem Wasserbad vertrieben worden ist (Abzug!), wird das Reaktionsgemisch in einen 1-I-Rundkolben gefüllt. Unter Rühren erhitzt man nun die Lösung auf dem Babotrichter zum Sieden und versetzt sie erst mit 24,0 ml Eisessig, dann sofort mit 120 ml siedender 10proz. wässeriger Kaliumdichromat-Lösung (Vorsicht; schäumt! Nicht zu rasch eingießen). Der nun braune Ansatz wird genau noch 21/2 min weiter gekocht und dann eine Minute ohne Erhitzen stehen gelassen. Sofort anschließend wird mit einem kräftigen Schwefeldioxid-Strom das überschüssige Bichromat reduziert, bis die Lösung dunkelgrün ist. Darauf setzt man auf den 1-1-Kolben einen Waschflaschen-Aufsatz, dessen Rohr in die Flüssigkeit eintaucht und hängt ihn zum Kühlen in ein Wasserbad. Mit schwach aufgedrehter Wasserstrahlpumpe wird durch das Einleitungsrohr Luft gesaugt wodurch man den Kolbeninhalt rührt und zugleich das Schwefeldioxid vertreibt. Mit 160 ml gekühlter 40proz. Kalilauge wird unter Rühren langsam die Base in Freiheit gesetzt und gleich mit Ether ausgeschüttelt. Ethert man nicht sofort aus, erhält man später Emulsionen, die sich nur schwer trennen lassen. Für etwa vier bis fünf Portionen werden Alkaloide 693 zum Ausschütteln etwa 800 ml Ether verbraucht. Hierbei ist zu beachten, daß bei den ersten Extraktionen nur leicht geschüttelt werden darf, da sonst ebenfalls störende Emulsionen auftreten. Die filtrierten Etherextrake trocknet man mit wasserfreiem Natriumsulfat, filtriert ab und wäscht das Trockenmittel mit Ether nach. Nach dem Abdampfen des Lösungsmittels erhält man 1,65g kristallines Rohharman vom Schmp. 229—231 0C. Es wird in einem Gemisch von 30 ml Aceton und 30 ml Wasser durch Erhitzen am Rückflußkühler gelöst, heiß filtriert und wieder unter Erhitzen am Rückflußkühler bis zur schwachen Trübung mit Wasser versetzt. Beim langsamen Abkühlen kristallisiert das Harman in langen, zu Büscheln vereinigten weißen Nadeln aus. Schmp. 237 0 C; Ausbeute: 1,58g (71%). Die einfache Harmansynthese, die in die Reihe der Carbolinalkaloide führt, lehnt sich im ersten, dem Kondensationsschritt an die Biosynthese an, ähnlich wie dies bei der Bildung des Tetrahydro-isochinolinrings (S. 685) der Fall ist. Aus Tryptophan und Acetaldehyd entsteht in einer inneren Mannich-Reaktion JV-Methyl-tetrahydrocarbolin-3-carbonsäure, die nicht isoliert, sondern sofort oxidativ zum Harman decarboxyliert wird. Harman gehört zu den Harminalkaloiden, die im Pflanzenreich ziemlich verbreitet sind. Harmin ist 9-Methoxy-harman, Harmalin sein 5,6-Dihydroderivat. Vom Tryptamin, dem biogenen Amin des Tryptophans, leiten sich in analog-biochemischer Weise - als Kondensationsprodukte mit hydroxylierten Phenylacetaldehyden komplizierte Vertreter der Carbolinalkaloide wie Yohimbin und das blutdrucksenkende Reserpin ab. Einen anderen Weg nimmt die Reaktion, wenn das verknüpfende Kohlenstoffatom des Aldehyds (Kreis) nicht an der 2-Stellung des Indols angreift, sondern mit der 3-Stellung reagiert. Dann entstehen die Alkaloide des Strychnintyps. OCH^ Reserpin 694 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen Hämin aus Rinderblut In einem Rundkolben von 5 Liter Inhalt werden 3 Liter Eisessig, denen man 5 ml gesättigter Kochsalzlösung zugefügt hat, auf dem Babotrichter auf 10O 0 C erwärmt. Aus einem Tropftrichter läßt man in dünnem Strahl unter häufigem Umschwenken des Kolbens einen Liter defibriniertes und durch ein Koliertuch filtriertes Rinderblut im Verlauf von 20—30min in das heiße Lösungsmittel einließen, ohne dabei das Erhitzen zu unterbrechen. Das Abflußrohr des Tropftrichters endet unterhalb des Kolbenhalses, die Berührung der Kolbenwand durch das einfließende Blut ist zu vermeiden; die Temperatur soll nicht unter 9O 0 C sinken. Nach dem Einlaufen des Blutes hält man die Flüssigkeit noch eine Viertelstunde lang in gelindem Sieden; die Hauptmenge des Hämins hat sich in glitzernden Kristallen ausgeschieden. Man läßt auf 40-5O0C erkalten, saugt bei dieser Temperatur das Hämin ab und wäscht es mit 50proz. Essigsäure, Wasser, Alkohol und Ether. Dunkle Kristalle von starkem Oberflächenglanz und großer Reinheit. Ausbeute 3,5-4 g. Im Blutfarbstoff, dem Hämoglobin, ist die farbige „prosthetische Gruppe", die oben präparativ als (Chlor) Hämin abgespalten wurde, mit Eiweißmolekülen, GIobinen, assoziiert. Je zwei a- und ß-Untereinheiten, wie die Ecken eines Tetraeders angeordnet, bilden zusammen das Gesamtmolekül, das somit 4 Eisenporphyrine (Häm) enthält. Im Häm ist das Eisenion 2-wertig und durch je zwei von vier Pyrrolliganden kovalent bzw. koordinativ gebunden, der oktaedrische Komplex ist über die Imidazolseitenkette eines Histidinrests als weiterem Liganden an das Protein gebunden und nimmt als sechsten den molekularen Sauerstoff auf und gibt ihn bei Unterdruck ab ohne seine Wertigkeit zu ändern. Dieses „Ferroprotohäm EX" fungiert auch als Wirkmolekül des Myoglobins (Muskelfarbstoff) sowie der Katalase, von Peroxidasen und Cytochrom b (dort Elektronenübertragung durch Valenzwechsel). Bei der Gewinnung des Chlorhämins (Teichmannsche Kristalle) findet Oxidation zum 3-wertigen Eisen statt, dessen zusätzliche positive Ladung durch das Chlorion ausgeglichen wird. Der Komplex ist 5-zählig und quadratisch pyramidal. Die im wesentlichen auf Hans Fischer zurückgehende Strukturaufklärung und von ihm ausgeführte Synthese hat die untenstehende Formel ergeben. Im Chlorophyll ist das Eisen durch Magnesium ersetzt (R. Willstätter). Der strukturelle Unterschied gegenüber Hämin besteht nach H. Fischer darin, daß die Propionsäureseitenkette von Ring C in oxidierter Form mit der benachbarten Methingruppe einen Cyclopentan(on)-ring bildet, daß die Vinylseitenkette von Ring B zu Ethyl reduziert, der Ring D partiell hydriert ist und daß die Carboxylgruppen mit Methanol bzw. Phytol verestert sind. Phytol ist ein Diterpenalkohol. Im Chlorophyll b steht am Ring B statt Methyl eine Formylgruppe. Weiterführende Literatur zu Kapitel XV 695 CH3(CHO) CH2-CH3 CH, HO2C-CH2-CH2 H2C-CH2-CO2H Phytyl Ferroprotohöm IX (Hörn) *O OCOCH3 Chlorophyll a (b) Weiterführende Literatur zu Kapitel XV H. S. Mosher, The Chemistry of the Pyridines, Heterocyclic Compounds, Herausg. R.C. Elderfield, Bd. /, S. 397, J. Wiley and Sons, New York und London 1950. E.G. Franklin und F.W. Bergstrom, Heterocyclic Nitrogen Compounds, Pyridine, Quinoline and Isoquinoline, Chem. Rev. 35, 77 (1944). K. Thomas und D. Jerchel, Die Einführung von Substituenten in den Pyridin-Ring, Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 3, S. 34, Verlag Chemie, Weinheim 1961; Angew. Chem. 70, 719 (1958). A. R. Katritzky und CD. Johnson, Zur elektrophilen Substitution an Sechsring-Heteroaromaten, Angew. Chem. 79, 629 (1967). F. Kröhnke, Synthesen mit Hilfe von Pyridiniumsalzen, Angew. Chem. 75, 181, 317 (1963). E. 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Die hier gegebene kurze Anleitung zur qualitativen Analyse, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben-kann, wird eingeteilt in 1. Trennen eines Stoffgemisches 2. Erkennen von funktioneilen Gruppen 3. Charakterisierung durch Derivat-Bildung Trennen eines Stoff gern isches Anders als in der anorganischen Analyse werden bei der qualitativen organischen Analyse nicht Teile von Verbindungen (Ionen) nebeneinander, sondern jede organische Verbindung für sich durch ihr physikalisches und chemisches Verhalten charakterisiert. Diesem Vorhaben muß in der Regel eine Auftrennung in die einzelnen Verbindungen voraufgehen. Freilich wird es nicht in allen Fällen möglich sein, eine saubere Trennung zu erreichen, doch sollte man sich bemühen, diesem Idealfall nahezukommen. Ebenfalls im Gegensatz zu den Verhältnissen in der qualitativen anorganischen Analyse ist es im organischen Bereich weder möglich noch zweckmäßig, einen systematischen Trennungsgang zu entwerfen, weil die Zahl der denkbaren Verbindungen und ihrer Kombinationen dafür einfach zu groß ist. Dennoch fehlt es nicht an Ansätzen, in begrenztem Rahmen systematische Regeln für Trennprobleme organischer Verbindungen zu geben (siehe z. B. H. Staudinger, unten). Hier sollen nur einige Hinweise auf allgemein anwendbare Trennmethoden gegeben werden, die im Einzelfall konkretisiert und gegebenenfalls mit Hilfe des Assistenten ausgeweitet werden müssen. Wir unterscheiden physikalische und chemische Trennmethoden. In der Regel wird man die Trennung eines Gemisches zunächst mit physikalischen Methoden versuchen. Hierzu gehören fraktionierende Destillation bei Flüssigkeiten und Kristallisation bei Feststoffen. Dabei ist klar, daß mit diesen Methoden nur bei hinreichender Verschiedenheit der zu trennenden Partner Aussicht auf Erfolg besteht. Chemisch sehr ähnliche Partner, wie z. B. die Glieder homologer Reihen oder manche Strukturisomere werden so nicht zu trennen sein und bedürfen der Anwendung chromatosraphischer Methoden. Niedrigsiedende Flüssigkeiten können easchromatoera- 698 Kapitel XVI. Qualitative Analyse phisch, unpolare hochsiedende Flüssigkeiten oder Feststoffe säulenchromatographisch an Kieselgel, polare hochsiedende Flüssigkeiten und Feststoffe durch Flüssigkeitschromatographie und ionische Stoffe durch Chromatographie an Ionenaustauschern getrennt werden. Besonders die Säulenchromatographie eignet sich auch für größere Substanzmengen. In der Regel werden die Eigenschaften der zu trennenden Partner jedoch so verschieden sein, daß schon die Verteilung zwischen unterschiedlich polaren Phasen eine Trennung ermöglicht. Oft löst sich nur ein Teil des Gemisches in einem sehr unpolaren (Petrolether) oder einem sehr polaren Lösungsmittel (Wasser, Methanol). Azeotrop destillierende Gemische können so häufig getrennt werden. In schwierigen Fällen benutzt man die Gegenstromverteilung oder die Verteilungschromatographie. Eine besonders oft angewandte Trennung dieser Art leitet über zu den chemischen Trennmethoden. Wenn Carbonsäuren, Phenole oder andere saure Stoffe sich destillativ oder durch Kristallisation nicht von Neutralstoffen abtrennen lassen, so wandelt man sie mit wässeriger Lauge in ihre Salze um, die in Wasser löslich sind, nicht mehr jedoch in unpolaren Lösungsmitteln wie Ether oder Methylenchlorid. Mit den neutralen Stoffen verhält es sich in der Regel umgekehrt, so daß sie bei Verteilung zwischen Ether (oder CH2Cl2) und wässeriger Lauge in der organischen Phase verbleiben, während sich die sauren Stoffe (als Salze) in der Lauge befinden aus der sie durch Ansäuern wieder freigesetzt werden können: Ausschütteln mit Ether oder CH2Cl2. Man beachte, daß unterschiedlich starke Säuren entsprechend (umgekehrt!) starke Basen benötigen. Carbonsäuren kann man aus unpolaren Lösungsmitteln schon mit Hydrogencarbonat- oder Sodalösung extrahieren, während die schwächer sauren Phenole Natronlauge benötigen. Auf dieser Basis lassen sich sogar Carbonsäuren und Phenole durch Ausschütteln voneinander trennen. Ein ähnlich gelagertes Trennproblem wurde bei der Hinsberg-Trennung (S. 158) besprochen: Die /7-Toluolsulfonamide von primären Aminen R—NHSO2C6H4CH3 sind schwache Säuren, die sich mit Natronlauge in wässerige Lösung überführen lassen, während die/7-Toluolsulfonsäureamide sekundärer Amine RR^NSO2C6H4CH3 als Neutralstoffe in Ether verbleiben. Tertiäre Amine bilden keine Sulfonamide und behalten deshalb ihre Eigenschaften als Base. Amine trennt man von Neutralstoffen mit wässeriger Säure, z. B. verdünnter Salzsäure, in die sie als Hydrochloride eintreten. Nach Abtrennung der Neutralstoffe macht man die Säure alkalisch und extrahiert die Amine dann mit Ether. Dabei verhalten sich primäre, sekundäre und tertiäre Amine jedoch gleich, so daß eine Hinsberg-Trennung gegebenenfalls hier angeschlossen werden muß. Eine Trennung mit chemischen Methoden im engeren Sinne liegt dann vor, wenn ein Ester von einem Neutralstoff erst nach Verseifung (als Carbonsäure) abgetrennt werden kann, bei der der Neutralstoff unverändert bleibt. Ähnliche Fälle sind zahlreich und leicht einsehbar, so daß sich eine systematische Beschreibung erübrigt. Beispielsweise können auch Nitrile zu Carbonsäuren verseift, NitroVerbindungen zu Aminen reduziert werden und vieles andere mehr. Hier ist die Phantasie des Chemikers in besonderem Maße angesprochen. Trennungsprobleme, Literatur dazu 699 Nach erfolgter Trennung wird man die erhaltenen Stoffe auf ihre Einheitlichkeit überprüfen wollen. Dies geschieht bei niedrigsiedenden Stoffen am besten gaschromatographisch (ein Peak), bei höhersiedenden im Dünnschichtchromatogramm (ein Fleck) (S. 92). Von den spektroskopischen Methoden eignet sich die 1H-NMRSpektroskopie zur Überprüfung der Einheitlichkeit eines unbekannten Stoffes, dabei gibt das NMR-Spektrum freilich bereits so viele Informationen, daß die Konstitution der (unbekannten) Verbindung häufig schon abgelesen werden kann. Literatur zu Trennungsproblemen H. Staudinger, Anleitung zur organischen qualitativen Analyse, 7. Aufl., Herausg. W. Kern und H. Kämmerer, Springer, Berlin-Heidelberg-New York 1968. E. und M. Lederer, Chromatography. A Review of Principles and Applications, 2. Aufl., Eisevier Publ. Comp., Amsterdam 1960. G. Schomburg, Gaschromatographie, Taschentext 48, Verlag Chemie, Weinheim 1977. R. L. Grob, Modern Practice of Gas Chromatography, J. Wiley and Sons, New York, London, Sydney und Toronto 1977. R. Kaiser, Chromatographie in der Gasphase, Teil I-IV, Hochschultaschenbücher, Bibliographisches Institut, Mannheim 1962-1969. H. Engelhardt, Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatographie, 2. Aufl., Springer, Berlin-Heidelberg-New York 1977. V. Meyer, Praxis der Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie, Laborbücher Chemie, Moritz Diesterweg, Otto Salle, Frankfurt-München, Sauerländer, Frankfurt-Salzburg 1979. L.R. Snyder und J. J. Kirkland, Introduction to Modern Liquid Chromatography, J. Wiley and Sons, New York, London, Sydney und Toronto 1974. Z. Deyl, K. Macek und J. Janäk, Liquid Column Chromatography, Eisevier, Amsterdam, Oxford und New York 1975. H. F. Walton, Ion-Exchange Chromatography, Dowden, Hutchinson and Ross, Stroudsburg, Pa. 1976. E. Stahl, Dünnschichtchromatographie, 2. Aufl., Springer, Berlin-Heidelberg-New York 1967. K. Randerath, Dünnschicht-Chromatographie, 2. Aufl., Verlag Chemie, Weinheim 1965. 700 Tab. 5 Kapitel XVI. Qualitative Analyse Die ungefähren Lagen der wichtigsten IR-Banden funktioneller Gruppen in cm~ Streckschwingungen des Wasserstoffs —O— H 3600 3300-3500 H-Brücken =CH2 \ /CH2 zusätzlich 3080 2900 2830 2750 2800-3400 V« / =C—H I =C—H 3450 -OCH3 3300 3010-3040 -CHO (-CO2H)2 Andere Streckschwingungen ~ ~~ -C=N \ C C [ J / C "\ 2200 -CHO \ 1730 1720 1690 1680 1640 1 / ~ ~ \ -COCl —COOCO— -CO2^ 6H5 CD J -CO2R -CO2H 1950 1820 1820 und 1750 1770 1740 1710 1680 (Amid I) Amid II, prim. Amide 1600 sek. Amide 1540 1600 / C6H5COR -CH=CH-CO\ \ / / /C~C\ -CON r,H, /c=c\konj—C—O—R NO 2 SO2 1600 \ 1100-1160 1340, 1540 —COo \f—CH=CH-CO- 1600 1380 Deformationsschwingungen I -C-H 1350-1480 trans 970 eis ~700 990 -CH=CH2 990 und 910 890 -CH=CH- V \ C=CH- 800-840 Erkennen funktioneller Gruppen 701 Erkennen von funktioneilen Gruppen In der klassischen qualitativen Analyse mußten die funktionellen Gruppen mit Hilfe der unter Punkt 3. beschriebenen Nachweisreaktionen durchgetestet werden. Eine grobe Vorgruppierung dazu ist mit der qualitativen chemischen Elementaranalyse (S. 124) möglich, denn bei Abwesenheit von z. B. Stickstoff scheiden alle Stickstoffhaltigen Gruppen aus oder umgekehrt. Mit Hilfe eines hochauflösenden Massenspektrometers lassen sich Molmassen mit einer Genauigkeit von drei bis fünf Stellen hinter dem Komma bestimmen, aus der exakten Molmasse läßt sich die elementare Zusammensetzung in Tabellen direkt ablesen. Die wichtigste moderne Methode zur Bestimmung funktioneller Gruppen ist die Infrarot-Spektroskopie. Auf die theoretischen Grundlagen und die Einzelheiten der Durchführung soll hier nicht eingegangen werden, man unterrichte sich darüber in den unten empfohlenen Standardwerken. Viele funktionelle Gruppen können direkt aus dem IR-Spektrum ermittelt werden. Tabelle 5 gibt einen Überblick der wichtigsten dazu geeigneten Banden. Über die charakteristischen funktionellen Gruppen hinaus sagt das IR-Spektrum meist nur wenig zur Struktur der Moleküle aus. Weitere Informationen erhält man durch Derivatisierung gemäß Punkt 3. Im Gegensatz zum IR-Spektrum gibt das Protonenresonanz-Spektrum (1HNMR-Spektrum) Informationen über die Konstitution des gesamten Moleküls, während die funktionellen Gruppen oft nur mittelbar abgeleitet werden können. Insofern ergänzen sich beide Methoden in idealer Weise. Auch zur Theorie, Durchführung und Interpretation des Kernresonanz-Experiments soll hier nichts ausgeführt, sondern auf die unten empfohlenen Standard-Werke verwiesen werden. Trotz der mit Hilfe der ^-NMR-Spektroskopie erhältlichen Erkenntnisse kommt der unter Punkt 3 beschriebenen Ausführung von spezifischen Reaktionen und Darstellung von kristallisierten Derivaten besondere Bedeutung zu. Sie ist nicht nur didaktisch ungemein wertvoll, sondern gibt in vielen Zweifelsfällen oft erst letzte Gewißheit. Literatur zu spektroskopischen Methoden D.H.Williams und I. Fleming, Spektroskopische Methoden zur Strukturaufklärung, 3. Aufl., Georg Thieme, Stuttgart 1975. M. Hesse, H. Meier und B. Zeeh, Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie, Georg Thieme, Stuttgart 1979. G. Spiteller, Massenspektrometrische Strukturanalyse organischer Verbindungen, Verlag Chemie, Weinheim 1966. J. Seibl, Massenspektrometrie, 2. Aufl., Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt am Main 1974. H. Budzikiewicz, Massenspektrometrie, Taschentext Nr. 5, Verlag Chemie, Weinheim 1972. 702 Kapitel XVI. Qualitative Analyse G. Ege, Zahlentafeln zur Massenspektrometrie und Elementaranalyse, Verlag Chemie, Weinheim 1970. D. Henneberg und K. Casper, Bruttoformeln für Massenbestimmungen, Varian MAT, Bremen; Z. Anal. Chem. 227, 241 (1967). L. J. Bellamy, Ultrarot-Spektrum und chemische Konstitution, 2. Aufl., Dr. Dietrich Steinkopf Verlag, Darmstadt 1966. H. Günzler und H. Bock, IR-Spektroskopie, Taschentext Nr. 43/44, Verlag Chemie, Weinheim 1974. L. M. Jackman und S. Sternhell, Applications of Nuclear Magnetic Resonance Spectroscopy in Organic Chemistry, 2. Aufl., Pergamon Press, Oxford 1969. T. Clerc und E. Pretsch, Kernresonanzspektroskopie, Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt am Main 1970. H. Friebolin, NMR-Spektroskopie, Taschentext Nr. 15, Verlag Chemie, Weinheim 1974. P. Hallap und H. Schütz, Anwendung der 'H-NMR-Spektroskopie, Taschentext Nr. 31, Verlag Chemie, Weinheim 1973. H. Günther, NMR-Spektroskopie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1973. H. Suhr, Anwendungen der kernmagnetischen Resonanz in der organischen Chemie, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1965. A. I. Scott, Interpretation of the Ultraviolet Spectra of Natural Products, Pergamon Student Editions, Oxford 1964. C.N.R. Rao, Ultra-Violet and Visible Spectroscopy, 3. Aufl., Butterworths, London 1975. Charakterisierung organischer Verbindungen durch Derivat-Bildung Soweit die verwendeten Reagenzien im Rahmen des Gattermann-Praktikums dargestellt wurden, finden sich die Zitate der Seitenzahlen im Text. Alle behandelten Reagenzien sind im Chemikalienhandel erhältlich. Die Schmelzpunkte der erhaltenen Produkte findet man in den einschlägigen Schmelzpunktstabellen, die am Ende dieses Abschnitts zitiert sind. Koh len Wasserstoff e Am schwersten durch Reaktionen nachzuweisen sind wohl die Paraffine und Cycloparaffine, da man von ihnen mit einfachen Mitteln keine Derivate herstellen kann. Gerade ihre Indifferenz bildet aber ihr wichtigstes Erkennungsmerkmal. Auch Ether sind ähnlich indifferent, ihre IR-Spektren sind jedoch etwas stärker strukturiert als die der Alkane, eine sichere Unterscheidung ist im NMR-Spektrum möglich, wo die neben Ether-Sauerstoff stehenden Protonen bei viel tieferem Feld (3,2 bis 3,5 ppm) erscheinen als die in gesättigten Kohlenwasserstoffen (0,8 bis 1,4 ppm). Aromatische Kohlenwasserstoffe brennen mit rußender Flamme. Über ihre UVund IR-Spektren unterrichte man sich in den entsprechenden Nachschlagewerken. Im NMR-Spektrum erscheinen die aromatisch gebundenen Protonen bei sehr tiefem Feld (um 7,3 ppm). Typische Reaktionen sind die elektrophilen Substitutionsreaktionen, so besonders die Nitrierung (S. 234) und die Sulfonierung (S. 244). Da die Nachweis von Kohlenwasserstoffen und Alkoholen 703 Sulfonsäuren durchweg wasserlöslich sind, kann man aromatische so von aliphatischen Kohlenwasserstoffen trennen, in der Technik kann flüssiges SO2 verwendet werden (Edeleanu-Verfahren). Die aromatischen Kohlenwasserstoffe geben mit Tetranitromethan eine charakteristische Gelbfärbung, mit Pikrinsäure bilden die höheren Vertreter (z. B. Naphthalin, Anthracen) kristalline Donator-Akzeptor-Komplexe, die zur Charakterisierung dienen können (S. 252). Pikrinsäure-Addukte Man löst den unbekannten Kohlenwasserstoff in der geringstmöglichen Menge heißem Ethanol oder Benzol und versetzt mit einer (ggf. warm) gesättigten Lösung von Pikrinsäure im gleichen Lösungsmittel. Nach dem Abkühlen saugt man ab und wäscht den Komplex vorsichtig mit wenig kaltem Ethanol, einige Komplexe lassen sich nicht unzersetzt (aus Alkohol) Umkristallisieren. Höhere Aromaten wie Anthracen oder Phenanthren lassen sich mit Chromsäure zu den Chinonen oxidieren. Die Oxidation von aromatischen Kohlenwasserstoffen mit Seitenketten führt zu Carbonsäuren (S. 485). Olefine können an ihren charakteristischen IR-Banden (Tab. 5) und der tiefen Lage ihrer Protonen im NMR-Spektrum (4-7 ppm, Normallage 5,3 ppm) erkannt werden. Sie entfärben Kaliumpermanganat (Baeyer-Probe, S. 186) und Brom in Eisessig (diese Reaktionen werden aber auch von Phenolen und Enolen gegeben) und färben sich mit Tetranitromethan in charakteristischer Weise gelb. Nur in Sonderfällen erhält man kristalline Additionsprodukte. Ein allgemein gangbarer Weg zur Charakterisierung ist die Oxidation mit Kaliumpermanganat oder Ozon (S. 500) oder Osmiumtetroxid/Periodsäure (S. 487) zu Carbonsäuren bzw. Aldehyden und/oder Ketonen, welche wie unten beschrieben charakterisiert werden. Alkohole Niedere oder mehrwertige Alkohole sind mit Wasser mischbar, höhere wenig oder gar nicht. Alkohole zeigen im IR-Spektrum eine scharfe Bande für die O—H-Streckschwingung der freien Hydroxylgruppe bei ca. 3600 cm~ l und eine breite Bande für die Wasserstoffbrücken-gebundene Hydroxylgruppe bei 3300—3500cm"1. Je nach den Meßbedingungen kann eine von beiden ganz fehlen. Im ^-NMR-Spektrum findet man die Signale der am C neben Sauerstoff stehenden Protonen (2 bei primären, l bei sekundären Alkoholen) im Bereich von 3,4-3,9 ppm. Kristalline Derivate der Alkohole werden in Form von Estern z. B. der Benzoe-, /7-Nitrobenzoe-, 3,5-Dinitrobenzoe- oder /7-Phenylazobenzoesäure aus den entsprechenden Säurechloriden oder der 3-Nitrophthalsäure aus dem Anhydrid erhal- 704 Kapitel XVI. Qualitative Analyse ten. In Form von Urethanen gewinnt man kristalline Derivate durch Umsatz mit Phenyl- oder 1-Naphthylisocyanat. Allgemein setzen sich die primären Alkohole dabei leichter um als die sekundären, während tertiäre schwer oder gar nicht reagieren. Die Ester werden nach der Schotten-Baumann-Reaktion erhalten. Abweichend von der auf S. 307 gegebenen Vorschrift, kann man auch in folgender Weise verfahren: Benzoesäure-, p-Nitrobenzoesäureester (siehe auch S. 308) 1 g Alkohol wird in 3ml absol. Pyridin gelöst. Man setzt 1,5g Benzoyl- oder p-Nitrobenzoylchlorid zu und erhitzt nach dem Abklingen der spontanen Reaktion kurz über dem Bunsenbrenner. Anschließend wird das Produkt unter Rühren in 10 ml Wasser gegossen, man dekantiert von dem Niederschlag der mit verdünnter NatriumcarbonatLösung digeriert, abgesaugt und aus Alkohol umkristallisiert wird. 3,5-Dinitrobenzoesäure-, p-Phenylazobenzoesäureester 1 g Alkohol wird in einem Reagenzglas mit 2,5g 3,5-Dinitrobenzoyl- oder p-Phenylazobenzoylchlorid (S. 304) bis zum Aufhören der HCI-Entwicklung im siedenden Wasserbad erwärmt (ca. 5 min). Man versetzt mit 10 ml Wasser, digeriert den Niederschlag mit verdünnter Natriumcarbonat-Lösung und kristallisiert aus Alkohol. Beim p-Phenylazobenzoesäureester kann die Filtration mit Petrolether über eine kurze Säule von Kieselgel oder Aluminiumoxid vorteilhafter sein. Man kann das Wandern des organgerot gefärbten Esters auf der Säule gut verfolgen. 3- N itrophthalsäu reester Man erhitzt das Gemisch aus 1 g Alkohol und 2 g 3-Nitrophthalsäureanhydrid 30 min im siedenden Wasserbad und kristallisiert anschließend aus siedendem Wasser um. Hochsiedende Alkohole werden besser 2—3 h in 10 ml siedendem Toluol umgesetzt (bis die Lösung homogen geworden ist). Das beim Abkühlen ausfallende Produkt wird aus wässerigem Alkohol umkristallisiert. Das andere Isomere wird beim Umkristallisieren entfernt. Phenyl- oder 1-Naphthylurethane 1 g Alkohol und 0,5 ml des Isocyanats werden in einem Ölbad 5—10 min auf 10O0C erhitzt. Beim Abkühlen wird bis zum Beginn der Kristallisation mit einem Glasstab gerieben, anschließend aus Petrolether oder Tetrachlormethan umkristallisiert. Evtl. erhaltene Anteile von (unlöslichem) Diarylharnstoff müssen heiß abfiltriert werden. Bei der Umsetzung von Phenolen zu Urethanen müssen dem Reaktionsgemisch einige Tropfen Pyridin oder Triethylamin zugesetzt werden. Nachweis von Aldehyden und Ketonen Aldehyde und Ketone 705 Diese einfachen Carbonylverbindungen sind meist flüssig, niedere Vertreter sind mit Wasser mischbar, die höheren nicht mehr. Aldehyde sind an ihrer charakteristischen IR-Bande bei 1730-1740Cm"1, Ketone an der bei 1710-1720Cm"1 kenntlich. Die Banden der a,/?-ungesättigten Verbindungen haben um ca. 30 cm'1 geringere Frequenzen. Aldehyde zeigen im ER-Spektrum eine charakteristische Bande für die CHStreckschwingung der Aldehydgruppe bei 2700-2900 cm" 1 und im NMR-Spektrum das Aldehydproton bei 9-10 ppm. Methylketone weisen im NMR-Spektrum ein charakteristisches Singulett für die Methylgruppe bei 2,0-2,1 ppm auf. Dieses Signal hat die klassische lodoformreaktion der Methylketone weitgehend verdrängt. RCOCH 3 U KOH '2 > (RCOCI3) > RCO 2 H + CHI3 Typische kristalline Derivate sind die Phenylhydrazone, die Semicarbazone und die Oxime. Phenylhydrazone, 2,4-Dinitrophenylhydrazone, Semicarbazone und Oxime werden, wie auf S. 347 und 502 beschrieben, dargestellt. p-Nitrophenylhydrazone 0,5g Aldehyd oder Keton werden zusammen mit 0,5 g p-Nitrophenylhydrazin in 1OmI Ethanol und 2 ml Eisessig unter Rückfluß erhitzt. Man setzt noch heiß einige Tropfen Wasser zu, kühlt ab und kristallisiert den Niederschlag aus Alkohol um. Einige Reaktionen sind für Aldehyde spezifisch. Ihre Reduktionskraft zeigt sich in der Reaktion mit fuchsinschwefliger Säure (S. 343), ammoniakalischer Silbersalzlösung und Fehlings Reagens (S. 342). Aldehyde können mit Kaliumpermanganat, Wasserstoffperoxid oder Silberoxid (S. 342) präparativ zu ,den Carbonsäuren oxidiert werden. Die kristallinen Dimedon-Kondensationsprodukte und Imidazolidine verdanken ihre spezifische Bildung der höheren Reaktivität der Aldehyd- gegenüber der Keton-Carbonylgruppe. Dimedon-Kondensationsprodukte O RCHO^ A^H p ip V v^-^r» HO OH 0 ^ 0 '• Man vereinigt die Lösungen von je 0,5 g Dimedon und Aldehyd in je 10 ml wässerigem Ethanol (1 :1,5) und fügt einen Tropfen Piperidin zu. Wenn sich das Kondensationsprodukt nicht spontan abscheidet, wird einige min erwärmt. Umkristallisieren aus Alkohol. 706 Kapitel XVI. Qualitative Analyse Imidazolidine f6"5 ^NH H2C C6H5 HC NH I C6H5 C6H5 ' Zur Lösung von 1 g Aldehyd in 1OmI Methanol gibt man die Lösung von 2,1 g 1,2Dianilinoethan und 0,5 ml 5proz. Essigsäure in 40 ml Methanol und erwärmt, falls sich das Produkt nicht spontan abscheidet. Nach dem Abkühlen wird abgesaugt und aus Methanol, evtl. unter Zusatz von Benzol umkristallisiert. Carbonsäuren Die niederen Vertreter riechen stechend bis übel und sind mit Wasser mischbar. Weniger charakteristisch als die Carbonylbande bei 1700—1720cm"1 ist die breite OH,CH-Absorption der Carbonsäuren im Bereich von 2800-3400 cm~ l . Das NMRSignal des Carboxylwasserstoffs erscheint bei der besonders tiefen Lage von 10-13 ppm. Carbonsäuren bilden schon mit Hydrogencarbonaten Salze und können so oder mit Natriumcarbonat-Lösung oder Natronlauge von Neutralstoffen (durch Ausschütteln mit Ether oder CH2Cl2) abgetrennt werden. Durch Titration mit eingestellter Natronlauge kann die Molmasse der Carbonsäure ermittelt, mit feuchtem Universal-Indikatorpapier die Acidität abgeschätzt werden. Als kristalline Derivate werden bestimmte Ester (/?-Bromphenacyl- oder /?-Nitrobenzylester) oder Amide (auch Anilide) dargestellt. p-Bromphenacyl- oder p-Nitrobenzylester 0,5 g Säure werden mit verdünnter Natronlauge neutralisiert und ein Überschuß an Lauge mit verdünnter Säure genau gegen Phenolphthalein ausgeglichen. Man setzt 0,5 g p-Bromphenacylbromid oder p-Nitrobenzylbromid in 5 ml Ethanol zu und kocht 1 h (für 2- und mehrbasige Säuren länger). Beim Abkühlen scheidet sich der Ester ab, der aus Alkohol umkristallisiert wird. Liegen die Carbonsäuren als Salze vor, so kann die Umsetzung unmittelbar erfolgen. Amide Man kocht 0,5 g Säure 30 min in 5 ml Thionylchlorid mit einigen Tropfen Pyridin und gießt das Gemisch anschließend vorsichtig in 15 ml eiskaltes, konzentriertes Ammoniak. Der Niederschlag wird abgesaugt und aus Wasser oder wässerigem Ethanol umkristallisiert. Nachweis von Carbonsäuren und Carbonsäureestern Anilide 707 Man bereitet das Säurechlorid wie oben aus 1 g Säure und 2 ml Thionylchlorid, fügt nach dem Abkühlen 1-2 g Anilin (oder p-Toluidin oder p-Bromanilin) in 30 ml Benzol hinzu und erwärmt einige min auf dem Wasserbad. Anschließend wäscht man mit Wasser, verd. Schwefelsäure, verd. Natronlauge und wieder mit Wasser, trocknet über Natriumsulfat dampft i. Vak. ein und kristallisiert den Rückstand aus Ethanol, Wasser oder Toluol. Säureanhydride und -Chloride Diese zeigen im IR-Spektrum charakteristisch hohe Bandenlagen für die Carbonylgruppen bei 1820 und 1750cm'1 bzw. 1790-1830Cm1. Aliphatische Vertreter reagieren leicht mit Wasser, aromatische verseifen erst mit Natronlauge hinreichend rasch. Zur Gewinnung kristalliner Derivate verfahrt man wie mit den unter Carbonsäuren dargestellten Säurechloriden oder — nach Verseifung - mit den Natriumsalzen der Carbonsäuren. Carbonsäureester Die meisten Carbonsäureester sind flüssige, in Wasser nicht lösliche Verbindungen. Die Ester-Carbonylgruppe hat mit 1740—1750Cm-1 eine charakteristische Lage. Methylester zeigen im ^-NMR-Spektrum ein typisches Singulett bei 3,7-3,9 ppm, Ethylester ein Triplett bei 1,2-1,4 ppm sowie ein Quartett bei 4,0-4,3 ppm. Die genaue Identifizierung eines Esters erfordert häufig die getrennte Charakterisierung des Alkohol- und des Carbonsäureteils nach voraufgehender Verseifung. Wenn der Alkohol niedermolekular ist, wird die Verseifung des (unlöslichen) Esters in siedender wässeriger Natronlauge (2 g Ester in 10 ml 20proz. NaOH) solange durchgeführt, bis die Lösung homogen geworden ist. Aus der noch alkalischen Lösung kann der Alkohol abdestilliert oder ausgeschüttelt und wie oben charakterisiert werden. Die Carbonsäure gewinnt man nach dem Ansäuern. Bei Estern mit längerkettigen Alkoholen wird das Verseifungsgemisch nicht homogen. In solchen Fällen und bei manchen aromatischen Estern nimmt man die Verseifung besser in homogener Lösung in Ethanol (S. 301) vor. Ein dem Ethanol nahestehender Alkohol läßt sich dann freilich nicht nachweisen. Niedere Carbonsäuren lassen sich aus dem von Alkoholen befreiten und angesäuerten Verseifungsgemisch nicht gut extrahieren. In solchen Fällen kann die Säure durch Darstellung des Benzylamids oder Hydrazids direkt aus dem Ester charakterisiert werden. Niedere Alkohole lassen sich durch Umesterung („Umsäuerung") mit 3,5-Dinitrobenzoesäure bestimmen. 708 Kapitel XVI. Qualitative Analyse Carbonsäure-A/-benzylamide Das Gemisch aus 1 g Methyl- oder Ethylester, 3 ml Benzylamin und 0,1 g gestoßenem Ammoniumchlorid wird 1 h unter Rückfluß erhitzt. Nach dem Abkühlen wäscht man überschüssiges Benzylamin mit Wasser heraus und entfernt unumgesetzten Ester durch Wasserdampfdestillation. Der kristalline Rückstand wird mit Petrolether gewaschen und aus wässerigem Ethanol oder Aceton umkristallisiert. Carbonsäure-hydrazide 1 g Methyl- oder Ethylester wird mit 1 ml 85proz. Hydrazinhydrat 15min unter Rückfluß erhitzt und nach Zusatz von wenig absol. Ethanol (bis eine klare Lösung erhalten wird) noch weitere 2 h. Nach dem Abziehen des Alkohols wird der Rückstand abgekühlt. Man kristallisiert das Hydrazid aus Wasser oder wässerigem Ethanol um. Ester höherer Alkohole werden besser zunächst mit wenig Natriummethylat in Methanol (30 min kochen) umgeestert. Man dampft das überschüssige Methanol ab und stellt dann die N-Benzylamide oder Hydrazide wie oben dar. 3,5-Dinitrobenzoesäureester durch Umesterung Das Gemisch aus 2 g Ester, 2 g 3,5-Dinitrobenzoesäure und 2 Tropfen konz. Schwefelsäure wird im Ölbad auf 15O 0 C erhitzt. Wenn die 3,5-Dinitrobenzoesäure rasch in Lösung geht, ist die Reaktion in 30 min beendet, andernfalls wird 1 h erhitzt. Nach dem Abkühlen löst man in Ether und schüttelt zur Entfernung unumgesetzter 3,5-Dinitrobenzoesäure zweimal mit je 15ml 5proz. Sodalösung aus. Die Etherphase wird nochmals mit Wasser gewaschen, über Natriumsulfat getrocknet und eingedampft. Der Rückstand wird in 5 ml siedendem Ethanol gelöst und das Produkt durch vorsichtigen Zusatz von Wasser zur Kristallisation gebracht. Lactone Ungespannte Lactonringe verhalten sich im IR-Spektrum wie offenkettige Ester, Fünfringlactone zeigen jedoch Carbonylschwingungen bei höheren Frequenzen wie 1740-1800Cm-1. Die bei der alkalischen Verseifung der Lactone resultierenden Hydroxycarboxylate müssen direkt als Carbonsäuresalze nachgewiesen werden, da beim Ansäuern spontane Relactonisierung eintritt. Phenole Sie sind gut in Ether, weniger gut in Wasser löslich. Phenole sind schwächer sauer als Carbonsäuren und können erst mit Natronlauge aus organischen Phasen in Wasser übergeführt werden. Aus dem Gemisch mit Carbonsäuren können letztere mit Hydrogencarbonat- oder Carbonat-Lösung abgetrennt werden. Einige Akzeptorsubstituierte Phenole nähern sich jedoch der Acidität der Carbonsäuren (S. 252). Die Hydroxylbanden der Phenole im IR-Spektrum ähneln denjenigen der Alko- Nachweis von Lactonen, Phenolen und Ethern 709 hole. Phenole und Enole geben eine charakteristische Färbung mit verdünnter Eisen(III)-chlorid-Lösung. Dazu löst man die Probe in Ethanol und unterschichtet vorsichtig mit der wässerigen Reagens-Lösung. Zur Gewinnung kristalliner Derivate können Phenole wie Alkohole in die Urethane (S. 704) oder nach Schotten-Baumann (S. 307 und 704) in die Benzoesäure- oder /?-Nitrobenzoesäureester umgewandelt werden. Häufig eignen sich auch die Veretherung mit Diazomethan (S. 632) und die Bromierung (S. 230) dazu. Eine weitere Methode besteht in der Etherbildung mit Chloressigsäure. Die Absorptionsmaxima der Phenole im UV werden durch Alkalizusatz (Phenolatbildung) um 5—15 nm zu längeren Wellen verschoben. Aryloxyessigsäuren ArONa + H CICH2CO2H fcl_. -NaCI > ArOCH 2 CO 2 H 0,5 g Phenol und 0,6 g Chloressigsäure werden 30 min in 5ml 2N NaOH gekocht. Man kühlt ab, säuert vorsichtig mit konz. Salzsäure an und läßt kristallisieren. Wenn keine Kristalle auftreten, kann man die Aryloxyessigsäure mit Ether ausschütteln und nochmals über das Natriumsalz (Natriumcarbonat, dann konz. HCI) reinigen. Das Produkt wird aus Wasser umkristallisiert. Ether Diese sind meist flüssige, charakteristisch riechende Substanzen, deren Wasserlöslichkeit meist beschränkt ist, in organischen Stoffen lösen sie sich gut und stellen umgekehrt wichtige Lösungsmittel dar. Im IR-Spektrum auftretende C—O-Valenzschwingungen bei 1060-1150Cm1 deuten auf eine aliphatische, solche bei 1230 bis 1270Cm-1 auf eine aromatische Etherbindung. Im ^-NMR-Spektrum liegen die dem Ethersauerstoff benachbarten Protonen bei 3,2-3,5 ppm. Besonders deutlich sind Methoxylgruppen an ihrem Singulett bei 3,25 ppm zu erkennen. Aliphatische und araliphatische Ether werden mit lodwasserstoff gespalten, aber bei den rein aliphatischen führt diese Reaktion (z. B. 3-6 h Kochen mit Kaliumiodid und 95proz. Phosphorsäure) oft nicht zur glatten Umsetzung beider Alkylreste zu den lodiden. Sie können auch mit 3,5-Dinitrobenzoylchlorid und Zinkchlorid direkt in die entsprechenden Dinitrobenzoesäureester umgewandelt werden (siehe unten). Diarylether können nicht mit lodwasserstoff gespalten werden. Man kann sie jedoch wie die araliphatischen Ether leicht einer elektrophilen Substitutionsreaktion mit den üblichen Reagenzien unterwerfen. 3,5-Dinitrobenzoylester aus Ethern Man kocht das Gemisch aus 1 ml Ether, 0,15g wasserfreiem Zinkchlorid und 0,5g Dinitrobenzoylchlorid 1 h unter Rückfluß. Nach dem Abkühlen versetzt man mit 1OmI 5proz. Sodalösung, erhitzt im Wasserbad auf 9O 0 C, kühlt wieder ab und filtriert. Der 710 Kapitel XVI. Qualitative Analyse Filtrierrückstand wird nochmals mit der Sodalösung und mit Wasser gewaschen. Man löst den getrockneten Rückstand in 1OmI heißem Tetrachlorkohlenstoff, filtriert die Lösung heiß und kühlt zur Kristallisation ab. Wenn nötig wird die Lösung eingeengt. Am ine Im IR-Spektrum zeigen primäre Amine zwei NH-Schwingungsbanden im Bereich von 3300-3500Cm"1, sekundäre dagegen nur eine solche. Die große Mehrzahl der Amine ist in Wasser und Ether löslich. Als Salze mit starken Mineralsäuren, z. B. 2N Salzsäure, lassen sie sich aus der organischen Phase extrahieren und von Neutralstoffen trennen. Einige aromatische Amine sind jedoch so schwach basisch, daß sie sich in diesem Test wie Neutralstoffe verhalten. Auch diese bilden jedoch Salze mit wasserfreien Säuren, z. B. mit etherischer HCl oder mit Pikrinsäure in Ethanol. Zur vorläufigen Charakterisierung eines Amins dient sein Verhalten gegen salpetrige Säure in sehr schwach salzsaurer Lösung. Von den aliphatischen Aminen reagieren die primären beim gelinden Erwärmen unter Stickstoffentwicklung, die sekundären aliphatischen und aromatischen Amine geben die gelben, öligen, unlöslichen Nitrosamine (Vorsicht! Cancerogen), während tertiäre im allgemeinen nicht oder nur unübersichtlich reagieren. Die primären aromatischen Amine geben Diazoniumsalze (S. 604), die in alkalischer Lösung mit jS-Naphthol oder R-SaIz zu Azofarbstoffen kuppeln (S. 605). Tertiäre Anilinbasen geben die schwerlöslichen Hydrochloride der/7-Nitrosodialkylaniline (S. 242). Zur Charakterisierung der primären und sekundären Amine stellt man Acetamide oder Benzamide dar, oft auch die Sulfonamide (S. 250) wie bei der Hinsberg-Trennung (S. 158). Auch Phenylthioharnstoffe gemäß S. 528 können herangezogen werden. Acetamide Die Lösung von 0,5 g Amin in 10 ml Wasser wird 5 min mit 3 ml Acetanhydrid geschüttelt. Man erwärmt, bis das überschüssige Acetanhydrid verseift ist, kühlt unter weiterem Schütteln im Eisbad ab, saugt den Niederschlag ab und kristallisiert aus Wasser oder wässerigem Ethanol um. Auch Cyclohexan oder Toluol können nach sorgfältigem Trocknen der Kristalle verwendet werden. Benzamide In einem 25-ml-Schliffkolben werden 1 g Amin, 1 ml Benzoyl- oder 1 g p-Nitrobenzoylchlorid und 10 ml 2N NaOH mit einem Schliffstopfen eingeschlossen und unter gelegentlichem Lüften des Stopfens 10 min geschüttelt. Die Lösung muß danach noch alkalisch sein. Man kühlt in einem Eisbad, saugt den Niederschlag ab und kristallisiert aus wässerigem Ethanol oder (nach Trocknen) Toluol um. Auch die bei den Alkoholen beschriebene Art der Schotten-Baumann-Reaktion in Pyridin (S. 704) kann für primäre und sekundäre Amine angewendet werden. Nachweis von Aminen und Aminosäuren Benzol- oder p-Toluolsulfonamide 711 Diese werden nach der Vorschrift auf S. 158 dargestellt. Sie dienen nicht nur als kristalline Derivate sondern gleichzeitig und darüber hinaus zur Trennung primärer, sekundärer und (indirekt auch) tertiärer Amine nach Hinsberg. Die Hinsberg-Trennung ist auf den Seiten 157 und 158 ausführlich erläutert. Tertiäre Amine werden in Form ihrer quartiären Ammoniumsalze oder der Pikrate charakterisiert. Quartiäre Ammoniumsalze 0,5 g Tertiäres Amin und 0,5 ml Methyliodid werden einige min über der Bunsenflamme im Reagenzglas erwärmt. Beim Abkühlen fördert man die Kristallisation durch Kratzen mit einem Glasstab und kristallisiert dann aus absol. Ethanol, Essigester oder Ethanol/ Ether um. Zur Giftigkeit des Methyliodids siehe S. 149. Pikrate Eine Lösung von 0,5g tertiärem Amin in 1OmI Ethanol wird zu 1OmI kalt gesättigter Pikrinsäure/Ethanol-Lösung gegeben. Man kocht auf, kühlt ab, saugt die Kristalle des Pikrats ab und kristallisiert sie aus Ethanol um. Aminosäuren Die meisten Aminosäuren sind gut in Wasser löslich und zeigen gegenüber UniversalIndikatorpapier schwach saure Reaktion. In organischen Lösungsmitteln, auch in Alkoholen sind sie unlöslich. Beim Erhitzen zersetzen sie sich, ohne zu schmelzen, bei 200-30O0C. Beim Aufkochen der wässerigen Lösung mit Kupfercarbonat entstehen tiefblau gefärbte Komplexe. Das wichtigste Reagenz zum Nachweis der a-Aminosäuren ist das Ninhydrin, Ausführung der Nihydrin-Reaktion siehe S. 499. Mit Hilfe der Papier- oder Dünnschichtchromatographie und Ninhydrin als Reagens (S. 318) können die natürlich vorkommenden Aminosäuren identifiziert werden. Die Ninhydrin-Reaktion wird aber auch von unsubstituierten und primären Ammoniumsalzen gegeben. Mit salpetriger Säure entwickeln die Aminosäuren Stickstoff wie die primären Amine. Feste Derivate werden hauptsächlich mit Hilfe der Schotten-BaumannReaktion, wie bei den primären und sekundären Aminen beschrieben, dargestellt, doch ist ein Überschuß von Benzoylchlorid hier zu vermeiden, da die N-Benzoylaminosäuren von Benzoesäure nicht immer so glatt trennbar sind wie im Fall der Hippursäure (S. 636). 712 Kapitel XVI. Qualitative Analyse Carbonsäureamide Nur die niederen Vertreter sind flüssig und in Wasser gut löslich; die Carbonsäureamide bilden mit Ausnahme von besonderen Fällen wie z. B. Phthalimid, keine Salze mit wässerigen Säuren oder Laugen. Im IR-Spektrum besitzen die Carbonsäureamide charakteristische Banden für die CO-undNH-Gruppen. Die Carbonylfrequenz liegt für alle Amide bei 1630-1690cm~i (Amid-Bande I), daneben erscheint eine zweite Bande vermutlich als NH-Deformationsschwingung bei 1590-1620Cm"1 für primäre und bei 1510-1570Cm"1 für sekundäre Amide (Amid-Bande II). Die NH-Valenzschwingungen erscheinen im Bereich von 3100-3500Cm'1. Zur genauen Bestimmung der Amide werden diese zu den Carbonsäuren und den Aminen hydrolisiert. Im Gegensatz zu den primären Amiden, die bei der Hydrolyse NH 3 entwickeln, geben sekundäre Amide primäre Amine und tertiäre Amide sekundäre Amine. Carbonsäuren und Amine müssen für sich wie oben derivatisiert werden. Die Hydrolyse der Carbonsäureamide kann sauer (mit konz. Salz- oder 60proz. Schwefelsäure) oder alkalisch (mit 30proz. Natronlauge) erfolgen, sie verläuft im allgemeinen sehr langsam, häufig ist mehrstündiges Kochen erforderlich. Nitrile Nitrile sind meist flüssig oder niedrig schmelzend, mit Ausnahme der niedrigsten Vertreter sind sie in Wasser unlöslich, doch lösen sie sich im Gegensatz zu den Carbonsäureamiden in Ether. Die charakteristische CN-Valenzschwingung bei 2220-2270Cm"1 ist oft schwach und kann übersehen werden. Bei der schwer verlaufenden Hydrolyse bilden sich Carbonsäuren und Ammoniak. Aliphatische Nitrile werden bevorzugt durch mehrstündiges Kochen mit 30proz. Natronlauge, aromatische durch Erhitzen in konz. Schwefelsäure, der etwas Natriumchlorid zugesetzt wird, verseift (30min bei 16O0C und 30min bei 19O0C). Carbonsäureamide als etwa unumgesetztes Zwischenprodukt geben sich durch Unlöslichkeit in verd. Natronlauge zu erkennen und werden durch Filtration entfernt. Sulfonsäuren Sulfonsäuren sind häufig kristalline Verbindungen, die sich in Wasser mit stark saurer Reaktion (Universal-Indikatorpapier) lösen. Oft liegen sie als Natrium- oder Kaliumsalze vor. Durch Alkalischmelze können sie in die Phenole (S. 276), durch Erhitzen mit Salzsäure oder 20proz. Phosphorsäure im Bombenrohr auf 150-18O0C in die Kohlen- Nachweis von Aminen und Aminosäuren Benzol- oder p-Toluolsulfonamide 711 Diese werden nach der Vorschrift auf S. 158 dargestellt. Sie dienen nicht nur als kristalline Derivate sondern gleichzeitig und darüber hinaus zur Trennung primärer, sekundärer und (indirekt auch) tertiärer Amine nach Hinsberg. Die Hinsberg-Trennung ist auf den Seiten 157 und 158 ausführlich erläutert. Tertiäre Amine werden in Form ihrer quartiären Ammoniumsalze oder der Pikrate charakterisiert. Quartiäre Ammoniumsalze 0,5 g Tertiäres Amin und 0,5 ml Methyliodid werden einige min über der Bunsenflamme im Reagenzglas erwärmt. Beim Abkühlen fördert man die Kristallisation durch Kratzen mit einem Glasstab und kristallisiert dann aus absol. Ethanol, Essigester oder Ethanol/ Ether um. Zur Giftigkeit des Methyliodids siehe S. 149. Pikrate Eine Lösung von 0,5g tertiärem Amin in 1OmI Ethanol wird zu 1OmI kalt gesättigter Pikrinsäure/Ethanol-Lösung gegeben. Man kocht auf, kühlt ab, saugt die Kristalle des Pikrats ab und kristallisiert sie aus Ethanol um. Aminosäuren Die meisten Aminosäuren sind gut in Wasser löslich und zeigen gegenüber UniversalIndikatorpapier schwach saure Reaktion. In organischen Lösungsmitteln, auch in Alkoholen sind sie unlöslich. Beim Erhitzen zersetzen sie sich, ohne zu schmelzen, bei 200-30O0C. Beim Aufkochen der wässerigen Lösung mit Kupfercarbonat entstehen tiefblau gefärbte Komplexe. Das wichtigste Reagenz zum Nachweis der a-Aminosäuren ist das Ninhydrin, Ausführung der Nihydrin-Reaktion siehe S. 499. Mit Hilfe der Papier- oder Dünnschichtchromatographie und Ninhydrin als Reagens (S. 318) können die natürlich vorkommenden Aminosäuren identifiziert werden. Die Ninhydrin-Reaktion wird aber auch von unsubstituierten und primären Ammoniumsalzen gegeben. Mit salpetriger Säure entwickeln die Aminosäuren Stickstoff wie die primären Amine. Feste Derivate werden hauptsächlich mit Hilfe der Schotten-BaumannReaktion, wie bei den primären und sekundären Aminen beschrieben, dargestellt, doch ist ein Überschuß von Benzoylchlorid hier zu vermeiden, da die N-Benzoylaminosäuren von Benzoesäure nicht immer so glatt trennbar sind wie im Fall der Hippursäure (S. 636). 714 Kapitel XVI. Qualitative Analyse Man muß zunächst feststellen, ob Halogen aliphatisch oder aromatisch gebunden ist. Dazu kocht man 30 min mit 2N methanolischer KOH und prüft dann mit Salpetersäure und Silbernitrat auf abgespaltenes Halogen. Die meisten aliphatischen Halogenverbindungen reagieren hierbei positiv, jedoch auch solche aromatische, bei denen das Halogen durch o- oder /?-ständige Akzeptorsubstituenten wie —NO 2 , -CN oder -COR gelockert ist. Zur Gewinnung fester Derivate werden aliphatische Halogenide in die GrignardVerbindungen übergeführt und diese mit Isocyanten umgesetzt. Isothiuroniumsalze oder /J-Naphthylether können dargestellt und als Pikrate charakterisiert werden. Aromatische Halogenide werden in der Regel wie aromatische Kohlenwasserstoffe nitriert oder anderen elektrophilen Substitutionen unterworfen. Umsetzung von Grignard-Verbindungen mit Isocyanaten R-X _Mi_» R-MgX ArNCO > RCONHAr Man setzt 1 g des Halogenids in einem trockenen Reagenzglas mit 0,3 g Magnesium in 15 ml absol. Ether um. Wenn die Bildung der Grignard-Verbindung beendet ist (S. 431), filtriert man unumgesetztes Magnesium durch etwas Glaswolle ab und setzt dem Filtrat die Lösung von 0,5g eines aromatischen Isocyanats in 1OmI absol. Ether zu. Man schüttelt, läßt 10 min stehen, zersetzt dann mit verd. Salzsäure, trennt die Etherphase ab, trocknet mit Natriumsulfat, dampft ein und kristallisiert den Rückstand aus Methanol, Ether oder Petrolether. S-Alkylisothiuronium-Pikrate Man kocht 0,5 g Alkylbromid oder -iodid und 0,5 g gestoßenen Thioharnstoff 2 min in 5 ml Alkohol. Dann fügt man eine heiß gesättigte Lösung von 0,4 g Pikrinsäure in Ethanol hinzu, filtriert und kristallisiert aus Ethanol um. Alkylchloride können manchmal durch Zusatz von 1 g Kaliumiodid und etwas Wasser ebenso umgesetzt werden. Alkyl-ß-naphthylether 1 g Alkylhalogenid, 2g 2-Naphthol und 1 g Kaliumhydroxid werden 15min in 1OmI Ethanol gekocht. Man verdünnt mit 20 ml 2N NaOH oder KOH und kühlt ab. Wenn sich Kristalle abscheiden, werden diese abgesaugt und aus Ethanol oder wässerigem Ethanol umkristallisiert. Andernfalls ethert man aus, dampft die Etherphase ein, nimmt mit wenig Ethanol auf und vereinigt mit der heiß gesättigten Lösung von 0,5 g Pikrinsäure in Ethanol. Nach kurzem Aufkochen kühlt man ab, die abgesaugten Kristalle werden mit wenig Ethanol gewaschen. Weiterführende Literatur zur organischen qualitativen Analyse 715 Weiterführende Literatur H. Staudinger, Anleitung zur organischen qualitativen Analyse, 7. Aufl., Herausg. W. Kern und H. Kämmerer, Springer, Berlin-Heidelberg-New York 1968. H. Roth e. a., Analytische Bestimmung der wichtigsten funktionellen Atomgruppen und Verbindungsklassen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. /, S. 249, Thieme, Stuttgart 1953. Weiterführende Literatur mit Schmelzpunktstabellen R. L. Shriner, R. C. Fuson und D. Y. Curtin, Systematic Identification of Organic Compounds, 5. Aufl., J. Wiley and Sons, New York-London 1956; dieselben und T.C. Morill, 6. Aufl., 1979. W. Kemp, Qualitative Organic Analysis, Rev. Aufl., McGraw-Hill, London 1979. Organikum, Organisch-Chemisches Grundpraktikum, 15. Aufl., Verlag der Wissenschaften, Berlin 1976. Schmelzpunktstabellen R. Kempf und F. Kutter, Schmelzpunktstabellen zur organischen Molekularanalyse Vieweg, Braunschweig 1928. W. Utermark, Schmelzpunktstabellen organischer Verbindungen, 2. Aufl., Vieweg, Braunschweig 1963. CRC Handbook of Tables for Organic Compound Identification, 3. Aufl., Herausg. Z. Rappoport, Chemical Rubber Co. Press, Cleveland 1967. D'Ans-Lax, Taschenbuch für Chemiker und Physiker, 3. Aufl., Bd. 2, Herausg. E. Lax und C. Synowietz, Springer, Berlin-Göttingen-Heidelberg 1964. 716 Anhang Anhang Mixotrope Reihe einiger Lösungsmittel Die Stellung eines Lösungsmittels in der mixotropen Reihe wird von seiner Tendenz zur Bildung von Wasserstoffbrücken bestimmt. In der folgenden Aufstellung sind die Anfangsglieder am hydrophilsten, die Endglieder am lipophilsten. Man beachte, daß die Werte der zugehörigen Dielektrizitätskonstanten zum Teil starke Abweichungen von dieser Reihenfolge zeigen. Die ersten zwölf Glieder der mixotropen Reihe sind unbegrenzt mit Wasser mischbar. Lösungsmittel Wasser Formamid Ameisensäure Acetonitril Methanol Essigsäure Ethanol Isopropanol Aceton Dioxan Tetrahydrofuran tert-Butanol 2-Butanol Methylethylketon Cyclohexanon n-Butanol Cyclohexanol DK Lösungsmittel Benzylalkohol Essigester Diethylether Nitromethan Methylenchlorid Chloroform Dichlorethan Trichlorethan Benzol Trichlorethylen Toluol Xylol Tetrachlorkohlenstoff Schwefelkohlenstoff Dekalin Cyclohexan Hexan, Petroleumbenzine DK 13 6,1 4,4 39 9,1 5,1 10,0 10,4 2,2 3,4 2,3 2,6 2,3 2,6 2,1 2,1 1,9 81,1 84 58,5 38,8 31,2 6,3 25,8 26 21,5 3 U 11,2 15,8 18 18,2 19,3 15 Siedepunkte unter vermindertem Druck Die folgende Tabelle kann — wegen des mehr oder weniger nicht-idealen Verhaltens der verschiedenen Verbindungen - nur in Annäherung die Abhängigkeit des Siedepunkts vom Druck wiedergeben. Vergleiche S. 39. Druckabhängigkeit der Siedepunkte 760 0,1 10 - 76 - 67 - 62 - 53 — 45 - 35 — 26 - 21 Druck (in Torr) 20 50 100 - 42 - 33 - 25 - 17 - 8 + 2 200 - 29 - 20 - 11 - 2 + 7 400 - 16 - 6 + 3 760 -h 10 20 30 40 50 60 70 + 10 20 30 40 50 60 70 -106 -100 - 92 - 84 - 77 - 73 -100 - 91 - 86 - 79 - 72 - 63 - 55 - 50 - 67 - 57 — 52 - 43 - 34 - 25 - 16 - 10 - 53 - 44 - 37 - 29 - 21 - 9 - 1 + 6 12 19 17 28 35 12 22 32 42 51 Tabellen-Anhang 760 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200 210 220 230 240 250 260 270 280 290 300 320 340 360 380 400 420 440 460 480 500 0,1 - 69 - 65 - 61 - 56 - 51 - 45 - 39 - 32 - 26 - 21 - 13 - 4 + 3 9 15 21 28 35 40 45 51 57 63 75 86 100 110 125 138 149 159 173 189 717 760 1 - 44 - 40 - 35 - 29 - 23 - 17 - 12 - 5 -I- 1 6 15 25 34 40 47 53 60 67 72 77 84 91 101 114 126 140 153 168 180 192 205 220 236 10 - 14 - 8 - 2 + 6 13 19 24 31 38 46 55 66 74 80 88 96 106 113 118 123 130 139 152 Druck (in Torr) 50 20 - 3 + 3 10 18 26 33 39 46 52 60 70 82 90 97 105 112 122 129 134 139 147 156 170 184 198 214 228 245 260 274 288 304 321 12 20 28 37 45 53 59 66 73 82 93 105 113 119 128 136 146 155 160 166 176 184 196 100 27 36 43 52 60 68 76 84 92 101 111 122 131 139 149 157 166 175 182 189 199 207 216 235 252 268 284 300 317 334 354 372 392 200 44 53 61 71 80 88 97 106 114 124 134 144 154 163 173 181 190 199 206 215 224 233 243 262 280 296 313 331 346 365 384 402 422 400 60 69 78 88 98 108 117 126 135 144 154 164 174 184 194 203 212 221 230 240 250 260 270 290 309 329 346 364 380 400 420 440 460 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200 210 220 230 240 250 260 270 280 290 300 165 180 194 208 224 238 252 266 282 299 211 226 242 259 275 290 306 323 341 361 320 340 360 380 400 420 440 460 480 500 Konzentrationen handelsüblicher Säuren Säure Ameisensäure Eisessig konz. Phosphorsäure konz. Phosphorsäure konz. Salpetersäure rauchende Salpetersäure konz. Salzsäure konz. Salzsäure rauchende Salzsäure konz. Schwefelsäure rauchende Schwefelsäure ca. 65% SO2 Gew.-Proz. 98-100 99-100 85 89 65 ca. 99 32 36 38 95-97 Dichte 1,22 1,06 1,69 1,75 1,40 1,51 1,16 1,18 1,19 1,84 1,99 Normalität 26-26,5 17,5-18 44 47,5 14,5 21 10 11,5 12,5 35,5-36,5 718 Anhang Dichte von Ammoniaklösungen Prozent NH 3 Dichte bei 200C Prozent NH 3 Dichte bei 200C 2,00 0,989 5,00 0,977 10,00 0,957 15,00 0,939 20,00 0,923 45,00 0,845 25,00 0,907 30,00 0,892 35,00 0,876 40,00 0,861 Herstellung von Mischungen bestimmter Konzentration Man beachte, daß - falls nicht ausdrücklich anders vermerkt - sich in der Chemie Konzentrationsangaben immer auf Gewichtsanteile des gelösten Stoffs pro Volumeneinheit der Lösung beziehen. [Bei 25proz. Schwefelsäure sind also 25,0 g (= 13,6 ml) reine Säure mit Wasser auf 100 ml verdünnt.] - IM (molar) bedeutet, l Liter enthält l Mol; IN (normal) bedeutet, l Liter enthält l Grammäquivalent. Manchmal dient die Dichte als Konzentrationsmaß (z. B. bei starker Salpetersäure). In diesen Fällen verwendet man zur Einstellung der Lösungen Areometer (Senkspindeln), die, in einer Flüssigkeit schwimmend, deren Dichte entsprechend tief eintauchen. Die Herstellung von Lösungen bestimmter Konzentration aus zwei Lösungen mit anderen Prozentgehalten wird durch das Mischkreuz („Andreaskreuz") erleichtert: A% \ X B% Beispiel: 1 BmI In dieses trägt man oben die Prozentgehalte der Ausgangslösungen (A und B; reines Lösungsmittel gleich Null), in der Mitte die Prozente der gewünschten Lösung ein, bildet jeweils in Pfeilrichtung die Differenzen und liest dann unten die zusammenzufügenden Volumenteile ab. Dabei sind Volumenkontraktionen vernachlässigt. (Beispiel: 20 ml 96proz. Alkohol plus 76 ml Wasser geben 96 ml ca. 20proz. Alkohol.) Phosphatpuffer nach Sörensen 9,073 g Kaliumdihydrogenphosphat p. A. (Lösung K) und 11,876 g Dinatriumhydrogenphosphat p. A. (Lösung N) werden getrennt in destilliertem Wasser (2O0C) zu einem Endvolumen von je 1000ml gelöst. Diese Vi 5 molaren Lösungen geben in folgendem Verhältnis gemischt die angegebenen pH-Werte bei 2O0C. pH K N 5,0 99,05 0,95 5,5 96,1 3,9 6,0 87,9 12,1 6,5 68,7 31,3 7,0 38,8 61,2 7,5 14,8 85,2 8,0 3,1 96,9 Pufferwert ß (Maß für die Pufferkapazität) = 0,03. Das heißt z. B.: l ml IN Säure verändern 1000 ml Pufferlösung von pH 7,0 zum pH 6,97. Tabellen-Anhang 719 Temperaturabhängigkeit des Puffers vom pH 7,0: zwischen 20 und 5O0C etwa -0,0013 pH/Grad und zwischen 50 und 9O0C etwa +0,001 pH/Grad. Verdünnungseinfluß A pH/2 (also pH-Änderung beim Verdünnen des Puffers auf das doppelte Volumen): 0,06. Das heißt z.B.: Der mit pH 7,00 angegebene Puffer hat bei halber Konzentration pH 7,06. Säure-Base-Indikatoren Indikator-Name Thymolblau (s. u.) Bromphenolblau Kongorot Methylorange Methylrot Lackmus Bromthymolblau Phenolrot Thymolblau (s. o.) Phenolphthalein Thymolphthalein Umschlag pH-Gebiet 1,2- 2,8 3,0- 4,6 3,0- 5,2 3,1- 4,4 4,4- 6,2 5,0- 8,0 6,0- 7,6 6,4- 8,2 8,0- 9,6 8,2- 9,5 9,3-10,5 Grenzfarben sauer-basisch rot-gelb gelb-blau blau-rot rot-orange rot-gelb rot-blau gelb-blau gelb-rot gelb-blau farblos-rot farblos-blau 12 Indikatorlösung (A = Alkohol) 0,l%in20proz.A. 0,l%in20proz.A. l % in Wasser 0,1% in Wasser 0,2% in 90proz. A. 0,5% in 20proz. A. 0,l%in20proz.A. 0,l%in20proz.A. 0,l%in20proz.A. 0,l%in70proz.A. 0,l%in90proz.A. Tabelle der wichtigsten Atommassen (nach IUPAC auf Aluminium Barium Bor Brom Calcium Chlor Eisen Fluor Jod Kalium Kohlenstoff 26,98 137,34 10,81 79,91 40,08 35,45 55,85 18,99 126,90 39,10 12,01 C = 12,00 bezogen) 24,31 22,99 30,97 200,59 15,99 32,06 107,87 28,09 14,01 1,01 65,37 Magnesium Natrium Phosphor Quecksilber Sauerstoff Schwefel Silber Silicium Stickstoff Wasserstoff Zink Liste der gebräuchlichsten Abkürzungen 9-BBN 9-Borabicyclononan DCC Dicyclohexylcarbodiimid DDT Dichlordiphenyltrichlorethan DMF A^V-Dimethylformamid DMSO Dimethylsulfoxid DNS Desoxyribonucleinsäure DON L-Diazo-oxonorleucin EDTA Ethylendiamin-tetraacetat HMPT Hexamethylphosphorsäure-triamid KPG kerngezogene Präzisions-Glasgeräte LDA Lithium-diisopropylamid MAK Maximale Arbeitsplatz-Konzentration NAD Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotid NADH dasselbe in der hydrierten Form NADP Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotid-phosphat NADPH dasselbe in der hydrierten Form NIH National Institutes of Health NMR Nuclear Magnetic Resonance PAS p-Aminosalicylsäure PEG Polyethylenglykol RNS Ribonucleinsäure THF Tetrahydrofuran 538, 541, 543 319, 482, 377 114, 169, 114, 169, 688, 638, 355, 475, 169, 442, 445, 18, 19, 130, 445, 446, 448, 450, 136, 676 676, 676, 676, 276, 701, 273, 155, 688 116, 435 Sach- und Namenregister (Fettgedruckte Seitenzahlen verweisen auf Arbeitsvorschriften) 2,4-Dinitrophenylhydrazon 348 Oxim 348, 350 Acetoxycrotonsäure-ethylester 417 Acetylaceton 401, 403 Keto-Enol-gleichgewicht 411 N-Acetylaminozucker 648 Acetylbenzoylperoxid 473 Acetylchlorid303, 308, 314 Hydrolyse 307 Acetylen 215, 217 Acetylendicarbonsäure-dimethylester 202 Acetylene siehe Alkine Acetylenmagnesiumbromid 437 jV-Acetylglucosamin 648 7V-Acetyl-ö-toluidin 655, 659 Acridin 684 Acrolein 365, 680 Acrylnitril 217, 423 Acrylsäure 294 Acylanion-Äquivalente 445 Acylierung, nucleophile 445, 462 Acyloine 379, 381, 397 Acyloinkondensation (Ringschluß) 382, 397 Acyloinreaktion 649 jV-Acylpyridiniumsalze 673 Adamantan 344 Adams, R. 554 Addition, nucleophile 337 Additionsreaktionen 183, 190 Adenin 691 Adermin 672 Adipindialdehyd 501 Bis-semicarbaron 501 Adipinsäure 296, 331 aus Cyclohexanol 488 Adipinsäure-diethylester 296, 535 Adrenalin 373 Adsorptionschromatographie 79, 91 Äpfelsäure 687 äquatoriale Gruppen 388, 488 Aktivität, optische 123, 358 Alane 453 ß-Alanin 323 Abramovitch, R. A. 425 Absaugen 70, 71 Acenaphthylen, Photodimerisierung 477 Acetaldehyd 218, 338, 340, 341, 342, 343, 354, 363, 436, 478, 692 aktiver 380 Autoxidation 473 Dinitrophenylhydrazon 348 Reduktion mit 342 Acetaldehydammoniak 344, 479, 667 Acetaldehyd-diethylacetal 338 Acetaldehydharz 363 Acetaldol 363 Acetale 339, 366 Acetalisierung 301 Acetamid 312, 315, 324 Hydrolyse 315 Acetamide 710 Acetamid-quecksilber 315 4-Acetaminobenzolsulfochlorid 250 3-Acetamino-5-dihydroxyethyl-furan 648 Acetaminomalonsäure-diethylester 421, 422, 423 Acetanhydrid siehe Essigsäureanhydrid Acetanilid 314, 348 Acetessigester siehe Acetessigsäure-ethylester Acetessigester-ethylenacetal 339 Acetessigsäure-ethylester 339, 375, 401, 409, 412, 413, 417, 667, 682 Keto-Enol-Gleichgewicht 412 Acetoacetyl-/?-toluidin 682 Acetoin 380 Acetomilchsäure 380 Aceton 218, 330, 362, 385, 402, 472, 652, 653, 655 2,4-Dinitrophenylhydrazon 348 Lösungsmittel 111 Phenylhydrazon 655 Semicarbazon 330, 347 Acetonitril 269, 324, 434 Acetophenon 215, 218, 340, 348, 357, 362, 434 724 Sach- und Namenregister Alkylhalogenide 146 aus Boranen 542 Alkyl-2-naphthylether 714 Alkylnitrite 148, 164 N-Alkylpyridiniumsalze 673, 695 S-Alkylthiuronium-Pikrate 714 Allantoin 691 Alloxan 691 Allozimtsäure 372 Allylacetessigester 418 Allylalkohole durch Selendioxidoxidation 499 in der Simmons-Smith-Reaktion 441 Allylbenzol 454 Allylbromid 159, 346 Allylbromierung 196 Allychlorid 196 2-Allylcyclohexanon 345, 346 A\\yl-Grignard-Verbindungen 439 Allylhydroperoxide 472, 474, 477 Allylphenol 418 Allyl-triphenylphosphoniumbromid 159, 455, 456 Aluminium-teAt-butylat 535 Aluminium-ethylat 533, 534 Aluminium-isopropylat 535 Aluminium-organische Verbindungen 453, 463 Aluminiumoxid 80, 83, 95, 96, 107, 108, 113—116 Aluminium-phenolat 535 amalgamiertes Zink 514 ambidente Anionen 411, 416 ambidente Ionen 165 Ameisensäure 294, 493 Ameisensäureester, Reaktion mit Gr/g/«zrd-Reagens 439 Amide siehe Carbonsäureamide Amine, siehe auch aliphatische, aromatische Nachweis 710 Trennung von Neutralstoffen 698 Trennung prim. von sek. 158, 698 Verhalten gegen salpetrige Säure 710 Amine, aliphatische 156 Amine, aromatische Basizität 518, 533 Charakterisierung 518 durch red. Spaltung von Azoverbindungen 526 ß-Aminoanthrachinon 655 D,L-Alanin 315, 354 L-Alanin 359 aus Cystin 557 ß-Alaninester 424 Aldehydammoniak siehe Acetaldehydammoniak Aldehydcollidin 669 Aldehyde Addition an akt. Doppelbindungen 380, 426 aus Alkoholen 480, 504 aus Carbonsäureamiden 537, 558 aus Carbonsäurechloriden 538, 549, 559 durch Hydroborierung von Acetylenen 543 Nachweis 705 durch /tosemwnd-Reduktion 549 nach Stephens 517 nach Stevens 546 a,ß-unges. durch Grignard-Reaktion 439 Aldehydimine nach Stephens 517 Alder, K. 200 Aldolase 365 Aldolkondensation, gezielte 447, 462 sonst siehe Aldolverknüpfung Aldolverknüpfung 361, 367 an Picolinen 675 Aldonsäuren 391, 495 Aldopyranose 388 Aldosen 388, 390 Aldoxime 523 Alizarin 564, 565, 574 Alkalidiazotate 610 Alkalimetalle, Vernichtung 135 Alkaloide 670, 675, 684, 693, 696 Alkene siehe Olefine Alkine 183, 215 Ozonspaltung 504 Alkoholdehydrogenase 676 Alkohole äquatoriale, axiale, Oxid. 488 aus Aldehyden 511, 512, 537, 539 aus Boranen 541 aus Carbonsäuren 537, 543 durch Grignard-Reaktion 431, 438 durch Hydroxymercurierung 454 Nachweis 703 Oxidation 468 Alkoxycrotonsäure-ethylester 417 Alkyldiazotat 624 Alkylfluoride 170 Sach- und Namenregister p-Aminoazobenzol 601, 606 o-Aminobenzaldehyd 532 /7-Aminobenzoesäure 490, 604, 692 p - Aminobenzolsulfonsäureamid, Diazotierung 604 2-Aminochinolin 671 4-Amino-2,5-dimethoxyphenyl-ß-hydroxyethylsulfon 609 p-Aminodimethylanilin 576, 579, 604 Acetylderivat 577, 607 Hydrochlorid 576 Ö-Aminolävulinsäure 644 l-Aminonaphthalin-4-sulfonat 608 l-Amino-4-naphthol 566 4-Amino-5-nitrosouracil 689 o-Aminophenol 680 /?-Aminophenol 521, 624 o-Aminophenole 660 Aminoplast 649 3-Aminopropionsäure 323 2-Aminopyridin 671 3-Aminopyridin 321, 672 Aminopyridine 671, 672 Aminosäureester-hydrochloride 316 a-Aminosäuren 315 Nachweis 711 Synthesen 157, 355, 371, 373, 422, 423, 634 Transaminierung 672 Aminosäuresequenz 318 /7-Aminosalicylsäure (PAS) 273 2-(Aminosulfonyl)benzoesäure 248 4-Amino-uracil 686, 687, 689 Aminoxide 491 o-Aminozimtsäure 532 Ammoniaklösungen, Dichte 718 Ammoniumhydrogensulfid 531 Ammoniummucat 644 Ampullen 106 Amygdalin 361 a-Amylasen 392 Analyse, qualitative 697, 699, 715 Aneurin 662, 663 Anhydride siehe Carbonsäureanhydride Anilide siehe Carbonsäureanilide Anilin 229, 314, 344, 394, 490, 516, 518, 519, 526, 527, 528, 529, 533, 567, 594, 604, 606, 649, 674, 679, 707 Anilinochinon 567, 570 2-Anilino-thiazol-5-on 529 Anilinschwarz 564 725 Anisil 383 Anisoll52, 515 18-Annulen226 Anomere 389 Anschützaufsate 5, 6, 22, 130 Anschütz-Thiele-VoTstoß 42, 43, 130 Anthocane 678, 695 Anthocyanidine 678, 695 Anthracen 253, 477, 573, 620 Anthrachinon 564, 565, 569, 573 Anthrachinon-1-sulfonsäure 250 Anthrachinon-2-sulfonsäure 250, 564, 565 Anthrahydrochinon 569, 574 Anthranilsäure 323, 607, 620, 651, 653, 654 Diazotierung 620 Antioxidantien 475, 678 Antipoden 358 Antipyrin 660 Appel, R. 329 D-Arabinose 391 Arenoxide 276 Arine 282, 287 Arndt-Eistert-Homologisierung 630, 633, 640 Aromaten 223, 259 Halogenierung 227 Nitrierung 234 NMR 226 Sulfonierung 244 aromatische 5-Ringheterocyclen 643 aromatischer Zustand 223, 225 Arsonsäuren 613, 614 ß-Arylamino-crotonsäureester 681 Arylazide 613, 614, 623, 640 Arylisocyanat 714 Aryloxyessigsäuren 709 Arylpentazol 613, 614, 662 Af-Arylpyridiniumsalze 673, 695 Aryltriazene 623 Ascaridol 476 L-Ascorbinsäure 391, 392 ataktiches Polymer 210 Atebrin 684 Atkins, H. 548 Atmungskette 676 Atomabstand C,C 183 Atommassen 719 Attenburrow, J. 484 Aufheller, optische 609, 640 Aussalzen 68 726 Sach- und Namenregister Baker-Nathan-Eftekt 239 Bamberger, E. 522, 611 Barbiturate 688 Barbitursäure 294, 688 Bariumoxid zum Trocknen 114, 116 ßflrf-Reaktion 613, 614 Basenkonstante 292 Bayer, E. 678 Baylon 213 Bechamp, M. A. 517 Becke, F: 325 Beckmann -Umlagerung 348, 350, 351, 366 Beilstein-Probe 126, 713 Beizen-Farbstoffe 565 Bengal Rosa 476, 584 Benzacetoin 381 Benzalacetophenon 362 Benzaldehyd 174, 338, 343, 344, 347, 348, 360, 361, 362, 371, 372, 377, 379, 432, 433, 456, 523, 594 Autoxidation 473 Oxim 350 Phenylhydrazon 347, 594 Semicarbazon 331 Benzaldoxim 350 Benzamid 314 Benzamide 710 Benzaurin 580 Benzhydrol 432, 540 Benzidin 524, 608 Benzidinfarbstoffe 608 Benzil379, 383, 384, 514 Benzilkalium 383 Benzilosazon 383 Benzilsäure 384 Benzilsäureumlagerung 384, 397 Benzimidazol 660 l,2-Benzisothiazol-3(2H)-on-dioxid 248 o-Benzochinon 563, 564, 569, 572 p-Benzochinon 202, 521, 535, 537, 563, 564, 567, 568, 569, 577, 578, 579 Benzoesäure 174, 294, 296, 304, 377, 473, 627 Benzoesäureanhydrid 309, 310 Benzoesäure-benzylester 378 Benzoesäureester 704 Benzoesäure-ethylester 433 Benzoesäure-methylester 296 Benzofuran 658 Benzoin 379, 383, 386, 397, 514 Ketyl 383 Ausschütteln 61 Austauscherharze 84 Autoklaven 28 Autoxidation 471 des Acetaldehyds 473 der aliphatischen Ether 473 des Benzaldehyds 473 von Cumol 472, 503 des Cysteins 475 lichtinduzierte 476 von Thiophenol 530 der unges. Öle 474 axiale Gruppen 388, 488 L-Azaserin 638, 639 Azeotrop-Destillation 51 Azide als 1,3-Dipole 207 Azidobenzol siehe Phenylazid Azine 348 Azlacton 371, 372, 373, 397 Azobenzol 490, 521, 524, 525 Konfiguration 525 photochemische Umlagerung 525 Azobenzol-4-carbonsäure (300), 490 Azobenzol-4-carbonsäurechlorid 304, 704 2,2'-Azobis-(isobutyronitril) 176, 198, 211, 356, 631 Azodicarbonsäureimide 203 Azofarbstoffe 601, 639 Azoisobutyronitril siehe 2,2'-Azobis-(isobutyronitril) Azokupplung 601, 639 Geschwindigkeit 602 Azomethan 631 Azomethine 344 mit ONC6H4(CH3)2 500 Azomethinimin 208 Azoverbindungen reduktive Spaltung 526, 604, 607 symmetrische 524, 525 unsymmetrische 490, 601 Azoxybenzol 282, 491, 521, 527 Azoxyverbindungen 491, 526 Azulen 214, 218, 227, 674, 675 B Babo-TnchtQT 9, 10, 132 Baeyer, A. v. 511, 653 Baeyer'sche Probe 186, 193, 487 Baeyer-Spannung 263 Baeyer- K////ger-Reaktion 497, 505 Bakelite 374 Sach- und Namenregister Benzol 218, 223, 224, 225, 227, 234, 244, 253, 259, 260, 261, 264, 265, 618 Lösungsmittel 112 aus Phenylhydrazin 622 Struktur 223, 225 [D6]Benzol 245 l-Benzolazo-2-naphthol 605 4-Benzolazo-l-naphthol 605 Benzoldiazoacetat 611 Benzoldiazoniumchlorid 617, 621, 662 Benzoldiazoniumsulfat 604, 605, 606, 615 Benzoldicarbonsäuren 485 Benzol-w-disulfonsäure 245 Benzolsulfochlorid 245, 246, 529, 530 Benzolsulfonamid 246 Benzolsulfonamide 711 Benzolsulfonsäure 244, 294 Benzol-l,3,5-trisulfonsäure 245 Benzonitril 617 Benzophenon 259, 444, 460, 540 -hydrazon 627 Benzopyran 678 Benzothiodiazol 660 Benzothiophen 658 Benzoxazolon 662 Benzoylaceton 403 Benzoylchlorid 259, 304, 312, 314, 346, 636, 704, 710 Hydrolyse 307 2-Benzoylcyclohexanon 346 Benzoyl-diacetylmethan 411 3-Benzoylpropionsäure 260, 263, 514, 544 Benztriazol 659 a-Benzylacetessigester 413, 414 Benzylalkohol 160, 306, 377 Benzylamin 708 Benzylchlorid 150, 160, 161, 173, 174, 413, 415, 417, 447 Benzylcyanid 150, 326, 408 2-Benzyl-l,3-cyclohexandion 415, 544 Benzyl-Gng/iard-Verbindungen 439 N-Benzylidenanilin 344 B enzylidendichlorid 174 Benzylisothiuroniumbromid 160 Benzylmagnesiumchlorid 434 Benzylmercaptan 160 Benzyloxycarbonyl-D,L-alanin 315, 317 Benzyloxycarbonylchlorid 306, 315 Benzyloxycarbonylrest 316, 319 Benzylthiuroniumchlorid 713 Benzylthiuroniumsalze der Sulfonsäuren 713 727 Benzyl(triethyl)ammoniumchlorid 200 Benzyl-triphenylphosphoniumchlorid 45 7 Benzylurethan 323 Bergmann, M. 316 Bernsteinsäure 310, 320, 419 Bernsteinsäureanhydrid 260, 310, 373 Berthelot, M. 218 Berufsgenossenschaften, Richtlinien 133 Bestmann, HJ. 458 Betanidine 682 Betanin 682 Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-frans-dicarbonsäure 201 -diethylester 201, 203 Bindschedlers Grün 578, 579 Bindung, kovalente 141 Bindungsenergie C5C 183 Biphenyl 283, 440 Biphenyl-2,2'-dialdehyd 501, 502 Bis-2,4-dinitrophenylhydrazon 502 Dioxim 503 Biphenylenglykolsäure 384 Birch,AJ. 511 B/rc/i-Reduktion 512, 513, 515 Bis-chlormethylquecksilber 629, 632 4,4'-Bis-dimethylaminobenzophenon 581, 582 Bis-(endo-ethylen)-octahydroanthrachinon 568, 570 Bismarckbraun 532 Biuret 328, 329 Blankophor BBH 610 Blasenzähler 25 Blaugel zum Trocknen 106, 107, 108 Blei(IV)-acetat 487, 497, 505 Bleibenzylsulfid 162 Bleidioxid, aktives 582 Bodenkolonne 47, 48 Böeseken, J. 389 Bohn, R. 655 Bombenrohre 27 9-Bora-bicyclononan 538, 541, 543 Borane 453, 541 Borneol 386 Bouveault, L. 381 Brände 134 Braunstein, aktiver 483 Braunstein-Oxidation 483, 505 Brechungsindex 122 Bredereck, H. 661 Bredt-Vorstoß 43 728 Sach- und Namenregister 2-Buten, Hydrierung 547 cw-2-Buten 199 Butenandt, A. 657 Butenon 425 2-Butin-l,4-diol218 Buttergelb 601, 607 n-Buttersäure 303, 414, 415 Buttersäureanhydrid 309 Buttersäure-ethylester 381 n-Butylalkohol, Lösungsmittel 112 se£-Butylalkohol, Lösungsmittel 112 terf-Butylalkohol 145 Lösungsmittel 112 n-Butylbromid 443 n-Butylchlorid 443 terf-Butylchlorid 145 n-Butyllithium 442, 443, 444, 445, 448, 450, 455, 458 sec-Butyllithium 442 terf-Butyllithium 442 terf-Butyloxycarbonylrest 319 Butyroin 381, 382, 386 y-Butyrolacton 311 Butyrophenon 418 Butyrylchlorid 303 Brenzkatechin 571, 572 Brenzschleimsäure 648 Brenztraubensäure, 294 Spaltung mit Hydrogenperoxid 495 Brönstedt, J. N. 291 Brönsted- Säuren 171 N-Bromacetamid 322 Bromacetessigester 410 Bromacetylene 437 p -Bromanilin 613, 707 Brombenzol 174, 227, 432, 433, 434, 683 p-Brombenzoesäure 305 p-Brombenzoldiazocyanid 613 p-Brombenzoldiazoniumchlorid 613 /7-Brombenzolsulfonylrest 248 /?-Brombenzoyl chlorid 305 7-Brom-l,3,5-cycloheptatrien 226 3-Bromcyclohexen 197 Bromessigsäure-ethylester 440 Bromessigsäure-methylester 159 Bromethan siehe Ethylbromid o -Bromfluorbenzol 620 Bromierung von Carbonsäuren 176 2-Bromisovaleriansäure 156, 176 Brommethan siehe Methylbromid /7-Bromphenacylbromid 706 p-Bromphenacylester 706 Af-Brompyridiniumbromid 672 W-Bromsuccinimid 197, 198, 219, 234, 323 a-Brom-tetracetyl-D-glucopyranose 390, 395 Bromtitration 409, 410, 411, 412 10-Bromundecansäure 192 11-Bromundecansäure 193 Brosylrest 248 Brown, H. C. 193, 285, 537, 538, 539, 541, 554 Bucherer, H. Th. 278 Buchner, E. 638 Büchner-Trichter 71, 131 Buna 211 Bunsenventil 25, 26 Bunte-Saize 161, 531 1,3-Butadien 195, 196, 211 1,3-Butadiin 218 1,4-Butandiol 648 Butanole siehe Butylalkohole Butanon siehe Ethylmethylketon n-Butanthiol 294 Butazolidin 524, 660 Cadmium-organische Verbindungen 440, 441, 462 Cahn-Ingold-Prelog-Regel 358, 367 Cahn, R. S. 359 Cainelli, C. 190 Calciumchlorid zum Trocknen 106, 107, 116 Calciumhydrid zum Trocknen 114 Calciumoxid zum Trocknen 111 Calciumsulfat zum Trocknen 111, 114 Camphen 386 Campher 214 Cannizzaro-Reaktion 377, 397, 649 e-Caprolactam 350 Polymerisation 352 Carbaminsäuren 328 Garben 199, 630 Singulett 199, 631 Triplett 199, 631 Carbeniumion 171 Carbinolbase 580, 581 Carbocyanine 682 Carbodiimide 329 Sach- und Namenregister 729 Charge-Transfer-Komplexe 252, 253, 254, Carbolinalkaloide 693 566, 568, 703 Carbonsäureamide 312, 332, 706 Chelate 273, 476 Hofmann-Abbau 321, 329, 332 mit Oxin 680 Nachweis 712 Chelidonsäure 678 Carbonsäureanhydride 298, 303, 308, 310 Chemikalienabfälle 137 gemischte 309, 310 Chemilumineszenz 477, 505 Hydrolyse 310 Chemisorption 511, 547 Nachweis 707 Chinaldin 681 Carbonsäureanilide 707, 714 Chinhydron 567, 568 Carbonsäureazide 323 Chinin 684 Carbonsäure-aziridide 537 Chinizarin 564, 574 Carbonsäure-N-benzylamide 708 chinoide Farbstoffe 575 Carbonsäurechloride 298, 303, 305, 306 Chinole 522, 570 Hydrolyse 307 Chinolimin 522 Nachweis 707 Chinolin 679, 680, 683, 695, 696 Carbonsäurederivate, Acylierungspotenz Chinolinsäure 314 aus Chinolin 486 Carbonsäureester 296, 297, 298, 302 aus 8-Hydroxychinolin 485 Nachweis 698, 707 Chinon siehe Benzochinon a,ß-ungesättigte 440, 449 ö-Chinondiazide 599, 603, 660 Verseifung 299 Chinon-diimin 563 Carbonsäurehydrazide 313, 323, 708 Chinone 563, 596 Carbonsäure-imidazolide 537 Anlagerung von Nucleophilen 567, 569 Carbonsäuren 291, 302 Bromaddition 570 durch Autoxidation von Aldehyden 472 Diensynthese 202, 568, 570 Bromierung 176 Normalpotential 568, 596 durch Grignard-Reaktion 434, 438, 440 Chinonimin 575, 578 aus Malonsäuren 419 -Farbstoffe 575 Nachweis 706 Chinoxaline 383 Reduktion mit Diboran 543 chirales C-Atom 359 durch Säurespaltung 419 Chitin 393 Trennung von Phenolen 698 Carbonsäure-/? -toluolsulfonylhydrazide 5 46 Chloral 533, 534, 639 -hydrat 377, 534 Carbonylgruppe, IR-Banden 337, 700 Polarisierung 337 Chlorameisensäure-benzylester 306 Chlorameisensäure-ethylester 317, 319 Carbonyl-Olefinierung siehe Wittig-ReakChloramin T 247 tion Chloranil 569, 570, 571 Carbostyril 686 /7-Chloranilin 612, 618, 624 Cardiazol 351, 352, 661 Chlor-p-benzochinon 569 Carius, G. L. 174 Caro'sche Säure siehe Peroxyschwefelsäure ra-Chlorbenzoesäure 496 Chlorbenzol 235, 377 ß-Carotin 214 (-)-Carvon 557 p-Chlorbenzol-diazocyanid 612 p-Chlorbenzoldiazoniumchlorid 612 Catechin 678 /7-Chlorbiphenyl 618 Cava, M. P. 627 Chlorbuttersäuren 294 Celite 81 3-Chlorchinoline 656 Cellobiose 393, 396 Chlorcyclohexan 144 Cellosolve 155 l-Chlor-2,4-dinitrobenzol 235, 279, 673 Cellulose 393, 396 Chloressigsäure 163, 176, 294, 413, 634, Cellulosepulver 82, 91, 92 651, 709 Chalkone 364 730 Sach- und Namenregister Crotonaldehyd 363 Crotonsäure 373 Cumarin 376, 610 Cumarine 678 Cumaron 658 Cumol 265, 267, 268, 472 Cumolhydroperoxid 472 Cupferron 522 Ciirriiis-Abbaii 323, 328, 332 Curtius, T. 323 Cyanate 327, 328 Cyanessigsäure-ethylester 687 ß-Cyanethyl-acetaminomalonester 423 Cyanhydrin 379 Cyanhydrinsynthese 360, 361 Cyanidin-chlorid 678 Cyaninfarbstoffe 649, 682, 696 Cyansäure 327 Cyanursäure 688 -Chlorid 688 Cycloaddition [2+2] 206, 207, 208, 477 1,3-dipolare 207, 219, 631, 661 von Ethoxycarbonylcarben 638 Cyclobutadien 226 Cyclodextrine 393 c/s,fra«,s,frYws-l,5,9-Cyclododecatrien 196 Cycloheptanon 633 Cycloheptatrien 631 Cycloheptatriencarbonsäureester 638 1,3-Cyclohexadien 197, 201, 568 Cyclohexancarbonsäure 434 frarcs-l,2-Cyclohexandiol 493 1,3-Cyclohexandion 415 1,4-Cyclohexandion 2,5-dicarbonsäureester 407 Cyclohexanol 144, 186 Cyclohexanon 345, 431, 435, 440, 459, 535, 633 Bisulfit-Additions-Verbindung 634 Oxim 349, 497 Cyclohexanonoxim 349, 350, 497 Cyclohexen 186, 197, 200, 493, 501 Irans -Cyclohexen-4,5-dicarbonsäure-diethylester 200, 203 2-Cyclohexen-l-on 513, 515 3-Cyclohexen-l-on 513 Cyclohexylamin 344, 497 Cyclohexylchlorid 144, 434 Cyclohexylidenessigsäure-ethylester 459 ci5,ci5-l,5-Cyclooctadien 196, 541, 542 Cyclooctatretraen 218, 225, 226 Chlorhämin 694 Chloriodethylen 616 Chlorkalkreaktion 518 Chlormethylierung 266, 267, 287 a-Chlormethyl-methylether 417 l-Chlormethylnaphthalin 266 Chlormethylquecksilberchlorid 629, 632 Chloroform 273 Lösungsmittel 113 Chlorophyll 476, 694, 695 m-Chlorperbenzoesäure 312, 496, 497 2-Chlor-3-phenylpropionitril 619 l-Chlor-2-propanol 192 3-Chlorpyridin 646 N-Chlorsuccinimid 483 Chlortriazine 609, 688 2-Chlor-l,3,5-trinitrobenzol 253, 280 ß-Chlorzimtaldehyd 271 Chroman 678 Chromatographie 78 Chromogen 648 Chromsäure-di-terf-butylester 486 Chromsäureester 488 Cinchonin 361 Cinnamylchlorid 159 Cinnamyl-triphenylphosphoniumchlorid 159, 456 Claisenauisatz 41, 130 Claisen-Kondensation 401, 403, 404, 446 Claisen, L. 404, 417 Claisen-Umlagerung 418, 427 Clarke, H. T. 357 Clemmensen, E. Ch. 511, 512, 514 Clemmensen-Reduktion 512, 514, 558 Cocarboxylase 380 Coffein689, 691 Collidin 667, 668, 669 3,5-Collidindicarbonsäure-diethylester 667, 668 3,5-Collidindicarbonsäure, Kaliumsalz 668 Collins, J. C. 482 Conia, J. M. 441 Conrad, M. 681 Cope-Eliminierung 449, 493 Cope-Umlagerung 418, 427 Corey, EJ. 163, 444, 448, 452, 482, 483 Cotton -Effekt 123 Crafts, M. 262 Cram, DJ. 545 Cramer, F. 393 Criegee, R. 487, 497, 503 Sach- und Namenregister Cyclooligomerisierung 196 Cyclopentadien 201, 202, 203, 226 Cyclopentadienchinon 202, 203 Cyclopentadienid-anion 226, 227 Cyclopentanon 331 (Cyclopentylmethyl)bernsteinsäureanhydrid 204 731 Cyclopropancarbonsäureester 638 Cyclopropanringe durch Cycloaddition 199, 200, 638 durch Simmons-Smith -Reaktion 441, 462 Cyclopropeniumion 227 Cystein, Autoxidation 475, 476, 531 Cysteinsäure 531 Cystin 475, 476, 531, 557 Cytochrom b 694 Cytosin 687, 688 D Darzens, G. 407 Dflrzms-Glycidestersynthese 365, 407, 426 DDT 377 Decansäure-ethylester 448 Decarbonylierung 687 Decarboxylierung 164, 420 (E)-2-Decensäure-ethylester 449 Dehydracetsäure 420 Dehydrierung 468, 471, 504 prim. Alkohole 480 Dehydrobenzol 282, 283, 287, 620 Dehydrogenasen 676 Dehydronaphthalin 283 Depolymerisation 209 Desmotropie 412 Desoxyribonucleinsäure 688 627, 628, 640 D-2-Desoxyribose 391 Cycloaddition 631 Destillationsapparatur 35 Gehaltsbestimmung 627 Desulfonierung 245 Photolyse 631 Dewar-Gefäß 16 Reaktion mit Alkoholen 629 Dextran 393 mit Carbonsäurechloriden 630, 633 Dextrangele 81, 82, 83, 85 mit Carbonsäuren 301, 629, 632 Diacetamid 320 mit Carbonylverbindungen 630, 633 Diacetbernsteinsäureester 420 mit Grignard-Verbindungen 631 1,2-Diacetoxyethan 297, 302 mit Halogen 629 Diacetyl 383 mit Phenolen 632 Spaltung mit Hydrogenperoxid 495 mit Quecksilberchlorid 629, 632 Diacetylen 218 /?-Diazoniobenzolsulfonsäure 519, 566, Diactin 625, 626, 633 602, 606, 646 Dialkylhydroxylamine 493 Diazoniumcyclopentadienid 599, 628 Dialkylkupferlithium 452, 453 Dialkylquecksilber-Verbindungen 45 4 Dialursäure 691 Dialyse 67 Diamantgitter 344 Diaminobenzole 532 2,4-Diamino-6-hydroxy-pyrimidin 687, 691 4,5-Diaminouracil 689 2,5-Diaminovaleriansäure 636 Dianilinochinon 568, 570 Dianilinoethan 706 Dianionen 449, 462 eryf/zro-Diastereomer 187 r/zreo-Diastereomer 187 diastereomere Salze 358, 361 Diazine 687 Diaziridin 628 Diazirin 628 Diazoalkane 207, 599, 624, 640 durch Dehydrierung der Hydrazone 627 Diazoaminobenzol 601, 604, 606 Diazoazide 613, 614 Diazochinone 599, 603 Diazocyanide 611, 612 Konfiguration 612 Diazocyclopentadien 599, 628 Diazoessigester 599 Diazoessigsäure-ethylester 634, 637 639, 640 Dimerisierung 638 Reaktion mit Jod 637 Reaktion mit Säure 637 Thermolyse, Photolyse 637 Diazohydroxide 610, 619, 625 Konfiguration 610 Diazoketone 599, 630, 633, 640 Diazomethan 301, 417, 624, 625, 626, 732 Sach- und Namenregister W,N-Dichlor-p-toluolsulfamid 247 Dicumarol 377 Dicyclohexylcarbodiimid 319 in der Pfitzner-Moffatt-Reaktion 482 Dieckmann-Kondensation 407, 426 Dieckmann, W. 407 Dielektrizitätskonstanten 81, 716 Diels-AIder-Reaktion siehe Diensynthese Diels, O. 200 Diensynthese 200, 201, 219, 283, 568, 620, 648 Mechanismus 204 Diethoxyethen, Reaktion mit SingulettSauerstoff 477 Diethoxyphosphonato-essigsäure-ethylester 459 Diethylbarbitursäure 688 Diethylether, Lösungsmittel 113 Diethylmagnesium 437 AVV-Diethyl-/?-phenylendiamin 578 Digerieren 59 Diglykol 155 Diglyme 155 Dihalogenmethane aus Diazomethan 629 2,5-Dihydroanisol 513 1,4-Dihydrobenzoesäure 513 Dihydrocarvon 557 Dihydrochinolin 681 Dihydrocollidindicarbonsäure-diethylester 667 Dihydroisochinoline 685, 696 Dihydropyran 678, 679 Reaktion mit Singulett-Sauerstoff 477 2,3-Dihydropyran-2-carbaldehyd 204 Dihydro-1,2,4,5-tetrazincarbonsäure 638 Dihydroxyacetonphosphat 365 2,4-Dihydroxyacetophenon 269 2,6-Dihydroxy-4-amino-pyrimidin 687 1,2-Dihydroxyanthrachinon siehe Alizarin 1,4-Dihydroxyanthrachinon siehe Chinizarin 2,4-Dihydroxybenzoesäure 272 Dihydroxymethyl-peroxid 470 2,4-Di(hydroxymethyl)phenol 376 Diimine 545, 546, 559 Diisobutylaluminiumhydrid 453, 538, 559 a,co-Diisocyanate 328 Diisopentylether 151 Diisopinocampheylboran 541, 543 Diisopropylamin 448 Diketen 311 Diketohydrinden 403, 498 Diazoniumionen 599, 639 Kupplung 601, 639 mit Anionen 610 mit Imidazol, Pyrazol, 1,3-Dicarbonylverbindungen, Nitroalkanen 603 Reduktion 613, 614, 620 Verkochen 613, 614 Diazoniumsalze 599, 639 Kupplung 599, 601, 639 L-Diazo-oxonorleucin 638 Diazosulfanilsäure 519, 566, 602, 606, 646 Diazotate 610 Konfiguration 610 Diazothiolate 613 Diazotierung 599, 639 Diazotypie 603 DiazoVerbindungen 599 Dibenzalaceton 362 Dibenzhydrylether 433 Dibenzopyridin 684 Dibenzoylperoxid 176, 198, 209, 211, 215, 312, 619 Dibenzylsulfid 161 Dibenzylsulfon 161 Diboran 541, 542 Addition an die Dreifachbindung 543 als Reduktionsmittel 543 p-Dibrombenzol 228 Dibrombernsteinsäure 191 l,2-Dibrom-3-buten 196 l,4-Dibrom-2-buten 196 1,2-Dibromethan 185, 297 1,2-Dibromethylbenzol 192 1,6-Dibromhexan 143, 151 6,6'-Dibromindigo 653 fraAW-Di-terf-butylethylen 503 Primärozonid 503 Dibutyryl-osazon 382 Dicarbonsäuren, ungesättigte 373 ß-Dicarbonylverbindungen 401 Säurespaltung 419, 420 7,7-Dichlorbicyclo[4.1.0]heptan200 Dichlorcarben 200, 274, 519, 627 Dichlordifluorethylen 207 Dichlordifluormethan(Freon) 170 Dichloressigsäure 176, 294 2,6-Dichlorindophenol 576 (Dichlormethyl)methylether 271 Dichlornorcaran 200 l,l-Di(p-chlorphenyl)-2,2,2-trichlor-ethan 377 Sach- und Namenregister 1,2-Diketone 383, 387 durch Selendioxidoxidation 498 1,4-Diketone 420 Dimedon 705 Dimedon- Kondensationsprodukte 705 Dimethylallylpyrophosphat 213, 214 /7-Dimethylaminoazobenzol 601, 607 p-Dimethylaminoazobenzol-sulfonsäure 606 p-Dimethylaminobenzaldehyd 271, 645 5-Dimethylamino-l-penten 189 Dimethylammoniumchlorid 278 Ar,JV-Dimethylanilin 242, 253, 519, 578, 580, 581, 606 2,4-Dimethylanilin-hydrochlorid 522 N,N-Dimethylaniliniumchlorid 522 5,6-Dimethylbenzimidazol 660 Dimethylbrenztraubensäure 373 2,3-Dimethylbutadien 386 2,2-Dimethyl-3-butanol 386 Dimethylcyclopropan 199 Dimethyldisulfid 449 A^Dimethylformamid(DMF) 270 Lösungsmittel 114, 164, 169 Reaktion mit Grignard-Reagens 439 Dimethylhydrazin, symm. 631 7V, Af-Dimethylhydrazone 448 Dimethylkupferlithium 452 Dimethyl-methylenimmoniumchlorid, -iodid 354 N,A^Dimethyl-p-nitrosoanilin 242, 243, 278 Ar,7V-Dimethyl-/7-phenylendiamin siehe p - Aminodimethylanilin 2,2-Dimethyl-3-phenylpropanol 447 N,N-Dimethylpiperidiniumiodid 158 2,6-Dimethyl-y-pyron 420, 677 Dimethylsulfat 149, 152, 153, 422, 626 Dimethylsulfoxid (DMSO) 163, 407, 460 Lösungsmittel 114, 164, 169, 179 Oxidation prim. Alkohole 482, 505 Dimethylsulfoxoniummethylid 460 DimrothkühleT 6, 7, 130 Dinatrium-ethylendiamin-tetraacetat 475 2,4-Dinitranilin 533, 674 3,5-Dinitrobenzoesäure 708 3,5-Dinitrobenzoesäureester aus Alkoholen 704 aus Ethern 709 durch Umesterung 708 m-Dinitrobenzol 234, 532 733 2,4-D initrobenzol-diazoniumion Kupplung mit Anisol 602 Kupplung mit Butadien 602 3,5-Dinitrobenzoylchlorid 704, 709 2,4-Dinitronaphthol 254 2,4-Dinitro-l-naphthol-7-sulfonsäure 254 2,4-Dinitrophenol 241 2,4-Dinitrophenylhydrazin 279, 347, 502, 622 2,4-Dinitrophenylhydrazone 347, 414, 502, 705 Schmp. und RF-Werte 348 2,4-Dinitrophenyl-pyridinumchlorid 673 1,4-Dioxan 155 Lösungsmittel 114 Dioxetane 477 5,8-Dioxo- l,4,4a,5,8,8a-hexahydro-1,4methano-naphthalin 202, 203 Dipeptid 316, 319 Diphenylallylalkohol 540 Diphenylamin 475, 590, 592 Diphenylaminyl 591 l,4-Diphenyl-l,3-butadien 202, 456 Diphenylcarbodiimid 528 Diphenylchloroniumchlorid 616 Diphenyldiazomethan 627 3,6-Diphenyl- 3,6-dihydrophthalsäure-dimethylester 202 W, N'-Diphenyldiphenochinon-diimmoniumion 592 Diphenyldisulfid 530 1,2-Diphenylethan 514 Diphenylether, Spaltung mit Alkalimetallen 154, 513 Diphenylharnstoff 328, 482 Diphenylhydroxylamin 439, 491, 593 2-Diphenylhydroxymethyl-2-ethyl-l,3-dithian 444 Diphenyliodoniumiodid 615 l-Diphenylmethylen-4-triphenylmethylcyclohexa-2,5-dien 587 Diphenylnitrosamin 591 Diphenylnitroxid 593 l, l-Diphenyloxiran 460 l,5-Diphenyl-l,4-pentadien-3-ol 540 2,2-Diphenyl-l-pikrylhydrazyl 592 l,3-Diphenyl-2-propen-l-ol 540 Diphenylstickstoff 591 Diphenylsulfon 244 symm. Diphenylthioharnstoff 527, 528, 529 734 Sach- und Namenregister Eis-Kochsalz-Mischung 16 Ekenstein, W. A. van 387 Elektronegativität 142 Elektronen-Donator-Akzeptorkomplexe 252, 253, 254, 566, 568, 703 Elementaranalyse, qualitative 124 cw-Eliminierung 493 Eliminierungsreaktionen 183 eluotrope Reihe 81 Emmons, W. D. 459 Enamine 345, 346, 366, 425, 447, 681 Enders, D. 448 Endiole 381, 383, 387, 388 Endoperoxide 476 Enolether 445 Enolform 409 Löslichkeit 410 reine 411 Enolreaktion 277, 403, 408, 410, 412 En-Reaktion 204, 477 Entschwefelung mit Raney-Nickel 515, 558 Entwicklungsfarbstoffe 609 Eosin 476, 584 Ammoniumsalz 585 Natriumsalz 585 2-Epimerisierung der Zucker 387 Epoxide 312, 495, 505 Epoxyketone aus a,ß-ungesättigten Ketonen 495 Ei-Reaktion 184 E2-Reaktion 187 Erlenmeyer, E. 532 Erlenmeyer-Synthese 371, 373, 532 erschöpfende Methylierung 160 Erste Hilfe 137 eryf/zro-Diastereomer 187 Erythrose-4-phosphat 380 Eschweiler-Clarke-Reaktion 357 Eschweiler, W. 357 Essigsäure 215, 294, 296, 303, 494 Lösungsmittel 114 Essigsäureanhydrid 308, 310, 371, 372, 396, 402, 577, 710 Hydrolyse 310 Essigsäure-ethylester 296, 308, 378, 401, 403 Lösungsmittel 114 Essigsäure-terf-butylester 446 Ester siehe Carbonsäureester Esterasen 661 Esterhydrolyse 299 l,3-Dipolare Cycloaddition 207, 319, 661 mit Diazomethan 631 mit Ozon 503 mit Phenylazid 623, 624 Dipolmomente 142 Dipyridiniumdichromat 482, 505 a,cx'-Dipyridyl 680 Disaccharide 390, 392 Dispersionsfarbstoffe 609 Disulfide 530 Reduktion 530, 531 Spaltung 530, 531 1,3-Dithiane 444, 462 Dithioacetale 340, 444 Dithiocarbaminate 527 Dithioketale 444 o-Divinylbenzol 212 1,2-Divinylcyclobutan 208 Divinylkupferlithium 453 D, L-System 359, 388 Doebner, O. 373, 681 Doering, W. von E. 628 Domagk, G. 250 Donator-Akzeptor-Komplexe siehe Charge-Transfer-Komplexe Dragendorff-Reagsm 94 Dralon 213 Drehband-Kolonne 48, 49 Drehwert 123, 358 Dreiding, A. 682 Dreihalskolben 5, 130 Druckabhängigkeit der Siedepunkte 716 Druckminderventil 26 Dünnschichtchromatographie 78, 79, 82, 83, 91, 699 Zucker 394 Duisberg, C. 376 Durst, T. 190 Edeleanu-Verfahren 703 Edman, P. 529 Ehrlich, P. 646 Ehrlich -Reaktion 645 Einhorn-Variante 673 Einschlußverbindungen 393 Einschmelzrohre 27 Eis-Calciumchlorid-Mischung 16 Eisen(III)-chlorid-Farbreaktion 277, 403, 408, 410, 412 Eisessig siehe Essigsäure Sach- und Namenregister Esterkondensation 401, 404, 426 Ethanol 142, 143, 147, 148, 185, 296, 308, 338, 478, 479 Lösungsmittel 111 Ether 150, 151, 178 Autoxidation 473 Nachweis 702, 709 Spaltung 154, 709 Etherperoxide 113, 116, 156, 473 Ethinylcarbinole, 439 Oxidation zu Ketonen 482 Ethinylierung 218 Ethinylmagnesiumbromide 437 Ethoxyacetylen 439 Ethoxycarbonylcarben 637, 638 Cycloadditionen 638 Dimerisierung 638 Ethoxycarbonylchlorid 317, 319 Ethoxyethinylcarbinole 439 /?-Ethoxy-phenylpentazol 662 Ethoxyvinylcarbinole 439 Ethylacetat siehe Essigsäure-ethylester O-Ethylacetessigester 417 Ethylalkohol siehe Ethanol Ethylbenzol 267 Ethylbromid 142, 414, 436 W-Ethyl-chinaldiniumiodid 682 Ethyldiisopropylamin 187 2-Ethyl-l,3-dithian 339, 444 Ethylen 185 Hydrierung 547 Ethylen-bis(2-methylacrylsäureester) 212 Ethylendiaminotetraessigsäure 355, 475 Ethylenglykol 155, 302, 339 Ethylenoxid 155 Ethylentetracarbonitril, Komplexe mit 253 Ethyliodid 146, 414, 417 Ethylmagnesiumbromid 436, 437 Ethylmalonsäure 414, 415 Ethylmalonsäure-diethylester 414 Ethylmethylketon 347 2,4-Dinitrophenylhydrazon 348 Lösungsmittel 115 Oxim 350 Semicarbazon 347 5-Ethyl-2-methylpyridin 669 4-Ethyl-3-methylpyrrole 644 Ethylnitrat 147, 408 Ethylnitrit 148, 149 Hydrolyse 149 ß-Ethyloxalessigester 417 735 Ethylurethane 323 Engster, C. 650 Euter 43 Exalton 332 Exsikkator 104 Extraktion 59 E,Z-System 350, 360, 458, 525, 610, 611 Farbphotographie 578 Farbstoffe, chinoide 562, 575 Farnesylpyrophosphat 213, 214 Fehlingsche Lösung 342, 394 Fehlingsche Probe 342 Fenton, HJ. H. 475, 495 Fenton-Reagens 475, 495 Ferrocen 226 Ferroprotohäm IX 694, 695 Fettsäure-methylester 301 Fettsäuren 301, 302 Fichtenspanreaktion 645 Filtrieren 70 Finkelstein, H. 167 Finkelstein-Reaktion 167, 616 Fischer-Bäse 657 Fischer, E. 342, 359, 391, 621, 655 Fischer, H. 694 Fischer-Hepp-Umlagerung 243, 522 Fischer, O. 243, 522 Fwc/zmche-Indolsynthese 655, 656, 663, 664 F/ttig-Synthese 228 Flavanon 364 Flaviansäure 254, 676 Flavinenzym 676 Flavone 364, 678, 695 Flavonole 364, 678 Flüssigchromatographie 78, 79, 101, 698, 699 Fluoraromaten 613, 614, 640 Fluorbenzol 617 l-Fluor-2,4-dinitrobenzol 618 Fluoren, Claisen-Kond. 406 Fluorescein 584, 585 Folsäure 692 Formaldehyd 340, 341, 342, 343, 353, 356, 374, 468, 635, 685 2,4-Dinitrophenylhydrazon 348 Gehaltsbestimmung 470 Reduktion mit 342 Formalin siehe Formaldehyd 736 Sach- und Namenregister Gefahrenklassen 134 Gefriertrocknung 58 Gegenstromverteilung 65 Gelchromatographie 79, 85, 87, 101 Gentiobiose 361 Geraniol 214 Geranylpyrophosphat 213, 214 Gesarol 377 Geuther, A. 405 Giftlisten 136 Gilman, H.H. 452 Glas l Glasbearbeitung l Glasblasen 2 Glasfilternutshe 71 Glasrührer 18, 131 Globine 694 Glucan 393 Glucosamin 391 Glucosazon 387 D-Glucose 387, 388, 390, 391, 393, 394, 395 Glucoside 390 NMR-Spektren 390, 398 Glucuronsäure 391 Glutaconaldehyd-di-N-methylaniliniumkation 674 Glutaconaldehyd-2,4-dinitroanil 674 Glutacon-dianile 650, 674 L-Glutamin 638, 639 Glutaminsäure 692 D,L-Glutaminsäure 423 Glutathion 531 Glycerin 679 Glykolspaltung 487 Glycerinaldehyd 342 d-Glycerinaldehyd 391 Glycerinaldehyd-3-phosphat 365 Glycidestersynthese 365, 407, 426 Glycidsäureester 407, 426, 639 Glycin 294, 316, 355, 644 Glycin-ethylester 634, 635, 637 -hydrochlorid 317 Glycin-hydrochlorid 634, 636 Glykane 393 Glykogen 393 Glykol siehe Ethylenglykol Glykoladehyd 342 aktiver 380 Glykoldiacetat 297, 302 1,2-Glykole Formamid 314, 321 Formamidin 687 Formazane 661, 662, 664 Formimidsäure-ethylester-hydrochlorid 325 Formylessigester 687 Foster-Reaktion 627 Fraktionssammler 90 Frankland, E. 440 Fremysches Salz 564, 572 Freon 170 Friedet, C. 262 Friedel-Crafts-Reaktion 259, 262, 266, 286, 575, 651 Friedländer, P. 653, 654 Frische Verschiebung 264, 286 D-Fructose 387, 388, 390, 394 D,L-Fructose 342 Fructose-l,6-diphosphat 365 Fructose-6-phosphat 381 Fuchsin 343, 580, 583 fuchsinschweflige Säure 343, 583, 705 Füllkörper-Kolonne 48, 49 Fumarsäure 191 Fumarsäure-diethylester 200, 201, 638 funktionelle gruppen, Erkennen 700, 701, 715 Furan 227, 643, 648, 663 Aromatizität 643, 651 Furan-2,5-dicarbonsäure 648 Furanose 388, 389 Furfural 393, 645, 647, 648, 649 2,4-Dinitrophenylhydrazon 348 Phenylhydrazon 647 Reaktion mit Anilin 649 Reaktion mit Phloroglucin 649 Furfurylalkohol 650 Furil 383 Furoin 649 Galactarsäure 391, 395, 396 D-Galactose 390, 391, 392, 395 Gaschromatographie 78, 79, 98, 697, 699 Zucker 393 Gaseinleitung 23, 24, 25 Gasstahlflaschen 26 Gaswaschflasche 25, 107, 130 Gaszylinder 135 Gattermann-Koch-Synthese 264, 286 Gattermann-Reaktion 614 Gattermann-Synthese 270, 287 Sach- und Namenregister aus Olefinen 487, 497 aus Ozoniden 503 durch Reduktion von Ketonen 511, 512 Spaltung 487 Glykolspaltung 487 Glykoside 390, 397 glykösidische Hydroxylgruppe 388, 389, 390 Glyme 155 Glyoxal 383 Goldschmidt, S. 592 Gomberg, M. 587 Gomberg-Reaktion 618 Goubeau, J. 233 Gradientenentwicklung 89 Graebe, C. 565 Gramin 353, 422 Griess, P. 621 Grigat, E. 328 Grignard-Reaktion 431, 451, 461 Grignard, V. 436 Grignard-Verbindungen 431, 451, 461, 511, 714 Guanidin 528, 687, 691 Guanin 691, 692 L-Gulonolacton 391, 392 Gummi 210, 214, 475 Guttapercha 210, 214 H Häm 694 Hämin 694 Hämoglobin 319, 694 Härtung eines Speiseöls 555 Hafner, K. 674 Halbacetale 339, 387, 388 Halogenverbindungen aliphatische 142, 176, 178 Nachweis 713 Hammett-Bezizhung 283 Hammett-Gleichung 284, 287 Hansley, V.L.: 382 Hantzsch, A. 624, 668 Harmalin 693 Harman 692, 693 Harmin 693 Harnsäure 689, 690, 691 Harnstoff 323, 327, 329, 626, 649, 687, 690 Hydrolyse 329 737 Harnstoffnitrat 147, 327 Hartparaffin zum Trocknen 106, 110 Hauser, C. R. 406 Heizbank 120 Heizhaube 10 Heiztisch-Mikroskop 120 Helianthin 604, 606, 607 Hemicellulose 393 Heparin 393 Hepp, E. 243, 522 Heptamethylbenzenium-chloroaluminat 267 Heteroauxin 657 Heterocyclen Fünfring, Nomenklatur 643 Heterocyclen mit sechsgliedrigen Ringen 667, 695 mehreren heterocyclischen Ringen 680 heterogene katalytische Hydrierung 547 Heterolyse 166 Heumann, K. 653 y-Hexachlorcyclohexan 234 1,5-Hexadien 418 2,4-Hexadien-l,6-disäure 275 Hexamethylbenzol 267, 569 Hexamethyldisilazan 394 Hexamethylendicyanid 151 Hexamethylentetramin 343, 344, 374 Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPT) Lösungsmittel 169, 179, 442, 446 n-Hexan, Lösungsmittel 115 1,6-Hexandiol 143, 535 2,5-Hexandion-3,4-dicarbonsäure-diethylester 420 Hinsberg, O. 157 Hinsberg-Trennung 158, 698 Hippursäure 371, 636 ///rsc/i-Trichter 71, 131 Histamin 661 Histidin 661 Hochdruckpolyethylen 210 Hochspannungs-Papierelektrophorese 102 Hock 'sehe Synthese 472, 504 Hofmann-Abbau der Carbonsäureamide 321, 329, 332 Hofmann, A. W. von 157, 160, 322 Hofmann -Eliminierung 159, 160, 188, 189, 218 Hofmann-Regel 188 Hohlraumdiffusion 79, 85 Homo-dihydro-carbostyril 686 738 Sach- und Namenregister a-Hydroxybenzolsulfonsäure 338 ß-Hydroxybutyraldehyd 363 ß-Hydroxycarbonsäureester 440 2-Hydroxychinolin 686 8-Hydroxychinolin 485, 680 4-Hydroxycumarin 376 1-Hydroxycyclohexylessigsäure-ethylester 440 2-Hydroxy-4,6-dimethylchinolin 682 3-Hydroxyenolether 439 ß-Hydroxyglutacon-dialdehyd-dianil 649 Hydroxylamine 493, 593 Hydroxylgruppe, glykosidische 388, 389, 390 Hydroxymercurierung 454 2-Hydroxy-4-methylchinolin 681 4-Hydroxy-2-methylchinolin 681 Hydroxymethylen-Verbindungen 407 5-Hydroxymethylfurfural 393, 648 Hydroxynitrierung 241 Hydroxyprolin 316 ß-Hydroxypropionaldehyd 365 a-Hydroxypropionsäure 294 Hydroxypyridine 672 ß-Hydroxypyridiniumsalze 650 cx-Hydroxysäuren, Decarbonylierung 687 3-Hydroxythionaphthen 654 5-Hydroxytryptophan 657 Hydrozimtsäure 510 Hyperkonjugation 239 Hypophysenhormone 318 I !-Effekt siehe induktiver Effekt Imidazole 660, 661, 664 Imidazolidine 706 Imidsäurechlorid 325 Imidsäure-ethylester 325 Imine 344, 345 Iminodiessigsäure 355, 356 Iminoester-hydrochlorid 325 Iminoether-hydrochlorid 325 Indamine 575, 576 Indan, Reaktion mit Singulett-Sauerstoff 477 1,3-Indandion 403, 404 l,3-Indandion-2-carbonsäure-ethylester 403 1-Indanon 261, 263 Indanthrenblau R 655 Indanthrenfarben 655 homogene katalytische Hydrierung 548, 559 Homolyse 166 Homer, L. 190, 459, 564 Hostalen 213 Houben-Hoesch-Synthese 269, 287 House, H. O. 452 Huang-Minlon 545 Hückel-Regel 225, 226, 227 ffümg-Base 187 Hüttentrichter 62 Huisgen, R. 207, 283, 611, 659, 661, 662 Hyaluronsäure 393 Hydrazobenzol 523, 524 Hydrazodicarbonamid 330 Hydrazoisobuttersäurenitril 356 Hydrierapparatur 550 Hydriereinrichtung 549 Hydrierung Ausführung 552 heterogene 547 homogene 548 katalytische 546 von Nitroverbindungen 517, 555 Hydrierungskatalysatoren 553 Hydroaluminierung 453 Hydrobenzamid 343, 344 Hydroborierung 193, 541, 542, 559 Hydrochinon 209, 475, 563, 567, 574, 632 Hydrochinone 570 Einelektronen-Oxidation 577 Hydrochinon-monomethylether 153, 572 Hydrochloride organischer Amine 576 Hydroformylierung 194 Hydrogenolyse 316, 317, 549 der Benzylgruppe 316, 317, 323, 332 Hydrogenperoxid, Oxidation von Aminen 491, 492, 494, 497 von Boranen 542 von 1,2-Dicarbonylverbindungen 495 von a,ß-unges. Ketonen 495 Hydrogensulfitverbindungen 338, 360, 470, 471, 634 Hydroxamsäuren 313, 324 2-Hydroxyalkylquecksilberacetate 454 3-Hydroxyanthranilsäure 657 /7-Hydroxazobenzol 491, 601 o -Hydroxyazoverbindungen Acidität 605, 606 Tautomerie 605 p-Hydroxybenzaldehyd 274 Sach- und Namenregister Indazol611,658 Indican 653 Indigo 651,652, 653, 663 Färbung 654 Indigosol 655 Indigotin siehe Indigo Indigweiß 655 Indikatoren 719 Indoaniline 575, 576 Indol 353, 645, 655, 656, 663, 664 Indol-2-carbonsäure 656 Indolenin 657 Indolin 657, 658 Indolon 653 3-Indolylessigsäure 657 Indopheninreaktion 650 Indophenole 575, 576 Indoxyl 651, 652,653 induktiver Effekt 172, 188, 191, 231, 238, 284, 293, 294, 337 Infrarotspektren Carbonylschwingungen 337, 700 und andere 700 Infrarot-Spektroskopie 700, 701, 702 Ingold, C. K. 223, 359 Inhibitoren 475 Insulin 318 Intensivkühler 6, 7, 37, 55 Invertin 392 Invertzucker 392 lodaromaten 613, 614, 615 lodbenzol 615 lodethan siehe Ethyliodid lodmethan siehe Methyliodid lodobenzol 615 lodoformreaktion 705 lodosobenzol 615 lodwasserstoffspaltung der Ether 154, 709 Ionen, ambidente 165 lonenaustausch-Chromatographie 79, 83, 87, 89, 91, 101, 698, 699 Ionenaustauscher 84, 355 lonenpaar, solvatisiert 171 lonenprodukt des Wassers 292 IR-Spektren siehe Infrarotspektren Isatin 650 Isoamylnitrit 149, 620 Isobutanol siehe Isobutylalkohol Isobuten 194, 210 Hydrierung 547 Ozonid 503 Isobuttersäureester 406 Isobutylalkohol, Lösungsmittel 112 Isobutylbenzol 268 Isobutylen-Ozonid 503 Isobutyraldehyd 344, 345 Isobutyraldehyd-cyclohexylimin 344 Benzylierung 446 Isocyanate 322, 323, 327, 328, 333 Isocyanid siehe Isonitril Isocyansäure 327, 330 isoelektrischer Punkt 316 Isonitrile 199, 332, 519 Isonitrilreaktion 519, 627 a-Isonitrosocarbonsäuren 636 Isonitrosomalonester 421 Isopentylalkohol 149, 151 Isopentylnitrit 149, 620 Hydrolyse 149 Isopentenylpyrophosphat 213, 214 Isophoron 451 Isophthalsäure 485 -dimethylester 485 Isopinocampheol 541, 543 Isopren 210, 213, 214 Isopropanol siehe Isopropylalkohol Isopropylalkohol 192, 265, 385, 438 Lösungsmittel 112 Isopropylbenzol 265, 267, 268, 472 isotaktisches Polymer 210 Isothiazol 662 Isothiocyanate 328, 527, 528 Isothiuroniumsalze 162, 714 Isovaleriansäure 176 Isoxazol 662 Ivanoff, D. 450 Jantzen-Kolonne 58 Japp-Klingemann-Reaktion 603, 639 Jones-Oxidation 481, 482 Jones, Sir Ewart R. H. 482 739 K Kaliumacetat 297 Kaliumcarbonat zum Trocknen 107, 115, 116 Kaliumcyanat 327, 330 Kaliumhydroxid zum Trocknen 106, 107, 108, 113, 114, 116, 117 Kaliumnitrosodisulfonat 564, 572 Kaliumterephthalat 273 740 Sach- und Namenregister Kohlenhydrate 386, 397 Kohlenwasserstoffe aus Alkylhalogeniden oder -tosylaten 539, 540 aus Boranen 542 Nachweis 702 Kojisäure 678 Kolbe, H. 151, 164, 272 Kolbesche Alkansynthese 468 Kolbesche Nitrilsynthese 151 Kolbesche Salicylsäuresynthese 272, 287 Kolonnendestillation 46 komplexe Metallhydride 535, 558 Konfigurationsumkehr 168 Kongorot 608 Kontaktthermometer 13, 14, 15 Korkbohrer 5 Korksäure 326 Korksäure-dinitril 151, 322 Kornblum, N. 164, 165 kovalente Bindung 142 KPG-Rührverschluß 18, 19, 130 Krapplack 565 Kresol 632 Kristallisation 68 Kristall violett 580, 581, 582 Kronen-ether 155, 170, 178 Kryostaten 17 Küpenfärberei 654 Küpenfarbstoffe 609, 655 Kugelkühler 6, 7 Kugelrohr 45 Kugelschliffe 4 KuHn9 R. 373, 595, 648 Kuhn-Roth-Bestimmung 486 Kunststoffe 210, 213 Kupfer(I)-chlorid 451 Kupfer-organische Verbindungen 451, 462 Kupfer-Phthalocyanin 586 Kurzwegdestillation 45 Kynurenin 657 Kynurensäure 657 Lactam-Lactim-Tautomerie 687, 690 Lactid311 Lactone 311 Nachweis 708 Lactose 392, 395 Lävulinsäure 419, 648 Lambert-Beer'sches Gesetz 588 Katalase 694 Katalysatoren zur Hydrierung 553 katalytische Hydrierung 546, 559 Kautschuk 213, 214, 504 künstlicher 211 Kegelschliffe 3, 4 Kekule, A. 223 Kendrew, J. C. 319 Kern, W. 495 Ketale 339 Keten 311 Ketoaldehyde durch Selendioxidoxidation 499 ß-Ketocarbonsäureester 449 Keto-Enol-Tautomerie 409 Ketoform 409 Löslichkeit 410 reine 411 Ketole 381 Ketone durch Birch -Reduktion 513 aus Boranen 542 aus Carbonsäurechloriden 441 aus Carbonsäuren 331, 408, 441, 450, 453, 462 durch Grignard-Reaktion 434, 438, 461 durch Ketonspaltung 413, 417, 419 makrocyclische 332, 407 Nachweis 705 aus Nitrilen 434, 438, 461 Photoreaktionen 385 Ketonspaltung 413, 417, 419 a-Ketosäuren 373 durch Transaminierung 672 ß-Ketosäuren 419 Ketosen 387, 389, 390 ß-Ketosulfoxide 407 a-Ketovaleriansäure 417 Ketyl 383 Kharasch, M. S. 176, 193, 452 Kieselgel 81, 82, 91, 95 Kishner, N. 545 Klemmen 8, 132 Knallsäure 148 Knoevenagel, E. 373, 397 Knoevenagel-Kondensation 373, 668 Knorr, L. 411, 644, 682 Knorrsche Synthese 644 Kögl, F. 650 Koenigs-Knorr-Rzaktion 397 König, W. 674 Sach- und Namenregister Lanosterol 214 Leinölfirnis 474 Lepidin 681 Leuckart, R. 357 Leuckart-Reaktion 356, 366 Leukindigo 654, 655 Leukoindamin 578 Leukoindanilin 578 Leukomalachitgrün 581 Leukomethylenblau 579 Leukopterin 691, 692 Leukoverdazyl 595 Lewis-Basen 291 Lewis, G. N. 291 Lewis-Säuren 291 Lichtpause 603 Liebermann, C. 565 Liebermannsche Reaktion 279 Liebig, J. v. 384 Liebigkühler 6, 7, 35, 36, 41, 55, 130 Limonen 214 Limpach, L. 681 Lindlar, H. 547 Lwd/ßr-Katalysator 217, 547 Linolensäure 474 Linolsäure 474 Linstead, R. P. 586 Liponsäure 531 Lithiumacetylide 439 Lithiumalanat siehe Lithium-aluminiumhydrid Lithium-aluminiumhydrid-Reduktion 535, 536, 537, 558 Adipinsäure-diethylester 535 Carbonsäurederivate 537 Methylsulfonsäureester 515 Tabelle 537 p-Tolunitril 536 p -Toluolsulfonsäureester 515 <x,ß-unges. Carbonylverbindungen 538 Lithium-aluminium-tri-terf-butoxyhydrid 538 Lithiumbutyl, -methyl, -phenyl siehe Butyl-, Methyl-, Phenyllithium Lithium-cyclohexylisopropylamid 446 Lithium-dialkylamide 187, 445, 446 Lithium-diethylamid 445, 446 Lithium-diisopropylamid 445, 448, 450 Lithium-essigsäure-terf-butylester 446 Lithium-organische Verbindungen 442, 462 Lithium-triethylborhydrid 539, 540 Lobry de Bruyn, C. A. 387 Loquin, R. 381 Lossen-Abbau 324 Lowry, T. 291 Luftbad 13 Lupolen 213 Lutidine 669 Lynen, F. 213 741 M Madelung, W. 655 Magnesiumsulfat zum Trocknen 107 Magnetrührer 19, 20 makrocyclische Ketone 332, 407 Makrolide 311 MAK-Werte 136 Malachitgrün 580, 581, 582 Malaprade, L. 487 Maleinsäure 191 Maleinsäureanhydrid 202 Malonsäure 294 Malonsäure-diethylester 411, 413, 414, 421, 498 Malonyl-Coenzym A 373 Maltose 392 Mandelsäure 360 Mandelsäurenitril 360 Manmc/i-Reaktion 353, 366 Mannonsäure 391 D-Mannose 387, 390 Manostat 31 anti-Markownikow-Addition 193, 541, 544 Markownikow-Regel 192, 218, 454 Martiusgelb 254 Massenspektrometrie 701, 702 Mazerieren 59 Meerwein-Arylierung 619, 640 Meerwein, H. 629 Meerwein-Ponndorf- Verley-Reduktion 378, 533,558 M eerwein -Reagens 154 M-Effekt siehe mesomerer Effekt Meisenheimer, J. 281 Melamin 688 Melanine 673 (-)-Menthol 214, 481 (-)-Menthon 481 Mercaptale 340, 366, 444, 515 Mercaptane siehe Thiole Mercaptoessigsäure 294 742 Sach- und Namenregister Methylenchlorid, Lösungsmittel 115 Methylencyclohexan 458 Methylentriphenylphosphoran 458 Methylethylketon siehe Ethylmethylketon Methyl-ethyl-propl-aminoxid 492 a-Methylglucopyranosid 390 Methylgykosid 390 4-Methyl-7-hydroxycumarin 375 N-Methylhydroxylamin 520 Methylierung, erschöpfende 160 2-Methylindol 655 3-Methylindol 656 Methyliodid 149, 158, 163, 415, 432, 451, 711 Methylisocyanat 322 Methylkupfer 452 TV-Methyl-lepidiniumion 682 Methyllithium 442, 450, 452 Methylmagnesiumbromid 438 Methylmagnesiumiodid 431, 438, 451 2-Methyl-5-methoxy-l,4-chinon 203 2-Methylnaphthalin 565 2-Methyl-l,4-naphthochinon 565 Methyl-2-naphthylether 152 8a-Methyl-l,2,3,4,6,7,8,8a-octahydro-l,6naphthalindion 425, 426 Methlorange siehe Helianthin 2-Methyl-2-(3-oxobutyl)-l,3-cyclohexandion 425 2-Methyl-l-penten 213 2-Methyl-2-penten, Reaktion mit Singulett-Sauerstoff 477 2-Methyl-l-propen siehe Isobuten Af-Methyl-a-pyridon 673 Methylrot 607 N-Methyl-tetrahydrocarbolin-S-carbonsäure 693 2-Methylthiodecansäure-ethylester 448, 449 Methylvinylketon 425 3-Methylzimtaldehyd 447 Mevalonsäure 213, 214 Meyer, K. H. 409, 411 Meyer, V. 622 Micellen 302 Michael-Addition 423, 427 Stereochemie 425 Michaelis-Reaktion 460, 463 Michlers Keton 581, 582 Mikrodestillationsapparatur 45 Milos, N. 495 2-Mercapto-5-hydroxythiazol 662 Mercaptole 340, 366 Mercurierung 241, 250 Merrifield, R.E. 319 Mesitylen 253, 364 Mesityloxid 364 mesomerer Effekt 231, 232, 238, 284, 294 Mesomerie 223, 224 des Carboxylations 293, 294 Mesomerieenergie 224 Mesoxalsäure-diethylester 498 Mesylrest 248 Metaldehyd 341, 342 Metallbad 13 Metallchelate 680 Metallhydride, komplexe 535, 558 Metallorganische Verbindungen 431, 461 1,6-Methanocyclodecaptentaen 226 Methanol 296 Lösungsmittel 115 Methansulfonylrest 248 4-Methoxy-l,2-benzochinon 572 Methoxycarbonylmethylen-triphenylphosphoran 457 Methoxycarbonylmethyl-triphenylphosphoniumbromid 159, 457 9-Methoxyharman 693 Methoxymethylentriphenylphosphoran 45 8 4-Methoxyphenol 153 Methylacetylen 218 Methylalkohol siehe Methanol Methylamin 322, 356 Methylammoniumchlorid 356, 625 4-Methylbenzylamin 536 C-Methylbestimmung nach Kuhn-Roth 486 Methylbromid 143 3-Methyl-3-butenol 213 3-Methyl-2-butenylpyrophosphat 213 Methylcarbaminsäure 322 3-Methyl-ß-carbolin 692 Af-Methylchinaldiniumion 682 2-Methylchinolin 681 4-Methylchinolin 681 Methylchlorid 519 2-Methyl-l,3-cyclohexandion 415, 425 1-Methyl-l-cyclohexanol 431 Methyldiazoniumion 629 Methylenamino-acetonitril 635 Methylenbisacrylamid 213 3,3'-Methylen-bis-4-hydroxycumarin 377 Methylenblau 579 Sach- und Namenregister Milchzucker 392 Miller, W. v. 681 Mischkreuz 718 Mitteldruckpolymerisation 210 mittlere Ringe 382, 397 Mixotrope Reihe 716 Molekülorbital 141 Molekulardestillation 45 Molekularsieb 85, 107, 109, 113, 114, 115, 116, 117 Monochloressigsäure siehe Chloressigsäure Monoformyl-frart.s-glykol 497 Morgan-Elson -Reaktion 648 Morpholin 345, 346 !-(N-Morpholino)-l-isobuten 345 Muconsäure 275 Müller, E. 624, 629 Muffen 8, 132 Mukaiyama, T. 441 Muraminsäure 391 Murein 393 Murexid 691 Muscarin 650 Muscon 332, 407 Mutarotation 389 Myoglobin 319, 694 N Naphthalin 237, 249, 252, 253, 266, 572 Struktur 225 Naphthalin-1-sulfonsäure 249 Naphthalin-2-sulfonsäure 249 naphthionsaures Natrium 608 1,4-Naphthochinon 566, 569 ß-Naphthoesäure 633 1-Naphthol 252, 254, 605 2-Naphthol 152, 252, 276, 605, 632, 714 ß-Naphthol AS 609 2-Naphthol-1 -carbonsäureanilid 609 2-Naphthol-3,5-disulfonsäure 602 l-Naphthol-2,4,7-trisulfonsäure 254 ß-Naphthoylchlorid 633 ß-Naphthoyldiazomethan 633 1-Naphthylamin 555, 556 2-Naphthylamin 278, 518 Naphthylamine 518, 526 ß-Naphthylessigsäureamid 633 l-Naphthylisocyanat 704 1-Naphthylurethane 704 nascierender Wasserstoff 509, 510 743 Natrium zum Trocknen 107, 109, 113, 114, 117 Natriumacetat, wasserfrei 309, 371, 395 Natriumacetessigester 411, 417, 420 Natriumacetylide 439 Natrium-aluminium-dimethylglykoloxy-dihydrid 538 Natriumamalgam 510 Natriumamalgam-Reduktion 510 Natrium-2-anthrachinonsulfonat 574 Natriumbenzolsulfonat 244, 245 Natriumboranat siehe Natriumborhydrid Natriumborhydrid, Erzeugung von Diboran 542, 543 Natriumborhydrid-Reduktion Aldehyde 540 Alkyltosylate 539 Benzalacetophenon 540 Dibenzalacetophenon 540 Disulfide 162, 531, 539 Hexachloroplatin(IV)-säure 554 Ketoester 539 Ketone 540 Ketosäuren 539 p-Nitrobenzoylchlorid 539, 540 Platinsalze 539 Tabelle 539 a,ß-unges. Carbonylverbindungen 538 Zimtaldehyd 540 Natrium-cyanobortrihydrid 539 Natrium-dimethylsulfoxid 458 Natrium-ethylat, alkoholfrei 405 Natriumhydroxid zum Trocknen 106, 108 Natrium-2-naphthalinsulfonat 249, 276 Natrium-/7-nitrophenyl-(E)-(a/if/)-diazotat 611 Natriumsulfat zum Trocknen 107 Natta, G. 210 Nauta, W. T. 587 Nazarow, LN. 263 NefiJ.U. 361 Ate/-Reaktion 361 Nerolin 152 Neuberg, C. 381 Neuraminsäure 391 Neurotransmitter 657 Newman -Projektion 187 Nicotin 670, 675, 676 Pikrinsäure-Additionsverbindung 670, 676 Nicotinsäure 485, 486, 657, 676 744 Sach- und Namenregister Nitrolsäuren 166 Nitromethan 163, 361, 520 Nitromethan, öd-Form 165 1-Nitronaphthalin 237, 555, 556 Nitrone 242, 243, 350, 522, 523, 593 1,3-Dipole 207 Nitroniumion 236, 251 m-Nitrophenol 241, 252 o-NuTophenol 240, 241, 252, 282, 319, 680 p-Nitrophenol 240, 241, 252, 294 p -Nitrophenylbrenztraubensäureester 407 l-(3-Nitrophenyl)-l,3-butadien 456 p-Nitrophenylhydrazin 705 /?-Nitrophenylhydrazone 705 o-Nitrophenylsulfenylderivate der Aminosäuren 531 3-Nitrophthalsäureanhydrid 704 3-Nitrophthalsäureester 704 Nitroprussidnatrium 162, 531 Nitrosamine 243, 710 Nitrosierung 234, 242, 243 TV-Nitrosoacetanilid 611 W-Nitroso-aceto-o-toluidid 611, 658, 659 N-Nitrosoacylamine 610, 619 o-Nitrosobenzoesäure 654 Nitrosobenzol 241, 242, 489, 490, 491, 521, 527 0-Nitroso-benzoylaceton 653 N-Nitroso-/?-chloracetanilid 618 p-Nitrosodimethylanilin 242, 576 Nitrosogruppe 489, 490 Nitrosoisobutan 490 W-Nitrosomethylharnstoff 624, 625, 626, 632, 633 Af-Nitrosomethylurethan 624 Nitrosophenol 278 jV-Nitrosophenylhydroxylamin 522 N-Nitroso-p-toluolsulfonsäure-methylamid 625, 626, 633 Nitrosoverbindungen durch Red. von Nitroverbindungen 523 Nitrosylion 241, 243 o-Nitrotoluol 654 p-Nitrotoluol 484, 516, 520, 556 Nitrotoluole 236 Claisen-Kondensation 406 Nitroverbindungen, ad-Form 165, 408, 411 Nitroverbindungen, aliphatische 163, 164, 178, 179,408, 411 Nicotinsäureamid 321, 322, 657, 676 Nicotinsäureamid-adenindinucleotid(NAD) 676 Niederdruckpolyethylen 210 Niederdruckpolymerisation 194 NIH-Verschiebung 276 Ninhydrin 94, 318, 355, 498, 499 Ninhydrinreaktion 499 m-Nitranilin 532, 533 o-Nitranilin 532, 533 p-Nitranilin 532, 533, 611, 612 Nitraniline, Basizität 533 Nitrene 322, 332, 624 Nitrierung 234, 235, 255 Nitrile 150, 178, 324, 325, 614, 698 aus Amiden 324 a-Deprotonierung 406 nach Kolbe 150, 151 Nachweis 712 aus Oximen 350 nach Sandmeyer 614, 616 Verseifung 326, 617 Nitrilimin 208 Nitrilotriessigsäure 355, 356 Nitroaniliniumionen, Acidität 533 m-Nitrobenzaldehyd 456, 457 ö-Nitrobenzaldehyd 532, 652, 653, 654 p-Nitrobenzamide 710 /?-Nitrobenzoesäure 304, 484 /?-Nitrobenzoesäureester 308, 704 -benzyl-, n-butyl-, -sek.-butyl-, -tert-butyl-, -cyclohexyl-, -ethyl-, isobutyl-, -isopropyl-, -methyl-, -phenyl-, -n-propyl308 Nitrobenzoesäuren 294 Nitrobenzol 234, 516, 519, 523, 679, 683 p-Nitrobenzol-diazocyanid 612 p-Nitrobenzoldiazoniumchlorid 611, 612 p-Nitrobenzol-diazoniumion 602, 611, 612 Nitrobenzole aus Pyryliumkationen 677 p-Nitrobenzoylchlorid 304, 308, 540, 704, 710 p-Nitrobenzylalkohol 540 p-Nitrobenzylbromid 706 p-Nitrobenzylester 706 a-Nitrocarbonsäuren 164, 636 p-Nitrochlorbenzol 238, 280 Nitroform 166 Nitrogruppe, kat. Hydrierung 517, 555, 556 Reduktion 516 Sach- und Namenregister Nachweis 698, 713 aus Nitroolefinen 548 Nitroverbindungen, aromatische 234, 255 Nachweis 698, 713 Nitroxide 593 ö-Nitrozimtsäure 532 w-Nitrozimtsäure-methylester 457 NMR-Spektrum 701, 702 e«dö-2-Norbornen-5,6-dicarbonsäureanhydrid 200, 201, 203 Norcaradiencarbonsäureester 638 Normant, H. 437 Novolack 374, 376 Nucleinsäuren 212, 687, 691 Nucleofug 167 Nucleophil 167 nucleophile Substitution aliphatische 166, 179 aromatische 276, 280, 287 Nucleophilitätsreihe 168 Nutsche 71, 131 Nylon 352 O Octacetyl-cellobiose 396 Octanal 480 1-Octanol 480 Ölbad 12 Öl-Drehschieberpumpe 32 Olah, G. 236 Olefine 183 durch Eliminierung 183, 493 Epoxidierung 496, 505 Hydratisierung 454 Hydroxylierung 193, 497 Nachweis 703 eis- Olefine durch partielle Hydrierung von Acetylenen 547 durch Hydroborierung von Acetylenen 543 Oligosaccharide 390, 392 Ommatine 657 Ommine 657 Ommochrome 657 Oniumverbindungen 156, 178 Oppenauer-Oxidation 535, 558 Oppenauer, R. V. 535 optische Aktivität 123, 358 optische Aufheller 609, 610, 640 optische Rotationsdispersion 123 745 Orbitalsymmetrie 204, 219 Orion 213 Ornithin 636 Ornithursäure 636 Orthoameisensäureester 339 Orthoameisensäure-triethylester 301, 325 Orthoester 301, 332 Osazone 382, 387, 388 Osmiumtetroxid-Hydroxylierung 193, 219, 497 Osone 387 Ott, E. 311 Oxalessigester 407 Oxalsäure 632 Oxalsäure-diethylester 303 Oxalsäure-dimethylester 303 Oxazol 662 Oxidation 467 axialer und äquatorialer Alkohole 488 biologische 275 Oxidationsstufen 467 Oxime 348, 349, 705 geometrische Isomere 349 durch Reduktion 523 mit Salpetrigsäureestern 408, 500 Oxin 680 Chelate 680 ß-Oxoaldehyde 407 a-Oxocarbonsäuren 636 a- und ß-Oxoester 407 Oxoniumsalze 154 5-Oxo-7-phenylheptansäure 420, (545) Oxosynthese (194), 219 2-Oxotetrahydro-benzazepin 686 Ozon, 1,3-Dipol 207, 503 Ozonide 503 Hydrogenolyse 504 Hydrolyse 503 Oxidation 504 Reduktion 504 Ozonisator, Eichung 500 Ozon-Oxidation 500, 501, 505 Mechanismus 503, 505 unges. Carbonylverbindungen 496, 504 Paal, C. 644 Palladium auf Bariumsulfat 554 Palladium-Mohr 553 Palladium-Tierkohle 533 746 Sach- und Namenregister Phenol 152, 230, 240, 251, 252, 273, 294, 374, 472, 615, 632 Phenol-2,4-disulfonsäure 251 Phenole Acidität 252, 277 Nachweis 708 Phenyl-, 1-Naphthylurethane 704 Trennung von Carbonsäuren 698 durch Verkochen 613, 614, 615 Phenol-Formaldehydharze 376, 397 Phenolharz 374 Phenolphthalein 583, 584 Phenoplaste 376 Phenoxazinfarbstoffe 578, 657 Phenthiazinfarbstoffe 578, 579 Phenylacetamid 326 Phenylaceton 434 Phenylacetonitril 150, 326 Phenylacetylen 215, 436 D/L-Phenylalanin 371, 423, 532, 685 L-Phenylalanin 373 Phenylazid aus Benzoldiazoniumion 662 aus Phenylhydrazin 623 /7-Phenylazobenzoesäure 304, (490) p-Phenylazobenzoesäureester 704 /?-Phenylazobenzoylchlorid 304, 704 Phenylazo-triphenylmethan 619 N-Phenylbenzalnitron 523 Phenyl-bis(phenylazo)methan 595 Phenylbrenztraubensäure 373 l-Phenylbutan-3-on 413, 414 2,4-Dinitrophenylhydrazon 348, 414 4-Phenyl-3-butin-2-ol 436, 481 4-Phenyl-3-butin-2-on 481 4-Phenylbuttersäure 260, 263, 514, 544 4-Phenylbuttersäurechlorid 260, 261 2-Phenylchinolin 683 Phenyl-(E)-diazosulfonat 613, 621 Phenyldiimin 623 o -Phenylendiamin 383, 659 /7-Phenylendiamin 564 Phenylendiamine 532 Phenylessigsäure 326, 632 a-Phenylethylamin 357 Racematspaltung 358 1-Phenylethyliden-1, l-bis(thioessigsäure) 340 9-Phenyl-9-fluorenyl 588 N-Phenylglycin 653 N-Phenylglycin-o-carbonsäure 651, 652 Papierchromatographie 78, 79, 82, 96, 318 Paraffinschnitzel 106, 110 Paraformaldehyd 266, 340, 341 Parafuchsin 580 Paraldehyd 341 Partialladungen 142 Paterno-Büchi-Reaktion 195 Paulys Reagens 94, 519, (566), 602, 646 Pechmann, H. v. 376, 397 Pechmann -Synthese des Diazomethans 624 Pedersen, CJ. 155, 178 Peleusbälle 137 Penicilline 663 ß-Pentacetyl-D-glucopyranose 390, 395 Pentachlorphenol 571 Pentachlorpyrrolenin 646 Pentacyanocobalt(II)-ion 549 Pentaerythrit 365 1,5-Pentamethylen-tetrazol 351, 352, 661 1,5-Pentandiol 650 2,3,4-Pentantrion 500 Pentatrimethylsilyl-glucose 394 Pentazen 662 Pentazol 662 Peptid-Bindung 316, 318, 332 Peptide 318 Peptidsynthese 316, 317, 332 Peressigsäure 489 Perforation 64 Periodat 487 Periodsäure 487, 505 Periston (217), 647 Perkinsche Synthese 371, 397, 649 Perkin, Sir Henry W. 376 Perlon 352 Peroxidasen 694 Peroxyameisensäure 493, 495, 497 Peroxycarbonsäuren 312, 472, 473, 493, 494, 495, 496, 497 Peroxyessigsaure 489 Peroxyschwefelsäure 489, 495 Perutz, M. 319 Peterson, DJ. 190 Petroleumbenzine, Lösungsmittel 116 Pfitzner-Moffatt-Reaktion 482 Pfleger, J. 653 Phasentransfer-Verfahren 200, 219 Phenanthren 252, 253, 501, 502 Phenanthrenchinon 384 o-Phenanthrolin 680 Phenazinfarbstoffe 578 Sach- und Namenregister 7-Phenylheptansäure 544 Phenylhydrazin 347, 382, 383, 387, 594, 621, 622, 655 Disproportionierung 622, 623 -hydrochlorid 382 Phenylhydrazone 347 von Aldehyden und Ketonen 705 Fischersche Indolsynthese 655, 656 1-Phenyl-l-hydroxyaceton 381 Phenylhydroxylamin 489, 491, 519, 521, 522, 523, 527 Reduktion mit 521 Phenylioddichlorid 615 Phenylisocyanat 528, 704 aus Phenylisothiocyanat 529 Phenylisonitril (519), 590 Phenylisothiocyanat 527, 528, 529 Phenyllithium 442, 444, 455, 683 Phenylmagnesiumbromid 432, 434, 440 Phenylmethanthiol 160, 161, 162 Phenylnitroacetonitril 408 l-Phenyl-2-nitroethylen 361 Phenylnitromethan 408, 409, 412 ad-Form 412 2-Phenyl-5-oxazolon 373, 662 Phenylpentazen 662 3-Phenyl-2-propanol 454 l-Phenyl-2-propanon 434 3-Phenylpropionsäure 261, 510, 555 3-Phenylpropionylchlorid 261 4-Phenyl-2-pyrazolin-3-carbonsäure-methylester 631, 632 Phenylsenföl 527, 528, 529 Phenylsulfenylchlorid 531 3-Phenylthiohydantoin 529 Phenylthioureidopeptid 529 l-Phenyltriazol-4,5-dicarbonsäureester 624 Phenylurethane 704 Phillips-Verfahren 210 Phloroglucin 649 Phloxin 584 Phoron 364 Phosphatpuffer 718 Phosphinalkylen 455 Phosphine zur Reduktion der Ozonide 504 Phosphinoxide 496 Phosphite zur Reduktion der Ozonide 504 Phosphonsäureester 459, 460, 463 Phosphorpentoxid zum Trocknen 106, 107, 108, 113 Photochemie 747 Alkene 208 Ketone 385 ohne Licht 477 Photochlorierung 175 Photodimerisierung 207, 208, 477 Photooxidation 476 von Allylpositionen 477 von Dienen 476 Phthalimid 157, 323 Phthalocyanin 585, 586 Phthalsäure 394, 586 Phthalsäureanhydrid 574, 584, 586 Phthalsäure-diethylester 403 Phytol 694 a-Picolin 669, 675 Picoline 669, 675 Pictet-Spengler-Synthese 685, 696 Pikrate tertiärer Amine 711 Pikrinsäure 241, 251, 252, 280, 670, 703, 711, 714 Komplexe mit 252, 253, 703 Pikrylchlorid 253, 280 Pinakol 385 Pinakole durch Reduktion von Ketonen 511, 512 Pinakolin-Umlagerung 386, 397 Pinakon 386 Pinakonumlagerung 386, 397 (-)-a-Pinen 214, 541, 543 Piperidin 158, 346 Pipettierhilfen 137 Pitzer-Spannung 263 Plasmochin 684 Platin-Aktivkohle 554 Platinoxid nach Adams 554 Plexiglas 213 PO-aktivierte Olefinierung 459, 463 Polarimetrie 123, 358 Polonowski, M. 492 Polyacrylamid 213 Polyacrylamidgele 85 Polyacrylnitril 213 Polyamid 6 352 Polyamid 6.6 352 Polybutadien 210 Polyensynthese 373 Polyethylen 210, 213 Polyethylenglykol 155 Polyharnstoffe 328 Polyisopren 211 Polykondensation 212 748 Sach- und Namenregister Pseudobasen 673 Pseudonitrosite 166 Pteridine 691, 692, 696 Pteroylglutaminsäure 692 Pummerer-Reaktion 493 Purin 690, 691, 696 Purpur, antiker 653 Purpursäure 691 Purrmann, R. 691 y-Pyran 676, 677, 695 Pyrazin 687 Pyrazole 660, 664 2-Pyrazolin 610 Pyrazolone 660 Pyridazin 687 Pyridin 225, 643, 668, 669, 670, 695 Derivate 677, 695 Eigenschaften 669 -hydrochlorid 154, 672 Lösungsmittel 116 nucleophile Substitution 669, 670 Struktur 225 Pyridiniumchlorchromat 480, 481, 505 Pyridinium-perbromid 673 N-Pyridinium-sulfonat 673 Pyridin-AT-oxide 675, 695 elektrophile Substitution 675 2-Pyridinthiol 441 Pyridone 672, 673, 677 Pyridoxin 672 Pyrimidin 687, 696 Pyrimidinbasen 687, 696 a-Pyron 677, 695 4-Pyron-2,6-dicarbonsäure 678 y-Pyrone 676, 677, 678, 695 Pyrrol 227, 643, 644, 645, 663 Aromatizität 647, 651 Basizität 645 Fichtenspanreaktion 645 Pyrrolidin 345, 346 Pyrrolidine 647 !-(A^-Pyrrolidino)-l-cyclohexen 345, 346 a-Pyrrolidon 647 Pyrroline 647 Pyrrolrot 646 Pyruvatoxidase 531 Pyryliumsalze 225, 676, 677, 695 polymere Träger 374, 397 Polymerisation der Alkene 208, 210, 212 anionische 211 Fe2+- oder Peroxid-initierte 495 kationische 209, 210 thermisch-radikalische 208, 210, 211 Polymethacrylat 213 Polymethinfarbstoffe 682, 696 Polymethylen 629 Polyoxymethylene 341 Polypeptide 316 Polypeptidkette 318 Polypropylen 210 Polysaccharide 392, 393 Polystyrol 209, 213 Polytetrafluorethylen 213 Polyurethane 328 Polyvinylacetat 213, 215 Polyvinylchlorid 213 Polyvinylpyrrolidon 217, (647) H. Pommer 160 Porphobilinogen 644 Porphyrine 476, 644 (694) Posner, G. H. 452 Prelog, V. 359, 382 Prileschajew, N. 312, 496 Primärozonid 503 Primärstruktur, Proteine 318 Prioritäten 359 Procionbrillantorange GS 609 Prolin 316, 647 Prontosil 604 1,3-Propandithiol 339 n-Propanol siehe n-Propylalkohol Propargylalkohol 218, 679 Propargylalkohol-tetrahydropyranylether 679 Propen 211 aus Allylalkohol 513 Hydrierung 547 2-Propenylchlorid 196 ß-Propiolacton 311 Propionaldehyd 339 2,4-Dinitrophenylhydrazon 348 Propionsäure 294 n-Propylalkohol 194 Lösungsmittel 112 Proteine 316, 318 Protonenresonanz-Spektrum 701 Protoporphyrin 644 Q qualitative Analyse 697, 699, 715 qualitative Elementaranalyse 124 Sach- und Namenregister quartäre Ammoniumsalze 160, 711 Quarz l Quecksilber-benzylsulfid 162 Quecksilber-Diffusionspumpe 32 Quecksilbermanometer 31 Quecksilbermanostat 31 Quecksilber-organische Verbindungen 453, 463 Quecksilber-thiophenolat 530 R Racematspaltung 358, 366 Radikale, organische 587, 596 radikalische Substitution 173 Raecke, B. 273 Raney-Nickel 554 Ratcliffe, R. 482 Reaktivfarbstoffe 609, 640 Redoxpolymerisationen 495 Reduzierventil 26 Reformatzky-Reaktion 440, 461 Refraktometrie 122 Reimer-Tiemann-Synthese 273, 274, 287, 646, 656 Rektifizieren 47 Remazolfarbstoffe 609 Remazolgoldgelb G 609 Reppe, W. 218 Reserpin 693 Resit 374 Resol 374, 376 Resonanz 224 Resonanzenergie 224 Resorcin 269, 272, 375, 584 Retentionszeiten 100 Retropinakolin-Umlagerung 386 reversed phases 83 RF-Werte 94, 97 Rhodamine 584 Rhodanide 328, 531 Rhodanin 662 Ribonucleinsäure 688 D-Ribose 391 D-Ribulose 391 Richtlinien für Latoratorien 133 Rieche, A. 271, 474 Riley, H. L. 499 Ringe (für Stative) 8, 132 Ringspaltkolonne 48 Roberts, J. D. 282 Rohrzucker 392, 394 749 Rose bengale 476, 584 Rosenmund, K. W. 549 Rosenmund-Reduktion 539, 549, 559 Rotationsdispersion, optische 123 Rotationsverdampfer 42, 43 R-Säure 602 (R), (S)-System 359 Ruberythrinsäure 565 Rubren-endoperoxid 477 Rückflußkühler 6 Rücklaufregler 50, 51 Rücklaufverhältnis 51 Ruhemannscher Purpur 499 Rundet, W. 627 Rundkolben 5, 130 Runge, G. F. 518 Ruzicka, L. 332 Saccharase 392 Saccharin 248 Saccharose 392, 394 Säbelaufsatz 44 Säulenchromatographie 78, 79, 86, 698, 699 Säureanhydride siehe Carbonsäureanhydride Säure-Base-Begriff 291, 332 Säure-Base-Indikatoren 719 Säurechloride s. Carbonsäurechloride Säurekonstante 292 Säuren handelsüblicher Konzentrationen 717 Säurespaltung 419, 420 Säurezahl pKA 292 Salicylaldehyd 273, 632 Salicylsäure 272, 632 Sandbad 13 Sandmeyer-Reaktion 614, 616, 640 Sangers Reagens 618 Saugflasche 71, 72, 131 Saugrohr(-finger) 71, 72, 131 Saytzew-Regel 188 Schenk, G. O. 476 Schiemann, G. 618 Schiemann-Reaktion 613, 614, 617, 640 Schiffsche Base siehe auch Azomethine 344 Schiffsche Probe 343 Schlangenkühler 6, 7, 37, 42 Schlauchverbindungen 7 750 Sach- und Namenregister Garben 199, 631 Ketone 385 Skatol 656, 657 Skatyl-acetaminomalonsäure-diethylester 422 Skraup, Z.H. 679, 680 SN l-Reaktion 170 SN2-Reaktion 167 Sörensen, S. P. L. 718 Sorbit 391 Soxhlet-Apparat 60 Speiseöl, Härtung 555 spektroskopische Methoden 701 spezifische Drehung 123, 358 Spinne 42, 43 Squalen 214 Staab, H.A. 537, 588 Stärke 393 Stative 8, 131 Staudinger, H. 627, 697 Steigrohr 6, 7, 130 Steroide 214 Steuer, H. 380, 420, 424, 426 Stevens, T. S. 546 Stickstoff, flüssiger 135 Stuben 496, 610 Stilbendiol 383 Stilbenoxid 496 Stoffgemische, Trennen 697 Stoll, A. 382 Sforfc-Alkylierung 447 Stork, G. 345, 346, 446 Strecker, A. 355 Strecker-Synthese 354, 653 Strömungsmesser 25, 26 Strychnin 693 Styphninsäure 253 Styrol 192, 208, 209, 211, 468 Styroldibromid 192, 215 Sublimation 57 Substantivfarbstoffe 608 Substituenten I.Ordnung 232 Substitution, aliphatische 141 Substitution, aromatische 223 Substitution, elektrophile 228, 237, 255 Substitution, nucleophile 142, 166, 179 aromatische 276, 280, 287 Substitution, radikalische 173 Succinimid 197, 320, 321, 645 Succinyl-Coenzym, A 644 Succinylobernsteinsäureester 407 Schleimsäure 391, 395, 396, 644 Schlenk-Gleichgewicht 437 Schlessinger, R. H. 446 Schliffkolbenpipetten 137 Schliffrundkolben 5, 130 Schlosser, M. 458 Schmelzpunktbestimmung 117 Schmidlinscher Versuch 587 Schmidt-Abbau 324, 332, 351 Schmidt, K. F. 351, 661, 686 Schmidt-Umlagerung 686 Schmidt, R. E. 250 Schmitz, E. 628 Schorigin, P. 154, 513 Schotten-Baumann-Reaktion 307, 308, 636, 673, 704 Schröder, G. 503 Schüttelmaschinen 21 Schütteltrichter 62, 131 Schwefelkohlenstoff 527 Schwefelsäure zum Trocknen 106, 107, 108, 116 Schwefel-Ylide 163, 460, 461, 463 Schwertaufsatz 44 Sedativa 688 Seebach, D. 444 Seifen 302 Sekundärstruktur der Proteine 319 Selendioxid-Oxidation 498, 505 Selenoxide, Eliminierung 449 Semicarbazid 330 Semicarbazid-hydrochlorid 330 Semicarbazone 331, 347, 705 Semichininone 577 Senföle 328, 527, 528, 529 Sensibilisatoren 476 Photographie 682 Sensibilisierung 385 Sensitiv-Rot 682 Sephadex 85, 393 Serotonin 657 Sicherheit 133 Siedekapillare 41 Siedepunktbestimmung 120 sigmatrope Reaktion 418 Silberoxid, frisch gefällt 189 Silbersalz 564 Silikagel 108 Simmons-Smith -Reaktion 441 Singulett-Sauerstoff 476, 505 Singulettzustand Sach- und Namenregister Sucrose 392 Sudangelb 605 Sulfanilsäure 250, 294, 606, 607 diazotierte 519, 602, 646 Diazotierung 566, 606 Kupplung mit a-Naphthol 566 Sulfathiazol 250 Sulfensäuren 163, 530 Sulfenylchloride 531 Sulfinsäuren 163, 530 Sulfolan651 Sulfonamide 157, 246, 250, 604 Sulfone 245, 496 Sulfonierung 244, 255 Sulfoniumhalogenide 163 Sulfonsäurechloride 246 Reduktion 529, 530 Sulfonsäureester 246 Sulfonsäuren 244 Nachweis 712 aus Thiolen 163, 531 Sulfoxide 163, 482, 496 Eliminierung 449 Superhydrid 515, 539, 540 Sydnone 663, 664 Szent-Györgyi, A. 391 751 Taft, R. W. 285 Tartrazin 661 Tautomerie 409 der o-Hydroxyazoverbindungen 605 Teflon 213 Teichmannsche Kristalle 694 Terephthalsäure 485, 632 -dimethylester 485 Terpene 213, 214 a-Terpinen 476 a-Terthienyl 651 Tertiärstruktur, Proteine 319 Terylen 273 Tetraacetyl-a-bromglucose 390, 395 2,4,4,6-Tetrabrom-2,5cyclohexadienon 230, 231 l,3,6,8-Tetra-tert-butyl-9carbazolyl 592 Tetrachlor-o-benzochinon 564, 569, 570, 571, 572 Tetrachlor-p-benzochinon 569, 570, 571 Tetrachlorbrenzcatechin 571 Tetrachlorkohlenstoff 264 Lösungsmittel 116 Tetrachlortetrafluorcyclobutan 207 Tetrafluorcyclobuten 207 Tetrafluorethylen 207 Tetrahydrochinolin 681 Tetrahydrofuran 648, 650 Lösungsmittel 116 Reinigung 435 D,L-l,2,3,4-Tetrahydro-isochinolin-3carbonsäure 685 Tetrahydroisochinoline 685, 696 Tetrahydropyranylether 678, 679 1,2,3,4-Tetrahydro-s-tetrazine 596 Tetrahydrothiophen 651 Tetralin 192, 513 Dehydrierung 572 1-Tetralon 260, 263, 686 Tetramethyl-/?-benzochinon 569 3,3,5,5-Tetramethylcyclohexanon 451 Tetramethylethylen 386 Ozonisierung 503 AWA^N'-Tetramethyl-ethylendiamin 442 1,2,3,3-Tetramethyl-indoleniniumsalze 657 Tetramethyl-/?-phenylendiamin 577 2,2,6,6-Tetramethylpiperidin-l-oxyl 593 Tetranitromethan 703 Tetraphenylhydrazin 590, 592 Tetrazane 592 Tetrazol 661, 664 Tetrazoliumsalze 661, 664 Teuber, HJ. 564 Teuber-Oxidation 572 Theobromin 689, 691 Theophyllin 691 Thermostaten 13, 14, 15 Thiamin siehe Aneurin Thiamin-pyrophosphat 380 Thiazol 662, 663, 664 Thiazolidin 663 Thiazoliumverbindungen 380 Thiele, J. 616 TVz/e/e-Reaktion 570, 596 Thiocarbanilid 527 Thiocarbonsäureamid 325 Thioctsäure siehe Liponsäure Thiocyansäureester 328 Thioenolether 445 Thioether 161, 163 zur Reduktion der Ozonide 504 Thioglykolsäure 340, 531 752 Sach- und Namenregister p-Tolylhydroxylamin 520, 522 Tosyl siehe Toluolsulfonyl Transaldolase 365 Transketolase 365 Traubesche Base 691 Traube, W. 687, 690 Trennen, Stoffgemische 697 Trennung primärer von sekundären Aminen 158 Trialkylborane 541, 542, 559 Addition an a,ß-unges. Carbonverbindungen 542 Oxidation 542 Protolyse 542 2,4,5-Triamino-6-hydroxy-pyrimidin 691 symm. Triazin 688, 696 1,2,3-Triazol 661, 664 l,2,3-Triazol-4,5-dicarbonsäure 660, 661 2,4,6-Tribromanilin 229, 494, 621 1,3,5-Tribrombenzol 621 2,4,6-Tribrom-nitrosobenzol 494 2,4,6-Tribromphenol 230, 231 2,4,6-Tri-te/t-butylphenol 594 2,4,6-Tri-terf-butylphenoxyl 594 Trichloressigsäure 176, 294 Trichlorethylalkohol 533, 534 Trichlorethylen 218 Tricnlormethyl-oxirancarbonsäure-ethylester 639 2,4,6-Trichlortriazin 688 Triflatrest 248 Trifluormethansulfonsäurerest 248 Triglykol 155 Trihydroxymethylacetaldehyd 364 2,6,8-Trihydroxy-purin 689, 690 Triisobutylalan 453 Triketohydrinden 498 Triketopentan 500 Trimethylamin 491 Trimethylamin-oxid 491 1,3,5-Trimethylbenzol 364 Trimethyl-l,2-dioxetan 477 2,4,6-Trimethylhexahydro-s-triazin 343, 344 2,2,4-Trimethylpentan 194 Trimethylsilylether 393, 394, 398 Trimethylsulfoxoniumiodid 163, 460 1,3,5-Trinitrobenzol 236 Komplexe mit 253 2,4,7-Trinitrofluorenon 253 Thioharnstoff 160, 714 Thioharnstoffe 328, 527, 528, 529 Thioindigo 654 Thioindigoscharlach 654 Thioindoxyl 654 Thiolan 651 Thiole aliphatische 160, 161, 178 aromatische 178, 527, 613, 614 Bleisalze 162, 530 Chlorierung 531 Oxidation 163, 530 Quecksilbersalze 162, 530 durch Reduktion der Disulfide 531 Thiolester 441 2-Thio-5-methyluracil 688 Thionaphthen 658 Thiophen 227, 241, 643, 650, 663 Aromatizität 651 Mercurierung 241, 651 Thiophen-2-carbonsäure 651 Thiophenol 294, 529 Thiopyryliumsalze 677 f/zra?-Diastereomer 187 Thymin 687 Thyroxin 373, 688 Tietze, L.-F. 354 Tillmann's Reagens 576 Tischtschenko-Reaktion 378 Titriplex III 475 Tocochinon 678 Tocopherole 475, 678 Tollens, B. 388 o-Toluidin 518, 658 /7-Toluidin 516, 518, 556, 616, 682, 707, 713 Toluidine 526 /?-Toluidiniumsalze 713 p-Tolunitril 536, 616 Toluol 173, 247, 267 aus Benzylalkohol 513 Lösungsmittel 117 p-Toluoldiazoniumchlorid 616 p-Toluolsulfochlorid 158, 248 /?-Toluolsulfonamide 711 o-Toluolsulfonsäure 247, 248 /7-Toluolsulfonsäure 247, 248 Toluolsulfonylazid 628 /7-Toluolsulfonylhydrazide 546 /?-Toluolsulfonylhydrazone 627 p-Toluylsäure 617, 632 Sach- und Namenregister 2,4,6-Trinitrophenol 241, 251, 252, 280 Komplexe mit 252, 253, 703 2,4,6-Trinitroresorcin 253 2,4,6-Trinitrotoluol 236, 252 1,3,5-Trioxan 341 Trioxymethylen 341 Tripeptid 318 Triphenylcarbinol 265, 433, 589 Triphenylchlormethan 264, 587, 589 1,3,5-Triphenylformazan 594, 661 Triphenylguanidin 528 Triphenylmethan 589 Triphenylmethanfarbstoffe 575, 580, 583, 596 Triphenylmethanol siehe Triphenylcarbinol Triphenylmethyl 587 Triphenylmethylether 433 Triphenylmethylkation 171, 589 Triphenylmethyl-natrium 406, 589 Triphenylmethylperoxid 587, 589 p -Triphenylmethylphenol 266 Triphenylphosphin 159, 557 Triphenylphosphinoxid 455, 456 Triphenyltetrazoliumchlorid 661 1,3,5-Triphenylverdazyl 594, 595 Triplettzustand Carbonylgruppe 477 Ketone 385 Sauerstoff 476 Triptycen 283, 620, 640 Trisaccharide 392 Tris(4-biphenyl)methyl 588 Tris-hydroxymethylaminomethan 365 Tris-hydroxymethylnitromethan 365 Tris(2-methylphenyl)methyl 588 Tris(4-nitrophenyl)methyl 588 Tris-Puffer 365 Tris(triphenylphosphin)-rhodium(I)-chlorid 548, 557 Trityl siehe Triphenylmethyl Trockeneis 16 Trockenpistole 105 Trockenturm 25, 26, 107 Tropftrichter 22, 23, 24, 130, 131 Tropolon 226, 227 Tropyliden 631 Tropylium-Ion 226, 227 Trost, B. M. 449 Truxillsäuren 207 Trypsin 661 Tryptamin 657, 693 Tryptophan 656, 657 D,L- 422, 692, 693 Tschitschibabin, A. 670 Tschugaew, L. A. 189, 219 Tyrosin 373 753 U Ubichinone 569 Übergangsstücke 3, 4, 130 Übergangszustand 168, 171 Ugi, L 662 Ultrarot siehe Infrarot Ultraviolett-Spektroskopie 702 Kontrolle der Braunsteinoxidation 483 Umesterung 299, 300, 302, 708 Umfallen 76 Umkristallisieren 74 Umoximierung 349 Umpolung 380, 445, 462 Undecansäure 294 10-Undecensäure 192, 193 Unfallverhütungsvorschriften 133 a,ß-ungesättigte Aldehyde durch Braunstein-Oxidation 484 ungesättigte Carbonylverbindungen, Ozonspaltung 496, 504 a,ß-ungesättigte Ketone Birch-Reduktion 513 durch Braunstein-Oxidation 484 Uracil 687 Urease 329 Urethane 323, 328, 704 Uricase 691 Uroniumnitrat 147, (327) Uronsäuren 391 Urotropin siehe Hexamethylentetramin UV-Spektroskopie 702 Kontrolle der Braunstein-Oxidation 483 Vakuumdestillation 39 Vakuumexsikkator 104, 131 a-Valerolacton durch Bayer- Villiger-Oxidation 497 D,L-Valin 156, 373 Valin, Biosynthese 380 Van der Waals-Spannung 263 Verdazyl 595, 596 Verdazyliumion 595 Verdünnungsprinzip v. Ruggli-Ziegler 263 Veresterung 296 754 Sach- und Namenregister Weygand, F. 387 Widmer-Spirale 48, 49 Wieland, H. 591 Wilke, G. 196 Williamson, Ethersynthese 153 Willstätter, R. 511, 564, 694 Witkop, B. 276 Witt, O. N. 249 WMg9 G. 160, 190, 283, 345, 447, 455, 620 Jf7«ig-Reaktion 160, 190, 455, 463 Stereochemie 458 Wähler, F. 327 Wohl, A. 324 Wolff-Kishner-Reduktion 544, 559 Wolff, L. 545 WolffschQ Umlagerung 630, 633, 640 Woodward-Hoffmann-Regeln 205 Woulfe'sche Flasche 30, 131 Wursters Blau 577 Wursters Rot 577, 607 JFwrtz-Reaktion 228, 439, 453 X Xanthin 691 Xanth(ogen)at-Pyrolyse 184, 189, 219 Xanthopterin 691, 692 Xylan 393 Xylidin 518, 526 /7-Xylochinon 383 Xylol 253 Lösungsmittel 117 m-Xylol 485 p-Xylol 485 D-Xylose 391 D-Xylulose 391 Xylulose-5-phosphat 381 Verkochung der Diazoniumsalze 613, 614, 615 Veronal 688 Verseifung der Ester 299, 707 der Fette 301 Verteilungschromatographie 79, 82, 91, 101 Vibro-Mischer 20 Vigreux-Kolonne 48, 49, 130 Vilsmeier-Synthese 270, 287 Vinylacetat 215, 217 Vinylacetylen 218 Vinylamine siehe Enamine Vinylbromid 435 Vinylchlorid 217 1-Vinylcyclohexanol 435 Vinylether 217 Vinyllithium 442 Vinylmagnesiumbromid 435, 437 Vinylmagnesiumchlorid 436 N-Vinylpyrrolidon 217,647 Vinylsulfongruppe 609, 640 Virtanen, A. 383, 662 Vitamin A1 214 Vitamin B1 380, 662, 663 Vitamin B6 672 Vitamin B12 660 Vitamin C 391, 392 Vitamin E 474, 678 Vitamine K 569 Vogel, E. 226, 276 Vulkanisieren 210, 211 W Wadsworth, W. S. 459 Wagner-Meerwein -Umlagerungen 386, 397 Waiden, P. 168, 171, 689 Waiden -Umkehr 168 Waschflasche 25, 107, 130 Wasserabscheider 53, 54 Wasserbad 11, 12, 132 Wasserdampf-Destillation 51, 52 Wasserstoffbrücken 171, 410, 420 Wasserstoff, nascierender 509, 510 Wasserstrahlpumpe 30 Waters, W. A. 233 D-Weinsäure 358 Glykolspaltung 487 Weißmacher 609 Weitz, E. 495 Westheimer, F. H. 420 Ylen, Ylid 455, 457 Yohimbin 693 Zeisel, Etherspaltung 154 Zemplen, G. 324 Zentrifugieren 70, 73 Zerewitinow-Reagens 656 Zerewitinow, Th. 438 Zervas, L. 316 Ziegler, K. 154, 194, 196, 198, 210, 407, 453, 589, 624, 674, 684 Sach- und Namenregister Ztegfer-Katalysator 210 Zimtaldehyd 271, 483 Zimtalkohol 483, 540 Zimtsäure 207, 371, 510, 555, 632 Zimtsäurenitril 619 Zmcfce-Salz 673, 674 Zincke, Th. 649, 674 ZMn9 N. 527 Zink, amalgamiertes 514 Zink-organische Verbindungen 440, 461 Zonenschmelzen 78 755 Zucker 386 Dünnschichtchromatographie 394 Gaschromatographie 393 Glykolspaltung 487 Reduzierende Wirkung 394 Zucker-Abbau nach Fenton-Ruff 495 Zuckersäuren 391 Zweihalskolben 5 Zweitsubstitution, elektrophile 231, (285) Zwitterionen 316 Autoren der Übersichtsartikel Adams, J. T. 426 Albert, A. 696 Albertson, N. F. 332 Alder, K. 219 Angyal, S. J. 397 D'Ans, J. 715 Arndt, D. 505 Arnold, R. G. 333 Asinger, F. 286 B Bachmann, W. E. 640 Bahr, G. 462 Baeyer, A. v. 663 Bailey, P.S. 505 Ballester, M. 426 Baumann, F. 596 Bayer, E. 98, 101, 695 Bayer, O. 286, 366, 367, 426, 504, 505, 558, 559 Bebb, R. L. 462 Behr, L. C. 664 Belenkij, L. J. 663 Bellamy, L. J. 702 Benson, F. R. 664 Bergelson, L. D. 463 Bergmann, E. D. 427 Bergstrom, F. W. 695 Berl, W. G. 102 Berliner, E. 286 Berlo, R. C. 559 Bernasconi, C. F. 287 Bersin, T. 558 Bestmann, H. J. 463, 640 Birch, A.J. 558, 559 Birett, K. 136, 137 Birkhofer, L. 178, 398 Bjerrum, N. 115 Blaschke, G. 366 Blatchly, J. M. 596 Blatt, A. H. 286 Blicke, F.F. 366, 663 Bloomfield, J. J. 397, 426 Bock, H. 640 Bock, H. 702 Böhme, H. 366 DuBois, A. S. 287 Boissonnas, R. A. 332 Boutagy, J. 463 Boyer, J. H. 640, 664 Braun, W. 136 Bredereck, H. 696 Breil, H. 463 Brown, D. J. 559 Brown, H. C. 558, 559 Brown, W. G. 558 Brunck, H. 663 Bruson, H.A. 427 Buchanan, G. S. C. 558 Bück, J. S. 397 Budzikiewicz, H. 701 Buehler, C.A. 255 Bunnett, J. F. 287 Bunton, CA. 179 Burba, P. 462 Burwell jr., R. L. 178 Butz, L.W. 219 Cahn, R. S. 367 Caine, D. 558 Cairns, T. L. 462 Campell, B. K. 558 Campbell, K.N. 219, 558 Canter, F. C. 640 Capon, B. 397 Carnduff, J. 504, 559 Carter, H.E. 397 Cason, J. 596 Casper, K. 702 Cavalieri, L. F. 695 Chevrier, B. 286 Christensen, J.J. 178 Clerc, T. 702 Clotten, R. und A. 102 Coates, G.E. 461 Collins, C. J. 397 Cook, A. G. 366 Cope, A.C. 218, 426 Corey, E. J. 505 Corwin, A. H. 663 758 Autoren der Übersichtsartikel Fatiadi, A. J. 505 Finley, K. T. 397 Fleming, I. 219, 701 Folkers, K. 663 Fester, K. 255 Fox, S.W. 664 Franke, W. 461 Franklin, E. C. 695 Franzen, V. 397 Frensdorff, H. K. 178 Friebolin, H. 702 Fried, J. 695 Fuchs, O. 116 Fürst, A. 559 Fuson, R. C. 287, 715 Garratt, P. 255 Gaudemar, M. 461 Gaylord, N.G. 558 Geissmann, T. A. 397 Gensler, WJ. 696 Gilman, H. 461, 462 Ginsburg, D. 427 Goerdeler, J. 178 Gold, H. 640 Goldfarb, J. L. 663 Gompper, R. 696 Goodman, M. 96 Gore, P. H. 286 Govindachari, T. R. 696 Grassmann, W. 332 Green, M. L. H. 461 Grießbach, R. 83 Grigat, E. 333 Grob, R. L. 699 Gröbel, B.-T. 462 Grundmann, C. 696 Gschwend, H.W. 462 Günther, H. 702 Günzl, M. und W. 219 Günzler, H. 702 Gundermann, K.-D. 505 Gunstone, F.D. 219, 505 Gupta, S. K. 559 Gutsche, C. D. 640 H Haage, K. 463 Haake, M. 366 Hajos, A. 558 Gramer, F. 96 Criegee, R. 113, 505 Crounse, N. N. 286 Curtin, D. Y. 715 D DaIe, J. 397 DaIy, W. H. 397 D'Ans, J. 715 Dave, V. 640 Davies, T. 58 Day, A. R. 664 Dehmlow, E.V. 219 Deno, N.C. 558 DePuy, CH. 218 Desio, P. J. 462 Determann, H. 85 Dewar, M.J.S. 219 De Wolfe, R. H. 332 Deyl, Z. 699 Dimroth, K. 695 Djerassi, C. 219, 558 Dockx, J. 219 Dodd, T. N. 663 Dönhardt, A. 136 Donaruma, L. G. 366 Dorfner, K. 83 Dorlars, A. 640 Dose, K. 102 Doshan, H. 505 DuBois, A. S. 287 Dunitz, J. D. 397 Durst, T. 179 E Eastham, J. F. 397 Ege, G. 702 Eistert, B. 640 Elderfield, R. C. 663, 664, 695, 696 Eliel, E. L. 367 Emerson, W. S. 366 Emich, F. 122 Endres, H. 85 Engelhardt, H. 699 England, D.D. 664 Epstein, W.W. 505 Etough, D. J. 178 Evans, M. G. 596 Evans, R. M. 505 Fahey, R. C. 219 Autoren der Übersichtsartikel Hahn, D. A. 696 Hais, J. M. 96 Hajos, A. 559 Hallap, P. 702 Hamer, F. M. 696 Harborne, J.B. 695 Harmon, R.E. 559 Harris, C. M. 462 Harris jr., J. F. 219 Harris, T. M. 462 Härtung, W. H. 332 Harvey, R. G. 558 Hassall, CH. 505 Hauser, C. R. 426 Heck, G. 640 Hecker, E. 66 Heer, J. de 596 Heftmann, E. 78 Heinke, B. 332 Heldt, W. Z. 366 Hellmann, H. 366 Henecka, H. 286, 332, 397, 426, 427, 505, 640 Henneberg, D. 702 Hennion, G. F. 219 Hesse, G. 78, 79 Hesse, M. 701 Heyna, J. 640 Hoch, H. 366, 504 Hochrainer, A. 366 Hodgson, H.H. 640 Hörmann, H. 558 Hoffmann, R. 219 Hoffmann, R.W. 287 Hoffmann-Ostenhof, O. 596 Hoiness, C. M. 462 Holmes, H. L. 219, 426, 696 Holzkamp, E. 463 Hooton, S. 559 Horner, L. 219, 463 Houlihan, W. J. 367 House, H. O. 367, 426, 427 Hudson, B.E. 426 Hückel, W. 558 Hünig, S. 366, 559, 640 Huisgen, R. 219, 287, 397, 640 I Ide, W. S. 397 Igarashi, K. 397 Ingersoll, A.W. 366 759 Ingold, CK. 367 Isaacs, N. S. 505 Izatt, R. M. 178 J Jackman, L. M. 702 Jackson, E. L. 505 Jacobs, L. 664 Jaffe, H.H. 287 Jahnke, D. 463 James, B. R. 559 Janäk, J. 699 Jensen, W.B. 332 Jerchel, D. 695 Jeskey, H. 287 Jones, D. G. 663 Jones, G. 397 Jones, P. R. 462 Jones, R. G. 462 Johnson, C. D. 695 Johnson, J. R. 397 Johnson, T. B. 696 Johnson, W. S. 426 Jorgenson, M. J. 462 Jucker, E. 696 Julian, P. L. 663 Jutz, C. 287 K Kabbe, H. J. 505 Kämmerer, H. 397, 699, 715 Kaiser, R. 699 Katritzky, A. R. 695 Kauffmann, T. 287 Kearns, D. R. 505 Kemp, W. 715 Kempf, R. 715 Kenner, W. 696 Kern, W. 699, 715 Kessler, H. 640 Kharash, M. S. 461 Kienitz, H. 17 King, R.W. 218 Kirkland, J. J. 699 Klabunovskii, E. J. 640 Kleb, K. G. 640 Kloetzel, M. C. 219 Kloss, G. 178 Köhnlein, H.-E. 137 König, H. 463 Kornblum, N. 179, 640 Kotowycz, G. 398 760 Autoren der Übersichtsartikel Meyer, V. 101, 699 Möller, F. 366 Moore, M. L. 366 Morill, T. C 715 Morton jr., J. W. 462 Mosettig, E. 559 Mosher, H. S. 695 Mothes, K. 696 Mowry, D. T. 178 Mozingo, R. 559 Müller, E. 640 Müller, H. R. 559 Müller, R. 178 Muth, F. 255 Muth, H. 558 N Nace, H. R. 219 Naumann, G. 83 Nelke, J. M. 397 Nelles, J. 179 Nelson, J. A. 333 Neugebauer, F. A. 596 Newman, M. S. 426 Nielsen, A. T. 367 Niemann, E. 178 Nineham, A.W. 664 Nobel, J. 137 Normant, H. 179, 461 Normant, J. F. 462 Nützel, K. 461, 462 O Ochiai, E. 695 Olah, G. 286, 287 Opitz, G. 366 Order, R.B. van 663 Ott, E. 332, 505 Overberger, G.G. 397 Owsley, D. C. 397 Kramer, D. 504 Krishnamurthy, S. 558, 559 Kröhnke, F. 695 Kröpf, H. 504 Kühn, R. 136, 137 Kulka, M. 696 Kurtz, P. 178, 332, 366 Kutter, F. 715 Land, A. H. 664 Lane, C. F. 559 Lane, J. F. 332 Larock, R. C. 463 Lax, E. 715 Lechtken, P. 505 Lederer, E. und M. 699 Leditschke, H. 463 Lehmkuhl, H. 463, 559 Lemieux, R. U. 398 Lever, jr., O.W. 462 Lindsey, A. S. 287 Lindwall, H. G. 663 Loev, B. 96 Lübke, K. 178 Lwowski, W. 332 Lythgoe, B. 696 M Macek, K. 96, 699 Madaule-Aubry, F. 179 Maercker, A. 463 Magerlein, B. J. 426 MaUan, J. M. 462 Mancuso, J. 178 Manske, F. H. 695, 696 Martin, E.L. 558 Martin, H. 463 Maurer, R. 104 McCaldin, D. J. 505 McElvain, S. M. 397 McKeever, CH. 287 McKillop, A. 397 McOmie, J.W.F. 596 Meerwein, H. 178, 179, 366 Mehta, A.C. 696 Meier, H. 640, 701 Meister, H. 461 Mengler, H. 640 Mester, L. 397 Meyer, RW. 663 Pabst, K. 137 Padeken, H. G. 178 Pappo, R. 427 Parham, W.E. 219 Parker, A. J. 179 Parker, R.E. 505 Parmerter, S. M. 639 Patai, S. 178, 596 Pawellek, D. 255 Pearson, D.E. 255 Autoren der Übersichtsartikel Pedersen, C. J. 178 Petersen, S. 640 Peterson, H.J. 558 Petit, G.R. 558 Pfeil, E. 640 Pfleiderer, W. 696 Phadke, R. 397 Philips, R. R. 639 Plattner, P.A. 504 Pommer, H. 463 Porter, H. K. 558 Posner, G. H. 462 Powell, P. 461 Prelog, V. 367, 397 Pretsch, E. 702 Price, CC 287 Printy,.H.C. 663 Pütter, R. 333, 639 DePuy, CH. 218 Q Quellmalz, E. 1361 R Rabjohn, N. 505 Raecke, B. 287 Randerath, K. 91, 699 Rao, C.N.R. 702 Raphael, R. A. 397 Rappoport, Z. 715 Rathke, M.W. 461 Raulins, N. R. 427 Regitz, M. 640 Reichert, B. 366 Reiff, H. 462 Reinheckel, H. 463 Reinmuth, O. 461 Rhoads, S. J. 427 Ridd, H. 639 Ried, W. 640 Ritter, A. 398 Robins, R. K. 696 Robinson, B. 663, 664 Rochester, C. H. 332 Rodriguez, H. R. 462 Roe, A. 640 Roedig, A. 178, 179, 255 Röhle, G. 397 Rohr, W. 558 Rondestvedt jr., C. S. 640 Roth, H. 178, 715 Roth, L. 136 761 Rüchardt, C. 596 Rühlmann, K. 397 Rytina, A.W. 219 Saines, G. S. 558 Sannes, K. N. 397 Sargent, M. V. 255 Sasse, K. 178, 463, 640 Sauer, J. 219, 287 Sauerbier 558 Savell, W. L. 664 Schaefer, J. P. 426 Schellhammer, C.W. 286, 287, 640 Schemjakin, M. M. 463 Schenker, E. 559 Schick, O. von 178 Schildknecht, H. 78 Schiller, G. 504 Schipper, E. S. 664 Schmid, H. 695 Schmidt, C.-H. 663 Schmidt, G. 505 Schöberl, A. 178, 366 Schöllkopf, U. 462, 463 Schönberg, A. 505 Schomburg, G. 699 Schröder, E. 178 Schroeder, J. 640 Schröder, M. 219 Schröter, R. 366 Schütte, H. R. 696 Schütz, H. 702 Schuh, G. v. 696 Schuster, S. 219 Schwall, H. 640 Schweizer, E.E. 219 Scott, A. I. 702 Seebach, D. 366, 462 Segnitz, A. 178 Seibl, J. 701 Seidenfaden, W. 255 Selman, S. 397 Sethna, S. 397 Shalaev, V. K. 640 Shirley, D. A. 462 Shriner, R. L. 461, 715 Siegel, E. 640 Simmons, H.E. 562 Simonoff, R. 332 Singer, E. 505 762 Autoren der Übersichtsartikel Trippett, S. 463 Truce, W.E. 287 Trumbull, E. R. 218 Tschoubar, B. 179 U Utermark, W. 715 V Vedejs, E. 558 Venkataraman, K. 695 Verbanc, J. J. 333 Vilsmeier, A. 287 Vladuchick, S.A. 462 Vogel, H.H. 286 Vogel, W. 137 Volkenstein, J.B. 663 Vollhardt, P. 255 W Wade, K. 461 Wadsworth jr., W. S. 463 Wagner, A. 178, 366, 640 Wallis, E. S. 332 Walton, H. F. 699 Warnhoff, E.W. 640 Waters, W. A. 504 Wawzonek, S. 695 Wegner, H. 116 Wei, CC 505 Weiss, R. 286 Weller, S. 137 Weston, A.W. 255 Weygand, F. 640 Whaley, W. M. 696 White, E.H. 505 Wiberg, K.B. 504 Wiecko, J. 505 Wiegand, Ch. 121 Wieland, Th. 96, 102, 178, 332 Wildes, P.D. 505 Wilds, A. L. 558 Wilen, S. H. 366 Wiley, R. H. 664 Williams, D.H. 701 Williamson, D.H. 559 Wimmer, K. 504 Wingler, F 461, 462 Winkelmann, E.H. 219 Winterfeldt, E. 559 Wittig, G. 287, 462, 463 Skvarchenko, V.R. 640 Smith, H. 558 Smith, F.A.S. 332 Snyder, L. R. 699 Soll, H. 178 Sorbe, G. 136 Spielberger, G. 178 Spiteller, G. 701 Spoerri, P.E. 287 Sprague, J. M. 664 Staab, H.A. 558 Stacey, F.W. 219 Stahl, E. 699 Staschewski, D. 558 Staudinger, H. 699, 715 Stein, G. 505 Sternhell, S. 702 Stetter, H. 219, 397, 427, 461, 462 Stewart, F. H. C. 664 Stoll, A. 696 Sträub, H. 463 Streitwieser jr., A. 179, 397 Stroh, R. 178, 179, 255, 287 Struve, W. S. 640 Subba Rao, G. 558 Suggs,J.W. 505 Suhr, H. 702 Sustmann, R. 219 Suter, C. M. 255 Swamer, F. W. 426 Sweat, F.W. 505 Swern, D. 178, 505 Synowietz, C. 715 Szmuszkovicz, J. 366 Tamelen, E.E. van 558 Tarbell, T. S. 427 Taylor, A. W.C. 663 Teilacker, W. 366, 596 Teilig, G. 696 Thier, W. 559 Thomas, K. 695 Thomas, R. 463 Thomas, R. J. 219 Tiollais, R. 366 Todd, D. 559 Todd, Lord A. 696 Tolgyesi, W. S. 287 Trahanovsky, W. S. 504 Tramontini, M. 366 Autoren der Übersichtsartikel Wolf, D.E. 663 De Wolfe, R.H. 332 Wolff, H. 332 Woodgate, P.D. 558 Woodward, R.B. 219 Wright, G. F. 461 Wünsch, E. 332 Wulff, G. 397 Wynberg, H. 287 Y Young, D.W. 397 Z Zahler, R.E. 287 Zechmeister, L. 115 Zeeh, B. 640, 701 Zeller, K.P. 463, 640 Ziegenbein, W. 461 Ziegler, K. 333, 397, 463, 559 Zimmermann, R. 463 Zollinger, H. 639, 640 Zoltewicz, J. A. 287 Zweifel, G. 559 Zymalkowski, F. 559 763
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