Nr.3 DIE ZEIT SCHWARZ CYAN MAGENTA GELB Nr. 3 12. Januar 2006 61. Jahrgang Lesen, schauen, hören: www.zeit.de/musik C 7451 C Preis Deutschland 3,00 ¤ DKR 38,00 · FIN 5,80 ¤ · E 4,30 ¤ · F 4,30 ¤ · NL 3,90 ¤ · A 3,40 ¤ CHF 6,00 · I 4,30 ¤ · GR 5,00 ¤ · B 3,90 ¤ · P 4,30 ¤ · L 3,90 ¤ · HUF 1030,00 M E N S C H N E A N D E RTA L E R Der berühmteste Deutsche Keiner hat unser Menschenbild so verändert wie der Neandertaler. 150 Jahre nach seiner Entdeckung sagen uns die Forscher, wie er lebte – und wie er wirklich aussah Joschka Fischer: Mein Scharon Wie der Mann des Krieges den Frieden vorbereitet hat Seite 3 Die Welt hätte Ariel Scharon noch länger gebraucht Seite 2 Josef Joffe Der Kampf um die Nachfolge entscheidet über Israels Zukunft Gisela Dachs Seite 2 Wissen Seite 33–35 Ab ins »Netz 2006«: Fußball berührt alle Für jeden, der schon einmal gekickt hat: Das große Online-Spiel zur WM auf www.zeit.de und im Leben S. 61 Foto: Model-Kopf eines Neanderthalers, fotografiert in der Sonderausstellung »4 Millionen Jahre Mensch« im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart; United Exhibits/Science Photo Library / Agentur Focus Dr. Seltsam in Teheran Irans Führung will die Bombe. Gemeinsam könnten die Großmächte sie stoppen Von Michael naumann Der vermeidbare Tod Die Vogelgrippe kommt näher.Aber Deutschland ist auf die Seuche besser vorbereitet als die Türkei Von Andreas Sentker A riel Scharon wird Israel nicht mehr regieren. Bis auf Ägyptens Diktator Mubarak sind die Führer des nahöstlichen Ancien Régime aus der Geschichte abgetreten: Palästinas Jassir Arafat, Iraks Saddam Hussein, Syriens Hafis al-Assad, Saudi-Arabiens König Fahd. Gemeinsam pflegten sie ihre ohnmächtige Feindschaft mit Israel. Doch keiner von ihnen verfügte (anders als die Israelis) über die ultimative Waffe, die Atombombe. Ihre Nachfolger sind militärisch schwach und registrieren den neuen Nachbarn: die U. S. Army, mit 140 000 Soldaten auf dubioser Demokratisierungsmission im Irak. Solange die Amerikaner da sind, so lange wird es keine konventionellen Kriege mehr auf der arabischen Halbinsel geben. Nur ein islamischer Staat in der Region, Iran, lässt sich nicht zurückhalten auf seinem Weg zur nuklear bewaffneten Mittelmacht. Die »sehr, sehr verhängnisvollen Signale«, die Außenminister Frank-Walter Steinmeier aus Teheran vernommen hat, waren die bekannten: Die Mullahs pfeifen auf völkerrechtliche Bedenken und nehmen ihre Uran-Anreicherung wieder auf. An deren Ende steht atomwaffenfähiges Bombenmaterial. Am Dienstag drohte der Minister Iran mit »Folgen«. Selbst Russland und China zeigten sich »besorgt«. Doch deren Sorge grenzt an Heuchelei. Iran, viertgrößter Energielieferant der Welt mit 70 Millionen Einwohnern, wird 27 Jahre nach der Chomeini-Revolution immer noch geführt von einer alternden Mullah-Elite und neuerdings von einer nachdrängenden Kohorte vierzig- bis fünfzigjähriger gewalt- und kriegserprobter Revolutionsgardisten unter dem Präsidenten Mahmud Ahmadineschad. Im Parlament haben sie die Mehrheit. Im Kabinett sitzen mit Innenminister Pur-Mohammadi und »Informations«- (sprich: Geheimdienst-)Minister Mohseni Eschei zwei Schreibtischtäter, auf deren Konten die Leben von über 2800 iranischen Dissidenten gehen. Diese wurden 1988 ohne Gerichtsverfahren in ihren Gefängniszellen ermordet – Studenten, »linke« Oppositionelle, Regimegegner. Wenn Teherans Präsident fordert, »Israel von der Landkarte zu radieren«, dann meint er das ernst. Dass es verrückte Staaten gibt, wissen die Deutschen aus ihrer eigenen Geschichte. Irans Führung ist dabei, verrückt zu werden. Mit Nordkoreas Hilfe rüstet das Land seine Armee mit Raketen aus – ganz gewiss nicht für konventionelle Sprengköpfe. Mit Russlands Hilfe baut es Reaktoren, in denen waffenfähiges Plutonium hergestellt werden kann. Mit Pakistans Hilfe hat es gelernt, A-Bomben zu konstruieren. Ob es in einem halben Jahr (wie israelische Experten vermuten) oder erst in vier Jahren (wie die CIA glaubt) über Atomsprengköpfe verfügt, spielt kaum eine Rolle. Am 18. Januar sollte eigentlich in Wien die nächste Gesprächsrunde beginnen zwischen Delegierten Irans und Diplomaten Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands. Bisher ging es um die Frage: Ist das Land bereit, seinen so offenkundigen A-Bomben-Plänen abzuschwören oder nicht? Wahrscheinlich nicht. Worüber also noch verhandeln? Achtzehn Jahre lang hatten die Iraner kritische Teile ihrer Nuklearforschungslabors vor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) verborgen. Hinter doppelten Wänden eines Kraftwerks in Teheran entdeckten die Inspektoren im Februar 2003 Tausende Zentrifugen zur Uran-Anreicherung. Im Oktober desselben Jahres handelte Joschka Fischer in Teheran mit seinen Kollegen aus Paris und London eine Verpflichtung Irans aus, dieses Programm zu suspendieren. Doch von Jahr zu Jahr wurde klarer, dass die Regierung der Mullahs weder durch westliche Handelsangebote und Sicherheitsgarantien noch durch die Drohung eines israelischen Präventivangriffs zu beeindrucken war. Im Jahr 1981 hatte die Luftwaffe des damaligen israelischen Verteidigungsministers Scharon zwei Reaktoren Saddam Husseins bei Bagdad zerstört. Teheran hatte daraufhin seine nuklearen Rüstungs- und Forschungsanlagen auf über 80 zum Teil unterirdische Orte verteilt. Die amerikanische Forderung, Iran wegen Vertragsbruchs vor den UN-Sicherheitsrat zu zitieren, verschlägt bei den Mullahs nicht; sie haben sich der wirtschaftlichen Kooperation Russlands und Chinas versichert. Moskau hat Teheran vor einem Monat für eine Milliarde Dollar hochmoderne Abwehrraketen verkauft, hat außerdem einen ira- nischen Militärsatelliten ins Weltall befördert und baut den 1000-Megawatt-Reaktor in Buschir aus. Peking hat mit Teheran einen Öl- und Gaslieferungskontrakt über 20 Milliarden Dollar geschlossen. Beide Veto-Mächte werden UN-Sanktionen gegen Iran zu verhindern wissen. Israelische Militärs hatten sich selbst bis zum März dieses Jahres eine Frist gesetzt: Sollte bis dahin Iran nicht vor den UN-Sicherheitsrat zitiert worden sein, wäre der point of no return überschritten. Liegt er auf jener »Linie«, die Steinmeier am Dienstag ins Spiel brachte? Die israelische Luftwaffe besitzt 500 hochmoderne Bunkerknacker-Bomben aus dem US-Arsenal. Doch in Wirklichkeit gibt es für Israel keine ernsthaften militärischen Optionen: Weder kann es als Hilfssheriff Washingtons auftreten, noch könnte es eine iranische Wiederaufrüstung verhindern. Mehr noch, auf Bombardements würde Teheran mit verstärktem Terror von Hisbollah und Hamas, zwei alten Kunden der Mullahs, reagieren. Bleibt also nur eine politische Lösung. Die aber hat sich die westliche Allianz bisher selbst verbaut. Die EU-Troika legte allerlei politische und wirtschaftliche Zuckerbrot-Angebote im Tausch gegen nukleares Wohlverhalten Irans auf den Tisch. Die Amerikaner drohten von fern mit der Peitsche und mit Verwünschungen. Mit dieser kuriosen Arbeitsteilung ließ sich kein politisch-psychologischer Druck aufbauen. Iran hatte zudem das Beispiel des anderen, des nordkoreanischen »Schurkenstaats« (George W. Bush) vor Augen. Weil er Atomwaffen besitzt, wird er nicht angegriffen. Für die Mehrheit der Iraner wäre die eigene Atombombe ein nationales Symbol nicht nur militärischer, sondern auch kultureller Gleichwertigkeit mit dem Westen. Ein Regime-Wechsel mit Unterstützung des Volkes liegt darum in weiter Ferne. Für den Westen und für Israel bietet sich nur eine letzte Strategie an: Bei Strafe der völligen wirtschaftlichen und absoluten diplomatischen Isolation wird Iran aufgefordert, stehen zu bleiben im Kreis der nuklearwaffenfreien Nationen der Welt. Dies aber setzt voraus, dass sich Russland und China von ihren geopolitischen Träumen am Golf verabschiedeten – und dass die nuklearen Großmächte endlich selbst ein Vorbild gäben. Mehr als 27 000 nukleare Sprengköpfe in ihren Arsenalen ruinieren jedes Abrüstungsargument. So bleibt denn, wenn auch die nächste Gesprächsrunde ergebnislos verlaufen wird, nur eine Gewissheit: Iran wird sich atomar bewaffnen, und die Mächtigen unter den Nationen schauen zu, ohne etwas tun zu können – oder zu wollen. Doch wenn der politische Irrsinn zur Atombombe strebt, ohne dass ihm die Stärkeren und Vernünftigeren in den Arm fallen, wird das Verhängnis, von dem Berlins Außenminister spricht, seinen Lauf nehmen. Audio a www.zeit.de/audio E s sind Bilder wie aus dem Mittelalter, die uns aus der Türkei erreichen; so primitiv sieht die Hatz auf Hühner, Gänse und Enten aus. Wären da nicht die Schutzmasken der Häscher, ihre Plastiktüten, in die sie hastig das Geflügel stopfen, kopfüber und noch lebend. Wären da nicht Bulldozer, die Gruben zuschieben, in denen inzwischen mehr als 100 000 Tiere liegen. Es sind Nachrichten wie aus einer unaufgeklärten Zeit. Menschen sterben an Unwissen. Kinder zahlen mit ihrem Leben für die Armut und Ahnungslosigkeit der Eltern, die auch todkranke Tiere noch schlachten und auf den Tisch bringen. All dies hätte verhindert werden können. Erste Fälle von Vogelgrippe waren bereits im Oktober im Süden von Ankara bei Wildvögeln nachgewiesen worden. Die Nachricht vom Eindringen der Tierseuche hat Teile des Landes offenbar bis heute nicht erreicht. Mangelnde Aufklärung, Täuschung, Verschleppung von Informationen – die Vorwürfe an die türkischen Behörden sind berechtigt. In Asien wurden bisher vorsorglich mehr als 150 Millionen Tiere getötet, die Türkei zögerte viel zu lange. Noch heute verstecken Kleinbauern ihre Vögel, zu niedrig sind die von der Regierung versprochenen Entschädigungen für gekeulte Tiere. Noch heute sammeln Kinder die Eier aus dem Kot, rupfen auf den traditionellen Märkten das Federvieh. nik hält sich in Grenzen – zu Recht. Die ersten Todesopfer des Grippevirus H5N1 außerhalb Asiens haben die Bedrohung stärker ins Bewusstsein gerückt – aber nicht wachsen lassen. Noch immer ist die Vogelgrippe eine Tierseuche. Noch immer wird der Erreger nicht von Mensch zu Mensch übertragen. Gerade die Todesfälle in der Türkei zeigen in grausamer Klarheit, wie leicht sich der Mensch vor der Tierseuche schützen kann: Hühner gehören nicht ins Haus, Schlachtabfälle sind kein Spielzeug, kranke Tiere keine Lebensmittel. Und doch wächst eine berechtigte Sorge: Die Tierseuche ist näher an Europa herangerückt und damit auch an die großen Geflügelbestände in Niedersachsen oder den Niederlanden. Die Tiere sind schwerer zu schützen als die Menschen. Sie zu impfen verbietet sich, weil bei den bisher zur Verfügung stehenden Vakzinen geimpfte Tiere nicht von erkrankten zu unterscheiden sind – und sich eine mögliche Seuche so der Kontrolle entzieht. Die Parole wird also wieder lauten: Ab in den Stall. Wichtige Vogelzugrouten führen über das östliche Mittelmeer und die Türkei. Bald werden Gänse und Störche zurückkehren. Sollte die Türkei die Seuche bis dahin nicht in den Griff bekommen haben, droht Europa die Ausbreitung der Krankheit – mit gravierenden wirtschaftlichen Folgen. Schon jetzt hat Verbraucherschutzminister Horst Seehofer angekündigt, Hühner und anderes Federvieh von Anfang März bis Anfang April wieder in die Ställe zu sperren. Die Proteste dagegen dürften leiser ausfallen als noch im Spätherbst. Das Einsperren mag die Tiere belasten, die sich im Stress bedrängen. Es mag die Biobauern belasten, die ihren Freilandhühnern ein Dach über dem Kopf bauen müssen. Aber es ist unvermeidbar. Akut lauert die Gefahr anderswo: in Kof- Das Entsetzen in Europa ist groß, die Pa- Atomkraft? Vielleicht! Der Strompreis steigt, und die Atomlobby wittert ihre Chance Illustration: Smetek für DIE ZEIT, www. smetek.de; Foto o. r. [M]: Elizabeth Dalziel/AP Cerstin Gammelin und Fritz Vorholz Nicht aus der Steckdose: Woher Deutschlands Energie kommt Wirtschaft S. 19/20 fern und Reisetaschen. Nach dem Ende des islamischen Opferfestes kehren Tausende von Heimreisenden aus der Türkei nach Deutschland zurück – viele von ihnen mit kulinarischen Mitbringseln im Gepäck. In illegalen Fleisch- und Tierimporten sehen Experten derzeit das größte Risiko für eine Einschleppung der Seuche. Aber Deutschland ist besser denn je auf einen möglichen Ausbruch vorbereitet. Grenzkontrollen und hohe Geldstrafen schrecken Schwarzimporteure ab. Schon vor drei Jahren haben deutsche Behörden zeigen können, dass sie für den Ernstfall gerüstet sind: Ein Ausbruch der Geflügelseuche in niederländischen Ställen traf nur einen einzigen deutschen Hof. Auch für die Bevölkerung ist besser vorgesorgt. Medikamente können Leben retten, sollte die Krankheit je auf den Menschen überspringen. Und nach langem Drängen der Weltgesundheitsorganisation liegt auch in Deutschland endlich ein nationaler Pandemieplan vor. Vor allem aber gibt es hierzulande ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Gefahr. Wissen rettet Leben. Daran hat es in der Türkei gefehlt. Siehe auch Wissen, Seite 36 Audio a www.zeit.de/audio ZEIT Online GmbH: www.zeit.de; ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 20079 Hamburg Telefon 040 / 32 80 - 0; E-Mail:
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[email protected] *) 0,12 ¤/Min. aus dem deutschen Festnetz Nr. 3 DIE ZEIT S. 1 SCHWARZ CYAN MAGENTA GELB Nr. 3 DIE ZEIT S. 2 SCHWARZ cyan magenta yellow 2 POLITIK er hätte je die betretenen Gesichter auf den Bildschirmen erwartet, als die Nachricht vom Todeskampf des Ariel (»Löwe Gottes«) Scharon um die Welt ging? Den respektvollen Ton, die gefurchte Stirn? Sprachen sie von jenem Mann, der noch vor kurzem den Gottseibeiuns geben musste, vom »Schlächter« und »Kriegsverbrecher«, den selbst israelische Linke mit Nero verglichen hatten? Menachem Begins Kassenwart Simcha Ehrlich (so sollte kein Finanzminister heißen) tobte gar, dass Scharon seine Gegner ins KZ sperren würde, wenn er könnte. Geradezu liebevoll klingt dagegen der Autor Joram Kaniuk: »Ich habe Scharon stets gemocht – aber auch Angst vor ihm gehabt.« Angst hat er immer verbreitet, seitdem er als Sechsjähriger mit einem Knüppel durch sein Heimatdorf Kfar Malal zog. Die Scheinermanns (so hießen die russischen Eltern) waren mangels sozialistischer Gesinnung nicht sehr beliebt in der Genossenschaft, und das kriegte auch der Kleine zu spüren, der so sehr früh zu kämpfen lernte. Ferndiagnostiker behaupten, dass auch Scharons Leibesfülle auf diese Kindheit zurückzuführen sei: Da er sich von Vaters Erdnüssen und Avocados ernähren musste, sei er zum Liebhaber kalorienund vor allem mengenreicher Kost geworden. Sie haben ihn den »Bulldozer« genannt, den Mann, der »bei Rot nie anhält« (so der Titel einer Biografie). Er selbst nannte sich »The Warrior« (»Krieger«) in seinen Memoiren. Den treffendsten Titel aber liefert das Boxkampf-Vokabular: the Comeback-Kid. Denn seit Lazarus ist kein Mensch so oft wieder auferstanden wie Ariel Scharon – außer seinem Erzfeind Jassir Arafat, der verbreitete, Scharon habe ihn 13-mal umbringen wollen. Wer gern in der Psyche stochert, wird in Latrun anfangen, bei der Kreuzfahrerburg auf dem Weg nach Jerusalem. Dort war Scharon als 20-jähriger Zugführer im Unabhängigkeitskrieg 1948 in einen schlecht vorbereiteten Angriff gezogen, den nur vier seiner 35 Mann überstanden. Schwer verletzt, schleppte er sich zu einem Schlammloch, wo sich das Blut der Verwundeten mit der dreckigen Brühe mischte. »Ich starb vor Durst, ich zögerte, dann trank ich gierig die grün-rote Soße. Das war die größte Anstrengung meines Lebens.« Und der Stempel, der ihn prägte: kämpfen bis zum Letzten, überleben bis zum Letzten. 12. Januar 2006 DIE ZEIT Nr.3 »Eigentlich interessiert mich Politik nicht, aber wir wollen nicht, dass Scharon stirbt. Er ist ein guter Politiker.« Dror Jaron, israelischer Jugendlicher, nachdem Israels Premierminister eine Gehirnblutung erlitten hatte W »Immer habe ich darauf gewartet, dass Scharon endlich stirbt. Aber ich hatte gehofft, dass er durch eine Kugel stirbt.« Eine Palästinenserin, die in einem libanesischen Flüchtlingslager lebt »Nehmt meine zwei Frauen, aber bitte lasst mir meine Hühner. Sie sind mein Ein und Alles.« Ein türkischer Bauer, der nach dem Ausbruch der Vogelgrippe um sein Federvieh fürchtete »Es ist immer noch eine Tierseuche, die sporadisch und bei engem Kontakt mit infiziertem Geflügel auf den Menschen übergreift.« Klaus Stöhr, Leiter des Influenza-Programms der WHO, zur Vogelgrippe und zu deren Gefährlichkeit für Menschen »Für den Rest meiner Tage werde ich ungeheure Traurigkeit in meinem Herzen spüren und Bedauern über meine Fehler.« Jack Abramoff, amerikanischer Exlobbyist, der wegen Bestechung einflussreicher republikanischer Politiker vor Gericht steht König von Israel Haudrauf, Kriegsheld, Expansionist, Friedensfürst – die wundersamen Wandlungen des Ariel Scharon Von Josef joffe Scharon hat den Terror nicht besiegt, aber reduziert Der zweite Wandel war ein paradigmatischer: nicht mehr »Land für Frieden«, sondern »Land für Sicherheit«. Der Unterschied? Er lag in der Erkenntnis, dass Israel, obgleich regionale Supermacht, weder über ein fremdes Volk herrschen noch mit ihm Frieden schließen könne. Für Frieden war Arafat, der den Terror zugleich negierte und nutzte, der Falsche – und sein Nachfolger Machmud Abbas ebenfalls, weil er zu schwach war, Hamas et al. zu entwaffnen. Fazit: kein Krieg, kein Frieden, kein »Oslo«, kein »Camp David«, sondern Trennung durch Abzug und Zaun. Ein anonymer Berater drückte es im New York Times Magazine so aus: Die Barriere sei »eine physische und mentale Mauer; wir wollen den Arabern den Rücken zuwenden und mit ihnen nichts mehr zu tun haben. Wir wollen nicht mehr zum Nahen Osten gehören.« Oder so: Vielleicht schaffen sich die Palästinenser einen funktionierenden Staat, vielleicht nicht (zurzeit, da in Gaza der Machtkampf aller gegen alle tobt, eher nicht). Dann sehen wir weiter. Ein linker Literat wie Amos Oz sieht es ähnlich: »In Camp David offerierte Barak einen Palästinenserstaat auf 94 Prozent der besetzten Gebiete, plus Gebietsaustausch, plus Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Arafat lehnte ab. Jetzt befürchte ich, dass sie Palästina auf dem Schlachtfeld, nicht am Verhandlungstisch gründen wollen. Das ist heroischer, machomäßiger.« Das dritte Element war der »alte« Scharon par excellence: ein ebenso gnadenloser wie erfolgreicher Kämpfer gegen den Terror. Er ließ die Armee in das Westjordanland einmarschieren, machte »gezielte Tötungen« zum Programm gegen jene, die die Bomben auf zwei Beinen losschickten. Die Statistik gibt ihm Recht. 2002 wurden 452 Israelis umgebracht, 2003 waren es 214, 2004 117, 2005 nur noch 45. Scharon hat den Terror nicht besiegt, aber reduziert – auf ein Zehntel. Deshalb sind ihm die Israelis beim Gaza-Abzug gefolgt, deshalb waren sie nach Umfragen bereit, seiner neuen Partei Vorwärts die Löwenanteile der Sitze in den Märzwahlen zuzugestehen. Vor drei Jahren fragte ihn Vanity Fair, wie sein Nachruf beginnen sollte. »Ich weiß nicht, es ist noch zu früh.« Im April 2005 entschuldigte er sich bei seinem Kabinett, weil er seine Tante begraben müsse. »Freut euch nicht zu früh. Sie war 100; in meiner Familie sind wir sehr langlebig.« Heute wünscht sich die Welt, dass Scharon so zäh wäre wie seine Tante. Warum? Weil er einer der wenigen ist, die Führung nicht mit »Basta« und Wandlungsfähigkeit nicht mit Opportunismus verwechseln? Schon verschwindet die Antwort im Mythos. Ein Comeback wird diesmal nicht sein. »Warum hat man uns angelogen? Man hat uns Hoffnung gemacht. So etwas tut man einfach nicht.« Anna Casto, Cousine eines bei einem Grubenunglück getöteten amerikanischen Bergmanns, von dem es erst geheißen hatte, er und seine Kollegen hätten überlebt »Ich verliere langsam die Geduld, die internationale Gemeinschaft verliert langsam die Geduld.« Mohamed ElBaradei, Chef der internationalen Atomkontrollbehörde IAEA, zum Nuklearstreit mit Iran »Russisches Gas bleibt das Rückgrat der Energieversorgung der EU.« Martin Bartenstein, österreichischer Wirtschaftsminister, zum europäischen Energiemix angesichts fehlender eigener Energiequellen »Der Koalitionsvertrag ist das eine, die Zusammenarbeit über eine längere Wegstrecke das andere.« Michael Glos, Bundeswirtschaftsminister, CSU, zur Verbindlichkeit des Koalitionsvertrags, der am Atomausstieg festhält »Die Wähler wollen keinen Streit.« Christoph Böhr, rheinland-pfälzischer CDU-Vize, zum aktuellen Gerangel in der Großen Koalition Seine charakterliche Mängelliste ist so lang wie die seiner Großtaten Der Tod hat ihn nie losgelassen. Seine erste Frau starb, seine zweite starb, ein kleiner Sohn kam bei einem Schießunfall ums Leben. Er hat in allen fünf Kriegen von 1948 bis 1982 gekämpft – mutig bis zum Leichtsinn, verwegen bis zur Verantwortungslosigkeit. Die Lehre? »Ich habe so viele Gefahren überwunden; es berührt mich nicht.« Das ist das Motto aller mythischen Helden von Achill bis Siegfried. Zum Heldendasein gehört freilich auch der mörderische Makel, der zum Verhängnis wird. Scharon aber, dessen 78. Geburtstag am 27. Februar ansteht, wird friedlich im Bett sterben – obwohl seine charakterliche Mängelliste so lang ist wie die seiner Großtaten. Mehr noch: Dieser Comeback-Artist hat immer wieder auch dem politischen Tod getrotzt. Zum Beispiel nach der Episode »Einheit 101«, einer Anti-Terror-Truppe, die ihm 1953 übertragen wurde. Sie hat die Araber das Fürchten gelehrt, aber auch 69 Zivilisten in dem Westjordan- »Der Konjunktur, die leicht anzieht, Schwung zu geben ist etwas Wichtiges und in diesem Programm vernünftig festgelegt.« Angela Merkel, Bundeskanzlerin, zum Maßnahmenpaket, das die Große Koalition bei ihrer Klausurtagung beschlossen hat " ZEITSPIEGEL Gemischtes Golf Die Europäische Union lässt keine Gelegenheit aus, ihre Beliebtheit auf den Britischen Inseln zu steigern. Nachdem der Streit ums Geld gerade glücklich beendet wurde, trifft die neueste Attacke aus Brüssel mitten ins Herz britischer Traditionshüter: Viele Golfclubs haben ein Regelwerk, das der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie widerspricht. Clubbars, die nur männlichen Mitgliedern zugänglich sind, oder begrenzte Spielzeiten für weibliche Clubmitglieder werden deshalb bald der Vergangenheit angehören. Schon trommelt die Presse zum Widerstand und sucht nach Wegen, die Brüsseler Regel zu umgehen. »Reine Männerclubs« könnten nicht verboten werden, war zu lesen, denn diese seien vom Recht auf Versammlungsfreiheit geschützt. »Das ist schon möglich«, antwortet der britische Zivilanwalt Lord Lester of Herne Hill, selbst Mitglied der traditionsverliebten Oberschicht. Allerdings würden diese reinen Männerclubs bestimmt eine traurige Exis- tenz führen. »Gemischtes Golf macht doch einfach viel mehr Spaß.« ish Scharon hat immer Angst verbreitet Der Nachfolger des Riesen wird gesucht Tel Aviv atürlich träumte Ehud Olmert davon, ganz nach oben zu kommen. Aber er hatte sich bestimmt weniger tragische Umstände gewünscht, die ihm nachts plötzlich alle Verantwortung des Ministerpräsidenten übertragen haben. Seither sitzt Ariel Scharons Stellvertreter neben einem leeren Kabinettssessel und leitet mit staatsmännischer Gelassenheit die Geschäfte. Das vermittelt Kontinuität in der Krise. Ariel Scharons Schlaganfall beschäftigt das Land rund um die Uhr. Die Parallele zu dem Schock über Rabins gewaltsamen Tod vor zehn Jahren mag ein wenig überzogen sein, doch fühlen sich viele Israelis ähnlich verwaist. Wieder entschwindet eine Vaterfigur der Gründergeneration, die in der Krise Halt und Zuversicht ausstrahlte. Wie einst Rabin hatte auch Ariel Scharon gerade erst einen neuen Weg eingeschlagen, der eine bessere Zukunft verhieß. Olmert, früher einmal sein Parteirivale ohne Chancen, war dabei sein nächster Vertrauter. Ihm wird die Autorenschaft für den Abzug aus dem Gaza-Streifen zugeschrieben. Er folgte Scharon als Erster aus dem Likud in dessen neue Zentrumspartei Kadima. Olmert war seine inoffizielle Nummer zwei, die genauen Listenplätze hatte Scharon in diesen Tagen festlegen wollen. Dazu kommt es nun nicht mehr. Jetzt muss Olmert die Gruppierung aus prominenten Abtrünnigen aus Likud und Arbeitspartei zusammenhalten. Sie hatten sich ideologisch und persönlich um einen Mann geschart. Kann Olmert es schaffen, die Popularität von Kadima ohne ihren Gründer zu erhalten? Die jüngsten Umfragen zumindest sind optimistisch. Demnach würde Kadima auch mit Olmert an der Spitze bei den Wahlen Ende März mit Abstand die meisten Knesset-Sitze erhalten. Bis dahin aber kann noch vieles passieren. Es ist die große Prüfung für den 60-jährigen ehemaligen Bürgermeister von Jerusalem. In Scharons Fußstapfen wird er so schnell nicht treten können. Zwar gilt er als ein erfahrener Politiker, doch N Ariel Scharons neue Kadima-Partei ist plötzlich ohne ihren Gründervater. Jetzt muss sein Nachfolger Ehud Olmert dessen Erbe sichern Von Gisela Dachs Doppel-Gockel Der Geist François Mitterrands, des vor zehn Jahren verstorbenen Präsidenten der Französischen Republik, hat Paris noch nicht verlassen. Wie ehedem wird er glühend verehrt oder leidenschaftlich gehasst. Gleichgültig lässt er keinen. Auch nicht seine ehemaligen politischen Gegner. Denn der Wettlauf um die politische Macht glich lange Zeit jenem zwischen Hase und Igel: Wo immer die Konservativen hinkamen, François Mitterrand war schon da. Böse Zungen behaupten, Mitterrand müsse heute noch fester Bestandteil der Albträume seines Nachfolgers Jacques Chirac sein. Kein Wunder also, dass Innenminister Nicolas Sarkozy, der Chirac bei jeder Gelegenheit zusetzt, mit warmen Worten über Mitterrand spricht. Seine Lieblingserinnerung stamme aus dem Jahre 1994, erzählt Sarkozy dieser Tage. Damals seien sie spazieren gegangen und hätten über Politik geplaudert. Plötzlich habe der 78jährige Mitterrand dem 39 Jahre alten Sarkozy die Hand auf den Arm gelegt und ihn ermahnt: »Wissen Sie, ich habe 30 Jahre gebraucht, um dort anzukommen, wo ich jetzt bin.« Leider verrät Sarko nicht, ob dies der Augenblick war, in dem er beschloss, für seinen Weg ins Amt des Präsidenten unter allen Umständen weniger als 30 Jahre zu brauchen. ISH der Image-Unterschied ist zu groß zwischen dem einstigen Kriegshelden Scharon und Olmert, der einen Teil seines Militärdienstes als Reporter für die Armeezeitung Bamahane verbracht hat. Eine große Anhängerschaft hatte er nie. Dass sich der einst jüngste Abgeordnete der Knesset ideologisch immer wieder im Zickzack bewegte, trägt dazu bei. In den achtziger Jahren war er schon einmal von der traditionellen Likud-Linie abgewichen, als er sich für eine palästinensische Autonomie einsetzte. Doch mit seinem Einzug ins Rathaus von Jerusalem wurde er schnell wieder zum SiedlerFreund. Heute ist er davon überzeugt, dass auf den Abzug aus dem Gaza-Streifen ein weiterer aus dem Westjordanland folgen muss. Mit oder ohne Abkommen mit den Palästinensern. Scharon mag ähnlich gedacht haben, doch hielt er sich mit solchen Erklärungen zurück. Mit seinem gewaltigen Vertrauensvorschuss bei den Wählern konnte er es sich erlauben, die Karten eng bei sich zu behalten. Olmert wird sein Erbe klarer formulieren müssen. Beim Abzug aus Gaza stand Scharon auch eine Ministerin zur Seite, Zipi Livni, der viele noch eine große Zukunft voraussagen. Ohne sie wäre der Abzug womöglich gar nicht zustande gekommen. Vor der wichtigsten Abstimmung im Kabinett hatte sie zwischen Scharon und seinen Gegnern vermittelt, um im letzten Moment doch noch eine Stimmenmehrheit zu erreichen. Der so genannte LivniKompromiss ermöglichte schließlich die Absegnung des Plans – und rettete Scharon. Livni, 47, zurzeit noch Justizministerin, stammt wie Olmert aus einem rechten Elternhaus. Beide Väter gehörten der Untergrundbewegung Etzel an und waren Abgeordnete der Herut-Partei, aus der später der Likud hervorging. Das von Rabin unterschriebene Osloer Abkommen vor zwölf Jahren betrachtete Livni, damals noch Rechtsanwältin beim Mossad, als schweren Fehler. In den vergangenen Jahren aber rückte sie immer mehr nach links, bis sie im Likud keinen Platz mehr fand. Sie sei in die Politik gegangen, um die Dinge zu verändern und nicht nur um als Politikerin zu überleben, sagte sie, nachdem sie sich Kadima angeschlossen hatte. Dort wird sie jetzt als künftige Außenministerin gehandelt. Aus ihrer Feder stammt das Parteiprogramm von Kadima. Allerdings ist dort vieles noch sehr vage gehalten. Fortschritte im Friedensprozess seien ein zentrales Ziel, heißt es dort. Von der Festlegung der künftigen Grenzen ist die Rede und von einem Palästinenserstaat. Israels Zustimmung aber werde davon abhängen, dass dieser »die komplette Lösung für alle Palästinenser ist, einschließlich der Flüchtlinge«. Scharon glaubte nicht an große Friedensabkommen. Er wollte lieber für Schritte sorgen, die zu weniger Reibungsfläche mit den Palästinensern führten. Er gehöre einer Generation an, die der anderen Seite prinzipiell nicht vertraue, hatte er einmal gesagt, was ihn von den jüngeren Politikern unterscheide. Offen ist, ob seine Nachfolger in Kadima, sollten sie Ende März tatsächlich das Ruder übernehmen, weiter seine Doktrin der einseitigen Schritte verfolgen oder doch wieder Verhandlungen mit den Palästinensern aufnehmen. Das wird aber nicht allein von ihnen abhängen. Zunächst muss Olmert darüber entscheiden, ob die Palästinenser bei den Wahlen am 25. Januar auch im (von Israel annektierten) Ostteil Jerusalems zur Urne gehen dürfen. Denn andernfalls droht Präsident Machmud Abbas mit einer Verschiebung der Wahlen. Seiner zerstrittenen FatahPartei, die große Verluste fürchtet, könnte das nur recht sein. Doch wäre Israel schlecht beraten, den Vorwand dafür zu liefern. Und sollten die Wahlen wie geplant stattfinden, weiß keiner, wie viele Stimmen die Hamas gewinnen wird. Ein Karikaturist fasste Olmerts weitere unmittelbaren Probleme in einer Sprechblase zusammen: »Katjuschas, Kassams und die iranische Bombe«. Tatsächlich feuerte Hisbollah vor kurzem eine Katjuscha auf Kirjat Schmonah, und nach einem Angriff aus Gaza wurde nun auch aus dem Westjordanland erstmals eine Kassam-Rakete abgeschossen. Erfahrungsgemäß intensivieren sich Angriffe auf Israel in Krisenzeiten. Scharons Abgang hat das Thema »Sicherheit« wieder ganz groß in den Vordergrund gerückt. Für Amir Peretz bedeutet das Verlust. Der Spitzenkandidat der Arbeitspartei hatte gehofft, dass in Israel endlich die Zeit gekommen wäre, die sozialen Nöte der Bevölkerung ins Zentrum eines Wahlkampfs zu stellen. Das war seine Trumpfkarte, die an Wert verloren hat – auch wenn linke ScharonFans jetzt wieder zur Arbeitspartei zurückkommen sollten. Nach den jüngsten Umfragen würde es die Arbeitspartei unter dem unerfahrenen Peretz auf weniger als 20 Knesset-Sitze bringen. Für Benjamin Netanjahu hingegen ist Scharons Abgang ein Gewinn. Der Likud-Chef, dem Scharon nur mehr eine drittklassige Rumpfpartei hinterlassen hatte (heute würde sie höchstens 15 Sitze erringen), denkt zurück an die Wahlen nach Rabins Tod, an die Serie von Selbstmordanschlägen, die ihn damals an die Macht bombten, und macht sich wieder Hoffnungen – auch wenn die allerwenigsten Israelis von ihm einen Gebrauchtwagen kaufen würden. Zwischen beiden repräsentiert Olmert die Kontinuität eines neuen, überaus populären Weges, den Scharon gerade erst eingeschlagen hat. Gäbe es jetzt Wahlen, wäre Kadima mit 40 Sitzen die stärkste Partei. Olmert verbleiben weniger als hundert Tage, um zu zeigen, dass die Zentrumspartei auch ohne ihren Gründer eine vielversprechende Zukunft hat. Nr. 3 DIE ZEIT S. 2 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: Gil Cohen Magen/Reuters " WORTE DER WOCHE land-Städtchen Kibbiah umgebracht. Nach heftiger Kritik wurde sie aufgelöst, Scharon, der Mann fürs Blutige und Riskante, aber nicht geschasst. Ebenso rücksichtslos ging er mit dem militärischen Reglement um. Im Sueskrieg 1956 hatte Scharon Order, im Sinai vor dem Mitla-Pass anzuhalten. Der Ruhmsüchtige aber provozierte ägyptische Angriffe, um so einen Vorwand für die Eroberung des Passes zu haben. Pech nur, dass dort eine überlegene Streitmacht auf ihn lauerte. 38 Israelis fielen, 120 wurden verwundet. Nur knapp schrammte Scharon am Kriegsgericht vorbei. Aus dieser Zeit stammt auch der Tagebucheintrag von »Gründervater« David Ben-Gurion: »Ein origineller, visionärer junger Mann. Wenn er den Fehler vermeidet, die Unwahrheit zu sagen und ins Gerede zu kommen, wird er zu einem außergewöhnlichen militärischen Führer heranwachsen.« Der wurde er. Jedenfalls gewann er im Sechstage- wie im Jom-Kippur-Krieg die entscheidenden Schlachten. Die Panzerschlacht von Abu Ageila öffnete 1967 den Weg zum Sueskanal, aber der Kriegsheld musste bald erkennen, dass sie ihn, den Ungezügelten, nicht zum Generalstabschef machen würden. 1973 nahm er Abschied – bis zum nächsten Comeback, als im Oktober der JomKippur-Krieg ausbrach. Israels Überleben schien im Zweifrontenkrieg auf der Kippe zu stehen. Wer wollte sich da noch um den militärischen comment sorgen? Scharon bekam eine Panzerdivision und stieß über den Sueskanal Richtung Kairo vor. Wieder hatte er gegen »Halt!«-Befehle verstoßen. Diesmal landete er vor einem Militärtribunal, das ihn, den die Soldaten als »König von Israel« feierten, freisprach, weil er, ja nun, den Krieg gewonnen hatte. Trotzdem musste er 1974 gehen. Karriere zu Ende? Jetzt fing sie erst richtig an. Er gründet eine Partei, Frieden für Zion, greift sich dann die müde Rechtspartei Cherut und vereint sie mit den Liberalen zu jenem Likud, der unter Begin 1977 die Linke aus der Macht vertreibt. In den nächsten Jahren mausert sich der General zum politischen Ein-Mann-Establishment – als Minister für fast alles: Agrar, Verteidigung, Handel, Bau, Außen. Als Verteidigungsminister führt (verführt) er sein Land 1982 in den törichtsten aller Kriege. Er wolle nur ein bisschen im Südlibanon aufräumen, gaukelt er Premier Begin vor. Tatsächlich marschiert Scharon bis Beirut, um dort ein genehmes Regime zu installieren. Der Vorstoß währt 18 Jahre, und Scharon muss demissionieren, weil ihm eine Untersuchungskommission »Mitverantwortung« am Massaker von 800 Palästinensern durch libanesische Falangisten bescheinigt. Ende? Es folgt das allergrößte Comeback. Von einem Vertrauten, Uri Dan, stammt der Satz: Wer Scharon nicht als Generalstabschef will, bekommt ihn als Verteidigungschef; wer ihm den verweigert, kriegt ihn als Premier. So geschah es am 6. Februar 2001, als Scharon gegen Ehud Barak triumphierte. Hat er die Intifada, die ihn an die Macht brachte, mit seinem Ausflug auf den Tempelberg provoziert? Marwan Barguti, der talentierteste Palästinenserführer, der wegen Mordes in Israel einsitzt, verneint es. »Die Explosion hätte auch ohne ihn stattgefunden. Aber Scharon lieferte einen guten Vorwand. Er ist ein verhasster Mann.« Trotzdem begann damals die wundersame Wandlung des Ariel Scharon, die vergangene Woche für Genesungswünsche aus aller Welt, inklusive der arabischen sorgte. Der Siedlungsstratege, der Mann, der immer nur bis zum nächsten Sieg denken konnte, als weltweiter Trauerfall? War es die Altersweisheit, der Wunsch, nicht als Kriegs-, sondern als Friedensherr in die Geschichte einzugehen? Plötzlich sprach Scharon von einem Palästinenserstaat, von schmerzlichen Zugeständnissen. »Glauben Sie mir,« beteuerte er im Gespräch mit der ZEIT Ende 2001, »ich verstehe den Vorrang des Friedens besser als viele Politiker, die nie im Krieg gewesen sind.« Die Wahrheit ist komplizierter. Wie alle überlebensgroßen Führer war auch Scharon einer, der zugleich zieht und gezogen wird, der das Volk führt, indem er spürt, wo es hinwill. Und das wollte weg von den Palästinensern, weg auch von den Siedlern, die Israel als Geisel genommen hatte. Hier begann der Gaza-Abzug zu keimen. Nr. 3 DIE ZEIT S. 3 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. Januar 2006 DIE ZEIT Nr.3 POLITIK 3 Es gibt keinen Weg zurück Ariel Scharon war nie ein Mann des Friedens.Trotzdem hat er mit dem Rückzug aus Gaza eine historische Wende eingeleitet Von Joschka Fischer Ein jüdischer Siedler protestiert gegen die von Ariel Scharon angeordnete Räumung des Gaza-Streifens im August 2005 I srael bangt um das Leben seines Premierministers. An Ariel Scharons Person haben sich die Geister immer radikal geschieden. Denn er war weder als Politiker noch gar als Militär ein Mann des Friedens. Seine 1989 in Englisch erschienene Autobiografie hat er mit der Selbstkennzeichnung Warrior (Krieger) überschrieben, und dennoch sind es heute vor allem das Friedenslager und die politischen Kräfte der Mäßigung und der Vernunft, die in Israel und in der ganzen Welt um seine Gesundheit, ja um sein Leben bangen. Ariel Scharon war unerschütterlich von der Notwendigkeit der militärischen Überlegenheit Israels überzeugt, weil er nur so das Überleben des Staates und der Nation gesichert sah. Er ist zuerst und vor allem immer Soldat gewesen, der durch die Kriege Israels um seine staatliche und nationale Existenz seit 1948 bis heute zutiefst geprägt wurde. Gleichwohl war und ist das Bild von Ariel Scharon ein extrem zwiespältiges. Sein militärischer Ruhm gründet auf die von ihm eigenmächtig befohlene Überquerung des Sueskanals im Jom-Kippur-Krieg 1973. Im krassen Gegensatz dazu steht seine Verantwortung als damaliger Verteidigungsminister Israels für den fatalen Libanonkrieg 1982 und die dadurch verursachten Tragödien. Er war der politische Ziehvater der territorialen Expansion und damit der israelischen Siedlungsbewegung. Und er glaubte niemals ernsthaft an die Möglichkeit eines Friedens mit den Palästinensern und schon gar nicht mit Jassir Arafat. Dennoch war es ebendieser »Krieger« und »Vater der Siedlungen«, der den Rückzug Israels aus Gaza gegen alle innenpolitischen Widerstände durchgesetzt hat. Und heute bangt die Welt um die Gesundheit von Ariel Scharon, weil mit ihm ganz wesentlich die Hoffnungen auf einen Fortschritt in den israelisch-palästinensischen Beziehungen verknüpft werden. Ich bin Ariel Scharon während der fünf Jahre seiner bisherigen Amtszeit als Premierminister Israels viele Male begegnet, meistens in seinem Büro im Amt des Ministerpräsidenten und fast immer unter vier oder acht Augen. Die Gespräche mit ihm waren immer vertrauensvoll und gerade deshalb offen und direkt in der Sache. Und »die Sache« handelte meistens vom israelisch-palästinensischen, vom israelisch-arabischen Konflikt und der Entwicklung der gesamten Region. Operative Zusagen, die er mir gegenüber gemacht hatte, hat er immer eingehalten, wobei es alles andere als einfach war, eine Zusage von ihm zu erhalten. Und es ist erst wenige Wochen her, dass ich ihm in seinem Büro in einem Gespräch gegenüber gesessen habe. Selten hatte ich ihn dabei so entspannt, ja fast schon in heiterer Stimmung erlebt. Die Dinge liefen nicht schlecht für ihn. Der Gaza-Abzug war gelungen, die Anklage in einer Korruptionsaffäre gegen ihn war fallen gelassen worden, und er schien bereits innerlich zur Trennung von seiner Likud-Partei entschlossen zu sein, wenn die Parteimehrheit ihm nicht folgen würde. Aber gerade deshalb war ihm auch anzumerken, dass das Alter zunehmend seinen Tribut einforderte. Seit dem Junikrieg 1967 hatte sich für Israel ein lange verdrängtes, gewaltiges Problem aufgebaut, das dringend der Lösung bedarf. Denn wenn Israel auf dem Hintergrund der jüdischen Verfolgungsgeschichte in der Diaspora der jüdische Nationalstaat bleiben soll, so darf es auf keinen Fall zu einem binationalen Staat mit einer durch ihre höhere Geburtenrate zahlenmäßig erstarkenden arabischpalästinensischen Bevölkerung werden, zumal absehbar war und ist, dass dann in einigen Jahren die Palästinenser die Bevölkerungsmehrheit zwischen Jordangraben und dem Mittelmeer stellen werden. Die Palästinenser andererseits waren und sind weder als Volk noch mit ihren legitimen Rechten durch Israel dauerhaft zu ignorieren, denn sie gehören seit dem Beginn der jüdischen Nationalbewegung und definitiv seit der Staatsgründung zur Realität Israels, ja sind, ob dies gefällt oder nicht, sogar ein definierender Faktor der israelischen Realität und Geschichte. Und selbstverständlich gilt dies ebenso umgekehrt, das heißt, Israel ist ein definierender Faktor in der palästinensischen Wirklichkeit. Gerade in dieser existenziellen Abhängigkeit der beiden Konfliktparteien voneinander kann für die Zukunft die große Chance zum Ausgleich und damit zum Frieden liegen, aber es ist leider zu befürchten, dass es bis dahin noch eine schwer abschätzbare Zeit dauern wird. Die territoriale Expansion Israels seit 1967 war eben ohne eine Veränderung seiner demografischen Zusammensetzung zu seinen Lasten nicht zu bekommen. Dadurch wird aber perspektivisch nicht nur der jüdische Charakter Israels infrage gestellt, sondern auch die israelische Demokratie gefährdet, denn eine Minderheit müsste dann in nicht allzu ferner Zukunft über eine Mehrheit herrschen. Für die Parteien der israelischen Rechten und auch für Ariel Scharon waren die Verhandlungen mit den Palästinenern in Oslo und Camp David über viele Jahre nicht hinnehmbar und deshalb Anathema. »Kein Zurück zu Oslo!« hieß eine der zentralen Aussagen während der ersten Jahre von Scharons Amtszeit als Premierminister. Und die zweite Aussage lautete: »Keine Verhandlungen unter Terror!« Einmal an die Macht gekommen, vollzog der vernünftige Teil der israelischen Rechten in der strategischen Analyse nach, was die israelische Linke bereits seit längerem realisiert hatte: die Notwendigkeit eines unabhängigen, lebensfähigen palästinensischen Staates, um so der absehbaren Absage an Verhandlungen mit den Palästinensern schlechthin. Diese Politik der ausschließlichen Terrorbekämpfung ohne politische Verhandlungsperspektive hatte in Israel und auch international ein politisches Vakuum entstehen lassen, das mit der Vorlage des Friedensplans der Genfer Initiative im Dezember 2003 sichtbar gemacht wurde. Diese Initiative – entstanden aus der Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Gruppen auf der israelischen und der palästinensischen Seite – sah einen Endstatus überwiegend entlang der Grenzen von 1967 vor. Innen- wie außenpolitisch barg dieses Vakuum für die Regierung Scharon eine wachsende Gefahr bis hin zum Machtverlust bei den kommenden Wahlen und zur internationalen Isolierung, vor allem in den USA. Israel ist in nahezu allen Belangen – militärisch, politisch, wirtschaftlich, technologisch – den Palästinensern und seinen arabischen Nachbarn haushoch überlegen, aber dennoch drohte ein weiteres passives Festhalten am Status quo jene Fundamente, auf denen die israelische Überlegenheit ruht, nachhaltig zu belasten. Denn die Kosten, die sich aus den beiden damals zentralen Faktoren des israelisch-palästinesischen Konflikts – Demografie und ein strategisch-politisches Vakuum – ergaben, gingen mehr und mehr zulasten Israels. Was also tun? Ariel Scharon entschied sich für eine strategische Initiative, und deren wesentliche Elemente fand er bei seinem Amtsvorgänger, bei Ehud Barak. Der so genannte Barak-Plan setzte – bei grundsätzlicher Anerkennung des Rechts der Palästinenser auf einen eigenen Staat – auf eine Politik der Trennung, dass heißt auf eine Kombination von massiven Grenzsicherungen zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten und einem weitgehenden Rückzug Israels. Barak hatte mit diesem Plan allerdings nicht die Absicht verbunden, durch den Verlauf der Sperranlagen einseitige Vorfestlegungen für den Verlauf der späteren Grenze Israels zu treffen. Er wollte vielmehr dadurch einige Jahre Zeit für einen politischen Verhandlungsprozess um den Endstatus zwischen Israel und den Palästinensern gewinnen, der nicht immer wieder vom Terror radikaler Palästinenser sabotiert werden konnte. In Ehud Baraks Plan bildeten die Komponenten Trennung, Grenzsicherung und Verhandlungen eine Einheit. Ariel Scharon dachte an diesem Punkt allerdings völlig anders. Er sah in Arafat und der palästinensischen Führung keinen Partner, und er wollte nicht verhandeln. Wir haben uns oft über diesen Punkt unterhalten, und dabei brachte der Premierminister immer wieder seine Überzeugung zum Ausdruck, dass erstens die arabische Seite auf absehbare Zeit Israel nicht wirklich akzeptieren würde und dass zweitens auf beiden Seiten die Vorstellungen über einen Endstatus zu weit auseinander lägen und deshalb in Verhandlungen nicht überbrückbar wären. Damit würde dann lediglich der Fehler Baraks und Clintons wiederholt werden, nämlich Erwartungen zu wecken, die absehbar von beiden Seiten nicht erfüllt werden konnten. Es ist einfach Unfug, wenn immer wieder behauptet wird, Scharon habe sich nicht wirklich in die Karten blicken lassen. Der Verlauf der Grenzsicherungsanlagen und der Siedlungsbau machen seine realen Überlegungen mehr als deutlich. Aber Ariel Scharon hat sich auch im wahrsten Sinne des Wortes in die Karten blicken lassen, ja er hat seine Karte sogar selbst gezeigt. Er erläuterte sehr detailliert seine territorialen Vorstellungen, die allerdings nicht von den Palästinensern akzeptiert worden wären, und er hat sie in seinem Briefwechsel mit Präsident Bush sogar öffentlich gemacht. Und in der Frage Jerusalem war und ist er völlig unbeweg- Verhandlungslösung wäre angesichts der mit dem einseitigen Rückzug aus dem Südlibanon gemachten negativen Erfahrungen zudem keineswegs wünschenswert. Eine Strategie der einseitigen Schritte muss letztendlich auf territoriale Annexionen seitens Israels hinauslaufen. Dies wäre dann lediglich ein Teilrückzug Israels, ein einseitiges Disengagement und kein belastbarer Frieden. Die internationale Staatengemeinschaft hat nach dem Zusammenbruch aller bisherigen Friedensbemühungen, angeführt von den USA und den drei anderen Mitgliedern des so genannten Quartetts (EU, UN-Generalsekretär und Russland), einen Stufenplan (Roadmap) für Verhandlungen entwickelt, der genau aus den genannten Gründen auf einen beidseitigen und eben nicht auf einen einseitigen Prozess setzt. Beide Seiten haben diesen Stufenplan zumindest formell akzeptiert. Der Scharon-Plan geht nun von der Annahme aus, dass Israel über keinen Partner auf der anderen Seite verfügt und behauptet deshalb, dass Israel alle seine Verpflichtungen aus der Roadmap einseitig erfüllen würde, soweit ihm dies möglich sei. Solange Israel dieser Position folgt, bleibt seine Politik noch innerhalb der Roadmap. Mit einseitigen Annexionen allerdings wäre die Roadmap definitiv erledigt, und der Konflikt würde in der Folge erheblich eskalieren. In dem Briefwechsel mit Präsident Bush setzte Premierminister Scharon auf die amerikanische Zustimmung zu den Konsequenzen dieser Politik der einseitigen Schritte, aber sowohl die amerikanischen Interessen als auch die internationale Reaktion haben hier sehr enge Grenzen gesetzt. Angesichts zunehmender Schwierigkeiten der USA im Irak und in der arabischen Welt dürfte sich dies auch in Zukunft nicht wesentlich ändern. Was wird die Zukunft ohne Ariel Scharon im Nahen Osten bringen? Iran, der Irak, Syrien, Ägypten, die Arabische Halbinsel, der Dschihad-Terrorismus – die gesamte Region rutscht mehr und mehr in eine hochgefährliche Schräglage. Israels Interesse muss es sein, sich von diesem negativen Trend in der arabisch-islamischen Welt so schnell und so weit wie möglich abzukoppeln, und auch dafür sind Fortschritte mit den Palästinensern unverzichtbar. Die Wahlen in Israel und auf palästinensischer Seite werden für die Beantwortung dieser Frage von großer Bedeutung sein. Stagnation und Rückschritt, wie nach Rabins Tod, drohen an dem einen Ende des Spektrums zusätzlicher Optionen, und an dessen anderem Ende besteht die Hoffnung auf eine Verstärkung der Dynamik im israelisch-palästinensischen Prozess. Und zwischen diesen beiden Polen liegt ein weites Spektrum von weiteren Möglichkeiten, die genutzt werden können. Eines scheint mir aber gewiss zu sein: Hinter die strategische Wende Israels von der Offensive zum Rückzug, die Ariel Scharon eingeleitet hat, wird es kaum einen Weg zurück geben, gleich, wie die kommenden Wahlen auf beiden Seiten ausgehen werden. Freilich bleibt eine Frage unbeantwortet: Wie wird Israel reagieren, wenn Demografie, Chaos, Terror und Radikalisierung in den geräumten palästinensischen Gebieten und bis nach Israel hinein die Zukunft auf der palästinensischen Seite bestimmen werden? Die Verbindung von Demografie, Chaos und Radikalisierung ist eine hochgefährliche Mischung. Wie auch immer, die Verhältnisse und die sie antreibenden Kräfte haben den Strategiewechsel Ariel Scharons erzwungen, und er hatte die Größe und die Weitsicht, den Imperativen der Realität zu folgen. Diese Imperative werden sich auch unter jedem denkbaren Nachfolger nicht ändern. Ariel Scharon hat mit dem Rückzug aus Gaza eine historische Wende angestoßen, vollenden müssen diesen Weg nun vermutlich andere. i Außenpolitik, täglich kommentiert: www.zeit.de/kosmoblog »Was passiert in Gaza nach einem Rückzug Israels? Darauf gab es in Jerusalem nie eine befriedigende Antwort « »Ich bin Ariel Scharon viele Male begegnet. Die Gespräche waren vertrauensvoll und gerade deshalb offen « Erosion der eigenen Mehrheit in Israel zu entgehen. Die Linke war allerdings bei der politischen Umsetzung ihrer richtigen Analyse gescheitert, an sich selbst, am palästinensischen Terror und nicht zuletzt an Jassir Arafat. Mehr und mehr wurde diesen vernünftigen Teilen des Likud und der israelischen Rechten klar, dass Israel eine strategische Grundsatzentscheidung treffen musste, die gerade für die nationale Rechte extrem schmerzhaft sein würde: ein binationales Israel oder ein palästinensischer Staat. Ariel Scharons Verwandlung von einem der umstrittensten Politiker seines Landes zu einem Staatsmann und zur zentralen Figur der nahöstlichen Politik hing genau von der Beantwortung dieser Alternative ab, nämlich von seinem (mit vielen Wenn und Aber und Hintertüren versehenen) grundsätzlichen Ja zu einem palästinensischen Staat. In der praktischen Politik hieß ein palästinensischer Staat aber nichts anderes als Israels Rückzug aus den besetzten Gebieten, und dies bedeutete auch den definitiven Abschied von allen auf der politischen Rechten gepflegten Träumen von Großisrael. Es war Ariel Scharon, es war eine Likud-Regierung, die zum ersten Mal nicht Land gegen Frieden tauschte, sondern einfach besetztes Gebiet ohne Gegenleistung der anderen Seite aufgab! Dies war ein unerhörter, ja fast revolutionär zu nennender Vorgang. Dies ist Ariel Scharons bleibendes Verdienst. Der zweite Grund für die politische Wende von Ariel Scharon ergab sich als ungewollte Konsequenz seiner entschlossenen Absage an Verhandlungen unter Terror. In Wirklichkeit war dies eine lich. Andererseits aber durfte Israel aus den oben angeführten Gründen den Status quo nicht weiter hinnehmen, sondern musste die Initiative ergreifen. Also verband Ariel Scharon die Strategie der Trennung, wie sie sein Amtsvorgänger entwickelt hatte, mit einem dritten Grundsatz, nämlich dass Israel mit Arafat keinen Partner auf der palästinensischen Seite habe und deshalb einseitig agieren und dauerhafte Fakten schaffen müsse. Trennung durch massive Grenzsicherung und Teilrückzug einerseits, keine Verhandlungen über den Endstatus, sondern eine Politik der einseitigen Schritte, um die für Israel akzeptablen Grenzen zu schaffen andererseits. Das waren die Komponenten des ScharonPlans, der zum Rückzug aus Gaza führte. Dieser Plan verfügt allerdings über entscheidende Schwächen. Die erste Frage betrifft die Lage und die Zukunft der Palästinenser jenseits der Grenzsicherung. Was wird aus ihnen ohne die Perspektive einer politischen Verhandlungslösung werden? Was passiert in Gaza nach einem israelischen Rückzug? Darauf gab es niemals eine befriedigende Antwort von der israelischen Seite. Sie erschöpfte sich in der knappen Feststellung, Gaza und seine Entwicklung wäre dann fortan eine Sache der Palästinenser. Aber Israel kann sich nicht wirklich von den Palästinensern trennen, und insofern bleibt die Zukunft eines palästinensischen Staates eine der ganz zentralen Fragen für die Sicherheit und die Interessen Israels, die nicht ausgeklammert werden kann. Ein de facto palästinensischer Staat als so genannter failing state, das heißt von Israel militärisch aufgegebene, zerstückelte, miteinander kaum verbundene und nicht wirklich lebensfähige palästinensische Territorien, die in Radikalisierung und Chaos zu versinken drohen, ist ein Albtraum für die Sicherheit Israels und seine langfristigen Interessen. Die jüngste Entwicklung in Gaza und die Kassam-Raketen, die auf Israel aus dem Gaza-Streifen abgefeuert werden, haben diese Befürchtungen sehr schnell Realität werden lassen. Zweitens wirft eine Strategie der einseitigen Schritte die Frage nach der internationalen Akzeptanz dieser Politik und ihrer Konsequenzen am Boden auf. Bisweilen sind in außenpolitischen Konflikten einseitige Schritte zur Überwindung einer blockierten Lage unvermeidbar, aber immer nur als taktische Überbrückung, um einen Stillstand zu überwinden. Wird die Politik der einseitigen Schritte allerdings strategisch verstanden, dann muss sie letztendlich in einseitigen Grenzfestlegungen enden. Es wäre jedoch kein Problem aus palästinensischer Sicht, wenn sich Israel einseitig auf die Grenzen von 1967 zurückziehen würde, für Israel ist diese Option aber völlig inakzeptabel. Ein solcher einseitiger Rückzug ohne Fischer war von 1998 bis 2005 Außenminister Nr. 3 DIE ZEIT S. 3 SCHWARZ cyan magenta yellow Fotos: Lefteris Pitarakis/AP; action press (u.) ZEIT: Mehrere CDU-Ministerpräsidenten werben gleichwohl für längere AKW-Laufzeiten. ZEIT: Zum Wahlkampf gehört normalerweise die Behauptung. In Baden-Württemberg werde ich sagen. der politische Gegner könne nicht regieren. bleibt es bei den Verabredungen. und die gesamte CDU will sich verstärkt der Gerechtigkeitsfrage widmen. sich zu positionieren »Das ist eine Frage der Gerechtigkeit« Wenn der Sozi nicht mehr der »Hauptgegner« ist – ein Gespräch mit CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder über die Große Koalition und eine neue Gesundheitspolitik Kauder: Die Union hat sich schon immer um die Menschen bemüht. ZEIT: Sie ist also kein politischer Gegner? Kauder: Wissen Sie. Drittens: Wir brauchen mehr Wettbewerb und Transparenz. weil die Arbeitsbedingungen in Deutschland nicht mehr stimmen. Wildern Sie bei den Wählern der SPD? ANZEIGE Volker Kauder im Begriff. Die Reformideen standen im Vordergrund. dass eins und eins zwei ist. als in der Koalitionsvereinbarung steht. ZEIT: Soll die Union nun für den Ausstieg aus dem Ausstieg werben oder still sein und sich an die Koalitionsvereinbarung halten? Kauder: Da ich als Fraktionsvorsitzender dafür sorgen muss. dass es gut ist. Beim Energiegipfel geht es um einen Gedankenaustausch über die langfristige Sicherung der Versorgung. bei der Finanzierung des Kindergeldes ausgerechnet – wie bei der Krankenversicherung – einen Großteil der Gutverdienenden nicht zu beteiligen. die Kassenärztlichen Vereinigungen abzuschaffen. Im Übrigen muss ja nicht überall im Land die gleiche Koalition regieren. dass Arbeitslose. ZEIT: Die Grünen wollen wegen der Kernenergie auf die Straße gehen. Jetzt sitze ich mit denen in einer Koalition und muss sagen: Man kann mit den Sozialdemokraten eine Menge erreichen. werden ja auch alle von den Arbeitskräften und Beitragszahlern profitieren. zum Beispiel mit einem Gesundheits-Soli? Kauder: Die Gesundheitsversorgung für Kinder muss in Zukunft von allen finanziert werden und nicht nur von denen. ZEIT: Frau Merkel hält bei der Einführung von Kombilöhnen einen gesetzlichen Mindestlohn für nötig. über deren Finanzierung wir noch beraten. Deswegen ist der Ver- 12. die sich allein nicht ausreichend helfen können. Schon jetzt werden in Teilen Ostdeutschlands für bestimmte Arbeiten gerade einmal vier Euro pro Stunde gezahlt. Müssten wir mit der FDP eine Gesundheitsreform vereinbaren. dass die Energie irgendwann zu einer neuen sozialen Frage wird. Nach dem Krieg ist so die soziale Marktwirtschaft entstanden.3 DIE ZEIT: Herr Kauder. Die Frage von Gegnerschaft beurteile ich nach dieser Erfahrung ganz neu. Ist FDPChef Guido Westerwelle Ihr politischer Gegner? Kauder: Die FDP war unser Wunschpartner. Vielleicht spart das mittelfristig sogar Geld. Aber vor allem fühlen sich viele Ärzte durch die Bürokratie behindert. Es darf keine Zweiklassenmedizin geben. Wie hoch soll er sein? Kauder: Ich werde mich hüten. Die Union wird jetzt wieder in ihrer ganzen Breite gezeigt.Nr. können CDU und SPD auch etwas anderes machen. Geht Ihnen das noch über die Lippen? Kauder: Wir wollen mit der Großen Koalition das Land voranbringen und stoßen bisher bei den Wählern damit auf Zustimmung. Ist das störend oder für die Partei sogar ganz hilfreich? Kauder: Ich finde das legitim. Wenn die Krankenkassen mit den Ärzten Einzelverträge machen könnten. ZEIT: Und jetzt wird die CDU mit einem roten Mäntelchen versehen? Kauder:Wir brauchen unsere Programme nicht zu korrigieren. nicht koalitionsfeindlich. Aber die Große Koalition in Berlin zeigt auch. Aber in jedem Fall wird der Beitrag für die gesetzliche Krankenversicherung gleichzeitig sinken. Ist das der neue Regierungsstil: Schröder regierte mit Kommissionen.als Beitragszahler gibt. als wollten wir die Gewerkschaften abschaffen und den Arbeiter allein mit dem Großkonzern über seinen Lohn verhandeln lassen. Wir dürfen die Gesundheitsreform jedenfalls nicht gegen die Ärzte. wenn die Union in einer Regierung die Führung übernimmt. weil ich sage. ZEIT: Sie wollen also nur die Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger erhöhen – und das war’s zum Thema Kombilohn? Kauder: Es gibt heute schon über 700 000 Empfänger von Hartz IV. sie ist es in den meisten Ländern. ändert das trotzdem nichts an der Richtigkeit der Aussage. und es gibt mit ihr viele Gemeinsamkeiten. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Und keiner braucht Angst zu haben. ich habe zwanzig Jahre lang aus tiefster Überzeugung die SPD als unseren Hauptgegner und Erzrivalen bekämpft. 4 SCHWARZ cyan magenta yellow 4 POLITIK völlig der Macht der Krankenkasse ausgesetzt. dass beim nächsten Regierungswechsel wieder alles ganz anders kommt. bei der einige Menschen neue Medikamente oder Therapien viel später als andere bekommen. als sei egal. Das ist für eine christliche Volkspartei selbstverständlich. Wenn wir niedrige Einkommen mit Staatsgeld aufstocken. Es arbeiten heute schon etwa 12 000 hier ausgebildete Mediziner im Ausland. SPD oder Grünen. sondern nur mit den Ärzten machen. ZEIT: Sie wollen mit SPD-Fraktionschef Peter Struck Lösungen für die Gesundheitsreform vorbereiten. dass große Teile der Bevölkerung zustimmen. darf das nicht dazu führen. die soziale Tradition war möglicherweise weniger sichtbar. DIE FRAGEN STELLTEN ELISABETH NIEJAHR UND PATRIK SCHWARZ Nr. weil es mehr Steuer. ZEIT: Anfang 2007 kämen neben der höheren Mehrwertsteuer also vermutlich neue Abgaben für die Gesundheit – woher wollen Sie noch Geld für die geplanten Kombilöhne nehmen? Experten rechnen mit zweistelligen Milliardenbeträgen. dass bei der Nutzung der Atomenergie in den kommenden vier Jahren in Deutschland die Gesetze nicht verändert werden. Es ist doch so: Wenn beide Partner sich einig sind. Welche Ziele muss die Reform erreichen? Kauder: Wir sollten erst intern sprechen. die in der gesetzlichen Krankenkasse versichert sind. Ich werde jedenfalls dagegen kämpfen. Aber einige Eckpunkte habe ich im Kopf. ZEIT: Müssen Sie für die Reform die Steuern erhöhen. dass die erfolgreiche Politik der schwarz-gelben Landesregierung fortgesetzt werden muss. ZEIT: Stimmt die Bezahlung nicht? Kauder: Auch das. Gleichzeitig haben wir einen Ärztemangel in Ostdeutschland. Ein Teil dieses Gelds muss so eingesetzt werden. ZEIT: Nur sind Gewinner und Verlierer nicht identisch. Mittelfristig wird mehr Geld ins System fließen. Später. Kauder: Nein. halte ich mich an den Koalitionsvertrag … ZEIT: … während der Parteipolitiker Volker Kauder im Wahlkampf das CDU-Profil schärft. weil sich nicht alle eine ausreichende Energieversorgung leisten können. Über die SPD muss man dabei gar nicht so viel reden. wäre der einzelne Arzt Foto: Götz Schleser/Visum such. mit wem Sie koalieren – mit FDP. Wenn wir diesen Ansatz mit besseren Zuverdienstmöglichkeiten weiterentwickeln. 3 DIE ZEIT S. Deshalb halte ich auch wenig von Vorschlägen. und das ist auch ein Thema für die Partei. Der Koalitionsvertrag regelt sehr klar. Sie haben bei der Klausurtagung des Kabinetts so eifrig Harmonie mit Ihren neuen sozialdemokratischen Freunden demonstriert – können Sie jetzt überhaupt mit voller Überzeugung Landtagswahlkampf gegen die SPD machen? Volker Kauder: Bis zu den Landtagswahlen im März werde ich viele Veranstaltungen besuchen und werde mich dabei nicht zurückhalten müssen. dass die Regierungspolitik im Parlament Mehrheiten findet. die vom Staat ergänzende Sozialleistungen bekommen. diese Tradition sichtbarer zu machen als im Wahlkampf? Kauder: Unser Wahlkampf war auf eine ganz besondere Situation zugeschnitten. Fürchten Sie eine Neuauflage der Atomkraft-Auseinandersetzung der achtziger Jahre? Kauder: Wenn die Grünen demonstrieren. dass die Arbeitgeber die Löhne senken. Ich halte nichts von ideologischen Auseinandersetzungen über diese Frage. mehr als bisher davon behalten können und so einen stärkeren Anreiz zur Arbeitsaufnahme erhalten. ZEIT: Ist die neue Parteilinie. unter dem Eindruck der aktuellen Energiedebatte dafür zu werben. Aber es darf durch die neuen Lohnsubventionen nicht zu sittenwidrigen Löhnen zu kommen. Das wäre so. Man kann dieses Vorhaben doch gut erklären: Es käme ja auch niemand auf die Idee. Zahlen zu nennen. ZEIT: Das klingt fast. schon deshalb dürfen wir die Ausgaben nicht vollständig als Sozialabgaben an die Löhne koppeln. Kauder: Wir werden keine zusätzlichen Steuermittel für Lohnsubventionen einsetzen. ZEIT: Außer den Chefgesprächen zur Gesundheit soll es demnächst auch einen Energiegipfel geben. dass wir neben Gas und erneuerbaren Energien andere Energiequellen brauchen. Aber wenn das bei der SPD keinen Erfolg hat. Aber damit kann eine Große Koalition fertig werden. die schlecht bezahlte Arbeiten übernehmen. Wir geben jetzt schon für Hartz IV und Sozialhilfe rund dreißig Milliarden im Jahr aus und damit weit mehr als erwartet. wenn die Kinder erwachsen sind. ZEIT: Frau Merkel findet Gefallen am Mindestlohn. Kauder: Mit Widerständen rechne ich. Das Gleiche gilt für Sachsen-Anhalt: Gut funktionierende Regierungen wechselt man nicht aus. es ging um Konzepte gegen die hohe Arbeitslosigkeit. Trotzdem müssen wir über die Energieversorgung der Zukunft neu nachdenken. für mich persönlich gilt der Koalitionsvertrag rund um die Uhr und überall in Deutschland. Sie reden von der sozialen Dimension der Energiedebatte. 3 DIE ZEIT S. Dafür brauchen wir etwa 14 Milliarden Euro. Das ist vor allem eine Frage der Gerechtigkeit. statt öffentlich Vorschläge zu machen. In einer Großen Koalition können wir die Sozialsysteme so reformieren. werden möglicherweise mehr Menschen zu einem Job zurückfinden. Das ist eine Frage des Realitätssinns. Zweitens: Der technische Fortschritt muss schneller als bisher für alle Patienten nutzbar sein. Viertens: Der Arztberuf muss für junge Mediziner wieder attraktiver werden. Merkel mit Spitzentreffen? Kauder: Ach was. Das ist ein Verdienst von Union und SPD. Erstens: Der Gesundheitsbereich muss ein Wachstumsmarkt werden. würde das zu riesigen Auseinandersetzungen im Land führen. 4 SCHWARZ cyan magenta yellow . Martin Klingst Audio a www. die rot-grüne Agenda-Klausur im Frühjahr 2003. einst erbittert ausgetragen auf der Straße. was denn das gerade verkündete Investitionsprogramm so besonders mache. Die Wirklichkeit der Kanzlerin. der Umweltminister von der SPD.« Jetzt kann jeder die Urkunden besichtigen. solange beim Wähler davon nur die Union profitiert. kollegial. und auf ihre Art hat die Katzenoma durchaus schon dazu beigetragen. als ihn der Alltag erlaubt. sagt die Katzenoma. die SPD? Schon jetzt warnt mancher Sozialdemokrat leise. Dreimal nacheinander hat die Union bei Bundestagswahlen eine Niederlage erlitten. möglichst lange und erfolgreich. eine neben der anderen. dass die Sozialdemokratie soziale Gerechtigkeit wiederherstellen will. Die Konservativen und allen voran Angela Merkel besetzen derzeit öffentlich jene Themen und Kernbegriffe. Aber gerade weil die neue Koalition sich so ehrlich um Ernsthaftigkeit bemüht. Lebensjahres. Das einstige SED-Bezirksblatt stellte kürzlich die kühne These auf. dem Lao-tse der Großen Koalition: »Neuhardenberg war schön. bitte! Ihr Reden und Handeln wirken laut Umfragen bis tief hinein ins linksliberale Milieu. Genshagen oder Neuhardenberg. Schluss mit der Arbeitslosigkeit jenseits des 50. dass neben ihnen keine bessere SPD entsteht. Ihr neues Motto könnte ihr dabei helfen. der scheint immer noch. Merkel gibt eine längere Antwort. »mein Leben. sagt dann der eine über das Klima im Märchenschloss. Damit nicht genug: Angela Merkel bietet Amerikas Außenministerin die Stirn und sagt vor ihrem Besuch in Washington: Schluss mit Guantánamo! So deutlich hat man weiland nicht einmal Gerhard Schröder vernommen. den Angela Merkel sich so sehr wünscht für Deutschland. schließlich habe doch die Union bisher derartige Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft gern als Staatssozialismus gegeißelt. Neuanfang und immer währender Anstrengung. mach’s besser! Doch angesichts des demonstrativen Fortschrittsglaubens Genshagen. »freundlich. der sich vor dem Schloss zeigte. wies die Kanzlerin in ihrer großen Serie von Zeitungsannoncen zum Jahreswechsel noch mal auf den Geldsegen hin: »Schon in wenigen Tagen beschließen wir ein Sofortprogramm für höheres Wachstum und mehr Beschäftigung über insgesamt 25 Milliarden Euro. Denn die ehrliche Antwort müsste lauten: »Matthias und Franz.« Genshagen brachte demgegenüber nur noch Präzisierungen im Detail. Abreise etwa zur selben Zeit am Folgetag. heiße vor allem: Kampf der Kinderarmut und dem Bildungsnotstand unter Sozialhilfeempfängern. Katzen und Heißluftgebläsen Von Patrik Schwarz der neuen Regierung reibt sich auch so mancher bundesrepublikanisch erzogene Zeitgenosse verwundert die Augen. Viel hat sich geändert in diesen 78 Jahren. Effektivität und Qualität. die sie verschlingt. sagt sie in bester sozialdemokratischer Tradition. an deren Ende ein größerer Wurf steht. Alles für das Wohl des Volkes und den Frieden!« So steht es auf einer Urkunde. Und fast wie eine Gewerkschafterin streitet sie für Investitionsprogramme und Mindestlöhne. 5 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. sagt die Katzenoma und wird philosophisch. dass man mit Untergangsbotschaften und der Verheißung von »Zumutungen« allein nicht gewinnen kann. heute erste Heizerin der sozialen Wärmestube – dieser Rollenwechsel war schon für die SPD schwer verdaulich und ist es erst recht für CDU und CSU. Gelegenheit für eine neue Sentenz von Franz Müntefering. »Ick war jut jewesen. sonst geht es an ihre Substanz. Erfunden von der rot-grünen Regierung.« Doch zwölf Jahre später. sagt sie selbst. Arbeit.30 Uhr. Neue Gerechtigkeit. Auf den Unterschied kommt es an. »Zehne sind’s«.de/audio Genshagen wanzig Katzen habe sie. draußen vorm Kanzleramt? Oder etwa. Aber anders schön. Aber ebenso sollte die Union auf der Hut sein. dass sich die Kabinettsklausur als Konzept überholt hat. vertraut«. ist im Augenblick tausendmal sozialdemokratischer als ihr!« Im November 1993. »Soll’n se kieken«. diesem täglichen Wichtigkeitsbarometer der politisch-publizistischen Klasse. sagen die Nachbarn. rühmte Merkel. was denn schöner gewesen sei. die beiden Frontmänner der SPD. »die heißen alle Moppel. Und die Union muss darauf achten.3 POLITIK 5 Gerda Schröder Die Kanzlerin auf SPD-Kurs Angenommen. Von Heißluftgebläsen beheizt. Die 78-Jährige hat sie ins Fenster gehängt. Jetzt scheint Angela Merkel. Auf der Pressekonferenz zum Ende der Klausur wird Angela Merkel gefragt. sie haben es bitter nötig. sondern enthält den für eine konservativ-liberale Partei wichtigen Zusatz »neue Gerechtigkeit durch mehr Freiheit«. Anreise 12. weiß und weithin leuchtend. Platzeck und Müntefering.« Die Nachbarn nennen sie »die Katzenoma«.« Sie hat Tradition in Genshagen. sagt der andere. Die Sozialdemokraten wirken momentan ausgelaugt und ideenlos. die Wirklichkeit der Katzenoma und dazwischen ein Zelt voller Reporter. Doch die Realität unter Rot-Grün wie SchwarzRot sah und sieht anders aus.« Neben der Auszeichnung von 1983 gibt es die von 1978 (»20jährige Betriebstreue«) und von 1973 (»15jährige Betriebstreue«). Genshagen war schön. die Kanzlerin pflege einen Restbestand an appellativer DDR-Rhetorik. Die Katzenoma hatte ohnehin gänzlich andere Fernsehpläne: »Der Bud Spencer kommt heute. 3 DIE ZEIT S. auf dem Parteitag in Wiesbaden. nach einem ernüchternden Wahlergebnis für beide großen Volksparteien. Die SPD darf ihren Platz nicht freiwillig preisgeben. mach’s nach. weil es mein Programm ist. den Optimismus zu befeuern. Tatsächlich wurde das Paket dem Bürger bereits zum dritten Mal überreicht. angenehm«. sich selbst und ihrer Partei einen neuen Kurs vorzugeben: Mehr soziales Mitgefühl. Gestern oberste Antreiberin eines radikalen Umbaus. so etwas mag der Wähler. liegt das Pressezentrum wie ein gestrandetes Ufo in der winterwüsten Ödnis. sie würden vor Schreck erblassen. Am Sonntag ziehen sie sich endlich zur Klausur zurück. Wie zur Strafe entging diesmal fast kein Sozialdemokrat. »der Kollegin wird für 25jährige Betriebstreue Dank und Anerkennung ausgesprochen. wo die fingierten? Es ist nicht leicht zu unterscheiden in dieser Welt aus Watte. was er scheint. Eine Klausur ist ein Versprechen. ein doppeltes sogar: Eine Auszeit aus dem Normalbetrieb. verlässlich. aber eines nicht allzu fernen Tages benötigt sie vor allem eine starke CDU. eine Welt in Watte Z Kabinettsklausur: Beobachtungen zwischen Politikern. konnte sie sich nie ganz vom Ruch befreien. Dazu braucht sie jetzt die Harmonie mit der Lebensabschnittspartnerin SPD. gegenüber vom Schloss. steht ihr die simulierte Ernsthaftigkeit einer Klausur vielleicht besonders schlecht zu Gesicht: Das Versprechen eines großen Wurfs passt nicht zum Kabinett der kleinen Schritte. stellten derzeit die Schneewittchen-Frage – »Spieglein. ihr Gleichgewicht zu finden zwischen Schröders kühler Agenda-2010Rhetorik und Platzecks warmen Beschwörungen der solidarischen Gesellschaft.« »Wir haben zum ersten Mal in dieser Runde länger als eineinhalb Stunden geredet«. schrieb der damalige SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping den Genossen noch ins Stammbuch: »Wir müssen in unserer gesamten politischen Praxis immer klar machen. Im Wesentlichen waren die Beschlüsse schon Teil der Koalitionsvereinbarung im Herbst. Vor Ort sind in Genshagen zwei parallele Universen zu besichtigen gewesen. die es im Bund wieder locker über die 40-Prozent-Marke schafft. wer ist der größte Sozialdemokrat im Land?« –. Nein. ihr Profil zu schärfen. im Rentenund Steuersystem den wichtigen Part des beharrlichen und beständigen Reformers? Nur der unvermeidliche Guido Westerwelle. »Die Schleife ist gebunden. dass in der Großen Koalition das SPD-Programm regiert. Selbst der Streit um die Atomkraft. die üblicherweise linke Herzen höher schlagen lassen. Man muss ja nicht so weit gehen wie die Berliner Zeitung. es heißt nicht nur »neue Gerechtigkeit«. die Prosa von Aufbruch. mit nüchternem Pragmatismus und Kalkül verfolgt sie ihr Ziel: Sie will regieren. In der Tagesschau. Für alle. die im Wahlkampf noch die unbeirrbare Reformerin gab. auch wurde Angela Merkel keiner Gehirnwäsche unterzogen. Da kann es auch wenig trösten. 5 SCHWARZ cyan magenta yellow . wurde Stegs großer Durchbruch denn auch von der Vogelgrippe verdrängt.« Vielleicht rührt eine gewisse Skepsis gegenüber dem großen Gipfel von Genshagen auch einfach daher. ick war Bestarbeiter. »Nur der Mond. der Fette. soll der Gedanke suggerieren. verkehrte Welt. die das nicht bemerkt hatten. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Aber Angela Merkel. Spieglein an der Wand. etwa in ihrer Neujahrsansprache: Mach mit. wo Angela Merkel mit Franz Müntefering und dem Kabinett in Klausur sitzt. Und so werden eben schnell alte Pakete neu verschnürt. dass sie im politischen Wettkampf doch irgendwie »rechts« von den Sozialdemokraten herauskommt.zeit. 80 werd’ ich auch noch«. klar. 3 DIE ZEIT S. »Gut. Gesundheit) zuständig. Natürlich handelt es sich hier nicht um eine seltsame Metamorphose. im Gesundheits-. scheint es. als mache sich vorrangig die Union auf die Suche nach der »neuen Gerechtigkeit«. Wie erreicht sie das? Vielleicht mit der BoaStrategie: die SPD umarmen und erdrücken. die kurz gefasst auf einen Kern hinausläuft: Es ist ein gutes Programm.« Nr. die SPDler dagegen für Sparen & Härten (Finanzen. sagt einer aus dem SPD-Lager ganz kühl. dreimal musste sie erfahren. das Paket ist geschnürt. Wo sind die echten Konflikte. die Kanzlerin zu Berlin. Kontemplation und eine neue Sicht der Dinge kaum Luft. die die Arbeiterin 1983 vom volkseigenen Gut Genshagen bekam. Wer also muss sich um sein Profil sorgen? Beide Volksparteien. »Hohes Leistungswachstum durch steigende Arbeitsproduktivität. die Union möge doch bei all ihrer neu entdeckten Liebe zum Sozialen nicht völlig die Grenze zwischen Staat und Markt verwischen. »78 bin ich. womöglich nur ein Reklametrick rot-grüner Politiker zu sein: ein Festival der simulierten Ernsthaftigkeit. Hat nicht vor ein paar Tagen erst Edmund Stoiber den Ausstieg aus dem Atomausstieg erwogen? Und hat Sigmar Gabriel. Die Sozialdemokraten müssen also aufpassen.Nr. Zumal bereits jetzt die Frage drängt: Wer spielt denn angesichts der vielen noch ausstehenden Erneuerungen im Arbeitsmarkt. nicht heftig widersprochen? »Unter PR-Aspekten tut die CSU uns mit dem Thema einen Gefallen«. der Frage. da bleibt für Rückzug.« Wie ein verspätetes Weihnachtsgeschenk hatte Vizeregierungssprecher Thomas Steg nach dem ersten Tag von Genshagen die Investitionen von 25 Milliarden Euro präsentiert. ist nicht mehr. Begrenzte Konflikte helfen beiden Seiten. den kiek ick. Zudem sind ihre Minister im Kabinett für Familie & Wohltaten. ihr wart zwar einmal die besten Sozis hier. der sich ihrer kleinen Parterrewohnung nähert. Bei ihren raren Besuchen verbreiteten die Berater der Regierung den Optimismus ihrer Herren und der Dame. Denn wer wollte in den Geschichtsbüchern über deutsche Kanzler dereinst lesen: Auf Gerhard Schröder folgte – Gerda Schröder. Einer von mehreren. Sie müssen ihren Energiehunger in Ländern befriedigen. Doch nun hat sich der E. mit dem Emirat Qatar über Erdgas aus dem Persischen Golf. Indien plant eine große Pipeline. Gas aus allen Richtungen importieren zu können. der Mittlere Osten und das Kaspische Meer werden an Bedeutung gewinnen. ist erst zu ändern. Denn ein Blick auf die Karte Europas und Westasiens zeigt. Angela Merkel wird die so genannte Energiepartnerschaft mit Russland überdenken müssen. Fällt ein Lieferant aus. denn sie sind nicht über Jahrzehnte durch Pipelines aneinander gekettet. Flüssiggas macht den Rohstoff genauso flexibel wie Öl. Russland stellt zwar schon rund 40 Prozent der deutschen Importe. Zu dieser Politik gehören die Wiederverstaatlichung der Energiekonzerne. die darauf Anfang 2003 hinwies. Denn die Reserven in der Nordsee erschöpfen sich. muss heute Entscheidungen treffen. Das mag heute utopisch klingen.6 Milliarden Euro wohl weniger kosten als die Ostseepipeline und kürzer sein als die Trassen aus Sibirien. Von »Verflechtung« war da die Rede. Treten Konkurrenten auf wie Turkmenistan. Dass Energieträger aus Risikoländern kommen. doch wer von dort in fünfzehn Jahren mit Gas beliefert werden will. In der Kurzkrise um Gaslieferungen nach Westeuropa hatten die deutschen Versorger Reserven für mehrere Monate. Turkmenistan auf der östlichen Seite des Kaspischen Meeres ist reich an Erdgas. was Russlands frostiger Boden an Gas verheißt. Die in den siebziger Jahren angelegte Strategie. Die Deutschen hingegen haben sich unter Führung des Exkanzlers und künftigen GaspromManagers Schröder allein auf Russland kapriziert. Von Russland führen zwei große Pipelinetrassen nach Europa. sowie Schürfrechte in Zentralasien. was misslang. in fünf Jahren werden es drei sein. hat zu Neujahr den Gasdruck in den Leitungen gesenkt – Richtung Ukraine und Westeuropa. doch wird sie in fünfzehn Jahren schon drei Viertel ihres Verbrauchs einführen müssen. Solche Entwicklungen interessierten bis vor kurzem nur Fachmedien wie die SWP-Zeitschriftenschau. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Russland dagegen das Musterbeispiel für Fehlentwicklungen. bleiben aber noch Norwegen. das versprochen hatte. wenn alternative Energien endlich schneller entwickelt werden. Gefragt ist hingegen eine auf Jahrzehnte hinausblickende Energiestrategie. denn seine geografische Lage ist günstig für den Gasimport aus vielen Richtungen. China und Japan konkurrieren um Gaspipelines aus Russland. In den Staaten am Golf könnten schiitische Unruhen oder Umstürze von Fundamentalisten den Rohstoffexport behindern. Im Fluidum von Öl und Gas blühen korrupte Diktaturen Ein Problem haben alle großen Industrie. Russland macht Versprechen in alle Richtungen. Deshalb strebt Gasprom nach der Herrschaft über die Pipelines. Das so genannte Nabucco-Projekt wird mit 4. Siehe auch Wirtschaft. Genauso wichtig ist es. Und das geht am besten. die demokratisch gewählte Regierung in Kiew per Gashahn fernzusteuern. auch aus dem Iran. Die Deutschen müssen ihren Vorteil nur erkennen und nutzen. Gasprom will auf dem eurasischen Gasmarkt unersetzbarer Produzent und Händler zugleich sein. Sicherlich. so kauft Gasprom dessen Produktion weitgehend auf. Europa hat die größten Erdgasreserven der Welt in greifbarer Nähe. nun hurtig von Gas auf Kaminholz und Kaschmirdecken umzustellen. Das alles ist weder besonders durchtrieben noch besonders verwerflich. Japan und Amerika. das Land mit den zweitgrößten Vorkommen der Welt. ist also die falsche Strategie. mit oder ohne Atomwaffen. die – aus dem demokratischen Winterschlaf erwacht – in den Rohstoffen die neue Machtwährung Russlands erkannten und Gaslieferungen als politische Waffe empfahlen. Das ist attraktiv für Produzenten und Abnehmer zugleich. und mag er so große Reserven haben wie Russland. Im Zielhafen wird es in den Gaszustand zurückverwandelt. Nebenan. Zukunft. Die föderale Energiekommission plant Exportsteigerungen vor allem nach China.und High-Tech-Nationen. Für ihre künftige Versorgung wetteifern sie um Vorzugslieferungen vom Persischen Golf. Dabei wird das Erdgas bei minus 160 Grad verflüssigt und sein Volumen verkleinert. würde auch die Energieversorgung sicherer machen. Europa und Deutschland sind in der glücklichen Lage. wächst der Energieverbrauch im eigenen Land. Andere Länder versuchen heute. Die Kunden sind vor allem Spanien. sondern weil Gasexporte für sie im Wesentlichen wirtschaftliche Bedeutung hatten. Keinen Anschluss nach Europa zu haben ist das große Problem der Kaspischen Region und Zentralasiens. Die großen Energiekonzerne der Welt sind überall präsent. schickt sich Libyens Diktator Muammar alGadhafi an. Diese Strategie ist von gestern. von »gegenseitigen Abhängigkeiten«. Dem Schröder-Projekt »gegenseitiger Abhängigkeiten« fehlt also auf lange Sicht die Gegenseite. Russland wird wichtiger. Gas nie als Waffe. Die Verflechtung mit einem einzigen Produzenten. damit Deutschland nicht nur auf starre Pipelines festgelegt bleibt. zahlt sich heute aus. Japaner. »Energiesicherheit« bedeutet einstweilen nicht mehr. 3 DIE ZEIT S. sie lassen sich heute aus Indonesien und Malaysia beliefern. Gerade hat Moskau in Weißrussland eine strategische Rohrleitung gegen Billiggas eingetauscht. Neue Probebohrungen im Kaspischen Meer haben viel Erdgas in Gebieten nachgewiesen. wohl aber ein wichtiger Lieferant. Amerika verhandelt mit Moskau über Rohstoffe aus dem Stokman-Feld in der Barentssee. indem man sein Erdgas aus möglichst vielen der gefährdeten Rohstoffländer bezieht – um ganz sicher zu gehen. Für die Machtentfaltung nach außen hatten die Sowjets die Armee. Chinesen und Inder kommen hinzu. 6 SCHWARZ cyan magenta yellow 6 POLITIK 12. einer der drei größten Gaslieferanten der Welt sein. Italien und Frankreich. Rumänien und Ungarn nach Mitteleuropa verläuft. Das ist das gute Recht Russlands: Es möchte nicht von Europa als einzigem Abnehmer abhängig sein. Man muss nur Rohre dorthin bauen. allerdings durch Gasprom-Verträge gebunden und mit einem unberechenbaren Diktator geschlagen. wenn man mit Russland Geschäfte macht. Bisher zeigte Deutschland daran kein Interesse. Sie werden sich an Rohstoffsanktionen des Westens nicht beteiligen. Spanien und Italien aber bauen längst an weiteren Direktverbindungen.Wer heute Pipelines plant.Nr. Jetzt. sondern mehr Flexibilität brauchen. Gas von der russischen Halbinsel Sachalin soll künftig Kalifornien versorgen. Deshalb gibt es keinen Anlass. Nicht weil sie kommunistisch war. aber China und Indien dürfte das nicht bekümmern. Doch mit Wladimir Putins Aufstieg 1999 meldeten sich Geopolitiker zu Wort. nicht nur in Russland. Weil die meisten Russen die Zimmertemperatur mangels Thermostat durch geöffnete Fenster regulieren und Gas wenig kostet. die stark wachsende europäische Erdgasnachfrage voll zu befriedigen. das Erdgasemirat Qatar am Golf. aber das Maghrebland hat immerhin doppelt so viele nachgewiesene Gasreserven wie Deutschlands zweiter Großlieferant Norwegen. die Monopolstellung von Gasprom. Diese Regionen hat auch Indien entdeckt. Umgekehrt ist Russland bei Europas Suche nach Energiequellen nicht die Lösung. vor allem in Aserbajdschan. dass er zu Jahresbeginn mit einigen Mythen aufgeräumt hat. auch wegen der hohen Kosten. die Übernahme von strategischen Energiebetrieben in den Nachbarstaaten. und gleichzeitig beginnt ein Wettlauf um die letzten großen Erdgaslager der Welt. Am meisten umworben von den Großmächten ist derzeit ein winziger Staat. Seite 19 Nr. hat versucht. in Indonesien drohen Terroranschläge. nur als Ware zu benutzen. zusätzlich plant das Land. Vor seiner Küste liegen noch große unerschlossene Felder. Europas Anteil an der Ausfuhr soll sinken. in dem 30 Prozent der Weltgasvorkommen liegen. zu begreifen. Es ist emissionsärmer als Öl. Die EU produziert heute die Hälfte ihres Gases selbst. den Warschauer Pakt und die Atomwaffen. von vergleichsweise schlechteren Standorten ihre künftige Energieversorgung zu sichern. Ist der größte Erdgaslieferant Europas ein unsicherer Kantonist geworden? Sprecher der Internationalen Energieagentur warnen Deutschland und Europa vor wachsender Abhängigkeit von dem Land. nach dem Gasstreit mit der Ukraine. Bislang blühen im Fluidum von Erdöl und Gas autoritäre Regime und korrupte Bürokratien. Algerien leitet heute rund ein Fünftel des europäischen Gasbedarfs zu. 3 DIE ZEIT S.3 Nordsee Norwegen Schweden Russland li ne Großbritannien ts Os e i ep pe Viel Wärme von allen Seiten Deutschland braucht sich nicht allein auf Russland zu verlassen. Wie werden Nordafrika. Bereits im Bau ist eine Pipeline am südlichen Kaukasus von Aserbajdschan über Georgien in die Türkei. Pipelines aus Myanmar zu bauen. Mit seinem Präsidenten Ahmadineschad und dem provozierenden Atomprogramm wird es zwar vorerst nicht zum geschätzten Lieferanten des Westens werden. als die chronische Unsicherheit beim Verbrauch fossiler Brennstoffe einzudämmen. Amerika importiert seit längerem Gas aus Kanada. das Westeuropa während des Kalten Krieges zwei Jahrzehnte ohne Unterbrechung mit Erdgas belieferte. doch bei Bedarf könnte es auch Deutschland sein. In Kasachstan werden neue Gasquellen entdeckt. das Kaspische Meer und der Golf an Europa angebunden? Die Großmächte der Welt umwerben das kleine Gasemirat Qatar Algerien liefert heute bereits über zwei Pipelines unter dem Mittelmeer Gas nach Südeuropa. Amerikaner. Anfang kommender Woche fliegt die Bundeskanzlerin nach Moskau. dass der alte Kontinent einen strategischen Vorteil gegenüber den USA und China hat: Alle großen Erdgaslagerstätten der Welt liegen an Europas Peripherie. Doch nun wollen sich die USA auch ihren Anteil an den Gasreserven Eurasiens sichern. Erdgas gilt als Rohstoff der Zukunft. die Menschenrechte und Demokratie förderte. die von der Türkei über Bulgarien. Und es hat dafür alle Voraussetzungen. es wird also auf dem nach EU-Willen liberalisierten europäischen Gasmarkt ein wichtiger Spieler sein. Liefert Moskau weniger. Weitere sollten folgen. Die Sowjetunion war ein zuverlässiger Energielieferant. Es verfügt über die drittgrößten Gasvorkommen der Welt. weiß jeder. dass Russland kaum in der Lage sein wird. Doch wie kann Europa vom Reichtum der Kaspischen Region profitieren? Die Antwort kommt aus Österreich. wie Putin daraus Politik aus einem Guss macht. Der Champion der Region ist unzweifelhaft Iran. OMV verhandelt mit deutschen Energiefirmen über eine Beteiligung – bisher ohne greifbares Ergebnis. Franzosen arbeiten schon länger in der Hauptstadt Doha. um sie zu eigenen Bedingungen weiterzuvermarkten. in Russland und am Kaspischen Meer sind Warlords und chronische Kriege wie in Tschetschenien oder Nagornyj-Karabach eine Gefahr auch für Rohstoffexporte. die Niederlande und eigene Quellen. sein Transport sauberer. 6 SCHWARZ cyan magenta yellow . hat morgen die Wahl Von Michael Thumann D Frankreich Polen n Freu dsc pe tspi haf line Kasachstan Ukraine Nabu cco-P ipeli ne Schwarzes Meer Türkei Aserbajdschan Kaspisches Meer Turkmenistan Mittelmeer Gaspipelines Irak bestehend geplant/im Bau Algerien Libyen Ägypten ZEIT-Grafik Golf Iran an muss Wladimir Putin fast dankbar sein. Mit dem Bau der Putin-Schröder-Pipeline auf dem Ostseegrund nach Deutschland will Gasprom direkten Zugang zu den Abnehmern erlangen – um am Ende die Preise zu kontrollieren. Auch in der kurzen Phase des demokratischen Pluralismus unter Boris Jelzin waren Öl und Gas Einnahmequellen. Aufruhr und Knechtschaft zu Hause sind. nicht mehr. wo zuvor Öl vermutet wurde. Doch noch ist Deutschland von russischem Erdgas nicht abhängig. Die langen Wege vom Golf nach Amerika und Ostasien machen den teuren Flüssiggastransport rentabel. Russland. Daran ließen sich Iran und – in besseren Zeiten – auch der rohstoffreiche Irak anschließen. Algerien verfügt zwar nur über ein Zehntel dessen. Deutschland wird nicht mehr Abhängigkeit. kann kurzfristig Gas bei anderen Produzenten gekauft werden. noch ohne Pipeline nach Europa. Der OMV-Konzern hat sich mit mehreren südosteuropäischen Energiefirmen zusammengetan und eine Pipelinetrasse entworfen. Russland. So lässt es sich auf Tanker verladen.on-Konzern nach langem Nachdenken zum Bau eines Anlandeterminals für Flüssiggas in Wilhelmshaven durchgerungen. Gas aus mehreren Ländern zu beziehen. Gas zu exportieren. Man muss diese Politik nur zur Kenntnis nehmen. in denen Krieg. Eine westliche Politik. das sind die nächsten vierzig bis sechzig Jah- M re. Norwegen ist die Ausnahme. die korrupt-bürokratische Verflechtung des Kremls mit dem Konzern. Der Streit mit der Ukraine hatte auch die Übernahme der dortigen Gasleitung zum Ziel. Iran wird deshalb. Dann werden sich voraussichtlich auch die Erdgasreserven erschöpfen. Dankenswerterweise hat Wladimir Putin mit dem Abdrehen des Gashahns daran erinnert. sie könne maximal einen politischen Sechstausender erklimmen. also der Umgang der Amerikaner mit dem Deutschen ElMasri und mit anderen gefangenen Terrorverdächtigen. Zumal seitens der Deutschen schon vor der Abreise einige klare Dinge in aller Öffentlichkeit gesagt worden sind. Wer heute eine Umfrage startet unter den Außenpolitikern der Union (das geht schnell. der Beginn des Irak-Kriegs. Der Kanzler erzielte mit seinem Nein innenpolitisch einen großen Nutzen. Der Irak lässt sich nicht ordnen. Mittlerweile ist Joschka Fischer herabgestiegen und sie hinauf. Das klingt nach Krisenroutine. auch sie ist bestimmt von dieser ernüchterten Nähe. An diesem Punkt scheint sich auch unter Christdemokraten ein neues USA-Bild herauszubilden. dieses Nilpferd hätte alle Chancen. warum George W. Bulette ist tot. Erfüllt hat sich diese historische Linie aus Sicht der Christdemokraten dann 1989. dann so wenig Geduld und Sorgfalt dafür aufwendet. der Asket und Frühsportler. er hat nicht mehr viele Freunde zu verlieren. die USA seien für Deutschland »nicht mehr von existenzieller Bedeutung«. Sie. ist er auch schon ein guter Bürgermeister«. außenpolitisch erreichte er das Gegenteil. 7 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. Am Montag ist Merkel in Moskau. wie bullig und protzig die Amerikaner – damals regierten die Demokraten! – auftraten. Schröder musste sich nach seinem dramatischen Nein zu nah an Frankreich und an Russland anlehnen. der seiner Betroffenheit über die notwendig gewordene Einschläferung Bulettes mit nur 53 Jahren in der BZ bewegenden Ausdruck gab: »Wäre nicht schon ein Bär das Wappentier der Stadt. der hört einiges über Freundschaft. Zum Beispiel meinte er. Mehr wohl kaum. die den Wünschen und Überzeugungen der Amerikaner nahe stand. durchaus mit einer gewissen verbliebenen Fähigkeit zur Emphase für das Land hinter und nach Bush. Spätestens nicht mehr seit dem 10. von denen es zurzeit besonders viele zu geben scheint. drängend – nach dem politischen Aus für Ariel Scharon – der Nahe Osten. den Schröder zu Recht vollzogen. das weniger mit den Personen zu tun hat als mit einer Vorgeschichte und ein wenig auch mit Geschichte. des EKDVorsitzenden Dr. Und mit hohen Folgekosten. Nach dem 11. Zudem haben die Amerikaner mit dem Irak-Krieg sich selbst mehr abgeschreckt als die »Schurkenstaaten«. Allerdings wird sich die Kanzlerin fragen. als im japanischen Kyoto das Klimaprotokoll unterschrieben wurde. Fürchtete man vor drei Jahren noch die amerikanische Hypermacht. das wird schon drei Tage nach der USA-Reise zu besichtigen sein. die Folter in Abu Ghraib. Einem Amerikaner ist sie ohnehin angeboren und dieser Ostdeutschen eben auch. Die gewachsene transatlantische Distanz wird an zwei Faktoren festgemacht. dass Angela Merkel im Amt ihre Naivität gegenüber den Amerikanern verloren habe. er sei ganz anders als sie. Auch Bulette. jedenfalls mehr. »international verbrannt«. weil sie naiv nie gewesen sei. wenn er die Freiheit so sehr liebt. Bush. Zum Glück verfügt Berlin über den seelischen Beistand des Landesbischofs. Dass die Kanzlerin mit kritischen Worten und dennoch guten Erfolgsaussichten nach Washington aufbrechen konnte. sondern emotionales Bedürfnis ist. und von da an kühlte sie sich merklich ab. hätte sich keiner ihrer Vorgänger träumen lassen. Die Obduktion ergab übrigens als Todesursache. daran. als George Bush die Deutschen mit ihren befreundeten europäischen Nachbarn nicht allein ließ und die deutsche Einheit – gegen französischen Willen und englische Ablehnung – ermöglichte. In der Union hört man zum Thema jedenfalls nur grätige Formulierungen: »Wichtig« sei Moskau. whatever! Doch nun ist das Tier tot. Er. Sie hatte hart dafür gekämpft und während der Konferenz erlebt. Die große Anteilnahme am Tod des Nilpferds zeigt. Bischof Huber hat Recht: Bulette wäre gewählt worden – als Wappentier. man konnte sich auf Augenhöhe begegnen. dann wird Angela Merkel in Moskau gewiss auch Russisch sprechen. das ist schon außerordentlich. 3 DIE ZEIT S. Dort hatte sich Schröder in eine echte Freundschaft verrannt. und Klaus Töpfer will gar nicht erst kommen. das durch die amerikanische Schwäche entsteht. Bessere Chancen kann sich nach Einschätzung von Kennern der Hauptstadtunion der Friseur der Kanzlerin. denen also Dankbarkeit nicht bloß politische Selbstverständlichkeit. Vielmehr sorgt man sich. Bush und Angela Merkel. dazu gewählt zu werden. konnte den Irak-Krieg dennoch nicht verhindern. Iran stört sich so wenig an amerikanischen Drohungen wie Nordkorea. Noch ziert er sich ein wenig. Dennoch geschieht mit diesem Besuch auch etwas Unerhörtes. unter anderem von der deutschen Umweltministerin Merkel. Sie. Distanz schafft aber auch der Generationswechsel. Allenfalls Interessenpolitik scheint mit ihm möglich zu sein. Wie relativ nah sich trotz alledem Amerikaner und Deutsche noch sind. Den Eingeweihten tun sich apokalyptische Ahnungen auf. Doch ging die moralische Selbstverstümmelung der US-Regierung weiter: Saddams fehlende Massenvernichtungswaffen. was er unter Politik versteht. »Wenn ein Bürgermeister in guter Haltung durchs Brandenburger Tor geht. Ob einstmals naiv oder immer schon klarsichtig – diese Woche im Weißen Haus blickt die Kanzlerin gewiss mit ebenso viel Nüchternheit wie Freundlichkeit auf den Präsidenten.3 POLITIK 7 U Der Präsident und die Kanzlerin werden einiges zu bereden haben. um Merkel aus dem Kanzleramt zu jagen. Die CDU pflegte vierzig Jahre lang ein weitgehend ungetrübtes Verhältnis zu den USA. Das alles hat bei der Union selten einen triumphalen Beiklang. 3 DIE ZEIT S. Damit verbindet sich der Segen Gottes. der gegenüber der Außenwelt ein gewisses intellektuelles Desinteresse pflegt. Die Drohungen der Europäer. Zumindest das Thema Freiheit verbindet den Amerikaner und die Ostdeutsche . als Regierender Bürgermeister. zum falschen Zeitpunkt. der lange dachte. wie man mit ihm auskommen kann. die ihre Karten verdeckt hält und Erfolge gern im Stillen genießt. Und dass die Kanzlerin trotzdem eine erfolgreiche Reise absolvieren kann. »Fehler« und »Guantánamo« waren die Stichwörter. sie hatte hierzulande lange daran zu knapsen. lässt sich schwer denken. Nicht nur für unser Wohlbefinden sind wir verantwortlich. wie das erstmalige grundsätzliche Nein des Sohnes gegen den Vater auch in Familien oft abläuft: überzogen. seine nicht. Vor allem Gerhard Schröder nicht. am Thron von Klaus »Lebensfreude pur« Wowereit zu rütteln. Was das wohl wieder bedeuten mag? Bischof Huber. Besser könne es erst nach ihm werden. Händeringend sucht der Berliner Unionsvorsitzende Ingo Schmitt nach einem geeigneten Ersatzkandidaten für Töpfer. Seine operative Ungeduld und sein internationales Auftreten lehnt sie ab. so ein anderer. Das liegt. Besonders nah sind sich Präsident und Kanzlerin beim Thema internationaler Terrorismus. etwa als Besatzungssoldaten. gemeinsame und gegensätzliche. Hier teilt Merkel die Bedrohungsanalyse des Präsidenten – nur eben seine Methoden nicht. die stets neugierige Blitzmerkerin. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. bis er die linke Mehrheit auf Bundesebene beisammenhat. In Washington haben nur noch wenige Politiker europäische Erfahrungen. Daneben werden gewohnte Konfliktthemen auftauchen wie der EU-Beitritt der Türkei oder die geringeren Verteidigungsausgaben der Europäer. Man wird sich also verstehen. An uns ist es. sie braucht die Amerikaner als politische Freunde nach wie vor. Sie. speziell unter vier Augen. während er selbst in der Lage sei. nur um nachher das Abkommen doch nicht zu ratifizieren. die noch eine eigene Erinnerung an die Berlin-Blockade haben. Udo Walz. Wenn bei der kühl-komplexen Interessenpolitik ein bisschen diplomatische Freundschaftsfolklore helfen kann. Töpfers Auftritt als Spitzenkandidat bei den Abgeordnetenhauswahlen im September wäre die letzte Chance der Union gewesen. mehr jedoch über Interessen. Dass ein deutscher Regierungschef mit einer derartigen Bugwelle von Kritik nach Amerika reist. dass Bulette ein rätselhaftes großes Loch im Kopf hatte. Die beiden sprachen über Außenpolitik und stellten wohl weniger Differenzen fest als erwar- " BERLINER BÜHNE Gesegnete Nilpferde Zwei Schreckensmeldungen in nur einer Woche erschüttern die Hauptstadt: Töpfer kommt nicht. jeden Achttausender zu nehmen. übernehmen Sie! Jörg Lau Nr. dass »die neue Verwundbarkeit der USA viel folgenreicher ist als die neue Stärke«. September 2001 haben die USA einen Kurs eingeschlagen. Bei der Kanzlerin ist es genau andersherum. Er. der aber zunächst viel Schaden angerichtet hat. wie groß unsere Sehnsucht nach der Harmonie der Schöpfung ist. Vorbilder des Gottvertrauens können die Tiere für uns sein. März 2003. Sodann gibt es Zonen gemeinsamer Sorge. Und so wird es weitergehen durch die Brennpunkte dieser Erde. der gern seine Macht demonstriert und Siege schon feiert. Lateinamerika macht. Dezember 1997. kurzum. Natürlich gibt es auch Ähnlichkeiten zwischen George W. Und zwar genau so. dass er sie allen bringen möchte. während in Deutschland die Zahl derer abnimmt.Nr. Auch Putin hat sich mit seiner Gas-Machtpolitik wieder zum Thema gemacht. so mutmaßt der Ex-Außenminister. ohne Sauerstoffmaske und in Turnschuhen. den die meisten Wähler der Union nicht nachvollziehen konnten. Nur Emanzipation ohne Trotz macht offenbar wirklich frei. Die Regierung Bush sei eine »glücklicherweise verlöschende Administration«. Guantánamo und die Verschleppung von Verdächtigen. aber auch. Doch ein Fluch liegt auf der Berliner CDU. sondern auch mit ihrer Partei. Ohnehin sei Bush. Dialektik der Geschichte: Der Emanzipationsakt. 7 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto (Ausschnitt): Henning Schacht/action press nterschiedlicher könnten die beiden kaum sein. Er hat mit seinem Nein zum Irak-Krieg den entscheidenden Schritt der deutschen Emanzipation vom nationalen Übervater Amerika getan. weil dort ihre harten Worte besser ankommen als Schröders verkniffenes Schweigen in den letzten Jahren. Nun profitiert sie von Schröders Nein gleich doppelt: gegenüber den USA. Damit vollendete sich gewissermaßen die transatlantische Freundschaftsbeziehung. auch für unsere Umwelt. für sie Verantwortung zu übernehmen. wird nun bei Merkel zu etwas Gelungenem. Er. Macht das noch einen Unterschied zur Vorgängerregierung? Kurz vor Weihnachten traf sich die Kanzlerin zu einem Vieraugengespräch mit einem Mann. So verwundert es kaum. so verblüfft neuerdings deren Schwäche. Markantester Punkt war der 20. Foto (Ausschnitt): BPA/ullstein tet. dessen Beliebtheit in Berlin fast schon an Bulettes heranreicht. Das allerdings würde die Kanzlerin bestreiten. Nun wird »Wowi« wohl so lange die Hauptstadt regieren. als Landesbischof. Es fehlt der Stallgeruch. wenn heute unter Christdemokraten davon gesprochen wird. sie ihnen auch zu erklären. Wolfgang Huber. weil bisher niemand in das Vakuum zu stoßen vermag. Das führt zu mehr deutschem Selbstbewusstsein gegenüber dem Partner. dass sie bei ihrer letzten Washington-Reise im Jahre 2003 zu Bush. hüben wie drüben. was es will. drängend ebenfalls das verstärkte Streben Teherans nach einer Atombombe. als es der bundesdeutschen Mehrheit gefällt. Nur Ahnungslose sehen den Zusammenhang nicht. musste sich hernach mit seiner Amerika-Kritik sehr zügeln und wurde dort dennoch nie wieder gern gesehen. aber die Einstellung stimmt. Von Adenauers Westbindung über die Wiederbewaffnung bis hin zu Kohls Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketen war es – mit Ausnahme der Entspannungspolitik – meist die Union. hat jedoch nicht Gegenüber Russlands Staatschef könnte das etwas anders aussehen Distanz aus nächster Nähe Angela Merkel profitiert bei ihrem Antrittsbesuch in Washington von Schröders Fehlern – und in Moskau auch Von Bernd Ulrich Angela Merkel steht in der christdemokratischamerikanischen Tradition. Innenpolitisch wiederum haben ihre kritischen Äußerungen sie von dem Verdacht zu großer Bush-Nähe befreit. es sind nicht viele). die doch maximal eine politische »Freundschaft« hätte sein dürfen.« Gesegnet seien die Nilpferde.und zu kriegsfreundlich wirkte. einem historischen und einem biografischen. aber auch zu mehr Verunsicherung. die Beziehungen seien »komplex«. Friedbert Pflüger ist trotz Empfehlung Richard von Weizsäckers bei der Berliner Union nicht durchzusetzen. Denn dass sie mit Putin gut über Freiheit reden kann. wenn sie noch gar nicht errungen sind. die genussfreudige Spaziergängerin. ausrechnen. so Walz auf die Frage nach seinem Amtsverständnis. haben Putin einlenken lassen. man könne einen unzuverlässigen Energielieferanten nicht brauchen. Die zweite Ähnlichkeit dürfte sich beim Washington-Besuch von Angela Merkel als die wichtigste herausstellen: Beide lieben das offene Wort. nur mit der richtig-falschen Irak-Politik ihres direkten Vorgängers zu tun. Vor allem ihre Emphase für die Freiheit. Ihre Spielräume sind größer geworden. schroff. kulturkämpferischer Drohgebärde und obrigkeitsstaatlicher Schnüffelei – ein sich selbst entlarvendes Dokument der integrationspolitischen Ratlosigkeit. Deutschland sei kein Einwanderungsland. Eine demokratische. Auf der anderen Seite verlangt er von den Zuwanderern den sichtbaren »Willen. Zwei der wichtigsten Verbände – der Zentralrat der Muslime und die türkeinahe Ditib – arbeiten intensiv mit dem BKA und dem Verfassungsschutz zusammen. solche Partner zu werden. auch jenseits der Scheinalternative von Leitkultur versus Multikulti. die sich zusehends unerwünscht empfinden. bei dem es den Hauptfiguren ausschließlich ums Rauswerfen geht. die sich besser integrieren sollen. »Separatgesellschaften« zu verhindern. Die Heldin der Revolution. Integration entscheide sich vor allem am Arbeitsmarkt. Ihr Kanon muss immer wieder neu verhandelt werden. er erkenne die Absetzung der alten Regierung erst gar nicht an. die er offenbar mit purem Opportunismus gleichsetzt. demokratisch legitimierten Gesamtvertretung der deutschen Muslime gearbeitet. um den Wettkampf für die Parlamentswahl am 26. Die neue Integrationsbeauftragte könnte da als Verhandlungspartnerin ganz ohne Geld viel bewirken. 46/05) und alle Anstrengungen darauf zu richten. der gegen alle Widrigkeiten seinen Weg als Schriftsteller und Politiker gemacht habe. zu erkennen. Im Fall Osthoff bildeten sie zur Beschämung der Mehrheitsgesellschaft die Avantgarde des Protests. mit Einwanderern. Die Antworten können. Sie wird energisch darauf dringen. der zu unserer Gesellschaft passt? Von Jörg Lau Staat erzwingen. Eine weltoffene Leitkultur. das sowieso in gut zwei Monaten neu gewählt werden soll. Wiktor Janukowitsch. mehr Entgegenkommen von den Zuwanderern zu fordern: Das Gelingen der Integration hängt nicht zuletzt am Selbstbild der Mehrheitsgesellschaft. Die Einfuhr von »Importbräuten« per Gesetz weiter zu erschweren ist eine ehrenwerte Initiative. kann die Politik die Herausbildung eines Islams in Deutschland befördern. März anzuheizen. während Rekrutengelöbnisse mitten in Berlin von der Polizei vor militanten Ausbrüchen deutschen Selbsthasses geschützt werden müssen. Die Mehrheitsgesellschaft muss lernen. Integration zu einem »ganz großen Schwerpunkt« der Regierungsarbeit zu machen (ZEIT Nr. September wurde Einwanderung zum Sicherheitsthema. mehr jugendliche Migranten auszubilden. Das Draufgängertum der Abgeordneten. Es mutet schief an. 3 DIE ZEIT S. Das ukrainische Parlament machte sich die am 1. ohne dabei in Werterelativismus abzugleiten.de/integration Nr. so sind sie mittlerweile dabei. Werbung für mehr Gleichberechtigung bei den Migranten und für mehr Chancengleichheit in der Mehrheitsgesellschaft. den Sinn für Bildung fester in den Migrantenmilieus zu verankern: Darum will sie das Gespräch mit möglichen Leitfiguren suchen. Und die Migranten müssen lernen. wenn sie an dieser Ordnung teilhaben wollen und etwa Religionsunterricht erteilen möchten. reklamiert nun lautstark die Stimmen der Revanchisten für sich. Zugleich sucht sie nach Wegen. gibt sich als alleinige Hüterin des orangefarbenen Geistes und nimmt nebenbei an Juschtschenko Rache. Das erste Jahr nach der orangenen Revolution sieht rückblickend eher wie ein Austausch der Eliten als ein Richtungswechsel aus. selbstbewusste zivilgesellschaftliche Akteure im Kampf gegen die islamistische Perversion ihres Glaubens zu werden. die mit ihrem neuen Knüppel der Regierungsentlassung sogleich dreinschlugen. habe sie das »kämpferische Bürgerbewusstsein« eines Aufsteigers beeindruckt. sich vom islamistischen Terrorismus laut und deutlich zu distanzieren. Ihr volljähriger Sohn kommt zu Ihnen und möchte gern mit einem anderen Mann zusammenleben. dass in Deutschland Homosexuelle öffentliche Ämter bekleiden? Welche Berufe sollte Ihrer Meinung nach eine Frau auf keinen Fall ausüben? Genau solche Fragen möchten die Einbürgerungsbehörden in Baden-Württemberg nach einem neuen Leitfaden des dortigen CDU-geführten Innenministeriums gerne von muslimischen Bewerbern um die deutsche Staatsbürgerschaft beantwortet wissen. auch mit den jeweiligen Neuankömmlingen. sich als Mann der politischen Mitte zu profilieren. dass Zwangsehen und so genannte Ehrenmorde geächtet und hart bestraft werden. Es ist unklug. organisieren Informationsveranstaltungen mit Sicherheitsbehörden. sondern auch mit einer neuen Kultur der Anerkennung positiv beeinflussen. Kaum vier Wochen nach ihrem Amtsantritt zeichnet Böhmer die Skizze einer ambitionierten Agenda: Sprachförderung schon im Kindergarten. der mit der modernen Gesellschaft besser zurechtkommt. welche die Vollmachten des Präsidenten begrenzt. Sozialleistungen und Aufenthaltsgenehmigungen an die erfolgreiche Absolvierung von Integrationskursen zu koppeln. wohl aber den hohen Ansprüchen einer verfassungskonformen Religionsgemeinschaft nach deutschem Recht genügen. ihre Ansprüche weniger schnarrend zu formulieren. Doch Sanktionen wirken nur dann in der richtigen Richtung. wenn sie nicht fortschrittlich genug ausfallen. bilden Verfassungsschützer fort. Julia Timoschenko. Der aber ließ verlauten. Zugleich pflegte sie fahrlässig lange die Illusion. Die Beheimatung des Islams in Deutschland bleibt vor allem die Aufgabe der Muslime. sondern die Voraussetzung ihres Funktionierens. Denn dank der Vieldeutigkeit der alten Gesetze und der neuen Verfassungslage vor der Parlamentswahl stehen der Ukraine chaotische Wochen bevor. Den Gasstreit musste er noch in beklommener Stille aussitzen. Premierminister Jurij Jechanurow. kann den gemeinsamen Bezugspunkt für eine Gesellschaft bereitstellen. Eine neue Regierung kann vermutlich nur Präsident Wiktor Juschtschenko vorschlagen. Sie möchte darum mit den deutschen Arbeitgebern über eine Selbstverpflichtung verhandeln. sondern – in seiner Mischung aus berechtigter Sorge. fällt in der neuen Regierung den Christdemokraten zu – dem Innenminister Wolfgang Schäuble und der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer. Wir sind auf weitere Zuwanderung angewiesen. die das Abdrehen des Gashahns am Neujahrstag als weltweiten Imageschaden für Russland verbuchen mussten.zeit. Kopftuchverbot:Wie stellen wir uns den Neubürger vor. um Zwangsehen vorzubeugen. wurde noch früher als erwartet zum kommissarischen Regierungschef herabgestuft. Strafverfolgung. und wir sollen den Fremden »nicht als Bedrohung. Darin liegt eine gewisse historische Gerechtigkeit. »Sheriff gegen Minderheitenschützer«. republikanische Leitkultur ist kein Gegensatz zur multikulturellen Gesellschaft. doch über einen kleinen Erfolg freuen: die fortschreitende innenpolitische Zerrüttung des Nachbarlandes. dass sich zwischen Schäuble und Böhmer ähnliche Szenen abspielen werden. wenn ein Klima grundsätzlicher Offenheit für jene spürbar ist. Es gibt – durch den näher rückenden Terrorismus und das Aufblühen von Parallelgesellschaften – eine neue Dringlichkeit des Themas Integration. das wechselseitige Unbehagen aufzubrechen. Maria Böhmer will das Thema der Frauenrechte im Islam zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen. Doch das Gas dient nur als Brennstoff. noch lassen sie sich verordnen. Verhinderung von Ghettobildung in den Brennpunkten deutscher Städte. denn hier liegt die Krux aller Integrationspolitik. hämmert er den Einheimischen in jedem Interview ein. Die Muslime müssen nicht Kirche werden. um die uns andere Länder längst beneiden. ob sich junge Migranten als legitimer Teil dieser Gesellschaft fühlen können und Chancen bekommen. wie umstandslos diese Lebenslüge jetzt abgeräumt wird.Nr. da das ukrainische Volk die Erniedrigten liebe. Wer französische Verhältnisse verhindern will. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei der Religion zu.3 Das ukrainische Parlament feuert die Regierung Von Johannes Voswinkel as ukrainische Parlament hat sich seit langem durch die Lust am Meinungskrawall bis hin zum Faustkampf ausgezeichnet. ein verklemmter Ausdruck grundsätzlicher Missachtung zu sein. Mussten sie früher oft gedrängt werden. Solche Haltungen lassen sich weder sozialtechnisch erzeugen. Es wird an einer transparenten. wenn wir eine freiheitliche Gesellschaft bleiben wollen? Die Deutschen schauen voller Sorgen auf ihre sich abkapselnden Zuwanderer. Und die Migranten. 3 DIE ZEIT S. Sicherungshaft und Abschiebung. braucht aber gut verankerte Partner in den Migranten-Communities. Die muslimischen Verbände bemühen sich. was bleibt der Eigeninitiative der Zuwanderer überlassen. Da konnten sich die Geostrategen des Kremls. Am Dienstag gönnten sich die Abgeordneten das Spektakel einer Regierungsentlassung – vorgeblich aus Empörung über die Kompromisslösung im Gaskonflikt mit Russland. der Entrüstung mit dem Stimmzettel Luft zu machen. dass das deutsche System der Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften integrationspolitische Einflussmöglichkeiten eröffnet. Auch Jahre später noch droht die Rücknahme der Einbürgerung. Die Union war die treibende Kraft der Anwerbepolitik. Das Ziel jeder Integrationspolitik – den Sinn für Zugehörigkeit zu fördern – ist allein auf dem Amtsweg nicht zu erreichen. Und die Aufwertung des Amts der Integrationsbeauftragten durch ihre machtnahe Ansiedlung im Kanzleramt lässt hoffen. D Die Bundesregierung will die Integration zu ihrem »ganz großen Thema« machen tellen Sie sich vor. Nur ein Land von selbstbewussten. habe sie darin bestärkt. Der abgewählte Premierminister wiederum macht der Partei des Präsidenten Mut: Der Konflikt komme letztlich dem düpierten Juschtschenko zugute. Doch unterdessen hat in islamischen Organisationen ein Umdenkungsprozess begonnen. Wie reagieren Sie? Was halten Sie davon. lässt allerdings an ihrer politischen Reife zweifeln. der längst begonnen hat. Die muslimischen Verbände haben verstanden. Zwischen Gefühl und Härte gibt es fast keinen Übergang in den Äußerungen des Innenministers. dass die breite Mehrheit der gesetzestreuen deutschen Muslime stärker als bisher im öffentlichen Leben repräsentiert wird. Wolfgang Schäuble hat angekündigt. Mitte des Jahres soll sie ihre Arbeit aufnehmen. Wie stark sollen sich Migranten der deutschen Kultur anpassen. hätten Kiews Politiker den demokratischen Geist von unten endgültig auf dem Gewissen. Doch vielmehr fühlen sich die Ukrainer von ihrer verantwortungslosen politischen Klasse erniedrigt. die ihre kulturelle Diversität als Bereicherung zu erkennen lernt. Wolfgang Schäubles erste Äußerungen als Innenminister sind auf eine neue Art werbend und fordernd zugleich. Die erste Dienstreise hat sie noch im Dezember zu ihrem französischen Kollegen Azouz Begag geführt. dass erfolgreiche Integration nicht allein von rechtlichen Voraussetzungen abhängt. Deutschkurse. i Mehr zum Thema Migration nach Deutschland unter: www. Die Politik muss ihre abwartende und überängstliche Haltung aufgeben und zusammen mit den Organisationen dafür sorgen. wie sie der Bundestagspräsident Norbert Lammert fordert. 8 SCHWARZ cyan magenta yellow 8 POLITIK 12. 8 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: Georg Schönharting/Ostkreuz Chaos in Kiew . Unter Muslimen wurde dies zunächst als Islamophobie gebrandmarkt. dass sich auch die Neuankömmlinge als solche begreifen. in der sie oftmals beschämend unter ihren Möglichkeiten bleiben. die das deutsche Modell bietet. wie es jetzt etwa der niedersächsische Innenminister Schünemann (CDU) fordert. Integrationspolitik wird in Zukunft einen neuen Ton finden müssen – jenseits von Gutmenschentum und trompetender Kulturkämpferattitüde. Den Wählern bleibt noch die Chance. sagt sie. Das Nachzugsalter für Ehegatten will Schäuble auf 21 Jahre erhöhen. zur Verweigerung der Einbürgerung führen. die endlich offen debattiert werden müssen. erwidern diesen bangen Blick. Die politische Fantasie verlegte sich auf die Erleichterung von Ermittlung. Die ukrainische Politik verwildert zum Mensch-ärgere-Dich-nichtSpiel ohne Regeln. der sie im Herbst als Regierungschefin absetzte. Der ungeschickte Fragebogen bringt allerdings Fragen auf den Tisch. sagt Böhmer. Was sie über die Probleme der Banlieues erfuhr – Begag selbst ist dort aufgewachsen –. Der Stuttgarter Fragebogen ist keine Satire. An ihrem französischen Kollegen Azouz Begag. Parlamentspräsident Wladimir Litwin versucht. Erst wenn die Menschen in Apathie verfielen. ein anderes Leben zu führen. der vor vier Monaten als Übergangskandidat den Dienst angetreten hatte. dass Integrationspolitik mit dem Ende von Rot-Grün ironischerweise eine feministischere Färbung bekommt. Zugleich drohte er mit der Auflösung des Parlaments. dass Zuwanderung auch jenseits von Sicherheitsfragen endlich ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit rückt. Rot-grüne Berührungsängste haben hier zum Stillstand geführt. Für einen tiefgreifenden Wertewandel ist entscheidender. sodass sie nicht den Eindruck erwecken. Die Staatsministerin ist zu Recht beeindruckt. da sie verfassungswidrig sei. Früher wurden die harten und die weichen Töne in der Integrationsdebatte meist mit verteilten Rollen vorgetragen: Schily gegen Beck. ANZEIGE wenn wir den Neubürger bei Annahme der deutschen Nationalität einen feierlichen Eid auf die Verfassung ablegen lassen. Die Herkulesaufgabe. sollte der Bewerber seine liberale Aufgeschlossenheit nur vorgetäuscht haben. Sie predigen in den Moscheen gegen Extremismus. sich auf symbolische Defensivmaßnahmen wie Kopftuchverbote zu versteifen – Nordrhein-Westfalen etwa plant ein eigenes Gesetz für 15 Fälle unter 170 000 Lehrern! Man sollte lieber mit Anreizen und Forderungen den innerislamischen Reformprozess unterstützen. da seine prorussische Haltung kaum mit dem geforderten Maß an ukrainischem Patriotismus vereinbar war. freiheitlichen Bürgern kann erwarten. Nach dem 11. Unionspolitikern müsste es eigentlich leichter fallen. Januar in Kraft getretene Verfassungsänderung zunutze. Aber die Politik muss diesen Prozess nicht nur mit Druck und Argwohn. wie sehr muss sich im Gegenzug das deutsche Selbstbild durch Einwanderer verändern? Wie führt man muslimische Migranten näher an die Verfassung dieses Landes und westliche Werte heran? Was kann und darf der Dürfen Türken schwul sein? S Fragebögen. Repression. sondern als Bereicherung« verstehen. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. dass der Kampf gegen den Terrorismus auch – und gerade – die moderaten Muslime angeht. Es mag sinnvoll sein. die es geschafft haben und Jüngeren Mut machen können. Ausweitung und Ausbau der Integrationskurse. die beliebte Opferrolle aufzugeben und sich als eigenverantwortlicher Teil der deutschen Gesellschaft zu sehen. Die donnernde Aufforderung »Nun werdet mal endlich heimisch« ist so sinnlos wie ein Befehl zum Lachen. Juschtschenkos Gegenkandidat vor einem Jahr. Mag sein. Geradezu atemberaubend. Mit den Anreizen. So richtig es ist. hier heimisch zu werden«. Unwahrscheinlich. um den Vorfahren Geschenke zu bringen. und den chronisch kranken Sohn unter einen Hut zu bringen. keinen Sauerrahm und keinen Käse. In Julias Familie zog kürzlich ein Sohn mit Frau und zwei Kindern aus dem Dorf in die alte. 1955. geht das im Herbst geerntete und eingemachte Gemüse Glas um Glas aus. 1939 in einem anderen Dorf im Norden geboren. ohne Absicht. sondern eine Rentnerfamilie. Und verändert. Es gab hier Dorfbewohner. keine Butter. individuell zu handeln. Kalb und Hühner. in der ausgedehnten russischen Landschaft verstreuter kleiner Dörfer auch. brachte die Revolution von 1917 nur noch mehr Leid. Juni. Sie beschützten ihre Tiere und Neugeborenen vor den Blicken Fremder. weil sie zumeist außerhalb der Geldökonomie leben. nicht mehr für ihre Verwandtschaft. undurchdringlichen »Gestalt« führen kann. In den Städten dagegen reicht die gleiche Summe für kaum mehr als die monatliche Ration an Brot. Jahrein. 3 DIE ZEIT S. Das Land um Solowjowo war. aus dem Boden zu steigen. je wieder zurückzukommen. Hausarbeit.Nr. »Es ist zwecklos«. 3 DIE ZEIT S. fragen die Dörfler. waren maßlos hoch. dicken Fingern waren Julias Existenzgrundlage gewesen. Auf diese Weise ermöglicht das dörfliche Leben eine Unabhängigkeit und ein soziales Sicherungsnetz. Die Lebensbedingungen auf dem Land. schloss sich auch die junge Julia einer Arbeitsbrigade ihrer Fabrik an und fand sich am Ufer eines Sees am Rand eines Kiefern. Heimat für rund 27 Prozent der Bevölkerung. zehn Tage lang. um ihren Reichtum zu mehren. erzählt Julia. Straßen. um Kartoffeln. ohne Erlaubnis ihres Herrn wegzugehen. wie die Elite ihres eigenen Landes sie einschätzte: als konservativ. Das war alles. Aber sie erklärte. Sie sind mit der Zeit taub geworden. dass die Wärme anfängt. Firmenbetriebe transparent und »rationell« werden. deckten ihre Körbe mit Nr. aus dem Boden zu steigen. Margaret Paxson ist Senior Associate am Kennan Institute des Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington. um überhaupt etwas Gefühl in sie hineinzubekommen.3 POLITIK Russische Bäuerinnen auf dem Feld: »Wenn man spürt. auch dem Land endlich Gerechtigkeit zu verschaffen. züchten Bienen für Honig. bis ins 20. verbargen alle Zeichen von Wohlstand und sahen einem Fremden nie zu lange in die Augen. dann kommen die kalten Winde. Die Monate sind kurz. das Fleisch verkaufen und in Zukunft mit dem Holz der üppigen Wälder in der Gegend Handel treiben. Die russische Landbevölkerung trägt zusätzlich daran. Für Russland hat diese Subsistenzwirtschaft der Dörfer verschiedene Konsequenzen. Es gab Todesfälle durch Krankheit. indem das dortige soziale Sicherungsnetz schwächer wird oder ganz verschwindet. Wie überleben? Kühe schlachten. die Vieh wiederfinden konnten. Wasser und Heu. Leibeigene auszubeuten. wird Russland demnach demokratisch werden. In dieser ganz eigenen Welt gibt es Bauern. Solowjowos Existenz beruht nun in erster Linie auf einer Subsistenzwirtschaft – wie die zahlloser anderer. Wenn sich der Winter hinzieht. stur und roh – und gleichzeitig als Bewahrerin der nationalen »Seele«. dass die »unsichtbare Hand« des Marktes greifen und sich Russland rasch dem Westen angleichen wird. für Milchwirtschaft geeignet. Und damit auch kein Fleisch mehr. und schon bald gibt es den ersten Frost. Quer durch die russische Geschichte musste diese Zeit genug erbringen. einst geschäftige Hafenstadt Belosersk. und falls nicht. Das zweite Zukunftsszenario Russlands geht auf etwas zurück. Trotz Eingaben und Protesten wurde Solowjowo 1933 kollektiviert. einen Heiratsantrag anzunehmen. Beeren und Pilzen zu. (bekannt als der »Schreckliche« und der Erste. Julia muss diese Hände gegen einen Stuhl schlagen. überschwänglichem Lob oder allem. Wenn Julias Kuh geschlachtet ist. Getreide und Tee. ja das ganze Land selbst zu ernähren. Fortan galt es. Juli und August vergehen auf den Feldern und in den Gärten mit Pflügen und Pflanzen. und vor allem das ländliche Russland. Nur wie? Irgendwann fragte ich Michail Alexejewitsch. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Selbstmord und Gewalt. Einkommen und Renten bewegen sich zwischen umgerechnet 20 und 50 Dollar im Monat. Jahrhunderts trugen viel zur Entlastung der Bauern bei. körperliche Bedrohungen und sexuelle Übergriffe üblich. »Was kommt als Nächstes?«. Die Steuern. die fortgezogen sind. Wegzugehen vom Land kann Erleichterung schaffen. Nun sitzt er in einer kleinen Stadtwohnung ohne fließendes Wasser und Zentralheizung und hofft. der Wettbewerb sich ausbreitet. um nicht nur die Familien im Dorf zu ernähren. fischen im nahe gelegenen See. Aber noch decken diese Ein- Die Erde unter den Füßen Auf dem Lande wohnt von alters her das Gute und Wahre in Russland. Julias Mann. der Kolchose. die Tiere werden in die Ställe getrieben. wie Probleme gelöst werden und wie man sich auf weltliche und überirdische Mächte berufen kann. das im postsowjetischen Russland vielleicht das einzige von wirklicher Bedeutung ist. als wenig risikofreudiger Kollektivist ohne die Fähigkeit. dass seine gedankenlose Verwendung zu einer faszinierten Sicht auf den »Anderen« als einer ganz eigenen. die Zivilgesellschaft erblühen. Das Dorf Solowjowo wird in diesem Winter eine Familie mehr haben. In Russland reicht die Wachstumsperiode von zwei Monaten in Sibirien bis zu sechs Monaten im Süden. Das Dorf war damals so wunderschön. und in den Städten standen reihenweise alte Frauen vor den U-Bahnstationen und verkauften Zigaretten und Unterhosen. die Familie im Dorf. Eine neue Unsicherheit erschütterte das. Nach dem ersten starken Frost werden wir Luschka schlachten. sanfte Hügel. fallen die Leute in einen langsameren Rhythmus. sie habe keine Angst vor schwerer Arbeit. was ihnen ein brandneues Gesetz gestattet. weil sie wussten. zu ernähren. Jahrhundert regierten. »Ich kann die Kuh nicht mehr melken. als Dorfbewohner. 40 Jahre nachdem sie ihre Entscheidung getroffen hat. das Anthropologen als »essenzielle« Kulturauffassung verachten. »Wenn man spürt. Milchquoten einzuhalten. eine Arbeit zu finden. Fünfjahrespläne zu erfüllen. Sie jagen in den Wäldern. Obwohl sie damit groß wurden. hatte sie die Chance gehabt. und das ist wichtig. die Kartoffeln zu setzen. The Story of Memory in a Russian Village«. dass das Lehrerinnengehalt seiner Frau sie eine Weile über Wasser hält. als Russen – nun gehen sollen. Holz verkaufen? 1991 brach die Sowjetunion zusammen. den christlichen Feiertag Troiza (Pfingsten) in ihrem örtlichen Klubhaus als säkularisierten »Tag der Birke« zu feiern. Menschen wanderten in die Städte ab. dass die Wärme anfängt. der sie wieder aufs Land zurückbefördern würde. ein Teil des Fleischs des ebenfalls im Herbst geschlachteten Viehs beginnt zu verderben. geflohene Leibeigene wurden wie jeder entlaufene Sklave aufgespürt. die Blätter verfärben sich. woher er wisse.« Julia lebt schon seit 40 Jahren in dem winzigen Dorf Solowjowo. und Obdachlosigkeit wurde zu einem sozialen Problem. 9 SCHWARZ 12. Trotz ihres erklärten Ziels. Im Jahr 1581. Zwei Hände. einen Teil des Landes für sich zu nutzen. Ihre Forschungen in Russland mündeten in das Buch »Solovyovo. und Dunkelheit. Kälte und Regen setzen ein. und nachts hört man die Ratten im Keller an den Mohrrüben nagen. Aber was geschah auf dem Land? Was geschah in Solowjowo? Im sowjetischen Dorf verkörperte sich der Sozialismus in der Institution des kollektiven Landwirtschaftsbetriebs. medizinische Einrichtungen und der Dorfladen sperrten zu. Doch im vergangenen Jahr versagten sie. wird es keine Milch mehr geben. antwortete er. Postämter. Zunächst einmal. Seeufer und im sumpfigen Hinterland freilaufende Pferde. sind hart. wird diese Entscheidung irgendwann im Mai getroffen. sondern für den Staat zu ackern. die lernten.und Birkenwäldchens wieder. 9 SCHWARZ . irrational. sie schwangen Sensen. als ihr »Vater« Stalin starb. und einer der Gründe dafür liegt darin. Woodrow Wilson Press 2005 Aus dem Englischen von Barbara Häusler Sie wuchsen als Sowjets auf – und blieben dörflichen Bräuchen treu Im Dorf Solowjowo hat sich eine Welt von großer symbolischer und ideologischer Komplexität erhalten. 480 Kilometer nördlich von Moskau. Die Reifezeit dauert in Solowjowo nur fast vier Monate. die auf neue und andere Weise in den Himmel schaut. und die Dorfbewohner verbrachten die nächsten 60 Jahre damit. als Nikita Chruschtschow im Rahmen seiner poststalinistischen Landwirtschaftspolitik in einer überschwänglichen Geste befahl. Aus diesem Blickwinkel betrachtet. Abhängig. Die Abhängigkeit von den Händen stellt eine Form von Unabhängigkeit dar – bis die Hände versagen. In den letzten Jahren war ein unaufhaltsamer (aber nicht endgültiger) Verfall der Kolchosen zu beobachten. das Auge auf den Himmel gerichtet. der vermutlich den Titel Zar trug). haben sich die Menschen hier ihre eigene Vorstellung davon erhalten. wie man mit dem »Meister des Waldes« spricht. der sich in sie verliebte. Telefone sowie die medizinische Versorgung haben sich seit dem Ende der Sowjetunion erheblich verschlechtert. was einmal eine selbstgefällige Version der Mittelklasse der Sowjetunion gewesen war. Bäume fällen. hatten wenig Skrupel. jahraus suchten sie – auch wenn es wegen der »Informanten« gefährlich war – örtliche Zauberer. sind die Dorfbewohner einigermaßen sicher vor den wirtschaftlichen Umwälzungen. dass sich selbst das ländliche Russland verändert – so vielfältig und in gewisser Hinsicht unabhängig seine kulturellen Traditionen auch sein mögen. Sobald es Winter wird. In der Zeit während und nach dem Zweiten Weltkrieg reichte bereits der Diebstahl einer Steckrübe. Nach dem ersten Frost im Jahr wird es auch keine Kälber mehr zum Schlachten geben. 1992. die kollektiv von den Dorfgemeinschaften gezahlt wurden. während der Herrschaft von Iwan IV. Die Wahrheit ist. mit Jäten und dem Schleppen von Heu und Wasser. bleibt Russland. schleppten Wassereimer und wuschen Wäsche im eiskalten Wasser des Tichonskoje-Sees. es stand ihnen fortan nicht mehr frei. Hungersnot und häusliche Gewalt. die darum ringen. sondern auch den adligen Landbesitzer und das hungrige Reich. Dabei wurden alle unaufhaltsam immer betrunkener und leidenschaftlicher und stifteten Verbundenheit untereinander und mit den Toten. mit ihnen zu reden und ihre Hilfe für die Ernte zu erbitten. und zog mit Eltern und Geschwistern ihres frisch gebackenen Ehemanns in eine Kate. Es gibt sogar eine Art soziales Netz. einen sorgenvollen Blick. wann es Zeit sei. wohin sie – als Familien. obwohl die Bauern beginnen. Kuh. um ein paar hundert Kühe am Leben zu erhalten. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat es zwei wesentliche Ansätze zur Beantwortung dieser großen Frage gegeben. Schaufeln und Rechen. »Man muss barfuß aufs Feld«. die Russland erschüttern. stahl sich doch Jahr für Jahr Familie um Familie heimlich zum Friedhof. Die Kolchosarbeiter schufteten in den Brigaden und verrichteten all die schwere Arbeit. Diese kleinen Hände mit den glatten. Diese Familie wird keine Bauernfamilie mehr sein. In Moskau schossen luxuriöse Gebäude aus dem Boden. natürlich auf ewig ganz eigen und anders. der schlicht als »Großvater« bekannt ist. Julias Tochter lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in einem Dorf rund 40 Kilometer entfernt und versucht den Ganztagsjob in der örtlichen Bücherei. Während sie als moderne Sowjets aufwuchsen. wo sie die Aufmerksamkeit eines sanften Mannes auf sich zog. Die Zaren. aber eben auch Unsicherheit bringen. dass in der gesamten Sowjetunion Getreide angepflanzt werden sollte. und weinten. Und immer hatten sie Angst vor dem bösen Blick. liegt ein schweres und gelegentlich erbarmungsloses Leben hinter ihr: Es gab Krieg. an die »strahlende Zukunft« des Kommunismus zu glauben. musste auch die Kolchose von Solowjowo eine Entscheidung treffen: Was sollte mit der 85-köpfigen Kuhherde geschehen. So wurde der russische »Andere« beispielsweise als sklavisch loyal gegenüber Despoten beschrieben. nachdem man nicht mehr länger mit staatlichen Subventionen rechnen konnte? Die Antwort: schlachten. Getreide. und Russland wird sich von Amerika nur noch in seinen Vorlieben für Borschtsch und Kaviar statt für Hot Dogs und Pommes Frites unterscheiden. Heu gedeihen zu lassen. im Alter von sechs Jahren in ein Waisenhaus gekommen und bis Anfang zwanzig in den Industrieanlagen von Tscherepowez beschäftigt. wie der größte Teil des russischen Nordens. Heiler und kundige Frauen auf. Gangster kurvten in schicken Autos und Armani-Anzügen durch die Städte. dann ist es Zeit zum Pflügen und Pflanzen« Fotos: Lucian Perkins 9 Z um Beispiel Julias Hände. das sich in den tiefen Wäldern verlaufen hatte. Zu Besuch in dem Dorf Solowjowo Von Margaret Paxson künfte im Großen und Ganzen die dörflichen Grundbedürfnisse. die Tiere und jene. Rechtsstaatlichkeit wird die Exzesse abtrünniger Geschäftemacher und Politiker in den Griff bekommen. die langsam und schrittweise ihr Heu auf ehemals kollektivem Land machen. um ins Gefängnis zu wandern. das armselige Leben auf dem Land hinter sich zu lassen. als Moskau mit seinem wilden Ritt in Richtung Kapitalismus begann. Bisher wurde die Kolchose nicht privatisiert. wurden die Leibeigenen per Erlass »an das Land gebunden«. dann ist Zeit zum Pflügen und Pflanzen. die aus einem einzigen Raum bestand. was auf persönlichen Reichtum oder Besonderheit hinwies. Doch die Idylle zerfällt. DC. wie es heute noch ist: Blumenwiesen. die sie hält. Der erste beruht auf der Annahme. fast hölzern. Heute. eine getroffene Entscheidung. sie pflügten. In dem Maße. die Russland vom 16. Weder die Aufhebung der Leibeigenschaft 1861 noch eine Reihe von Reformen Anfang des 20. Der Kulturbegriff hat unter den Gelehrten eine lange und kontroverse Geschichte. Ihre Freundinnen aus der Stadt hielten sie für verrückt.« Die Erde unter den Füßen. rissen Wurzeln aus. in dem die Märkte wachsen. In vier Jahrzehnten verbrachten Julia und ihr Mann nur einmal Ferien miteinander: im fernen Leningrad. die nötig war. tönt Trautvetter – was freilich doppelt falsch ist. n. Leerstand im Gotteshaus Das Bistum Essen in Nordrhein-Westfalen will 120 Kirchen schließen. Böhrnsen räumt heute ein: »Wir haben viel Zeit vertan. Zwar kündigt Bremens neuer Senatspräsident. sagt Hörfunkchef Gehler neutral. dass wir mit unserer Kirchengemeinde unsere Heimat und einen Ort der Wärme verlieren. das jeder gerne hört«. Schulen oder Kindergärten nutzen. Was Bremen von seiner Eigenständigkeit hat. Bremen steht im Begriff. Wer freilich dem Bremer Regierungschef mit dieser Frage kommt.5 Millionen Katholiken. ihre drei Stimmen im Bundesrat zu Geld zu machen. Und das mit einem Klassiker! Das 1951 gedichtete Rennsteiglied über den Wanderweg im Thüringer Wald (»An silberklaren Bächen sich manches Mühlrad dreht«) des Ost-Heimatbarden Herbert Roth mag zwar Thüringens inoffizielle Hymne sein. machen wir es besser. In einer internen Anmerkung traf der Finanzexperte außerdem eine Feststellung. 2000 Gläubige haben dort Platz. zum Tanzen und Reden. im Gegenteil: Die Schulden sind während der Subventionsphase von 1994 bis 2004 sogar von knapp 9 auf 13 Milliarden Euro gestiegen. sagt Fendrich. das sie ebenfalls ihrer Selbstständigkeit verdanken. Das nämlich ist das zweite Standbein des Interpreten: Andi T. dem Land eventuelle Steuerausfälle zu ersetzen. Doch die Bremer haben sich in ihrer desolaten Finanzsituation gut eingerichtet. ein vermeintliches Privileg. Wenn sich kein Käufer findet. Wird Genn St. verkündete er und ließ nicht weniger als 120 neue Kirchen bauen. Lange Zeit hofften die Bremer auf den so genannten Kanzlerbrief. Doch nun scheinen Bremens Politiker selbst zu besorgen. die unlängst die Vielfalt der Länder und Regionen öffentlich rühmte. unwahrscheinlich. erneut nach Karlsruhe zu ziehen. Maria Königin ihren Gemeindestatus behalten kann. Und beiden sei das schlecht bekommen. die kleine Gemeinde mit ihren gerade noch 600 Mitgliedern. Und wenn St. sondern psychologische Gründe angeführt werden: Man will die Befürchtungen in den Gemeinden nicht weiter steigern. »Wir haben Angst. 11 SCHWARZ cyan magenta yellow Bremen NordrheinWestfalen LÄNDERSPIEGEL 12. »Es geht doch nicht ums Geld«. 3 DIE ZEIT S. dass manche Menschen sein goldiges kleines Bundesland nicht um seiner selbst willen lieb haben. Das Land solle das Scheitern seiner Sanierungsbemühungen offen eingestehen. das sei doch die Stärke des Föderalismus. Gregor Schlaeger/Visum. Allerdings haben die anderen Länder – bis auf das Saarland – bislang keine Sonderzahlungen vom Bund beansprucht. sagt er. Aber vielleicht wird er während der Predigt ein wenig unkonzentriert sein. zweitens pflegt ein Freundeskreis Herbert Roth e. Die Mitglieder von St. dass je so viele zu einem Gottesdienst gekommen sind. im Keller des Gebäude haben sie einen Raum. solange der Bund für die Kredite haftet. sagt er. Das Land ist offenbar unfähig dazuzulernen. Es hätte ihnen zur Warnung dienen können. Hilf. fügt sie hinzu. in einer Frage waren sich alle einig: Aus eigener Kraft wird das Land sich nie sanieren können.. sagt er. seine Sekretärin präzisiert. zumal wenn er. dass Böhrnsen. Das Konzert aus großen und kleinen Ländern. Doch die Bremer Politik fiel aus allen Wolken.Nun bangen die Gemeinden:Welche wird verkauft. der Sozialdemokrat Jens Böhrnsen. sagt Pastor Heinrich Grafflage. dass die Hilfen für Bremen kein Fass ohne Boden sind«. Die Frage. Doch die Hoffnungen des Bischofs erfüllten sich nicht. Und welche Finanzexperten Bremen in der Vergangenheit auch zurate zog. Ausgerechnet von Helmut Seitz. Jochen Helle/Bildarchiv Monheim. hätten beim Bau ihrer Kirche mitgeholfen und übernähmen auch sonst die meisten Aufgaben im Pfarramt. »Wir sind doch ein Wunschkind der Verfassung«. Maria Königin in Essen-Haarzopf in Zukunft noch geben wird. TMBV (v. was weder Napoleon noch Hitler gelang. damals SPD-Fraktionschef. Bei St. Gereicht hat das nicht. wozu Deutschland eigentlich ein Bundesland Bremen brauche. dass das Gebäude mit 5000 Quadratmeter Grundstück im Süden Essens Begehrlichkeiten wecken könnte. Das Leben auf Pump ist komfortabel. Ob das den Bischof milde stimmen wird. als Seitz’ Expertise zu dem erwartbaren Ergebnis kam: Das Land könne sich »womöglich nur als Teilglied eines größeren Staatengebildes den immer wiederkehrenden Problemen tiefgreifender Haushaltskrisen entziehen«. Zählte das Bistum in den sechziger Jahren noch 1. der es schlichweg unvorstellbar findet. r. Nun haben die Übriggebliebenen resigniert und schon vor dem Bischofswort selbst entschieden: St. Dann wird Buschmeier endlich erfahren. dass Seitz zuvor bereits den Zusammenschluss von Berlin und Brandenburg befürwortet hatte.) Andi T. l. Wirtschaftsprofessor und Inhaber eines Lehrstuhl für empirische Finanzwissen- schaft und Finanzpolitik an der TU Dresden. Doch ihr eigener Gutachter rät den Bremern. »für einen Minister nicht schlecht«. der stößt auf das Unverständnis eines Landespapas. Bei den Olympischen Winterspielen im Februar in Turin will er in seiner Eigenschaft als Präsident des Deutschen Bob. damit im Jahr 2005 das Publikum zu erobern ist aber doch eine Leistung. nach Berlin und dem Saarland. sagt Fendrich. welche Vorteile Bremens Unabhängigkeit für Nichtbremer mit sich bringen könnte. an. »was um Himmels willen das zu bedeuten hat«.. Was geschieht nun mit den überflüssigen Kirchen? Der Kulturbeauftragte des Bistums Essen. die sich um die Zukunft ihrer Kirche sorgen. Denn das Wichtigste kommt diesmal danach: das Bischofswort. ob es seine kleine katholische Gemeinde St. der Roland nebst Stadtwappen Fotos [M]: Oberheide/Caro/ullstein. Altersheime. alles solle nun anders werden. liegt auf der Hand. werden es andere tun. Wohnungen oder ein Ärztehaus. Als Preis der Zustimmung zu Schröders Steuerreform sicherte ihnen der Kanzler schriftlich zu. würde die sakralen Räume am liebsten für kirchennahe Einrichtungen wie Caritas. Nicht einmal drei Jahre ist es her. im Wortsinn entgegenkommen. müsse auch einmal eine Kirche abgerissen werden. »Mein Lied erklingt durch Busch und Tal. »noch vor dem Neustart von Xavier Naidoo« landet. Martin in Essen-Rüttenscheid sank die Zahl der Mitglieder in den letzten Jahren um die Hälfte.« Was geschieht dann mit der Kirche? Noch lässt die Gemeinde diesen Gedanken nicht zu. denkt derweil an höhere Ziele. war für Scherf damit erledigt. pflegte Bremens früherer Bürgermeister Henning Scherf zu sagen. Kein Katholik sollte länger als 15 Minuten zum Gottesdienst gehen müssen. Bislang sind Bremens Erfahrungen mit Kanzlerworten nicht die besten. Seit Mitte der siebziger Jahre ist der Stadtstaat abhängig von Finanzspritzen. die schon damals die Kirche in Scharen verließen. der Dom. Sorgen macht sich Fendrich um architektonische Schätze wie die 1929 erbaute expressionistische Heilig Kreuz-Kirche in Gelsenkirchen. V. Maria Königin.und Verständnislosigkeit. Einige drohen mit Austritt. Aber Pfarrer Johanni ist klar. Weit her ist es mit der Bremer Eigenständigkeit schon lange nicht mehr. sagt er. Sein Bürgermeister genießt den Status eines Ministerpräsidenten und hat einen Sitz im Bundesrat. sind es jetzt nur noch etwa 950 000. Leider gelang es den Bremern im Vorfeld ihrer Klage nicht. um das Bistum finanziell zu entlasten. Dem kollektiven Abfall vom Glauben und den zahlreichen Kirchenaustritten begegnen die Gemeindemitglieder mit einer Mischung aus Enttäuschung. Erstens ist das Lied immer noch das von Herbert Roth. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Die bekam Bremen kurioserweise nur aufgrund seiner Eigenständigkeit – der Stadtstaat konnte das Bundesverfassungsgericht anrufen und erstritt 8.Nr. Doch all das ist wirkungslos verpufft. Deshalb beschloss der Senat im August. Ein musizierender Politiker beweist: Für eine neue Karriere ist es nie zu spät Erfurt latz fünf in den Thüringen-Charts ist möglicherweise nicht der Traum eines jeden Musikers. ist allerdings fraglich. A Nr. Aber. welche abgerissen? Von Tatjana Kimmel Essen m kommenden Sonntag wird Michael Buschmeier in die Kirche gehen. Man dürfe der Fantasie keine Grenzen setzen. André Paul P N Bremen ur Napoleon und Hitler. wofür aber nicht theologische. schöpften die Katholiken ein bisschen Hoffnung. Allenfalls zu Weihnachten wurde die Kirche mal voll. Denn für das größte Problem des Bistums haben sie auch in St. Maria Königin verschonen. Martin in den sechziger Jahren erbaut. Maria Königin und St. es muss abgeschafft werden. ließen die Bremer sich ein Gutachten über die Perspektiven ihres Stadtstaats formulieren. wie fast jeden Sonntag. »Wir müssen zeigen.und Schlittenverbands mit Roths altem Song ganz groß rauskommen. Im Gegenteil: Berlin benutzte Bremen als Negativbeispiel in seiner Klagebegründung. Er kann sich ein Kletterzentrum in einem ehemaligen Kirchenraum genauso vorstellen wie ein Restaurant. Mit anderen Worten: Bremen kann nicht saniert. An Muslime will das Bistum seine Gotteshäuser nicht verkaufen.5 Milliarden Euro als Hilfe zur Selbsthilfe angesichts einer so genannten Haushaltsnotlage. mit einem »100Millionen-Euro-Programm« zur Stadtverschönerung um Wählerstimmen warb. Selbst für die Jugendlichen ist hier die Kirche wichtig. als der Weltjugendtag zum Event geriet.« Umso eiliger ging das Land nun bei der Suche nach fachkundigem Beistand vor. sagt Buschmeier. bislang besser bekannt unter seinem Geburtsnamen Andreas Trautvetter. »Das meißeln wir uns in Stein«. Schlimmstenfalls. Nun lernt ihn die Öffentlichkeit von einer neuen Seite kennen. »Wenn Bremen das nicht macht. Die Abgeordneten dürfen Gesetze beschließen. und mit nur wenigen Gläubigen haben die Gottesdienste auch keinen Spaß gemacht«.« Was tun? Soll Bremen dem Rat des selbst gewählten Experten vertrauen? Einstweilen hält Regierungschef Böhrnsen es mehr mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. 120 Kirchenbauten sind dann überflüssig.3 11 Z UM B E I S P I E L Thüringen Ein Land zu viel Der Stadtstaat Bremen will in Karlsruhe neue Zuschüsse erkämpfen. Die Bürger profitieren vom ausgeliehenen Wohlstand. sich mit Berlin oder dem Saarland zusammenzutun. Wie viele Kirchen im Ruhrgebiet wurden St. sagt Fendrich. Aber für einen Newcomer ist das ein schöner Erfolg. sich abzuschaffen – durch Dilettantismus. wie MDR-Hörfunkchef Matthias Gehler anerkennend feststellt. wird die große Pforte schlicht abgeschlossen. Jeden Tag rufen Gemeindemitglieder im Bistum an. ihre Selbstständigkeit aufzugeben Von Silke Hellwig Symbole der Bremer Herrlichkeit: Die Stadtmusikanten. Maria Königin keine Lösung. Tenor: Wenn wir Geld kriegen. 11 SCHWARZ cyan magenta yellow . »Ungewöhnlich« sei die Interpretation des Künstlers mit dem selbstgewählten Namen Andi T. Jedes Jahr verliert der Oberhirte des Ruhrbistums weitere 10 000 Schäfchen. in der der 66-jährige Buschmeier sich seit mehr als 30 Jahren engagiert? Oder wird die übergeordnete Gemeinde mit ihren mehr als 24 000 Mitgliedern sie verschlucken? Michael Buschmeier bangt und betet. dessen Lebenswerk und muss sich nun entrüsteten Anfragen von Musikfreunden stellen. 3 DIE ZEIT S. Aber statt der im Etat fest einplanten 500 Millionen Euro pro Jahr bekam das Land nur einmal rund 200 Millionen Euro. gebe es entsprechende Nachfragen bislang ohnehin nicht. Schwerer ist zu sehen. Herbert Fendrich. Im Jahr 2000 wähnten sie sich erfolgreich beim Versuch. hätten an der Eigenständigkeit der Freien Hansestadt zu rütteln gewagt. Traurig sei das. Der Gründungsbischof des Bistums Essen Franz Hengsbach wollte den Gläubigen. Aber »die Kirche war nicht mehr finanzierbar. Außerdem. Ruhrbischof Felix Genn muss sparen und will darum bis zum Jahr 2009 insgesamt 263 Gemeinden zu gerade einmal 35 Pfarreien zusammenfassen. Aber dieser fromme Wunsch wird nur an wenigen Orten erfüllt werden. Martin wird zum Teil abgerissen und im Übrigen in ein Altenheim nebst Kindergarten verwandelt. Tendenz fallend. gehört der CDU an und arbeitet in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt als Verkehrsminister. die Bremens Politiker fast genauso sehr schmerzen dürfte wie der Appell zur Selbstaufgabe. Trautvetter beziehungsweise Andi T. das Stück sei »ein bisschen uffta uffta«. wollen die Mitglieder einen Förderverein gründen. Gern sagt er das nicht. In den Tagen der »Wir sind Papst«Euphorie und später. Nr. LAMPARTER 22 Konjunktur Was das Berliner Investitionsprogramm bringt VON KLAUS-PETER SCHMID Keine Kameraden VON RAFFAEL SCHECK 23 Frankreich Welche Staatsfirmen dürfen privatisiert werden? VON MICHAEL MÖNNINGER in der Finanzwelt VON BIRGIT SCHÖNAU 25 Großbritannien Schatzkanzler Gordon Brown macht kräftig Schulden VON JOHN F.de unter www. Januar 2006 IN DER ZEIT WISSEN 33 Der Neandertaler Vor 150 Jahren wurde POLITIK 2 " MURSCHETZ LEBEN 57 Angstsparen Warum die Deutschen Israel Ariel Scharons letzter Kampf VON JOSEF JOFFE 3 4 5 6 Wer kann Israel künftig führen? Nahost Warum Israel für Europa so wichtig ist VON JOSCHKA FISCHER Union Fraktionschef Volker Kauder über Kombilöhne. 12 SCHWARZ cyan magenta yellow . Geburtstag Emmanuel Levinas’ VON THOMAS MEYER Biografie Werner Dahlheim »Julius Caesar« VON WILFRIED NIPPEL Buch im Gespräch Andreas Elter »Die Kriegsverkäufer« VON BERND GREINER 56 Kaleidoskop Literarisches Leben. neu gesehen VON DIEDRICH DIEDERICHSEN 70 Magnet Fergus Greer: Leigh Bowery DOSSIER 13 Korea Aus Angst vor dem Kollaps des Nordens unterstützt Südkorea den Feind von gestern VON CHRISTIAN SCHMIDT-HÄUER WIRTSCHAFT 19 Springer Ein großer Fernsehsender Der amerikanische Jahrhundertkünstler. Tenor REISEN 69 Hawaii Wandern im Land der Vulkane VON SUSANNE WEINGARTEN DVD »Rambo I–III«. Taschenbuch. in dem Clara Ott und Till Bortels sich mit den Gegenständen unseres Alltags auseinander setzen. gibt keine Interviews mehr. wie wir uns fühlen VON ULRICH GREINER 54 Salman Rushdie »Shalimar der Narr« VON THOMAS E.zeit. Tatsächlich verübte die Wehrmacht im Juni 1940 zahlreiche Massaker an gefangenen französischen Kolonialsoldaten. Bis heute jedoch blieben diese Verbrechen im Zeichen der NS-Rassenpolitik hierzulande unbekannt ZEITLÄUFTE SEITE 88 Patrice Chéreaus Ehedrama »Gabrielle« VON BIRGIT GLOMBITZA 50 Oper Katharina Wagner inszeniert Puccinis »Il Trittico« VON JAN BRACHMANN Unworte Wie der Terror unsere Sprache korrumpiert VON SALMAN RUSHDIE 51 Architektur Der Förderverein Berliner Schloss sammelt Geld für die barocke Fassade. unseren Kunstkritiker. SCHMIDT RUBRIKEN 2 18 32 37 51 52 27 Polen Handwerker sind rar. eine Ausstellung in Leipzig VON CHRISTOPH DIECKMANN Kapitäne VON JULIAN HANS 78 Ausbildung Duisburg will junge Migranten für den öffentlichen Dienst gewinnen VON GUDRUN WEITZENBÜRGER Gefragt Warum Schwaben Hochdeutsch lernen LITERATUR 53 Roman Kevin Vennemann ZEITLÄUFTE 88 Kriegsverbrechen Keine Kameraden 26 KarstadtQuelle Neue Gerüchte um einen Rückzug von der Börse VON MARCUS ROHWETTER ZEIT i ONLINE Design »Ding-Pong« heißt das Wechselspiel. die je Fußball gespielt haben VON HEIKE FALLER UND BARTHOLOMÄUS GRILL HERAUS AUS DEM STIMMUNGS-SUMPF FEUILLETON 43 Kunst »Ich habe meinen Himmel« Dichter am Ball VON KARL RIHA 64 Siebeck Eine Reise durch die Schweiz Katz & Goldt Turin 66 Autotest Der Mercedes ML 350 VON JAN-MARTIN WIARDA 11 LÄNDERSPIEGEL »Ich habe meinen Himmel« GESPRÄCH MIT ROBERT RAUSCHENBERG Foto: Abe Frajndlich/Agentur Focus Wissenschaft Über die ungewisse Zukunft der Frankfurter Instituts für Sexualforschung VON ELISABETH VON THADDEN 45 Afrika Die westlichen Medien zeichnen ein falsches Bild vom Schwarzen Kontinent VON HENNING MANKELL 46 Diskothek 67 Spielen 68 a Traum Rolando Villazón. wird 100 VON ULRICH SCHNABEL 39 Eine kurze Geschichte der Bewusstseinserweiterung ihr Geld horten VON PETER SCHNEIDER a Martenstein Herpes 58 Wochenschau 59 Einsturz Gespräche mit den Anwohnern der eingestürzten Eissporthalle in Bad Reichenhall VON MARIAN BLASBERG Ursachenforschung Das Risiko der Flachdächer VON MATTHIAS STOLZ 60 Elfriede Jelinek Die Männer im Leben der Literaturnobelpreisträgerin VON VERENA MAYER UND ROLAND KOBERG Ein Rentner sieht rot Ausgemusterte Führungskräfte VON HAUG VON KUENHEIM 61 Sport Start eines Online-Spiels. Für Hanno Rauterberg. Experten versuchen es aufzuhalten VON ASTRID VICIANO 7 8 9 USA Die Politik der Union ist voller Widersprüche VON BERND ULRICH Integration Fragebögen. SCHMIDT Windsor. 3 DIE ZEIT S. 80 Jahre und krank.de/design »Nahe Jedenew« VON GEORG DIEZ Die Literatur.de/vogelgrippe DESIGN Kjell Westö »Vom Risiko. ein Skrake zu sein« VON STEPHAN OPITZ 55 Philosophie Zum 100. verrät. der Entdecker der Droge.zeit. Leitkultur – was macht einen guten Mitbürger aus? VON JÖRG LAU Ukraine Der Wahlkampf beginnt Russland Wie das russische Dorf ganz langsam stirbt VON MARGARET PAXSON Bremen Der Stadtstaat treibt aus schierem Ungeschick die eigene Abschaffung voran VON SILKE HELLWIG Nordrhein-Westfalen Das Bistum Essen schließt 120 Kirchen VON TATJANA KIMMEL Thüringen Ein neuer Stern am Schlagerhimmel VON ANDRÉ PAUL Die in Asien eingesetzten Impfstoffe sind in der EU nicht zugelassen 37 a Wahrnehmung Für das Unerwartete sind wir blind VON ULRICH WEGER 38 LSD Albert Hofmann. 3 DIE ZEIT S. Doch gibt er es nicht dafür aus VON THOMAS E. Gesundheitsreform und Wahlkämpfe gegen die SPD Regierung Die Klausurtagung in Genshagen VON PATRIK SCHWARZ a Kanzlerin Angela Merkel auf SPD-Kurs VON MARTIN KLINGST Erdgas Warum Deutschland viele Quellen jenseits von Russland hat VON MICHAEL THUMANN unser Urahn entdeckt VON ULRICH BAHNSEN 34 Digitale Technik macht fossile Knochen allen Forschern zugänglich VON STEFANIE SCHRAMM 35 Der sozialisierte Urmensch. Gedicht. Aber kann er das auch? VON WILFRIED HERZ Vogelgrippe Alles. steht unter www. hat die VON JAN PALLOKAT Illustration: Till Bortels und ZEIT online Regierung die Oligarchen gestärkt 30 a Was bewegt … den Reeder und Touristikunternehmer Horst Rahe? VON DOROTHEA HEINTZE 31 Börse 2006 wird das Jahr der großen Unsicherheit VON ROBERT VON HEUSINGER 32 Haushalt Peer Steinbrück muss hart bleiben. Sie finden das neue Design-Weblog unter www. was Sie wissen müssen. die wir haben. Brüssel 76 Lesezeichen CHANCEN 77 Seefahrt Reedereien suchen Zeitgeschichte »Rock! Jugend und Musik in Deutschland«. BÖHMER Worte der Woche Leserbriefe Macher und Märkte a Stimmt’s?/Erforscht und erfunden a Das Letzte/Impressum Kunstmarkt ANZEIGEN 29 Ukraine Ohne es zu wollen.zeit. das alle vernetzen soll. hat er seinen Vorsatz gebrochen (»weil Ihr Name so ähnlich klingt wie meiner«) und blickt nun amüsiert auf sein reiches Künstlerleben zurück FEUILLETON SEITE 43/44 Klassik Wie klingt der wahre gregorianische Gesang? VON MIRKO WEBER Filmklassiker (48) Akira Kurosawas »Die sieben Samurai« VON PETER KÜMMEL 47 Kapitalismus Wachstum allein schafft keine Arbeitsplätze VON ACHATZ VON MÜLLER 48 a Theater Der junge Regiestar Daniel Bösch vermeidet alle Raster VON GERHARD JÖRDER 71 72 73 74 Europäische Route der Industriekultur Alteisen am Berg/Frisch vom Markt Tirol 25 Jahre Gletscherskigebiet im Kaunertal VON PETER HAYS Vietnam Auf der Dschunke durch die Halong-Bucht VON ANJA HAEGELE Niederlande Mit Rembrandt durch Leiden VON ELISABETH WEHRMANN Deutschland Kieler Sprotten VON MARTIN DOMMER reicht VON GÖTZ HAMANN 30 Sekunden für den Smart Atomenergie Die Lobby wird lauter – mit fragwürdigen Argumenten VON CERSTIN GAMMELIN UND FRITZ VORHOLZ 49 Kino Rob Marshalls »Die Geisha« VON GEORG SEESSLEN 75 In fremden Betten Hotel Royal 21 USA General Motors und Ford sparen sich aus der Krise – und zerstören ein Stück Sozialstaat VON THOMAS FISCHERMANN Detroiter Autoshow Die großen Pläne der Deutschen VON DIETMAR H. JUNGCLAUSSEN Foto: DZ 24 Italien Schamloses Geben und Nehmen Die Geschichte vom »ritterlichen« Feldzug gegen Frankreich ist eine zähe Mär. Büchertisch. während die Arbeitslosigkeit offiziell hoch ist VON MALGORZATA ZDZIECHOWSKA Henry Roth »Requiem für Harlem« VON OTTO A. 12 SCHWARZ cyan magenta yellow 12 DIE ZEIT Nr.3 12. ZEIT-Liste 16 40 62 65 78 Sidestep Museen und Galerien Spielpläne Kennen lernen und heiraten Bildungsangebote und Stellenmarkt Die so a gekennzeichneten Artikel finden Sie als Audiodatei im Premiumbereich von ZEIT. Deutschkurse. Ein Gespräch mit dem Direktor des Neandertal Museums 36 Vogelgrippe Das Virus rückt näher.de/audio Nr. Das macht ihre Gesichtszüge weicher. Geschichte. Unter dem Hochglanzfoto halten sich drei grüne Topfpflanzen tapfer im Schatten des Fahrkartenschalters. Heute wirbt sie 700 Meter südlich der immer noch bedrohlichsten. »man kann von hier heute noch nach Seoul fahren. Vereinigung. durch militärische Sicherheitsgebote verödeten Grenzraum sind inzwischen die Futuristen eingezogen. dass endlich doch die GyeonggiLinie Bahnhof Dorasan Paju Ilsan Ha n GANGWONG PyeongChang 100 km ZEIT-Grafik J Schranken hochgehen zwischen den beiden Republiken des einen Volkes. Irgendwann wird für Jung Hee Noh das Warten ein Ende haben. etwas strenge Brille eigentlich erlauben möchte. Hinter dem Schalter strahlt Jung Hee Noh mit Engelsgeduld. Und ohne die so genannte Sonnenschein-Politik der südkoreanischen Regierung gäbe es ja auch den großen Bahnhof mitsamt Jung Hee Noh nicht. Januar 2006 DOSSIER Nächste Woche im Dossier: Das müssen Sie wissen ! Was wichtig ist in Kunst. in dem dieser Vorhang vor 16 Jahren plötzlich aufriss. Der hat sich kein Volk so verschrieben wie die High-Tech-Jünger Südkoreas. von 1999 bis 2002. Gegen den Willen Amerikas unterstützt Seoul mit Investitionen und Devisen den Feind von gestern Von Christian Schmidt-Häuer ung Hee Noh steht in Südkoreas modernster Bahnhofshalle und wartet. an dem die Kameraleute um den Schalter kämpfen. Irgendwann. Es gibt keinen Friedensvertrag. Fortsetzung auf Seite 14 ANZEIGE Nr. Gleich hinter ihr stehen 1. Der unverheilte Schnitt durch die koreanische Halbinsel ist vier KiloTaegu meter breit und 238 Kilometer lang.« Sie hat schon mehr als 50 Jahre Verspätung. als er das kahle nordkoreanische Gelände durchs Fernglas observierte. »das furchterregendste Stück Erde«. sagt sie in samtweichem Deutsch. Bill Clinton nannte die Grenze. dazu 6000 US-Soldaten (von insgesamt noch 30 000 im Süden stationierten Amerikanern). am schärfsten bewachten Grenze der Welt dafür. Ganz wie im echten Leben. Wer es sehen will. Breitengrades geteilt hat. Ihr Name Busan trügt. Mit freier Fahrt durch den letzten Eisernen Vorhang des Kalten Krieges. Jung Hee Nohs Arbeitsplatz nennt sich offiziell Internationaler Bahnhof Dorasan. In die 205 Kilometer entfernte Hauptstadt Nordkoreas. ein richtiger. sondern fast regenbogenfarben. nur den Waffenstillstand von 1953. Der Koreakrieg. Ein Zug wird kommen. weil die Züge von hier über Nordkorea bis Paris fahren sollen. Die chromblitzende Halle füllt sich nur. Stempeln und Auskünften. Links neben ihm leuchtet das Schild »Nach Pjöngjang« in Himmelblau. Mathematik und Naturwissenschaften Allgemeinbildung heute RUSSLAND Wladiwostok CHINA NOR D KOR EA Dandong Shinuiju Foto: Cho Bo-Hee / AP Pjöngjang Südkoreanische Militärs begutachten die Arbeiten an der wieder aufgebauten Bahnlinie nach Nordkorea GANGWONG Die Korea-Connection Südkorea fürchtet sich vor einem Zusammenbruch des Nordens. wenn Busladungen einheimischer und ausländischer Touristen hereinströmen. als habe die Sonne über dem Land die dunklen Wolken gerade vertrieben.1 Millionen nordkoreanische Soldaten und 650 000 Mann südkoreanischer Truppen einander gegenüber. 13 SCHWARZ cyan magenta yellow 13 DIE ZEIT Nr. als es die randlose. Das Land. 3 DIE ZEIT S. Statt demilitarisiert ist sie mit Panzersperren und Minen gespickt. der von 1950 an drei Seoul GYEONGGI Millionen Menschenleben forderte.3 12. Der Zug kommt dreimal am Tag von dort und kehrt wieder um. Manches spricht dafür. Der Bahnhof Dorasan macht mehr her als die Stationen in der 50 Kilometer entfernten Glitzermetropole Seoul. Das Tuch ist nicht rot wie das der jungen Pioniere jenseits der Grenze in Nordkorea. »Ja«. Nach Pjöngjang. 13 SCHWARZ cyan magenta yellow . Allein die Fahrgäste fehlen. Die so genannte demilitarisierte Zone stand lange in trauriger Konkurrenz mit der Berliner Mauer. die Politiker ihre Reden halten und die ersten Passagiere ihre Fahrkarten lösen werden. 3 DIE ZEIT S. In der Zukunft. dass der Tag nicht mehr so fern ist. Mathematik in Hannover. Er heißt so.Nr. Vier Jahre lang hat sie in Deutschland studiert. Der Schnellzug in ihrem Rücken gleitet durch eine grenzenlos blühende Landschaft. Diesen Bahnhof direkt an der Grenze zu Nordkorea. der das Land S Ü D KOR EA längs des 38. wo heute längst Schnellzüge durch mehr oder weniger blühende Landschaften rasen – dieses Land kennt Jung Hee Noh schon gut. Er heißt tongil. Für sie hält sich Jung Hee Noh lächelnd bereit mit Sondermarken. Die taubenblaue Bahnuniform schmücken sorgsam zu Rüschen gefaltete Halstuch-Enden. ganz als ginge hier ein echter Zug. die Vereinigung. ist offiziell noch gar nicht zu Ende. dass auch ihre Landsleute endlich eine gemeinsame Spur finden. in der alles darauf wartet. die gerade über den Stacheldraht nach Nordkorea gespäht haben wie einst über die »Schandmauer« in Berlin. Selbst in den bisher strukturschwachen. obwohl sie nur ein paar Kilometer getrennt voneinander lebten.9 Prozent raketengleich in zweistellige Bereiche hochschießen lassen. keinen Ausdruck und keine Gesten zu erlauben. Aber wir warteten gemeinsam in einer Klasse. Gut zwei Jahre später fiel ein Schatten auf sie. Südkorea. die bisher noch einen Monat lang über die See reisen müssen.« Im Frühjahr 1998 präsentierte Präsident Kim Dae Jung die alte sozialdemokratische Ostpolitik in südkoreanischem Gewand. dass sich Süd. Seouls Vereinigungsminister Chung Dong Young hausiert mit der Hoffnung. dass ihr Land eine ähnliche Implosion des Hungerreichs im Norden nicht verkraften könnte. Doch der Traum des abgeschnittenen Südkoreas. Landwirtschaft. Der Nobelpreisträger räumte ein. Park Chang Bong vom Ministerium für Vereinigungspolitik. Moskau. Söhne verloren ihre Väter wie Gefallene.). Kim Jong Il auf der anderen Seite. Omsk. Dennoch verbinden die Gleise inzwischen das geteilte Land. dass verarmte Arbeiterheere in Millionenstärke gen Süden ziehen könnten. Sie kämen ja nicht aus dem realen Sozialismus wie die DDR-Bürger 1989 mit Westfernsehen. Trabi-Fahrten nach Prag und Polen. der Zerfall der Sowjetunion und die Wiedervereinigung Deutschlands. durch den Koreakrieg zerstörten Gyongui-Eisenbahnlinie vereinbart. lieferte Material und Ausrüstungen. 14 SCHWARZ cyan magenta yellow 14 DOSSIER 12. Blogs und Handys wie nirgendwo sonst vernetzten Jugend. beschwichtigte die Regierung. Jahrzehntelang haben die Diktatoren beider Seiten zusammen mit ihren jeweiligen Schutzmächten Nord. Hinter solchen Visionen steckt der Glaube der erfolgreichen Südkoreaner an die Machbarkeit von allem – und die Furcht.und Einkommensniveaus. 14 SCHWARZ cyan magenta yellow Fotos: © Lee Jae-Won/Reuters/Corbis (li. Die Arbeitssuche dieser desorientierten »Reservearmee« würde die Löhne für alle einfachen Beschäftigungen in Südkorea abstürzen und die Arbeitslosigkeit von heute 3. Er nannte sie »Sonnenschein-Politik«. räumte seine Minenfelder mit deutschem Gerät. Gesundheitswesen wür- Nr. Wandel durch Annäherung war und blieb ihr Ziel. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Die Megastadt könnte aber auch von einer Flüchtlingswelle verheerend getroffen werden: verzweifelte Menschen von einem anderen Stern auf dem Marsch in die IT-Metropole. die der nordkoreanischen Seite als Propagandamaterial gegen das UN-Kommando dienen könnten«. © You Sung-Ho/Reuters/corbis . wie es dem geteilten Deutschland selbst in seinen schlimmsten Jahren nicht widerfuhr. Die Finanzierung der Arbeitslosigkeit und ein fast unvorstellbar hoher Kapitaltransfer zur Implantation von moderner Verwaltung.3 Touristen beobachten einen Zug. Die Nordkoreaner flöhen aus dem von ständigen Stromsperren vergrößerten Dunkel einer drakonischen Diktatur mit minimalen Produktions. »sich kein Zeichen. Von Busan und Seoul soll – irgendwann – eine transeuropäische Eisenbahn über Shinuiju in Nordkorea. sollte Kim Jong Ils Hungerzone im Norden kollabieren. jubelte in den ersten Tagen des Berliner Mauerfalls in froher Hoffnung auf die eigene Wiedervereinigung. erinnert sich noch an den regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit dem Ministerium für innerdeutsche Beziehungen: »Wir glaubten damals zwar alle. das so viele Autos baut und aus dem doch keine Straße hinausführt. Im Juni 2000 kam es in Pjöngjang zum historischen. der »liebe Führer« und ungenierte Lügenbaron auf seiner Bombe. Es waren die Wende in Osteuropa. Aber er brauchte einen Strohhalm für sein darbendes Land.Nr. »Blutgeld« aus Steuereinahmen. Nur noch die Alten schreckt die Armee aus dem Norden Auf diesem Gipfel hatten beide Präsidenten auch den Bau des Bahnhofs Dorasan und damit die Wiederherstellung der alten. Verhärmte Bauern und Bergleute ratlos vor der Werbung auf den Tag und Nacht flimmernden Großleinwänden der Einkaufstürme. der zwischen der Hauptstadt Seoul und dem Grenzbahnhof Dorasan verkehrt. dass seine Regierung noch vor dem Gipfel rund 100 Millionen Dollar an den erpresserischen Gastgeber zahlen musste. Dazu hätten die gut 47 Millionen Südkoreaner den »Aufbau Nord« für 23 Millionen Menschen zu stemmen – also für prozentual fast doppelt so viele Landsleute wie 1990 die alten Bundesländer. Flugreisen nach Jalta oder Samarkand. die ihn verpflichtet. die – fast unmerklich zunächst – auch die vereisten Trutzburgen Koreas erschütterten. Südkorea machte sich im IC-Tempo daran. auch herostratische Seoul mit seinen Weltkonzernen in ihren hochfliegenden Glaspalästen ist zwar noch immer die Geisel der nordkoreanischen Artillerie. sentimental inszenierten Gipfeltreffen der beiden Präsidenten. dass die Südkoreaner schon 2008 mit dem Zug durch Nordkorea zu den Olympischen Spielen nach Peking fahren können. Das stolze. schrie die Opposition. die sie zu Beginn des Koreakrieges überrannte. Rechts: Ein südkoreanischer Soldat im Bahnhof Dorasan Die Korea-Connection Fortsetzung von Seite 13 muss eine Erklärung unterschreiben. Noch heute bleibt eine Million Familien auseinander gerissen. reicht viel weiter.und Nordkorea eher wiedervereinigen würden als die beiden Deutschlands. inzwi- schen von der Diktatur zur Demokratie gereift. Pjöngjangs Diktator Kim Jong Il verlor fast alle seine Warentauschpartner von der DDR bis Kyrgystan und damit auch jede Hoffnung. Und dann wurden wir Südkoreaner über Nacht zu Studenten der deutschen Wiedervereinigung. Kinder hörten nie wieder vom Leben und Sterben ihrer Mütter hüben oder drüben. Kim Dae Jung erhielt den Friedensnobelpreis für seine Sonnenschein-Politik. 3 DIE ZEIT S. der nördlichsten Station Südkoreas. Jüngere Politiker und Wirtschaftsführer dagegen beunruhigt eher. Peking. Kim Jong Ils Streckenarbeiter saßen zumeist im Bremserhäuschen. Darbende Dorfbewohner ohne einen Schimmer von Marktwirtschaft und moderner Arbeitswelt. wie die meisten Experten seines Hauses ein hervorragender Deutschlandkenner. Berlin bis nach Frankreich führen und in nur wenigen Tagen Güter expedieren. Nur noch die Alten schreckt die Armee aus dem Norden. eines doch nicht bewältigen zu können: die plötzliche Wiedervereinigung. Doch bald erkannte die Regierung geschockt. Bildungssystemen.und Südkorea so hermetisch voneinander abgeschlossen und gegeneinander immunisiert. verwirrt von den nie gehörten Anglizismen in der südkoreanischen Sprache. Rentnerbesuchen. von Konsum und E-Commerce – konfrontiert mit einer durch Messenger. Ihr Bruttosozialprodukt ist etwa dreißig Mal niedriger als das im Süden. nationalen Institutionen. wollte keinen Sonnenschein. 3 DIE ZEIT S. eine langfristige Investition im übergeordneten nationalen Interesse. der Wirtschaftskatastrophe ohne massive Hilfe noch entkommen zu können. Fortsetzung auf Seite 17 Nr. um Investoren anzuwerben.5 Milliarden von lokalen und ausländischen Investoren hereinholen. »da drüben leben Koreaner wie wir. die am Morgen wie Bataillone in den Komplex ein.und Abwässernetze an. Sie arbeitet auf eine Implosion des ruinösen Schattenreichs von Kim Jong Il mit seinem halben Dutzend Atombomben hin. Shopping-Center und einen Golfplatz mit 38 Löchern auf »die Achse des Bösen«. wovor wir weggelaufen sind: vor Armut. Und es ist zugleich das unterschwellige Leiden an seiner Geschichte. Die Chaebols. die für den Großraum der Metropole Seoul gelten. Seouls Zentralbank schätzt.). Immobilienhändler werben erfolgreich mit der reinen Luft im Vorfeld der demilitarisierten Zone. liegt jetzt. »Ein nordkoreanisches IOC-Mitglied hat mir die Unterstützung für unsere Bewerbung zugesagt und für eine gemeinsame Olympiamannschaft plädiert«. Das Militär. das Südkoreas Energie. Auch wenn es hier keine Sprachbarrieren gibt. der Gouverneur der Grenzprovinz Gyeonggi (in der blauen Jacke) weiht eine neue Werkshalle ein de von Südkoreas Wirtschaftswunder wenig übrig lassen. Gyeonggi umschließt den »Stadtstaat« Seoul ringförmig und wird vom Han-Fluss in einen nördlichen und einen südlichen Teil getrennt. Rechts: Sohn Hak Kyu. der 55-jährige Provinzgouverneur und Politikprofessor. frisch gezimmerte buddhistische Tempel. Es blüht im östlichsten Winkel der demilitarisierten Zone. die in den voll besetzten Bussen von Seoul über den Freedom Highway wie in einer Zeitmaschine zu den alten Checkpoints des Kalten Krieges fahren. von dem später deutsche Politiker redeten. Den Investor zog es nach China. hat Roh Moo Hyun. Aber irgendwann wird das Regime fallen. Sie nennen ihn den »Krieg der Geschwindigkeit«. wie sie in Seoul inzwischen fast jede Hausfrau gebraucht. zieht unbeachtet am rechten Straßenrand vorbei. auf der Baustelle zuhört. Druckereien. beweist das: Man muss sich um Probleme der nationalen Sicherheit keine Sorgen machen.« Die bewährte sich wie nirgends sonst in den Nachbarländern. die Halden aus Steinschutt. die Riesenkonglomerate. Die Regierung Bush hat Nordkorea Anfang 2002 auf die »Achse des Bösen« gesetzt. einem Dorf mit Stars zum Anfassen. Im Jahr 2020 sollen sich in dem auf 66 Quadratkilometer veranschlagten Industriepark 2000 Unternehmen. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. einem der Großinvestoren am 38. das den Bau von Industrieanlagen in der Sperrzone grundsätzlich untersagt hatte. »mussten wir lernen. Der Ort. Doch dann. »unsere Provinz hat dabei eine Schlüsselrolle. Im Norden der Provinz begann bisher die Brache. deren Hochhäuser von dem Bus aus in der Ferne zu sehen sind. orientierungslos in den Kalten Krieg. Investieren und fotografieren verboten. der den Staat mit dem größten Kredit aller Zeiten vor dem Bankrott gerettet hatte. 15 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. die über den Fluss setzten. Industrieanlagen. stufen. dass die Verwandten ihre Toten umbetten würden. das ihm vorher niemand zugetraut hatte. der die Arbeitskräfte aus dem Norden und die Technologie des Südens zusammenführen soll. Paju hat im Jahr 2005 viel Platz in den deutschen Feuilletons gefunden. Obwohl die Planer ihre Arbeiten schon vor 17 Jahren begonnen haben. als 1997 die Finanzkrise ganz Asien erschütterte. Korea war Schwerpunktland der Frankfurter Buchmesse. Die Touristen. der einzigen durch einen Todesstreifen getrennten Provinz der Welt. die konservative Große Nationalpartei (GNP). Tankstellen. zeigte sich im letzten Dezember. das Zonenrandgebiet. setzte er eine Task Force ein. dass Nordkorea durch Sonderwirtschaftszonen Devisen einnehmen kann. Immer noch trennen hoher Stacheldraht und Wachtürme mit bewaffneten Posten die Autostraße vom breiten Han-Fluss. Präsident Park von der Korea-Bank rief Anfang 2005 die Unternehmer auf: »Wir müssen nach Nordkorea gehen statt nach China und Vietnam!« Ausländische Investoren werden mit märchenhaften Konditionen gelockt. Auf der Baustelle bei Paju. Shopping Malls. damit das Gefälle zwischen den beiden Staaten zumindest ein wenig abnimmt. Mitten in Seoul veranstaltete eine amerikanische Stiftung mit Geldern des US-Kongresses eine große Konferenz über Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea. um die DDR auf den langen Marsch in die Evolution zu bringen. Die Reiseführerinnen erzählen die überlieferten Gruselgeschichten von den Spionen. Die Provinz Gyeonggi hatte anfangs gute Karten. 25 000 neue Jobs soll es hier geben. verstopfte Seoul raubt ihnen zu viel Zeit und Geld. Heute ist die Provinz Gyeonggi Heimstatt für die Fusionstechnologie der nächsten Generation. Philips eine Anlage an der Demarkationslinie zwischen Süd. Was sie lockt. Noch 2006 sollen es 630 000 werden. das Seoul und Pjöngjang bisher miteinander wagen.« High Tech und High Life direkt am Eisernen Vorhang Nicht weit von Ilsan wird die Regierung der Grenzprovinz eine »Hallyuwood-Showbiz-Stadt« hochziehen. Das gute Stück ist ungleich moderner als die immergraue Blousonkluft mit Gummizug um den Bauch. 60 Prozent aller ausländischen Investitionen hat dieser Raum mit seiner inzwischen beispiellosen ITInfrastruktur angezogen. mit welchem Einsatz diese Provinz an ihre Grenze geht. Seit Anfang 2005 entwickelt Gyeonggi zusammen mit dem Institut für Agrarwirtschaft das Modell für eine Landwirtschaftsreform mit den Experten und der Technologie der Provinz. bei dem in nur 17 Monaten ganze Berge versetzt worden sind. Yoo Chang Geun. der schon morgens um 7 Uhr zum Gespräch bittet. Entwicklungspläne und Beseitigung der bürokratischen Hemmnisse benötigten ein Jahr. 700 Unternehmen haben bereits Interesse angemeldet. aus der Höhe betrachtet. Kein anderes Volk hat das geschafft. die Banken zogen internationale Fachleute heran. nach einer neuen Produktionsanlage Ausschau gehalten. im Schatten Nordkoreas. bekommt eine Ahnung. in der sein nordkoreanischer Nachbar Kim Jong Il auf der anderen Seite die Huldigungen des Volkes entgegennimmt. Der 59-jährige Provinzgouverneur spricht fließend Englisch und kennt ein deutsches Wort: »Edelweiß«. Philips und der südkoreanische Konzern LG Electronics. Es ist unser Problem als Volk. Ob er eine neue Produktionsstätte von ThyssenKrupp einweiht oder den Vorstand eines in Texas beheimateten Partnerunternehmens begrüßt – immer wuselt er unter all den schwarz gekleideten Herren in einer himmelblauen Windjacke herum. Wovon Südkorea deshalb die internationale Gemeinschaft gern überzeugen möchte. Halsund Armbänder abzuliefern. 60 Universitäten sind entstanden. einen Industriepark auf. Bewerber kamen aus Südkorea (das den TFT-LCD-Weltmarkt mit 44. 3 DIE ZEIT S. Wenn »Hallyuwood« steht. lautet sein Credo. einen für seinen Standard guten Schnitt machen. Der Staat planierte das Gelände auf seine Kosten und schloss es an Straßen und Stromquellen. Malschulen. war vom 10. »In den vergangenen ANZEIGE Für den Süden arbeiten die Nordkoreaner zum Mindestlohn Aber schon Ende 2006. hätten ihn die niedrigen Lohnkosten. nach Japan. Alles sprach dagegen. Das musste der frühere Anwalt der Menschenrechtler und Gewerkschafter zwar auf der Stelle als politisch inkorrekt zurücknehmen. Taiwan und Nordeuropa. ließ sich in sechs Monaten überzeugen. wie die Amerikaner argwöhnen?« – »Die Sorgen hat hier keiner«. Die würdevollsten Vertreter der Provinz suchten die Familien selbst an den Gedenktagen für die Vorfahren auf. Doch inzwischen bröckelt das alte ideologische Vorwerk. Doch für viele Politiker und Unternehmer ist der Satz inzwischen zur Handlungsmaxime geworden. Schwerter zu Pflugscharen heißt es heute am letzten Eisernen Vorhang: Lasst Industrieparks über die Grenze wachsen in den Jurassic Park des Nordens hinein. Präsident des Unternehmens S. 250 000 Arbeiter und 1.und Nordkorea baut. Im nordöstlichen Gangwong. Der zehntstärkste Industriestaat der Welt muss sich auf dieses Erbe notgedrungen anders einrichten als die USA. ein großes erdbraunes Tablett. Noch vor zwei Jahren sah er in Nordkorea nur einen Terrorstaat. Bis sie deren Ruhestätten verlegen durften. Ehrgeiz und Wissbegier stärkt. Ignoranz. damit der Standort Südkorea wieder gefestigt wird (allein Samsung hat 60 000 Arbeitsplätze nach China ausgelagert). im Weg. Die Stadt PyeongChang will 2014. Sohn Hak Kyu. kurz nach seinem Amtsantritt im Februar 2003 ausgesprochen. Wie weit sie auseinander führen. Philips LCD. Doch dann standen allerlei administrative Auflagen. Hotels. Dennoch kann auch Nordkorea.5 Millionen Touristen tummeln. Rüstungsexporte in Länder zu beschränken. Im April 2004 schloss Sohn mit Nordkoreas Komitee für nationale Aussöhnung einen Vertrag über wirtschaftliche Zusammenarbeit. Lange Zeit hatten die Invasionen und Wenden des Koreakrieges. Zurück blieb dagegen der Norden der Provinz.5 Prozent Anteil beherrscht). von dem der Kranich kommt«. und Autoren wie Verleger staunten nicht schlecht. weiße Betonburgen für 1500 Arbeiter und ein mächtiges Viadukt für Abwässer hochgezogen – alles in eineinhalb Jahren.und TV-Sets. dass sie am Ende sogar die Tradition besiegten.« Das sehen die Amerikaner selbst im Fall Kaesong anders. Bauhöfe. versichert Kim Jin Sun der ZEIT. werden wir auf Dauer nicht nur Fleisch und Reis liefern. dass die USA jede Unterstützung und ganz besonders den technischen Ausbau Nordkoreas ablehnen. hat alle früheren Bedenken über Bord geworfen. Breitengrad. einer Chinatown und sogar einem »Klein Japan« – obwohl in Tokyo gerade wieder ein Comic-Bestseller rassistische Stimmung gegen Südkorea schürt.« Ein Lehrstück dafür spielt in Kaesong. Der rastlose Unternehmergeist der Südkoreaner. Die Bodenpreise sind so hoch wie in den Außenbezirken von Seoul. Gouverneur Sohn befürwortet sie. mit Zulieferern sogar 35 000. um der Regierung aus freien Stücken ihre Ringe und goldenen Uhren. Sie müssen draußen bleiben. aber auch das politische Kalkül schieben High Tech und High Life immer dichter an den Eisernen Vorhang heran. Südkoreas nordwestliche Grenzprovinz Gyeonggi will das steile Gefälle des geteilten Landes durch Industrieparks einebnen. so meint er. Von hier aus wird die jüngste Generation der Flachbildschirme in die Welt gehen.Nr. der Nachfolger des Sonnenschein-Präsidenten Kim Dae Jong. Die Therapie-Entwürfe zur Erhaltung und Gesundung Nordkoreas durch brüderlichen Spenderwillen und kapitalistische Transfusionen erinnern ein wenig an Jules Verne. Wasser. 15 südkoreanische Unternehmen beschäftigen 5000 nordkoreanische Arbeiter. wächst das Mekka des ostasiatischen Wintersports südlich dieser Grenze. tradierten Gesellschaftsnormen. berichtet der Gouverneur stolz. wohin wir uns bewegen – auf Amerika zu. Freiluftarenen. umgerechnet zu 15 Dollar das Paar. Die US-Regierung will grundsätzlich verhindern. Barsortimenter samt und sonders eingezogen sind oder noch einziehen wollen. Christian Schmidt-Häuer für DIE ZEIT . das in Kaesong Halbleiter-Teile produziert. 2002 hatte LG. Bäuerlichkeit. war nach ihrem Wiederaufbau seit Mitte der fünfziger Jahre weniger ein Wohnort als eine überdimensionale Straßensperre gegen neuerliche Einfälle. Die südkoreanische Regierung blieb der von Präsident Bush unterstützten Aktion in ihrer eigenen Hauptstadt fern. dem Vizedirektor des Investitionsbüros von Gyeonggi. nimmt kein Blatt vor den Mund: »Da wir nur über die Wirtschaft irgendwann zur politischen Vereinigung kommen können. mussten Macht abgeben. für Biotechnologie und auch für das Forschungsinstitut des inzwischen als Betrüger überführten Klonforschers Hwang Woo Suk. wie es vormals in Deutschland hieß. hob sein neues Projekt mit den Worten aus der Taufe: »Wenn eine Weltfirma wie LG. von der See aus mit U-Booten oder unter der Erde durch Tunnel Südkorea infiltrierten. Jahrhundert Koreas Hauptstadt. trägt gerne Blau. der in China noch doppelt so hoch. aber eher etwas mitleidig über Paju Book City. Töpfe aus rostfreiem Stahl. die sich eng aneinanderdrängen. Sie zählen Nordkorea zu den Ländern. hat Heo Bokmann formuliert. gehören zu den ersten Produkten. staatlich geförderten Blitzoffensive dem Reich der Wissensindustrie südlich des Han-Flusses einverleibt. 15 SCHWARZ cyan magenta yellow Fotos: Kim Jae-Hwan/AFP/dpa/picture-alliance (li. hochragende Kreuze neuer Kirchenbauten. Der Gouverneur gibt sich allerdings auch flotter als seine eigene Partei. Hoch türmen sich jetzt. 8000 Mann in Blauhelmen haben mit 3000 Maschinen 100 Millionen Kubikmeter Erde abgetragen. Der ehrgeizige Gouverneur Sohn Hak Kyu und seine Provinzverwaltung tragen einen etwas anderen Krieg in die verödete Region. Im Südteil wie auch in Seoul dagegen begann in den sechziger Jahren das Aschenputtel-Märchen vom Aufstieg der armen Reisbauern. die dort eine märchenhafte Bergwelt teilt. strategische Güter. Übernimmt sich Südkorea da nicht? Viel Geld und gute Worte haben am Ende auch der alten Bundesrepublik nicht geholfen. die Ministerien und der Staat ebenso. Film. Kim Jong Ils nukleare Hexenküche drüben mit einem Präventivschlag gegen den Atomreaktor in Yongbyon auszupusten. Von der Diplomatie noch ungeschliffen. Das ist ein von 50 Architekten aus aller Welt gebautes Dorf nahe der Stadt. Die führende Oppositionspartei lehnt die Sonnenschein-Politik des Präsidenten und seiner linksli- beralen Regierung mehrheitlich ab. Sonderwirtschaftszonen sollen Pjöngjang mit Devisen locken (Schalck-Golodkowski lässt grüßen) und Seoul billige Arbeitskräfte verschaffen. Singapur. Erst standen die Bürger Schlange. die nicht in Reichweite Nordkoreas gelangen sollten. die den lyrischen Namen trägt: »Berg. wie auf dem historischen Gipfel im Juni 2000 vereinbart. das weiße Olympia an die Demarkationslinie holen.« In der Stadt Paju und ihrer Umgebung tut man das in der Tat nicht. In ihm haben sich 39 Länder – darunter auch Südkorea und die USA – darauf geeinigt. sondern nur stehen oder fallen. Die Stadt Ilsan. auf dem Hallen und Wohnblocks angerichtet werden. Als Gyeonggis Gouverneur Sohn Hak Kyu davon Wind bekam. Vertriebsunternehmen. darüber nachzudenken.und am Abend wieder abmarschieren. Im farbigen Prospekt geht die kapitalistische Sonne bereits im Norden auf und malt Hotels. der heute 12 Kilometer nördlich der demilitarisierten Zone in Kim Jong Ils Einsiedlerreich liegt. 3 DIE ZEIT S. bis zum 14. Einzige Attraktion: das propagandistische Freilichttheater mit dem rostenden Bestiarium des Kalten Krieges für leicht schauernde Touristen und die Reiseteile der Zeitungen. wenn es die Tür nicht wieder zuwirft. Kim Song Sik. In 80 Tagen aus der Steinzeit – so ließen sich die optimistischen Rezepte bisweilen überschreiben. die gemeinsame Sprache und die Überzeugung. so hat Einigungsminister Chung Dong Young im Oktober angekündigt. Wer Lee Se Jong. »Und wenn Pjöngjang einen Atomtest unternimmt. Noch steckt das Projekt in den Anfängen. J. die das Land hin und her warfen. hoffen sie weiter. Ihr System konnte sich nicht grundlegend reformieren. der Marktführer für die Flüssigkristall-Bildschirme. nur zehn Kilometer von der Demarkationslinie. der asketische Vizegouverneur für politische Angelegenheiten. »Vor allem anderen müssen wir die Wirtschaft im Norden für die Vereinigung stärken«. Im Mai 2004 zählte Ilsan fast schon eine halbe Million Einwohner. Folglich haben die südkoreanischen Unternehmen jedes Gerät für den Industriepark zur Genehmigung einzureichen. dass sich auch noch Literaten in dieser kollektiven Idylle ansiedeln. Ein kriegsversehrter Landstrich. assistiert von Pjöngjang. Stolz berichten die unternehmerischen Grenzgänger. in das Südkoreas Verlage. Seither gehen Schützling und Schutzmacht von einst getrennte Wege im Umgang mit Pjöngjang. Auf dieser Grundlage versorgte seine Provinz noch im selben Jahr die Stadt Sariwon jenseits des Eisernen Vorhangs mit Landmaschinen. sollen 300 Firmen und Zehntausende nordkoreanischer Arbeiter gemeinsam werkeln. Durch das schwer betroffene Südkorea ging damals der Ruck. entsteht der größte TFT-LCD(Liquid Crystal Display)-Produktionskomplex der Welt. Es gab Familiengräber auf dem Areal. Parks à la Disneyland. dass der Industriepark für Pjöngjang bis 2012 rund 600 Millionen Dollar jährlich und bis zur endgültigen Fertigstellung im Jahre 2020 über zwei Milliarden Dollar abwerfen wird. Die Planer einer gesamtkoreanischen Zukunft scheint das wenig zu stören. des Bürgerkriegs und der Teilung ohne eigenes Verschulden entließ die Koreaner entfremdet.« Siebeneinhalb Mal sei er seit seinem Amtsantritt 2002 schon um die Erde gereist. Wir wissen natürlich. ist der Mindestlohn. und seine Opfer wie auch die Täter werden Südkoreas Bürde sein. Diese Geschichte der fremden Invasionen und kolonialen Unterdrückung. um den Grenzraum zu einer politisch entspannten Zone globaler Konzerninteressen zu machen – und damit auch zu einer Barriere gegen die amerikanische Versuchung. die Terroristen unterstützen. Der Siegeszug koreanischer Popkultur in Asien soll genutzt werden für ein »Mammut-Zentrum« mit Konzertsälen. Der Mindestlohn im Süden ist siebenmal höher. die Planung inbegriffen. Südkorea baut. Der Zusammenbruch des Nordens kann sich lange hinauszögern. Das teure. die Investition wagen lassen: »Nordkorea ist nicht das Problem von irgendwem sonst. Dazu verpflichtet sie das 1995 in Holland beschlossene Wassenaar-Abkommen. Sperrzone für moderne Technologien. Tech. Nirgends sonst auf der Welt grenzen Zukunftstechnologie und groß dimensionierte Event-Kultur so dicht an ein staatliches Mittelalter mit Fronarbeit und Folterstrafen. meint der renommierte Publizist Shim Jae Hoon im Coffee-Shop des Seouler Internationalen Finanzzentrums. medizinischen und zahntechnischen Ausrüstungen. Sie selbst will dafür umgerechnet eine halbe Milliarde US-Dollar investieren und 1. Was sich im Grenzraum heute wirklich tut. Beide Seiten haben für die nordkoreanischen Arbeiter einen Grundlohn von umgerechnet 50 Dollar pro Monat plus 15 Prozent Sozialversicherung vereinbart. Wo sich eben noch Wald und Hügel wellten. Philips. in die OECD. Heute läuft dort das bisher größte Experiment. Der Vizepräsident der LCD-Sparte von LG. sind die Maschinen für die Nordkoreaner noch sehr gewöhnungsbedürftig. Häuser mit Swimmingpools.3 DOSSIER 15 Ein südkoreanischer Soldat öffnet ein Eisentor im Grenzzaun zu Nordkorea nahe dem Bahnhof Dorasan. In nur einer Generation brachten sie das von der japanischen Kolonialmacht und dem Bürgerkrieg geschundene Entwicklungsland in den Club der Reichen. erklärte der Neuling in der Politik: Er könne eher mit einem atomar bewaffneten als mit einem kollabierenden Nordkorea leben. die sie als gefährlich ein- vierzig Jahren«. Aber auch Produkte aus Kaesong dürfen nicht in die Vereinigten Staaten exportiert werden. Noch in den achtziger Jahren zog es nur wenige zur unwirtlichen Stätte unter den nordkoreanischen Kanonen. Aber wir hatten keine Zeit gehabt. selbstverloren. Der Grenzraum wird mit einer wirtschaftspolitischen. war allein unsere Lernfähigkeit. die das Großprojekt gemeinsam angehen. Doch das Land der Morgenstille hat schon manches Wunder vollbracht. dass freie Unternehmer den Norden doch ein Stück weiter aus seinem Panzer lösen könnten. richten ihre Aufmerksamkeit und Camcorder angestrengt nach links. wollen in den nächsten Jahren noch mehr als 21 Milliarden Dollar investieren. in denen jahrzehntelang die Gründerfamilien dominierten. Europa? Was wir besaßen. Für die USA sind aber schon modernere Personalcomputer. aus China. aber auf dem Farmland und mit Landarbeitern Nordkoreas. Dann befolgte die Regierung alle vernünftigen Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds. sagen PR-Leute wie Passanten im Chor. hier nur Grasnarben hinterlassen. sondern auch High Tech einbringen müssen. wird das Vorfeld der Grenze allein hier mit 50 000 neuen Jobs und sechs Mil- lionen Touristen jährlich animiert – so sehen es die Pläne der Provinz vor. Wie die Mehrheit der Koreaner heute denkt. Die Fertigung von Flachbildschirmen sorgt für 35 000 neue Jobs Den Koreanern fällt beim Stichwort Paju allerdings eher ein dramatisches Schauspiel ein. aber auch in anderen Städten. bricht der Staat zusammen. Christian Schmidt-Häuer für DIE ZEIT . dem Diamantengebirge. als seine großen Erfolge erscheinen lassen. Die dortigen Behörden stufen sie als Wirtschaftsflüchtlinge ein und schicken etwa 20 000 Menschen jährlich zurück. So sind auch die neuen Ambitionen im Verhältnis zum Brudervolk im Norden nicht zuletzt Teil der andauernden Unsicherheit – zu der die nicht berechenbare Zukunft Nordkoreas beiträgt. dass die bunte Gesellschaft der ausländischen Helfer zu viele schwarze Löcher in seinem Schattenreich ortet. China und Japan erscheinen lässt. Damit residieren jetzt 14 Vertreter der südkoreanischen Regierung und der Wirtschaft im Norden. Falls sich der Verdacht bestätigt. die Auto. In Südkorea wächst heute nicht nur der Graben zwischen den Generationen. Sich zu befreien von Selbstzweifeln. Wenn Touristen am Fernglas früher stolz rapportierten. sich immer wieder beweisen zu müssen. Aber die Chinesen wollen zugleich Kim Jong Il halten. Sie einigten sich auf eine gemeinsame Funkfrequenz und ein Wimpelsystem. um unerwünschte Zusammenstöße ihrer Marineeinheiten vor allem an der umstrittenen Seegrenze im Gelben Meer zu vermeiden. Berichte über die noch immer zum Himmel schreienden Menschenrechtsverletzungen. Nichts anderes wünschte sich auch Erich Honecker von Bonn. Peking drängt Pjöngjang zwar. Anders als in Europa haben die Parteien keine festen Programme. Doch was die Südkoreaner zu solchen Erfolgen befähigte. Studenten gegen Studenten oder Lehrer gegen Lehrer. kippt sein Regime. Südkorea und China üben da weniger Druck aus. Allein 2005 waren es 100 000. winkt eine Belohnung von 100 000 Dollar. ob sie überhaupt weiterführt – wer kann das schon sagen. war auch der Druck. Rechts:Tücher am Grenzzaun beim Bahnhof Dorasan. Der Hauptstrom von fast 300 000 geflohenen Nordkoreanern hat sich allerdings in China aufgestaut. das bisher nirgendwo an strategische Standorte der USA stößt. von der Geschichte. linke Gewerkschafter gegen Arbeitnehmervertreter der Mitte und neuerdings auch Kriegsveteranen gegen Kriegsveteranen. An sie soll sich jeder Bürger wenden. wenn er auf Atomwaffen verzichtet. Niemand hatte ihm bis dahin zugetraut. Seit Anfang August 2005 können sie sich sogar über eine Hotline verständigen. Das wiederum hat Kim Jong Il zu einem Wendemanöver genutzt.3 DOSSIER 17 In Kaesong in Nordkorea werden Töpfe aus rostfreiem Stahl für eine südkoreanische Firma hergestellt.und Fischwirtschaft. Auf sie warten drakonische Strafen und Folter. und hat deshalb die Atomgespräche der sechs Parteien USA. Zum anderen sucht Nordkorea den Rat der beiden gefälligeren Nachbarn. dass er Plateauschuhe trägt und seine Haare toupiert. Politisches Chaos in Nordkorea könnte im äußersten Fall zu einer Intervention der noch immer knapp 30 000 amerikanischen Soldaten aus Südkorea führen. Bergbau. von den geografischen Fesseln. dass die meisten Getreideimporte nicht über die Demarkationslinie nach Norden gehen. sind seit dem Sommer verstummt. sich jetzt weitgehend auf die Nahrungsmittelhilfe aus Südkorea und China zu stützen. Noch steiler ist der Anstieg der wirtschaftlichen und humanitären Hilfe für Nordkorea. Der Standort Korea hat viel Anziehungskraft verloren durch steigende Löhne. wo sich für umgerechnet 40 Cent über die Demarkationslinie auf die »Achse des Bösen« schauen lässt. Der Rest wird für den geplanten Leichtwasserreaktor zurückgelegt. So liegt der Tag wohl nicht mehr fern. Japan. Der Export allein trägt das Wirtschaftswachstum schon seit einigen Jahren. die Hälfte davon für Leichtindustrie. Die Technologie-Riesen und die Stahlkonzerne. sondern via China oder mit Schiffen aus Drittländern angeliefert werden – die Bevölkerung soll vom Ausmaß der Hilfe nichts erfahren. Dieser Ruck. mit dem Seoul die jahrzehntelange Protektion seiner Wirtschaft abschüttelte. Für den Rest gilt: Reformiert Kim Jong Il zu langsam. die für Asien mit seinen tradierten Familienbindungen beispielhaft ist. dass sie in der Ferne »ganz winzige Menschen« entdeckt hätten. Auch Nordkoreas lärmende Revolutionsgesänge. sondern auch zwischen den Eliten. was sie aus den Reisfeldern in den Cyberspace trieb. ließ die Wachstumsraten bald in Rekordhöhen steigen. weil der Gründer der Staatsfamilie sie erfand. Die Militärs beider Seiten haben sich – was noch vor kurzem undenkbar schien – auf einen Abbau der Spannungen an der Grenze verständigt. unternahmen. Das Reich der Mitte. Doch wie die Reise nach Pjöngjang dann ausgeht. Pjöngjang versucht offenbar. 17 SCHWARZ cyan magenta yellow Fotos: Yeon-je Jung/AP (li. Die Investitionen in eine Zukunft. In Korea treffen sie sich nun virtuell: Ein neues Glasfiberkabel zwischen Süd. 17 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. Doch zu Hause investieren die Exporteure nur sehr zurückhaltend. die riesige Lautsprecher frei nach Orwells Großem Bruder über den Grenzstreifen trugen. Ihr konfuzianisch-stalinistischer Personenkult und noch mehr die Staatsideologie der juche (wörtlich »das Auf-sich-selbst-Verlassen«) laufen auf eine unüberwindbare Autarkie hinaus. Sonntags demonstrieren im Zentrum von Seoul. ist Seoul wirtschaftlich schlechter gerüstet. Noch niemals zuvor war das der Fall. um zu überwachen. Die hohen Energiepreise steigern die Produktionskosten. die trotz aller barbarischen Sperranlagen fliehen konnten. Pjöngjang. Immerhin steigen jetzt auch die Besucherzahlen: Seit dem Waffenstillstand 1953 konnten inzwischen 170 000 Südkoreaner den Boden im Norden wieder betreten.« Jetzt treten sie leiser auf. pflegten die Reiseführerinnen daraus gern ihren politischen Vers zu machen: »Der Führer Kim Jong Il dort drüben ist so klein. Ihm kommt es deshalb zu allererst auf die Wirtschaftshilfe aus Südkorea und China an. August 2005 die Videokonferenz zwischen 40 Familien. Schon im Oktober eröffneten beide Seiten dort ein gemeinsames Büro. laufen – auch wenn niemand vorhersagen kann. wegen seiner Flugangst im Sonderzug. wie sie sich Seoul vorstellt. Was aber kann Kim Jong Il wirklich ändern? Für den orientalischen Despoten ist es wichtiger.und Nordkorea initiiert. Zum einen will der »liebe Führer« verhindern. Unwidersprochen meldete Pekings Nachrichtenagentur Xinhua nach dem Besuch von Parteichef Hu Jintao in Pjöngjang Ende Oktober: »Nordkorea erkennt die Errungenschaften Chinas an. Funktionäre und Fachleute studieren beim großen Nachbarn bereits Betriebe und Sonderwirtschaftszonen.« Für das. hätte dann unversehens US-Truppen an seiner Grenze. weil sie ebenso wie Seoul einen plötzlichen Zusammenbruch seines Regimes fürchten. zu einem Gegenbesuch nach Peking auf. Auch Politik und Gesellschaft folgen nicht so schwerelos in den Cyberspace. Russland. Pressekonferenzen. So verlangt Pjöngjang von Seoul. wie bisweilen aus dem fernen Land berichtet wird.und Nordkorea ermöglichte am 15. dass er die Dynastie erhalten könnte. ob diese auch an bedürftige Bevölkerungsschichten und nicht nur an die Armee gehen. Doch der von opulentem Luxus umgebene Lebemann erwies sich als hemmungsloser politischer Überlebenskünstler. würde Pjöngjang mit Absagen an gemeinsame Projekte strafen. das Überleben des Regimes als das Existenzminimum der Bevölkerung zu sichern.und Nordkorea erstmals seit der jahrzehntelangen Teilung eine direkte Telefonverbindung eingerichtet. Seouls Rücksichtnahme auf Pjöngjang zeigt sich auch darin. scheint nun doch mit aller Vorsicht vom chinesischen Kapitalismus lernen zu wollen.« Zu Beginn dieser Woche brach Kim Jong Il überraschend. Agrar. 3 DIE ZEIT S. Wie dünn diese Fäden allerdings noch sind.6 Milliarden Dollar an den Norden. welche die kleine Halbinsel wie einen Zipfel an den Rockschößen der großen Nachbarn Russland. heute anders als früher von der Öffentlichkeit möglichst fern gehalten werden. Reformiert er zu schnell. die auf einer vorgeschriebenen Route Busausflüge zum nordkoreanischen Erholungsgebiet Kumgang. So agieren Peking und Seoul heute nolens volens als Lebensversicherer des stalinistisch-orientalischen Despoten. das manche Kurskorrektur zulassen konnte. Nordkorea ist eine Dynastie.und die Schiffbauer haben zwar die Weltmärkte erobert. Zwar haben sich die lernfähigen Südkoreaner in nur knapp zwanzig Jahren eine gesicherte Demokratie mit konfu- zianischen Elementen erkämpft. ihre Lieferungen ins Landesinnere zu begleiten. was dann auf den Süden zukäme. auf denen Südkoreaner Wünsche für Verwandte im Norden aufgeschrieben haben Die Korea-Connection Fortsetzung von Seite 15 darunter auch deutsche. zeigt sich daran. Deshalb müsste Südkorea erst einmal auch das eigene Haus absichern. Nach zehn Jahren Unterstützung durch die internationalen Hilfsorganisationen forderte Nordkorea deren Vertreter im vergangenen Oktober auf. um die Lasten Nordkoreas tragen zu können – zumal diese Bürde obendrein noch durch den latenten Konflikt mit den USA erschwert werden wird. die seit Jahrzehnten getrennt sind Aus der DDR durften einst zuerst die Rentner ausreisen. Es ist still geworden am »Unification Observatory«.Nr. Nur war die DDR ein System. Jung Hee Noh? Nr. Weil nur der Familienkult das Regime verlängern kann. um seine verdorrten Äcker und notleidenden Kollektive zu retten. 3 DIE ZEIT S. dass in Südkorea auch weiter die Rufnummer 113 existiert. »Wie reformiert man eine solche Dynastie?«. die der Krieg vor einem halben Jahrhundert trennte. die Seouls Haushaltsplan vorsieht – und entsprechend scharf kritisieren Teile der Opposition und ältere antikommunistische Zirkel die Regierung. der einen nordkoreanischen Spion entdeckt hat. Hinzu kommen 300 000 Touristen. fragt der Publizist Shim Jae Hoon rhetorisch. 2006 gehen 2. Doch sind die politischen Institutionen dabei nicht schnell genug mit gewachsen. Zum Jahreswechsel haben Süd. ob sie sich auszahlen werden. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Auch sie lagern Geschäfte und Arbeitsplätze lieber in das so verlockend nah liegende China aus. Führende Funktionäre gründen je nach Laune oder internen Querelen neue Parteien. der zuvor gegen die japanischen Besatzer und in Maos Reihen gekämpft hatte. den Kim Jong Il erhalten soll. Sie führt zum Industriepark Kaesong nördlich der Grenze. »Die juche kann niemand verändern. folgte 1994 sein mit Komplexen beladener Sohn Kim Jong Il.). dass Nordkoreaner. Eine Videokonferenz für Familien. Dem ersten Staatschef Nordkoreas Kim Il Sung. bastelt der 63-Jährige jetzt an der Erbfolge seines zweiten Sohns Kim Jong Chul. auf seine Nuklearwaffen zu verzichten. China sowie Süd. die den wachsenden Lebenshaltungskosten folgen. das Pekings Wirtschaftsreformer lange als ideologische Abweichler kritisierte. Sie orientieren sich mehr an Persönlichkeiten als an Sachfragen und hängen ihr Fähnchen nach dem Wind. das Land bis Ende 2005 zu verlassen. das energiearme Land ist der viertgrößte Ölimporteur der Welt. nicht weit vom Grenzbahnhof. Ähnlich wie in Deutschland bleibt die Binnennachfrage schwach. an dem der erste Passagier im Grenzbahnhof von Dorasan die Fahrkarte in das Land hinter dem Stacheldraht lösen wird. Mit der juche fiele die Dynastie. Denn die internationalen Organisationen mit der Welthungerhilfe voran bestehen darauf. von da zu Bachs Musikalischem Opfer und. ist alltägliche Erfahrung der über Achtzigjährigen – ein Einundsiebzigjähriger ist davon in der Regel Gott sei Dank noch weit entfernt. liebevoll. Bildredakteur im Leben. Oktober 1946 hat das Gericht die »Entfesselung eines Angriffskrieges« als »das schwers- te internationale Verbrechen« gebrandmarkt. Solidarität«. Natürlich können sie auch alles bleiben lassen und das Leben in weiser Beschaulichkeit genießen – ohne die vielen Handicaps aus der Alters-Schreckenskammer. aber ich nehme nicht an. aber heute wünscht sich wahrscheinlich jeder zweite Westdeutsche. dass Sie. was Krieg bedeutet. die. Nutzen wir sie. ob man das jetzt Gott oder wie auch immer nennen will. Die später so bezeichneten »Nürnberger Prinzipien« sanktionierten neben anderen »Planen. wenn eine nette Oma nach Kleingeld sucht und dabei mit der Verkäuferin ein Gespräch anfängt. Es sei denn. Wir Bürger haben mehr Macht. genau wie wohl viele. bisslos. unfreundlich werden. des großen amerikanischen Juristen Robert Jackson. und in der nahen Vergangenheit lässt sich auch nicht viel Positives finden. da es sich nicht um eine Seuche handelt. aber ich wünsche mir. Ein Einund- siebzigjähriger kann über partnerschaftliche Probleme jenseits der Wechseljahre schreiben. über die Perversion des Jugendwahns. KARL ULRICH VOSS. Veränderungen einzelner Gene im Erbgut nachzuprüfen. mit dem wir die Angeklagten heute messen. hat meine Großmutter immer gesagt. 1 Der angekündigte Stellenabbau der genannten Unternehmen ist erschreckend für 2006. sage ich Ihnen: Sie sind ein. ein paar gezielt modifizierte Gene zu essen? RALF HEMPEL STUTTGART 214 Stunden Bach. dass wir. das heißt ohne falsche Zähne. EGON WEBER. Vorbereitung. Ich würde bei der Antwortsuche. der sich mit einem Gummischwamm zu wehren versucht. 18 SCHWARZ cyan magenta yellow 18 DIE ZEIT Nr. ZEIT Nr. die einen größeren Zusammenhang ahnen lassen. RATINGEN Beilagenhinweis Unserer heutigen Ausgabe liegen in Teilauflagen Prospekte folgender Unternehmen bei: Berliner Verlag GmbH. Bruchband. 1 Die im Grundgesetz verbrieften Rechte einer Deutschen und die angeführte Fürsorgepflicht des Staates sind nicht gebunden an patriotische Heimatliebe! DIETER LINKA. ZEIT Nr. die Zeit und Geld haben. um meine Steuern fühle ich mich an ganz anderer Stelle betrogen. um ihr freiwilliges Engagement für die Gesellschaft zu aktivieren«. wo man suchen sollte. durch den Dschungel krauchen oder als Gutmenschen verfallene Karawansereien restaurieren und damit ihr Ego aufbessern. Im Gegenteil scheint sie mir prototypisch zu sein für eine zivile. da die Mutationen überall auftreten konnten. sobald sie in einer Schlange anstehen. wie Sie ganz richtig in einer Ihrer Kolumnen schrieben. Zweitens hätte man nicht gewusst. als wir wahrhaben wollen. Subsidiarität. bemerkt Heiner Geißler trocken dazu). 1 Oh. Warum sollten wir jetzt daran zugrunde gehen. blaue Punkte im Gesicht. BERLIN Kinderbuchautor Paul Maar. NOTTENSDORF Wieso wird eine – nach ihrer Entführung möglicherweise sogar psychisch verletzte – Frau verurteilt. Auch die Antikriegspolitik ist kein Grund stolz zu sein. BAD REICHENHALL Ich kenne Susanne Osthoff nicht. Thomas Assheuer beginnt seinen Artikel zu Recht mit dem Hinweis auf die Präambel der UN-Charta. Bisher hat sich daran niemand gestört. dieser marginalen Spezies zuzuordnen sind. wie als Amerikaner sein Vaterland nicht zu lieben. dass die Menschheit seit ihrer Entstehung unendlich viele zufällig mutierte Gene gegessen hat. auf welchem Feld eine Mutation zum ersten Mal auftrat und auf welche Felder sie sich von dort aus ausbreitete. Wie es dazu kommen soll. DR. nicht alle jüngeren Menschen sind respektlos. BIELEFELD Ihre guten Absichten und gewiss lobenswerten Einsichten in Ehren – aber zum echten Senioren fehlt Ihnen mindestens ein Jahrzehnt. einander respektieren. nicht kommerzielle. sich auf die in Ihrer Zeitung immer häufiger beschworenen christlichen Werte zu besinnen. wie zittrig meine Finger irgendwann einmal sein werden. man muss es aber nicht auf Kosten der Daheimgebliebenen derart übertreiben. bin ich sehr erschrocken über das Phänomen. Röttgen bestreitet einen Großteil des Gespräches mit folgenden Formulierungen: »Personalität. Sie und ich. Erstens war es technisch nicht möglich. die für uns alle und für unsere zentralen zivilisatorischen Werte werben könnte. die ich mir aufbewahre. jedenfalls nicht aus eigener Erfahrung. ebenso aufregenden wie schmerzensreichen Weg zurückzulegen. Natürlich ließe sich ein Ereignis wie der Mauerfall als Leistung einstufen. aber kulturell und historisch bewusste und humanitär bewegte Arbeit mit und für fremde Menschen. kommt es zu Kreuzungen. ZEIT Nr. 20459 Hamburg Nr. mit Motorrädern durch die Wüste brettern. Freiheit und Demokratie« einhergeht. Das klingt jetzt erst einmal ziemlich respektlos und unverfroren. Financial Times Deutschland GmbH. in denen die Jüngeren noch Anstand hatten. Unternehmensführungen würden mich am liebsten für den folgenden Vorschlag steinigen: Ich kaufe oder nutze nichts mehr von den Unternehmen in der Liste. deren Berufung moralisch nicht verwerflich ist und die von einer für sie nicht ungefährlichen Aufgabe getrieben wird. den »Klotz am Bein« wieder abzustoßen und ohne den Osten in eine hellere Zukunft zu blicken. Worunter alte Leute seit Menschengedenken leiden: Die Unterstellung einer nicht mehr zu erreichenden Schnelligkeit und Unabhängigkeit. Als Erstes überprüfe ich im neuen Jahr alle Telefonanbieter und wechsele zum günstigsten. Das gilt auch für zukünftige Firmen mit gleichem Vorhaben. verrät er nicht. ANNA-KATHRIN WARNER. oft aber auch ältere. Seitdem der Mensch Pflanzen auf freiem Feld anbaut. reicht einfach nicht aus für eine Problemlösung! HANNELORE TÜMPEL WESTERHOLZ Ich bin 25 Jahre alt. Manchmal stelle ich mir vor. Bis zum echten »Senex« hat er noch einen langen. Man könnte sagen. die aus Ihren Worten spricht? Was erwarten Sie? Medial inszenierte Abbitte? Vielleicht wäre es sinnvoll. auch wir morgen von der Geschichte gemessen werden. MARIE-LUISE KÖLLN. auf Elite und Exzellenz. Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges«. Ich selbst warte gerne etwas länger an der Supermarktkasse. um ihn gleichzeitig hemmungslos auszunutzen. die Geriatrie kennt den Begriff der vorzeitigen Vergreisung. Januar 2006 LESERBRIEFE Der Regierung Bush müssen die Ohren klingen Thomas Assheuer: »Wann ist ein Krieg gerechtfertigt?«. Oft sind es jüngere. »Marktwirtschaft international Geltung verschaffen«. wenn sie ins Portemonnaie greifen. Doch man müsste sich auch die Frage gefallen lassen. Hörapparat und dergleichen Greisenschnickschnack. Lümmel und Haudegen. ZEIT Nr. deren Lebensweise offensichtlich anspruchslos. Mögen Leute.Nr. wirkt der Name »Osthoff« mittlerweile ätzend. Doch. hilflos. ZEIT Nr. Es ist doch selbstverständlich. zu den Kantaten. Und drittens war es auch völlig unerheblich. Nr. dass es in sich alle Schrecken der anderen Verbrechen einschließt und anhäuft«. SVEN STICKLING »JUNIOR«. In seiner Lebensphase umhüllt den eben Siebzigjährigen noch uneingeschränkt der Nimbus des Bonvivants. HAMBURG Nutzen wir unsere Macht! Grafik in der Wirtschaft: »Kahlschlag«. In seinem Urteil vom 1. 1 Florettfechter gegen Phrasendrescher Streitgespräch Geißler/Röttgen: »Aber Norbert. glückliches Britannien! Das würde ich auch gerne einmal im deutschen Hörfunk erleben – 214 Stunden Bach! Stattdessen auf fast allen Frequenzen überwiegend Dudelfunk! Bach war für mich die größte (Wieder-)Entdeckung des Jahres 2005. 3 DIE ZEIT S. entschuldigen Sie die Wortwahl. ist wohl genauso schwer. das ist doch Lyrik!«. auf Förderung von Wissenschaft und neuen Technologien« (wenn wir es nur täten. an dessen Eröffnung vor sechzig Jahren in den letzten Wochen allenthalben erinnert worden ist. Das klingt so ratlos. Wirtschaftsweiser. schrieb Michael Biedowicz. Der deutsche Staat ist nur zu einer Nothilfe verpflichtet. 17 JAHRE.« DR. 1 Was ist das für eine immanente Drohung. dass es einem leid tun kann! Der Versuch. In der Anklagerede des Chefanklägers in Nürnberg. flexibel! HELMUT FREDE. ins Stottern geraten. dass Unternehmen wie früher die Sklavenschiffe … verkauft werden«) – als Antwort darauf spintisiert Röttgen davon. D. Diese Bestimmung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess. 1 Für Staatsbürger. BURSCHEID 100 gute Wünsche Aufgeschrieben von der ZEIT-Redaktion. »wertgebundene Wirtschaftsordnung«. 1 Ein Florettfechter sitzt einem Kontrahenten gegenüber. 10124 Berlin. 18 SCHWARZ cyan magenta yellow . PETER WEBER RICHTER AM KAMMERGERICHT A. wonach künftige Generationen vor der Geißel des Krieges bewahrt werden sollen. wenn es Portemonnaies dann überhaupt noch gibt. Modeschöpfer sein. Jung und Alt. Bach – ein Endloses Geflochtenes Band (nicht dass ich das bisher zu Ende gelesen hätte). Musik mit glasklarer Struktur und trotzdem oder gerade deswegen wunderschönen Melodien. Das ist lustig zu sehen. Auch ich kenne Menschen. Einundsiebzigjährige können Minister. Und weil das so ist. dass ein Politiker in einer einflussreichen Position so viel Nebel im Kopf hat. Fakt ist. welche der Allgemeinheit sogar die Chance der Bewahrung alter Kulturgüter gibt (die wir alle uns sicherlich gern anschauen würden)? BARBARA SCHRÖDER. JUR. Erst wenn Deutschland wirklich vereint ist und zusammen in eine kriegsfreie Zukunft steuert. Über Gerd Gerken zu Douglas R. die ungeduldig und unzufrieden (mit ihrer Rente?) herumnörgeln und von besseren Zeiten reden. Die Geschichte unseres Landes liest sich wie ein Schauermärchen. Oder sollte ich besser Haudegen sagen? Immerhin haben Sie 40 Jahre für die ZEIT gearbeitet. MARIUS HARRER. wofür man sein Land liebt. und die entlassenen Mitarbeiter/innen fallen letztendlich dem Steuerzahler zur Last. Ich wage nicht. wie gewünscht. wären langsam wieder Gefühle wie ein dezenter Nationalstolz und Vaterlandsliebe gerechtfertigt. 3 DIE ZEIT S. also geschlagene 46 Jahre jünger als Sie. Aber abgesehen von diesem Amüsement.und Sicherheitspolitik nachfühlen. genauso wenig sind alle älteren stets mitmenschlich. dass Globalisierung dann »mit einem Siegeszug von Menschenwürde. Die Rendite der Firmen steigt. QUICKBORN – EIN ÜBER ACHTZIGJÄHRIGER Der von Ihnen verwandte Begriff »verseucht« ist in Zusammenhang mit genmanipuliertem Mais nach objektiven Kriterien nicht gerechtfertigt. Dann allerdings: immer zu! Je doller. Hofstadters Gödel. heißt es zukunftweisend: »Wir dürfen niemals vergessen. Escher.3 12. Der Regierung Bush müssten die Ohren klingen. für Ältere im Bus aufzustehen. man hat das Lösegeld schon vorher beim Auswärtigen Amt deponiert. über sinnvolle oder unsinnige Studiengänge nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben. Sie mag mit ihren eigensinnigen Ansprüchen und Plänen durchaus die Nerven des Als Deutscher ein Patriot zu sein. der sich gewünscht hatte: »… viele fette. OBERHAUSEN Der Irak-Krieg ist ein Angriffskrieg. Es gibt solche und solche. was das Helfen aus Notsituationen betrifft. Erfinder des Sams. neugierig geworden. wenn ihr eine der berühmtesten Reden der Rechtsgeschichte vorgehalten würde. könnte ich ihr eine erregte Verzweiflung über die Gebundenheit unserer »modernen« Außen. DRESDEN Auswärtigen Dienstes und der Medien malträtieren. »staatliche Regulierung von Unternehmen zu reduzieren. desto medienwirksamer. sondern eher unsere Pflicht. frecher kleiner Lümmel bin. Schauen Sie sich um unter Leuten Ihres Alters – oder schauen Sie einfach in sich hinein! Reichlich Kräfte sind vorhanden für lustvolle Betätigungen jeder Art. wunderbar Reiner Luyken: »Sublime Folter«. »das sich von anderen Kriegsverbrechen nur dadurch unterscheidet. Nicht aber zu solchem Aufwand! Und nun trifft es auch noch einen Ex-Staatssekretär. Sicherlich. Herr von Kuenheim. die Leute mit schönen Worten zu beeindrucken. UWE STORJOHANN. dass ich ein unerfahrener. NÜRNBERG Was schon meine Oma wusste Haug von Kuenheim: »Ein Rentner sieht rot«. DR. Im Übrigen ist das angeblich fehlende Minimum an Loyalität seitens Susanne Osthoff für mich als Leserin nicht einsichtig.« Semantische Belehrung Thomas Fischermann: »Kampf ums Korn«. Aber ich habe nicht den Eindruck. sie hätte sich mutwillig – also ohne ein hochwertiges Motiv – in Gefahr begeben. ZEIT Nr. ziemlich lebenserfahrener alter Sack. verstößt gegen die UN-Satzung und ist allein deswegen völkerrechtswidrig. einen Tipp hat er: Er plädiert dafür. SCHÜLER. sein Gegenüber auf den Boden konkreter Tatsachen zu holen (»Es kann doch nicht richtig sein. »neue Verantwortungskultur« – ich habe noch nie so viele hohle Phrasen so dicht gedrängt beieinander gesehen!! Heiner Geißler versucht. die nach Zahlung ihrer Steuern und Abgaben gerade noch so übers Jahr kommen. mit denen ich mir wie das Sams aus den Büchern Wünsche erfüllen kann. dass nach dem gleichen Maß. »wir setzen auf Bildung. aber nie und nimmer über Alterskleptomanie und andere Greisenmarotten. ZEIT Nr. ihr zu widersprechen. Wenn das so ist. verehrter Herr von Kuenheim. denn wir sollten am besten wissen. 1 Drohen Sie ihr etwa? Bernd Ulrich: »Bei aller Liebe«. Oder: Sie würde den Staat verachten. so reagieren wir. Zwar ist das Leben als solches schon recht lebensgefährlich. Keine Sorge. im Internet eine unangreifbare Stellung aufzubauen. er kenne »bis heute kein Argument«. die Parkhäuser sollten ihn billig behausen. und die Verbraucher fuhren nur auf Kultautos ab. wetterte Hessens Ministerpräsident Roland Koch – und plädierte sogar für eine NeubauOption. mache die hiesige Energieversorgung unabhängiger vom Import russischen Erdgases. Dreiundvierzig Vollzeitbeschäftigte der Abteilung Reaktorsicherheit des hessischen Umweltministeriums und noch mehr externe Gutachter kontrollieren akribisch den Betrieb der Anlage – nicht immer zum Gefallen des Betreibers. Springer bekäme 16 Prozent am deutschen Fernsehmarkt statt der erhofften 23 Prozent.!) gescheitert. erläutert Volkert das mögliche Procedere. In ein paar Monaten. Und: Trotz aller Sicherheitsmechanismen »geschehen Unfälle immer dort. Reaktortechnik. sagt Torsten Volkert. die »sicheren Kernkraftwerke« abzuschalten. ob »alternatives Verkehrskonzept« nicht auch zur C. So wurde aus dem Smart ein ziemlich normales Auto – ohne viel Kult. Ihm bleibt wenig Zeit. 3 DIE ZEIT S.-Familie gehört. falls sich Google oder Yahoo tatsächlich in direkte Konkurrenten verwandeln sollten. Ein klemmendes Ventil und menschliches Versagen ließen 1987 Fortsetzung auf Seite 20 30 SEKUNDEN FÜR den Smart Typisch DaimlerChrysler. Die Explosion sprengte mehrere Meter Leitung weg. Wie durch ein Wunder beschädigten die umherfliegenden Trümmer keinen der sensiblen Messfühler. ob sie das Kernkraftwerk länger am Netz halten will. des Bundesministeriums für Umwelt. Leittechnik.Nr. das Ultraschall-Überwachungssystem schlug an. Januar 2006 WIRTSCHAFT Alle Mann an Bord Mit Partyschiffen und Luxushotels sanierte er die Staatsreederei der DDR. bestätigt ein Bericht der obersten Aufsichtsbehörde für deutsche Kernkraftwerke. Die Schichtmannschaft diagnostizierte eine »Leckage in einem unbedeutenden Sicherheitsbereich«. Mechanik und Elektronik. Werbepakete für Presse und Fernsehen zu schnüren. Einige Parteifreunde brachte die Botschaft allerdings nicht zur Räson. Das Argument ist zwar fragwürdig. erinnert sich Traube. der schon vor Jahren die Seite wechselte und nun für den Umweltverband BUND arbeitet. Biblis A ist der ältere. Aus dem verschneiten Wildbad Kreuth forderte er kürzlich. der die Bedenken des Bundeskartellamts und der Medienwächter aus den Bundesländern ausräumen würde. Naturschutz und Reaktorsicherheit. 19 SCHWARZ cyan magenta yellow 19 DIE ZEIT Nr. weil mit Gas weniger Strom als vielmehr Wärme erzeugt wird. »Das Team fand keine Ursache und legte mit Schraubenziehern das Sicherheitssystem einfach lahm«. Wirtschaftsminister Michael Glos und Umweltminister Sigmar Gabriel. Und dort sei der von der Vorgängerregierung vereinbarte Atomausstieg festgeschrieben. i. geplant Mitte der sechziger Jahre. Und das explosive Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch entlud sich in gerade noch ausreichender Entfernung vom Reaktorkern. »Erst später haben wir uns für die Gefahr sensibilisiert«. Letzterer versichert. Nicht zu vergessen: Der Konzern hätte genug Kapital für eine weitere Expansion im Ausland. Dennoch: Stoiber eröffnete zum wiederholten Mal die heikle Diskussion vom Ausstieg aus dem Atomausstieg – vier Monate vor dem 20. Es lässt uns mit der Frage zurück. Splitter flogen durch die Sicherheitszone des Meilers.« Die Behörde beaufsichtigt die vom Essener Energiekonzern RWE betriebenen Reaktorblöcke in Biblis. der Sprecher des hessischen Umweltministeriums. das dem Atomausstiegsfahrplan zufolge 2007 dichtmachen soll. aber den Sender ProSieben weiterzureichen. Viel spräche für die kleine Lösung. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber zum Beispiel. Nur »drei bis vier Meter weiter« wäre es zu einem Störfall mit »Kühlmittelverlust« gekommen. im Zweifel steige durch das Verbinden alter und neuer Teile sogar die Unfallgefahr. Jahrestag der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl.1 bekommen – durch Verzicht Und Springer bewegt sich doch. »Ein bisschen davon geht nicht. Kurz bevor die größte Übernahme der deutschen Mediengeschichte endgültig zu scheitern droht. die »billigen Strom« produzieren. sagt der Österreicher.Jeder Reaktor sei »im Prinzip immer ein katastrophenträchtiges Gebilde«. sie gehörte zum Sprühsystem des Reaktorkerns. a. Erste Gespräche mit SBS Broadcasting aus Amsterdam fanden statt. 3 DIE ZEIT S. ohne dass Springer und Bertelsmann gleich in allen Medienmärkten dominierten. die Atomwirtschaft grandiose Gewinne. Wie Horst Rahe einen Urlaubskonzern schuf Seite 30 Springer muss lernen zu teilen Der Medienkonzern könnte Sat. Viele Beinaheunfälle seien zudem niemals zuvor in Prognosen aufgetaucht.3 12. um Konkurrenten zu verdrängen – und die geballte Meinungsmacht von Bild und TV fiele überschaubarer aus. Vor allem einige Landespolitiker lässt diese Verlockung nicht ruhen. das für das Abnicken eines solchen Antrags spreche. doch ist unklar. fast jeden zweiten Tag unerwartete Betriebsstörungen registriert: »meldepflichtige Vorfälle« – bestes Bürokratendeutsch für Störungen. Illustration: Phoebe Arns Bedenken existieren auch unter Fachleuten. die helfen sollen. Ist also Geiz auch geil. Uwe Jean Heuser Nr. Instrumente und Rechner signalisierten steigenden Druck. Jetzt lassen die Schwaben für die hässliche Tochter einen Bräutigam suchen. aus dem kleinen Smart einen Erfolg zu machen – und muss sich von BMWs Mini zeigen lassen. Die Verlockung dazu war groß. werde die Chefetage entscheiden. Es sei »volkswirtschaftlicher Unsinn«. a. So habe »nur doppeltes Glück« im Jahre 2001 einen Strahlungsunfall in Brunsbüttel verhindert. aber explosiv Die Nuklearlobby wittert Morgenluft. 19 SCHWARZ cyan magenta yellow . »Sollte RWE einen solchen Antrag stellen. sagt ein Konzernsprecher. scheint eine akzeptable Lösung auf: Im Springer Verlag wird erwogen. Der Smart startete als Alternative zum herkömmlichen Auto. die »sicheren« deutschen Kernkraftwerke länger als geplant laufen zu lassen. Dezember 2001 im Kernkraftwerk Brunsbüttel. Die Bahn sollte ihn günstig transportieren. experimentierte die Mannschaft am mit Brennelementen beladenen Reaktorkern. so Traube. Das »Vorkommnis mit Abriß einer Kühlleitung im Atomkraftwerk Brunsbüttel« hätte sich sogar zum größtmöglichen Unfall auswachsen können: zur Kernschmelze mit radioaktiver Verstrahlung. wie es auf dem Markt für schicke Kleinwagen richtig läuft. so Stoiber. 1975 ans Netz gegangen und nach Stade und Obrigheim das nächste Kernkraftwerk. dem sie wohl noch eine kräftige Mitgift anbieten müssen. so viel abzugeben? GÖTZ HAMANN E s gab einen gewaltigen Knall. Atomstrom beschert den Meiler-Betreibern mehr Gewinn als jedes andere E-Werk. und zwar inklusive Risikoabschätzung. oder? Die »schwäbische Welt AG« (ist das nicht schon eine Contradictio in adjecto) bringt es nicht einmal fertig. sagt der einstige Kernenergiebefürworter Klaus Traube. warnt Helmut Hirsch. Und doch ist DaimlerChrysler weniger an der eigenen Tollpatschigkeit als an den »engstirnigen Deutschen« (leider nicht unbedingt eine C. Sind ihre Meiler die Antwort auf die Energiekrise? Von Cerstin Gammelin und Fritz Vorholz ren als unabhängiger Berater anbietet. ob sie so vielversprechend verliefen. Als im längst stillgelegten Uralt-AKW Lingen beim ersten Anfahren die Steuerstäbe klemmten. Der Knall ereignete sich am 14. Da bleibt nur eine Frage übrig: Ist Springer bereit. der seinen Sachverstand für Kerntechnik seit 28 Jah- »Sicherheitstechnische Optimierungen« am Reaktor Biblis A haben RWE seit 1999 rund 540 Millionen Euro gekostet. dass Springer-Chef Mathias Döpfner um Aufschub beim Bundeskartellamt bittet. Mit der Entscheidung für oder gegen Kernkraft sei es wie mit einer Schwangerschaft. das Bündnis von Union und SPD stehe zum Koalitionsvertrag. Endgültig entscheiden werden Kanzlerin Merkel. Bereits in den achtziger Jahren sprang im Kernkraftwerk Brunsbüttel beim Anfahren des Reaktors das Schnellabschaltesystem wiederholt an. muss die Anlage neu bewertet werden«. Nachrüstungen garantierten längst nicht den neuesten Stand der Technik. Und Springer bekäme am Ende den Zugriff auf bewegte Bilder. Sauber. Ein Nein aus Bonn ist nur eine Frage von Tagen. die zusammen rund 12. wo sie nicht erwartet werden«.1 Media zwar zu kaufen. Die hiesige Fernsehlandschaft bliebe weitgehend in deutscher Hand. i. Doch keiner fing so richtig Feuer.6 Prozent des deutschen Energieverbrauchs decken. die schlimme Ausmaße annehmen können. schaltete den vermuteten Bereich per Fernbedienung ab – und ließ das Atomkraftwerk unter Volllast weiterlaufen. Atomstrom. Denn Springer hätte in diesem Fall weniger Gelegenheiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ zwar um des Koalitionsfriedens willen umgehend verkünden. die ProSiebenSat. Stadtvereine ihn teilen. wenn es um so sensible Bauwerke wie nukleare Stromfabriken geht? »Unfallsicher« sei kein einziges Kernkraftwerk. Das ist ein Wert. Tatsächlich werden in jedem der 17 hiesigen Kernkraftwerke. Experten schätzen die Erzeugungskosten für Atomstrom auf etwa einen Cent pro Kilowattstunde.7 Cent pro Kilowattstunde sogar noch günstiger. 3 DIE ZEIT S.6 10.4 36. Seite 6 i Leser diskutieren auf ZEIT online unter: www.6 Bestandsentnahme 0. müssen die Kraftwerksbetreiber in der EU seit einem Jahr spezielle Erlaubnisscheine bereithalten. Stand 09/05 Nr.5 Prozent sparen – ohne Mehrkosten. So schwindet der Kostennachteil des Atomstroms. neue nukleare Stromfabriken zu planen.5 10. irritiert den Forscher nicht. als von Wettbewerb noch keine Rede war. VDEW. Wäre jeder dritte Motor – statt nur jeder zwanzigste – mit einer elektronischen Drehzahlregelung ausgerüstet.6 89. warnt Traube.9 25. Und desto größer wird das Spaltpotenzial im Berliner Regierungsbündnis. sagt Michael Sailer.0 16. sei »eine sehr gute Frage«. München Mitteldeutschland Rheinland VERBRAUCH Sonstige Kraftwerke 10. Allerdings pusten Kohlekraftwerke kräftig Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre.Großlande britannien 6 18 2 40 2 17 47 Strommischung Anteil der Energieträger an der deutschen Stromerzeugung Quelle: BGW. Gas.1 Flugbenzin 28.4 NL 600 15038 Stromaustausch in GWh 285 2761 11. schöpfte die von langen Flautejahren gebeutelte Nukleargemeinde Hoffnung. wie lange die Uranvorräte noch reichen – aber dann verrußt eben auch die Atmosphäre schneller. der 2009 ans Netz gehen soll. ermögliche es Industrie und Haushalten.3 51. wenn ihre Anlagen den unerwünschten Stoff ausstoßen.3 7. weniger Sorge um die Endlagerung des Strahlenmülls und weniger Streit darum.8 100. stellte sich heraus.6 % 13. während die Kosten für CO2-freien Atomstrom unverändert bleiben.4 *als Rohstoff für Kunststoffe und andere Chemieprodukte Handelsware Strom Deutschland ist Drehscheibe für den europäischen Stromhandel ZEIT-Grafik/Dieter Duneka Gewerbe.3 Steinkohle 23.1 biogene Brennstoffe 3. Nur deshalb – und nicht. Braunkohle.1 Heide Rostock Afrika in Millionen Tonnen Russland Benzin Erdgas Hamburg Schwedt Wind in Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten vor allem für Wohnungsheizung HERKUNFT Dänemark/ Großbritannien u. dass trotz höchst seltener kleiner Vorkommnisse kein großer Unfall passiert«.4 % 491. Mittlerweile sind die Anlagen abgeschrieben. verkündete sie jüngst. Leiter des Bremer Energie Instituts.3 Cent pro Kilowattstunde – ein Viertel mehr als Elektrizität aus neu errichteten Steinkohlekraftwerken (3.3 Cent). Das Gas heizt die Erde auf und trägt maßgeblich zum Treibhauseffekt bei: zu Stürmen und wasserfallartigem Regen. auf deren Konto zwei Drittel des industriellen Verbrauchs gehen.und Kohlevorräten. Der 51jährige Ingenieur sitzt seit 2002 der Reaktor-Sicherheitskommission vor. »So hoch«. dass die Deutschen Energie sparen. Jede Kilowattstunde Kohlestrom wird auf diese Weise teurer. Energie zu sparen«. »Alle Anlagen sind so ausgelegt. weil sie der Atomtechnik ideologisch verhaftet sind – hängen die Konzerne an ihren alten Meilern. Gleichwohl. a. »Schlamperei« wachse mit den Betriebsjahren zu einer großen Gefahr. »wird der Zertifikatspreis vermutlich gar nicht steigen. wie Beinahekatastrophen stattfinden. Gase. einem Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und dem französischen Nuklearkonzern Areva. Braunkohlestrom ist mit nur 2. schickt sich kein einziger der hiesigen Stromerzeuger an. rund ein Viertel der bisher verbrauchten Elektrizität einzusparen. Im Jahr 1998 schaltete die Schichtmannschaft des niedersächsischen Kernkraftwerks Unterweser vorschriftswidrig ein Sicherheitssystem ab. PL Russland VERBRAUCH Sonstige Kraftwerke Haushalte/ Kleinverbraucher Starke Abhängigkeit Die größten Energielieferanten für Deutschland 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 in Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten NL Rotterdam Inland 190 222 63 409 281 136 130 250 480 Steinkohle Erdgas Mineralöl Gelsenkirchen Niederlande Leuna in Terrawattstunden Norwegen Industrie Steinkohle Köln vor allem für Stahl und Strom HERKUNFT B Frankfurt CZ L Ludwigshafen Ruhr-Revier Karlsruhe F in Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten VERBRAUCH Importe Wärmemarkt Stahlindustrie Kraftwerke Ibbenbüren Saar-Revier Russland Norwegen Nieder. die Scheine werden aber an verschiedenen Börsenplätzen. Elektrizität aus neuen Atommeilern konkurrenzfähig zu machen – während der Berliner Energieberater Mehr Meiler Neue Atomkraftwerke weltweit im Bau Argentinien Brasilien China Finnland Indien Iran Japan Kanada Nordkorea Südkorea Pakistan Rumänien Russland Südafrika Ukraine USA gesamt 1 (0) 0 (1) 2 (8) 1 (0) 8 (0) 1 (2) 1 (12) 0 (2*) 1 (1) 0 (8) 0 (1) 1 (0) 4 (1) 0 (1) 0 (2) 1 (0) 21 (39) *vorübergehend stillgelegt (geplant) Bernhard Hillebrand die Schwelle der Wettbewerbsfähigkeit für Strom aus neuen Meilern erst bei einem CO2-Preis von 30 bis 35 Euro pro Tonne vermutet. Tatsächlich vergeuden selbst kostenbewusste Fabriken viel Strom. die das Umweltministerium berät.8 2.6* *statistische Differenz: 1. BMU. AGEE-Stat. will man von Sicherheitsmängeln nichts wissen.9 37. Januar 2006 DIE ZEIT Nr.3 81.6 Prozent zur weltweiten Energieproduktion beisteuern. Doch auch Sailer weiß. Das soll beruhigen – zumal einige der Meiler inzwischen wahre Gelddruckmaschinen sind. Stand 2004 Atomkraftwerk konventionelles Kraftwerk Wasserkraftwerk Raffinerie Rohölpipeline Produktpipeline Stromleitung Gasleitung Gasleitung in Planung/im Bau Heizöl u. dass die Ventile versiegelt waren und nicht funktionierten. Während die Politiker gern und laut über die Sicherheit der Versorgung streiten. Warum die Investoren dieses Potenzial nicht nutzten. erklärt der Werkstoffwissenschaftler Manfred Erve.0 314. Nur dort. desto verlockender werden die Kernkraftwerke.zeit. gehandelt und haben einen Markt- preis: Etwas mehr als 20 Euro kostet derzeit die Lizenz zum Ausstoß einer Tonne CO2. Als nach der Schnellabschaltung des Reaktors der Dampfdruck stieg. könnte die gesamte Energiefrage tatsächlich ungeahnte Sprengkraft erhalten. aber explosiv Fortsetzung von Seite 19 etwa 107 Liter radioaktives Kühlwasser im Reaktor Biblis A auslaufen – ein Unfall. So kostet Strom aus neuen Kernkraftwerken laut Wolfgang Pfaffenberger.1 8. MWV. Beim Kraftwerksbauer Framatome.3 Energie für Deutschland Die Alternativen Erneuerbare Energie in Deutschland HERKUNFT Sonstige Inland Naher Osten EU und Norwegen VERBRAUCH Sonstige Schweres Heizöl Diesel Geo-/Solarthermie biogene Abfälle Wasser Fotovoltaik 0.3 27. GVSt. 20 SCHWARZ cyan magenta yellow 20 WIRTSCHAFT Mineralöl vor allem für Autos DK S 12. RAG. sei die ergiebigste Energiequelle – und eine heimische dazu.2 3. Steinkohle.6 37. im Jahr 2030 wird laut Internationaler Energieagentur (IEA) Atomkraft sogar nur noch 4. Da auf dem Strommarkt nur unzureichender Wettbewerb herrscht.5 6.7 % Braunkohle 63.4 % Verbrauch von Primärenergie Verbrauch von Endenergie: Mineralöle. Denn je mehr vergeudet wird.0 Umwandlungsverluste in Raffinerien und Kraftwerken Nichtenergetischer Verbrauch* 119. dass trotz der relativ hohen Sicherheit deutscher Kernkraftwerke der Teufel im Detail steckt – »nämlich im alltäglichen Betrieb«.0 Mineralöl 554. Effizienz. Bis auf null? Die Experten streiten. Strom. Es sei denn. Den Beweis dafür muss sie noch liefern. Auch in Schwellenländern rund um den Globus entstehen neue Meiler.5 Haushalt B L 4956 20224 152 Stand 2003 12794 52 CZ 92.3 20.1 0. Während sie um ihre abgeschriebenen Meiler kämpfen.de/2006/02/atomkraft ZEIT-Grafik/Quelle: World Nuclear Association.3 Prozent im Jahr 2025 sinken. so Kohler. der zur Kernschmelze führen kann und der sich in dem betagten Kraftwerk wiederholen könnte. Energieexperte beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). wo das Unternehmen Teollisuuden Voima Oy (TVO) gerade einen Meiler hochzieht.0 26. und Deutschland wird noch abhängiger von begrenzten und obendrein ausländischen Öl-. Von einer weltweiten Renaissance der umstrittenen Technik war da plötzlich die Rede – obwohl amtliche Prognosen nach wie vor das Gegenteil ausweisen. etwa beim Betrieb von Elektromotoren.4 20. 3 DIE ZEIT S. verbessert sich die Sicherheit«. Angela Merkel hat das erkannt. 20 SCHWARZ cyan magenta yellow .4 Braunkohle CH A 59 Lausitz 169.3 834 Import 426. Manuel Frondel. hält es sogar für wenig wahrscheinlich. Alternativenergien könnten die Versorgung mit weniger Gefahren für Mensch und Umwelt sicherstellen! Genau davon ist Stephan Kohler überzeugt.4 Leichtes Heizöl 2.5 1. Die wurden allesamt gebaut. dass sich der Bau neuer Atomkraftwerke jemals wieder lohnen wird. Tatsächlich ist der zweitgrößte TVO-Aktionär ein mehrheitlich in Staatsbesitz befindlicher Energieversorger.4 % Kernenergie 36. Die Verlockung längerer Laufzeiten ist riesig. profitiert die Kundschaft zwar nicht von den unschlagbar niedrigen Kosten. Der Grund: Mit rund zwei Millionen Euro pro Megawatt sind die Investitionskosten dafür rund doppelt so hoch wie für neue Kohlekraftwerke. so der Verband. aber ihren Eigentümern bescheren die Reaktoren sensatio- nelle Gewinne: Sie verkaufen ihren nuklearen Strom zum Börsenpreis und kassieren auf diese Weise Margen von bis zu 500 Prozent. a. als die Entscheidung über den Bau des finnischen Reaktors vor zwei Jahren fiel. Erneuerbare Energien Kernkraft Braunkohle vor allem für die Stromerzeugung Ingolstadt 9. dass der gegenwärtige CO2-Preis bereits ausreicht. a. »In dem Maße.2 F 22. Doch ist das wirklich Anlass zur Freude? Weniger Nuklearenergie bedeutet zwar weniger Nuklearrisiko. legen auch sie nur wenig Wert darauf. das entspricht beinahe der Produktion sämtlicher deutscher Kernkraftwerke. Leiter im Technik-Zentrum Erlangen. Sonstige 13348 Verkehr Industrie 3127 CH 3333 9906 A Gewinnung im Inland 129. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Fernwärme. Das gelte selbst für Finnland. Der Bremer Energieforscher Pfaffenberger rechnet vor. ließen sich nach Angaben des Zentralverbandes Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI) jährlich rund 6.0 von Energieträgern Energieaufkommen im Inland 12. wüchsen neue Meiler gen Himmel.5 HERKUNFT Helmstedt u. Zwar sind die Emissionszertifikate den Stromfabrikanten kostenlos ausgehändigt worden. Intelligente Technik. Dieser Nachteil kann auch durch die günstigen Betriebskosten der Atommeiler nicht wettgemacht werden. Spätestens beim Energiegipfel im April. Siehe auch Politik.0 Erdgas 3.1 25. Bei einem Team.oder Gaskraftwerken. wo der Markt noch nicht vollständig liberalisiert sei und wo der Staat ins Geschäft mit dem Strom hineinregiere. sagt der Essener Ökonom. in Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten in Millionen Tonnen 3999 5369 557 2241 PL Export und Lagerung Sonstige 3. Ändert sich daran nichts.5 % Erdgas Import Export Steinkohle Verbrauch in den Energieanlagen 20. Um die drohenden Wetterextreme in Grenzen zu halten. lasse die Anspannung nach. AG Energiebilanzen. So wird nach Schätzung des US-Energieministeriums der Nuklearbeitrag zur weltweiten Energieversorgung von gegenwärtig rund 6.Nr. predigt der gelernte Maschinenbau-Ingenieur seit Jahren.« Dass im Ausland neue Kernkraftwerke gebaut oder geplant werden.1 in Prozent DK S Gewaltiger Fluss: Vom Energieträger zum Verbraucher Energieflussbild für Deutschland. 4. Handel Sauber. der Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena). unter anderem in London und in Leipzig. zu Dürren und zum Anstieg des Meeresspiegels. DEBRIV. zu Buche schlagen nur noch die reinen Betriebskosten – und die sind meist viel niedriger als bei Kohle. Sie wolle »alles daransetzen.2 12. das nukleare Anlagen 20 Jahre lang als »gutmütig« erfahre.5 Prozent auf 5. ein kräftiger Mann mit polternder Stimme und Schnauz- bart. Längst geht die Angst um. ob ein Gigant wie GM (und vielleicht auch Ford) tatsächlich in den kommenden Monaten Insolvenz anmelden könnte. sagt DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche. Doch in diesen Tagen fragen sich viele Gewerkschafter in Detroit. sagt er.62 $ 2006 ZEIT-Grafik/Quelle: Thomson Financial Datastream Nr. während die Rivalen aus Japan. Im Radius von einigen hundert Meilen um Spring Hill sind heute alle großen Namen der Autowelt vertreten: Ford.41 $ 8. typisch amerikanisches sport utility vehicle. Arbeiter aus dem ganzen Land zogen in den nördlichen Mittleren Westen. Weil die SUVs technisch einfach konstruiert waren. »Gewerkschaften und kollektive Verhandlungen haben den Wohlstand in diesem Land geschaffen«.50 Dollar gesenkt werden. Jetzt diskutiert man in der Branche sogar. 21 SCHWARZ cyan magenta yellow . Kreditprüfer stuften die Anleihen von Ford und GM auf »junk« (wörtlich: »Abfall« ) herunter – den Status hoch riskanter Spekulationspapiere.50 Dollar fallen Als der Zulieferer Delphi im Oktober in Insolvenz ging. Schließlich ist Delphi nicht der einzige Pleitier unter den Automobilzulieferern der Region: Die Visteon Corp (18 000 Beschäftigte) kann derzeit nur mit Zuschüssen von Ford überleben.3 WIRTSCHAFT 21 Motor City hat den Blues Ford und General Motors streichen Lohnnebenkosten zusammen. Das Empfangszentrum für Besucher (»Betreten ohne Hemd und Schuhe verboten«) war früher eine Scheune. Am Eingang zum Messestand von General Motors (GM) zwinkert eine Gruppe langbeiniger Fotomodelle den Besuchern zu und drückt ihnen Kärtchen in die Hand: »Feiern Sie mit uns den neuen Cadillac Escalade«. 2000 bis 3000 Demonstranten wollte er am vergangenen Sonntag zusammentrommeln. 2006 Ford 10 0 2001 2002 2003 2004 2005 22.Nr. dort Rassismus und Armut zu entfliehen. ein hochbeiniges Gefährt irgendwo zwischen Personenkutsche und Kleinlaster. Die Polizei hielt sie so weit von der Messe in der Cobo Hall entfernt. wurde zum Kern der amerikanischen Sozialordnung.5 Meter Länge. Tatsächlich ist Spring Hill in Tennessee wie viele andere Orte in den südlichen USA zu einem neuen Powerhouse der Autoindustrie geworden. Allerdings: Die Gewerkschaften sind nur in den wenigsten dieser Werke vertreten. die Erosion des Sozialmodells Detroit begann. Es sind die Autofirmen selbst Für Todd Jordan verlief der Besuch der Automesse enttäuschend. Es begann mit dem japanischen Autobauer Nissan. Toyota. lieferten sie die fettesten Profite ab. »Das war hier ein ländliches Gebiet«. Ein Insolvenzverfahren nach US-Recht könnte es dem Management ermöglichen. 1986 folgte GM mit einem Werk für seine Marke Saturn in Spring Hill. Der Escalade ist ein klobiges. Die Arbeiter von Detroit schlossen zur Mittelschicht auf. zog sie der Verkaufserfolg aus dem Sumpf. Ford und Chrysler. Die Delphi-Arbeiter sollten kaum mehr verdienen als die Bulettenbrater bei McDonald’s. 1. Eigentlich hätten die Mitglieder von Soldiers for Solidarity. »Ich glaube nicht. 21 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. Autoarbeiter aus Detroit und Umgebung.und Lohnnebenkosten bei den Big Three schadeten den Bilanzen zusätzlich. der sich 1983 in Smyrna niederließ. Die prächtige Niederlassung der Autogewerkschaft UAW steht auf einem grünen Hügel im Schatten des Rathauses. kurz SUV genannt. Schon Unternehmensgründer Henry Ford erklärte seinerzeit. und der Plastik. Die Soldiers for Solidarity rekrutieren sich hauptsächlich aus ehemaligen Mitarbeitern der großen Zulieferfirma Delphi mit 25 000 Gewerkschaftsmitgliedern in der Region. Der weltgrößte Autokonzern hat im vergangenen Jahr mindestens vier bis fünf Milliarden Dollar verloren. wie sich Todd Jordans gewerkschaftliche Protestgruppe nennt. GM und Ford verlieren Marktanteile. nicht zehn Cent! Lohnkürzungen sind Verbrechen!«) dort nicht einmal hören konnte. 3 DIE ZEIT S. dass einer von den beiden das ernsthaft in Erwägung zieht«. In den neunziger Jahren hatten viele Amerikaner ihre Lust auf großräumige. »Ob dies für einen der Spieler unvermeidbar eintreten kann. mal mit tätowierten Punk-Trommlern daneben. sagt Jacob Hacker. mal auf blinkenden Drehscheiben. Doch das reine Arbeiteridyll ist Spring Hill wohl kaum. Denn Detroit ist nicht nur das traditionelle Zentrum der US-Autoindustrie – hier wurde auch das typisch amerikanische Sozialmodell begründet. Kein Stand kommt ohne derartige Gefährte aus. Der Cash-Burn kann unglaublich schnell sein. Der örtliche Gewerkschaftschef Mike O’Rourke. sie zählt zwei Etagen und einen geräumigen Bankettsaal. dass es überhaupt noch lange gut bezahlte Automobiljobs geben wird: Trotz der Entlassung Zehntausender Arbeiter. gute Gründe für zahlreiches Erscheinen und wütendere Proteste. Andererseits wäre das fürs Markenimage verheerend. entstand nie ein umfassender Wohlfahrtsstaat in den USA. Manche schwarze Familie aus den Südstaaten hoffte. Bis. »Die Ausgaben der amerikanischen Volkswirtschaft für soziale Wohlfahrt differieren kaum von denen in den großzügigsten europäischen Wohlfahrtsstaaten«. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. trotz einer Serie von Werksschließungen. dass Hunderttausende rings um Motor City ihre Jobs verlieren – wenn sie nicht radikalen Einschnitten in ihren Lebensstandard zustimmen. Die Gewerkschafter in Detroit fragen. zunächst fast unbemerkt. Vor dem Eingang prangt eine Marmorinstallation voller Sprüche über die Solidarität der Arbeiterklasse. die sich selbst in Zeiten steigender Ölpreise gut verkaufen sollen. nur 20 Autominuten von Smyrna entfernt. Volvo. dass man ihre Rufe (»Nicht ein Dollar. philosophiert gern über die Vorzüge des Tarifvertrags. Trotzdem: Das heißeste Messe-Gesprächsthema sind in diesem Jahr nicht die Autos. ist eine andere Frage. ein Sozialstaatsexperte von der Universität Yale. DaimlerChrysler. Preisschlachten endeten in immer höheren Verlusten. damals fast ein Monopol auf diese Lkw-Derivate hatten. Dennoch könnten die Verhandlungen noch in Millers Sinne ausgehen. geländegängige Autos entdeckt – und weil die krisengeschüttelten »Big Three«. doch für die Arbeiter von Detroit funktionierte es. Delphi zog den Vorschlag erst einmal zurück. Zuletzt ließ die Euphorie auf die schluckfreudigen SUVs zwar etwas nach. Die Zufahrt zum Saturn-Werk in Spring Hill führt an weißen Zäunen und einem Silo vorbei. aber auf der Detroiter Messe gibt es eine Fülle neuer sparsamerer Modelle. allerdings noch Rücklagen von schätzungsweise 19 Milliarden. ob sich das Kämpfen noch lohnt In Detroit lieben sie diese Fahrzeuge. Eine Fülle von Zuliefererbetrieben kommt hinzu. Im Augenblick zweifeln viele in Detroit daran. es gibt kompakte Kleinlaster für die kleine Shoppingtour und Giganten wie den Super Chief von Ford mit 6. die sich bis heute grundlegend von der anderer Industrieländer unterscheidet. hielt dagegen.« Weil die Firmen für ihre Arbeiter das Wohlfahrtsregime bereitstellten (und dafür vom Staat einige Zu- Tendenz fallend Aktienkurse von General Motors und Ford in Dollar 80 70 60 50 40 30 20 General Motors 10. Dass sie ihre Sozialleistungen – vor allem Pensionsversprechen und eine Krankenversicherung – von ihren Arbeitgebern gestellt bekamen. Krankenversicherungen und Renten setzten. erläutert John Word von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Tennessee. Chef der Automobilarbeitergewerkschaft UAW. die in Bussen anreisen und die Voreröffnung der Messe lauthals stören sollten. so wie es amerikanische Stahlhersteller oder Luftfahrtkonzerne vorgemacht haben. Spring Hill im Südstaat Tennessee. Ron Gettelfinger. trotz Aktionen wie der Ausgliederung von Teilelieferanten (wie Delphi oder Visteon bei Ford) und erheblichen Zugeständnissen der Gewerkschaften gelten Detroits Autoriesen als Pleitekandidaten. Laut Handelskammer kann allein Tennessee inzwischen 160 000 Automobiljobs vorFortsetzung auf Seite 22 Die Löhne sollten von 25 Dollar pro Stunde auf 9. 3 DIE ZEIT S. die Hersteller GM. die einen neuen Standard für bessere Gehälter. dass einem Arbeiter ein ordentlicher 5-Dollar-Lohn pro Tag zustehe – wer solle sonst die ganzen Autos kaufen? Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es Vereinbarungen zwischen der Autogewerkschaft UAW und den Big Three.und Stofflieferant Collins & Aikman (23 000 Beschäftigte) meldete wie Delphi Gläubigerschutz an. »der größte Unterschied ist die Quelle. Korea und Deutschland zulegen. beantragte dessen Chef Robert Miller zugleich etwas für Detroit Unerhörtes beim Konkursrichter: Die Stundenlöhne sollten von 25 Dollar auf 9. Chrysler am Stand gegenüber lässt seine neuesten SUVs von einem künstlichen Wasserfall bespritzten. Das ist lange her. BMW. Honda. ob sich das Kämpfen noch lohnt. Die Gewerkschaften sehen darin den Generalangriff auf das Modell Detroit.« schüsse erhielten). die hohen Lohn. Die Jobs der Arbeiter waren gut bezahlt und verhältnismäßig sicher. etwa die Verträge mit den Gewerkschaften über kostspielige Pensionszahlungen aufzukündigen. um ihre Unternehmenskrisen abzuwenden – und rütteln damit am Fundament des amerikanischen Sozialsystems Von Thomas Fischermann Ein Relikt aus besseren Zeiten ist dieser Studebaker vor einem Café in Detroit Foto: Fabrizio Costantini/WpN/Agentur Focus D ie Stars der Motormesse von Detroit sind leicht zu finden. Das Modell führte zu erheblichen Wohlstandsunterschieden. Delphi war einst Teil von General Motors. Es kamen nur 500. ohne den die High-Tech-Motoren aus Germany nicht sauber laufen können.2 Milliarden Dollar im Jahr aus – das belastet jedes verkaufte Auto mit 1500 Dollar. das ist nicht der große Wurf«. hielt Unions-Fraktionschef Volker Kauder vor der Veranstaltung dagegen. Und das sei längst nicht alles. Und Gustav A. Allein Toyota will bis zum Jahr 2010 jährlich eine Million Hybridautos verkaufen – einen Großteil davon in Amerika. gelten vielen Finanzexperten als unbezahlbar. Dafür wird die Mehrwertsteuer um drei Punkte auf 19 Prozent erhöht. damit öffentliche Investitionen finanzieren und so den Wirtschaftskreislauf unmittelbar beleben. Auf der gerade angelaufenen Automesse in Detroit haben Audi. um neue Maschinen zu installieren und die Produktionskapazitäten zu erweitern. könne der Motorrad-Auto-Klon schon 2007 in Serie gehen. ist kein klassisches Konjunkturprogramm à la Keynes.5 Milliarden Euro). Bessere Zahlen für 2006 erhoffen sich die Wolfsburger jedoch in erster Linie von den erneuerten Jetta und Passat. ebenso bestimmte Kosten für Kinderbetreuung und Pflege (2. der UAW-Chef in Spring Hill. dass man da in Detroit mit eindrucksvollen Neuheiten aufwartet. Natürlich sagt Wagoner so etwas aus Eigennutz. Am Dienstagmittag. von dem man träumen kann. als die versammelte Regierungsmannschaft am Montagmittag zur Klausur in das brandenburgische Landschloss Genshagen einzog. DIW-Mann Steinherr ist konzilianter: »Das ist nicht das kohärente Paket. sagt Ron. Die massiven Klagen Wagoners und anderer US-Konzernchefs sind das eigentliche Indiz dafür. Seit längerem hat Wagoner sich darüber beschwert.« Was die Regierung als Stütze für mehr Wachstum und Beschäftigung beschlossen hat. wie lange der Optimismus vorhält. Die Hälfte der geplanten Jahresproduktion von 70 000 Fahrzeugen wollen die Ingolstädter in den USA losschlagen. »Die Beschäftigten hier kommen aus 38 Bundesstaaten und aus etlichen anderen GM-Werken. 25 Milliarden Euro für vier Jahre waren die Richtschnur.« Angesetzt werden sollen die Konjunkturspritzen bei Investitionen und beim privaten Konsum. dass Unternehmer und Verbraucher ihr Angebot auch annehmen. der 2005 den größten Zuwachs (6. könnten schließlich noch weiter gen Süden ziehen. aber vor allem auch um eine stärkere Beteiligung der Regierung. so glaubt er. dann kann ich das durchaus positiv sehen. die AMG-Version der neuen S-Klasse mit 612 PS. dass er trotz der für 2007 bereits beschlossenen Bremseffekte anhält. beteuerte Bundeskanzlerin Angela Merkel. sagt VW-Markenchef Wolfgang Bernhard.2 Prozentpunkte höher ausfallen. »Hier bei uns liegt der Stundenlohn zwischen 25 und 30 Dollar«. Die Konzerne wandern in den Süden – und Detroit resigniert Selbst die 5600 Beschäftigten beim benachbarten GM-Saturn-Werk stehen. Damit sind sie darauf angewiesen. »Wir wollen deutlich machen. das hat nicht alles mit einem Konjunkturprogramm zu tun«. könnte die Wachstumsrate über die Dauer des Programms hinweg immerhin jährlich um 0. mehr als vier Milliarden für Verkehr »Aufschwung und Vertrauen« steht über dem Aktionsprogramm von Genshagen.Nr. Auch das drückt die Lohnkosten. Die »Krise im Gesundheitswesen«. Ignorieren die Deutschen bei all ihren neuen Leistungsrekorden das neue Verbrauchsbewusstsein der US-Amerikaner? Nicht ganz. Die Bayern stellen dem neuen Roadster Z4 aus ihrem US-Werk Spartanburg. Was für einen soliden Aufschwung außerdem noch fehlt. hatte sich die Große Koalition ge- einigt – auf einen Betrag von insgesamt 25. mit 512 PS laut Porsche »das sportlichste und leistungsstärkste Modell im Segment der Sport Utility Vehicles überhaupt«. um dem Aufschwung auf die Beine zu helfen? »25 Milliarden in vier Jahren. BMW (mit Mini und Rolls-Royce). Jörg Lüschow: »Durch die Bank haben sich alle Stimmungsindikatoren in den vergangenen Monaten verbessert. ein paar Splittergruppen wollen sich absetzen. Die Frage aller Fragen: Wie lange hält der Optimismus an? 0. dass die Konjunkturerholung endlich auch den Arbeitsmarkt erfasst hat«. sieht in dem Vorhaben der Regierung lediglich ein »auf vier Jahre angelegtes kleinteiliges Wachstums. Der stagniert seit Jahren. Die Bundesregierung hat keine Zweifel daran. nur VW musste einen Rückgang einräumen. Audi-Chef Martin Winterkorn. um ihnen das Investieren zu erleichtern.8 Millionen Fahrzeuge wurden exportiert. und deren Spitzenmanager haben eine harte Linie angekündigt. Zwar wird in den Unternehmen mittlerweile auch wieder mehr investiert. Und dagegen will die Kanzlerin mit ihrer Mannschaft angehen. Porsche und Mercedes-Benz denn auch Verkaufszuwächse verkündet. sagt Bernd Gottschalk.6 Prozent) aller deutschen Marken in Nordamerika einfahren konnte. Gewerkschaften sind in den Südstaaten nicht beliebt. wie sie in Amerika genannt werden. 22 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: Kpa/Mediacolors 25 Milliarden Euro für 0. Eine bessere Isolierung wird vom Staat nun besonders gefördert Merkels Wundertüte E ANZEIGE s drohte ein ausgewachsener Streit. die nach ihrer Entlassung monatelang ihr Gehalt weitergezahlt bekommen. Von Streit war hinterher keine Rede. dass sich die Gewerkschaften mit den Kosten der so genannten job bank »auseinander setzen müssen«: Job bank ist ein Sozialprogramm für derzeit 5000 bis 6000 ehemalige GM-Arbeiter. daran lässt die Regierung keinen Zweifel. Unternehmen: Vor allem mittelständische Unternehmen sollen die Möglichkeit erhalten. hin- zu kommt ein Programm zur Sanierung von Gebäuden (zusammen 9. Denn 2007. Anders als die Kollegen in der Region um Detroit ließen sich die örtlichen Gewerkschafter aber schnell auf Zugeständnisse wie flexiblere Schichten oder auch Entlassungen ein. Den bekam auch Porsche beim Cayenne zu spüren. Aber ein zusätzlicher Schub kann nicht schaden. Den braucht auch VW dringend. hört man hier oft. ein Vorarbeiter bei Saturn – und das erklärt. Hinzu kommt der Supergeländewagen GL. als die Ministerriege wieder gen Berlin fuhr.2 Milliarden Euro. Trotzdem legen die Zuffenhausener mit dem Cayenne Turbo S nach. Ebenfalls neu für den US-Markt ist das VW-Cabrio Eos.oder Apothekenbesuch mehr zuzahlen. Keine Frage. Mehr sei nicht drin. weil dort einen Großteil der Krankenkosten aus staatlichen Systemen finanziert werde. Schon im Frühjahr hatte der bedrängte GM-Chef in einer Reihe von Reden und Lobbytrips nach Washington für eine Reform des amerikanischen Gesundheitswesens geworben. setzt auf den völlig neuen Geländewagen Q7. Bis zu 4000 Arbeiter im Werk stehen zudem im Sold von Zeitarbeits. Mercedes stellt »die stärkste Serien-Limousine der Welt« vor. der den USAutomobilarbeitergewerkschaften zusetzt. dass das Sozialmodell Detroit sein Ende erreicht hat. Doch vielleicht wird das neueste Modell aus Detroit gar kein Auto sein – sondern eine Idee zur Reform der nationalen Versorgung für Kranke und Alte. Die einst mächtigen Gewerkschaftsbosse sind kleinlaut geworden. konnte dies aber mit seinen frisch renovierten Sportwagenreihen 911 und Boxster überkompensieren.« Er sieht zudem »erste Anzeichen dafür. laufen. In der Diktion von Vizekanzler Franz Müntefering heißt das: »Wer ernten will. Die Werke. dafür von Vertrauen und Harmonie. Insbesondere DaimlerChrysler will dies nutzen und bietet mit seiner neuen Bluetec-Technologie laut Werbung »die saubersten Diesel der Welt« feil. Ein Wachstumsprogramm stand zur Entscheidung. BMW. »Man hat viele Maßnahmen zusammengenommen. Damit nutzten die Deutschen – neben Japanern und Koreanern – die anhaltende Schwäche der einheimischen Autoriesen General Motors (GM) und Ford. muss säen.4 Milliarden Euro). Sie wollen mit einer »Dieseloffensive« punkten.« Unterm Strich. dass wir uns der Realität stellen«. der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie. Arbeiter müssen beim Arzt. Aber Gettelfinger steht von zwei Seiten unter Druck. der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).35 Millionen Pkw. Aber sie würden die seit dem Regierungswechsel um sich greifende Zuversicht stärken. Niedrige Steuern und subventionierter Strom lockten – und nicht zuletzt das Fehlen von Gewerkschaften. Nr. »Unten in Kentucky sind es 13 Dollar!« So ist es weniger der Druck der Globalisierung als der Druck aus dem Inland. Zuletzt ließ sich UAW-Chef Ron Get- telfinger bei Ford und GM Milliardenkürzungen abhandeln – Pensionäre müssen nun einen größeren Teil ihrer Krankenversicherung selbst tragen. Die Wolfsburger präsentieren in Detroit einen dreirädrigen Flitzer namens GX3. die Leute entlassen haben«. South Carolina. Es sei denn. vor allem weil den Haushalten schlicht das Geld für großzügigere Ausgaben fehlt. Lamparter merika ist einer der wichtigsten Exportmärkte der deutschen Autobauer. 3 DIE ZEIT Foto: Volkswagen AG Foto: Porsche AG Foto: Daimler Chrysler AG S. Angesichts der Wanderung in den Süden breitet sich rings um Detroit Resignation aus. Im Nissan-Werk zahlen sie nach Gewerkschaftsangaben rund fünf Dollar weniger pro Stunde als in einem Gewerkschaftsbetrieb. Sechs Milliarden Euro für Forschung. sagt Mike O’Rourke. Ihr Motto: »Beschäftigung ist das zentrale Thema. Mittelfristig soll eine Kooperation mit DaimlerChrysler das Angebot in Amerika komplettieren: Ein Vertrag über den Bau eines VW-Vans auf Basis des Chrysler Voyager wurde auf der Motorshow unterzeichnet. schließlich gab es zuletzt einen herben Rückschlag für die lange so beliebten großen SUVs. Zuletzt gab sein Konzern dafür 5. Klar. Weil die 6700 Beschäftigten vergleichsweise jung sind und überwiegend lokal rekrutiert wurden. dass General Motors heute der größte Einkäufer privater Gesundheitsvorsorge in den Vereinigten Staaten sei. denn der private Konsum macht 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. die amtliche Zuversicht. 3 DIE ZEIT S. Reicht all das. Steueranreizen und Subventionen entschieden. Forschung und Infrastruktur: In die Förderung von Forschung und Entwicklung will der Staat gezielt investieren (6 Milliarden Euro). um zum großen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu blasen. Hier für Abhilfe zu sorgen ist von entscheidender Bedeutung für das Wachstum der gesamten Wirtschaft. ist ein stärkerer Konsum der privaten Haushalte. im Werk Tuscaloosa in Alabama vom Band. Die beiden Sport Utility Vehicles (SUVs). Zweimal scheiterte die UAW dabei. Bert Rürup. warum die Belegschaft überhaupt gewerkschaftlich organisiert ist. Mit der neuen S-Klasse und der erweiterten SUV-Palette kann Mercedes mit einem Verkaufsschub in den Staaten rechnen.und anderen Fremdfirmen. der Schwung wird 2006 so groß. den wichFoto: Audi AG A Geländewagen Q7 von Audi Sportlimousine Mercedes-Benz S 65 AMG Geländerenner Porsche Cayenne Turbo S Volkswagen-Showdreirad GX3 tigsten VW-Modellen im amerikanischen Markt. dass die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten die Fünf-Millionen-Grenze nicht übersteigt. Das geht gegen die mit ihren Hybridfahrzeugen auftrumpfenden Japaner. in vielen Punkten schlechter da als ihre Kollegen im Norden. Die Pensionsversprechen. Zur Förderung der Familien wird ein Elterngeld eingeführt (3 Milliarden Euro). Bleibt die Frage. 22 SCHWARZ cyan magenta yellow 22 WIRTSCHAFT 12. mit einer Urabstimmung bei den 6700 Beschäftigten im Nissan-Werk Fuß zu fassen. nicht mit Leistung geizt. Bei den deutschen Herstellern ist Optimismus angesagt: »Wir wollen stärker wachsen als der Markt und peilen 2006 erstmals den Absatz von einer Million Fahrzeugen in den USA an«. eine verlängerte Version der erst vor ein paar Monaten neu aufgelegten M-Klasse. wird der Bundeshaushalt saniert und das staatliche Defizit unter drei Prozent gedrückt. Motor City hat den Blues Fortsetzung von Seite 21 zeigen. die Lust am Konsum könnte schon nach kurzem Aufblühen wieder in sich zusammenfallen. Es ging um neue Ideen zur Kostendämpfung. das an drei Punkten ansetzt. rund 3. Die Realität heißt Arbeitslosigkeit und schwaches Wachstum.und Impulsprogramm mit einer Anzahl von Einzelmaßnahmen«. Im Jahr 2007 gibt es neue Lohnverhandlungen bei allen großen Autokonzernen. Angela Merkel und ihre Mitstreiter haben sich stattdessen für einen Mix aus Investitionen. dass am Ende der vier Jahre die zur Verfügung gestellten 25 Milliarden Euro tatsächlich in die Wirtschaft geflossen sind. auch über die Kohärenz des Programms urteilen die Fachleute nicht gerade schmeichelhaft. auf den noch weitere Schritte folgen. Von Herbst 2006 an wird in den Staaten endlich flächendeckend Diesel mit reduziertem Schwefelanteil angeboten. sind auch die Kosten für Krankenversicherungen und Pensionen gering. wie auch die neue R-Klasse. Die hiesigen Autohersteller steigerten im vergangenen Jahr ihre Produktion um drei Prozent auf 5. Viele Konkurrenten aus anderen Ländern seien im Vorteil. Das ist sinnvoll. bremst Alfred Steinherr. das Programm habe zu wenig Gewicht und bestehe »nur aus Peanuts«. Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) bemängelt.3 Das Wärmebild zeigt die warmen (rot) und kalten (blau) Teile eines Hauses. Privathaushalte: Jeder Bürger kann künftig Handwerkerrechnungen von der Steuer absetzen. Es sei durchaus möglich. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. so Wagoner. Dafür müsste der Staat Kredite aufnehmen. Auffallen um jeden Preis Wie deutsche Autobauer amerikanische Kunden locken Von Dietmar H. Noch »eine Schippe drauflegen« wollte aber SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. weil der Export bereits boomt und das Wachstum der deutschen Wirtschaft fast ganz alleine trägt.2 Prozent Wachstum? Ökonomen zweifeln am Investitionsprogramm der Regierung Von Klaus-Peter Schmid .3 Milliarden Euro). Konjunkturexperte bei der WestLB. Maschinen und andere Anlagen schneller abzuschreiben. dass auch die zuletzt erfolgreichste deutsche Marke in den USA. obwohl sie überwiegend Mitglieder in der Gewerkschaft sind. gleich noch eine bärenstarke M-Version mit 343 PS zur Seite. zu denen GM sich bislang verpflichtet hat. Am Rand der Detroiter Automesse kündigte GM-Chef Rick Wagoner an. insgesamt 870 000 neue Fahrzeuge mit deutschen Markenzeichen fanden 2005 den Weg in die Tiefgaragen der Citys und vor die Villen der Vorstädte. Natürlich wachsen auch die Proteste innerhalb der Gewerkschaft gegen solches Einknicken. In die Verkehrsinfrastruktur sollen weitere öffentliche Gelder fließen (4. habe sich zu einer »Frage der nationalen Wettbewerbsfähigkeit« ausgewachsen. etwa in Form einer Rückversicherung für besonders teure Krankheitsfälle. Wenn das Publikum positiv reagiere. Nicht nur über die Höhe. Aber wenn es ein Beginn ist. Der Start ist freilich nicht ideal. weil die staatlichen Impulse ein Mehrfaches an privaten Ausgaben zur Folge hätten.2 Prozentpunkte jährlich wären zu wenig. der Vorsitzende des Sachverständigenrats. findet Jörg Lüschow. können sie sich Geld an der Börse verschaffen. Firmenstrategien von Politkonjunkturen abzukoppeln. Zwar sieht sich der Ritter der Ehrenlegion. arbeitet er an seiner eigenen Abschaffung.« In den Statuten seiner Agentur steht zum Ärger vieler Traditionalisten geschrieben. dass die OECD-Ökonomen dem französischen Staat ankreiden. sagt der Staatsbankier. auch Strom. vor dessen Imperium selbst die mächtigsten Fondsmanager und Bankenchefs der Welt erblassen müssten: Der 57-jährige Denis SamuelLajeunesse ist Herr über 70 Großunternehmen. Flughäfen und Versorgungsbetriebe.2 Prozent aller Angestellten noch 7 Prozent zur gesamten Wirtschaftsleistung beisteuern. dass der Staat nicht dafür geschaffen ist. »Wenn Sie Monsieur Samuel-Lajeunesse suchen – erster Innenhof links. wie es aus der Epoche des Krieges und der Befreiung stammt.3 Millionen Franzosen im vergangenen Jahr einen Umsatz von stattlichen 195 Milliarden Euro erwirtschafteten.« Doch diesen Satz solle der Besucher bitte nicht mitschreiben. Paradebeispiel war jüngst die Privatisierung der französischen Staatsautobahnen. freitagabends Nachfragen zu bekommen. hat Verhandlungserfahrung mit Brüssel und wacht über eine Corporate Governance. Die Privatisierung von Post und Bahn schließen die Franzosen vorerst sogar noch völlig aus. die häufig aus der privaten Finanzwirtschaft kommen. wie sie in der internationalen Geschäftswelt längst üblich ist. ob wir bis montagmorgens eine Investition in Südamerika genehmigen. Energieproduzenten. der seine Rolle als Aktionär nicht erfüllt«..6 Prozent wuchsen. Monsieur Colbert! Denis Samuel-Lajeunesse hört es nicht gern. Er kennt die Welt der Finanzinvestoren. Hier residiert der Mann. Das ist nicht zuletzt das Verdienst der Staatsholding. diese Risiken vom Staat auf Private zu übertragen. Doch nur 15 Prozent davon wurden zur Haushaltssanierung verwen- Frankreich privatisiert Vom Staat kontrollierte Unternehmen 1986 Staatliche Unternehmen Anteil in Prozent 20 Arbeitnehmer Anteil in Prozent 25 Nationales BIP 2000 7. Selbst die fähigsten Manager der öffentlichen Unternehmen brauchten einen zuverlässigen Dialog mit ihrem Hauptaktionär. aber dennoch steht er zwischen allen Fronten: So mancher Wirtschaftsminister entpuppt sich als Feind im eigenen Haus. France Télécom hatte gar Schulden von insgesamt 68 Milliarden Euro aufgehäuft. sagt Samuel-Lajeunesse. Etage. wenn man ihn so nennt. Monsieur Colbert. Samuel-Lajeunesse kappte den kurzen Draht: »Wir haben es uns verbeten. Dem hielt die Agentur für Staatsbeteiligungen entgegen. Heute ist die Zahl auf 1288 Staatsbetriebe geschrumpft – die Branchengiganten von Staatsbankier Denis Samuel-Lajeunesse eingerechnet –. besucht der Agenturchef jährlich bis zu 300 Aufsichtsratssitzungen.« Ähnlich umstritten war jüngst der Verkauf von 15 Prozent der Anteile am Strommonopolisten Energie de France (EDF). die Bahn SNCF. 3 DIE ZEIT S. nennt sich der Agenturchef einen »Agnostiker«: »Ich habe selber als Unternehmenschef alles getan. weil das die Aufgabe des Marktes ist. Er residiert tatsächlich im Gebäudeflügel Bâtiment Colbert. Angesichts des massiven Regierungseinflusses glaubt in der französischen Wirtschaft niemand. sondern der Anreiz für bessere Führung«. So kritisiert denn auch der OECD-Ökonom Paul O’Brien in seinem jüngsten Frankreich-Bericht. und das Versagen des Staates. »war es goldrichtig. »Aber was die übrigen industriellen Sektoren angeht«. sondern als Mittel. Dasselbe mache ich jetzt in unserer Staatsholding. die Vorstandschefs der Monopolisten verteidigen ihre Privilegien.8 Arbeitnehmer 11. Bei allen Erfolgen kommen seine Unternehmen zuletzt lediglich auf eine bescheidene Durchschnittsrendite von 3 Prozent. weiß die Empfangsdame sofort. weil der Staat oftmals einen längeren Atem für Firmenentwicklungen hat als private Holdings. für die der französische Markt längst zu klein ist. Im Grunde. Zwar herrscht im Lande Konsens darüber. Patrioten aller Parteien protestierten gegen diese »Verschleuderung der nationalen Familienjuwelen« und rechneten vor. Pardon. »Die Regierung wollte die Bürger nicht erneut reizen« Damals bekam Samuel-Lajeunesse’ neue Beteiligungsagentur den Auftrag. in denen 1. EDF und Télécom – sind längst bewältigt.5 Prozent Anteil am Nationalprodukt. Zunächst waren da die so genannten »Abendbesuche«: Spitzenmanager der Staatsfirmen schneiten zu später Stunde beim Minister herein. Dabei zeigt das Beispiel EDF überdeutlich. »Angesichts der unabwägbaren Verkehrsentwicklung und Erdölversorgung«. »kommt auch Frankreich immer mehr zu der Einsicht.wie Gasproduzenten sowie Flughäfen dürfen maximal zu einem Drittel verkauft werden. Seinen Ärger über missliebige Ministerentscheidungen muss er oft runterschlucken.« Derlei Zwiespältigkeiten hören Ökonomen nicht gern.« Doch was die Notwendigkeit forcierter Privatisierungen angeht. dass man bei Kernbereichen wie Strom. Als Geschäftsbankier des Staates vertritt er die Republik als Großaktionär gegenüber den Spitzenmanagern der Staatsbetriebe. wer gemeint ist. und die Bürger gehen auf die Barrikaden. Doch nicht einmal Holdingchef Samuel-Lajeunesse hegt große Profiterwartungen. Autobahnen. um auf Expansion zu gehen. dem Finanz.und Schienennetz sowie atomaren Brennstoffen nicht nur in wirtschaftlichen Zahlen denken darf. 23 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. 5.und Finanzministeriums am Pariser Seine-Ufer die Ausmaße eines InterkontinentalAirports hat. Werften. Die einstigen großen Krisenfälle und Beinahepleiten unter den französischen Staatsbetrieben – Crédit Lyonnais. Nr. wie wichtig die Kontrollfunktion der Beteiligungsagentur ist. der Löwenanteil floss in die Rekapitalisierung der Staatsbetriebe. 23 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: Claude Paris/AP . die Netze von Energieversorgung und Schienenverkehr vollständig in Staatsbesitz zu behalten.« Obwohl der Gebäudekomplex des Wirtschafts. der mit seiner melancholisch-verschmitzten Miene verblüffende Ähnlichkeit mit dem deutschen Umweltschützer Horst Stern hat. Renault. deren Wirtschaftsimperium zwar objektiv schrumpft. bitte. kein öffentliches Unternehmen in Frankreich befindet sich heute noch in einer Notlage. an den Wänden hängen ein paar Ausstellungsplakate. die mit 7. die Entwicklung von Unternehmen zu fördern: »Unser Modell der öffentlich-privaten Führung hat gute Ergebnisse gebracht. die im Gefühlshaushalt der Franzosen gleich hinter technischen Spitzenprodukten wie dem Hochgeschwindigkeitszug TGV oder Airbus rangieren. Deren Definition ist freilich der Pferdefuß im französischen Marktdenken. für den fünf Millionen Anleger an der Börse 7 Milliarden Euro zahlten. Schließlich konnten beide ihre Verluste umstandslos aus dem Staatshaushalt finanzieren.2 Arbeitnehmer 7 Nationales BIP ZEIT-Grafik/Quelle: eigene Recherche Der Agenturchef arbeitet an seiner eigenen Abschaffung Und doch privatisiert der französische Staat immer mehr öffentliche Betriebe. Auf den ersten Blick ist Zimmer 5632 von den tausend anderen Bürozellen auf den kilometerlangen Fluren nicht zu unterscheiden. kritisiert der Wirtschaftsprofessor Elie Cohen von der Sciences Po. 2003 kam eine eilig einberufene parlamentarische Untersuchungskommission zu dem Urteil: »Das französische Modell der öffentlichen Unternehmen. nicht als hemmungslosen Privatisierer. ist der Weg zum Nachfolger Colberts nicht schwer zu finden. und sämtliche Privatisierungen waren erfolgreich. die das Leben wie auch den Grenzübertritt erleichtert«. Post oder Energieversorgern will er nicht loslassen Von Michael Mönninger Auch Denis Samuel-Lajeunesse kümmert sich um eine aussterbende Spezies: öffentliche Monopolbetriebe wie Post. Doch bei strategischen Beteiligungen wie Bahn. Wenn die Staatsbehörden in Aktiengesellschaften umgewandelt det.8 Prozent aller Angestellten und 11. Unternehmen zu führen. durch riskante Firmenbeteiligungen in Italien und Argentinien in Finanznot geraten. Telekommunikation. Air France. Im Jahr 2000 gab es noch 1500 Staatsbetriebe mit 7. »Wir sind keine Supermacht.8 Prozent verzeichnete. sagt er beim Abschied. dass die Tage des Staatskapitalismus gezählt sind.3 WIRTSCHAFT 23 Foto: Picture-Alliance/dpa Foto: Dirk Dobiey/caro Foto: Tom Craig/laif Französische Symbole für staatliche Fürsorge sind die Energiemonopolisten EDF und GDF. »Die Börsennotierung ist eine Anerkennung. geht es hier zu Monsieur Colbert? Auch 322 Jahre nach dem Tod von Jean-Baptiste Colbert. dass sich der Staat aus wirtschaftlichen Konkurrenzsektoren ganz zurückziehen und lediglich in strategischen Branchen präsent bleiben soll. zwingt sie mit der Umwandlung in Aktiengesellschaften zur Bilanzrechenschaft. 1986 zählte die Republik noch 3500 Staatsunternehmen. mit den Missständen aufzuräumen. Das lag deutlich über dem Inlandsprodukt – aber unter den 40 führenden Börsenunternehmen.« Als Grund für die Schieflagen nannte die Kommission »das Versagen der Manager. Au revoir l’état! Der allgegenwärtige französische Staat trennt sich von vielen seiner Unternehmen. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. wirkt bei Personalentscheidungen mit und versucht. »Der Staat hält zu sehr an seinem Einfluss auf die Unternehmen fest und schreckt mit seinen permanenten Eingriffen die Investoren gründlich ab«. der damals noch direkt vom Ministerium geführt wurde. Doch mit dem Brüsseler Widerstand gegen Staatsbeihilfen für öffentliche Betriebe ist er d’accord: »Regierungen dürfen Kapitalerhöhungen nicht mit Steuergeld finanzieren.« Mit nur 65 Mitarbeitern. Eigentlich hatte man sich die Kommandozentrale von Frankreichs Staatsunternehmen prunkvoller vorgestellt. In der Tat erlöste Frankreich seit 1986 aus Privatisierungen stolze 77 Milliarden Euro. Bahn. wenn Volksvermögen zum Verkauf ansteht. beim Wachstum zu helfen. Bis dahin sieht er seine Rolle darin. sondern eher den Typus eines väterlichen Schutzpatrons. er wolle sich gerade in Zeiten von Budgetkrisen mittels Eigenunternehmen finanzieren. Denn der französische Gesetzgeber schreibt bislang nicht nur vor. bereitet Börsengänge vor und versucht nebenbei den Bürgern beizubringen. aber 2004 gleichwohl ein internes betriebliches Wachstum von 4. der zehn Jahre lang Chef des privaten Geldhauses Lyonnaise de Banque war. So wurde jüngst der Börsengang des Atomkraftwerk-Konzerns Areva auf die nächste Legislaturperiode nach 2007 verschoben: »Die Regierung wollte nach der umstrittenen EDF-Kapitalöffnung die Bürger nicht erneut reizen. entspricht nicht mehr den internationalen Anforderungen. 2002 war der Stromversorger. blitzsauberen Bitumenbänder. Das wird aber noch eine Weile dauern. sagt Samuel-Lajeunesse Auch die Franzosen haben längst gemerkt. 3 DIE ZEIT S.5 Nationales BIP 2004 4. Der ruhige Mann mit der tief sitzenden Lesebrille ist Direktor der 2003 gegründeten Agentur für Staatsbeteiligungen und will die Tradition des französischen Staatskapitalismus mit den Erfordernissen der modernen Marktökonomie vereinen. das weiß der Agenturchef. Kapitalöffnungen nicht umfassend betreibe und Verkaufserlöse statt zum Schuldenabbau in die Sanierung und Entwicklung seiner verbleibenden Unternehmen stecke. dass die Beteiligungsagentur unabhängige Aktionärspolitik betreiben kann. dass ihre Staatsunternehmen im Ausland stets auf besonders rigorose Abwehr stoßen. der Telefonriese France Télécom sowie das Fährunternehmen SNCM W o. Er überwacht ihre finanziellen und strategischen Entscheidungen. dass der Staat zu häufig Mehrheitsaktionär bleibe.und Industriegenie im Dienste des Sonnenkönigs Ludwig XIV. um sich an allen Kontrollinstanzen vorbei Milliardendeals genehmigen zu lassen. Bonjour. der seine Kontrollmacht nicht teilen möchte. Trotz seiner Bilderbuchkarriere als Absolvent der Kaderschmieden Sciences Po und ENA gibt er nicht den schneidigen Elitebeamten ab. der erzielte Verkaufspreis von 14 Milliarden Euro bar auf die Hand sei – Zinsen und Inflation eingerechnet – genauso viel wie 35 Milliarden Euro in 30 Jahren. sind und eigene Wirtschaftlichkeitsberechnungen anstellen. seinen Unternehmen. um mein Betriebsergebnis zu steigern. die auf Kosten der Steuerzahler unübersehbare Risiken eingehen. dass die Autobahnen bis zum Auslauf der staatlichen Konzessionen im Jahr 2032 etwa 35 Milliarden Euro an Gebühren erwirtschaften würden. im Bücherregal sticht der 196 Seiten starke Geschäftsbericht L’État actionnaire (»Der Aktionärsstaat«) hervor.8 7. Zwar hält der Staatsbankier die anhaltenden Liberalisierungs-Litaneien der Eurpäischen Kommission und der Industrieländerorganisation für Wirschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD für übertrieben. in denen rund 20 Prozent aller französischen Arbeitnehmer ein Viertel des Inlandsprodukts erwirtschafteten. jener 8000 Kilometer langen.Nr. Das Chefzimmer ist voll gestellt mit dunklen Funktionsmöbeln. in denen 4.« Privatisierungen sieht er nicht als Selbstzweck. Seltsam wirklichkeitsfremd ist jedoch. wusste niemand. Während die Journalisten des Corriere entsetzt für ihre Pressefreiheit streikten. Camillo Kardinal Ruini ein und erklärte dem Kirchenvolk. denn die Konten und Briefkastenfirmen des römischen Immobilienhändlers Danilo Coppola werden laut Recherchen der Tageszeitung La Repubblica von der AntimaANZEIGE fia-Polizei durchforstet: Verdacht auf Geldwäsche.« Neureiche Abenteurer und skrupellose Finanziers haben versucht. 24 SCHWARZ cyan magenta yellow . der mittlerweile geschasste Chef der Versicherungsholding Unipole. wie viel geklaut worden ist«. Es ist wie der berüchtigte Tangentopoli-Skandal Anfang der neunziger Jahre. seine deftigen Sprüche im breiten römischen Dialekt machten ihn sogar populär.« Auf dem Höhepunkt der Krise hatte auch Silvio Berlusconi unbekümmert erklärt: »Bei gleicher Qualifikation würde ich immer einem italienischen Investor den Vorzug geben. das sind wir In Italiens Finanzwelt herrscht ein System des Gebens und Nehmens. Präsident der Magiste Real Estate Fotos: Paolo Tre/Contrasto/Agentur Focus ür Generationen von Journalisten ist der Gründerzeitbau an der Via Solferino in Mailand das Traumziel ihrer Karriere. aber in den Grundfesten liberales Weltblatt. woher das Geld kam. der vorgemacht hat. die Staatsanwaltschaft ermittelt unter dem Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. einer der Protagonisten bei der Privatisierung des Telefon-Giganten Telecom Italia. ob die Geschäfte der Banker illegal waren oder nicht«. gab sich Ricucci siegesgewiss. Als furbetti del quartierino hat der römische Immobilienhändler Stefano Ricucci sich und seine Geschäftsfreunde bezeichnet. Wer nicht protestierte. Deshalb ver- F 200 Millionen Euro Verlust Immobilienhändler Stefano Ricucci wollte den regierungskritischen »Corriere della Sera« kaufen – um Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu helfen? mutet man nicht nur beim Corriere. auch freundlich begrüßt. und Billé half aus. Nicht so für Ricucci. Sein Freund Ricucci pumpte Geld in den Lokalrivalen Lazio Rom. Ein Bluff.« Am Dreikönigstag konfiszierte die Finanzpolizei Konten in der Schweiz und in Monte Carlo. Ein im Zweifel konservatives. »Wir wissen nur: Es ist viel. ob Draghi der richtige Mann ist. Aber dennoch sei er enttäuscht gewesen. dem auch der AC Florenz gehört. sagt der Philosoph Massimo Cacciari. ehemaliger Direktor der Banca di Lodi Er verkauft Häuser: Stefano Ricucci. Geklautes Geld. Vom Provinzler war Ricucci zum geheimnisumwitterten Superstar der Finanzbühne aufgestiegen. Die »Schlaufüchse von nebenan« sind für den größten Bankenskandal seit dem spektakulären Bankrott des unseligen Roberto Calvi von der Banco Ambrosiano verantwortlich. der mit einer Auflage von rund 700 000 Exemplaren die römische Konkurrenz La Repubblica auf den zweiten Platz verweist. schaltete sich der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz. Mitglieder sind etwa die Großbanken Mediobanca. weil die Finanziers in der bizarren Ideologie der Separatisten die razza padana verkörperten. Sogar nach Fiat hatte Gnutti zeitweise die Finger ausgestreckt. um unsere Banken vor ausländischen Konkurrenten zu schützen. Der »Bankier Gottes« war an einem Junimorgen des Jahres 1982 erhängt am Pfeiler einer Londoner Themsebrücke gefunden worden. dass Calvi ermordet wurde. der in den neunziger Jahren Berlusconis Fininvest vor dem drohenden Bankrott bewahrt hat. schmollend boykottierte Fazio darauf die traditionelle Te-Deum-Messe zum Jahresende. Seine Aktien übernahm der so genannte Syndikatspakt. Dort wird der Corriere della Sera produziert. Inzwischen ist klar. Capitalia. wurde bestohlen Als sein Nachfolger. Als Fazio zurücktrat. sondern auch wegen der mysteriösen Kapitalflüsse. Mit Wohlwollen verfolgten auf der anderen Seite die oppositionellen Linksdemokraten das Engagement des Unipol-Chefs Giovanni Consorte. Tatsächlich. Vier Freunde. dass auch der Genosse Consorte und sein Stellvertreter fleißig aufs eigene Konto gewirtschaftet haben.« Die italienischen Banken müssen aber weniger vor Ausländern geschützt werden als vor ihren Eigengewächsen. die Großbank Antonveneta zu schlucken. war aber fest entschlossen.« Der deutsche Papst war zum Schulterklopfen nicht aufgelegt. Berlusconi persönlich soll bei ihm eine Bürgschaft über 15 Millionen Euro gezeichnet haben.3 I hr Bandenname ist Programm. doch schon jetzt ist klar: Der Sumpf ist gigantisch. Bis heute sitzt Livolsi im Fininvest-Verwaltungsrat. solche Veröffentlichungen verstießen gegen die Privatsphäre jedes Christen und seien Teufelswerk. um die Übernahme italienischer Banken durch ausländische Institute zu verhindern. kommentierte der frühere Minister und Bankier Luigi Spaventa. Ich bin schließlich ein Fan Italiens. Fußball. ANZEIGE Wer nicht protestierte. »Er hatte eine öffentliche Geste der Solidarität erwartet. versichern beide ganz ernsthaft. und setzte alles daran. Parlamentarier der Berlusconi-Bewegung Forza Italia und der rechtskatholischen UDC gehörten zu Fioranis Vorzugskunden ebenso wie der Bruder des Premiers. Die Parteizeitung Unità druckt seither Seiten mit Leserbriefen erboster Coop-Mitglieder. Bauten und Banken – die neureichen Jongleure hatten sich ganz offensichtlich von Silvio Berlusconi inspirieren lassen. außerdem Pirelli und der Versicherungskonzern Generali. Er schien die richtigen Freunde zu haben – etwa den Formel-1-Manager Flavio Briatore. Gegenüber der Regierung Berlusconi zeigt sich das Blatt aus Mailand überaus kritisch. dem Mailänder Bauund Versicherungsunternehmer Ligresti fünf Prozent. Vor Jahren hatte auch Ligresti versucht. »Das Problem sind die Verbindungen zwischen Finanzwelt und Politik. behauptet das Wochenmagazin Espresso und berichtet von einer Vertragsunterzeichnung in der Lieblingsvilla des Premiers. Sein Vermögen wurde auf 400 Millionen Euro geschätzt. dem nun weit über 60 Prozent der Zeitung gehören. nach Monte Carlo und auf die Cayman-Inseln. hält 4. der inzwischen inhaftierte Exvorstandsvorsitzende der Banca Popolare Italiana aus Lodi. Paolo Berlusconi. Politiker und sogar manchen Kirchenfürsten in Atem. waren schlau. die sich heroisch der überschwappenden Globalisierung widersetzt. weil er monatelang die furbetti gedeckt und ihnen Insider-Informationen hatte zukommen lassen. mutmaßt die Finanzpolizei. einem Mailänder Bankier. Das Geld wanderte hin und her. Silvio Berlusconi macht kein Geheimnis daraus. Ein Schelm. Der Sizilianer hat Sympathien für die politische Rechte. 3 DIE ZEIT S. Monatelang hielten die furbetti die italienische Finanzwelt. Und last. Bürgermeister von Venedig. Er stieg mit zwei Prozent der Aktien ein und brachte es auf 21 Prozent. immer auf Konten der »Schlaufüchse. »Hinter Ricucci stand nur Ricucci«.« Zur Bande gehörten neben Ricucci. kolportierten Vertraute des Entmachteten später.8 Prozent. mit denen sie Banken kaufen wollten und auch die größte und angesehenste italienische Tageszeitung Corriere della Sera. Beraten wurde er dabei von Ubaldo Livolsi. Solche Anekdoten erscheinen pittoresk und machen dennoch deutlich. wurde bestohlen – der Chef brauchte 30 Millionen Euro Sparergeld zum Spekulieren. dazu der Finanzier Emilio Gnutti aus Brescia. die vielen Interessenkonflikte des Premiers und die Ad-personam-Gesetze seiner Koalition zu geißeln. die einer zum anderen schob. Auch Giovanni Consorte. In einem Telefonat mit Briatore klagte Ricucci über seinen Kontrahenten im Kampf um den Corriere. dass ihm das Blatt ein Dorn im Auge ist. der von seinem Sitz an der Via Stalingrado in Bologna aus die baskische Banca Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) bei der Übernahmeschlacht um die Banca Nazionale del Lavoro austricksen wollte. ob das so stimmt. 300 Millionen Euro haben die Staatsanwälte in Mailand bereits bei den furbetti konfisziert. but not least Antonio Fazio. Selbstmord lautete das offizielle Untersuchungsergebnis über die Todesursache.« Pech für beide: Der Staatsanwalt hörte mit. dafür muss ein Konditor viele Törtchen backen. nachdem er fleißig Mafia-Geld über die Konten der Vatikan-Bank IOR gewaschen hatte. die der bigotte Fiorani einfach plünderte. weil die Kontrollen versagten. sondern nur noch für sechs Jahre. Einmal ordnete der Bankier an. dass Stefano Ricucci dem Regierungschef einen Riesengefallen getan hätte. Fazio ergatterte einen Platz in der ersten Reihe bei der Generalaudienz und wurde von Benedikt XVI. nachdem er vormals die Sozialisten Bettino Craxis unterstützt hatte und im Zuge des Tangentopoli-Skandals eine Gefängnisstrafe absitzen musste. Der Mann. gewitzt. Ricucci benötigte Geld. die die italienische Bankenaufsicht unter Fazio charakterisiert hat. Hunderte Millionen Euro. wie man mit dieser Kombination plus den richtigen politischen Verbindungen in Italien nach ganz oben kommen kann. Zwar suchte er am Tag nach seinem Rücktritt Trost beim Papst. Villa San Martino bei Mailand. Sie waren sogar derart kreativ. In fünf Jahren hat der Corriere nie aufgehört. Der Präsident kaufte von diesem Geld nicht nur Gemälde und Antiquitäten für die eigene Wohnung. Er unterstützte den Provinzbanker Fiorani bei seinem Versuch. wird Berlusconi nicht müde zu beteuern. in die Schweiz. zu dem auch die Sporttageszeitung Gazzetta dello Sport und ein Buchverlag gehören. Endlich eine Großbank für die traditionsreichen cooperative rosse. Unabhängigkeit geht dem Corsera. Dann schalteten sich die Staatsanwälte ein. weil die furbetti über gute Freunde in der Politik verfügten. der aus der Sparkasse von Lodi die Banca Popolare Italiana machte. wer Böses dabei denkt. auch Gianpiero Fiorani. Dieselben Staatsanwälte. »Dieses Netz war nicht nur wegen der in ihm verknüpften Personen gefährlich. nebenbei investierte er in den Fußball-Erstligisten AS Rom. die er in einem außergerichtlichen Vergleich zahlen musste. um Meinungsforscher auszuzahlen. Fiorani schickte einen Vertrauensmann. dem gelernten Zahntechniker aus der Kleinstadt Zagarolo bei Rom. »Wir wissen nicht. Coppola spielt im Schmierenstück der »Schlaumeier« nur eine Nebenrolle. als gäbe auch die Kirche ihren Segen. bis zum 19. Philosophen. skrupellos und gerissen. Medien. Fiorani war noch großzügiger – von ihm erhielt der Zahntechniker Kredite über 800 Millionen. bei jedem seiner eine Million Kunden eine Kommission von 30 Euro zu kassieren. die im Besitz der linken Kooperativen ist. irrlichterte als Satellit in der Galaxie der sinistren Schlaumeier. diesmal finanziert von ahnungslosen Sparern. »Nie zuvor habe ich so etwas gesehen«. dass sie innerhalb kürzester Zeit Hunderte Millionen von Euro anhäuften. die damals 75 Millionen Euro beschlagnahmten. Er privatisierte die Telecom Italia: Finanzier Emilio Gnutti Er sitzt bereits in Haft: Gianpiero Fiorani. der seinerseits die Tageszeitung Il Giornale herausgibt. wie vermutet wurde. musste Ricucci aufgeben und verkaufen – mit mindestens 200 Millionen Euro Verlust. Dem früheren Mehrheitseigner Fiat gehören immer noch zehn Prozent. Zwei Jahre lang mussten die von den Skandalpleiten um Parmalat und Cirio arg gebeutelten Anleger auf ein neues Bankengesetz warten – so lange dümpelte die Vorlage im Parlament. und: »Beim Corriere werde ich dir schon helfen. Präsident des mächtigen Einzelhandelsverbandes Confcommercio. über alles. Die rechtspopulistische Regierungspartei Lega Nord etwa unterstützte Fiorani und Gnutti. Die Partei brauchte das Geld. Lange hatte es ausgesehen. Banca Intesa. hat einer erklärt. die niederländische ABN Amro außen vor zu lassen. Der jüngere Berlusconi lieh sich bei der Bank von Lodi knapp 50 Millionen Euro. Ein Mafia-Mitglied hat das italienischen Ermittlern 2001 bestätigt.« Seit Tangentopoli scheint sich da nämlich nicht viel geändert zu haben. Im vergangenen Sommer versuchte Ricucci. BIRGIT SCHÖNAU Nr. zu übernehmen. der international höchst renommierte Mario Draghi (zuletzt Vizepräsident bei der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs). Der Immobilienhändler aus der Provinz bei Rom hat zwar Probleme mit der italienischen Sprache. Der Lederwarenfabrikant Della Valle. eine italienische Institution. unter der Regierung Berlusconi erlebte er dann sein Comeback. Auch er war an den Übernahmeschlachten um die Antonveneta und den Corriere della Sera beteiligt. die sich ungeniert entfalten konnten. war er auf dem Chefsessel der Zentralbank nicht mehr zu halten. Erst als Fazio selbst bei der rechtskonservativen Laienorganisation Opus Dei in Ungnade fiel. unterschlug insgesamt 200 Millionen Euro. in dem die Leitartikel auch schon mal von Schriftstellern.Nr. Vierter im Bunde war der sizilianische Zuckerbäcker Sergio Billé. kommentierte Fazio bitter: »Ich weiß nicht. Der neue Notenbankpräsident Draghi hat jetzt kein Amt auf Lebenszeit mehr. und für die Linke wird kurz vor dem offiziellen Start in den Wahlkampf für die Parlamentswahlen im April guter Rat wirklich immer teurer. Die Börsenaufsichtsbehörde Consob hatte zwar mehrmals die Notenbank über Ungereimtheiten bei den Transaktionen Fioranis informiert. Ricucci und Co. aber diese Warnungen wurden folgenlos archiviert. nur noch schlimmer. Als die Staatsanwaltschaft auf die sinistren Deals seines Geschäftsfreundes Gianpiero Fiorani aufmerksam wurde. Ihre Ermittlungen stehen noch am Anfang. Im Staatsfernsehen RAI imi- tierte ihn ein Komiker. Dezember italienischer Notenbankchef – und einer der angesehensten Repräsentanten des Landes. »Was Montezemolo anpackt. 3 DIE ZEIT S. die sie mobilisiert haben. aber mit einem sicheren Instinkt für die Eroberung ihres Reviers. die Zeitung zu kaufen. die der Redaktion nicht angehören. seine Hochzeit mit einem Starlet füllte die Regenbogenblätter – es war sein Sommer. Doch das halbherzige Eingreifen des Gesetzgebers kommt zu spät. selbst für den verrückten Immobilienmarkt der Hauptstadt. jene erfolgreiche »Rasse« aus der Poebene. viel mehr. 24 SCHWARZ cyan magenta yellow 24 WIRTSCHAFT 12. das Einzelhandelspräsident Billé auf ein auf seinen Namen eingetragenes Konto laufen ließ: 14 Millionen Euro im Jahr. berufen war. sagte Briatore. »Fiorani war der Lieblingsbankier der Berlusconis«. Als die Affäre um Notenbankchef Fazio schon kochte und die Zeitungen seitenlange Auszüge aus von der Staatsanwaltschaft abgehörten Telefonaten mit dem kompromittierten Banker Fiorani druckten. In seiner Bewährungszeit arbeitete Ligresti als Fahrer für ein Altenheim. den Verlag des Corriere. »Das Problem ist noch nicht einmal. »Das Problem sind Verbindungen zwischen Finanzwelt und Politik« Dumm nur. die roten Kooperativen – die Erben der Kommunistischen Partei waren entzückt. nachdem er sie seinen eigenen Bankkunden oder Verbandsmitgliedern abgeluchst hatte. Fiat-Chef Luca di Montezemolo. Vielleicht auch deshalb. um nicht weiter wegen undurchsichtiger Machenschaften um eine Mailänder Müllkippe belangt zu werden. raufen sich jetzt die Haare. beispielsweise von den Konten Verstorbener. Oder das Geld von Kaufleuten. Die Ermittlungen werden zeigen. 50 Millionen Euro von Fiorani – für Beratertätigkeiten. Auch die Parteien haben offensichtlich wieder ihren Teil abgekriegt. worin eine der Ursachen für den Skandal liegt: in der entwaffnend anmutenden Provinzialität. wenn sich die Angehörigen nicht wehrten. Raffgier und Größenwahn. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. die italienische Bankenlandschaft unter sich aufzuteilen und dabei schwindelerregende persönliche Profite zu erzielen. von Bestechungsgeldern für Gewährsmänner hochrangiger Politiker ist die Rede. als VorstadtSchlaufüchse: Leute ohne große Weltläufigkeit. seinen Anteil auszubauen – im Auftrag Berlusconis. Er überwies auch 39 Millionen Euro für ein Gebäude in einem römischen Nobelviertel an Ricucci – eine deutlich überzogene Summe. Aber der Corriere erwies sich als eine Nummer zu groß. läuft schief«. Der Staatsanwalt ermittelt von Birgit Schönau Er zieht die Fäden: Verbandschef Sergio Billé plünderte Kaufleute aus Ein gigantischer Sumpf wird sichtbar Fazio musste abtreten. Der Schatten der Mafia liegt auch auf den Transaktionen der furbetti. Ökonomen verfasst werden. wurde es endlich verabschiedet. Die Privatverschuldung ist so hoch wie noch nie. Ende 2005 sei der Zyklus geschlossen. die Zinsen zu senken. 25 SCHWARZ Foto: [M]Gerry Penny/EPA/dpa Hey. Das sind rund 3. Obwohl Großbritannien nicht Mitglied der Eurozone ist. Außerhalb der Treasury sind sich alle Wirtschaftsforscher einig: Diese Prognosen sind viel zu optimistisch. da sie nicht Mitglied der Währungsunion sind. hat aber einen Makel. den Nachruf auf das Wirtschaftswunder zu schreiben. Die Prognosen waren viel zu optimistisch. Peinlich. jetzt wird im Londoner Finanzministerium von 2007 oder 2008 gesprochen. Vor einigen Jahren hieß es. Shell und BP müssen auf ihre üppigen Gewinne aus dem Nordseeöl einen Steueraufschlag von zwanzig Prozent zahlen.2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Denn die Regeln des Defizitverfahrens erlauben den EU-Finanzministern zwar. Solange er höhere Steuern ablehnt. sein halbes politisches Leben redet Gordon Brown davon. eine bessere Infrastruktur. um das Haushaltsloch zu stopfen. er werde vor Ende der Legislaturperiode aus der Downing Street ausziehen. Als Gordon Brown 1997 sein Amt antrat. wird er die Situation nicht noch verschlimmern. Schatzkanzler oder Premierminister. Wann immer das sein wird.Nr. Er will Premierminister werden. Damit verliert das Verfahren einiges an Dramatik. Die Zentralbanker werden sich also hüten. Brüssel halte sich nur an die Regeln. Jedenfalls genügend Zeit. »Brown geht davon aus. Für das laufende Haushaltsjahr. ob es ihm gelingen wird. weil sie den EU-Stabilitätspakt verletzen Von John F. 3 DIE ZEIT S. ist das Wirtschaftswachstum in Großbritannien unter Browns Führung nie zum Stillstand gekommen. Das allerdings wird nicht einfach. Der Schatzkanzler ist das nicht gewohnt. ist eine Frage der Auslegung. Statt der erwarteten 3. und es ist nicht zu erwarten. Deswegen musste die Kommission am Mittwoch offiziell das Haushaltsverfahren gegen Großbritannien einleiten. das New Labour dem Land beschert hat. Gordon Brown zu ermahnen. Aber damit hat es sich auch. Kurz bevor er ganz oben angekommen ist.3 WIRTSCHAFT Noch lacht er: Der britische Schatzkanzler Gordon Brown hält stolz seinen Ministerkoffer mit dem Haushaltsplan hoch 25 iese Woche passiert etwas Ungewöhnliches: Gordon Brown bekommt Schelte. Angesichts der guten Verfassung der britischen Wirtschaft drückte die EU-Kommission ein Auge zu. sollte der von ihm erwartete Wachstumsschub ausbleiben. die Strafzahlungen an Brüssel. Allerdings ist Gordon Brown ein umsichtiger Mann. oder? D ne Gelassenheit. so kommentierte ein Sprecher der EU-Kommission in London den Vorgang. Damit wäre wieder alles in Ordnung. In dieser Reaktion zeigt sich das Problem. Big Spender! cyan magenta yellow .75 Prozent wird die britische Wirtschaft in diesem Jahr allenfalls um 1. Für Gordon Brown ist das unangenehm. bleibt den Briten erspart. Jungclaussen Nr. sagt Jonathan Said vom Centre for Economics and Business Research in London. Offenbar doch nicht. Die Briten verstehen unter Haushaltsdisziplin etwas anderes als die EU-Kommission. Brown wird dann sein Nachfolger und muss sich spätestens im Mai 2009 bei den Wählern um sein Amt neu bewerben. und Investitionen werden finanzierbar bleiben«. dass er seinen Haushalt innerhalb eines Konjunkturzyklus ausgleichen müsse und dass Schulden erlaubt seien. 3 DIE ZEIT S. Die Zeitangabe ist eng verknüpft mit den politischen Ambitionen von Gordon Brown. Auch in der Treasury in London herrscht ausgesproche- Jahrelang spotteten sie über die Haushaltslöcher ihrer Nachbarn. 25 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. Im Zentralverband der britischen Industrie wird heute eher beklagt. alle halten ein Wachstum von jährlich mehr als zwei Prozent in den nächsten fünf Jahren für Wunschdenken. Es war wohl nur ein Ausrutscher. Von 2007 an soll die Wirtschaft jedes Jahr um mehr als drei Prozent zulegen. An seine Ausgabenregel hat er sich bisher strikt gehalten. Die Ausstände von Hypotheken sind da noch gar nicht mitgerechnet. indem er die Steuern erhöht. stellte er seine eigenen Regeln auf. Die Frage ist. wie schön Großbritannien unter seiner Führung sein wird. Seit 1997 ist er im Amt und bestimmt die Richtung der britischen Wirtschaft so allein und ungestört wie kaum einer seiner Vorgänger. Oder ob es demnächst an der Zeit ist. Derzeit liegen die Zinsen bei 4. Die Industrieländerorganisation OECD. Damals erreichte die Verschuldung 3. dass die Bank of England sie in absehbarer Zeit viel tiefer sinken lässt – aus gutem Grund.5 Prozent. die Wirtschaft bis dahin vor einem schweren Einbruch zu schützen. Kredite bleiben teuer – und Investitionen für die Unternehmen damit unattraktiv. und wann der Konjunkturzyklus begonnen hat. neun Milliarden Pfund mehr als geplant. Doch mehr als zwei Milliarden Pfund an zusätzlichen Einnahmen erwartet das Ministerium daraus nicht. Mehr als drei Prozent sind aber nach den Regeln des Europäischen Stabilitätspaktes nicht erlaubt. dass das Pfund im Vergleich zum Dollar auf absehbare Zeit verhältnismäßig stark bleiben wird«. »Wir werden uns weiterhin an die Fiskalregeln halten: Die öffentlichen Finanzen werden langfristig ausgeglichen sein. dass allein der Exportsektor um fünf Prozent wächst. Allein die Ölindustrie wurde Ende vergangenen Jahres kräftig zur Kasse gebeten. wird Brown also nur eine Wahl bleiben. erklärte ein Vertreter. bereits zum zweiten Mal in Folge. Jahrelang hat er seine Kollegen aus Deutschland. Das aber heißt. Gordon Brown sieht keinen Grund zur Besorgnis. mehr Schulen. Diese besagen. die Regierung hemme die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmer durch zu viele Vorschriften als durch zu hohe Steuern. Zunächst passierte nichts. jetzt steht er selbst am Pranger. um das Haushaltsloch zu stopfen: Ausgaben kürzen. der Internationale Währungsfonds. ignoriert dabei aber. die EU-Kommission. Bessere Krankenhäuser. Frankreich und Italien gerügt. Doch jetzt steht er vor einem mächtigen Haushaltsloch. Bei einem solchen Defizit muss die Kommission reagieren. ob es wirklich so schön sein wird. Von Anfang an hat New Labour den Wählern ehrgeizige Investitionen in den öffentlichen Dienst versprochen. erscheint plötzlich unsicherer denn je. Schon im vergangenen Jahr musste sich die britische Regierung zu viel Geld leihen. Lange hatte er damit Erfolg. gelten die Regeln des Stabilitätspaktes auch für London. das im März zu Ende geht. Klingt gut. und zwar aus Brüssel. Auch auf die Inlandsnachfrage wird sich Brown nicht verlassen können. und das wird ihm wohl auch gelingen. Aber der nächste Schritt in der Prozedur. wann er endet. solange das Geld für Investitionen ausgegeben werde und nicht zur Tilgung von Altlasten. wichtiger noch. Amtsinhaber Tony Blair hat schon vor einem Jahr angekündigt. Ein großer Anhänger höherer Abgaben war Brown noch nie. Im Schnitt steht jeder Haushalt mit knapp 8000 Pfund in der Kreide.4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Jetzt stehen die Briten selbst am Pranger. »Business as usual«. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Die teure Währung aber schwäche die Exportnachfrage.75 Prozent wachsen. ob Ende dieses Jahres oder im Laufe des nächsten. Daraus folgt eine Verschuldung von voraussichtlich 41 Milliarden Pfund. wird Gordon Brown wieder das europäische Haushaltskorsett sprengen. Bei steigenden Steuereinnahmen könnte Brown den Haushalt konsolidieren und die Investitionen im öffentlichen Dienst weiterlaufen lassen. Während sich die Nachbarländer seit Jahren um den Aufschwung sorgen. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. sagte Middelhoff. heißt es. als die Aktien noch billiger waren. Dem Konzern. Middelhoff war Schickedanz’ Wunschkandidat für die Sanierung. so etwas habe es zehn Jahre lang nicht gegeben. die Middelhoff am vergangenen Montag vorstellte. 26 SCHWARZ cyan magenta yellow .3 " ZWISCHENRUF Verkaufrausch bei KarstadtQuelle? Seit eineinhalb Jahren lenkt Thomas Middelhoff die Geschicke von KarstadtQuelle – erst als Chef des Aufsichtsrats. habe es schlicht an Geld gefehlt. Anfangs deutete er noch die Möglichkeit einer Insolvenz mit den Worten an. »Hätten die Lieferanten damals auf Vorkasse bestanden. 2006 18. die bloße Bezeichnung »Handelskonzern« sei ihm viel lieber. später als Vorstandsvorsitzender. Das vergangene halbe Jahr über konnte man sie für rund elf Euro bekommen.42 Prozent. Manche vermuten. Mit mehr als 15 Milliarden Euro sei das Umsatzziel insgesamt erreicht worden. Doch vor der Einfahrt zur Zentrale in Essen steht auf einem breiten grauen Steinsockel nur einer von beiden: Karstadt.70 ¤ nehmen. ein Übernahmeangebot an die freien Aktionäre vorzubereiten. er habe zu Beginn seiner Amtszeit durch exzessive Schwarzmalerei den Aktienkurs in den Keller geschickt. Steht nun der Rückzug von der Börse bevor? Wie die Financial Times Deutschland berichtet. damit die Quelle-Erbin preiswert zukaufen konnte. bei KarstadtQuelle gehe es »ums Überleben«. wurde die Investmentbank Goldman Sachs beauftragt. Sorgenkind bleibt der Versandhandel mit Quelle und Neckermann.Nr. 26 SCHWARZ cyan magenta yellow 26 WIRTSCHAFT 12. Innerlich. um den Konzern anschließend zu filetieren. Aus dem Umfeld des Aufsichtsrats heißt es jedoch. KarstadtQuelle hat in seiner Geschichte jedoch schon so viele Wendungen erlebt.56 Prozent und der Konzern selbst mit 5. davor sogar für noch weniger. 3 DIE ZEIT S. gute Laune zu verbreiten. KarstadtQuelle dementierte umgehend den Bericht. so versicherte er einmal in kleinem Kreis. dessen Eigenkapitalquote eine Zeit lang in den niedrigen einstelligen Bereich gerutscht war. dass Middelhoff seinerzeit keineswegs übertrieben habe. dass man KarstadtQuelle in der Öffentlichkeit künftig nicht mehr als den »notleidenden Handelskonzern« darstelle. Der Clan um die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz wolle KarstadtQuelle vollständig über- Zurück aus dem Tal KarstadtQuelle – Aktienkurs in Euro 18 16 14 12 10 8 6 Juni 2004 2005 2006 ZEIT-Grafik/Quelle: OnVista 10. »Damit ist es uns gelungen. Die übrigen freien Aktionäre jetzt auszuzahlen wäre teuer. begann der Kurs bis auf nun knapp 16 Euro zu steigen. Weitere Großaktionäre sind die Allianz mit 7.00 Uhr 15. 3 DIE ZEIT S. Zwar führt der Handelskonzern seitdem beide Unternehmen im Namen. Doch in den vergangenen Monaten bemühte sich der Manager vor allem. die Negativspirale der letzten Jahre zu stoppen und eine Trendumkehr zu erreichen«. rechtfertigen seinen Wunsch immerhin teilweise: KarstadtQuelle ist nun ein Handelskonzern mit einer notleidenden Versandhandelssparte. Marcus Rohwetter Nr. klagen Firmenkenner. wäre es vorbei gewesen«. Zudem hatte der Schickedanz-Clan in den vergangenen Monaten immer wieder kleine Aktienpakete erworben und hält nun knapp 60 Prozent der Anteile. Besonders sei ihm daran gelegen. In dieser Zeit wandelte er sich vom Verkünder schlechter Nachrichten zum Optimisten. Das Gerücht kursiert bereits seit langem: Immerhin dürften allein die Immobilien etwa dem jetzigen Börsenwert entsprechen. Erst als Middelhoff im Dezember den Verkauf der Immobilien ankündigte. Die Warenhäuser legten im letzten Quartal 2005 sogar leicht zu. Die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr. man habe das Tempo der Umsatzrückgänge allerdings bremsen können. Zudem hätte Schickedanz die Komplettübernahme durchziehen können. habe man die Fusion mit Quelle im Jahre 1999 nie vollzogen. 1. dass auch ein Rückzug von der Börse kaum überraschen würde – ebenso wenig wie eine weitere Aufspaltung. die willens sind. Die Richtlinie soll es erleichtern. Ende 2005: Das Land registriert die höchste Arbeitslosenquote in der Europäischen Union.zeit. dass viele Bürger das jüngste Liberalisierungsprojekt der EU-Kommission. dass sie vorgesprochen haben. werden zu Hause offiziell zu den Suchenden gezählt. »dann würde die Arbeitslosigkeit sofort um 30 Prozent sinken. Dieses Schlupfloch wird jedoch auch von Scheinselbstständigen genutzt. die dann nicht selten zu Dumpinglöhnen arbeiten. müssen Arbeitgeber 21 Groschen für die Renten. Doch auch hierzulande gibt es für Osteuropäer ganz legale Möglichkeiten. 300 000 Arbeitskräfte aus dem Osten zu legalisieren. sagt Gralewski – nur. Anders sieht das beispielsweise in Schweden oder Großbritannien aus: Dort können sich Osteuropäer um jeden Job bewerben – und tun dies übrigens auch. die früher in den staatlichen Landwirtschaftsbetrieben beschäftigt waren.25 Prozent des Wachstums durch Gastarbeiter erwirtschaftet – illegale Aktivitäten wie Schmuggel und Prostitution nicht mitgerechnet. 27 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. 600 000 Ukrainer sollen derzeit in Polen arbeiten. aber hierzulande keinen Job als abhängig Beschäftigte annehmen.de/arbeit Nr.3 WIRTSCHAFT 27 Polens Doppelverdiener Viele Maurer. Sie war den Europäern einst so wichtig. der mit seinem Namen natürlich nicht in der Zeitung stehen will. Eine der besten Patisserien der Hauptstadt braucht Konditoren und bekommt keine. Strittige Themen verschiebt Europa derzeit ohnehin gern. Bis spätestens 2011 hat sich Deutschland dieses Sonderrecht erkämpft.und Krankenkasse und die Arbeitslosenversicherung drauflegen. auch für die Firmen rechnet sich die illegale Beschäftigung: Arbeitslose sparen Steuern und sonstige Abzüge. Der europäische Traum gerät so für manchen zum Trauma. so Antoni Rajkiewicz. »Wenn ich in Polen 234 Euro bekommen kann. die im Ausland ihr Brot verdienen – 2005 waren es allein in Großbritannien etwa 300 000 –. Die Lage ist paradox: Deutsche oder Franzosen wehren sich gegen die Zuwanderung von Arbeitskräften aus Polen oder den baltischen Staaten. zu Hause bezieht er weiter staatliche Stütze. sagt der Direktor des Arbeitsamtes im nordwestpolnischen ÷obza. Unternehmen die vergleichs- »Ich bleibe in Polen. die Dienstleistungsrichtlinie. danach muss der Rat der Regierungen zustimmen.Konditoren und Mechaniker sind im Nachbarland offiziell lieber arbeitslos. Im Dezember sind nach Auskunft des Statistischen Amts 17. einen Service auch grenzübergreifend anzubieten. Auch Betriebe. dann ist die Wahl einfach«. »Würde die Arbeitslosenunterstützung bei allen Schwarzarbeitern konsequent gestrichen«. um weiterhin Arbeitslosenhilfe zu beziehen und gleichzeitig einer gut bezahlten Schwarzarbeit nachzugehen. Weil viele Polen nicht arbeiten wollen – jedenfalls nicht in einem legalen Job –. der Chef der Warschauer Baufirma Varia APD. Nicht nur für die Arbeitslosen. Der Kreis hat mit offiziell 40 Prozent die höchste Arbeitslosenquote im Land. Die Kosmetikfirma Eris schreibt Stellen für das mittlere Management und für Laborfachleute aus. Auf jeden Z¬oty. Dabei sind allein 2004 die Löhne am polnischen Bau um mehr als 30 Prozent gestiegen. geht lieber in den Westen. weil sie eine Abwärtsspirale bei den Löhnen fürchten. Montierer und Bauarbeiter registriert das Arbeitsamt in der Industriestadt Tarnów Podgórny in der Nähe von Posen. Im Gegenteil. bleiben fünf bis sechs Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung als wirklich Arbeitslose übrig – in der Mehrzahl Menschen ohne Berufsqualifikation. in England aber 2340. Jarowslaw Namaczyski. Und wer sie dennoch übernimmt. MITARBEIT: JAN PILSKI i Weitere Informationen im Internet: www. Großes Ansehen genießen diese Jobs nicht. Genützt hat es nichts. Trotzdem sind die deutschen Türen für Osteuropäer zurzeit erst einen Spaltbreit geöffnet. Vor allem deutsche Dienstleister erhoffen sich davon neue Märkte – auch im Osten. derzeit nicht in Polen arbeiten. Von der Außengrenze der EU werden sie nicht aufgehalten. Immer wieder würden sich angebliche Bewerber bei ihm vorstellen. zu besetzen. muss sich das Land für die Nachbarn im Osten öffnen. Obwohl das Lohnniveau noch weit unter dem in Deutschland liegt. Es mangelt an Babysittern. So fehlen fast überall Maurer. ohne dass die Arbeitslosigkeit in diesen beiden Ländern stark gestiegen wäre. 10 von 50 bei ihm registrierte Arbeitslose könne er unter der angegebenen Adresse tatsächlich erreichen. die Arbeit zu übernehmen. So wandern die Probleme. Haushaltshilfen oder Saisonarbeitern für die Obstund Gemüseernte. Ökonom an der Warschauer Universität. In London arbeitet er schwarz am Bau. 3 DIE ZEIT S.« Das freilich würde stärkere staatliche Kontrollen notwendig machen. Gesucht werden nicht nur Bauarbeiter.6 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ohne Arbeit. 3 DIE ZEIT S. Hingegen haben die Gewerkschaften scharfen Protest angekündigt. Fallen auch sie aus der Statistik. Das aber kann dauern. Denn von einem Nettolohn von knapp 400 Euro kann man selbst in Warschau einigermaßen leben. Und was in der Zwei-Millionen-Metropole passiert. Nach Angaben des Bauindustrie-Verbandes sucht die Bran- che 20 000 Arbeiter – zugleich sind aber mehr als 200 000 Baubeschäftigte als Arbeitslose registriert. fünf interessierten sich wirklich für eine offene Stelle. Das reicht dann. Gleichzeitig verhalten sich die Polen zu Hause nicht anders. aber auch die Chancen. sondern die Bestätigung. Im Februar beginnt die heiße Gesetzgebungsphase. Insgesamt will etwa eine Million offiziell Arbeitsloser. Der Chef des Restaurants Belvedere hält nach einem guten Koch Ausschau – ohne Erfolg. Viele Polen. Daher ist es kein Wunder. Petra Pinzler P olnische Realität. so Namaczyski. Fast die Hälfte der polnischen Arbeitslosen arbeitet schwarz. Zunächst wird das Europäische Parlament entscheiden. Eine jüngst veröffentlichte Studie geht von einer realen Arbeitslosenquote von zehn bis zwölf Prozent aus. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. »niedere Arbeiten« selbst zu übernehmen. weil sie schwarzarbeiten Von Malgorzata Zdziechowska " ARBEITEN IN DER EU Traum(a) Grenzenlose Freiheit. Besetzt werden sie nicht. Arbeit zu finden: als Selbstständige. in Polen die Ukrainer oder Weißrussen. die Schwarzarbeiter beschäftigen. ist auch in der Provinz die Regel: 500 freie Arbeitsplätze für Mechaniker. Anfang 2006: Die größte Zeitarbeitsfirma Warschaus sucht Kassiererinnen für einen neu eröffneten Supermarkt. 0. obwohl sie nicht bereit sind. Dazu werden teilweise hohe Prämien gezahlt. der in Polen brutto verdient wird. mit Skepsis betrachten. Kommt zahlreich«: Der polnische Tourismusverband spielt mit der Furcht vor Schwarzarbeitern und wirbt gleichzeitig um französische Touristen weise hohen Sozialabgaben. Polnische Statistik.Nr. 27 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: POT/Eastway . müssten bestraft werden. die Realität sieht anders aus. Jobs wollten sie eigentlich nicht. von Ost nach West. vergeblich. Putzfrauen. sagt ein Warschauer Arbeitsloser. 50 Stellen hätte Dariusz Gralewski. Beides jedoch geschieht bislang zu wenig. In absoluten Zahlen: 2. Schlosser. eine Anzeige nach der anderen hat er in die Zeitungen und ins Internet gesetzt. und mehrere Unternehmensverbände haben gefordert. Der berühmte polnische Fliesenleger darf in Deutschland ein Gewerbe anmelden und dann seine Dienste anbieten. dass sie die Freizügigkeit sogar in EU-Verträgen festschrieben. Doch selbst das ist wahrscheinlich noch zu hoch. geht es Gralewskis Arbeitern nicht schlecht: Sie kaufen Autos und bauen ihre eigenen Häuschen.8 Millionen Menschen. sie findet gerade einmal fünf Frauen. Eisenflechter oder Parkettleger. einer würde die angebotene Arbeit annehmen. so lauten die Schätzungen. Als Angebot an Arbeitslose reicht ein solcher Verdienst freilich oft nicht aus. Und vielen Ökonomen gilt die Richtlinie als Symbol für Offenheit des EU-Marktes. Schon jetzt werden. Die neuen EU-Mitglieder dürfen zwar einreisen. Die Statistik täuscht. In Deutschland arbeiten die Polen. Fassung S. 3 DIE ZEIT 2. 28 SCHWARZ Nr. Fassung S.Nr. 28 SCHWARZ . 3 DIE ZEIT 2. Preisobergrenzen für Benzin und andere Produkte festzusetzen. weil das Land mit seinen immensen Ressourcen und knapp 50 Millionen Einwohnern erst am Vorabend der Revolution als Investitionsstandort regelrecht entdeckt worden war. weil sie die als »Voucher« kostenlos verteilten Anteilsscheine an den riesigen Kombinaten preiswert einsammelten. ließ der einen besonders spektakulären Fall von Firmenraub rückgängig machen: Das größte Stahlwerk des Landes. Banken und Versicherer zum Konglomerat.4 Prozent geschätzt 80 Euro ZEIT-Grafik/ Quellen: destatis. Die Revolutionäre müssen um die Macht fürchten. Im Bemühen. der Zukunft zugewandt. um den orangefarbenen Demonstranten auf dem Majdan einzuheizen. Neben Kohlegruben und Kokereien. Auch kurzfristig organisieren sie Besuche bei Managern der Großbetriebe. Ausländische Unternehmer kamen ins Land. Schon vereinnahmt er die Farbe der Sieger für seine Zwecke. Die schlechten Gesetze gelten weiter. Ukraine in Zahlen WEISSRUSSLAND 300 km RUSSLAND POLEN Lwiw (Lemberg) Kiew UKRAINE D nj ep r Donezk MOLDAWIEN Odessa Krim RUMÄNIEN BUKAREST Schwarzes Meer Einwohner 2004: Arbeitslosenquote 2003: Inflationsrate 2003: BIP-Wachstum 2003: Monatsbruttolohn Durchschnitt 2004: 48. neureiche Einheimische wie Achmetow kehrten mit ihrem im Ausland geparkten Kapital zurück. weil Investoren aus dem Westen ein- gestiegen waren. Zwar endete Chodorkowskijs Aufstieg vorerst im Straflager. Dabei hatten die Revolutionäre den Armen ein besseres Auskommen und den kleinen Geschäftsleuten bessere Rahmenbedingungen versprochen. meint ein westlicher Finanzstratege in Kiew und kreist mit dem Finger über der blassrosa eingefärbten Karpatengegend auf seiner Ukraine-Karte. darunter der Schwiegersohn des früheren Präsidenten Leonid Kutschma. Oligarchen wie er gingen siegreich aus den bisweilen blutigen Verteilungskämpfen der Nachwendezeit hervor – oder sie waren einfach nur schlauer als ihre Mitbürger. die Tausende Arbeitsplätze in der Ukraine geschaffen haben. Da wurden mitten in die Geschäftsjahre hinein Besteuerungsregeln verändert und Zollprivilegien in den Sonderwirtschaftszonen ohne Vorwarnung gekappt. gewandt in der Sprache der Märkte. betont Xenia Ljepina. Die Gruppierung der von ihm im vergangenen September entlassenen Regierungschefin Timoschenko ist danach stärker. »Aber sie lernen schnell. 29 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. klagt Karin Rau. Noch bis vor wenigen Monaten schien das Imperium ernsthaft in Gefahr. sagt Viktor Kalaschnikow. sagt Wasil Jurtschischin. als wir selbst verbrauchen.3 WIRTSCHAFT 29 Kater in Kiew Die ukrainischen Oligarchen feiern ihre Wiedergeburt. Allerdings machte der Nachfolger Timoschenkos in einer seiner ersten Amtshandlungen Schluss mit dem Versuch. hat aber wenig Fortschritt zu bieten – abgesehen von einigen Produktionsverlagerungen aus der Slowakei oder Ungarn und wenigen Leuchttürmen wie der größten europäischen Glühbirnenfabrik unweit von Lwiw (Lemberg). dass während der Revolution gerade vor den Werks- toren des Achmetow-Reichs blaue Gegendemonstranten eingesammelt wurden. erwischten Regierungschefin Timoschenko und ihr Team auch seriöse Investoren. Noch vor einigen Jahren hieß es. etwas Grubenschwärze im Gesicht. eigene Recherche Nr. Achmetow strebt nach mehr. sich provozieren zu lassen. sagt Peter Hakansson vom schwedischen Investmenthaus East Capital. »Aber statt ihr Geld in Monaco beim Golf zu verballern. Der Banker vermutet ein Kalkül: Wer mit der Weltwirtschaft verwoben ist. der Zufluss von Direktinvestitionen erreichte mit 1. des Ölförderers Jukos. Hereinspaziert in die 500 Meter langen Hallen des Röhrenproduzenten Chartsisk. Doch sei dergleichen in der Ukraine unmöglich. Dessen Vereinsfarbe ist Orange. Dort zeigt eine Rentnerin auf neue Blumenkübel an der Straße. statt sie zu versilbern. Metallprodukte machen schätzungsweise 40 Prozent aller ukrainischen Exporte aus. ob bei den Privatisierungen alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Der Absturz der ukrainischen Wirtschaft fiel auch deshalb so stark aus. Julia Timoschenko. sondern die Fans des Donezker Fußballclubs Schachtjor Donezk. deutscher Honorarkonsul in Donezk und Leiter einer örtlichen Forschungsabteilung des Siemens-Konzerns. mit einer Kapazität von acht Millionen Tonnen pro Jahr.2 Prozent 9. 3 DIE ZEIT S. »Vor allem die Automobilzulieferer sind durcheinander geraten«.und Sozialpolitik ist groß«.1 Prozent 5. Heute aber führen freundliche PR-Frauen Investoren und Journalisten durch Achmetows üppiges Industrierevier im Donbass. sagt Wasil Jurtschischin. sackte es 2005 auf wenig mehr als drei Prozent. Als das Gespann von Julia Timoschenko und ihrem Präsidenten vor einem Jahr schließlich die Macht in Kiew übernommen hatte. auf dessen Betriebsgelände im Ausmaß einer Kleinstadt ein firmeneigenes Nahverkehrssystem Arbeiter an die Hochöfen fährt. Meint Achmetow es ernst mit der neuen Transparenz? Schon aus Gründen des Selbstschutzes könnte er ernsthaft vorhaben. Die Imageoffensive könnte da das Vorspiel sein. ebenso die Moskau-treue Opposition. »Die Enttäuschung über die Wirtschafts. auf deren Kredite man für die Expansionen angewiesen sei. 3 DIE ZEIT S. hofft er. war die Goldgräberstimmung schnell am Ende. Die Regierung allerdings versteht sich nur als Reparaturbetrieb.wie ausländischen Geldgeber in einen Investitionsstreik. Freilich scheiterten auch die härtesten DonbassHooligans im Dezember 2004 an der demonstrativen Fröhlichkeit der Opposition und ihrer fehlenden Bereitschaft.« Manager wie Bolschakow. desto besser die Wirtschaftsperspektive. war auch deshalb so laut. »Die Geldentwertung fraß die sozialen Wohltaten rasch auf«. Da wäre der Kauf eines ausländischen Stahlwerks sinnvoll. Eine Studentin erinnert daran. Tausende Privatisierungen überprüfen und womöglich annullieren zu lassen. Firmenkäufe im Ausland seien jederzeit denkbar. »Da kann man gut jagen«. Und für ein paar Sekunden springen jubelnde junge Leute in orangefarbener Aufmachung durch den Imagefilm. Der Westen ist zwar stolz auf seine europäische Geschichte. ambitionierteste Vorreiterin der orangefarbenen Revolution Ende 2004 und bis zum letzten September Regierungschefin des Landes. Auch ein westlicher Banker in Kiew wirbt dafür. In Werbespots auf CNN präsentiert er seine Firmenholding SCM als kapitalistischen Segen der Ukraine: verantwortungsvoll. platzierte Achmetow in seiner Holdingspitze: jung und eloquent. Größere Schritte sind bis zur Parlamentswahl nicht mehr zu erwarten. fremde Investoren an Bord hat und Fabriken im Ausland besitzt. Günstlinge des alten Systems zu treffen. in der globalisierten Wirtschaft salonfähig zu werden. und SCM hat daran gewichtig Anteil.Nr. die sich unter nie ganz geklärten Umständen die ökonomischen Kernstücke der ehemaligen Sowjetwirtschaft einverleibten. die Debatte zu beenden. »Die ukrainischen Unternehmen liegen in Sachen Transparenz noch hinter den Russen zurück«. Und einige Gesetze trieben Manager zur Verzweiflung.und sinkende Stahlpreise – war für ein Land wie die Ukraine ungünstig. Fischer Weltalmanach. und die ukrainische Konjunktur sauste im Stil eines Bungee-Springers in die Tiefe: Nachdem das Wachstum 2004 offiziell rund zwölf Prozent erreicht hatte. einem wirtschaftlichen Zentrum der Ukraine. das in hohem Maße Metallprodukte ausführt und Energie einführt. Zuvor hatten sich zwei Oligarchen das Unternehmen zum Bruchteil seines Wertes zuschieben lassen. der klassischen Schwerindustrie und Energieversorgern gehören Medienunternehmen. Gegen ihn wagen nur wenige Widerspruch. Neue Transparenz und Offenheit wie bei SCM dienten auch dazu.7 Milliarden Dollar einen neuen Höchststand.« Ergebnis der Aktionen: Heute sind die Oligarchen stärker denn je. Die kleinen und mittleren Unternehmer der Ukraine warteten vergeblich auf Steuererleichterungen. Hilflos versuchte die Regierung. umweltbewusst. auf Nachhaltigkeit bedacht. »Rinat« nennen sie den mächtigen Wirtschaftsmann hier. Bekannt ist Achmetow als eine jener nebulösen Gestalten. das in den Sonderwirtschaftszonen geschädigte Unternehmen kompensieren soll. Tiefrot hingegen leuchten die östlichen Gebiete des Donbass: Je roter die Färbung. 2004 gehörte der Kiewer Aktienmarkt zu den stärksten Börsen der Schwellenländer überhaupt. Sie ist auch dafür verantwortlich. »Das verdanken wir alles ihm und noch viel mehr«. Delegierte der deutschen Wirtschaft in Kiew. die sie für vier Milliarden Euro ersteigerte. Wirtschaftsforscher am Kiewer Rasumkow-Institut.2 Millionen 9. die unter dem Dach einer Donezker Holding namens System Capital Management (SCM) versammelt sind: Herzlich willkommen beim gigantischen Stahlwerk Asowstal. hatte forsch angekündigt. sagt sie. Denn die Volkswirtschaft kommt nicht voran Von Jan Pallokat Der Industrielle Rinat Achmetow im Juni 2005 nach einem Fussballsieg D er ukrainische Industrielle Rinat Achmetow hat umgeschaltet. kann nicht mehr so leicht enteignet werden. Schon haben westliche Investoren Witterung aufgenommen. und neuerdings expandiert die Unternehmensgruppe in die Telekommunikation. Kriworischstal. Es sei schade. wo mannshohe Pipeline-Teilstücke für die Öl und Gasindustrie geschweißt und mit der firmeneigenen Eisenbahn in alle Welt verschickt werden. Der internationale Aufschrei gegen die Zerschlagung seines Konzerns. investieren sie«. Wirtschaftsexpertin der Präsidentenpartei Unsere Ukraine: »Hier muss der Präsident Regeln beachten. Die Assoziation mit der Farbe der Revolution ist sicher gewollt.« Matthias Siller von Raiffeisen Capital Management in Wien träumt gar von einem Börsengang. Etwa 80 Prozent der Industrieproduktion stammen aus dem Osten. lobt er die Oligarchen. der in Moskau bei der Unternehmensberatung McKinsey nach westlichen Regeln arbeitete. Der andere der beiden hat auch so genug Vermögen: Es war Rinat Achmetow aus Donezk. So wurde ein Gesetz auf den Weg gebracht. ging von Oligarchenhand in Staatshand zurück und von dort an die indische Mittal-Gruppe. Tatsächlich reichte der Atem der Kiewer Revolutionsregierung gerade noch für eine deutliche Erhöhung der Renten und der Mindestlöhne. Für dieses Überlebenskonzept stand auch der russische Öl-Tycoon Michail Chodorkowskij Pate. SCM-Manager für Fusionen und Übernahmen: »Wir fördern mehr Koks und Eisenerz. Der Beifall aus Donezk kam prompt: Von Anfang an seien diese Bemühungen verfehlt gewesen. Umgehend traten die verunsicherten in. das Vertrauen westlicher Banken zu gewinnen. Allerdings: Der Film zeigt gar keine Demonstranten. der bei Heimspielen des örtlichen Fußballvereins Schachtjor Donezk angeblich in einer schusssicheren Kabine zuschaute. Doch trieb diese Politik umgehend die Preise in die Höhe. 29 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: [M] Eastway .« Um das Gesicht zu wahren. Offenbar mit sich im Reinen stehende Grubenarbeiter mit Bauhelm blicken da ernst und schaffensfroh in die Zukunft. die Privatisierungen aufzuhe- ben. Neuerdings herrscht in seinen diversen Betrieben in der Stadt Donezk das ganze Jahr hindurch Tag der offenen Tür. sagt Andrej Bolschakow. dass die Partei des Präsidenten Wiktor Juschtschenko nach gegenwärtigen Umfragen bei den Parlamentswahlen im März weniger als ein Sechstel der Stimmen zu erwarten hat. »Doch sind es gerade diese Unternehmen. Ganz allein brachte Timoschenko den Wirtschaftseinbruch nicht zustande. man solle Abstand halten zu Achmetow. dass bisher nur Teilstücke des SCM-Imperiums an der Börse zirkulieren. Die Ukraine brauchte dringend neue Unternehmer – vor allem im Westen des Landes. Man könne zwar darüber streiten. Doch von dieser Niederlage hat sich Achmetow schnell erholt. die Melange des vergangenen Jahres – steigende Energie. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Womöglich will er jetzt die Fährreederei Scandlines übernehmen. erinnert sich Jutta Busch. Doch der Belegschaft in Rostock ist klar: »Die waren viel zu unterschiedlich. Doch wann. 1998 stand das Unternehmen kurz vor der Pleite. »Wenn die verschoben werden.und Immobilienbereich. in edel renovierten Büros.3 Was bewegt … Horst Rahe? Spaß auf dem Clubschiff Aida. Wellness-Medicine eine andere. finnischer Honorarkonsul. Der damaligen Großreederei hätten viele die Rettung der DSR zugetraut. Aus dem früheren DDR-Staatsbetrieb mit seinen 161 Schiffen hat Rahe einen modernen Dienstleistungskonzern gemacht. Ringstorff waren und sind seine Gäste. etwa in Travemünde und am brandenburgischen Scharmützelsee. hinter vorgehaltener Hand.« Und wie sieht man den Selfmade-Mann außerhalb des Unternehmens? Man hält ihn. Doch von Statussymbolen wie etwa einem eigenen Jet hält er nichts: »Da müsste ich mich ja gleich entmündigen lassen. Der Selbermacher G Geprägt hat den ehemaligen Waldorfschüler die Nachkriegszeit in Hannover. was ich kaufe oder verkaufe?« Längst gehört Rahe zu den Vorzeigeunternehmern in Mecklenburg-Vorpommern. »Es herrschte eine unglaublich aufgeladene Stimmung«. wenn er Zeit hat. Einstecktuch. Rahe ist geschäftsführender Gesellschafter. Nach dem Telefonat greift er den Gesprächsfaden bruchlos wieder auf. das Stammkapital wurde aus Eigenmitteln auf 100 Millionen Euro erhöht. hat der Chef das nicht so gern«. Dessen Touristikmarke A-Rosa etwa prangt an Kreuzfahrtschiffen auf Donau und Rhône sowie an Luxushotels. Drei Sekretärinnen koordinieren die Termine. sagt sie. »Wir warten und entscheiden. wo Rahe demnächst ein weiteres Hotel eröffnet. Heute steht Rahes Präventionsinstitut kurz vor der Eröffnung. 1978 kauft Rahe die Reederei Alfred C. 1993 die Deutsche Seereederei in Rostock. sagt eine. Rahe ist Vizepräsident der Rostocker Industrie.und Handelskammer. will er in den Osten. Auf Rahes Schreibtisch herrscht peinliche Ordnung. Seit 1971 arbeitet sie im Hotel Neptun in Warnemünde. dem Mann zu folgen. Tourismus und Finanzdienstleistungen. sagt er. begeht Untreue. erinnert sich sein heutiger Fahrer. im Gegenzug herrscht noch heute einvernehmliches Schweigen über den Kaufpreis der DSR. sie würde das Spektrum seiner DSR abrunden und gleichzeitig nochmals erweitern. »Ich habe ihr nicht genug freie Hand gelassen – bei meinen Vorständen gelingt mir das viel besser. er zählt zu den 300 reichsten Deutschen. freute er sich auf die Zusammenarbeit. sei er angestellt gewesen. hatte 1994 das erste Mal mit Rahe zu tun: »Er hat uns unsere Geschichte gelassen und uns als gleichberechtigte Partner akzeptiert«. Das erste Aida-Clubschiff startet 1996. sagt deshalb Rahe. »Aber er hat uns keine falschen Verbrüderungsangebote gemacht. wenig später hagelt es Fakten aus Anti-Aging-Forschung und Präventivmedizin. Perfekte Organisation schafft Klarheit. an den jetzt A-Rosa anknüpfen soll. etwas gestalten. darauf ist er stolz. die 2004 einen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro machte. Mitte des Jahres eröffnet in Hamburg sein Premedion-Institut. er ist manchmal zu nachgiebig«. Ehrensenator der Hochschule für Musik und Theater. sagt er. wollen das halbstaatliche Unternehmen wohl verkaufen. solider Ehering aus Gold. Ein »Hamburger Kaufmann«. die Unterscheidung ist doch Quatsch«. Immobilien. sei er nie gewesen. Am 3. Jacob an der Elbchaussee. an einem großen ovalen Tisch. Rahe und Schues mussten bis Ende 1997 gut 750 Millionen Mark investieren. Schon einmal. Auf die Minute pünktlich betritt er den Raum aus seinem angrenzenden Büro. 1975 gründet er das Emissionshaus Norddeutsche Vermögensanlage im Schiffs. energisch klopft er auf die Tischplatte. »In der Schule mussten wir Briketts schleppen. was er geleistet hat. die erstmals eine jüngere Zielgruppe erschlossen. Auch Rahe selbst sei immer wieder dabei und zeige ehrliches Interesse. Merkel. Ein eleganter. Die Unternehmensgruppe Deutsche Seereederei (DSR) logiert in zwei historischen Silos am Stadthafen.« »Soll ich mir von solchen Harvard-Jungs etwa Vorschriften machen lassen?« Während Rahe erzählt. Er war zu einem wohlhabenden Unternehmer geworden. Rahe als Retter der DSR? Womöglich gar beispielhaft. Auch sein Expartner Schues will sich nicht mehr über Rahe äußern. Juni 1993 fällt die Entscheidung zugunsten der Hamburger Unternehmer und gegen den zweiten Bewerber. mit Kunst auf dem Kai und einer Bar im obersten Stockwerk. nicht jedoch den beiden Mittelständlern. Schues übernahm die Handelsschifffahrt der DSR. Frank Kletzsch. »Ich habe die Selbstständigkeit nie als Risiko. revolutionierte Rahe einst die deutsche Kreuzfahrt. sagt Horst Rahe schmunzelnd.« Nun mache er an den Enkeln alles wieder gut. die Deutsche Bahn und das dänische Transportministerium. Und Justiziarin Busch meint sogar. »mit Weste«. Zusammen mit dem Hamburger Reeder Nikolaus W. nicht zur Generation der Grundigs und Quandts gehört zu haben: »Ich wollte immer schon etwas aufbauen. Mit etlichen Stiftungen fördert er Künstler. Dort ist von »Ausverkauf« die Rede. und davon hat er viele.« Klaus Wenzel. Dort gehört ihm das noble Hotel Louis C. 3 DIE ZEIT S. in einem Rostocker Gymnasium unterrichtet er Abiturienten zum Thema Unternehmensgründung. vor vier Jahren. Eine Vorstellung. Mit 27 wird er dann Miteigentümer einer Immobilienfirma. Man merkte sofort: Der will hier was erreichen. aber eigentlich ist das für ihn unvorstellbar: »Soll ich mir etwa von solchen Harvard-Jungs vorschreiben lassen. Und wenn das Ergebnis eine Erholungskur nahelegt. 30 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: A-ROSA Reisen Foto: Oliver Hardt /imago . wenn die Ausschreibung vorliegt«. »Wenn da Leute Mist bauen. »Sicher kümmert er sich. Später wird er sagen. und Hunger hatten wir immer«. Die Auflagen der Treuhand schnürten den Neueigentümern zunächst fast die Luft ab. Niemals wieder. sagt der 66-Jährige. der seit 1985 zum Betrieb gehört. Eher zurückhaltend. Januar 2006 DIE ZEIT Nr.« In Hamburg hat er allerdings formal seinen ersten Wohnsitz. wie es in der Presse immer wieder heißt. Rostock und der Schweiz. Als er es radikal modernisier- te. Scandlines ist Europas größte Fährreederei. wo die Kurse wieder steigen? Na ja. bitte. der DSR-Betriebsrat kündigt Schiffsbesetzungen und einen Streik an. Das kann er sich leisten. 3 DIE ZEIT S.de/audio " Erfinder der Party-Dampfer Horst Rahe wird 1939 in Hannover geboren. obwohl man sich angeblich einvernehmlich getrennt hat. Wohlhabende Privatleute genau wie leitende Angestellte von Unternehmen werden dort professionell durchgecheckt. Im dritten Stock empfängt Rahe seine Besucher. »Wenn schon Hanse. Die beiden Partner trennten sich. 2004 stiegen die Umsätze der Holding auf 187 Millionen Euro. Als Rahe dann das Hotel Jacob – eigentlich für die Tochter – kaufte. Krawattennadel. und doch ganz der Geschäftsmann. »Ich finde. schon damals war die Rostocker Reederei als Käufer im Gespräch. dass ihr Chef gelegentlich etwas autoritärer auftreten sollte. Töpfer.zeit. handeln. Entsprechend wurde Rahe noch nie zum traditionsreichen Hamburger Matthiae-Mahl ins Rathaus eingeladen. hat er Zeit?« Seit Jahren pendelt Rahe zwischen Hamburg. Und schon hält er Ausschau nach wieder neuen Projekten. sondern stets als Herausforderung gesehen. Tanja Schmittner relativiert das mit einem etwas bitteren Lachen. schaffen – das ist Rahes Credo. Schweiz? Steuern zahle er in Deutschland. dann fühlen wir uns hier in Rostock viel wohler. hatte sich Rahe bereits im Immobilien. doch Rahe sah das mit Humor: »Wer wirtschaftlich tätig ist. ein Joint Venture zwischen der DSR und der Hamburger Uniklinik Eppendorf. Bei Rahe blieb der Bereich Touristik und Hotels – er schaffte die Wende. »Hürden sind dafür da. der weiß. Nach dem BWL-Studium und dem ersten Job bei einem Steuerberater kauft sich der begeisterte Sportler (»Ich bin auf Schlittschuhen am Maschsee groß geworden«) vom ersten Gehalt zwei Anzüge. Die Aida-Sparte verkauft Rahe 2004 und baut nun die Marke A-Rosa mit Kreuzfahrtschiffen und Luxushotels auf Nr. Mehr als 2000 Menschen arbeiten heute für die DSR in den verschiedenen Tochtergesellschaften. wie die Liste des manager magazins belegt. Ein Mäzen der Stadt. betont er schnell.« Ihm reicht der Audi. sagt Rahe. dass nur Rahe als Chef blieb. Die mittlerweile verkauften Aida-Club-Kreuzfahrtschiffe der Tochterfirma Arkona-Touristik waren ein großer Erfolg. das heute ebenfalls zum Rahe-Reich gehört.« Viele Mitarbeiter seien froh gewesen. man solle »nie nie sagen«. sitzt er kerzengerade. stänkerten die vornehmen Hanseaten.« Nur passt so etwas eben nicht zum Klischee eines klassischen Hamburger Kaufmanns. überwunden zu werden. Jetzt. der wie all seine Firmenwagen ein Rostocker Kennzeichen trägt.« Machen. In welcher Höhe? Das verrät er nicht. 1993. Die Zusammenarbeit mit der Tochter hat nicht geklappt Für Tochter Tanja habe er früher nie genug Zeit gehabt. Ein sonniger Vormittag in Rostock. die ihn auch zurück zur Schifffahrt führen dürfen. in einem Timer notiert er in winziger Handschrift seine Ideen. 2500 der damals noch 3000 Arbeitsplätze sowie den Standort Rostock erhalten. schlanker Mann Mitte sechzig. Zurück zur klassischen Schifffahrt lautet eine. Doch die scheiterte. Sie war damals bereits seit zwei Jahrzehnten bei der ehemaligen Staatsreederei und ist heute Justiziarin der DSR. Durch Mitarbeitertage und regelmäßige Treffen mit dem Konzernbetriebsrat sei ein Gemeinschaftsgefühl entstanden.Wellness in Luxushotels: Horst Rahe hat aus der Staatsreederei der DDR einen modernen Touristikkonzern geformt VON DOROTHEA HEINTZE ar nicht so einfach. bestätigt Betriebsrätin Ute Völske. Schues bewirbt er sich bei der Treuhand um den Kauf der Deutschen Seereederei in Rostock.Nr. Das habe er schon in der ersten Betriebsversammlung rübergebracht. Die beiden derzeitigen Eigentümer. empfiehlt sich dafür zum Beispiel Travemünde oder auch Kitzbühel.« Als die innerdeutsche Mauer fiel. die sechs Tochtergesellschaften befassen sich mit Schifffahrt.und Anlagegeschäft sowie als Reeder in Hamburg einen Namen gemacht. Als Chef seines Unternehmens ist Rahe beliebt. dass er es immer bedauert habe. besonders innovativ? Kein Kommentar beim Verband Deutscher Reeder in Hamburg. was wir können. er will die Mauer nicht im Kopf konservieren. 30 SCHWARZ cyan magenta yellow 30 WIRTSCHAFT 12. Mit den Aida-Schiffen. aber: »Wir reinvestieren. sagt Rahe. Zwischendurch meldet sich noch das Handy mit einem Hahnenschrei als Klingelton – »mein Warnsystem vor der Vogelgrippe«. Schröder. für »exotisch«. »Selbstverständlich« mache er Gewinn. die Bremer Vulkan.« Ob er an einen Börsengang denke? Jetzt. seit über 20 Jahren Hoteldirektor des Neptuns in Warnemünde. gab es solche Überlegungen. Eben noch referierte er über die Wachstumschancen der Kreuzschifffahrt auf dem deutschen Markt. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft steigt er 1966 ins Immobiliengeschäft ein und baut das Ostsee-Ferienzentrum Damp 2000. bedauert er. die einen Unternehmer wie Rahe reizen muss. die sie ausgerechnet in einen Hotelund Touristikkonzern umbauen wollten. Audio a www. könnte er gerne mal auf den Tisch hauen. »Ossi – Wessi. 41 Effektivzins Turbulenzen für jeden neuen Notenbankchef Wert des Dow Jones seit Amtsantritt Arthur F.5 PLUS in Prozent Zinsen Anlagedauer Stand: 09. 18. der seit 1990 den Posten des Chefvolkswirts der zweitwichtigsten Notenbank der Welt innehat – erst bei der Bundesbank. 3 DIE ZEIT S. Wer Issings Aufgaben im Juni übernimmt. Anleihen Pfandbriefe Hypothekenzinsen von Banken 0. Dieser Eindruck geht auf das Jahr 2003 zurück. die »Technologie Gelddruckmaschine« ins Spiel brachte.75 .2 III/04-III/05 4.45 2. Wie schon 2005 steht der deutsche Aktienmarkt bei europäischen Investoren aber ganz oben auf der Agenda. 1. um sein auch 2005 gestiegenes Leistungsbilanzdefizit finanzieren zu können. der bei der Fed gearbeitet und als Frankfurter Professor für Geldtheorie an Forschungsprojekten der EZB teilgenommen hat. DaimlerChrysler – 2005 war ein Jahr der großen Korruptionsskandale.07 3. wogegen man sich absichern möchte. ist sich Jan Hatzius. Auch eine Aufteilung der mächtigen Ressorts ist in der Diskussion.06 Konjunktur Kennziffern ausgewählter Länder Länder Angaben in Prozent 02/1970 01/1971 03/1978 02/1979 BIPArbeitslosenWachstum rate zum Vj. Der nächste Notenbankchef der USA muss sich ihr Vertrauen erst noch verdienen Von Robert von Heusinger 1707 1493 1308 1054 ZEIT-Grafik/Quelle: Thomson Financial Procter & Gamble und Gillette. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. hoch riskante Rentenpapiere von Schwellenländern oder wackeligen Konzernen. sagt Thorsten Polleit. dem Italiener Lorenzo Bini-Smaghi sowie der Österreicherin Gertrude Tumpel-Gugerell. Aktien Entwicklung des Aktienindex Euro Stoxx 50 in den vergangenen drei Monaten 3700 3650 3600 3550 3500 3450 3400 3350 3300 3250 3200 Der Neue ist Inflationsexperte – nützen wird ihm das kaum Vertrauen kann man aber nicht vererben. Falsch machen konnten die Investoren in den vergangenen zwölf Monaten nichts. Gold überzugewichten.8 11/05 2. ganz zu schweigen von Aktien. Immerhin gilt der Euro als Alternative zum Dollar.6 III/04-III/05 5. einen regelrechten Crash am Anleihemarkt aus. wenn man nicht genau weiß. Zu diesem Ergebnis kommt die Deutsche Bank.1970 (Index=100) 115 110 105 100 95 90 85 80 Kurs des Dollar seit Amtsantritt William Miller am 8. Drei Direktoren werden Chancen eingeräumt: dem Griechen Loukas Papademos. der Chefvolkswirt für Amerika bei Goldman Sachs. zwar sicher. mit einem Gesamtvolumen von mehr als 2. Denn Inflation ist nach wie vor kein Thema.00 0. wie sie kein anderes Vorstandsmitglied einer Notenbank besitze. Auf lange Sicht scheinen auch andere Anlageformen interessant. Weniger Wirtschaftskriminalität Zahl der als „Wirtschaftskriminalität“ eingestuften Straftaten in Deutschland 110 000 100 000 90 000 80 000 2000 ZEIT-Grafik/Quelle: BKA 110 018 90 706 86 030 86 149 81 134 2001 2002 2003 2004 VW. sagt Roach. Paul Volcker löste mit seinen harten Zinserhöhungen. außer: nicht investiert zu sein. das er in.30 Uhr. »Viele Investoren haben sich in dem gelben Metall für eine bevorstehende Dollarkorrektur positioniert«. Jim O’Neill. Der Dollar verlor in den ersten Tagen fast vier Cent gegenüber dem Euro. der an die Wirksamkeit von Zinsänderungen glaube EURO STOXX 50 OKTOBER NOVEMBER DEZEMBER Der Goldpreis ist ein Vorbote der kommenden Unruhe Kurzfristig dürfte die Erwartung einer lockeren Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks zumindest die Anleger am Rentenmarkt kaum stören. 3-Monats-Änderungen Tops und Flops Entwicklung der drei besten und schlechtesten Branchen im Index MSCI Welt in den vergangenen vier Wochen Grundstoffe Industriewerte Informationstechnologie Energie Telekommunikation nicht zyklische Konsumgüter + 7. nämlich der Inflation.8 III/04-III/05 4. Der dienstälteste EZB-Direktor war beim Übergang von D-Mark zu Euro der Garant der deutschen Stabilitätskultur. Deshalb setzt er auf Gold. Für den Hedge-FondsManager von Arsago ist mehr Inflation die logische Folge der erfolgreich betriebenen Wiederbelebung der globalen Wirtschaft durch die großen Notenbanken nach dem Aktienmarktcrash zur Jahrtausendwende. 31 SCHWARZ cyan magenta yellow . Dass ihm das viel nützt.33 .4. Moderat auch die Prognose für den Aktienmarkt: Der Dax wird im Schnitt auf 5717 Punkte zum Jahresende geschätzt. die das Vertrauen in den Dollar wiederherstellten. Höhere Volatilität ist der Titel des aktuellen Devisenmarktkommentars der Investmentbank Bear Stearns.00 1. sagt er und empfiehlt. Die Schwankungsanfälligkeit der Devisenkurse sei in den vergangenen Jahren ziemlich gering gewesen. William Miller erlebte eine Dollarkrise. das in Phasen hoher Inflation immer als Absicherung vor Realwertverlusten gedient hat und zuletzt als Anlageklasse wiederentdeckt wurde. deutlich näher als Issing. sagt Rolf Elgeti. Der Wechsel in der EZB steigert die Unwägbarkeit noch. Während bei der Fed der volkswirtschaftliche Stab dem obersten Führungsgremium.7 11/05 1.75 1. In Postillen der Hedge-Fonds-Manager wird der Neue dagegen als »Helikopter-Ben« verunglimpft.00 .95 1. »Bei allen anderen Kandidaten wäre die Unsicherheit größer«. mögen Geldverwalter nicht. UniCredit und HypoVereinsbank. »An Issings Reputation als Stabilitätspolitiker kommt keiner der potenziellen Nachfolger ran«. Mehr Schwankungen. Das ist aus Sicht der Anleger die wichtigste Eigenschaft. seine Prognosen vorträgt.« Gold – der Vorbote der Turbulenzen? Mag auch auf Aktien. Dafür steigen die Löhne nicht nur in Euroland. Chefökonom der US-Investmentbank Morgan Stanley. Es gebe keinen Grund anzunehmen.90 1. Zwar soll Bundesbankvorstand Jürgen Stark als deutsches Mitglied in den Rat nachrücken. die im Zweifel die Zinsen eher senkt als erhöht.4 %) * Stand: 10.27 .1979 (in %) 13 12 11 10 9 8 08/1979 07/1980 Wert des Dow Jones seit Amtsantritt Alan Greenspan am 11. auch empirische Studien belegen. urbulent sind die internationalen Finanzmärkte ins neue Jahr gestartet.3 11/05 1.4 %) (+ 7. Ob Rohstoffe.8. Issing im Zweifel für eine Zinserhöhung plädiert – eines ist beiden gemein: Sie sind mit den Jahren berechenbar geworden. unkte Steven Roach. auf allem standen am Ende dicke Pluszeichen.1987 (Index=100) 105 100 95 90 85 80 75 70 65 Deutschland Euroland USA Japan Niederlande 1. Infineon. Hier Otmar Issing.und Anleihemärkten von einer neuen Unsicherheit noch nicht viel zu spüren sein. Das ruhige und ertragreiche Jahr 2005 wird sich so nicht wiederholen.3 III/04-III/05 9. allerdings mehr für den Fall eines Dollarcrashs. »Die Geschichte lehrt uns.5.de/herdentrieb Weltbörsen* Dax S & P 500 Nikkei 5495 1287 16 124 (+ 9. Nicht nur Anekdoten. Vom gegenwärtigen Niveau aus entspräche das einem Anstieg von weniger als fünf Prozent. Februar Greenspan beerben wird. Am Montag dieser Woche sprang er auf 550 Dollar – so hoch wie zuletzt vor 25 Jahren. 31 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. vor allem der Devisenmarkt. Das jüngste Lagebild Wirtschaftskriminalität des Bundeskriminalamts liefert nur die Daten von 2004. um den Gegenwert von zehn Milliarden Dollar Staatsschulden unterzubringen. »Das dürfte sich ändern«. Fondsmanager und Analysten. Solche Gedankenspiele. Stattdessen könne er vor einer Dollarkrise stehen und steigenden Anleihezinsen.9 %) TecDax Nasdaq Dow Jones 629 10 994 (+ 4. Auch Jean-Luc Buchalet. Auch der Anleihemarkt leidet im ersten Amtsjahr unter einer höheren Volatilität – nach den Berechnungen der Deutschen Bank stieg sie nach den Amtswechseln um auf diesem Markt signifikante 0.15 2.Nr. das Unerwartete zu erwarten. um eine Depression wie in den dreißiger Jahren zu verhindern. »Langfristig führt eine weltweit expansive Geldpolitik zu steigender Inflation und schwachen Anleihen«.0 12/05 Renditeentwicklung der US-Staatsanleihen seit Amtsantritt Paul Volcker am 6. Das Edelmetall. Zwar ist der Neue. Zwar ist die Zahl der Deals global nur leicht gestiegen.3.zeit. i Die aktuelle Wette in Robert von Heusingers Weblog: www.-Quartal Inflationsrate 2.3. wenn Amerikas zweithärtester Job übergeben wird«. Unter den grenzüberschreitenden Deals war die Kaufofferte der Telefónica für O2 mit knapp 32 Milliarden Dollar der größte. sagt Chefanalyst Steve Barrow. mehr Unsicherheit. sagt ein Insider. Nur sie schafft Vertrauen und mindert so an den hektischen Finanzmärkten die Unsicherheit.10 2. so richtig sie 2003 waren.2. Dort Alan Greenspan.Dies waren zwar nur 1. glaubt Volker Wieland. Der wichtigste Unterschied: In Amerika wie Euroland verabschieden sich die stärksten Notenbanker in den Ruhestand. Hätte der Stab mehr Einfluss. T " DIE WELT IN ZAHLEN Mehr Fusionen Zahl der 2005 angekündigten Fusionen und Übernahmen in ausgewählten Ländern USA Großbritannien Australien China Kanada Deutschland Frankreich 2425 1857 9045 Bitte anschnallen! Den Finanzmärkten steht ein aufregendes Jahr bevor. Issing. eigene Recherchen Nr. Im Schnitt rechnen 37 vom Handelsblatt befragte Banken mit einem leichten Anstieg der Rendite bei den zehnjährigen Bundesanleihen auf 3.3 + 5. sondern inzwischen auch in Amerika zu langsam.85 1. Issing erklärt die wirtschaftliche Lage und die Prognosen. kurz nach der Ernennung von Ben Bernanke zum Nachfolger Greenspans. Amerika sei so sehr wie noch nie auf das Vertrauen des Auslands angewiesen.8.3 11/05 2.1 + 3.06 Illustration: Peter M. 2006.39 3.3.5 III/04-III/05 8. der deutsche Ökonom. unklar ist aber die Nachfolge auf dem Posten des Chefvolkswirts. sichere Staatsanleihen.3 Globale Märkte WIRTSCHAFT 31 und aggressiv die Inflation zu kontrollieren versuche – in beide Richtungen. »In dem Punkt herrscht Einigkeit«.80 1.1978 (in DM) 2. Viele Investoren sorgten sich.01.0 11/05 3.6 11/05 1. Dollar zu kaufen.4 %) (+ 8. weltweit der oberste Ökonom von Goldman Sachs. Bush in Wirtschaftsfragen beraten. Jeden Tag braucht das Land drei Milliarden Dollar Zuflüsse. gelangen die Erkenntnisse des Stabs in der EZB nur durch Issing gefiltert in das Entscheidungsgremium. sieht darin einen »sicheren Hafen«. der Preis der Unze Gold hat seit Bernankes Ernennung im Oktober gut 20 Prozent oder knapp 100 Dollar zugelegt. dass die ersten Amtsjahre mit besonderer Unsicherheit behaftet sind. wäre der Übergang einfacher.7 Billionen US-Dollar legte der Markt für Unternehmenskäufe aber gegenüber dem Vorjahr um mehr als 38 Prozent zu.98 3. »Es wird der EZB schwerer fallen als der Fed. für Kontinuität zu sorgen«.25 .3 %) 2316 (+ 11.9 + 2. der bei jedem ersten Zeichen einer Konjunkturschwäche kräftig die Zinsen senken. der mit einem Problem konfrontiert werde. die mit Abstand meisten davon in den USA.0 + 2. sieht im Gold »die Absicherung. Chefstratege der amerikanisch-französischen Research-Firma Factset. Japans Aktienindex Nikkei 40 Prozent. Auch wenn Greenspan im Zweifel die Zinsen senkt. So lagen die Schwankungen im Dow Jones im ersten Amtsjahr eines neuen Fed-Präsidenten durchschnittlich mehr als fünf Prozentpunkte höher als in den darauf folgenden fünf Jahren der Amtszeit. der als Kopf der Federal Reserve (Fed) die Geschicke der Weltleitwährung Dollar seit 1987 leitet.88 3. den Rat. Was ihm für die Wechselkurse schwant. wird jedoch bezweifelt. die man braucht. Elgeti sieht den Dax bei 6000 Punkten und empfiehlt. zur Not Geldscheine mit dem Hubschrauber abwerfen und einen Anstieg der Inflation hinnehmen werde. Alan Greenspan sah sich kurz nach Amtsantritt mit dem größten Tagesverlust des Börsenindex Dow Jones konfrontiert und bewies mit sofortigen Zinssenkungen sein Gespür für die nervösen Finanzmärkte. Hat die Wirtschaftskriminalität also insgesamt zugenommen? Schwer zu sagen. sagt Klaus Sterzik. »ist der heimliche Chef« der EZB. Er schätzt Bernanke als »geldpolitischen Aktivisten« ein. Amerika war nicht mehr in der Lage. europäischen Aktien den Vorzug vor amerikanischen zu geben. Demnach ist die Zahl der einschlägigen Straftaten auf 81 134 zurückgegangen.2 12/05 11/05 ZEIT-Grafik/Quelle: Datastream 3. der Wunschkandidat der Händler.05 2. dieser verzeichnete den zweitstärksten Anstieg in einer Woche seit seiner Einführung 1999. In der Vergangenheit hat es jeweils im ersten Jahr eines neuen Fed-Chefs an einem Markt ordentlich gescheppert (siehe Grafiken). Kredite in eigener Währung aufzunehmen.4 %) (+ 21.72 Prozent.9 Prozent des registrierten Schadens durch kriminelle Handlungen. Er hat für die Fed gearbeitet und Präsident George W. wenn es um den Status der internationalen Leitwährung geht. Sein Lieblingsgebiet: Inflationsziele. 2006 wird vieles anders verlaufen. der am 1.70 2. Durch seine langjährige Erfahrung und seine Verantwortung für die Ressorts Volkswirtschaft und Forschung habe er eine Machtfülle angehäuft.40 .15 Prozentpunkte. adidas und Reebok – 2005 wurden viele neue Fusionen und Übernahmen bekannt gegeben. Der Aktienmarktstratege von ABN Amro hat jüngst knapp 200 Großanleger besucht. Deutschland-Volkswirt bei der Barclays Bank. das Wachstum der US-Wirtschaft könnte sich deutlich abschwächen. Burns am 1. Issing bereitet die Entscheidungen vor und stellt diese dann zur Diskussion. dann bei der Europäischen Zentralbank (EZB). ist noch nicht entschieden.3 + 5. Der Deutsche Aktienindex Dax gewann 27 Prozent. Der damalige US-Präsident Jimmy Carter musste die ausländischen Märkte anzapfen. In Europa sei sowohl die Gewinnentwicklung als auch die Bewertung attraktiver.97 2. dem Board.4.und auswendig kenne. oder die asiatischen Zentralbanken könnten aufhören. Nach Angaben des Finanzdienstes Thomson Financial gab es weltweit 32 568 Transaktionen.70 3.8 11/05 08/1987 07/1987 ZEIT-Grafik/Quelle: Bloomberg.4. Alle drei stehen der angelsächsischen Geldpolitik. 3 DIE ZEIT S. als Bernanke mit Blick auf die Gefahr einer Deflation. Hoffmann für DIE ZEIT Täglich verfügbare Anlage 1 Monat 1 Jahr 5 Jahre 6 Jahre 7 Jahre 10 Jahre Termingeld (Zinsen) Finanzierungsschätze Bundesobligationen Serie 147 Bundesschatzbriefe Typ A Bundesschatzbriefe Typ B Sparbriefe (Zinsen) Börsennotierte öff. der Ende Mai ausscheiden wird.5 -0.70 5 Jahre fest 10 Jahre fest 3. Darüber hinaus gilt Bernanke auch in der Wissenschaft als Geldexperte und Starökonom. könnte zum Motto des Jahres 2006 an allen Finanzmärkten avancieren. Bei Arthur Burns mussten die Aktionäre zittern.22 Prozent aller polizeilich registrierten Delikte – sie verursachten aber 53. Bernanke solle der erste FedVorsitzende sein. also sinkender Preise.63 .2. Wirklich? Der Ökonom Ullrich Heilemann. die Geschäftsberichte des im S-Dax notierten Unternehmens errangen erst jüngst in einem Ranking über alle Börsenindizes hinweg den zweiten Platz – hinter BASF. künftig im Koalitionsausschuss mitzuverhandeln. wenn sie den Bundeshaushalt in Ordnung bringt. dass Steinbrück an wichtigen Finanzentscheidungen gar nicht beteiligt wurde oder mangels Rückhalt nachgeben musste. warum die halt im nächsten Jahr aus dem Ruder läuft und Regierung einerseits die Sanierung des Budgets zu die Regierung ihre für 2007 proklamierten Ziele einem ihrer wichtigsten Ziele erklärt. als ihren Finanzminister zu sanieren. Die Reaktion fällt naturgemäß unterschiedlich aus. so die Forscher. die den meisten seiner Kollegen widerspricht. ist er nur. der in seinem ersten Ministeramt in der schleswig-holsteinischen Landesregierung nicht umsonst den Spitznamen »Leutnant« bekam. smi Frankreich: Profitsteuer Der Vorschlag begeisterte schon immer die Sozialisten aller Länder: Damit Unternehmen nicht länger Arbeiter durch Maschinen ersetzen. den Bundeshaushalt Wochen bei den vorbereitenden zu sanieren. 3 DIE ZEIT S. Erst Gas geben und dann abrupt bremsen – das kann auch versierte Regierungslenker ins Schleudern bringen. dem Schweizer Unternehmen Adecco. dass ihr Vater SPD wählt. Zumindest belegen sie. um Forderungen der anderen Minister nach Ausgaben abzuwehren. andererseits verfehlt. Das gilt auch für den Sozialdemokraten Peer Steinbrück in der Großen Koalition. Zimmermann. So habe die Aktie von DIS über die vergangenen zwei Jahre um 189 Prozent zugelegt. Bei anderen lediglich die Abneigung gegenüber den Schnöseln von der Jungen Union. Jetzt hat der französische Präsident Jacques Chirac den Grundgedanken dieser »Maschinensteuer« wieder aufgegriffen: Künftig soll sich der Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungen weniger an den Löhnen als am Betriebsergebnis orientieren. während sich kleine Firmen und Gewerkschaften über die Entlastung arbeitsintensiver Branchen freuen. sondern auch um Taten. einen harten Konsolidierungskurs einzuschlagen. mit dem die Regierung die Nettokreditaufnahme halbieren und zum ersten Mal seit Jahren wieder die Verschuldungsgrenzen des Grundgesetzes und des europäischen Stabilitätspakts einhalten will.Eichel ein warnendes Beispiel sein. Anfang 2002 avancierte er zum Finanzvorstand – und das ohne Abitur und im Alter von gerade einmal 26 Jahren. desto größer wird die Etatlücke. Je mehr bleibende Ausgaben und Steuervergünstigungen in diesem Jahr beschlossen werden. egal ob mit schwarzem oder mit rotem Parteibuch. Diese behauptet. Seit seinem Amtsantritt hat de Daniel. politisch nach links zu rücken. wenn ihr Finanzminister ein strenges Regiment führen kann Von Wilfried Herz in erfolgreicher Finanzminister muss hart und stark sein. Der Konzern erzielte 2004 einen Umsatz von 17.Er muss diese Stärke nutzen. Der einstige Kopf der gleichnamigen Kaffeerösterei hatte Adecco seit dem Rücktritt von Vorstandschef Jerôme Caille im November übergangsweise selbst geführt.auch dem gesamten schwarz-roten Kabinett sollhin mehr als Steinbrücks Vorgänger Hans Eichel te das Schicksal von Steinbrücks Vorgänger Hans (SPD) und Theo Waigel (CSU) in ihren schlimms. Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). belastet werden. Immerhin sind die Löcher im Haushalt deutlich gewachsen. wenn sie den Bundeshaushalt überstrapazieren würden. Die Weichen für den Sparetat im nächsten Chefgesprächen mit den übrigen Kabinettsmitgliedern viele Male Jahr müssen schon heute gestellt werden nein sagen. Dem Finanzminister. bei Analysten Ansehen erworben. Insbesondere die Personalie de Daniel sorgt für Aufsehen. Mithin eine Mogelpackung mit interessantem Inhalt – und der Beleg dafür. Einer bislang eher unbekannten Ursache linker Überzeugungen sind nun jedoch der britische Wirtschaftswissenschaftler Andrew Oswald von der Universität Warwick und sein thailändischer Kollege Süsser Fratz – will sie wirklich. Hier zusätzliche Milliardenbeträge für die Europäische Union oder die Kom- E Nattavudh Powdthavee von der Universität London auf die Spur gekommen: Es sind die Töchter. aktualisierte und (wie Autoren gern hinzufügen) verbesserte Neuauflage. Mit einem vertraulichen Wort hinter verschlossenen Türen hätte Steinbrück vermutlich größere Wirkung erzielt. Ende wäre auch für die Staatsfinanzen nichts ge. 32 SCHWARZ cyan magenta yellow 32 WIRTSCHAFT 12. Tatsächlich muss der der gesamten schwarz-roten Bundesregierung hat der Finanzminister in den kommenden Finanzminister keine Chance. Laut Koalitionsvertrag würden insbesondere die bei der Bundesagentur für Arbeit geplanten Einsparungen die für 2006 beabsichtigten Entlastungen von Bürgern und Unternehmen zunichte machen. täten gut daran. Die Regierungsmitglieder. wie Steinbrück zu nur hart tun. dessen Entwurf die Regierung Ende Februar verabschieden will. Ähnliches hatten die beiden Ökonomen schon für Großbritannien herausgefunden. Leistungsfähige Großbetriebe sehen sich für ihre hohe Produktivität bestraft. ramponiert ihren Finanzminister. solle der Staat die Steuerlast auf Löhne sen- Recht sagt. dass selbst Ökonomen nicht jedes Jahr etwas Neues einfällt. Doch weitaus gravierender als die atmosphärischen Störungen war. keine guten Zeichen für die Zukunft. dass er die Rolle des bad guy. Die Geburt eines Sohnes dagegen lässt ihn eher zur Union tendieren. dass alle Beteiligten noch dazulernen müssen. um 2. dass unrentable Manufakturen unterstützt und kapitalintensive Unternehmen. als seischwungs gleich wieder zertrampeln – und am ne Kritiker in der Regierungskoalition glauben. hat nun eine Berechnung vorgelegt. Der Finanzminister muss schon im Bundeshaushalt für das laufende Jahr. Auch die Koautoren sind ausgewiesene Experten. die in Forschung und Entwicklung investieren. Tatsächlich bedeutet der Präsidentenvorschlag im Extremfall. Das wäre unweigerlich mit einem drastisch zusammenzustreichen würde das noch erheblichen Vertrauensverlust in der Bevölkerung recht zarte Pflänzchen eines Wirtschaftsauf. »Merkel-Aufschwung«. Das Taschenbuch ist also eine erweiterte. zur Nagelprobe für den Berliner Kassenchef.oder zweistellige Millionensümmchen als zusätzliche Hilfen für Kinderbetreuung oder Dienstleistungen in Privathaushalten – eine verlässliche Haushaltspolitik wird anders betrieben. Allerdings war dem Finanzminister von Anfang an bewusst. Die meisten französischen Fachleute reden deshalb längst über andere Lösungen: Erst müssten die hohen Sozialabgaben sinken. Doch wie weit reicht die Rückendeckung im Regierungslager. Es spricht allerdings für die Lernfähigkeit aller Beteiligten. Dass bei den gewichtigsten Entscheidungen die CDU-Kanzlerin Merkel und der SPD-Vizekanzler Franz Müntefering die Urheber waren. sehe die Welt stärker aus deren Sicht und ändere deswegen seine politischen Präferenzen. Es gibt nun einmal. Das gilt im Prinzip auch für das bei dtv erschienene Taschenbuch Deutschland – was nun?. dass der Finanzminister »auf ihre volle Unterstützung und die des ganzen Kabinetts zählen« könne – wenn es nicht bloß bei diesen Worten bleibt. Deshalb wird nicht erst der Bundeshaushalt 2007. Als Analyst hatte er einst den Börsengang von DIS betreut.3 " MACHER & MÄRKTE Wachstum: Merkel-Effekt Kaum ist die neue Bundesregierung ein paar Monate an der Macht. die Staatsausgaben zunächst erhöhen und erst im nächsten Jahr den Haushalt konsolidieren zu wollen. Umgekehrt waren die mehr oder weniger offenen Sticheleien gegen Steinbrück. Denn es ist vor allem die Aufgabe Steinbrücks. Im Zuge der am Montag verkündeten Übernahme des deutschen Konkurrenten DIS wechseln dessen Vorstandschef Dieter Scheiff sowie Finanzvorstand Dominik de Daniel in gleicher Funktion zu Adecco – für Adeccos Großaktionär Klaus Jacobs einer der Hauptgründe für die Übernahme. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. um sich durchzusetzen. dann könne man über steuerliche Anreize zur Erhöhung der Beschäftigung sprechen. Denn ohne Glaubwürdigkeit. Auch dank der Großen Koalition. Eine Regierung. sto " ARGUMENT Töchter: Linksruck Bei manchen ist es das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit. Schon in diesem Jahr die Ausgaben allein zu lassen. Bei genauerem Hinsehen sei der anfangs verblüffende Zusammenhang durchaus plausibel. Statt eines Merkel-Aufschwungs sei eher ein »Merkel-Abschwung« zu erwarten. Stark genug. haben die forschen Sprüche eher geschadet als genutzt. Die im Koalitionsvertrag niedergeschriebene nen Mitregierenden zunehmend lästig wurden Absicht. Immerhin sind die übernommenen Aufsätze auf den neuesten Stand gebracht. Ein Konjunkturforscher nach dem anderen revidiert seine Prognose nach oben. Dennoch geht es nicht nur um überzeugende Worte. Da Frauen zum Beispiel noch immer weniger verdienten als Männer.Zimmermann. sondern negativ auf das Wachstum auswirken. Hans!«). für Steinbrück wirklich. die 2007 zu schließen ist. Insofern ist Steinbrück stärker. sondern auch hart sein. 32 SCHWARZ cyan magenta yellow . 3 DIE ZEIT S. Das zumindest scheint ihn nicht weiter zu grämen. die so handelt. mit denen er öffentlich seine Kabinettskollegen zur Haushaltsräson rufen wollte. Insofern hilft ihm die Versicherung von Angela Merkel auf der Kabinettsklausur im Schloss Genshagen. Dann kann er nicht wonnen. Wer eine Tochter aufziehe. dass er zu weich oder auch dass er sozial zu hart sei. Diese Urfassung Reformen – jetzt! brachte der Verlag Gabler auf den Markt. wenn er die Rückendeckung der Kanzlerin hat. dass ihm der HausBevölkerung verständlich zu machen. damit die Neuverschuldung im nächsten Jahr tatsächlich sinken kann. ist ein neues Wort in der Welt. dass einem das als Originalausgabe verkaufte Werk merkwürdig bekannt vorkommt.Nr. dass Steinbrück seinen Anspruch durchsetzen konnte. Selbstverständlich weiß Merkel genauso gut wie Steinbrück. so Heilemanns Fazit. macht es für Steinbrück nicht besser. dann verdient das Beachtung. dort ein. Mit dieser Politik der kontrollierten Offensive wird nach Ansicht vieler Beobachter das Wachstum in die deutsche Wirtschaft zurückkehren. aber in diesem Jahr deutlich mehr als vierzig Milliarden Euro an neuen Schulden aufnimmt – mit. des bösen Buben. gibt es viele.2 Milliarden Euro und bietet für DIS insgesamt 636 Millionen Euro. Jacobs sieht in dem heute 30Jährigen und Scheiff »das beste Managementteam der gesamten Branche«. ein »Spannungsverhältnis zwischen Haushaltskonsolidierung und Wachstumsförderung«. verspielte die rot-grüne Regierung viel ist im Prinzip durchaus richtig. der sich selbst einmal als Typ des »Ganz oder gar nicht« bezeichnete. bleibe hart Die Bundeskanzlerin wird nur Erfolg haben. dass die Koalition nur Erfolg hat. Des Rätsels Lösung: Von den 20 Beiträgen sind zehn vor zwei Jahren schon einmal erschienen – herausgegeben von Klaus F. der Ohne Rückendeckung Nr. dass Papa links wählt? Foto: mauritius images Peer Steinbrück. Direktor des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Leipzig. steige das Interesse an einer stärkeren Umverteilung sowie allgemein das Bedürfnis nach einem stärkeren Staat.verbunden.5 Prozentpunkte steigen. mit dem Finanzminister pfleglich umzugehen. uch ken und stattdessen die betriebliche Wertschöpfung besteuern. Als dessen ständige Mahnungen zur Haushaltsdisziplin seiten Jahren. Beides werde eher mit der SPD als mit der CDU/CSU verbunden. Hart muss er sein. Erstaunlich jedoch. mön " MURSCHETZ Zeitarbeit: Übernahme Bei der weltweit größten Zeitarbeitsfirma. Demnach wird sich das von Schwarz-Rot vorgelegte Konjunkturpaket nicht positiv. munen. Herausgegeben hat es Klaus F. Die Bundesregierung könnte keinen schlimWachstum und die damit stärker sprudelnden Steuereinnahmen wären die Bundesfinanzen nie meren Fehler begehen. wenn im konkreten Fall Leistungen gekürzt oder zusätzliche Ausgaben abgewehrt werden müssen? Die ersten Wochen im schwarz-roten Regierungsalltag haben trotz einiger Sparbeschlüsse für Skepsis gesorgt. seit Rot und Schwarz ihren Koalitionsvertrag schlossen. zunächst das Wirtschaftswachstum zu und Kanzler und Kabinett nicht mehr hinter fördern und erst mit einjähriger Verzögerung ihrem einstigen Star standen (»Lass gut sein. Nicht bloß dem amtierenden Finanzminister. uch Bücher: Neuauflage Wenn Ökonomen neue Ideen entwickeln und sie auch noch verständlich darstellen. Die beiden Wissenschaftler haben für die Jahre 1985 bis 2002 Umfragen zum Wahlverhalten der Bundesbürger ausgewertet und dabei festgestellt: Die Geburt einer Tochter lässt die Wahrscheinlichkeit. Gute Gründe. und zwar von Union und SPD. zeichnet sich ein Ende der Personalprobleme an der Spitze ab. Nur dann kann er die Gefahr meiden. die Weichen stellen. im Kabinett spielen müsste. sagt der US-Forscher Trinkaus. »Das Stück ist schließlich eine Ikone der deutschen Archäologie. Zusammen mit britischen Kollegen unternahm Trinkaus vor wenigen Monaten eine Neubestimmung des Fundes mit dem modernsten Radiokarbon-Messverfahren. auf dem Balkan bis in das westliche Asien und den Vorderen Orient. der Neandertaler sei gar nicht ausgestorben. »Der Mensch ist nicht die aggressivste Spezies auf dem Planeten«. Und Neandertaler beerdigten ihre Toten. berichtet Pääbos Kollege Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. hält Tattersall eine wenig erbauliche Einsicht parat. Was das angeht. an dem er den Frevel beging. Das bedeutet nicht. sondern das des Neandertalers. »dürften Begegnungen zwischen beiden Gruppen selten fröhlich verlaufen sein«. doch die Muskelansatzstellen auf ihren Skeletten lassen auf berserkerhafte Kräfte schließen. Die Indizien für eine viele Jahrtausende (von 35 000 bis 29 000 Jahre vor heutiger Zeit) währende Koexistenz bröckeln zusehends. dass der bis heute als Originalfund gehandelte Knochenschatz aus dem Neandertal in Wahrheit gar nicht der erste war: Schon Jahrzehnte zuvor waren fossile Überreste von Neandertalern in Belgien und bei Gibraltar zutage gekommen. 3 DIE ZEIT S. Ihre Botschaft ist ziemlich eindeutig. Albert Hofmann. Ihre Verbreitung zeigt vor allem eines: wie groß das über 200 000 Jahre währende Reich der Neandertaler wirklich war (siehe Karte Seite 34). meldete das Fachblatt Cell eine Sensation auf der Titelseite: Neandertals not our ancestors. dass sexuelle Abenteuer zwischen Mensch und Ureuropäern nie vorkamen. zu der Menschen auch heute fähig seien. Wo einst mit Spaten. Ihr Hirn war groß wie das des Menschen.Nr. Die Entdeckung im Jahr 1856 jedoch war ein Zufallsfund. Demnach konkurrierten Mensch und Neandertaler um Jagdgründe. dass Homo sapiens in größeren. An diesem Morgen im Sommer 1996 entriegelte der Vorgeschichtsforscher einen massiven Stahlschrank. Waren sie nur eine europäische Seitenlinie des Homo erectus. Zwei Neandertaler-Fossilien aus der Vindija-Grotte in Kroatien. im Rheinischen Landesmuseum Bonn werden dazu 250 Originalfossilien aus der ganzen Welt gezeigt (siehe Seite 35). Allerdings zeigte der Fund auch. »aber die Intelligenz. Nach Pääbos Erbanalyse waren die Neandertaler. wenn auch keine Belege für rituelle Bestattungen oder religiöse Zeremonien existieren. Césaire muss gepflegt worden sein. ihr mehr Nahrungskalorien abtrotzte. dass dafür die Ahnen der heutigen Europäer. Die von Svante Pääbo analysierten Gensequenzen belegen zwar. Wieso wurden sie. Denn das Opfer überlebte. der Aufstieg der Paläoanthropologie zu einem High-Tech-Gewerbe. denen die erste Datierung ein Alter von nur 28 000 und 29 000 Jahren attestiert hatte. werfe auch »neues Licht auf die Natur des Menschen«. Das liegt an einem nagenden Dauerproblem. nicht etwa unsere Vorfahren. dienten als einer der wichtigen Belege für ein langes Überleben der Neandertaler in Südosteuropa. durchleuchten die Überreste von Vormenschen in hoch auflösenden Computertomografen oder setzen Skelette virtuell zusammen (Seite 34). der einzigen Kraft. gesteht Schmitz. zumindest die der Neandertaler. Hunderte von Neandertal-Funden sind in den vergangenen 150 Jahren aufgetaucht. »Nach Untersuchung«. einer Revolution gleich. Schon wenn die Geburtenrate der Neandertaler durch die neue Konkurrenz um nur zwei Prozent unter die der Todesfälle rutschte. Denn auch der Neandertaler kann kaum als Typus des »edlen Wilden« durchgehen. sollen ihre Ergebnisse ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gestellt werden. sagt Tattersall. sagt Max-Planck-Forscher Hublin. dem Direktor des Neanderthal Museums Von andreas Sentker In moderner Kleidung würde der Neandertaler kaum auffallen. Und: »Sie sind alle tot. Manche meinen gar. wären sie ganz ohne Gewalteinwirkung der Invasoren binnen weniger Jahrhunderte von der Bildfläche verschwunden. Warum wurden die Neandertaler von den Menschen aus Afrika hinweggefegt? Schon ihre Herkunft ist weithin rätselhaft. mit der er seine Aggressivität einsetzt. dass die Evolution von Mensch und Neandertaler bereits seit einer halben Million Jahren auf getrennten Wegen verlief. was sie da in Händen hielten. »aber er war anscheinend kein großer Erfinder. mit kurzen Armen und Beinen. Zwölf Monate später. Denn letztlich. Praktisch alle Vorstellungen zum Leben. Das stellten die Zürcher Forscher Christoph Zollikofer und Marcia Ponce de León vor vier Jahren bei der erneuten Untersuchung eines Neandertaler-Schädels fest. Haben sie also. so sagt der amerikanische Anthropologe Ian Tattersall. Denn die Umstände ihres Aussterbens. meldete die Elberfelder Zeitung am 6. »Europa war eine eher menschenleere Welt. Césaire in Frankreich zum Vorschein gekommen war. sein Kontrahent hatte ihm eine spitze Waffe glatt durch die Schädeldecke gerammt. Januar 2006 WISSEN Der letzte Bruder alf Schmitz erinnert sich noch genau an den Tag. Mit ihnen rissen die afrikanischen Eroberer auch die letzten Nachfahren des Homo erectus in Südostasien und vermutlich auch die erst vor zwei Jahren auf der Insel Flores entdeckten zwergwüchsigen »Hobbits« ins Verderben.« Er selbst. Doch warum scheiterten die Neandertaler? Offensichtliche Gründe sind nicht erkennbar. macht ihn zum gefährlichsten Geschöpf der Evolution. Den Neandertalern habe es – trotz vergleichbaren Hirnvolumens – an »der Fähigkeit zu komplexer Sprache und abstraktem symbolischen Denken« gemangelt. »gehörte daß Wesen zu dem Geschlechte der Flachköpfe. Unbestritten ist. Außerdem scheinen die Neuankömm- linge aus Afrika bereits ein weit verzweigtes Fernhandelssystem mitgebracht zu haben. dass die sich jeden Morgen im Donautal getroffen haben«. kann man glatt vergessen«. zog einen der kostbarsten Kulturschätze Deutschlands heraus und befahl der Präparatorin Heike Krainitzki. notierten die Schweizer Forscher trocken. mutmaßt der Forscher. erforschen die Gelehrten heute die menschliche Evolution in Genlabors. So dürften Aufstieg und Fall der Neandertaler noch lange Zeit ein Mysterium bleiben. meinte das Blatt. der Energielieferanten in den Zellen. wenn auch knapp. dem die Auswanderung aus der afrikanischen Heimat gelang? Am meisten aber fasziniert die Gelehrten das finale Drama der Neandertaler: ihr Untergang vor etwa 30 000 Jahren. das die gesamte Zunft der Paläoanthropologen mürbt: Die Altersbestimmungen der meisten Fossilien sind reichlich unzuverlässig. In einem Steinbruch im Neandertal bargen Arbeiter 16 fossilierte Skelettteile. Der junge Mann muss eine Schädelfraktur erlitten haben. Und da seien die Ureinwohner Europas ihren afrikanischen Gegnern kognitiv unterlegen gewesen. 2006 ist für Archäologen nicht das Jahr Mozarts oder Freuds. sondern bestenfalls entfernte Verwandte. sei wohl anzunehmen. Damit schwindet indessen auch die Wahrscheinlichkeit für menschliche Übergriffe auf die Neandertalerin – und damit ein Lieblingsdisput der Fachwelt. Der Schwerverletzte aus St.« Zu klären sei. sagt Vormenschenforscher Hublin. behauptet der britische Paläoanthropologe Chris Stringer. der Hinterkopf runder. glaubt die Mehrzahl der Fachleute. sondern von den Invasoren durch Vermischung einfach aufgesogen worden. Aber sein Skelett unterscheidet sich deutlich von dem eines modernen Menschen Nr. die Knochenwunde war verheilt. Ein »ziemlich eigenartiges Gefühl« habe ihn beschlichen.« In der Tat zeigen die Forschungen. Angesichts der bislang bekannten Gendaten. steht neuerdings wieder infrage. Doch bald zwang der Fund die Menschheit zu einer schockierenden Erkenntnis: Offensichtlich war der Homo sapiens nur der Nachfolger früherer. Die »hohe Verletzungsgefahr durch Waffengewalt dürfte eine wichtige Rolle in der Evolution des Sozialverhaltens der Hominiden« gespielt haben. Die Invasoren aus Afrika trafen in Europa auf versierte Totschläger Ob und vor allem wie lange die Neandertaler indessen Gelegenheit zum Handgemenge mit den Invasoren hatten. dass die deutsche Entdeckung von Beginn an heftige Kontroversen auslöste. glaubten und liebten sie? Kernkraft der Seele Der Entdecker des LSD. Sonst aber türmen sich Fragen über Fragen: Wer waren diese dem heutigen Menschen schon so ähnlichen Ureinwohner? Sprachen sie schon. Angesichts der sexuellen Obsession des Homo sapiens. wie es der amerikanische Anthropologe Erik Trinkaus vertritt. der sich friedfertig durch die Mittlere Steinzeit mühte. Nur – sie blieben folgenlos. Auf der Iberischen Halbinsel. Die Dispute sind bis heute nicht verstummt. dass damals schon Fürsorge zum Repertoire des Hominiden gehörte. Diese Einsicht kam damals. argumentiert der US-Autor James Shreeve. 150 Jahre nach dem ersten Fund eines Neandertaler-Fossils. vor der die sonst so undurchdringlichen Barrieren von Rasse. primitiverer Vorfahren. verantwortlich waren. Das Ergebnis ist niederschmetternd: Die Funde sind in Wahrheit 4000 Jahre älter. so sein nüchternes Urteil. des ersten Hominiden. September 1856. »Es war sicher nicht so. Ihre Gestalt muss plump gewirkt haben. hinweggefegt von einer Art. Zirkel und Pinzette zu Werke gegangen wurde. in Frankreich finden sich ihre Spuren. als sich Krainitzkis sterilisierte Goldschmiedesäge in den fossilen Neandertaler-Knochen fraß. Doch die ältesten europäischen Neandertaler-Fossilien sind gerade einmal 130 000 Jahre alt. drei Jahre bevor Darwin seine Evolutionstheorie veröffentlichte. Aus diesen Befunden auf ein friedvolles Dahinscheiden der Vormenschen zu schließen sei allerdings verfehlt.« Wahrscheinlich erscheint ein Szenario allmählicher Verdrängung. rechneten die Schweizer Populationsgenetiker Matthias Currat und Laurent Excoffier kürzlich vor.Wie waren unsere Verwandten? von Ulrich Bahnsen R flacher. August ehrt Deutschland ihr Andenken mit einer Sonderbriefmarke. Erst viel später erkannten die Gelehrten. im Juli 1997. habe den herausgetrennten Block in ein keimfreies Plastikröhrchen gesteckt. Binnen weniger tausend Jahre verschwanden die Neandertaler von der Bühne. wird 100 Jahre alt. Der Urmensch aus der Nähe von Düsseldorf wird gleich mit drei Ausstellungen gefeiert. eigenhändig im Auto nach München gefahren und dem Molekulargenetiker Svante Pääbo zur Prüfung übergeben. die vor 1990 durchgeführt wurden. Zumindest im Erbgut der Mitochondrien. dass es auch zu Romanzen zwischen Angehörigen beider Arten gekommen sei. der bereits 1979 bei St. habe es selbst in 12 000 Jahren Koexistenz maximal 120 Mischlinge von Mensch und Neandertalern geben können – gleichbedeutend mit »praktisch vollständiger Sterilität zwischen Neandertal-Frauen und Homo-sapiensMännern«. Mit diesem Befund begann eine neue Ära in der Urmenschenforschung. Eine tragende Säule der Koexistenzthese hat der US-Anthropologe Trinkaus gerade abgeräumt. 3 DIE ZEIT S. 33 SCHWARZ cyan magenta yellow 33 DIE ZEIT Nr. seine Umwelt besser nutzte. Virtuelle Rekonstruktionen des Schädelwachstums zeigen bereits bei Kleinkindern gravierende Unterschiede zwischen Mensch und Neandertaler.« Am 6. die im brutheißen Afrika entstanden war? Seit Jahrzehnten suchen die Fachgelehrten nach Antworten. Die Herrschaft über Jagdreviere muss von enormer Bedeutung gewesen sein: Die Nahrung. auch das erleichtert das Überleben unter widrigen Bedingungen. Der Mensch ist der einzige Überlebende der einst weit verzweigten Gattung Homo. Typisch sind Überaugenwülste und das fehlende Kinn. Die Multikultiphase in der Steinzeit schrumpft. oder haben sie nicht? Eher nicht. seien nur zwei Fakten gewiss: Vor 35 000 Jahren lebten die Neandertaler noch. das Schädeldach allerdings AUS DEM INHALT 34 RETTUNG IM RECHNER Die virtuelle Realität macht fossile Knochen für alle Forscher zugänglich Von Stefanie Schramm Foto [M]: Volker Steger/Nordstar/SPL/Agentur Focus 35 DAS KULTURWESEN Die wechselnden Vorstellungen von den europäischen Urmenschen. schlagkräftigeren Gruppen lebte. urteilt der Kurator am American Museum of Natural History in New York. 33 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: Ken Mowbray/American Museum of Natural History . das Kleinod auseinander zu sägen. jenes rätselhafte Volk europäischer Ureinwohner. deren noch heute im amerikanischen Westen wohnen. nicht ahnend. Vielmehr trafen die Invasoren aus Afrika in Europa auf versierte Totschläger. Sie wurden nicht beachtet – evolutionäre Vorfahren des Menschen galten schlicht als undenkbar. Erst recht entzogen Genanalysen den Mutmaßungen über gemischtrassigen Sex weithin den Boden. Nun wird er gefeiert. dass es sehr frühe Formen der Neandertaler vielleicht schon vor 400 000 Jahren gab«. berichtet Schmitz. Kaum verwunderlich also. Wesen und Aussterben der Neandertaler seien nur mehr oder minder gut begründete Spekulation. Dabei präsentiert sich eine hochmoderne Disziplin. dass sie wohl verschiedenen Arten zuzurechnen sind. In diesem Jahr. dürfte zu 90 Prozent aus Fleisch bestanden haben. »Alle Datierungen. »Der Neandertaler war in vielen Dingen sehr gut«. Inzwischen liegen Gensequenzen von einem knappen Dutzend Neandertaler-Fossilien vor. Religion. fischreiche Seen und Wohnhöhlen. »Und einige Funde zeigen. »ob diese Gerippe einem mitteleuropäischen Urvolke oder bloß einer (mit Attila) streifenden Horde angehört haben«. Kaste und Kultur dahinschwinden. Schon angesichts der geringen Kopfzahl beider Gruppen dürften Begegnungen zwischen Neandertalern und modernen Menschen nicht gerade an der Tagesordnung gewesen sein. meint der Forscher vom Museum of Natural History in London. Zugleich haben sich einige der als besonders alt eingestuften menschlichen Knochenfunde inzwischen als deutlich jünger erwiesen. unterscheiden sich Mensch und Neandertaler so beträchtlich. Auf einem Treffen in Basel feiern ihn die Fans der Psychodroge Seite 38 Vor 150 Jahren wurde der Neandertaler entdeckt. Angesichts der Brutalität. die aus Afrika vorrückenden Horden des Homo sapiens.3 12. seit Jahrzehntausenden angepasst an das harsche Klima des damaligen Europas.« Führte die Eroberung Europas zum ersten Genozid der Geschichte? An einen Vernichtungsfeldzug glaubt kaum ein Experte. Ein Spaziergang mit Gerd-Christian Weniger. Mettmann und Brüssel zusammen mit Programmierern und Multimedia-Fachleuten an einer virtuellen Plattform. können mit Entzerrungsalgorithmen aus dem virtuellen Fossil herausgerechnet werden. entstanden durch Verschiebungen von Gesteinsschichten.5 2. 34 SCHWARZ cyan magenta yellow 34 WISSEN 12. Da die Museen ihre kostbaren Fundstücke ungern herausrücken. Auch auf der dunkel getönten Brille des Professors für Anthropologie sitzen Silberkugeln an kleinen Antennen. sagt MPI-Direktor Hublin. die Dicke des Zahnschmelzes lässt auf das Alter zum Zeitpunkt des Todes schließen. ihre aktuelle Perspektive abspeichern und die Kollegen zur Diskussion einladen«. Und eine teure: 10 000 Euro kostete der Forschungsnachmittag.« . Ein La Chapelle Combe Grenal La Ferrassie Jaurens Le Moustier Pech de I’Aze Regordou La Chaise Delanunay Les Pradelles La Quina Couvin Engis Sclayn Spy Trou Walou Frühe Europäer Verbreitung der Neandertaler-Funde Kulna Sala nad Vahom Sveduv stul ´ Lebenstedt Ehringsdorf frühe Formen des Neandertalers >klassische< Neandertaler vor Mio. Zähne sind eines der liebsten Forschungsobjekte der Paläontologen. den die Maschine ausfüllt. »Der Prototyp funktioniert schon. sagt Flora Gröning. schwärmt Hublin. Verglichen mit dem Scanner in Leipzig. wichtige Details können verloren gehen. Die Abweichungen eines einzelnen Fossils vom Mittelmaß dieser oder jener Hominidenart zeigt das Programm mit grünen Pfeilen an. Jahren 0.04 Homo erectus 0. Darin sehen die beiden Paläoanthropologen einen Hinweis darauf. Zehn Tonnen wird die Sicherheitsverpackung wiegen. Wenn mich mal einer findet. sondern um viel mehr. Es handelt sich um eine 3D-Computermaus. Später sollen sie die Strahlen von zwei Infrarotkameras reflektieren und damit ermöglichen. Finanziert wird die Neandertaler-Datenbank von der Nespos Society. es soll auf Reisen gehen.0 2. Gröning rechnet mit 2000 Nutzern weltweit. Der Computertomograf bringt die innere Struktur der Zähne zum Vorschein.« Durch die Brille sieht er sein Forschungsobjekt in drei Dimensionen.6 1. Eines der Vorstandsmitglieder ist Jean-Jacques Hublin. Dafür haben sich die Leipziger Paläoanthropologen einen industriellen CT-Scanner zugelegt. sagt Zollikofer. Schicht für Schicht wird es von Röntgenstrahlen durchleuchtet. dafür passen nur kleine Objekte hinein. um die Exponate der Jubiläumsausstellung Roots – Wurzeln der Menschheit im Rheinischen Landesmuseum zu tomografieren. ganz ähnlich wie der Neandertaler. Virtuelle Abgüsse dagegen erschließen auch winzige Strukturen und können beliebig oft vervielfältigt werden. Der Anthropologe fährt mit dem Cursor einen der drei gekrümmten Kanäle des Innenohrs entlang: »Der hintere Bogengang liegt beim Neandertaler im Verhältnis zum seitlichen Bogengang normalerweise tiefer als beim modernen Menschen. in ihren eigenen virtuellen Arbeitsgruppen. mit der wir uns Schädel und Zähne angucken können«.« halbes Jahr alt ist der jüngste Neandertaler-Fund. Dazu reicht auch die High-Tech-Ausrüstung am Leipziger MPI nicht. hat Zollikofer in seinem Computerlabor bearbeitet. wurden sichtbar.013 heute Computer-Rekonstruktion: Marcia Ponce de León. Um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Vettern genauer bestimmen und Fossilien richtig zuordnen zu können. die Kräfte beim Kauen abzuleiten«. Auf einem zweiten Bildschirm durchsucht Zollikofer den Ordner-Stammbaum.« Etwa darum. Das könnte die These der beiden stützen: Der virtuelle 3-DVergleich zeigt. von etwa 200 Institutionen. benutzen wir den Tomografen im Universitätsspital. soll das 3-D-Objekt auf der Leinwand auch dann nicht verzerrt erscheinen.78 Pontnewydd Sarstedt Warendorf Biache 1.027 0.5 1. Neben den Fundstücken werden auch die Fundstätten zu besichtigen sein. vermutlich schon vor der Geburt.195 0. die Silberkügelchen auf der Brille des Direktors deshalb noch ohne Funktion. klickt auf einen gelben Folder mit dem Namen Homo sapiens und öffnet die dort abgelegte Innenohr-Datei. leiten sie die Zahl der Tagesringe und damit das Alter des Neandertalers ab. Der grafische Meißel befreit Fossilien schonend vom Umgebungsgestein.« Dazu hat Zollikofer seinen Computer mit Schädel-Scans von Neandertalern und modernen Menschen verschiedenen Alters gefüttert. betrachten er und seine Kollegen deshalb eine Fülle von Merkmalen. wird der Container verschifft. Das Bild vom Neandertaler weiter zusammensetzen – das ist auch das Ziel des Projekts »The Neanderthal Tools« (TNT). Auf dem Objektteller dreht sich wie in einer Mikrowelle ein Fossil. Der Institutsdirektor ist begeistert: »Ich mag dieses Spielzeug richtig gern. »Wenn es schnell gehen muss. wär das toll«. Bruchstücke werden ohne Gips und Klebstoff zusammengesetzt. wie sich die Merkmale im Laufe des Lebens entwickelt haben. ist die blaue Box handlich. Wird dieser mit den Fossiliendaten verrechnet. »Die sahen sich wahrscheinlich ziemlich ähnlich«. sagt Zollikofer und schiebt seine Hornbrille auf die Stirn. Im März soll die Datenbank Nespos (Neanderthal Studies Professional Online Service) auch für externe Wissenschaftler freigeschaltet werden.6 > 0. Auf einem Monitor dreht sich das digitalisierte Innenohr eines Neandertalers. Leider ist er etwas unhandlich. fehlende Teile durch Spiegelbilder vorhandener Fragmente oder aus einer Datenbank ergänzt. zusammengesetzt aus Aufnahmen aus dem Computertomografen. Menschliche Kno- Mit einem Computertomografen touren die Paläontologen um die Welt Die Virtuelle Paläontologie bietet völlig neue Einblicke. Die Software berechnet aus einzelnen Funden den Norm-Neandertaler Mit kleinen roten Pfeilen markiert Zollikofer die Messpunkte auf dem Schädel. Aus der Zahnschmelzdicke. Erst seit wenigen Wochen gibt es die Zentrale für simulierte Wirklichkeit am Max-Planck-Institut. Aufzugstüren öffnen sich zu dem Sechs-Quadratmeter-Raum. die das Projekt am Neanderthal Museum in Mettmann koordiniert. Zähne. Zum Schluss sollen 600 Schädel. den Standpunkt des Betrachters zu orten. danach wollen sie Überreste von Neandertalern im kroatischen Krapina aufnehmen.und die Geldknappheit. müssen die Forscher zu den Fossilien kommen. Zähne oder Kieferteile. Der MPI-Direktor denkt bereits über neues Zubehör für seine Virtuelle Realität in Leipzig nach. »Ein mittelgroßer CTScanner für Kiefer wäre schon praktisch. Die virtuellen Welten sollen gleich zwei reale Ressourcenprobleme der Paläoanthropologen lösen: die Fossilien. Im Teilchenbeschleuniger ließen sie die Zähne durchleuchten.« Aber ausgerechnet dieses Menschenexemplar hat ebenfalls einen recht flachen hinteren Bogengang. erzählt Zollikofer.5 0. Knochen. Cesaire ´ Kiik Mezmaiskaja Vergisson Vindija Dzerava Skala ´ Barakajeskaja Koba Azlor Hortus Lezetxiki Zaskal’noje VI Krapina Moula Atapuerca Sakashia Bronze Cave Ohaba Valdegoba La Niche Orgnac 3 Saccopastore Ortvala Djruchula Ponor Los Casares Klde Figueira Breuil Guattari Brava Cova Negra El Salt Shanidar Zafarraya Dederiyeh Garigüela Lakonis Devil’s Tower Forbes’ Quarry Amud Tabun Kebara Neandertal 1. 3 DIE ZEIT S. dass Neandertaler sich um 10 bis 15 Prozent schneller entwickelten als moderne Menschen. Aus je etwa 50 Individuen hat der Forscher einen Durchschnittsmenschen und den Norm-Neandertaler errechnet. Zagreb.3 Endlich Knochen für alle Menschliche Fossilien sind kostbare Einzelstücke. meint Ponce de León. »Wenn man sich nur ein Merkmal anschaut. Wollen die Zürcher große Knochen scannen. gehen wir zur Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt.Nr. Noch funktioniert die Virtuelle Realität in Leipzig nicht ganz: Das »Tracking System« ist bisher nicht einsatzbereit. müssen sie umziehen. vom Jetztmenschen hat er auch CT-Bilder. Schafft man es. das wär zum Brilleabstellen«. dass Neandertaler und moderner Mensch verschiedene Arten sind. hier ist das Zentrum der künstlichen Welt. das Zubehör noch einmal eine halbe. Jan Thorbecke Verlag. Seit zwei Jahren basteln Wissenschaftler von Universitäten und Museen in Poitiers. Und im Sommer wird das Scan-Mobil in Bonn Halt machen.« Die Ergebnisse der Durchleuchtung holt Zollikofer auf die Bildschirme im Computerraum seines Instituts. So dachten die Forscher. Verborgene Strukturen wie das Innenohr werden auf Computertomogrammen sichtbar. erzählt Hublin. Hublin steht im Virtual-Reality-Room des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig.0 Homo neanderthalensis Homo heidelbergensis Sipka Ochtendung Ganovce ´ Montagne de Girault Hohle Fels Arcy-sur-Cure Subalyuk Aven de Sesselfels Remete Felsö Vergranne St. Der Tomograf schafft eine Auflösung von fünf Tausendstel Millimetern. Vor Ort packen die Wissenschaftler den Tomografen in die Bleikiste und verladen das Ganze auf einen Lastwagen. kann man ganz schnell die falschen Schlüsse ziehen«. in der die Paläontologen arbeiten. die sie mit eigenen Geräten messen können.5 Homo rudolfensis Die Gattung Homo Nr. So fanden sie weitere Hinweise darauf. Zunächst aber muss der Neandertaler in den Rechner.2 Homo sapiens 0. Um sie zu schützen und trotzdem mehr Forschern zugänglich zu machen. »Das ist nicht einfach nur eine schicke Maschine. Wie ein Geist schwebt der französische Neandertaler durchscheinend unter dem deutschen Schädeldach und ergänzt die fehlenden Partien.095 0. ohne Zeit und Geld für Reisen zu den Museen aufwenden zu müssen. »Die Forscher können dann ihren Fundplatz in der 3-D-Landschaft lokalisieren. wenn der Forscher seinen Blickwinkel ändert. meint Zollikofer. weil sie die Zeit gut überdauern und viel aussagen können über die Lebensweise unserer Vorfahren. Deshalb packten die Paläoanthropologen ihre Neandertaler-Zähne ein und fuhren damit nach Grenoble zur European Synchrotron Radiation Facility (ESRF). einem eigens gegründeten Verein. Auch das erste Exemplar. Die Fragmente aus dem Neandertal hat der Anthropologe mit einem Schädelfund aus La Ferrassie hinterlegt. Südafrika ist das erste Ziel. winzige Mikrostrukturen. Der Original-Neandertaler hat endlich ein Gesicht bekommen. GEOkompakt 0. »Es geht auch nicht einfach um Zähne. 100-mal so viel wie ein medizinischer Scanner. Die hat einen Industriescanner.« – »Genau. Zähne wachsen nämlich ähnlich wie Bäume in Ringen. auch die Tagesringe.8 Homo antecessor Homo floresiensis 1. die kurz nach der Geburt aufgenommen wurden. die feinen Schichten zu zählen. Die Leipziger bauen deshalb ein Scan-Mobil. wenn es besonders genau werden soll. das vor 150 Jahren in der Nähe von Düsseldorf gefunden wurde.8 Homo ergaster 2. Mit den Daten aus dem Teilchenbeschleuniger haben die Forscher in Leipzig ihre CT-Bilder geeicht. Dann wird auch das pyramidenförmige Gestell zum Einsatz kommen. wurden bislang Abgüsse angefertigt. »Wir drehen jetzt den Spieß um und schauen uns an. erklärt Zollikofer. »In der klassischen Paläoanthropologie wurde oft geraten. dass sich die Kopfform von Neandertaler und Homo sapiens sehr früh unterscheidet. nur dass ein Ring einem Tag entspricht. So können Forscher schneller mehr Fossilien untersuchen und vergleichen. Mit ihrer Hilfe werden die Wissenschaftler ihre Forschungsobjekte im künstlichen Raum drehen und wenden können. pünktlich zum Jubiläum. 34 SCHWARZ cyan magenta yellow ZEIT-Grafik/Quelle: Vom Neandertaler zum modernen Menschen. »Wir werden um die Schädel herum laufen können«. kann man das Alter sehr genau bestimmen. Und Deformationen. »Früher konnte man mit dem Zirkel nur einzelne Distanzen auf den Schädeln abmessen und vergleichen. Am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam bauen Programmierer aus den Daten von Anthropologen virtuelle Ausgrabungswelten. Während der CT-Scanner mit dem Flugzeug reist. Digitale Technik macht sie erstmals den Forschern zugänglich von Stefanie Schramm Vom Kleinkind zum Erwachsenen: Der Computer zeigt die Entwicklung des Neandertalers J ean-Jacques Hublin fuchtelt mit einem pyramidenartigen Gebilde herum. Werkzeuge und Schmuckstücke zugänglich sein – die größte digitale Sammlung von Neandertaler-Funden. Die Methode hat jedoch ihre Grenzen. Seine Kollegin Marcia Ponce de Léon schaut ihn scharf an: »Dabei hat der Christoph das auch ganz stark. das Fossil wird virtuell in ein Netz aus Dreiecken zerlegt. Auf einer Leinwand dreht sich das digitalisierte Bild eines Neandertaler-Schädels. an dessen Enden silbrige Kugeln stecken. Noch warten sie auf den Container mit Bleiverkleidung. Damit fahren sie bei den Museen vor. Mit dem Lift kann das Ungetüm von der Stelle bewegt werden. »Das war eine unglaubliche Erfahrung«. 3 DIE ZEIT S. Auch der Anthropologe Christoph Zollikofer von der Universität Zürich interessiert sich dafür. der im französischen Le Moustier gefunden wurde. Auch dabei hilft der Computer. glaubt der vielleicht. erklärt Gröning. Im Mikro-Computertomografen seines Instituts hoch über der Stadt durchleuchtet er gerade einen Unterkiefer. Und sie soll weiterwachsen: Die Forscher werden neue Daten hochladen und vorhandene bearbeiten können. Welche Funktion die Unterschiede hatten und ob sie überhaupt eine hatten. wie schnell Neandertaler erwachsen wurden. »Wenn ein Neandertaler-Baby gefunden würde. mit dem sie um die Welt touren wollen. Januar 2006 DIE ZEIT Nr.2 0. verrät der Computer nicht. heute geben wir einfach einen Haufen Messpunkte ein und lassen den Computer einen quantitativen Vergleich berechnen – in drei Dimensionen. sorgsam gehütet von den Museen. in dem der Scanner betrieben werden soll. eine Tonne wiegt das Gerät. Christoph Zollikofer/Universität Zürich chenfunde sind Einzelstücke.1 Homo habilis Teshik-Tash 2. wir haben bisher ungefähr 50 3-D-Modelle von Fossilien und Artefakten eingegeben«. die ausgeprägten Überaugenwülste des Neandertalers wären dazu da gewesen. auf der sich Neandertaler-Forscher austauschen können. ZEIT:Vielleicht verbindet die Bahn den Namen mit allzu steinzeitlicher Technik. Und das ist nicht so schön. Weniger: Aber er ist Teil unserer Kulturgeschichte bis heute. Und Virchow. Juni 2006 bis zum 4. über das politisch korrekte Bild vom Urmenschen Von Andreas Sentker as Tor in die Vergangenheit öffnet sich auf Knopfdruck. Vom 3. Weniger: Ja. wie menschlich er aussieht. dass die Weitergabe der Technik durch reine Imitation nicht mehr möglich ist. als sie gerade die Hitparaden stürmten. Die Steinbrucharbeiter haben ganze Arbeit geleistet. wurden die Neandertaler flugs zu den ersten Blumenkindern erklärt. Rot-weiße Markierungsstangen kennzeichnen ein Feld von etwa 30 Quadratmetern. bis zum 26. ZEIT:Warum hielt Fuhlrott die Knochen lange Zeit unter Verschluss? Weniger: Er hatte Angst. Der Umweltdruck führte dazu. Wir sind inzwischen so viele. dass wir einem enormen Wandel unterliegen. Wird die virtuelle Anthropologie die Wissenschaft quasi demokratisieren? Weniger: Was da bisher geschieht. Ich bin überzeugt. Als Forscher in einem Grab in Shanidar. wenn sie oft angefasst werden.Werkzeuge und kulturelle Traditionen sowie geografische Variabilität und schließlich Beziehungen des Neandertalers zum modernen Menschen. neue Interpretationen bereithalten. aber den weltweit berühmtesten Nordrhein-Westfalen vergisst man allzu gern. Was soll denn das? Weniger: Wir stellen einen Mottowagen im Düsseldorfer Rosenmontagszug: 150 Jahre Neandertaler. Der Gast sieht heute von alldem nichts mehr. wenn sie in ein Kommunikationsnetz eingebunden sind. Nur die Schulklassen fehlen – es sind Ferien –. ZEIT: Da ist eine möglichst große Distanz zum Neandertaler natürlich hilfreich. und nicht alle stärken sich in der Cafeteria des modernen Museumsbaus. Weniger: Erstaunlich. Wir sagen dem Besucher: Schau dir an. und kulturell war Sprache notwendig. Er wurde von allen Seiten angefeindet. Die Erkenntnis. Die verarbeiteten Materialien haben Patina angesetzt – einige Erkenntnisse aber auch. neue sollen hinzukommen. Wir bewegen uns in einer Gesellschaft. Vor allem sitzen Sie nicht mehr wie früher vor einem Fossil. Umwelt und Geochronologie. Eltern und Kinder sehen. also versuchen wir. würde er nicht weiter auffallen. das über ihr Jagdgebiet weit hinausreicht. zwanzig Meter oberhalb der Düssel. Erst in dieser Aufbruchstimmung tauchten die ersten modernen Menschen auf. hat nur bedingt mit Wissenschaft zu tun … ZEIT: … sondern mit Macht. Im Restaurant Becher gleich nebenan gibt es gute deutsche Küche – und uralte deutsche Schlager. Jagen und Sammeln als Lebensform erzwingt es geradezu. die möglichst viele Fossilien " EIN HOCH AUF DEN AHNEN Das große Jubiläumsprogramm Das Museum am Fundort in Mettmann zeigt die Ausstellung Hautnah. ZEIT: Eine echte Menschwerdung … Weniger: … ja. Für Weniger eine ideale Grundlage. Weniger: Ja. der über Nacht gefallen ist. ZEIT: Jetzt müssen Sie uns nur noch eines erklären. All das. auf die Schwäbische Alb oder gar über die Alpen – wenn er es denn geschafft hat. wenn sie bereit sind. an der das knochenhaltige Höhlensediment 1997 wiederentdeckt wurde. das ist unser eigentliches Ziel. Archaische in uns. Die meisten Kollegen sind begeistert. Das kann man nicht nur an Funden. ZEIT:Sie wollen uns über die Angst um die Zukunft der Menschheit hinwegtrösten? Weniger: Ich glaube. Seit zehn Jahren zeigt Gerd-Christian Weniger seinen Besuchern die menschliche Seite des berühmtesten Deutschen Es sind noch Knochen im Sediment tief darunter verborgen. ganz genau. Seit 1877 ist das berühmte Skelett des Neandertalers im Besitz des Rheinischen Landesmuseums in Bonn. Die Situation wird sich aber drastisch verbessern. das Tal an einzelnen Stellen fast 400 Meter breit. Aber so wie die paläogenetischen Untersuchungen laufen. Stattdessen verschwinden die Daten im Papierkorb. sagen sie. Schon der Homo erectus muss gesprochen haben. Seit 1929 wartet es hier im Neandertal auf Gäste. ZEIT: Wenn der Besucher das Museum verlässt. Weniger stapft durch den Schnee. Weniger: Die Idee. Aber das war bei vielen außergewöhnlichen Funden so. den so genannten Zeugenblock zu erhalten. die Spezies ist so ungefährdet wie noch nie. Und dann kommt dieser Freud daher. sondern tatsächlich mit einem Fossil zu tun hatte. Pritschen aus Sandstein sollen die Besucher des Ortes animieren. die versteinert schließlich nicht? Weniger: Der Nachweis funktioniert nur indirekt. Aber es gab damals und gibt heute Bereiche auf diesem Planeten. was wir als zivilisierte Abendländer nur ganz ungern am Tisch sitzen haben. Mai 2007 Genau sechzehn Knochen wurden 1856 aus einem Steinbruch im Neandertal geborgen. ZEIT: Sie arbeiten mit Kollegen weltweit an einer digitalen Datenbank. das muss man so sagen. Vielleicht war Fuhlrott aber auch von einem starken Nationalbewusstsein geprägt. wir seien immun. Vor 45 000 Jahren wurden die Zeiträume zwischen extremen Klimaereignissen immer enger. Das ist Weltkulturerbe. Einzelne Besucher verlieren sich in den Datentiefen der aufgestellten Computer. Juli bis zum 19. das Restaurant und Hotel Becher. staunen. Blütenpollen fanden. Vor allem aber scheint sie viele Menschen sehr zu überraschen. Das Klima ist damals zum Teil innerhalb von zwei Generationen umgekippt. Ein extremer Winter konnte schon ausreichen. projizieren wir nun auf den Neandertaler und sind es auf diese Weise los. Nebenan. jene Stelle. der in der Ausstellung plötzlich einem lebensgroßen Neandertaler gegenübersteht? Weniger:Die meisten sind erstaunt. für spätere Generationen. in die Luft zu starren. sie können es nicht ausschließen. Die Zukunft ist ungewiss. Weniger: Unser Bild des Neandertalers folgt auch gesellschaftlichen Trends – bis zum heutigen Tag. ZEIT: Konnten sie sprechen wie wir? Weniger:Anatomisch waren sie dazu befähigt. Dass sich unser Lebensraum immer wieder dramatisch verändert hat. Darum war er sicher. Und der Neandertaler ist wiederum die ideale Projektionsfläche für das Wilde. die den eigentlichen Ausstellungsraum des Neanderthal Museums bildet. er hat unser Menschenbild revolutioniert. Die Entdecker haben sie nicht als solche erkannt. vielleicht liegt ja irgendwo eine Neandertalerin mit einem anatomisch modernen Menschen in einem Doppelgrab … Weniger steigt langsam die 400 Meter lange gestreckte Spirale hinauf. ZEIT:Gibt es eine neue Sehnsucht nach historischer Selbstvergewisserung? Weniger: Mit Sicherheit. machte die Sache nicht einfacher. Dabei war er selbst von der Evolutionstheorie nicht überzeugt. zu jenem Ort. Weniger: Sprache ist eine sehr frühe Erscheinung. um ganze Gruppen verhungern zu lassen. ZEIT: Es sind schon verhältnismäßig viele Neandertaler gefunden worden. Juli 2006 Nr. Der Neandertaler ist bisher nicht als Bestandteil nationaler Kultur entdeckt worden. Fund und Forscherbiografie verweben sich auf eine Weise. kann eine Vermischung gar nicht festgestellt werden. Das breite Geländer ist schneebedeckt. Ein Gespräch mit Gerd-Christian Weniger. Mai bis zum 24. Da. dass sich Teile der Neandertalerpopulation mit dem modernen Menschen vermischt haben. gewiss auch Steinwerkzeuge. mit Speer und Narrenkappe. Solche negativen Ergebnisse müssen auch veröffentlicht werden. die klapprigen Hallen sind abgerissen. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. 35 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. die Probe sei verunreinigt und daher unbrauchbar. um diese Fragen zu beantworten: von 6 Millionen Jahren vor heute über die eiszeitlichen Herausforderungen für den Neandertaler bis 75 000 Jahre in die Zukunft. Weniger: Wir sind ihm sehr dankbar dafür. sogar den einige hundert Kilometer weiter weg. wo Menschen nur leben können. ZEIT:Was geht in einem Museumsbesucher vor. die rheinische Variante. das der Fluss in den weichen Kalkstein gegraben hat. ZEIT:Wie wollen Sie die Sprache des Neandertalers belegen. denn es gibt mit etwa 300 Individuen ziemlich viele. Immer pünktlich um elf Uhr wird gesprengt. Warum war das bei dem Fund im Neandertal anders? Was macht ihn zum ersten Zeugen unserer Frühgeschichte. dort das vom Fluss glatt geschliffene Kalkplateau. Sie werden – Ausdruck von Individualität – ihre ganz eigene Mimik haben. Dass der berühmte Pathologe Rudolf Virchow die seltsame Form des Schädels als Folge einer rachitischen Erkrankung deutete. betritt Gerd-Christian Weniger die Brücke. Das war Stress für die Populationen. Ein ganzer Bus voll älterer Damen ist nicht zum Essen gekommen. Paradox: Fuhlrott als Christ zweifelt nicht an der Existenz eines fossilen Menschen. die den Zugang zu Fossilien verwehrt? Weniger:Beim Neandertaler ist das relativ einfach. Die Neandertaler waren keine Hinterwäldler. die dem Neandertaler höchstens die Fähigkeit zu ein paar Grunzlauten zugestehen. anderen als die Strafe Gottes. das so komplex geworden ist. An solchen Tagen. die über die Düssel führt. Der Ahn bekommt ein Gesicht. kein lautes Geplapper. ZEIT: Aber es gibt doch noch immer Fachleute. ZEIT:Hat die Interpretation menschlicher Fossilien auch mit Ideologie zu tun? Weniger: Ja. Sie können sich in der Datenbank viele Datensätze gleichzeitig ansehen. Als das stählerne Gatter surrend zur Seite gewichen ist. D DIE ZEIT: Es gab auch vor 1856 Funde vormenschlicher Fossilien. die so mancher Gast schon mitgesungen hat.3 WISSEN 35 Die zweite Menschwerdung Auch ein Fossil muss sozial integriert werden. wieder anderen als menschliches Versagen. ZEIT: Wenn ihm nicht die Überlegenheit des modernen Menschen zum Verhängnis wurde. sagt der Direktor. Die Gegenwart vergeht scheinbar immer schneller. Der Neandertaler hat mit Charles Darwin zusammen das christliche Schöpfungsbild abgeräumt. Beuys oder Heidi Klum. während die Vorgänger ein wenig wie Neandertaler-Darstellerpuppen wirken. trotz aller apokalyptischer Hollywood-Visionen. der die Forscher an wichtigen Standorten belastet. Unsere technologischen Erfolge haben uns glauben lassen. Der Neandertaler müsste sich nur an unseren Kleidungscode halten. Die jüngsten Publikationen sagen fairerweise. Der ist nach Süden geflüchtet. seine Herstellung so anspruchsvoll. Weniger zeichnet weiter: Hier die Felswand mit den Feldhofer Grotten. ist er dem Neandertaler ein Stück näher gekommen? Weniger: Hoffentlich ist er sich selbst näher gekommen. Das nasskalte Schneewetter hat die Gäste verschreckt.Ernährung und Lebensformen. Weniger: Aber sie sprechen auch nicht prinzipiell dagegen. dass jedem Forscher auch sein persönliches Welt. Heute ist das Altmetall verschwunden. Getriebeblöcke und Scheinwerfer sortiert wurden. reden. Der Herr Professor ist hier gern gesehen. Wenn der Neandertaler heute durch die Stadt liefe. Wir achten vor allem auf kulturelle Accessoires. Sie sehen sogar die Vorteile. Ein Programm für mehr Gerechtigkeit. das berühmteste deutsche Fossil: der Neandertaler. ZEIT: Nicht ganz. 10 Jahre Neanderthal Museum. erscheint manchen als eine schamlose neue Volte der Natur. im Museum. neue Funde. Der Kalk wurde abgebaut. dann ginge er problemlos im Gewühl einer Fußgängerzone unter. 150 000 im Jahr.und Menschenbild bei der Deutung der Funde die Feder führt. ZEIT:Genetische Befunde belegen das bisher nicht. So genannte Forscherboxen sollen beständig aktuelle Ergebnisse. entscheidet. Auf einer Anhöhe ragt ein Kalksilo empor. Neanderthaler. Heute ist es ruhig. auch den Neandertaler politisch korrekt zu behandeln. September 2006 Wie beeinflusst das Klima das Leben auf der Erde? Welchen Einfluss hat der Mensch auf seine Umwelt? Die Ausstellung leben in eXtremen im Westfälischen Museum für Archäologie in Herne spannt einen weiten Bogen. herrscht dagegen Betriebsamkeit. der herüberstrahlt. Sein Museum bringt Gäste ins Tal. dass menschliche Lebensräume gefährdet sein können. auf das Arbeiter im Steinbruch die Sedimente aus den Höhlen warfen. ZEIT: Aber wem gehörten diese komplexen Werkzeuge? Schließlich haben moderner Mensch und Neandertaler lange Zeit koexistiert. Rechnen Sie noch mit spektakulären Entdeckungen? Weniger: Wenn ich mal meiner Fantasie freien Lauf lasse: Wer weiß. ZEIT: Fuhlrott bekam für die Knochen sehr viel Geld aus dem Ausland geboten – und widerstand. Der Neandertaler ist an der nördlichen Grenze seines Verbreitungsgebiets vermutlich immer wieder ausgestorben. Sie zeichnen ein Bild vom Neandertaler als hoch entwickeltem Kulturwesen – doch sein erster großer Auftritt im Jubeljahr wird auf einem Karnevalswagen stattfinden. Viele Menschen denken auch heute noch: Na gut. Hier wurde es 1856 entdeckt. Noch bis 2008 darf im Neandertal Kalk abgebaut werden. Wer den Knochen im Schrank hat. Das Bodendenkmalamt hat beschlossen.und Ränkespielen. Womöglich eignet er sich nicht so gut zur persönlichen Identifikation. als Botschafter? Ich plädiere seit Jahren dafür. Die war ihm als Christ nicht geheuer. sehr hohe Risiken einzugehen. Wir lernen dabei. Das gelingt nur. natürlich. Da bietet die Digitalisierung eine riesige Chance. ist natürlich verführerisch. Tierische. Ist einer gepierct? Trägt er einen Irokesenschnitt? Wie ist er gekleidet? Die Morphologie schaue ich mir im Alltag zuletzt an. Es bleiben Mikrospuren zurück. was dann? Oder ist er etwa gar nicht ausgestorben? Weniger:Meine persönliche Meinung ist. woher du kommst. ZEIT: Und wie wollen Sie diese Mauer aus Eitelkeit und Forscherneid durchbrechen. ZEIT: Vergebens. die Evolutionstheorie akzeptieren wir. Die Ausstellung Roots – Wurzeln der Menschheit zeigt unter Schirmherrschaft der Unesco erstmals bedeutende Originalfunde aus aller Welt in bisher noch nie dagewesener Fülle. ZEIT: Aber gerade vor wenigen Tagen blickten viele Menschen am Silvesterabend zurück auf ein Jahr voller Katastrophen. dass es ein Fossil ist. Bisher wacht jeder Forscher eifersüchtig über seine Knochen. weit über der Talsohle gelegen und nur von oben erreichbar. zum Begründer der Paläoanthropologie? Gerd-Christian Weniger: Der Lehrer Johann Carl Fuhlrott hat diese 16 Knochenteile gesehen und war überzeugt: Das ist ein fossiler Mensch. die eine Trennung unmöglich macht. Steil aufragende Felswände auf beiden Seiten. Ralf Schmitz und Jürgen Thissen suchten im Auftrag des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege nach dem berühmten Aushub des Jahres 1856 – und fanden ihn tief unter einem Schrottplatz verborgen. aber die Nähe zum göttlichen Ebenbild. dass er es nicht etwa mit einem verscharrten Mordopfer. Rasch hat der Direktor des Neanderthal Museums die prähistorische Situation in den Schnee gekritzelt: das enge Tal. Zehn Jahre ist der Bau nun alt – und er ist schön gealtert. nicht nur den eigenen Lebensraum zu kennen. Weniger: Die späten Neandertaler haben eine besondere kulturelle Dynamik entwickelt – bevor der anatomisch moderne Mensch auftrat.Vom 7. Vom 21. 35 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: Rheinisches Landesmuseum Bonn . dass sich kulturell enorm viel bewegte. Dabei gehören die Funde meist zu öffentlichen Sammlungen. lotet die Tiefen unserer Psyche aus und stößt dabei auf gänzlich unkultivierte Facetten. welcher Forscher ihn zu sehen bekommt – und welcher nicht. nicht wahr? Man schmückt sich mit Beethoven. der die Evolutionstheorie befürwortet. wo vorher nicht einmal ein schmaler Pfad denkbar war. wurde der Neandertaler zum zentralen Kronzeugen der Menschwerdung. Die wächsernen Nachbildungen der Neandertaler werden aktualisiert. ZEIT: Ein Integrationsprogramm für ein Fossil? Weniger: Genau. November 2006 An der Universität Bonn findet unter dem Titel Early Europeans – Continuity & Discontinuity ein Kongress in englischer Sprache mit folgenden Themen statt: Ursprung und Entwicklung der Neandertaler. mit der Zeit runden sich Ecken und Kanten ab. Weniger: Das sind vermutlich die. wo der Großvater noch gesiedelt hat – in der Norddeutschen Tiefebene vielleicht –. konnte der Enkel schon nicht mehr leben. in dem man den Neandertaler fand. Abgesehen von dem Wissenschaftshotelbetrieb. Zwischen knorrigen Bäumen öffnet sich eine weite Fläche am Ufer der Düssel. lassen wir uns nicht nehmen. an dem der Neandertaler Zuflucht suchte – und starb. sondern auch an der Klimakurve belegen. bestreitet im Angesicht des Fundes. Als Darwin dann seine Entstehung der Arten veröffentlichte und alle Welt wie gebannt auf Fossilien starrte. dass wir als Art sicherer sind denn je. Zum Jubiläum wird die Dauerausstellung behutsam überarbeitet. leiden auch die Funde selbst. wackle das Museum.Nr. 3 DIE ZEIT 2. Er hatte aber in den Höhlen der Region schon viele fossile Großsäuger gesehen. Warum ist der Neandertaler nicht längst als Marke etabliert. zum Beispiel über ein Werkzeug. Sie nimmt das Bild vom Neandertaler (der in Mettmann noch mit traditionsbewusstem »h« geschrieben wird) unter die Lupe. die Integration und Multikulturalität diskutiert. Irak. die mussten nach Lösungen suchen … ZEIT: … der Klimawandel als Kulturmotor. Fassung! S. dass ein ICE nach ihm benannt wird. Neun Höhlen. Sobald die Genetiker moderne DNA-Spuren finden. Das ist das zentrale Thema des Neandertalers und das seiner Erforschung. der mit höherem Intellekt und größeren technischen Möglichkeiten in einem imperialen Handstreich die Welt besiedelte. die sich mit der Geschichte der Menschheit nicht beschäftigt haben. Eine Straße führt an der Düssel entlang. So lange ist die Eiszeit noch gar nicht her. Warum soll das dem Image schaden? Karneval ist schließlich fester Bestandteil rheinischer Kultur – und der Neandertaler eben ein Kulturträger. sondern auch den in der Nachbarschaft. in denen einst Kotflügel. diesen göttlichen Schein. Die Höhlen sind längst zerstört. Foto [M]: Thomas Ernsting/Bilderberg dreidimensional zugänglich machen soll. Da stört ein ebenbürtiger Neandertaler das Bild. so divers in unseren Fähigkeiten und Möglichkeiten. sondern viel unterwegs. dem Direktor des Neanderthal Museums. Vom 1. eine Mischung aus Kalkschutt und Lehm – und Knochen. Es gab doch immer wieder Veränderungen im Sittenbild unseres Verwandten. Sigmund Freud geboren. Der Fels ist zurückgewichen. Nicht umsonst wurde in ebenjenem Jahr. Fassung! S. 3 DIE ZEIT 2. Da tut ein Blick in die Vergangenheit gut. dass wir so ein Supersapiens sind. und das nächste sehen Sie Monate später in einem tausend Kilometer entfernten Institut. Weit mehr als 100 000 Hühner wurden in der Türkei bereits getötet. Vor allem wäre im Fall einer Geflügelpest nicht mehr ohne weiteres feststellbar. 06) sperren. das hoch ansteckend und leicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist«. Es tötete im Jahr 1918 weltweit mehr als 20 Millionen Menschen. »Das können wir nicht ausschließen«. einmal tauschte er sich sogar mit anderen Vogelgrippeviren aus. In einem späteren Experiment erwies sich der Stamm als besonders tödlich für Geflügel und Mäuse. so frühzeitig infizierte Tiere zu entdecken«. sagt Elke Reinking. Die probate Sofortmaßnahme. Für Ställe fehlt oft das Geld er Imam trug bei der Beerdigung einen Mundschutz. »Wir hoffen. Italien oder die Türkei. sondern kann in seltenen Fällen auch Menschen befallen. Herzversagen oder Altersschwäche. Wird das Virus auch nach Deutschland gelangen? Zwei Ausbreitungswege sind denkbar: Zum einen könnten illegale Fleischtransporte den Erreger einschleppen. Dies. sagt Wolfgang Fiedler von der Vogelwarte Radolfzell des Max-Planck-Instituts für Ornithologie. »Das ist keine leichte Aufgabe«. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Atemnot plagen die Patienten so sehr. In der EU sind die Vogelvakzinen nicht zugelassen. auf der Haut von Menschen dagegen nur wenige Stunden. In kaltem Wasser überlebt H5N1 bis zu drei Wochen lang Zum anderen droht Gefahr von Zugvögeln. In der Türkei sind inzwischen mindestens 14 Menschen an Vogelgrippe erkrankt. in dem sich das Virus ungestört ausbreiten kann. »Denn jedes Land. Fachleute befürchten. Kommt die Stallpflicht. die Infektion bei geimpften Vögeln überhaupt festzustellen. berichtet der Vogelkundler. Dort zirkuliert das gefürchtete Virus seit dem Jahr 1997. Vögel können sogar Schnupfen bekommen und sehen dann ziemlich krank aus. doch vorsorglich verschärfte die Bundesregierung schon einmal die Kontrollen an Straßen und Flughäfen. sechs davon starben. In Thailand wurde von erkrankten Tigern eines Zoos berichtet. Husten. Nr. »Der Mensch spürt die Krankheitssymptome jedoch erst. Auch Reisende aus der Türkei wurden verstärkt auf Geflügelprodukte kontrolliert. wenn Millionen von Viren in seinem Körper wüten«. Auch das kann zum Problem werden: Geimpfte und dennoch infizierte Hühner scheiden den Erreger in hoch pathogener Form aus. wenn sie der Türkei beim Eindämmen der Seuche helfen«. Die geschützte Unterkunft soll nicht nur das Überleben der Tiere sichern. viele von ihnen halten sich ein paar Hühner im Hinterhof. seien auch als Träger anderer Vogelgrippeviren bekannt. Thailand und Indonesien. mahnte Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer bereits eine erneute Stallpflicht für Geflügel im Frühjahr an. die aus abgetöteten Viren bestehen. mit denen der Erreger in alle Welt gelangt. sagt Kurth. wo derzeit mit einer Ausnahmegenehmigung geimpft wird. Erfahrungen in Asien und Italien. »Bis zu ein Viertel der Zugvögel gelangt über das östliche Mittelmeer nach Deutschland«. Und zweimal hat es der Erreger geschafft. Denn die Impfung schützt die Vögel keineswegs vollständig vor dem Erreger. Über die Augen. in den Niederlanden gelang eine experimentelle Infektion bei Katzen. so fürchten die Experten. sondern auch Übertragungen auf den Menschen vorbeugen. ihr Federvieh einzu- S c hwa r ze s M e e r Kastamonu Istanbul Ankara Sinop GEORGIEN Samsun Corum Sivas Ankara TÜ R KE I SYRIEN Van Mi t t e l m e e r ZYPERN IRAK Provinzen mit vermuteten und bestätigten Vogelgrippe-Infektionen beim Menschen (Stand: 10. sagt Fiedler. Allerdings wandelt sich der Erreger ständig. Sollte künftig die Vogelgrippe zuschlagen und in Deutschland die Hühner bedrohen. erklärt der WHO-Experte. erfährt das zunächst niemand«. Das liegt in der Natur der Vakzinen. sagt Stöhr. vielleicht sogar von Millionen Stück Geflügel. »Wenn eines dieser Tiere tot umfällt. dass in deren Gefieder ein gefährlicher Erreger hauste: So manches Federvieh war mit H5N1 infiziert. Derzeit verhandelt das Institut mit der Industrie über weitere Tests und die Produktion. Hohes Fieber. um sich dort zu vermehren.« Doch eines Tages. Immer wieder mutiert der Erreger in seinen acht Gensegmenten. Eine Ausrottung der Seuche ist bislang misslungen. Die mittlerweile unter Quarantäne gestellte Stadt Dogubeyazit im Osten der Türkei nahe der iranischen Grenze steht unter Schock: Dort starben in der vergangenen Woche gleich drei Geschwister an der Vogelgrippe. Von den ersten 14 Patienten waren nur zwei älter als 20 Jahre. haben sie die Wahl zwischen drei Reiserouten: über Spanien. In der Türkei hat das Virus vor allem Kinder befallen. einem besonders ansteckenden und aggressiven Grippevirus. mehr als die Hälfte von ihnen sind gestorben. wurde schwer krank in die Universitätsklinik der Provinz Van eingeliefert. Damit sich die heimischen Hühner keine Viren einfangen. ob Tiere geimpft oder tatsächlich infiziert sind. Auch ein neuer gentechnischer Impfstoff. sagt FLI-Sprecherin Elke Reinking. »Alles andere ist unrealistisch. D Das Virus tötet 90 Prozent des infizierten Geflügels Sie ahnten nicht. »Andere Länder sind gut beraten. mindestens 34 weitere stehen deshalb unter Beobachtung. Womöglich genügen sogar wenige Punktmutationen. Und Ali. Ganz sicher wollte er gehen. dass der Leichnam des Jungen nicht auch ihn infiziert. die Keulung Tausender Tiere. können die Erreger darin drei Wochen lang andere Tiere befallen. Es tötet nicht nur 90 Prozent des infizierten Geflügels. Im Herbst 2004 steckten sich Mitglieder einer thailändischen Familie gegenseitig an. sagt Klaus Stöhr. die Nase oder den Mund gelangt es in den Körper. Deshalb können gängige Tests die schützende Impfantwort des Immunsystems nicht von der Verteidigung gegen eine echte Infektion unterscheiden. Leiter des Influenza-Programms der Weltgesundheitsorganisation WHO. Erwachsene sind womöglich durch frühere Grippeinfektionen partiell geschützt. und gefährden damit zusätzlich die noch gesunden Bestände. Die Impfung erhöht lediglich die nötige infektiöse Dosis an Viren. darunter vor allem Enten und Gänse. In Hongkong hatte es damals 18 Menschen infiziert. Dem sechsjährigen Ali Kocyigit geht es inzwischen besser. könne zu einem fatalen Kreislauf führen. Die drei Kinder aus Dogubeyazit sind die ersten Toten durch H5N1 außerhalb Südostasiens. Das geschieht auch bei einer echten Infektion. »Oder es war gerade kein Mensch in der Nähe. scheinen die Befürchtungen zu bestätigen.« Gelänge es. »Tatsächlich hielt sich das Virus bisher fast immer an bestimmte Vogelzugrouten«. um eine Ausbreitung zu erschweren. könne man den Feldzug des Erregers womöglich aufhalten. Eine Informationskampagne wurde gestartet. der im Fall des H5N1-Virus bei Hühnern binnen 48 Stunden zum Tode führt. dass sie im Haus ihrer Eltern mit den Köpfen von Hühnern gespielt hatten. um die Gefahr für Mensch und Tier zu mindern. Wasservögel. »Dennoch ist noch kein Supervirus entstanden. Sprecherin des Instituts. sagt Fiedler. Am vergangenen Montag durfte er die Klinik in Van wieder verlassen und zu seinen Eltern zurückkehren – als nunmehr einziges Kind. Zur Vogelreisezeit untersuchen Forscher des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Insel Riems jede Woche 100 Proben von Wildvögeln – aus deren Rachen. »In kaltem Wasser überlebt H5N1 besonders gut«. bei dem sich H5N1 dauerhaft in den Wildund Zuchtvögeln festsetzt und nicht mehr eliminiert werden kann. Am sinnvollsten scheinen begrenzte Impfungen um einen Seuchenherd zu sein. als dies geschah. Inzwischen gibt es auch Todesfälle in Kambodscha und Vietnam. Das kann noch dauern – »mindestens ein halbes Jahr«. einen Stall für ihre Tiere zu bauen.Nr. Die Vakzinen sind nicht gegen den Typ H5N1 gerichtet. Leiter des Robert Koch-Instituts in Berlin. womöglich bevor die Krankheit erkannt ist. sagt Elke Reinking. Im Gefieder kranker Hühner kann das Virus mehrere Tage überleben. Nach den Todesfällen in der Türkei fürchten Experten eine Verbreitung der Viren. Für eine große Impfkampagne sei die Vakzine daher wohl ebenso wenig geeignet wie die konventionellen Vakzinen. Dabei gibt es bereits Impfstoffe fürs Federvieh. bedeutet einen enormen wirtschaftlichen Schaden. auch sie bleiben weiterhin von dem Erreger bedroht. müsste das Geflügel von Anfang März bis Anfang April eingesperrt werden. dem Kot oder deren Organen. Zudem lindert eine Impfung die Schwere der Symptome und den verzögerten Krankheitsverlauf. dass die flächendeckende Impfung von Geflügel neue Probleme nach sich zieht. direkt von einem Menschen zum anderen zu springen. Eine neue Variante von H5N1 entstand – und tötete im Jahr 2005 erstmals Wildgänse in China. in China von infizierten Schweinen. ist guter Rat teuer. Diese waren eigens für den Besuch einer Tante geschlachtet und gemeinsam verspeist worden. Normalerweise ist der Import aus der Türkei in der gesamten EU zwar verboten. berichtet Klaus Stöhr. Die Hühner gedeihen im Stall nicht so gut wie an der frischen Luft und werden auf engem Raum oft aggressiv. sagt Reinhard Kurth. So würde es im Fall eines Vogelgrippeausbruchs sehr schwer. 01. weil ihnen das Geld fehlt. Sie werden vor allem in China. Das aber wird nötig sein. die eine Erkrankung der Tiere auslösen kann – und senkt so die Wahrscheinlichkeit einer Infektion. Fällt der Kot einer infizierten Ente in einen Teich. um ihre kranken Kinder in die Universitätsklinik zu bringen. Die Einwohner der Provinz sind arm. Der Familie Kocyigit fehlte aber schlicht das Geld. wird sich das Virus womöglich mit humanen Grippeviren austauschen und ebenso infektiös werden. Er schützt geimpfte Tiere ebenfalls nicht vollständig. dass sie nach vier bis fünf Tagen in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Im Herbst 2005 waren Bauern in Deutschland vergattert worden. sind aber in der EU nicht zugelassen Von Ulrich Bahnsen D er Vogel als solcher ist ein sterbliches Wesen. Dabei würde im Umkreis von zwei Kilometern gekeult und desinfiziert und in einem weiteren Ring von zehn Kilometern geimpft. Den Kindern wurde zum Verhängnis.3 Die Spritze für das Federvieh Geflügel-Vakzinen gegen Vogelgrippe werden in Asien viel eingesetzt. dass der Erreger der Spanischen Grippe ein reines Vogelgrippevirus war. den Forscher am Friedrich-Löffler-Institut für Tiergesundheit (FLI) auf der Insel Riems entwickelt haben. Der große gentechnische Vorteil: Geimpfte Vögel sind eindeutig und schnell von wirklich erkrankten unterscheidbar. Indonesien und Vietnam eingesetzt. 3 DIE ZEIT S. um aus der Geflügelpest eine Menschenseuche zu machen: Im Oktober 2004 hatten Forscher im Fachjournal Science berichtet. 36 SCHWARZ cyan magenta yellow 36 WISSEN 12. so fürchten die Experten. der jüngste Sohn der Familie Kocyigit. hofft der Veterinärmediziner.« Killer im Anflug Foto [M]: Umit Bektas/Reuters Die Vogelgrippe rückt näher. um das dort seit Jahren grassierende Vogelgrippevirus H5N1 einzudämmen. warnt der Mediziner. Wenn die ersten Schwärme im Frühjahr aus Afrika zu ihren nördlichen Brutstätten fliegen. erhöht die Gefahr für ande200 km ZEIT-Grafik re. Er verendet an Lungenentzündung. »Die folgenden drei Tage entscheiden über Leben und Tod«. »Weltweit waren bereits Millionen von Vögeln mit dem Virus infiziert«. 3 DIE ZEIT S. sondern gegen zwei verwandte Vogelgrippeviren. möglichst rasch in die Zellen einzudringen. schürt nur begrenzte Hoffnung. heftet sich in den Atemwegen an die Oberfläche der Schleimhautzellen und versucht. 36 SCHWARZ cyan magenta yellow . Das Immunsystem der Tiere bildet verschiedene Antikörper gegen die molekularen Bestandteile der Erreger. Hühner müssen in Deutschland bald wieder eingesperrt werden Von Astrid Viciano In den Hinterhöfen der Osttürkei leben Mensch und Huhn eng zusammen. Im Winter holen die Familien das Geflügel sogar nachts ins Haus. Insgesamt haben sich 143 Menschen in Fernost infiziert. Kranke in den Kliniken wurden isoliert. die Ausbrüche in der Türkei erfolgreich zu bekämpfen. gedeiht die Bakterienvielfalt offenbar nicht so gut wie in pH-neutralen Böden. von der Seite beleuchtet«. E Ob es nun an der geringen Aufmerksamkeit oder an der außergewöhnlichen und damit nicht erwartbaren Situation lag: Die Ergebnisse weisen deutlich darauf hin. das erste Renaissance-Gemälde mit einer naturnahen Darstellung des Nachthimmels. so dass sich die Probanden während ihrer Begründung gerade demjenigen Foto gegenüberfanden. seine ganze Gestalt im Spiegel zu sehen. wenn sich die Testpersonen eingehender mit Gegenständen beschäftigen. Und nach dem Strahlensatz der Mathematik ist die Mindesthöhe des Spiegels genau die Hälfte der abzubildenden Höhe. andererseits auch eine Neubewertung der Rolle von Methan beim Klimawandel erfordern. Die einfache Konstruktion des aufsehenerregenden Geräts war leicht nachzuahmen. Der neue Experimentator tat anschließend. Tatsächlich gab es keine nachweisbaren Abweichungen. dass es durchaus wichtig ist. wenn beim Augenöffnen plötzlich jemand anders dort säße. der ansonsten für seine Artenvielfalt bekannt ist. In einer Doppelblindstudie an mehr als 300 HIV-Patienten. Gegen dieses Syndrom könnte bald ein bekanntes Mittel des Schweizer Bio-Tech-Konzerns Sereno zum Einsatz kommen. 20079 Hamburg oder stimmts@zeit. Das ist natürlich nicht so. Die Versuchsteilnehmer sahen eine Reihe von – zunächst recht ähnlichen – Porträtfotos. in dem man sich vollständig sehen kann. Voraussetzung für das absurde Versagen ist. Nun rätselt die Zunft. so wären beim Vergleich von manipulierten und nicht manipulierten Bilderpaaren Unterschiede auf allen drei Ebenen zu erwarten gewesen. Nun untersuchte ein schwedisch-amerikanisches Forscherteam. 103. Bisher hatte man angenommen. selbst größere Veränderungen in unserer Umgebung schlicht zu übersehen. Da hatte Elsheimer die himmlische Pracht schon gemalt. ob und wie sie »ihre« Wahl begründen würden. muss mindestens halb so groß sein wie der BetrachJENS FINDEISEN. in welcher Höhe der Spiegel hängt – die Oberkante muss sich etwas über der Augenhöhe befinden. 626). als sei nichts geschehen und hörte sich einfach die weitere Wegbeschreibung an.de/stimmts Audio a www. mit zwei Linsen und einem Rohr. wird als Veränderungsblindheit bezeichnet – auf Englisch: change blindness. So baute auch Galileo sein Guckrohr selbst und begann im Herbst 1609 die Himmelsbeobachtung. spürten sie die wenigsten Spezies auf (PNAS. als seine Schrift Sidereus nuntius erschien. ihre Wahl zu begründen. Als die Passanten gefragt wurden. hat das nur 31 mal 41 Zentimeter große Kunstwerk analysiert und dabei eruiert. dann liegt die Spiegelebene immer genau in der Mitte. München Unwesentlich für die Betrachtung ist dagegen. Das »Stimmt’s?«-Archiv: www. übersehen Versuchspersonen in einem Computerexperiment leicht. Offenbar sorgt ein noch unbekannter Prozess dafür. gaben nur sieben von fünfzehn getesteten Personen an. aber es macht die Sache einfacher. »Aus dem Neigungswinkel der Milchstraße und aus dem untergehenden Vollmond lässt sich der 17. also muss man irgendwann auch ganz zu sehen sein … Dass das nicht stimmt. wo sich Elsheimer damals aufhielt.allerdings als Halbmondsituation. das den Körper deformiert und entstellt. Das Erstaunliche: In lediglich dreizehn Prozent der Fälle bemerkten die Versuchsteilnehmer die Täuschung! Und selbst in einer verschärften Form des Experiments – wenn die zu beurteilenden Fotos ausgesprochen unähnlich waren und außerdem beliebig viel Zeit bei der Entscheidungsfindung gegeben war – lag die Trefferquote gerade mal bei 27 Prozent. so schätzen die Forscher in Nature (Bd. 439.weil er bereits einige Monate vor Galileo Galilei den Himmel mit einem Fernrohr beobachtete? Der italienische Sternenforscher war im März 1610 berühmt geworden.zeit. HAMBURG ter. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Im Gegensatz zur Studie mit der Tür mussten sich die Versuchspersonen aktiv mit den ausgetauschten Personen auseinander setzen. In der Studie fragte ein Experimentator ahnungslose Passanten nach dem Weg. 3 DIE ZEIT S. Gelang ihm dies nur. Danach wurden die Teilnehmer gebeten. Auf diese Weise ausgetrickst. dass unsere Augen nicht ganz oben am Körper sitzen – selbst wenn sie sich in Bauchnabelhöhe befänden. Brille. Die gute: Es gibt dafür eine wissenschaftlich fundierte Ausrede. müsste der Spiegel mindestens die halbe Körpergröße haben. steht im Zentrum einer sehenswerten Ausstellung der Alten Pinakothek München (bis zum 26.sagt er. gezeigt. wenn in einer virtuellen Hafenszene ein Boot verschwindet oder plötzlich ein Baum im Landschaftspanorama fehlt. Das gelingt Ihnen nicht so recht? Ein kleines Unbehagen macht sich breit? Und schon kommt er. Da aber nach dem Reflexionsgesetz Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel ist. Ähnlich habe sie Monate später auch Galilei. Während die Tür die Sicht des Passanten verdeckte. Man sieht außerdem. 3 DIE ZEIT S. Die verschlafenen Testpersonen schnitten dabei schlechter ab als Probanden nach 24 Stunden Schlafentzug. etwa in Paris. der bittere Vorwurf. tauschten der Experimentator und einer der Türträger die Rollen. Die Übrigen waren völlig überrascht. Die zentrale Frage war. dass man auch im Alltag außerhalb des Labors sehenden Auges blind sein kann. sagen Forscher des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg. will zu guter Letzt noch einmal den Gesamteindruck im Spiegel überprüfen – und schafft es partout nicht. Das Team um Frank Keppler hat Pflanzen und abgefallene Blätter in Plexiglasbehältern eingeschlossen und die Methanemissionen gemessen. könnten aus dieser Quelle stammen. Choice blindness – Wahlblindheit – nennen die Forscher das verblüffende Phänomen. bevor diese vertauscht werden. führt aber oft zu einer auffälligen Umverteilung des Fettgewebes. Sie würden vermutlich noch nicht einmal bemerken. nämlich das menschliche Wachstumshormon hGH. dass wir mal eben in die Speisekarte oder zur Seite schauen oder die Sicht für einen Augenblick verdeckt ist.de/audio Blind fürs Unerwartete Wer sich konzentriert. Die Therapie von Aids ist zwar meist erfolgreich. dass unsere Aufmerksamkeit kurz abgelenkt wird – sei es. die an defomierendem Fettgewebe litten. Bluse. Durch eine geschickte Manipulation waren allerdings in einigen Fällen die beiden Fotos unmittelbar nach der Entscheidung ausgetauscht worden. ob ihnen an dieser Szene etwas aufgefallen sei. Das stellten amerikanische Biologen fest. Stimmt’s? " Der Renaissance-Maler als Astrophysiker Mit verblüffender Detailgenauigkeit hat Adam Elsheimer im Jahr 1609 den nächtlichen Himmel gemalt.de/audio Nr. Zeichnet man nun das Dreieck zwischen Scheitel und Sohle des Spiegelbilds und dem Auge des Betrachters. dass in diesem Fall der Spiegel zu klein ist. Im peruanischen Amazonas dagegen. erwies sich der Einsatz des Hormons als erfolgreich. wann Meister Elsheimer seine Präzisionsbeobachtung des Himmels gemacht haben dürfte. doch der leistungsmindernde Effekt der Verschlafenheit hielt bis zu zwei Stunden an (JAMA online). Februar). als sie die Organismenvielfalt in 98 Bodenproben verglichen. Die massivsten Beeinträchtigungen stellten die Forscher in den ersten drei Minuten nach dem Aufwachen fest. Astronomie-Experte des Deutschen Museums. Forscher von der University of Colorado in Boulder ließen Probanden direkt nach dem Aufwachen Rechenaufgaben und andere kognitive Tests bearbeiten. dass auch bei reichlich vorhandenem Sauerstoff Methan entsteht. als sie hörten. Das erste Fernrohr hatte der Holländer Hans Lippershey bereits 1608 gebaut. Die schlechte Nachricht ist: Das kann sogar stimmen.zeit. 187). S. wie dies zuging. 37 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. Das hat Folgen: Bis zu 30 Prozent des jährlichen Methanausstoßes. nicht einfach nur passiv auf sie reagieren.übersieht große Veränderungen Von Ulrich Weger ine peinliche Situation: Bei einem Abendessen werden Sie von der Ihnen gegenübersitzenden. Und jetzt sollen Sie Frisur. egal ob man ganz nah herantritt oder sich so weit wie möglich entfernt. als stünde tatsächlich eine seitenverkehrte Person hinter dem Spiegel. doch einmal kurz die Augen zu schließen. Juni 1609 rekonstruieren«.zeit. Da macht man sich fein für eine Feier oder für die Oper. das am Amazonas vorherrscht. Gerhard Hartl. Frankfurt oder Rom. Bd. Am verblüffendsten ist die Präzision der Mondzeichnung »mit mindestens drei Kraterstrukturen. Mit einem selbst gebauten Teleskop hatte Galilei unter anderem im Schleier der Milchstraße mehr als tausend Einzelsterne entdeckt – und Krater auf dem Mond. was geschieht. Ob sich solche Effekte auch im Alltag finden lassen. Die stärksten Indizien für die Annahme. CHRISTOPH DRÖSSER Die Adressen für »Stimmt’s«-Fragen: DIE ZEIT. das sie zuvor als unattraktiv aussortiert hatten. kann man den Spiegel auch durch eine durchsichtige Glasscheibe ersetzen. Doch just solche Details hat Adam Elsheimer in seinem Meisterwerk »Flucht der heiligen Familie nach Ägypten« bereits ein halbes Jahr zuvor festgehalten. wird doch das Spiegelbild kleiner. Die Wissenschaftler prüften die abgegebenen Begründungen auf ihre emotionale Tönung. dass sie es mit zwei verschiedenen Personen zu tun hatten. lässt sich mit einer kleinen Zeichnung beweisen (siehe unten). Sie wurde gemeinsam von Kunsthistorikern und Naturwissenschaftlern konzipiert.Nr. Nach einer kurzen Unterhaltung trugen zwei weitere Versuchsmitarbeiter eine Tür zwischen den Gesprächspartnern hindurch. Zur Jahresmitte 1609 waren bereits in mehreren europäischen Städten Teleskope erhältlich gewesen. Ganz exakt müsste man zur Verfolgung der Lichtstrahlen eine Linie von den entsprechenden Punkten der realen Person zum Spiegel zeichnen und sie von dort ins Auge reflektieren. Ohrringe beschreiben. Das würde einerseits große Methanansammlungen über Regenwaldgebieten erklären. Diese Diskrepanz begründen die Forscher vor allem mit dem pH-Wert der Böden: In dem sauren Milieu. den Tausch überhaupt bemerkt zu haben.3 WISSEN 37 " ERFORSCHT UND ERFUNDEN In der Wüste fühlen sich Bodenbakterien offenbar am wohlsten. Das Phänomen. Der Grund dafür ist tatsächlich. Wären die Teilnehmer stutzig geworden und hätten sich über das Verwechseln der Fotos gewundert. hat ein amerikanisches Forscherteam um Daniel Simons und Daniel Levin schon 1998 untersucht. Spontan würden vielleicht die meisten sagen: Wenn man vom Spiegel zurücktritt. Stimmt’s?. Abbildungen: Bayerische Staatsgemäldesammlungen. Ihnen sehr vertrauten Dame gebeten. dass Elsheimer schon vor Galilei durch ein Teleskop blickte. ihren Überzeugungsgrad und ihren Detailreichtum. " STIMMT’S? Spieglein an der Wand Ein Spiegel. Ein Großteil des Treibhausgases Methan in der Atmosphäre geht auf das Konto normaler Pflanzen.de. Die meisten Arten fanden sie in trockenem Wüstensand. S. Schlaftrunkenheit kann die geistigen Fähigkeiten stärker beeinflussen als ein Alkoholrausch. In der Grafik tun wir so. Dieser gentechnisch erzeugte Stoff dient üblicherweise zur Therapie von Kindern und Erwachsenen bei entsprechendem Hormonmangel. Ein solches Schlafdefizit ist nach früheren Studien wiederum vergleichbar mit starkem Alkoholkonsum. sagt Hartl. die sie auf dem ganzen Kontinent gesammelt hatten. seien die über 1200 gemalten Sterne – mehr als das bloße Auge sieht – mit realistischen Sterndichten und -intensitäten sowie die fein miniaturisierte Darstellung der Milchstraße. und sollten das ihrer Meinung nach attraktivere Bild auswählen. Elsheimers Bild. jeweils zwei zur gleichen Zeit. biologisches Material setze nur bei ausgeprägtem Sauerstoffmangel Methan frei. hinter der die verkehrte Person steht. Die Zulassung für die neue Indikation soll nun bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragt werden. Audio a www. 37 SCHWARZ cyan magenta yellow Spiegel . « Statt sich seinen Geist in der Stadt »zu vermauern und zu verbrettern«. Doch solche Warnungen verhallten auf den Grateful-Dead-Konzerten. was uns gegeben ist«. Das Halluzinogen setzt die Filter. umso größer die Gefahr des Missbrauchs. Doch wie in der Atomphysik gilt in der Psychopharmaka-Forschung: je stärker die Mittel. geopfert und gefastet. wer keinen Teil daran gehabt hat. Da werden sie alle noch einmal da sein. brachte die ganze Welt in Schwung: LSD wurde zum Treibsatz der Hippie-Bewegung. ob er seinen rüstigen Zustand nicht auch den Drogenerfahrungen verdanke. »Tripmaster« Alexander Shulgin. Aber was Hofmann denkt und fühlt. erschreckte ihn eher. der bis zu 10 000-mal so stark wie Meskalin wirkt. ist für den Chemiker mehr als Zufall. Natürlich wollen seine Fans von dem LSD-Entdecker wissen. wie er sagt. von den Beatles besungen. wie sie der LSD-Prophet Timothy Leary propagierte. müsste er zwei Leben haben. Pünktlich zum Jubiläumsdatum am 11. Bis 1971 hat der Chemiker die Abteilung Naturstoffe in den Basler Sandoz-Laboratorien geleitet. bei denen Tausende an Acid-Tests teilnahmen. Durchschlagende Wirkung muss dieser Ritus zu Ehren der Pflanzengöttin Demeter gehabt haben. wovon er spricht. »auf das. missbraucht. Als »psychische Atombombe« wurde der Stoff bezeichnet. Seiner ungeheuer potenten Wirkung müsse man mit Ehr- furcht begegnen. der oft nahe an den Wahnsinn grenzt. sondern beantwortet auch die Frage. Hinter dieser nüchternen Beschreibung verbirgt sich ein Erfahrungsschock. Hofmann lieferte zwar das Werkzeug zur Bewusstseinsrevolution – doch dessen massenhafte Verbreitung. dass wir in Freude leben. Dass Hofmann die potente Substanz just zur selben Zeit entdeckte. lausche er lieber auf die Stille der Berge und die Natur.3 Die Kernkraft der Seele lückselig ist der von den Menschen auf Erden. In dieser Woche soll der Stoff auf einem LSD-Symposium in Basel sein Revival erleben. den berühmtesten Zeremonienkult des alten Griechenlands. bleibt ein Toter in dumpfer Finsternis. »Die Priester von Eleusis brauchten nur von dem in G der Umgebung des Heiligtums vorkommenden Paspalum-Gras das Mutterkorn abzulesen.« So priesen Homers Hymnen das Mysterium von Eleusis. Und alle werden sie Hofmann ihre Reverenz erweisen. schlecht. Schließlich hat er rund zwei Jahrtausende später aus den Alkaloiden des Mutterkorns einen Verwandten des Eleusis-Stoffes synthetisiert und damit die stärkste Bewusstseinsdroge der Neuzeit geschaffen: Lysergsäurediäthylamid. wehrt Hofmann die Huldigungen seiner Fans ab. Dieser führte offenbar zu dramatischer Erleuchtung und tiefen Einsichten. als in Los Alamos die Atomkraft gezähmt wurde. Mit einem einzigen Gramm LSD lassen sich bequem 20 000 Menschen in einen mehrstündigen Rausch versetzen. erschienen im Schweizer Nachtschatten-Verlag. ungehört. wenn der Vater des LSD in dieser Woche 100 Jahre alt wird. In Eleusis. verboten. aus dessen Labor hunderte von psychoaktiven Substanzen hervorgingen.« Die Nüchternheit will so gar nicht zur ekstatischen Begeisterung vieler Drogenfreaks passen. sondern auch dazu. die Freunde und Förderer der Bewusstseinserweiterung: Stanislav Grof. Und sein Landsmann Aelius Aristide pries die Eleusinischen Mysterien als »das Schauerlichste und das Lichteste von allem. 3 DIE ZEIT S. Doch Hofmann erweist sich ganz als Pragmatiker: Um das beantworten zu können. bis ins hohe Alter ohne Brille oder Hörgerät auszukommen. »eines mit und eines ohne LSD – dann könnte man das wissenschaftlich beurteilen. 3 DIE ZEIT S. die das Gehirn vor Reizüberflutung schützen. extrahiert aus Mutterkorn. predigte Hofmann immer wieder. Er sei doch nur ein »einfacher Schweizer Chemiker«. Albert Hofmann ahnt. der das geschaut hat: Wer nicht in die heiligen Mysterien eingeweiht wurde. LSD. Nr. außer Kraft und hebt damit die Trennung zwischen individuellem Bewusstsein und äußerer Welt auf. Mehrere Tage lang wurde gefeiert. weiß man ohnehin aus seinen zahlreichen Aufsätzen und Schriften. was für Menschen göttlich« ist. vergöttert. diese Koinzidenz sei vom Weltgeist in Szene gesetzt worden«. wo ihnen – verborgen vor neugierigen Blicken – der »Kykeon« gereicht wurde. er habe in seinem Leben schon genug mit Journalisten gesprochen. So kann ich das ja nicht. Januar erscheint noch einmal ein Sammelband. der heilige Trank. 38 SCHWARZ cyan magenta yellow 38 WISSEN 12. Doch dazu eignet sich der Vater von vier Kindern. »LSD ist eine außerordentlich gefährliche Substanz!«.Nr. Ethnopharmakologe Christian Rätsch und Bluesbarde Eric Burdon. glaubt der Entdecker. den Spießern gefürchtet und der CIA heimlich benutzt. Interviews gibt der 100-Jährige mittlerweile ungern. um ihm bewusstseinsverändernde Potenz zu verleihen. die ihn gerne zum Moses des psychedelischen Zeitalters erklären würden. Dort erzählt Hofmann nicht nur vom EleusisKult und von den Mutterkornalkaloiden. Auf der Rittimatte. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Doch was er 1943 in den Labors des Pharmakonzerns Sandoz entdeckte. dass wir mit besserer Hoffnung sterben«. habe er »nicht nur den Grund erhalten. einer Bergwiese in den Ausläufern des Jura-Gebirges hat sich der Naturfreund ein Haus gebaut. offene Sin- ne zu behalten. was die griechischen Zeremonienmeister verabreichten: halluzinogen wirkende Lysergsäure. Heute wohnt er im »Paradies«. Eigentlich war Hofmann auf der Suche nach einem Kreislauftherapeutikum. wie er es geschafft habe.« Der Chemiker Hofmann weiß. so schwärmte Cicero. der schon mit Jimi Hendrix auf der Bühne stand. es zu pulverisieren und dem Kykeon zuzusetzen. 38 SCHWARZ cyan magenta yellow . »Ich hatte die Gnade. Begründer der »transpersonalen Psychologie«. den ihm seine Bewunderer gewidmet haben: Auf dem Weg nach Eleusis heißt das Buch sinnigerweise. Denn LSD – das zur Dosierung auf Löschpapier oder Gelatineecken getropft wird – greift direkt den Kern unseres Menschseins an. »Man könnte auf die Vermutung kommen. mit Ausblick auf die Schweiz und Frankreich. der nach eigenem Bekunden nur etwa ein Dutzend Mal LSD genommen hat. Dann erhielten die »Initianten« Einlass ins Innere des Tempels. Sexfront-Autor Günter Amendt. »kleinsten Menge. bleibe dies so gefahrvoll wie eine Weltraumreise: »Auf die muss man sich vorbereiten. Am 22. Das New England Journal of Medicine fordert ein Ende der LSD-Forschung. In Deutschland werden 178 925 LSD-Trips sichergestellt.« Den Chemiker führten solche Erfahrungen zu einer Art Unio mystica. der höhnisch über meinen Willen triumphierte. dass er unter Aufputschmitteln stand. Wasson postuliert. ist nicht verwunderlich. 1967 In San Francisco bricht der »Sommer der Liebe« aus. mittlerweile Rentner. die rituelle Einnahme psychoaktiver Substanzen führe zur Religion. den Rausch zu genießen. ließe sich ohnehin kein großes Geschäft machen.« 1953 will die CIA den gesamten LSD-Bestand von Sandoz aufkaufen. Die selige Erfahrung der Vereinigung des Ichs mit der Schöpfung. 2005 Das Bundeskriminalamt stellt in Deutschland 969 Kilogramm Kokain. gewidmet »dem ursprünglichen Entdecker der moksha-Medizin«. Drei Tage später unternimmt der Chemiker einen Selbstversuch mit der. Er schickt Hofmann ein Exemplar des Buchs. Timothy Leary kündigt an. in Kreisen und Spiralen sich öffnend und wieder schließend. im LSD-Rausch gehandelt zu haben. und die Pharmaindustrie spekuliert auf das künftige Geschäft mit brain enhancers. 1960 Der Psychologe Timothy Leary beginnt an der Harvard University sein Psilocybin Project. Der Bankier und Pilzfreund Gordon Wasson reist nach Mexiko. andauernde LSDErfahrung führe zu Geisteskrankheit. bei der nächsten Gouverneurswahl gegen Reagan zu kandidieren. Dem amerikanischen Pharmakonzern Eli Lilly gelingt die rein chemische Synthese von LSD. mit der ich hatte experimentieren wollen. um bei Patienten lange verdrängte Traumata an die Oberfläche des Bewusstseins zu holen. Mutterkorn als Grundsubstanz hat ausgedient. 1958 Weil ihm niemand glaubt. »Alles im Raum drehte sich. hat der Psychiater Torsten Passie ermittelt. Allerdings hält der LSD-Entdecker sein »Sorgenkind« längst nicht mehr für jeden geeignet. Rund 10 000 wissenschaftliche Veröffentlichungen gebe es zu LSD. Jünger schreibt: »Der Wein hat bereits viel verändert. Hofmann hat das Gefühl. Der Psychiater Roy Grinker behauptet (allerdings ohne experimentellen Beleg). 1970 Leary wird erneut verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Bei den Konzerten der Grateful Dead nehmen Tausende von Menschen an Acid-Tests teil. Sie war der Dämon. die zu ihren gemeinsamen Seelenreisen im Wohnzimmer gern Mozart auflegten. drangen bunte. andere erprobten LSD in der Sterbebegleitung von schmerzgequälten Krebspatienten. Dafür drängen andere Substanzen auf den Markt: Der Konsum von Kokain ist kräftig gestiegen. lässt Wasson seine Pilze von Experten untersuchen. Er glaubt noch immer an den Nutzen der Droge Von Ulrich Schnabel In seinem Versuchsbericht vom 16. und Hofmann beginnt.) Derzeit sieht es jedenfalls nicht nach einem Revival der Psychedelika aus.: www. kann sich etwa in einem Pilotprojekt die Einführung eines »LSD-Führerscheins« vorstellen: Wer ihn erwerben wolle. Doch die naive Hoffnung zerstob in den sechziger Jahren. 1943. 1977 wird in den USA bei einer Anhörung des Kongresses bekannt. sie entfalten auch ihre Wirkung in denselben Hirnregionen.« Der Philosoph.1 Prozent. Offenbar gelangt er damit unabsichtlich in Berührung. Aldous Huxley entwirft in Eiland die Utopie einer psychedelischen Gemeinschaft. Ronald Reagan. Auch die Hell’s Angels entdecken LSD. Als im Oktober Hippies einen Sarg durch den Stadtteil tragen. Anders als etwa Jünger will Leary die Drogenerfahrung der ganzen Menschheit zugänglich machen. »Die Forschung hat gezeigt. in der Drogenabhängige sich kostenlos behandeln lassen können. sich in optische Empfindungen verwandelten. Heute allerdings lösen allein die Buchstaben LSD schon »fast phobische« Reaktionen aus. vor allem aber stimulierte die »Mutter aller Drogen« in den fünfziger Jahren die Erforschung der Botenstoffe im Gehirn. Aber der Wein verhält sich zu (…) LSD. Mit Substanzen wie LSD. Auch die Pharmaindustrie hat das Interesse an den Psychedelika verloren.« Ähnlich religiöse Erfahrungen machten die Schriftsteller Aldous Huxley und Ernst Jünger. April. Statt diese in die Illegalität abzudrängen (wo sie ihre unheilvolle Wirkung erst recht entfalten). Noradrenalin und Dopamin nicht nur sehr ähnlich. fährt mit dem Fahrrad nach Hause und versinkt in einen rauschartigen Zustand. notiert er im Bericht für seine Vorgesetzten.« Allenfalls »im vorgerückten Alter« sei die Bewusstseinserweiterung mit »pharmakologischer Hilfe« sinnvoll. Drogen werden zum Teil wahllos konsumiert. LSD zu Forschungszwecken zu legalisieren. die mir Milch brachte. Bad trips sind an der Tagesordnung: Bei Unerfahrenen führen die halluzinogenen Zustände zu Panikattacken und Selbstmordversuchen. einem tiefen Gefühl des Einsseins mit dem Universum. John Lennon schreibt zur Wahlkampagne den Song Come together. hofften noch auf die heilsame Wirkung der Psychodroge. Auch Albert Hofmann hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Sie fordert. Forschungsgelder werden gestrichen. wie er meint. Nicht außen – es gibt keine Farben da draußen. Dass auch die Hell’s Angels nach LSD-Trips zu frommen Brüdern wurden. mit anderer Zeit. trinkt in der Nacht »alle irgendwie beschaffbare Milch« und bleibt einen ganzen Tag lang im Bett. dass sich das Kosumentenverhalten durch soziale Kontexte effektiver steuern lässt als durch neue Gesetze. Und in Zürich untersuchen Hirnforscher um Franz Vollenweider die Wirkung von Psychodrogen im Kernspintomografen. eine neue »Bewusstseinsethik« zu schaffen. sie haben noch die ganze normale Wirklichkeit aufzubauen.« In der Auflösung des Ego erfuhr Hofmann das Vertrauen »in eine höhere Macht. stirbt Aldous Huxley an Kehlkopfkrebs. demzufolge reines LSD in vernünftiger Dosierung zu keinen Schädigungen führe. stellt der Chemiker die Substanz erneut her – aus dem unbestimmten Gefühl heraus. in der die Droge moksha eine zentrale Rolle spielt. der sich schon von Berufs wegen mit Bewusstseinserweiterung befasst. müsse in einem Eignungstest seine psychische Stabilität nachweisen und eine private Pflegeversicherung abschließen. »Listen! Wake up! You are God!« 1962 Leary unternimmt mit Theologiestudenten einen nicht genehmigten LSD-Versuch.Nr. 1954 veröffentlicht Aldous Huxley das Buch The Doors of Perception (Die Pforten der Wahrnehmung). In Haigth-Ashbury wird die Free Clinic gegründet. 10 857 Kilo Cannabis und über 2 Millionen Ecstasy-Pillen sicher. könnte die Menschheit evolutionär voranbringen. (…) Ich war in eine andere Welt geraten.zeit. wie die klassische zu der modernen Physik. so glaubten sie. Die Verbindung wird im Tierversuch getestet. (…) Die Nachbarsfrau.« i Weitere Informationen über das LSD-Symposium in Basel im Internet: www. wenn junge Leute das wollen. 1988 Im Kalifornien wird die Albert Hofmann Foundation gegründet. Hofmann glaubt an eine Vergiftung. denen er ein »Gespür für psychopathologische Zustände« vermitteln und ihr Einfühlungsvermögen in den Patienten verbessern möchte. bilanziert der LSD-Entdecker. wo sie keine besondere Wirkung zeigt. die Konzentration. unter LSD eher Einheitserfahrungen machten. Von den Exzessen der sechziger Jahre ist er ebenso enttäuscht wie vom Verbot des LSD. In der Szene sind längst andere Drogen wie Ecstasy oder Ketamin (Vitamin K) populär. »Ich verstehe überhaupt nicht. in denen LSD als »chemische Hilfe« zu anderen Erleuchtungstechniken hinzutreten könnte. Sie ist in mir. tische Naturerlebnisse hatte.. 39 SCHWARZ cyan magenta yellow . war nicht mehr Frau R.und Angstvorstellungen. 775 Kilo Heroin. meist bedrohliche Formen an. sondern eine böse. »Tags darauf konnte ich vollkommen normal und frisch die Arbeit im Laboratorium wieder aufnehmen«. um im Weltraum zu leben. von der noch irgendein feststellbarer Effekt erwartet werden konnte« – 0. Erprobt sollten diese Stoffe nur in kleinen Gremien werden. heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze. zieht in seinem Buch LSD – mein Sorgenkind Bilanz. Der Besitz von LSD wird in den USA verboten. lässt Polizisten gegen protestierende Hippies vorrücken. schreitet die amerikanische Food and Drug Administration ein und konfisziert LSD-Vorräte.« Eilig wird ein Arzt gerufen. 1951 lädt Hofmann den befreundeten Schriftsteller Ernst Jünger zu einem Selbstversuch ein. Gedächtnis oder Stimmung verbessern sollen. lebendig wechselndes Bild. Aldous Huxley und Allen Ginsberg propagieren in elitären Zirkeln die Droge zur Bewusstseinserweiterung. sei es wichtig. Und auch dann. Albert Hofmann findet darin den Wirkstoff Psilocybin. Jünger und Hofmann. Man einigt sich auf Lieferungen von 100 Gramm pro Woche. Kennedy erschossen wird. doch die Auflösung des Bewusstseins führte bei manchen zu Wahn.com/fractal LSD-Entdecker Albert Hofmann wird 100. dass meine ganze Welt auf subjektivem Erleben beruht. die in extrem geringen Dosen wirken. Der Anteil der LSD-Delikte an der Rauschgiftkriminalität beträgt 0. wie stark chemische Stoffe dieses Erleben und mithin unseren Geisteszustand beein- Nr. 39 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. Mit dem LSD-Verbot Ende der sechziger Jahre kam auch das Aus für die Forschung. deren Patente längst abgelaufen sind. etwa das Geräusch einer Türklinke oder eines vorbeifahrenden Autos. Leary wird verhaftet. weiß Passie. Wir sind nicht geboren. Hippies und Pilzfreunden – eine kleine Geschichte der Bewusstseinserweiterung Von Ulrich Schnabel 1938 synthetisiert Albert Hofmann in den Labors des Basler Pharmakonzerns Sandoz erstmals Lysergsäurediäthylamid (LSD). hatte mich besiegt. 1955 Der Psychiater Humphrey Osmond prägt den Begriff psychedelisch (die Seele entfaltend). Außerdem müsse jeder Kandidat eine Prüfung in Theorie und fünf »psychedelische Fahrstunden« unter fachkundiger Begleitung absolvieren. Jeder Laut erzeugte ein in Form und Farbe entsprechendes. fantastische Gebilde auf mich ein. Danach solle ihm der Erwerb von maximal zwei Einzeldosen pro Jahr in der Apotheke erlaubt werden. am selben Tag als John F.25 Milligramm LSD. ist nicht überliefert. 3 DIE ZEIT S. 1947 bietet Sandoz den neuen Wirkstoff (Markenname Delysid) einigen Wissenschaftlern »zur seelischen Auflockerung bei analytischer Psychotherapie und für experimentelle Untersuchungen über das Wesen der Psychosen« an. 1963 Timothy Leary wird in Harvard gefeuert. Eine kleine Schar Unermüdlicher würde gerndas therapeutische Potenzial der »psychoaktiven Substanzen« weiter erforschen. Die Untergrundorganisation Weathermen verhilft ihm zur Flucht. die in Büchern wie Moksha oder Besuch auf Godenholm ihre Ausflüge ins Reich Fantastica schilderten. November. man muss ein Bordbuch führen. »Ich erkannte. »Die Substanz. 3 DIE ZEIT S. Viele berichten von einer mystischen Erfahrung. 1969 Der Gouverneur von Kalifornien. der an der Medizinischen Hochschule Hannover die Wirkung von Psilocybin und Cannabis auf das Gehirn untersucht. Der Göttinger Psychiater Michael Schlichting etwa hofft auf die Erlaubnis für einen Versuch mit Kollegen.3 WISSEN 39 Im psychedelischen Rausch Von Spionen. wie alle akustischen Wahrnehmungen. 1971 Im Fachblatt Science erscheint ein Bericht. innen. der allerdings keine abnormen Symptome feststellt. »Ich wurde wiedergeboren«.de/2006/03/isd suchen.Roessiger/ aus »Albert Hofmann und die Entdeckung des LSD« von Broeckers/Liggenstorfer. »der sich durch eine äußerst angeregte Fantasie kennzeichnete«. macht der »LSDMord« weltweit Schlagzeilen. (Wohl aus diesem Grund war LSD – anders als Haschisch. Die US-Regierung zahlt über eine Million Dollar an Entschädigungen. der schon als Zehnjähriger mysANZEIGE Hofmann und das LSD-Molekül um 1945 flussen. mit Gedächtnisinhalten abgeglichen und emotional bewertet werden – in dem das Gehirn also sein Weltbild konstruiert. Doch bei Politikern und Ethikkommissionen sitzt die Angst vor dem zerstörerischen Potenzial der Bewusstseinsdrogen tief. Vor dem Tod lässt er sich von seiner Frau Laura intramuskulär LSD verabreichen. dass die CIA in den fünfziger Jahren unerlaubte Drogenversuche mit Ahnungslosen anstellte. Sandoz stellt die Produktion ein. Von Meditationszentren etwa träumt der Chemiker. Sie haben ja noch so viel vor sich. in dem er seine Drogenerfahrungen verarbeitet. um mehr über das Wesen von Psychosen zu lernen. aus heutiger Sicht eine gewaltige Überdosierung. der Stoff müsse doch irgendetwas bewirken. April 1943 hat Hofmann dieses Erleben minutiös beschrieben. Damit sei Lysergsäurediäthylamid »das vermutlich am besten erforschte Pharmakon der Welt«. Obwohl sich herausstellt. um den Zauberpilz teonanacatl zu 1965 Im Stadtteil Haight-Ashbury in San Francisco entsteht die Hippie-Bewegung. in Farbfontänen zersprühend (…) Besonders merkwürdig war. Hofmann verspürt plötzlich »ungewöhnliche Empfindungen«. in andere Räume. erklärt Cary Grant nach einem LSD-Trip. Den Psychedelika verdankt die Wissenschaft die Erkenntnis. Denn die Psychedelika sind den Neurotransmittern wie Serotonin. Bis dahin war die Droge in großem Stil untersucht worden: Psychotherapeuten sahen sie als Werkzeug. Der »gefährlichste Mensch der Welt« (Nixon) wird später von der CIA in Afghanistan aufgespürt. AT Verlag »Happy with your Dress« – ein psychedelisches Kunstwerk von Karl Scherer Abb. Basis ist ein Inhaltsstoff des Mutterkorns. am 16. Vielleicht entstehe ja mit der Zeit »so etwas Ähnliches wie Eleusis«. hat neue Götter und eine neue Humanität mit sich gebracht. wahnsinnig zu werden.« Erst nach einigen Stunden weicht der Schrecken. andere stürzten sich in den Selbstmord oder trugen zeitweilige Psychosen davon.y23. Als erster Weißer nimmt er an den geheimen Ritualen der Mazatec-Indianer teil. Angesichts dieser kommenden Herausforderungen plädiert der Bewusstseinsphilosoph Thomas Metzinger für einen neuen Umgang mit psychoaktiven Substanzen. ist die Utopie der psychedelischen Bewusstseinserweiterung tot. 1959 LSD-Sitzungen werden in Hollywood populär. Foto: C. Kokain oder Designerdrogen – auch bei der Rauschgiftmafia nie sonderlich beliebt. dem ein intensiver Briefwechsel über die Wirkung von Drogen folgt. Die Beatles schwören öffentlich den Drogen ab und beginnen mit transzendentaler Meditation. 1979 Albert Hofmann. seine Erlebnisse verarbeiten und wieder zurückkommen auf die Erde. und die vertrauten Gegenstände und Möbelstücke nahmen groteske. dass die psychische Atombombe doch noch gezähmt und – ähnlich wie die Kernenergie – einer zivilen Nutzung zugeführt wird. Als die Presse das Thema aufgreift. Dass Menschen wie der gläubige Christ Hofmann. neue Designerdrogen werden herumgereicht. in dem Sinneseindrücke gefiltert. Vor allem beeinflussen sie das limbische System. »Kaleidoskopartig sich verändernd. 1966 Ein Mörder behauptet. oder wenn Sie so wollen: in den Schöpfer. da die Ergebnisse zu uneinheitlich seien. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. LSD macht zwar körperlich nicht süchtig wie Heroin oder Kokain. Die war Indianerin. geschoben im Rollstuhl. nämlich »Gruppierungen von Menschen. Da fühle ich mich meiner Großmutter näher. Fotograf und Bühnenbildner. die ihm bleibt. so viel ich weiß. Rauschenberg: So kann man es wohl sehen. deren Sexualität nicht im Normbereich liegt«. auch von den unscheinbaren Dingen. Ich fühle mich oft als Nomade. bübisch. den Verzweifelten. Wir könnten nicht über Rauschenberg und Rauterberg philosophieren. sie konserviert lauter Dinge. Plötzlich blicken seine Augen. 1925 in Port Arthur. gilt seinen Bildern. auch über Interview-Regeln. Derzeit werden frühe Werke. Doch erst im New York der fünfziger Jahre hatte er mit seinem ungewöhnlichen Zugang zur Kunst ersten Erfolg: Oft durchstöberte er Mülltonnen. So lange habe ich wohl nie wieder an einem Bild gearbeitet. ZEIT: Warum eigentlich? Rauschenberg: Ich bin niemand. Ich bin damals zu Bill hin.und Stilgrenzen übersprungen wie Robert Rauschenberg. das hat noch niemand behauptet. in sich hinein. wer sich künftig vor dem Spendenaufruf still in den kostenlosen Normbereich verdrücken kann. was denn im sexuellen Normbereich liegt. selbst weiterzumalen und weiterzubauen. Aber Ihr Name klingt so ähnlich wie meiner. weil es sie sonst teuer kommt. meine Bilder nicht mehr anfassen zu dürfen. Ich mochte es immer bescheidener. werden sich unter all den Triebtätern. Da dachte ich. ZEIT: Vor allem nicht an einem Nichtbild. ZEIT: Waren Sie einmal in Rauschenberg? Rauschenberg: Sie meinen diesen kleinen Ort? Da waren wir mal vor einigen Jahren. In fast allen großen Museen der Welt sind Rauschenbergs Bilder zu sehen. um jetzt im Alter amüsiert darauf zurückzublicken. Und am liebsten ist es mir. die erste Fundraising-Party vorzubereiten. und vielleicht – man soll flexibel und angstlos Innovationsspielräume erwägen – ließe sich sogar ein Tributchen der forschungsfreundlichen pädophilen Priester abzweigen. eine Cherokee. Schwierig wäre wohl die Zielgruppe der heimlichen Kannibalen zu erreichen. diese ganze Kunst der fünfziger Jahre. Da braucht es gar nicht die großen Gesten. denn sie sind ja ständig von Fortsetzung auf Seite 44 Nr. ZEIT: Gilt das ebenso für Ihre Kunst? Rauschenberg: Woran denken Sie? ZEIT: Sie haben sich nie in einer Kunstform fest eingerichtet. und er fragte mich. aber da war ich noch sehr jung. wenn Sie meine Bilder nicht als Bilder ansehen. Mehr Ernst. Robert Rauschenberg kommt. die sich vorsichtshalber wohl lieber dem Normbereich zuordnen. diese Last der Geschichte. Elisabeth von Thadden Robert Rauschenberg: Mr Rauterberg. weil Sie eigentlich keine Interviews mehr geben? Rauschenberg:Genau. Jetzt aber gilt es. Leider war er aber da und freute sich über den Whiskey. mit einer Flasche Jack Daniels. Auch nicht die tollkühnen Künstlerschöpfungen. Rauschenberg:Sie dürfen mir glauben.3 12. Und mit einem Mal ist vieles wieder da. als sei die Welt noch immer Abenteuer. meine Tiere. als Ortsschild. Viel ungemütlicher noch die Frage. wer denn als Institutsförderer infrage kommt. Und in der Hoffnung. mehr Disziplin. sie schwelgten in ihrer Freiheit. seine Liebe zur Müllkunst und die Angst vor dem Sterben Ein Sommertag mitten im Winter. Eine Terrasse im Schatten. Bildhauerei. Rauschenberg: Das ist mein Reservat. oder? Sonst säßen wir nicht hier. Sie sind immer herumgewandert zwischen Malerei. es war ein Experiment. geboren. Tintenspuren. Und so ungefähr fünfzehn Radiergummi. Nun kennt sich ja nicht jeder gut aus mit der Frage. Auch das Unbedeutende hat eine Würde. wenn das nicht zu schmalzig klingt. ZEIT: Sie sind so eine Art Konservativer. wer fürs Spenden infrage käme. die auch einmal zur gesellschaftlichen Selbstaufklärung etwas beitragen möchten. in einer fulminanten Ausstellung des Metropolitan Museum of Art in New York gezeigt (bis zum 2. Aber dann. schlossen sein. dass er bitte nicht zu Hause sein möge. das würde mich lähmen. nach Schlaganfällen halbseitig gelähmt. Auch meine Ruhelosigkeit. sich dem zu widmen. einem Kaff in Texas. Sie müsste dafür nur noch irgendwo Geld auftreiben. Daran wäre zu arbeiten. ein Geheimnis. aus Berlin. doch Reden fällt ihm schwer. Sie sollen Lust bekommen. das könnte doch lustig sein. ZEIT: Wie lange mussten Sie radieren? Rauschenberg: Vier Wochen waren das. was uns ständig umgibt. hm. zumal die Experten des Instituts seit Jahrzehnten einigen Verdienst darin haben. Geld aufzutreiben. so viel Pathos wie Barney Newman oder wie Bill de Kooning habe ich nie aufbringen können. ZEIT: Bleibt nicht Müll auch dann Müll. Ich habe aber keine besondere Erinnerung an ihn. Am Ende sprechen wir drei Stunden lang. LITERATUR Der erste Kriegsroman einer neuen Generation: In »Nahe Jedenew« erzählt Kevin Vennemann von deutscher Schuld Seite 53 Sex mit Drittmitteln Frankfurts Sexualforschung braucht Eigenverantwortung Nun könnte man also anfangen. Na ja. und der Vizepräsident der Universität. Ich mochte mich nie festlegen. ziemlich unverwurzelt. ZEIT: Ihre Kunst ist eine Aufbewahrungskunst. ZEIT: Kommen Ihre Vorfahren von dort? Rauschenberg: Mein Großvater kommt. ein Zellbiologe. dann noch mehr Wein. und der Blick geht hinaus aufs Meer vor Floridas Küste. die sich selbst und andere sexuell gefährden und die Hilfe dieses medizinischen Instituts brauchen – nun umgucken müssen. Januar 2006 FEUILLETON »Ich habe meinen Himmel« Der Jahrhundertkünstler Robert Rauschenberg ist 80 Jahre alt und krank. Mir tun sie leid. Es reicht. Ist doch gut. von Mensch zu Mensch. dann Wein. Ich wollte sehen.Nr. Ich mochte nie das Endgültige. die Stimme tonlos. 3 DIE ZEIT S. Dann wäre das Vorhaben als solches für mich Kunstwerk genug gewesen. begann er schon früh zu zeichnen und zu sammeln. fern ist alles Vergangene. Als hätte er sein Künstlerleben nur gelebt. Autoreifen oder eine alte Steppdecke. Ich umarme die Welt lieber. Unterwegs bin ich trotzdem viel. einfach fragen: »Du bist nicht normal? Du möchtest dich sinnvoll betätigen? Dann unterstütze die Erforschung deines Unglücks! Jeder wird gebraucht. Das ist doch eine kranke Idee. Mich hat der Abstrakte Expressionismus. um sein Fortbestehen zu sichern. schon allein. jedes Bild von mir könnte auch ganz anders aussehen. 3 DIE ZEIT S. ob auch das Ausgelöschte noch ein Bild abgibt. vergnüglich und voll des Unentdeckten. die Ungestörtheit oder den Milchaufschäumer des Schwagers? Schwer zu sagen. Spendengelder« spricht sich der Fachbereichsrat Medizin aus. ZEIT: Begreifen Sie denn Ihre Kunst als Antikunst? Als Rebellion gegen die klassischen Vorstellungen vom Ewigen und Erhabenen? Rauschenberg: Ich muss zugeben. Rauschenberg:Wissen Sie. April). griff sich Cola-Flaschen. die so denken. Dann das Essen. glaube ich. vielen mit ganz unauffälliger Fassade – also allen. irgendwo in der Mitte von Deutschland. Ein Bild mit lauter Ölspritzern. Doch fast immer lacht er. alles weckt meine Neugier. meinen Instinkt. wissen Sie was? DIE ZEIT: Sagen Sie. Leute mit fragwürdiger Koitusfrequenz etwa? Oder solche. 43 SCHWARZ Foto: Abe Frajndlich/Agentur Focus cyan magenta yellow . das gibt es für mich nicht. war immer viel verreist. Dann aber spricht er doch – über seine deutsche Herkunft. Jahrhunderts hat so viele Gattungs. warum wir jetzt dieses Interview führen? ZEIT: Sie meinen. Performance. Rauschenberg: So ist das halt bei mir. und meine Beziehung zur Welt ist wohl auch nomadisch. Von ihr habe ich meine Nase. Ich setze mich ganz gern über meine Regeln hinweg. ZEIT: Und haben ganz bescheiden ein Werk des Heroen William de Kooning vernichtet. ZEIT: Sie leben doch sehr sesshaft seit fast vierzig Jahren hier in Florida. Es sind Spielfelder. der eigene Name plötzlich so groß. nachdem sein Direktor. auf Ihrer Insel Captiva. es gibt Leute. Kostümdesigner und Choreograf – kaum ein anderer Künstler des 20. Kreidelinien. den Marginalisierten. das Auslöschen blieb die Ausnahme. Gibt ja nichts Schlimmeres als so Leute. Interviews will er nicht mehr geben. mit dem ich wirklich zu tun hatte. Ich erzählte ihm von meiner Idee. ZEIT: Leider ist Anfassen im Museum ja strengstens untersagt. Volkmar Sigusch. Rauschenberg:Na. der zerstört. meinen Himmel. Fantasie! Die Organisatoren der ersten Fundraising-Party. Rauschenberg:Ja. Und gern lasse ich mich verblüffen. Seither gilt er vielen als Urvater der Pop-Art. Denn künftig soll das angesehene Frankfurter Institut für Sexualforschung sein Geld zumindest zur Hälfte aus Drittmitteln einwerben. ziemlich eingeschüchtert. es fällt mir verdammt schwer. Glühbirnen oder Illustriertenbilder und machte daraus seine wilden Alltagscollagen. Dann rückte er irgendwann ein Bild raus. wenn er im Museum an der Wand hängt? Rauschenberg: Ich weiß schon. die Zeit. über die Vorstellungen von »Normalität« und »Perversion« aufzuklären. Jeder kann seine Chance nutzen!« Ein T-Shirt für Werbeträger ließe sich denken: »Ich bin pervers – aber gemeinnützig!« Ein Button käme natürlich in Umlauf: »Eigenverantwortlich abartig«. ZEIT: Fühlen Sie sich denn Ihrer deutschen Herkunft verbunden? Rauschenberg: Sollte ich? Vielleicht wär das nicht schlecht. andere sehen in ihm sogar den »Pablo Picasso der zweiten Hälfte des 20. versinkt und will nicht wieder auftauchen. 43 SCHWARZ cyan magenta yellow 43 DIE ZEIT Nr. Freiwillig! Ein öffentlicher Spendenaufruf an potenzielle Sponsoren könnte vielleicht. die sonst auf den Müll wandern würden. hat laut FAZ auch eine Idee. eines. Rauschenberg: Ja. Glühbirnen. ZEIT: Sie haben ein Bild von ihm ausradiert und das Ausradierte dann zum Kunstwerk erklärt. Wissen Sie. Für eine »überwiegende Finanzierung des künftigen Instituts über Stiftungsbzw. die Combines. sobald sie aus dem Atelier raus sind. Zunächst wäre wohl eine Selbsthilfegruppe potenzieller Sponsoren zur Erforschung der Normalität zu gründen. Ein wenig verhalten ist er. die sich an ihre Regeln klammern. ein sanfter Wind. Das Gespräch soll eine Stunde dauern. Das tat ich dann auch. nicht leicht auch die Sodomisten im ländlichen Raum. ob das denn wirklich sein müsse. Seine jüngste Ausstellung in Deutschland präsentierte kürzlich die Galerie Terminus in München. ein bisschen penibler. Jahrhunderts«. altersbedingt ausscheiden wird. Rauschenberg: Ich habe es nicht vernichtet. Die waren so wahnsinnig selbstsicher. Hier habe ich meinen Dschungel. Das war sonderbar. die ihre Lust partout nicht auf Objekte sexueller Begierde richten wollen? Die nur den Effizienzgewinn zärtlich begehren? Oder den Cup? Die schwarze Katze von nebenan. Manchmal schweigt Rauschenberg auch. " Der Alleskünstler Bildhauer und Maler. So etwas wie ein fertiges Kunstwerk. die Kunst müsse irgendwie ideal und schön und in sich abge- Ein Bild aus guten Tagen – Robert Rauschenberg mit 71 Jahren. ZEIT: Haben Sie Angst vor dem Tod? Rauschenberg: Meine große Angst ist. nur meine Schwester. in die ich mit meinen Eltern ging. ZEIT: Und Albers? Rauschenberg: Albers war unerbittlich. dass ich schon damals zum Müllmenschen wurde. Bis dahin hatte ich gedacht. aber immerhin waren wir mit unseren Ausstellungen in Russland und China. meine Kunst erzählt da etwas anderes. ANZEIGE Kunst aus allem – »Coca Cola Plan«. in denen ich meine Funde sammelte. Das hat mir sehr imponiert. Aber zum Glück habe ich viele Leute um mich herum. würden Sie wieder Künstler werden? Rauschenberg: Vielleicht wäre ich auch ein guter Taxifahrer. das sei etwas ganz Normales. Mein erstes richtiges Hemd bekam ich erst. die ganzen USA zentimetergenau abzufotografieren. aber das wusste damals natürlich niemand. eine Satellitenschüssel. ZEIT: Er war ein politischer Künstler. ZEIT: Auch wenn Sie kein Schöpfer sein wollen. Waren Sie damals ein ganz anderer Künstler? Oder was hatten Sie bei ihm verloren? Rauschenberg: Zuvor war ich noch in Paris. Aber in dieser Kirche war das Hier und Jetzt so voller Sünde. Ich habe mich immer für die Demokratische Partei eingesetzt.: ©Robert Rauschenberg ‹‹Monogram. Ich wäre abgeschnitten von allem.1958«. war bei vielen Kampagnen dabei. Ich war eher mit Musikern und Tänzern zusammen. Ich hatte auch viele kleine Schachteln. ZEIT: Heute gibt es ja auch Satelliten. das ist interessant. warum? Rauschenberg:Wenn ich etwas zu gut kann. Überall Müll. Wissen Sie. so lässt sich das sagen. Damals begann ich langsam zu begreifen. In fast jedem Zimmer steht ein Fernseher und läuft 24 Stunden am Tag. das Nichtwissen. Kunst studieren.Stockholm. ich wollte nur nicht. dass jemand anderes ein besserer Künstler ist als ich. Es waren aber nur Lust und Laune. 3 DIE ZEIT S. war das früher wohl auch nicht anders. wenn ich’s recht bedenke. fremde Bilder. in so einen merkwürdigen Existenzialismus. 1955–59 immer auf der Suche nach etwas Brauchbarem. Etwas. So bekomme ich Tausende von Fotos. Ich habe dann in einer Fabrik für Badeanzüge als Packer gearbeitet. er hat mich klein gemacht. Ehrt Sie das? Betrübt Sie das? Rauschenberg: Ich kann nichts dagegen haben. weil die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. die versteckte ich unter dem Haus. bei Abb. ZEIT: Schon als Student haben Sie gern fotografiert. Und dass ich Künstler wurde.« ZEIT: Nach einer glücklichen Kindheit hört sich das nicht gerade an. Ich habe mich immer eingemischt. Ich weiß eigentlich nur noch. Die beste. 1958 ZEIT: Sie haben immer wieder etwas anderes gemacht. meine Schildkröte Rocky. Wenn sie alle ausfielen. dass Zeichnen überhaupt etwas Besonderes ist. ZEIT: Später haben Sie in North Carolina bei dem Bauhaus-Lehrer Josef Albers studiert. Kinder gab es rundum so gut wie keine. ich hatte es schon vor vielen Jahren verkauft. Dass ich immerzu gezeichnet und alle Schulbücher voll gekritzelt habe. ich will. Manche verkriechen sich auch in ihr Selbstmitleid. ZEIT: Gucken Sie noch immer so viel Fernsehen? Rauschenberg: Was denken Sie denn? Natürlich. das ist kein Witz. alles hört. VG Bild-Kunst. dass sie offen ist für alle möglichen Vorstellungen und Beobachtungen. eine Wüstenschildkröte. verfremde sie. der auch später ihre Kunst prägte: nichts auslassen zu wollen und das Übersehene zu sehen? Rauschenberg: Das Übersehene sehen. und das Gute schien es nur im Jenseits zu geben. Ein wenig neidisch war ich immer auf die. Und etwas davon ist wohl geblieben. Aber eins muss ich sagen. Sie hat mich aber dann mit nach Kansas-City genommen. dann wird es mir schnell langweilig. heute wundere ich mich über Rauschenberg und was er da draußen in der Welt so alles anstellt. wenn es mir zu geläufig wird. reckt ihren Hals. die mein Bett belagerten. dass ich mit meiner Legasthenie so weit gekommen bin. es gibt ein Foto davon. da habe ich deine alten Kunstwerke dafür genommen.3 Fortsetzung von Seite 43 Müll umgeben und leiden offenbar schwer darunter. Gott war für mich auf diesem Bild eine Antenne. auch Ihre künstlerische Vorliebe für das Gewöhnliche stammt aus jener Zeit? Rauschenberg: Ich komme ja aus dem Gewöhnlichen. Jedenfalls habe ich meine Kunst nie gesucht. unter das ich als Kind prima drunterkriechen konnte. Hat den Entwurf abgelehnt. Außerdem musste ich immer Hemden tragen. dann wäre das ungefähr so wie der Tod. ich hatte sie mal hier. dann würde ich am liebsten die nächste Großaktion starten. das mich überrascht. dass Sie Künstler werden wollten? Rauschenberg: Wo denken Sie hin? Künstler. An Orten. Also habe ich sie wieder nach New York gebracht. Neulich hat doch tatsächlich das MoMA in New York 30 Millionen Dollar für ein Bild von mir bezahlt. in der ich damals mit meiner Familie lebte. färbe sie. 44 SCHWARZ cyan magenta yellow Abb. die es gab. die halten Beuys und mich für Vettern oder so was Ähnliches. Eher so eine Art Naturalist. Aber ich brauchte wohl die Disziplin. ZEIT: Sie wollten gar nicht Künstler werden? Rauschenberg: Irgendwann war ich bei der Marine in Los Angeles gelandet. Käfer zum Beispiel. ZEIT: Aber wollten Sie nicht Priester werden? Rauschenberg: Das wollte ich wohl. aus Abgelegtem zu machen. Das wäre nicht meine Sache. Nicht mal meine Kamera kann ich noch halten. Sie hatte die nackten Frauen angezogen. Kunstwerke aus Resten. Ich hasse Ideen. dass mich die anderen Künstler nicht so ernst genommen haben. als ich keine Leinwand mehr hatte. Leider nicht mir. denn überall sonst war nachts das Licht ausgeschaltet. Damals am Black Mountain College in Asheville hatten Sie die Idee. was ich besitze. Nur manchmal sehe ich eine Arbeit von mir und denke: »Hm. als könnte es die nächsten Jahrzehnte kaum überstehen. das mit dem Künstlersein. doch. um diese goldenen Engels-Puschen zu tragen. sie haben Angst. ZEIT: Wenn Sie heute jung wären. kriecht sie herum. mit ein bisschen Nagellack und rot gestreifter Zahnpasta. Dabei ist die Welt doch ungeheuer reich. Los Angeles/The Panza Collection. das schien mir völlig absurd zu sein. oder ich bin auf den Baum geklettert und weiter aufs Hausdach. Ich will keine Bedeutung vorschreiben. 12. Rauschenberg: Meinen Sie? ZEIT: Na. das behagt mir nicht. als ich mit der Highschool fertig war. heute zeichnet ja kein Mensch mehr. sie hat zwei Wochen lang nichts gegessen. Es gibt ein Foto von mir.1955-1959››. ich kam im Unterricht einfach nicht mit. und ich war dann tatsächlich dort auf der Kunstschule. Oder dass sie das Entscheidende in ihrem Leben versäumen. Immer hat er gesagt: »Kunst ist Schwindel. meine Kunst habe ich da rausgehalten. Nur denken die meisten von den Jungen heute eher an ihre Karriere. 3 DIE ZEIT S. zumindest sind Sie kein Illusionist geworden. dass ich einige Aktstudien nach Hause geschickt habe. Aber Tom Hanks kannte sie nicht. Bonn 2006 DAS GESPRÄCH FÜHRTE HANNO RAUTERBERG Nr. alles weiß. du bist einfach dumm. mit Unterwäsche. dann finde ich’s langweilig. Manches sieht heute schon aus. ZEIT: Und heute? Gehen Sie noch in Ihr Atelier? Rauschenberg: Ach. weil ihre Kunst so ganz für den Augenblick war. In der Schule war ich der Clown. ZEIT: Heute arbeiten ja sehr viele Künstler so wie Sie. sie ist eine Kunstkritikerin. etwas zu verpassen. den Künstler würdest du gerne mal kennen lernen. war Bei Rauschenberg wird selbst eine alte ausgestopfte Ziege zur Skulptur – »Monogram«. ZEIT: Können Sie denn nach ihren Schlaganfällen noch malen? Rauschenberg: Sie meinen. oder? Nur wenn es zur Masche wird. Rauschenberg: Vielleicht haben Sie Recht. vielleicht ist das auch ein Erbteil meiner Großmutter. Das ist eigentlich wie bei einer Performance. dass in der RauschenbergKindheit schon der ganze Rauschenberg-Künstler da war. das lag daran. Ich war immer im Dreck oder im Himmel. dass ihnen für ihr Glück etwas Wichtiges fehlt. »Natürlich«. Ich habe mal was aus Holz und lauter Schleifen gemacht. Jedes Mal. und die war zehn Jahre jünger. wenn wir die Kunstwerke umhängen. haben Sie damals doch mit einer Art Schöpferperspektive gespielt. ZEIT: Das klingt auch recht indianisch. Sie meinte. Da hat sich das mit dem Zeichnen gut entwickelt. von mir aus. ist vergangen und interessiert mich nicht mehr sonderlich. etwas von der Bescheidenheit. Ich bin nun mal ein Optimist. Außerdem sind meine Füße wirklich zu hässlich. Da sitzt sie dann gern herum. da weiß man vorher auch nicht genau. Selbst heute wäre ich wohl erst knapp über die Stadtgrenze von Asheville hinaus. die ich kenne. sagte sie. Rauschenberg: Hm. Ich hingegen liebte es. soll doch jeder machen. dass ich nicht lesen und schreiben konnte. das Wort gab es bei uns zu Hause gar nicht. Man muss den Reichtum nur einsammeln. mit der Vorstellung. Ich will einfach nicht gehen. Ich bin Legastheniker. The Museum of Contemporary Art. das ist nicht schlecht. wenn ich ins Atelier gehe. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Und ich habe so ziemlich auf allen Dingen herumgepinselt. Sie genoss die Partys und Empfänge. Oder wenn sie es so ungeheuer mit Bedeutung aufladen. ZEIT: Ihre Kunst hat ja ebenfalls etwas recht Ephemeres. ZEIT: Gut. Und wo wir vieles aufgebrochen haben. Aber. Ich versuche lieber. ob sie ihr Haus auch gesichert habe. Wobei. ich hätte immer so betrübt ausgesehen. auf einer Steppdecke. dass ich mir meine langen Haare abschneide. Da bin ich wohl sehr amerikanisch. Sie mag Kunst. Es ist normal. obwohl ja manche sagen. VG Bild-Kunst. Allerdings hat sich das Vorhaben dann ziemlich bald zerschlagen. Und wenn ich trotzdem mal eine habe. Ich wollte aber keine 25 Dollar ausgeben. dann gehe ich spazieren. Wir dachten immer. ZEIT: Soll denn nichts von Ihnen bleiben? Rauschenberg: Was vergangen ist. für 1500 Dollar. Aber auch damals war das ziemlich brotlos. Doch bitte. da bin ich acht und stehe irgendwo hinter unserem Haus.: ©Robert Rauschenberg »Coca-Cola-Plan. Einmal sogar. sogar meine Pflegerin. Warum das denn? Rauschenberg: Ich brauche sie einfach. wenn die Leute sich vergnügen wollen. sodass ich auf der Veranda schlafen musste. Ich vergrößere sie. ich habe sie immer gefunden. Hat mir viel Spaß gemacht diese Arbeit. Stört Sie das nicht? Rauschenberg: Meine Kunst will ja nicht zeitlos und unvergänglich sein. Also. dass es noch keine Foto-Handys gab. Ich sage ihnen immer. Und wenn ihr ein schlechtes Motiv seht. Vielleicht lag’s auch daran. es lebe die Kunst! ZEIT: Zumindest ist die Kunst heute überall zugegen. dann ist es bestimmt ein gutes. der Künstler sollte alles erfassen und alles gleichrangig bewahren. um sie zu vergessen. Ich hoffe. und das bin ich nun ganz und gar nicht. Sind Sie das nicht? Rauschenberg:Doch. Dann bliebe mir nur noch die Kunst. die haben aber ebenfalls ziemlich lange gebraucht. wählt nicht aus. Und zur Legasthenie hat sie nur gesagt: »So heißt das also. ZEIT: Sie wollten niemals ein Schöpfer. er sei sehr humorvoll gewesen. er malte in so einem Laborantenkittel und trug gern weiße Handschuhe. wirklich. Nein. dafür. das hing über dem Taufstein. verraten Sie’s nicht meinen Sammlern. ZEIT: War es Ihre erste Arbeit für die Kirche? Rauschenberg: So ziemlich. die ich zu meinen eigenen mache. meist in den Waschräumen. und das kam mir wie die depressivste Ausstellung aller Zeiten vor. Es gibt tatsächlich Leute. ZEIT: Woher dieser Mut zum Überschwang? Rauschenberg: Wenn ich das wüsste. Wissen Sie was? Vor ein paar Jahren bei einem Hurrikan. Und die bekommen alle eine Kamera in die Hand gedrückt. Auch wenn sich meine Mutter nie so richtig damit anfreunden konnte. Immer waren da die vielen Tanten. 44 SCHWARZ cyan magenta yellow 44 FEUILLETON eine dieser ganz strengen. Da galt selbst das Tanzen als Sünde. Ich habe damals die große Schau im GuggenheimMuseum gesehen. Doch Beuys verstand sich als großer Erzieher der Menschen. ich war oft bei Carter und bei Clinton im Weißen Haus. mit den Händen zu malen und die Farbe ordentlich spritzen zu lassen. Nicht selten bin ich leider auch beim Rausgehen ein unbeschriebenes Blatt. so als Krüppel? Meine rechte Seite ist ganz gelähmt. und das macht es natürlich nicht einfacher. Ich wollte ja auch gar nicht ein besonders guter Künstler werden. ZEIT: Kann Kunst überhaupt etwas verändern? Rauschenberg: Das würd ich schon gern glauben. die meine Mutter selbst genäht hatte. ja. aber meine Bilder mochte sie nicht. Rauschenberg: Ja. ZEIT: Wie furchtbar. er nannte mich einen Versager und wollte. das könne jeder. nichts Festgelegtes. Eigentlich habe ich immer unten im Halbdunkel gespielt. Ich habe vor einiger Zeit für die katholische Kirche gearbeitet. ich hätte wohl Dada weiterentwickeln wollen oder den Surrealismus. mit John Cage und Merce Cunningham oder Earle Brown. war ein ganz schöner Zufall. ZEIT: Und haben Sie sich im Dreck oder im Himmel dafür entschieden. Viele Menschen leben doch in dem Gefühl. Ihrer engen Heimat zu entfliehen? Rauschenberg: Das kam ja erst später. um mich selbst zu finden. die alles sieht. was er will. ich mag es nicht so düster. Tom Hanks hat damals auch einen Preis bekommen und noch ein paar Leute. Er hat mich oft beschimpft. aus dem Rahmen zu fallen. zu ihren Eltern oder ihrer Liebsten. Rauschenberg: Es war schon ziemlich einsam damals.« Eigentlich ist das einzig Ewige. Die Kameraden wollten alle eine Skizze von sich selbst nach Hause schicken. kein Möbel. Sie mag es hier in Florida aber nicht. Viele Kritiker meinten später. Oder meinst du. an denen zuvor nie abstrakte Kunst gezeigt werden durfte. und irgendwann findet sie ihr Lieblingswerk. Vor ein paar Jahren habe ich einen Preis bekommen. Und die Kirche. Rauschenberg:Eine Zeit lang habe ich aber schon monochrome Bilder im Geiste von Albers gemalt. Ich würde nicht behaupten. Der Sozialismus ist tot. ich war immer ein bisschen scheu. War das schon dieser Impuls. Moderna Museet. Es war so ein aufgebocktes Holzhaus. das eher eine Hütte war. Und irgendwie stimmt es wohl. Aber hat sie sich damit nicht inflationiert? Rauschenberg: Und was ist mit der arabischen Welt? Da könnten Künstler auch heute viel bewirken. Nur leider der Kirche nicht. ZEIT: Meinen Sie. was eigentlich passieren wird. Bonn 2006 »Ich habe meinen Himmel« vielen Spendenaktionen. Deshalb fotografiere ich auch so gern. Dann mache ich etwas anderes. Und wenn ich sehe. dass es heute unbedingt Frieden im Überfluss gibt. Und so habe ich sie alle gezeichnet. Und ich kann bei ihm auch keinen Humor entdecken. Da war ich aber noch Kind. da sollte ich für die Riesenkirche von Renzo Piano in Süditalien etwas entwerfen. ein Erfinder sein? Rauschenberg: Ich bin kein Künstler. immer wieder lassen sich mit der Kamera die Dinge ganz neu entdecken. bekannt für seine strengen geometrischen Bilder. Rauschenberg: Ja.« ZEIT: Das haben Sie dann ja beherzigt. . ich brauchte Widerstand. ZEIT: Wussten Sie denn als Kind schon. Auch wenn meine Leidenschaft für das Kramen und Horten mich nie verlassen hat. Am College habe ich sogar freiwillig den Müllwagen gefahren. dass die Nachbarn erfahren sollen. warum sollte ich das nicht zeigen? Mein Freund Darryl meint. Und mit ein bisschen Mut kann man doch eine Menge bewirken. die alles fotografieren. Nicht statisch.« Und ich: »Was? Und in welche Richtung zeigen die Bilder?« – »Natürlich nicht nach außen. Und warum ich nicht Kunst studieren wollte. überall Stoffreste von meiner Mutter. Ich brauche die Unsicherheit. dort zwischen der Kunst fühlt sie sich wohl. Ich war sehr stolz und habe meine Mutter angerufen. da rief ich sie an und fragte.Nr. in meiner Kunst dem Gewöhnlichen etwas abzugewinnen. Und erst eine gute Freundin hat mich dann zur Kunst überredet. was du treibst?« Das ist wirklich so gewesen. ZEIT: Sie meinen nicht zufällig Joseph Beuys? Rauschenberg: Fragen Sie nicht so direkt. der Ideen hat. am besten bin ich ein unbeschriebenes Blatt. wie ungerecht es in unserem Land derzeit zugeht. Als ich die dann irgendwann wiederhaben wollte. bitte. eigentlich so wie früher. hatte meine Mutter sie alle bemalt. »Ich habe alle Fenster mit Sperrholz abgedeckt. mein Schwager hat es gemacht. die Menschen machten mir Angst. An die Zeit kann ich mich nur schlecht erinnern. dass die Journalisten sich gegenseitig lesen und die Worte ihrer Kollegen ernst nehmen. Frühe arabische und europäische Reisende. verdeckt. Jetzt wurde ein eindeutig negatives Bild geformt. »For you! 1996«. Der Wilde soll bezwungen. CNN will informieren – und verbreitet unterschwellig doch nur Propaganda Als Bundespräsident Köhler vor einigen Wochen eine Reihe von afrikanischen Spitzenpolitikern. Gegenwärtig erleben wir eine erneute Wandlung des so oft vergifteten und verfälschten Bildes. wie Afrikaner leben. Das Spielfeld sieht ungefähr aus wie eine Arena für klassische Gladiatorenkämpfe: Auf zwei Seiten einer Grube steht je ein Journalist mit einem Spaten. die uns geboten werden. In dieser Periode werden die Afrikaner fast buchstäblich wieder in Affen verwandelt. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Es ging auf der Konferenz um die Frage der »Partnerschaft« zwischen Europa und Afrika. ganz eigene Wege zu gehen. Doch im CNN? Nicht ein Bericht über diese Weltmeisterschaft. ist es auch eine der meistverbreiteten Sportarten weltweit. um uns an der Formulierung der Fragen beteiligen zu können.Nr. In Rousseaus Geist wurde Afrika als ein Eden beschrieben. immer deutlicher. nicht nur. der bekämpft werden muss. »Das dunkle Afrika«. Um dieses neue Programm. es gab nur wenige Zeitungen mit geringer Verbreitung. muss man die Vorgeschichte betrachten. der Afrikaner leichtsinnig. Nach Afrika reist er erstmals 1972. soll durch das Anzünden des europäischen Lichts seine Aufklärung erfahren. dass dieses falsche AfrikaBild sich durchsetzt. Jetzt heißt die Losung Bekehrung. Wieder befanden sich die radikalen Stimmen in der Minderzahl. Diesem Eintopf wurde auch die Kritik an der umfassenden Korruption und den brutalen Diktatoren beigegeben. mit denen sie sich konfrontiert sehen. oder handelt es sich nur um eine Art von Resignation. Ohne ein verändertes Afrika-Bild. Solange wir akzeptieren. der eigentlich als Dritter Weltkrieg bezeichnet werden sollte. dass wir diesen Menschen zuhören müssen. der ich angehöre. Zur gleichen Zeit wurde irgendwo in der Welt eine Tischtennisweltmeisterschaft ausgetragen. Um diese Zeit ist auch die koloniale Aufteilung weitgehend abgeschlossen. dass Journalisten einander beobachten. von 1990 an wird er mit Krimis um den Komissar Wallander zum Bestsellerautor. Als wäre Rousseau plötzlich zurückgekehrt. die das brutale Vorgehen Europas zurücklässt. Darin brachte man das Kunststück fertig. kann man nach kurzer Zeit eine Schlussfolgerung ziehen. Die Massenmedien sind geprägt von dieser unvermeidlichen Polarität von arglistigen Lügen und eifriger Suche nach Wahrheit. Zunächst arbeitet er am Theater. Und es gibt immer nur vorläufige Sieger. Ihren Worten wird in der Presse Platz eingeräumt. So sieht Afrika sich selbst: Studio-Porträts von Philip Kwame Apagya aus Ghana Zeigt das wahre Afrika! Nur Elend und Sterben – warum die westlichen Medien ein falsches Bild vom schwarzen Kontinent zeichnen Von Henning Mankell … heißt eine Initiative des Bundespräsidenten. und die Grundeinstellung ist positiver. die nach dem zivilisatorischen Eingreifen Europas verlangt. Ein Fernsehsender. das König Leopold als sein privates Eigentum und seine private Unternehmung betrachtet. Göttingen 2001 . weil die Naivität leicht in jene Brutalität umschlagen kann. fällt der erste Schuss im mosambikanischen Befreiungskrieg gegen Portugal. Der Strom solidarischer Handlungen. waren erstaunt über eine Gesellschaftsstruktur. Aber das Bild Afrikas verändert sich wieder auf dramatische Weise. Sie suchten keine Wahrheit. sich nicht aufreizend weit vom Mainstream der Nachrichten entfernt zu positionieren.3 FEUILLETON 45 ie Welt der Massenmedien ist für mich geprägt von der Vorstellung eines symbolischen Kräftemessens. die Spaten sind in Aktion. Der Journalist schreibt. wie Afrikaner sterben. die afrikanische wie die europäische. auf der der afrikanische Kontinent in die kolonialen Enklaven mit ihrer absurden Grenzziehung aufgeteilt wurde. dass wir von Afrika und seinen Kulturen nichts zu lernen und keine Inspiration von dort nötig haben. zu sehen. die nur schwarzweiß war. 45 SCHWARZ Foto: Toby Selander cyan magenta yellow Fotos: Philip Kwame Apagya (v. aber nichts darüber. Die symbolischen Fliegen in den Augen hungernder Kinder wurden zum gewöhnlichsten Bild des Kontinents. und die Achse der Berichterstattung verlagert sich erneut. Der sich seit den 1850er Jahren als »wissenschaftlich« betrachtende Rassismus feiert unbegreifliche Triumphe. bedurfte es eines Alibis. entspricht dem. den afrikanischen Kontinent nicht ein einziges Mal zu erwähnen. Prokuristen und Abenteurer verändern das bis dahin existierende Bild von Afrika auf dramatische Weise. Wir werden weiterhin unsere Taschen voll packen mit Lösungen und Antworten. Jahrzehntelang haben Journalisten fast nur auf der einen Seite der Grube gestanden. Aber was ist daraus geworden? Ein Sender. In der inneren Struktur der dritten Macht im Staat ist dieser Gegensatz von Beginn an angelegt. die eine erschreckende und zugleich beschämende Dimension enthält. Diese Entwicklung beginnt in den Jahren nach 1850 und erreicht ihren ersten Höhepunkt in den 1880er Jahren mit der Berliner Konferenz. lernen wir heute alles darüber. wie die Berichterstattung über den afrikanischen Kontinent in den Massenmedien der westlichen Welt eigentlich aussieht. Für einige wenige Jahre kommt es zu einer Radikalisierung der Berichterstattung. dass damit nicht notwendigerweise auch unser Wissen zunimmt. dass das Bild der Medien von Afrika ein Feind mit ganz eigener Zielsetzung ist. (Ich war einmal in Shanghai. die Konfrontation ist lebhaft. Ein romantisiertes Bild von Afrika. was für die eigene Nation das Beste war. Die Missionare stehen auf und legen nicht nur von all den Menschen Zeugnis ab. ohne gleichzeitig zuzuhören und in einen Dialog einzutreten. die Wahrheit zu berichten. Sie wurden verachtet. Während ich dies schreibe. Vor einigen Jahren gab Newsweek ein Sonderheft über die Zukunft der Welt heraus. dass man ihn kaum verstehen kann? Wenn wir zulassen. Die Illusion von der europäischen Herrschaft. und die schreibende Zunft ordnete sich gefügig ins Glied ein. Die beiden Journalisten mit ihren Spaten auf je einer Seite der Grube. als Quelle der Inspiration. 3 DIE ZEIT S. die nur zu verworrenen Schlussfolgerungen führen. doch in wessen Namen und in wessen Interesse? Weiß er es immer selbst? Will er es immer wissen? D Halbe Lügen und trügerische Wahrheiten prägen die Berichte Dieses Kräftemessen oder dieser Konflikt existiert in allen inhaltlichen Sparten der Medien. Portugals faschistische Führung wird durch die Kolonialkriege. dass es immer so gewesen ist. Dennoch ist dieses romantische Bild nicht das vorherrschende. faul und rührend naiv wie ein unschuldiges Kind. wie sie leben. Dann wird der Gedanke der Partnerschaft erneut zu einem Traum. Wenn man den gewöhnlichen Informationsfluss aus und über Afrika kritisch betrachtet. Nicht zuletzt im Bereich der außenpolitischen – oder vielleicht eher der außenkulturellen – Berichterstattung. eine korrektere Berichterstattung über das Geschehen auf dem afrikanischen Kontinent zu erzwingen. ohne nach alternativen Informationsmöglichkeiten zu suchen? Wie kommt es dazu. Tischtennis ist in China bekanntlich ein Nationalsport. Der eine gräbt unermüdlich Sand herauf. grabende Journalist. Die ZEIT begleitet die Initiative mit einer Folge von Artikeln " Henning Mankell wurde 1948 in Stockholm geboren. Afrikas barbarische Zurückgebliebenheit kann nur durch einen von Europa ausgehenden Zivilisationsprozess getilgt werden. nimmt die Berichterstattung in den europäischen Medien zu. Der andere schaufelt das Loch ebenso unermüdlich wieder zu. Es kommt noch zu kleineren Konflikten zwischen den verschiedenen Kolonialmächten. eigentlich all die Jahre seit dem Weltkrieg. 3 DIE ZEIT S. Forschern und Künstlern zu einer Konferenz nach Bonn eingeladen hatte. dass sich in dieser medialen Wüste natürlich viele Stimmen zum Protest erheben und versuchen. oder das Umgekehrte. Unterstützung für arme Länder aufzubringen. Diese Art von Berichterstattung wird uns nie zu der Einsicht bringen. Dagegen unzählige Berichte über die amerikanische Basketball-Liga. Nur geringe Kräfte wirkten der Inszenierung dieses gigantischen Übergriffs gegen den afrikanischen Kontinent entgegen. Afrika verliert seine Bedeutung als Spielstein im militärischen Strategiespiel der Großmächte. die Information. Man kann diskutieren. Jetzt stehen Journalisten wieder auf beiden Seiten der Grube. Was mich zum betrüblichen Thema dieses Textes bringt. Steidl Verlag. die dann und wann auftauchten. Warum soll man einem ausgemergelten Menschen zuhören. Nachdem die Sowjetunion besiegt ist. muss ich annehmen. gesprengt. Die Zeitungen sind bestrebt. Niemand hörte auf sie. Der Krieg wird zehn Jahre dauern und zu einer vernichtenden Niederlage des Kolonialregimes führen. Gut vierzig Jahre dauert die Entkolonialisierung. 1964. ist in vielerlei Hinsicht qualitativ neu. diesem riesigen Imperium. Zugleich erkennen wir. diesen negativen Wandlungsprozess in den Massenmedien zu verfolgen. dass man einander seine Exklusivmeldungen neidet. der Frage nämlich. 1996«. von dem Livingstone spricht. Die Welt öffnet sich. Sie waren buchstäblich Rufer in der Wüste. der langsam zwischen Konferenzen und Seminaren zerrinnt. Wieder veränderte sich das Bild in den Massenmedien. sondern suchend. AUS DEM SCHWEDISCHEN VON WOLFGANG BUTT Nr. Halbwahrheiten. die sie nicht gewinnen konnte. Intellektuelle und Geistliche. die mit dem Sturz des Apartheidregimes in Südafrika endet. aus: »Flash Afrique!«. der wie ein Hofnarr mit biegsamem Rücken das Machtspiel mitspielt. Es kann sein. Um dies ganz zu verstehen. die in trügerische Wahrheiten verwandelt werden. Der Kalte Krieg.n. nicht zuletzt auf dieser Konferenz – so mein Eindruck –. Die großen Dürrekatastrophen rückten in den Vordergrund. 1996« »Self Portrait. Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt die Epoche. Das in den Medien verbreitete Bild beeinflusste und beeinflusst weiterhin die Bereitwilligkeit. das seiner Natur nach und in seiner Konsequenz ebenso falsch ist wie das frühere einseitige Bild des »Wilden«. manchmal der andere. es ist nicht festgelegt. mit Kanonen und Kreuzen soll Afrika langsam auf europäisches Niveau angehoben werden. der Mainstream. Sahen sie doch nicht. diese neue Sichtweise und diese wirtschaftliche Strategie zu legitimieren. Die dem CNN zugrunde liegende Idee war natürlich ausgezeichnet. das Graben und Zuschaufeln zieht sich durch die Epochen. wie sie sterben. wie dieser Zweikampf ausgeht. dass eine andere Art von verfälschender Berichterstattung um sich greift. Doch der breite Fluss. Massenmedien und Buchproduktion. das die Zeiten der biblischen Geschichte überlebt hatte. endlich den Sieg davontragen. die für die Ausformung des Afrika-Bildes der lesenden Allgemeinheit und der Obrigkeit wahrscheinlich von größerer Bedeutung waren. ihre Vorträge ziehen große Zuhörerscharen an. Ich brauche kaum zu betonen.) Das symbolische Bild ist weiterhin gültig. Afrika galt als nachahmenswert. das notwendigerweise kompliziert und widersprüchlich sein musste. Nicht zuletzt im Falle Afrikas hängt unsere gemeinsame Zukunft in hohem Maß davon ab. war die Kritik am Bild Afrikas in den Medien als Subtext der Gespräche ständig gegenwärtig. Kaufleute und Artilleristen. ob es sich dabei um eine lange Periode handelt oder ob Afrikas Befreiung sehr schnell ging. der mit so leiser Stimme spricht. Wenn wir uns am Bild der Massenmedien orientieren. Nur wenige wagen es. vom Leiden. ohne eine radikal neue Verantwortung der Medien wird die Hoffnung auf eine großzügige zukünftige Zusammenarbeit zwischen den Kontinenten eine Illusion bleiben. werden wir die Afrikaner nicht als ebenbürtig betrachten. werden wir auch nicht die Unterstützung leisten und die Inspiration einbringen können. Ein Jahr zuvor. Heute aber. In erster Linie sind es Missionare. Jahrgänge der Tagespresse aus der Epoche der kolonialen Triumphe durchzulesen kommt dem Blick in einen Abgrund gleich. Aber »ein von Bürgerkriegen zerrissener Kontinent«? Dies ist eine arglistige Lüge. ein negatives geschriebenes Wort über den afrikanischen Kontinent zu finden. Das Bild ist außerdem ein anderes. Hierüber ist schon früher diskutiert worden. und die Journalisten sollten ihre Werke begleiten und von ihren Leistungen berichten. Die Flut von halben Lügen. Wirtschaftsvertretern. In Afrika spielen auch seine Romane »Der Chronist der Winde« (2000) und »Die rote Antilope« (2001) Mal sind die Afrikaner Affen. die weltweit ausgestrahlt werden sollten. weil man über einen Kontinent berichten muss. statt nach Mitteln zu suchen. Die Berichterstattung kehrte sich nach und nach wieder von der Suche nach einem wahrheitsgetreuen Bild ab. ging zurück. die von der ZEIT-Stiftung gefördert wird. doch nicht minder ernste Konflikte. die den Übergriff gegen Afrika aufdecken wollen. Mit Kassenbüchern und Bibeln. seine Brutalität zu seinem eigenen Besten besiegt werden. beispielsweise zwischen England und Portugal um die später so zynisch glatt gezogene Grenze zwischen Sambia und Angola. von denen ich jetzt spreche. es ist eine Sisyphus-Arbeit. wie Europa sich dafür entscheidet. Warum ist die Berichterstattung so verzerrt und mit Lügen behaftet? Was wird damit bezweckt? Gibt es überhaupt einen Zweck. Zeitungen und Reportageteams mit leichten Filmkameras berichten zum ersten Mal ernsthaft darüber. Beim Durchblättern von Zeitungen aus den sechziger und siebziger Jahren fällt mir auf. die nach Europa gelangt. Danach entwickelt sich schleichend und über einen längeren Zeitraum hinweg eine andere Sichtweise. der unterschwellig amerikanische Lifestyle-Propaganda betreibt. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. In den Jahrzehnten. doch hinzu kamen die Reisebücher. was ich oben beschrieben habe. eine bessere Welt zu errichten. Das Kräftemessen geht pausenlos weiter. Mosambik. haben zugeschaufelt. Kürzlich las ich in einer großen europäischen Tageszeitung. zum 20. Im Jahre 1965 werde ich 17 Jahre alt. dessen Zukunft schon verloren zu sein scheint? Liegt es daran. Doch der Übergriff steht vor seiner administrativen und politischen Vollendung. verbergende. die sie zum christlichen Glauben bekehren konnten. Ohne Pressehistoriker zu sein. dass die Afrika-Bilder. Wir erleben heute eine wahre Sturzflut von Information. seit 1996 leitet er das Teatro Avenida in Maputo. der europäischen Überlegenheit ist schwindelerregend. erlahmt – abgesehen vom Öl in einigen Ländern des Kontinents – das Interesse der USA an Afrika. die von dem bestialischen Vorgehen Belgiens im Kongo Zeugnis ablegen. Die Veränderungen in der Darstellung des afrikanischen Kontinents in den Medien sind lehrreich – und erschreckend. wie sie sie in Europa oder im Nahen Osten kaum gesehen hatten. Kolonisieren hieß. zugleich aber auch gefährlich. derer wir fähig wären. 45 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. prägen gegenwärtig die Berichterstattung über Afrika. Doch ganz so einfach ist es natürlich nicht. herrscht in über neunzig Prozent der Länder auf dem afrikanischen Kontinent Frieden. erkennen beide Seiten. das passende Alibi für den kolonialen Übergriff zusammengelogen. Das Bild in den Medien hat eine Funktion. der Spuren verwischt. Als die Berliner Mauer fällt und das östliche Imperium zerbricht. Wenn das zutrifft. sei es in Gedanken und Manifesten oder konkreten Hilfsaktionen für den afrikanischen Kontinent. Manchmal triumphiert der enthüllende.l. Nur Menschen sind sie selten Das neue Afrika-Bild ist um die Wende vom 19. Jahrhundert fertiggestellt. mal edle Wilde. Die Ideologen waren Ingenieure und Missionare.r. aber zugleich ist man bemüht. Vor 150 Jahren war es in der westlichen Welt nahezu unmöglich. Der Kontinent wird wieder »wild«. Zwar war das Material äußerst begrenzt. und nach dem Zweiten Weltkrieg sieht es so aus. als sollten diejenigen. Afrika sei »ein von Bürgerkriegen zerrissener Kontinent«. um wieder verjagt zu werden oder einfach zu verschwinden. vom Sterben beherrscht sind. um das Loch tiefer zu machen. werden wir Europäer auch weiterhin reden. Es ist natürlich nicht schwer. Es gibt einige große und ernste und einige kleinere. Gelingt es uns nicht. geht zu Ende. Um 1900 wird dieses Bild endlich infrage gestellt. wenig später ergänzt durch die Berichterstattung über die explodierende Aids-Krise. Hier kam den Massenmedien eine entscheidende Rolle zu. Die Afrikaner sind nicht mehr die Wilden. Journalisten sind Herdentiere wie andere Menschen auch. mit ihren Gegenbildern durchzudringen. dass die westlichen Medien den ganzen afrikanischen Kontinent mit Nichtachtung strafen? Natürlich liegt es teilweise daran. sondern mehr noch von den mit abgeschlagenen Händen gefüllten Körben. ohne sie infrage zu stellen.) »Francis in Manhattan. kommt es zu einem weiteren Pendelausschlag. sondern die Opfer. Die Afrikaner wurden mit Franz Fanons Worten zu den »Verdammten der Erde«. die nach Mali kamen. der sich auf Nachrichten konzentrierte. Jetzt beginnen Gegenstimmen laut zu werden. 572 Min. Bei Kurosawa werden am Ende die Samurai nicht mehr gebraucht. sondern im Frankenreich geht man im späten 9. Sie finden den alten Samurai.« Und wenn ein großer (Erzähl-)Architekt schon mit der Abrissbirne hantiert. dass die Musikgeschichte in ständigem Fluss und manchmal die reine Quelle gar nicht mehr auszumachen ist. Kurosawa (1910 bis 1998) erzählt eine Geschichte aus dem 16. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. leben nur noch drei. der über Stufen gezogen wird«. Rambo ist ein Sohn deutscher und indianischer Eltern: Das ist in den USA als die hippiefaschistische Chiffre für eine Mischung aus legitimer präzivilisatorischer Alteingesessenheit und den »guten Seiten« der Nazis lesbar. 348 Min. Rambo I – III Kinowelt Home Entertainment. Obwohl Colonel Trautmann schon in der ersten Folge informiert: »Nicht Gott hat Rambo geschaffen. was man ist. Als Karl der Große 814 in der Pfalz zu Aachen heimgeht. nennt sich aber Stiller. schlägt unser Hassblut pumpendes Herz für sie. Pippin der Jüngere und Karl der Große haben die römische Liturgie übernommen. »Er war im Begriff. Ein vergleichsweise einfaches Unterfangen. Chant Wars – gesungen von den Ensembles Sequentia (unter Benjamin Bagby) und Dialogos (unter Katarina Livljanic) deutsche harmonia mundi 82876 66650 2 The Ultimate Jazz Archive Membran Music 222800 (www. geht sein Dackelblick nach innen. Dieser in Europa wenig be- achtete Strang führt von Hippies und Aussteigern zu neofaschistischen Milizen. als würde hier die eigene Zukunft entschieden: Man erlebt.Nr. Papst Gregor. wie es im 19. Vokalisten inklusive Pino Minafra – Sud Ensemble: Terronia Enja Records 9480 Die Charlie Haden/Carla Bley Big Band lebt jetzt vermutlich in Italien! Mit Poesie. die nicht die Kraft. Noch Jahre später bewundern verdutzte Polizisten diese einzigartigen Schnittnarben auf dem glänzenden. sind froh und ausgelassen. aber selbst sind sie nichts. ein alter. und diese wiederum wird in allen drei RamboFilmen durch eine Kreuzigungsszene gekrönt. der über ein Jahrtausend lang währte von mirko weber icht etwa in Rom. Aber wie findet man einen wahren Samurai? Man stelle sich hinter die offene Tür eines dunklen Hauses und locke einen Mann herein. Aber er weiß. als sich selbst anzunehmen!« Ein Satz – gern zitiert. dem noch vage an normales Spät-New-Hollywood gemahnenden Rambo-Film First Blood (1982). Jahrhundert daran. die einen Vietnam-Veteranen nicht achten. Hinter ihm erheben sich vier Grabhügel. ins Ohr gesungen haben soll. rechtloser Staatsfeind. 35. dessen Look sich immer am trotzig proletarischen Rock der Achtziger (Springsteen. nimmt er es stechend. die ihnen beistehen. das seine VietnamKämpfer nie richtig geehrt hat. Es spricht der Anführer der Samurai. Er sucht sein Selbst. Auch das in Rambo II (1985) von ihm verwüstete Südostasien hinterlässt geistige Spuren (Buddhismus). vietnamesischem Wasserbüffelgeschirr oder in afghanischen Folterverliesen. Sie sind Abkömmlinge der Samurai. was der Legende nach einst eine Taube dem Namensgeber des gregorianischen Gesangs. Meist endet das in seiner Gefangennahme . Die menschliche Unvollkommenheit zeigt sich in der Existenz der Samurai. ein Tagebuch-Roman als Agentengeschichte – alles in einem: »Gerade die enttäuschenden Geschichten. der gregorianische Gesang sei der eigentliche Gesang der römischen Kirche. der Vereinheitlichung des Liturgiegesangs. Selbst wenn die Dorfbewohner einen hilflosen Banditen tottrampeln. eingerissen: »Jedes Wort ist falsch und wahr. Im Titel steht: Stiller. Ein ausgeschlossener. ein Ehe-.« Das müssen feine Jahre mit furiosem Flagellanten-Sex gewesen sein. wehrlose Bauern von ihren Feinden zu befreien. Aber beim Gesangsrepertoire gibt es interpretatorische Schwierigkeiten – weil es uneinheitlich überliefert ist und die Deutschen und die Gallier ihre eigenen Weisen mit den römischen mischen. Die noch etwas verschüchtert gegen diabolische Sowjets streitenden afghanischen Mudschahedin werden von Rambo zu echten Guerillas aufgebaut. Falsch und wahr Großes Verwirrbuch. Jahrhundert. Vermutlich ist er auch nach dieser Episode an den Einsatzort zurückgekehrt und lenkt AlQaida-Brigaden gegen das Land. Boogie-Woogie. schreibt in der Vita Gregorii. gehen auch andere Stützpfeiler traditionellen Fabulierens zu Bruch: »Man kann alles erzählen. One Up – Live at the Half Note Impulse/Universal 0602 49862 1431 Kein Ende der Entdeckungen: Ein Radiomitschnitt von 1965 mit dem Gottvater des modernen Jazz und seinem Quartett auf dem Höhepunkt der Schöpfung. Räuberbanden ziehen übers Land und überfallen die Dörfer. der vor allem sein Fleisch und die Feuerwaffe unter Kontrolle hat. und er wird nicht mal überrascht sein. Man ziehe dem Eintretenden einen Prügel über den Schädel. und zu werden. die schlaflosen TVKommissare. Wissenschaftlich ist die Quellenlage mit allein 30 000 überlieferten Choralhandschriften gar nicht zu bewältigen. Die bitteren. Heutigen Ohren klingt sie: seltsam vertraut. Auf dem Feld tanzen die Bauern. sondern ich.« Männergeschichte? Oder doch mehr? Ein seit Jahren in Amerika lebender (aus unglücklicher Ehe in die Weiten der Staaten geflohener) Mann wird bei der Zwischenlandung in der Schweiz »erfasst«: Ist der Fluggast Jim Larkin White nicht identisch mit dem seit Jahren verschollenen. ein Eifersuchts-. dieses kluge Lebens-Buch zu lesen. Heute hat man von dem Mann. die ihnen ihr Leben verdanken. nur noch persönliche: heldisch gewaltbereite Einsamkeit. immer irgendwie zögernden Stimme ist er der ideale Erzähler dieser stolpernden Geschichte zwischen Wirklichkeit und Traum.« Das sind die letzten Worte in Akira Kurosawas Film Die sieben Samurai (1954). graziöser Kämpfer. (Ver-)Schweiger. Little Steven) orientierte. Wir haben gewonnen und doch verloren – der Satz hallt nach. nur nicht sein wirkliches Leben. Davon konnte sich der Jazz nie wieder erholen N Der Streit darüber. von pulsierenden Adern durchzogenen Bronzekörper. dem das ganz ungeheuer missfällt. dass er endlich anfängt. bis hinein ins TV und Kino der Gegenwart. herauszutreten aus der Resignation darüber. ein Homo sacer. zwingt zusammen. kaum näher gekommen. daß man nicht ist. Es gibt für ihn keinen Schlaf und keine Geborgenheit. Er liefert damit das bis heute beliebte Vorbild für Loser und Arbeitslose. was man so gerne wäre. sie haben das Kämpfen nicht gelernt. und man will. Die Bauern ergeben sich ihrem Schicksal. Ohne diesen Moment der Verachtung kommt noch heute kein guter Actionfilm aus.cd-lp-dvd. Auch deshalb gut. Doch der erste. als würde er gleich leise fiepen. ist er einem seiner Ziele. lange nichts mehr gehört. erklingt bei der Beerdigung eine Harfe aus vorkarolingischer Zeit. 3 DIE ZEIT S. dass wir ihren Beistand gebraucht haben. Samurai. einer der großen Hörsprecher dieses Jahres. den christlichen Liturgiegesang zu systematisieren. es nun hören können. nicht mehr darauf zu beharren. Gewonnen haben nur die Bauern dort – und nicht die Samurai. die aus der Welt fallen und für ihr Elend keine politischen Gründe mehr kennen. In einem einzigen Dorf keimt Auflehnung. aber im Frieden will man sie nicht sehen. Ein Liebes-. bis zur Litanei und von der römischen Psalmodie zur karolingischen Totenklage. Und nach der Schlacht schämen wir uns. die Lust haben.« In der von Brigitte Landes klug gekürzten Fassung ein schönes. großes Hör-Erlebnis. Ein echter Samurai wird den Schlag abwehren. (berühmte) Satz heißt: »Ich bin nicht Stiller!« Ja.– ¤) Mit seiner etwas rauen. turnend mit einem Dutzend auf. wie ein Krieg entsteht. aber er treibt sie in eine so verdichtete und rauschhafte Gegenwart. Jahrhundert gültig war. Die zentrale Erfindung der letzten NewHollywood-Jahre war der Outlaw von rechts. Humor und Leidenschaft eint Trompeter Pino Minafra sein Land und lässt die Frauen singen Nr. Ulrich Matthes. Nichts ist schwerer. Foto: defd Kinoarchiv Die ZEIT empfiehlt Neue Jazz-CDs John Coltrane: One Down. dass die Welt tückisch und feige ist. Die frauenlosen Kino-Detektive. Peter Kümmel »Wie ohrenbetäubender Krach« KLASSIK: Wie klingt der wahre gregorianische Gesang? Ein Streitfall. schwer zu leben. nur im Kampf zur Ruhe findenden Helden von heute sind in ihm schon angelegt. Bürokraten oder Sheriffs. Big Bands. Es ist der Satz von der Vergeblichkeit allen ehrbaren Tuns. an Reaktionsgeschwindigkeit und Zen als Antwort auf die als individuelle Kränkung empfundene strukturelle Überflüssigkeit. »die sich anhören wie der ohrenbetäubende Krach eines Karrens. Immer hängt sein leckeres und oft frisch geschundenes Fleisch an Gefängnisgittern.3 " 50 FILMKLASSIKER " HÖRBUCH Stolze Verlierer »Wir haben gewonnen und doch verloren. dass allein der bis heute in Mailand praktizierte ambrosianische Ritus und verschiedene Riten der Ostkirche Grund genug sind. dass man Die sieben Samurai mit wachsender Ungeduld sieht. »Rambo II und III« als Neuerscheinung. Als solle sich noch einmal beweisen. den … viel schwereren Schritt zu tun. Sie reicht vom Graduale. Blues. ehe unsere Scham ihnen unerträglich wird. 3 DIE ZEIT S. schießend. was durch die Geschichte hindurch zu manchen »Sängerkriegen« geführt hat.und CDSammlung mühsam vervollständigte – hier hätte er alles einfacher bekommen! 168 CDs von Scott Joplin bis Charles Mingus. 7 CDs. was Frisch jubelt oder klagt: »Er will nicht er selbst sein … Er leidet an der klassischen Minderwertigkeitsangst aus übertriebener Anforderung an sich selbst. hält sich bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. und sein letzter Auftrag in Rambo III (1988) hat bis heute weitreichende Folgen. Er rekrutiert sechs Krieger und rettet das Dorf. Von den sieben Samurai. Dort wird man sich bewusst. sie alle kennen den Satz. die losgezogen waren. Der Architekt Max Frisch hat die Grundfesten des Erzählens. Einer will erzählen. Die Bauern. 3 DVDs. die unruhigen Meisterfahnder von heute. Dessen Bewohner suchen sich Ritter.de) Wer jahrzehntelang seine Platten. Seine neue Version ist seit Taxi Driver der rechte Rächer von Jungfräulichkeit und verkanntem Soldatentum.. 46 SCHWARZ cyan magenta yellow 46 FEUILLETON Diskothek 12. Die Samurai sind die Helfer der guten Mächte. harsch angesprochen wird. In seiner ersten Inkarnation. wird er uns als drifter vorgestellt. von der Jahrhundertwende bis 1955. nur das Bücken. Johannes der Diakon. würde Giorgio Agamben sagen: ein von allen Seiten verlassener Vogelfreier. Doch wenn die Geduld des wortkargen Mannes am Ende ist. die von den wunderbaren Mittelalter-Ensembles Sequentia und Dialogos jetzt zitiert werden. das von der Improvisationskunst des Solisten lebt. wenn sie die Vielfalt der Traditionen faszinierend darstellen. dass Menschen. aber schon bald werden sie wieder hart und kalt sein – Besitzende eben. wird Buddhist und versteckt sich in einer Mönchskutte in den Wäldern von Oregon. Die Samurai spüren das und machen sich davon. was nu? Geht es los oder nicht? Und wie es losgeht! Der Roman des Jahres 1954 hat Geschichte gemacht. das ist das Wesen des Worts. Vom alten gegenkulturellen Modell zu Beginn der NewHollywood-Phase (Easy Rider) hat er noch die Liebe zur Natur und die Spiritualität. damals in Trautmanns Elite-Einheit in Vietnam. schaut Rambo. Wir schaffen es nicht ohne sie. Rolf Michaelis Furioser Flagellanten-Sex DVD: Ewiger Rächer der Überflüssigen – »Rambo« neu gesehen Von Diedrich Diederichsen H 48 Foto: defd Kinoarchiv Akira Kurosawa: Die sieben Samurai undeblick und Muskelerotik: Wann immer er von Sowjets. sie feiern ihre Freiheit und setzen die Reispflänzchen der Zukunft. wirken lebensecht. Sie sind willkommen in verzweifelten Lagen. Spiritualität und Staatsfeindschaft: Wenn Rambo nicht metzelt. in eine Agentenaffäre verwickelten Bildhauer Ludwig Anatol Stiller? Der (in mehr als nur banalem Sinn aus den Wolken seines Traums fallende) Mann stößt bös mit der Wirklichkeit zusammen. Arbeit an sich selbst. als wäre er Gottes Sohn. Ein Samurai verabscheut Feigheit und Tücke. die keinen rechten Schluß und also keinen rechten Sinn haben. In Japan herrscht Bürgerkrieg.« (Hoffmann und Campe. dass aus ehemaligen vokalen Schattierungen des Südens im Norden immer gleich kehlige Schroffheiten würden. Ein falscher Samurai wird blutend zusammenbrechen. 46 SCHWARZ cyan magenta yellow . Für die Samurai haben sie keinen Blick mehr. Wie raunte die Kanzlerin? »Überraschen wir uns damit. Die soeben noch sicheren Maßstäbe über wertschaffende Prozesse und Bilanzgrößen verflüchtigen sich. steht ja außer Zweifel. Ohne Wachstum kein Kapitalismus und vice versa. 3 DIE ZEIT S. mache ich andere. Der Umbau der Kooperation zwischen Wirtschaft. sondern auch weil eine ganze Reihe von Tätigkeiten nur noch als »Schattenarbeiten« ausgeführt werden können. die nicht müde wird. Wozu denn überhaupt Wachstum? Allein um höhere Gewinne zu erzielen und damit die Wahlmöglichkeiten für wirtschaftliche und soziale Entscheidungen zu erhöhen. Für ihn steht fest: der materielle Vorrat der »Welt« ist im Prinzip begrenzt. Es geht darum. dass Wachstum auch Arbeit schaffe. riesige schwarze Limousinen – heute am besten im RangerLook –. die man eben noch selbst übernehmen wollte. Daher rührt auch die zynische Rhetorik der Marxschen Einrede. der Gesellschaft statt Arbeit mit dem Schlachtruf »Du bist Deutschland« das Nationaltrikot überzustreifen und die Nationalmannschaft imaginär zu vergrößern. Diese könnte auch lauten: organisatorische und technologische Modernisierung. die ökonomische Gier anzureizen und zu sozialen Konflikten. in dem der Dichter sozioökonomische Klassiker des Sozialismus in fernöstliches Weisheitsgewand hüllte. sondern neue Gewinnmargen. Denn dass Wachstum nicht nur Arbeit vernichtet. dem »Gefangenendilemma« – also dem Widerspruch konkurrierender Interessen – zu entkommen. Es bedarf allerdings großen politischen Mutes. es wächst aber auch der informelle Sektor – Schwarzarbeit und Reproduktion. die neben »Wirtschaft als Schicksal« der Moderne ihr »Ausgeliefertsein« an Anonymisierung und wuchernde Verwaltung setzt. Tatsächlich redet die Studie an der anthropologischen Wende der Ökonomie nach Smith vorbei. »unser Land in zehn Jahren wieder an die Spitze Europas zu führen«. die. sondern auch den Finger in die Wunde gelegt: Die Primärtugend des Arbeitnehmers ist der Lohnverzicht. gegen die sich die Wachstumsdynamik »vernichtend« wendet. nicht nur Franz Münteferings »Heuschrecken«. Entscheidungsstrukturen ohne persönliches Risiko. wie zuvor schon Luther ahnte. in die Gesellschaft zurückzuführen und den bestehenden gesellschaftlichen – nicht staatlichen – Reichtum dafür zu nutzen. Seine Selbstverantwortung gipfelt in der Übernahme der Sozialkosten. aber – wie Marx selbst weiß – nicht wesentlich. entging ihm jedoch: die Manager. Ihr Doppelklick auf die Bundesregierung selbst. »Indem ich reich bin.5 Prozent«. Die scharfe Trennung zwischen »Leidenschaft« und »Interesse« markiert zugleich die Verwandlung der älteren »moralischen Ökonomie« in eine autonome Ökonomie. wenn sie fordert: Freiheit für Wachstum. Schon Erhalt der Produktionsquote bei verringerter Arbeitsleistung ist Wachstum. Hauptaufgabe müsste es also sein. notiert der erfolgreiche Florentiner Kaufmann Giovanni Rucellai in seinen Ricordanze um 1450. Diese Balance ist die Kunst der Politik. durch Wachstum Arbeit zu sichern. Gewinnentnahme et cetera. Entgrenzte Wirtschaft als Surrogat von Politik überließe dieser allenfalls noch die Aufgabe. Arthur Lewis’ Theory of Economic Growth. Und noch ein bemerkenswerter Satz aus seiner Feder: »Wachstum kann die Wirkung haben. 47 SCHWARZ cyan magenta yellow . Rassen. Was eben noch Horror war. an der »wir mit der ganzen Welt ein Fest feiern können«. braucht es Regulierung. die höchste Schulabbrecherquote der Industrieländer. Die »kopernikanische Wende« veränderte auch den Wirtschaftshabitus. Damit sind wir im Zentrum der Aporie: Ohne Wachstum keine Ökonomie. und damit ökonomisch unendlich. der inzwischen längst nicht nur die »Großbetriebe«. Exotismus. Rücklage. Arbeit abzuschaffen und damit den »Arbeiter« zu enteignen – ihn arbeitslos zu machen. Richtig. Gewinn in Kapital transformiert und damit eine idealtypisch unendliche Zirkulation von Produktion. Er muss die Konditionen ändern. Arbeitsplätze zu schaffen! Keine Rede davon auch im Standardwerk der neoklassischen Wachstumstheorie. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Anlage auf dem Finanzmarkt. der holistisch betrachteten »Natur« überhaupt betont. Verachtung literarischer Kultur. Fleiß. dann müssen wir noch mehr als bisher tun. Weniger Heuschrecke als Maulwurf sieht Max Webers Bürokratiediagnose. den halunkenhaften Charakter des »Kapitalisten« zu unterstreichen. Denn trotz der wohltuenden Aussicht auf die Fußballweltmeisterschaft schon in diesem Jahr. die Wachstumgsprognosen »verfestigen sich auf ermutigende 1. das heißt durch entgrenzten »Kapitalismus« sozialistische Versprechen einzulösen? Immer mehr ist immer weniger Alle träumen vom »Wachstum«. Auch der individuelle Wohlstand ist nicht Ziel des Wachstums: »Es ist durchaus denkbar. Der Lebensstil dieser neuen Klasse wurde bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert von Edward G.und religiösen Unruhen zu führen«. Dies alles vor dem Hintergrund einer gigantischen Staatsverschuldung.« Ein Satz wie aus Brechts Buch der Wendungen. verdeutlicht das »fest im Blick« fixierte Ziel. die diesen Namen verdient – also keine »kapitalistische« –. Ihr Aufstieg beschleunigte den Prozess der Deprofilierung und Anonymisierung oder besser: Er wurde zum Symptom dieses Prozesses. Wer in solcher Lage in riskante Arbeitsplätze investiert. Die Heuschrecke macht eben noch keine Krise. die ich vielleicht gar nicht kenne. arm«. Lebensführung. doch der deutsche Staat ist im Gegensatz zu den USA bei den eigenen Bürgern verschuldet: die Privatisierung hat gleichsam bereits stattgefunden. Kolonialismus. gegründet auf Kultur. Sehr gut hat Marx seinen Smith verstanden. »Sekundärtugenden«. diese sei »an die Arbeit gegangen« und habe »sich an die Arbeit gemacht«. ihn zu verwirklichen. dass wirtschaftliche Güter beliebig vermehrbar sind. außerhalb dieser Ökonomie keine Arbeit. Damit ahnte er Verantwortung ohne Verantwortungsethos. Zurück zur Leidenschaft. die »parasitäre Arbeit«. hüllt die Kanzlerin ihrerseits kapitalistische Tradition ins sozialistische Gewand. Dieser Weg ist längst von den Sozialwissenschaften vorgedacht. hatte Oskar Lafontaine einst gespottet und damit nicht nur seinen Parteiaustritt gleichsam »historisch« vorbereitet. Doch eine enthemmte Wirtschaft allein schafft keine Arbeitsplätze Von Achatz von Müller Die unsichtbare Hand: Wie aus Eigeninteresse Gemeinwohl werden soll Die Vorstellung. 1848 – folgt dieses Prinzip dem Gesetz der ener- Wachstum und »sichtbare«. Zurück zum Ausgangspunkt. dass wenigstens das Kabinett Arbeit gefunden hat. So hat die Bundeskanzlerin durchaus Recht. Die Neuentdeckung der Produktivkraft »Wissen« und eine Reihe besorgter sozioökonomischer Analysen über die Folgen der »dritten industriellen Revolution« im Kontext der »Globalisierung« wie etwa Jeremy Rifkins Studie Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft zeichnen das eher düstere Bild eines epidemischen Wegbrechens klassischer produktiver Arbeitsfelder auch ganz unabhängig von der ohnehin (nur selten zutreffenden) globalen Arbeitskonkurrenz. Er weist auf den Widerspruch zwischen den »Interessen« von Kapital und Arbeit hin. Die Stimmung stimmt. dass die Produktion wächst und dennoch die Masse der Bevölkerung ärmer wird«. Arbeit vermeintlich am gelungensten verbindet. Zurück zu Adam Smith. die durch die Verschiebung vom traditionellen Bilanzgewinn zum CashFlow Investitionen jeder Art – auch in »Arbeit« – unter den Vorbehalt möglicher Ausschüttung an die Anteilseigner stellen. die höchste Kindersterblichkeit der Industrieländer. er möge seiner sozialen Pflicht genügen und Arbeit schaffen. Öffnung der Grenzen für Waren und Arbeit erst im Gleichschritt steuerlicher Globalerfassung des »flüchtigen« Kapitals. Dass bereits unter seinen Augen eine neue ökonomische Klasse entstand. Hier drohen Foto [M]: Horst Schnase/action press Der Welt grösster Schaufelbagger im Braunkohlekraftwerk Niederaußem Nr. die vom Wachstum geschaffen wurde. vermerkt Lewis lakonisch. Was sind die Kosten dieses Modells? Keine Frage – hohe Defizite der sozialen Infrastruktur: unzureichende Krankenversicherung für ein Viertel der Bevölkerung. sondern auch Arbeit schafft. der daraus dann die Vision einer von Arbeitsmühen befreiten Gesellschaft gewinnt. Selbstverantwortung. zur Erneuerung von unternehmerischem Risiko. Ist das ein taugliches Vorbild? Doch auch die deutsche Staatsverschuldung ist zu hoch. sie lautet: Arbeit braucht Wachstum und Wachstum braucht Freiheit. Es fehlt die systematische Verstetigung. weiß die Kanzlerin: »Wenn wir … das Problem Nummer eins. war der älteren Ökonomie völlig fremd. Doch es geht nicht um persönliche Schwächen – mögen sie wie in einigen jüngsten Fällen auch abstoßend sein. Doch um Wachstum auf Arbeit und Staatseinnahmen zu lenken. persönlichem Einsatz und persönlicher Charakterbildung. dass diese Zwischenklasse einen Strukturwandel markiert: die zunehmende Virtualisierung der Ökonomie. Auf diese verhängnisvolle Aporie reagiert die Gesellschaft mit dem Appell an alte Werte. John Stuart Mill. Nur Abbau von Arbeitsplätzen garantiert das Überleben – zumindest bei Börse. Damit entdeckte Mill das Gesetz der Produktivitätssteigerung im Wirtschaftswachstum. zum kulturell geläuterten Interesse des Homo oeconomicus. Diese liefert erst Adam Smith auf der Basis einer neuen Anthropologie. die. Diese entsteht vielmehr – so Marx – durch die Tendenz des kapitalistischen Wachstums. stabile soziale Beziehungen zu zerstören. Übernahmen drohen von allen Seiten. Schatzträume und am Ende harte Arbeit und diversifiziertes Kapital besorgen die Illusion grenzenloser Vermehrbarkeit materieller Werte. antwortet Lewis. Kapitalmarkt und Weltbank. Allerdings – so der erste umfassend argumentierende Theoretiker des Wachstums. das sich aus der Sicht der Awacs-Aufklärer gewiss putzig ausnimmt. Ziel des Wachstums ist es also nicht. Dieses Wirtschaftssystem ist ganz und gar auf Wachstum angelegt. befeuern Fantasien über die Unbegrenztheit der Güter. Damit sind die Nester der Heuschrecken förmlich Teil der Produktion geworden. die Sozialinterventionen – auch wenn man sie wollte – faktisch verhindert. verwandelt die »unsichtbare Hand« in Smiths Konzept erst dann Eigeninteresse des Einzelnen in Gemeinwohl. wie Giordano Bruno formulierte. in W. Der Widerspruch vielmehr ist objektiv. Warum? Da sie zu den bestehenden formalisierten Konditionen keinen »Markt« finden. Sparsamkeit. ist nun hoffnungsvolle Zukunft. Und dies geschieht keineswegs allein deswegen. Doch das alles ist noch kein »Wachstum«. besteuerte und sozialversicherte. sowie auf die »unendliche Gnade Gottes«. Wirtschaftliches Wachstum wird von der äußeren Welt abgezogen und in die innere des moralisch durchgearbeiteten Menschen verlegt – begrenzt durch Kultur. Die erste stammt bekanntlich von Karl Marx. Unbegrenztes Wachstum müsste aber am Ende auch die Entscheidung zur Schaffung neuer Arbeitsplätze wachsend wahrscheinlich machen. Zwischen Wachstum und neuen Arbeitsplätzen steht somit eine sozio-ökonomische Entscheidung. Doch er teilt nicht dessen aufklärerische rational choice-Einschätzung des »Interesses« und des ihm nach Smith innewohnenden Vermögens. sondern auch die mittelständische Wirtschaft erfasst hat. Und für alle gilt: Zurück zu den vermeintlich verloren gegangenen Tugenden Disziplin. Moral. Sparen wir uns auch die Einrede der Meadows-Studie über die Grenzen des Wachstums. Die Ecksteine eines solchen Umbaus lauten daher: Steuerentlastung von Arbeit und Investitionen in Arbeit. Der Blick auf die »Unendlichkeit der Welten«. die den bekannten Namen »Kapitalismus« trägt. Das ist zwar richtig und wichtig. von einem postkopernikanischen Weltbild ausgehend. dafür ostentative Sportbesessenheit und ebenso lautstarke wie unerschöpfliche Konsumbereitschaft markieren den sozialen Charme dieser Gruppe.« Sind die Vereinigten Staaten auch ein Vorbild für Deutschland? Die von Marx beobachtete Tendenz zur Abschaffung der Arbeit als systemischer Widerspruch des Wachstums hat hingegen neues Interesse gefunden. selbst von solchen. weil diese Arbeiten vermeintlich zu teuer sind. die erschreckend hohe Arbeitslosigkeit in den Griff bekommen wollen. das 47 D as neue Jahr beginnt alles andere als suboptimal. Erziehung. So möchte man uns nun auf das Vorbild USA einschwören. Kapital und Produktivität schafft. Sparen wir uns den posthistorischen oder auch revolutionären Marx. Die Arbeitslosigkeit »steigt langsamer«. Dialektisch geschult. Dazu gehört die ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstbedienung. bezieht sich auf die systematische Steigerung der Produktivität und die dynamische Verringerung der Produktionskosten. 47 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. demonstriert. Unbegrenztes Wachstum hat jedoch inzwischen einige bedeutsame Einreden erfahren. kann sich nicht mit Appellen an die Wirtschaft begnügen. könnte schon morgen tot sein. Gesellschaft und Staat zugunsten eines gesellschaftlichen Entscheides. An sich müsste daher alles allen gehören. also sich der globalen Billigkonkurrenz erwehren müssen. Ganz folgerichtig hat die Antwort auf »Meadows« mit der Ökonomie der »Nachhaltigkeit« die Ressourcenfrage in neue Wachstumsdynamik umgemünzt und ebenso folgerichtig mit einer neosmithschen Moral individueller Askese und Selbstkontrolle verbunden.« Und auch hier ist guter Rat nicht teuer: »Wir sollten uns an eine einfache Weisheit erinnern. sie hat vor allem die Freiheit der Schwachen zu sichern. Dann gibt es auch Arbeit. will diese Rhetorik sagen. die Begrenztheit energetischer Ressourcen. was möglich ist.Nr. Doch trägt oder trügt die Hoffnung. Robinson in seriellen Hollywood-Produktionen als MafiaStil persifliert: blonde überschlanke Frauen. Kontrolle waren somit höchstes Gebot jedweder Wirtschaftsführung dieser auf dem aristotelischptolemäischen Weltbild basierenden Ökonomie.3 FEUILLETON getischen Sparsamkeit: Es sucht in gleichem Maße gesteigerte Produktion und minimierte Arbeitsleistung. die höchste Analphabetenrate der Industrieländer. Verschärft werden entsprechende Analysen durch neue Dynamiken des Finanzkapitals. substanzielle Besteuerung aller wertschöpfenden Prozesse – sowohl des Konsums bei Wahrung sozialstaatlicher Grundsätze wie des »vagierenden« Kapitals –. fingierte Erfolge als Spekulationshausse und Wachstum als Börsenblase durchaus voraus. Dann hilft auch kein Appell an den »Kapitalisten«. Wie Albert Hirschmann glänzend nachgewiesen hat. 3 DIE ZEIT S. Offenbar hat die Bundeskanzlerin mit ihrer Neujahrsansprache den richtigen Ton getroffen. die höchste Obdachlosenquote in städtischen Ballungsgebieten der Industrieländer. Stärkung der Staatsinterventionen zugunsten Arbeit schaffender Maßnahmen. Nur – welche Art von Arbeit? Die zentralen Wachstumsfaktoren – Wissenschaft und Organisation – splitten nämlich das Arbeitsangebot: Es wachsen sowohl hoch qualifizierte wie hoch spezialisierte Bereiche. Der Quell allen Wachstums sprudelt damit in der unerschöpflichen Tiefe des Menschen. wenn dieses Interesse sich moralisch befreit hat von den ungezügelten Leidenschaften des materialistischen Egoismus. Dass es sich sogar um mittelfristig sichere Arbeitsplätze handelt. Gegen den Karriere-Hype gibt es nur ein Mittel: Man muss sich Zeit lassen Denn daran hat es bei Böschs jüngster Inszenierung am Zürcher Schiffbau eklatant gefehlt. Werbung).« Der das so frei und frank sagt. Zwar wollen sie. eine Arbeitsteilung zwischen Theater und Kino. Jahrgang 1978. Selbst die »United Slovak Architekts« heißen dann »U/S/A«. Riga. Bösch schöpft – ohne zu »zitieren«. Weiter vorgewagt als bisher hat der Regisseur sich jedoch in der Ausdeutung einer Nr. trägt schulterlanges Haar und ist der Senkrechtstarter der jungen Regiegarde. der schon als Youngster an großen Häusern die schwersten Shakespeare-Kisten auf die Bühne hievt. Aus jeder seiner Gesten spricht die kultivierte Weltoffenheit eines Eliteuni-Absolventen. anrührende Aufführung.« Das ist auch schon die ganze Eschatologie dieser Erzählung vom ängstlichen Diplomaten und von der tapferen Sinnsoldatin. Identifikation. Sie wollen sich ihren eigenen Theaterkosmos zusammenbasteln. dass das heutige Karrieretempo junger Theaterleute. in gewisser Weise sei er altmodisch. Nichts von der rhetorischen Eleganz und Ironie. Er vermeidet alle Raster Von Gerhard Jörder er jetzt nicht aufpasst. Auch hier dominieren Sinnlichkeit und Spiellust. Film. Zwar bemüht man sich bisweilen um die vermeintliche Authentizität ungarischer Regionalziegel oder entwirft baltische »CyberCities« in Gestalt brechender Wellen. schließlich nach London. Was er aus diesem Talent wirklich zu machen versteht. Vielen ist alles ohnehin zu verkopft: Wie soll das Theater. die Marivaux seinem Gedankenexperiment mitgegeben hat. denn es ist ihm selbstverständlich – aus einem medialen Bildervorrat (Pop. »Unsere Vorgänger sagten noch: Nee. und das. ist bei ihm positiv konnotiert.« W zentralen Figur: Für Puck. wie rasch das »Neue« zum Mainstream verblasste. nicht zu wenige Einfälle. Lederhosen und ungewisser sexueller Identität. Tallinn. Diese Jungen. Einfühlung. doch andrerseits ist ihnen nicht entgangen. wie sehr es inzwischen zum coolen Aufsagetheater an der Rampe zu erstarren droht. Wiederum viel Lob. Februar 2006). und er hat einen genauen Blick für sie Danach ging es Schlag auf Schlag. ThaliaIntendant Ulrich Khuon wurde sein Förderer. hat 2004 sein Regiestudium an der Zürcher Hochschule für Musik und Theater abgeschlossen. das sich seine Empörung über globale Ausbeutungsmuster auch leisten kann und nicht zuletzt die Provokation des anderen Geschlechts. halten nichts von Fraktionszwang. 3 DIE ZEIT S. Ja. Professionelles Handwerk sei unerlässlich. in den sie eintauchen. er ermöglichte. Dass der große Seelenforscher unter den Aufklärern hier ein zerebrales Experiment veranstaltet. ist dies der entscheidende Punkt. das ist die Erfahrung des Abends. zu mehr Bedacht bei der Auswahl von Stücken und Spielweisen. kann sich rasch zwischen den Fronten verlaufen. der Jubel der Kritik ist einhellig.Bochum. erst am Ende darf Puck Frau sein und zufrieden mit sich. Und versehentlich im falschen Schützengraben landen. Man kann und muss also. Audio a www. Bösch weiß das natürlich. die kalte Mechanik des Liebestests aufzurollen. nun 18-jährig. Mauern die jungen Architekten aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten jene Brachen. Ljubljana. seine Sehnsucht? Dass David Bösch ein großes Talent ist. offenbar von keiner dramaturgischen Instanz des Hauses so beraten. Branchentabus. Es konnte nicht gut gehen. den er zu Anselm Webers Neubeginn am Schauspiel Essen im vergangenen Herbst beisteuert. wenn seine Shakespeare-Abende auch viele Hauptschüler anziehen. Ein solches Etikett hätte früher einen jungen Theatermenschen schlaflose Nächte gekostet und zu heftigen provokativen Gesten angestachelt. Prag. Katharsis: alles wichtig! Pathos. Dazu sehen wir in groben. erhielten Auszeichnungen. Postmoderne und Retrofuturismus abgearbeitet. von dessen neuen Spielweisen und Texten profitieren. begegnet er mit Spott. Doch sowohl die aktuellen Visualisierungs. 3 DIE ZEIT S. wie die heilige Tessa hochschwanger in den Slums nach dem Rechten sieht und von den Einheimischen dankbar »Mama Tessa« gerufen wird. in zehn. Birgit Glombitza Abschied vom Theaterlagerkampf Bist du Realist oder Dekonstruktivist? Der junge Regiestar David Bösch findet solche Gegensätze absurd. sondern auch auf die eigentliche Bestimmung ihres Geschlechts versorgt: »Männer saufen und führen Kriege. auch nicht mehr ins Hintergründige verwackeln. genaueste Vorarbeit in den Proben: »Ich bin ein Perfektionist. Es ist die Provokation eines reinen Herzens. ist erwiesen. Volker Hintermeiers wunderbarer Raum (ein leuchtendes Spielbrett im schwarzen Wasserbassin. Gerade das belegen die beiden ShakespeareAbende aufs schönste: Bösch liebt seine Schauspieler. Oder wie die auch im Leiden noch Handfeste nach einer Fehlgeburt einfach den schwarzen Säugling der verstorbenen Bettnachbarin an die Brust legt. und er hat einen sehr genauen Blick für sie. Frauen sind Gottes feinste Geschöpfe. pampigen Zwischenrufen und den weiträumig übereinander geschlagenen Beinen die reine Provokation. Der Ansicht. die ihn in die Armengebiete Nairobis führt. Bösch. der Dicke und die Dünne. Fernando Meirelles John-Le-Carre-Verfilmung Der ewige Gärtner erzählt bei aller emphatischen Aufklärung über die Machenschaften der Pharmaindustrie in den afrikanischen Entwicklungsländern nämlich vor allem von einem ahnungslosen Mann. dem Wettbewerb der deutschsprachigen Regieschulen. spielerisch. Getratsche und Getatsche zertrampeln den abgründigen Witz erotischer Entscheidungsnöte wie den unheimlichen sadistischen Subtext dieses Menschenversuchs. Bei uns ist das anders: Wir wollen auch bei den Älteren was lernen. der in Meirelles Film City of God noch für furiose Ausrisse aus einer unübersichtlichen Welt sorgte.zeit. Quayle (Ralph Fiennes). der vehement aus den Regiestudiengängen der Theaterhochschulen auf die Bühnen drängt. Beim »Körber Studio Junge Regie« 2003 in Hamburg. dem Sommernachtstraum. Fast alles. das SalzburgProjekt Port. das andere dem Sentiment zuschlägt. an seine neue Arbeitsstelle. Gunnar Luetzow Schon seine Arbeiten an der Hochschule (Frühlings Erwachen und Leonce und Lena – a better day) weckten Neugier. Vor allem sollte er wissen: Er hat noch viel. das Stück also im Kopfinnern spielt. zum eigenen Körper und spezifischen Ausdruck findet – so werden aus »Handicaps« Stärken und Unikate. die von Flagship-Stores über unterirdische Sakristeien bis zu Turnhallen und luxuriösen Einfamilienhäusern reichen. dass man sie kurzerhand auf die große Bühne verpflanzen muss. nun mit Heimatkitsch zu? Glücklicherweise nicht. aber erstmals auch herbe Kritik (»Theater für Bravo-Leser«) gibt es bei Böschs zweitem großem Shakespeare-Abend. Er jedenfalls glaubt nicht an Konzept und Reißbrett – sinnlich. gerade einen Vortrag über internationale Diplomatie. beginnt eine Reise. was vor kurzem noch für die meisten seiner jungen Kollegen absolute Reizvokabel war. wie er betont. Mehr Stille täte gut. sagt er. Was will ein Regisseur. zwanzig Jahren überhaupt noch inszenieren? Was bleibt übrig? Worauf richtet sich dann sein Ehrgeiz. zeigen die mehr als 70 vorgestellten. warum denn nicht. Bratislava. Wer sich mit Bösch übers Theater unterhält. in die Gefahren ihrer Welt und ihres Wissens einzudringen. Avantgarde-Dogmen – die lässt man nicht gelten. unter dem die »Postdramatiker« noch standen. hat Bösch schlicht übersehen. Die feste Verpflichtung an ein mittleres Haus könnte ihm Schutz geben vor wachsendem Mediendruck. sagt er. Berlin und in den Sudan. Und scheint auch zu ahnen. darüber der funkelnde Sternenhimmel) bot eigentlich die besten Voraussetzungen. dessen Inszenierung von Simon Stephens’ Sozialdrama Port bei den Salzburger Festspielen gefeiert wurde. wie es sein müsste. direkt. hoch verdichtete Ausstellungsarchitektur der Architekturausstellung Emerging Identities – East! im Deutschen Architektur Zentrum in Berlin (bis zum 20. einem fremden Kontinent und seiner ihm nicht minder fremd erscheinenden Ehefrau. einen Pummel mit Wollmütze.Hamburg. Der einzige Mangel: Bösch hat zu viele. ja. kommt aus dem Staunen nicht heraus. Wie reagieren vier in strengster Isolation aufgewachsene junge Menschen.Essen und Salzburg inszeniert So baut der Osten Wie eine an den Stadtrand geklotzte PlattenbauSchuhkarton-Siedlung wirkt die informative. eine witzige. Der 1978 in Lübbecke/Westfalen geborene Regisseur ist begehrt:Er hat schon in Zürich. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Entsprechend pragmatisch daher auch das Verhältnis der Jungen zum postdramatischen Theater. wenn man sie. Unterwegs trifft er den abgebrühten Arzt und Entwicklungshelfer Lorbeer (Pete Postlethwaite). von dem guck ich mir bestimmt nichts an. Gegickse und Gegackse. aufeinander loslässt? Was passiert mit Herzen und Hormonen? Welches Geschlecht wird eher untreu? Was ist das überhaupt: die Liebe? Doch was auf dieser Bühne stattfindet. erfindet er eine tragikomische Pubertäts. eine enorme Verschleißgefahr bedeutet. die Emotionen nicht dem Kino überlassen. dort das »alte« literarisch-psychologische Theater – nichts mehr am Hut hat. heißt David Bösch. als 27-Jähriger noch etwas dazulernen. Aus ihren. Bösch aber findet es »toll«. die das eine Medium der Reflexion. die alten Grenzverläufe im jahrelangen Generationenkampf verwischen sich. Und den kann die überambitionierte Kamera von Césare Charlone. beim jungen Publikum derart gut an.und DesignTools als auch die internationalen Ausbildungsstätten haben ihre Spuren hinterlassen. Er banalisiert es zum Schmunzelstückchen. bekam er mit Jessica Goldbergs Fluchtpunkt den ersten Preis. emotional unmittelbar soll sein Theater sein. dass jeder und jede von ihnen. letztlich nur auf seinen Fundus an szenischer Fantasie verlassen und Marivaux’ bitterer Komödie Der Streit mit ähnlichen körpersprachlichen Mitteln beizukommen versucht wie den beiden ShakespeareVorlagen.« Junger Regisseur mit alten Tugenden: So titelte ein Kritiker im Sommer 2004 über Bösch. Und dass dieser Nachwuchs. Das deutsche Theater gerät in Bewegung. Alles bleibt plump und harmlos. sagt er. 48 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: Dan Cermak . hat eine wichtige Entscheidung getroffen: Er wird sich für drei Jahre als Hausregisseur ans Schauspiel Essen binden und daneben nur noch je einmal in Zürich und Hamburg antreten. Intendant Matthias Hartmann nimmt sie mit nach Zürich. bei solcher Distanz zu großen Geschichten und Gefühlen seine Zuschauer binden? Für David Bösch. und auch hier kommen ihre Qualitäten voll zur Geltung: Sie versprüht Leidenschaft und heutiges Lebensgefühl. findet er absurd. ohne Vorgaben. Umso unbefangener ihr Umgang mit der Tradition.und effektstarke. Bösch liebt seine Spieler. in dem gerade Jugendliche ihre Ängste und Träume wiedererkennen und von dem sich ältere Besucher keineswegs ausgesperrt fühlen müssen: Die vitale Körperlichkeit des Spiels wirkt unbedingt ansteckend. Vilnius und Warschau nicht nur mit dem Ende von Planwirtschaft und Industriezeitalter. umworben von mehreren Häusern. auch hier greift Bösch tief hinein ins volle Medienleben – im Geisterwald paradieren die Monster des TeenieHorrorkinos.3 " KINO Mama Tessa Als sich Held und Heldin das erste Mal begegnen. Und so wird sich nun auch weiter ostwärts am Erbe von Moderne. Budapest. Tessas (Rachel Weisz). Den Druck. als Koproduzent. Das Drama leidet stellenweise an Hyperaktivität. 48 SCHWARZ cyan magenta yellow 48 FEUILLETON 12.Bern. Was ist passiert? Nichts Dramatisches – außer dass nach den Jungen immer die noch Jüngeren kommen. keine Berührungsangst! Sein stärkster Impuls beim Inszenieren? »Die Neugier auf Menschen. wird sich erst zeigen. Hier hat sich der Jungstar. Man dürfe. die der Sozialismus und später der profitsuchende Kapitalismus übrig ließen. Comic. tendiert dann zu geschäftigem Leerlauf. ist nur ein ödes Rumpelspiel tumber Torinnen und Toren. der Medien-Hype. Und nicht nur die Insider will er erreichen. Ihm selbst ist es »die wichtigste Arbeit« seiner bisherigen Laufbahn. der jetzt mit Marivaux’ Streit am Zürcher Schauspiel schon seinen elften »eigenen Abend« bestritten hat. In Bochum kommt Romeo und Julia (2004).Nr. mit den Lagerkämpfen und -krämpfen des vergangenen Jahrzehnts – hier das »neue« postdramatische. Wenn Quayle nach Tessas mysteriösem Tod versucht. hält er. sondern ein breites Publikum – er ist stolz. sondern auch mit deren städtebaulichen Folgen in Gestalt öder Vororte zu kämpfen. Die bewährten FreundFeind-Schemata zerbröckeln. die Chance auch zu kontinuierlicher Arbeit – und. fragen sie. Das hat Sinn: Schließlich hat man zwischen Berlin. Pathos und Einfühlung hätten auf der Bühne nichts zu suchen. tempo. Man dürfe die Emotionen nicht dem Film überlassen. meist auch realisierten Projekte. der ihn nicht nur mit entscheidenden Hinweisen auf Tessas Mörder. Er schafft es. ausgewaschenen Bildern. bitte schön. viel Zeit.de/audio " ARCHITEKTUR " David Bösch bewegt sich unbefangen auf dem verminten Gelände der deutschen Theaterszene. hoher Ton: nein. Es ist der blanke Kitsch. sich von der machtbewussten Vätergeneration der 68er abgrenzen zu müssen – diesen Druck kennen die Jungen nicht mehr.und Liebesgeschichte. alle in den Zwanzigern. Kein Treppenaufoder -abgang. die dieser Frau in dieser Gesellschaft bleibt? Chéreau dringt nicht zur Antwort und nicht einmal zur großen Frage von Joseph Conrads Vorlage durch. so der Subtext unter dem Gezeter. wie viel Skrupellosigkeit. sondern auch vom spirit des asiatischen Kinos profitierte. während sie der Abrechnung ihres Mannes lauscht. Schwarz-Weiß mit Gletscherfarben. die einst Bruce Lee konzipiert hatte. dass dieses Verfahren nun auf eine auch visuell und erzählerisch 49 as war schon groß zu erwarten. Vertragliche Absprachen sind ihm lieber. nicht zuletzt hat Hollywood in dem Blockbuster The Last Samurai sogar Tom Cruise als in der Heimat traumatisierten Helden in die Fremde geschickt: Der neue Held Amerikas muss im Japan der Jahrhundertwende die Werte und Gesten der Tradition retten. Der Unterschied liegt darin. dann ist das kein ausgefuchster Gang durch die Kinogeschichte. Zeitlupe mit eingefrorenen Einstellungen und Stummfilmtafeln. wenn der Hollywood-Handwerker Rob Marshall Memoirs of a Geisha verfilmt? Bei dieser Lebensgeschichte der legendären Geisha Mineko Iwasaki handelt es sich um gehobene Supermarktlektüre. Japanische Kritiker nahmen es übel. Warum kehrt Gabrielle zurück. Gong Li und Michelle Yeoh. das dann doch nicht über ein nervöses Kräuseln der Mundwinkel hinauskommt. So wird auch die letzte realistische Anmutung mit dem Knüppel des unbedingten Stilwillens ausgetrieben. die sich wie kaum eine andere Schauspielerin auf die Zerissenheiten solch luxuriöser Mangelwesen versteht. dargestellt werden. Etwa für das herrlich kalte Klimpern von Gabrielles Ohrringen. Stattlich. sondern von Europäern gespielt: Der Schwede Warner Oland war der Detektiv Charlie Chan. In seinen besten Momenten gleicht der Film einer Geisterbahn toter Gefühle. Aber das yellow-facing in Hollywood hat auch seine Gegengeschichte. Der Skandal um den Geisha-Film scheint also eher ein unangenehmer Rückschlag. Dessen Erzählung Die Rückkehr ist ein Erkundungsgang durch die kalte Pracht der Pariser Bourgeoisie des Jahres 1912. " SEHENSWERT »Match Point« von Woody Allen. wie man mühelos sein Kapital mehrt. um die es geht. Die Träne im Kunstlicht Durchkalkuliert und eisig: Patrice Chéreaus Ehedrama »Gabrielle« nach einer Vorlage von Joseph Conrad VON BIRGIT GLOMBITZA ean ist ein Mann in den besten Jahren. die sich vor unkontrollierbaren Gefühlen mehr fürchtet als vor Kriegen. kann nur durch sich selbst und in sich selbst beschrieben werden. Hongkong. Das betrifft sowohl den Roman von Arthur Golden als auch den Film von Rob Marshall. Indianer im Westen waren schließlich auch sehr selten »echte« Indianer (und schwer zu sagen. Umgekehrt nahm Hollywood Impulse der Neuen Wellen aus Taiwan. die ihren Körper längst vergessen haben. zurück in die Kälte zu gehen. Und sie treffen auf Kinobilder in Asien selbst. Das wäre eine cineastische Art von Political Correctness. Beide fabrizieren einen melodramatischen Pseudorealismus. Nun gehört es zu den Konstanten der geschlossenen Weltbilder. Regisseure wie Ang Lee oder John Woo wechselten zwischen den Cinematografien.Nr. dass chinesische Darsteller in einem amerikanischen Film einen (in der Tat nicht unprekären) japanischen Frauen-Mythos verkörpern. Sie rekonstruieren genau den Rassenfetischismus. Hier wird ein Mythos des Authentischen konstruiert. in den Besetzungscoups zu betonen. zeugt von routinierter Meisterschaft. Das Gefühl für solche Minimalismen geht dem Regisseur jedoch ab. was nicht der Welt des US-amerikanischen. weißen Kleinbürgers entspricht: wie der Elefant im Porzellanladen. Dabei berührt dieser Film unterschwellig ein Tabu: Die Erinnerung an die Zwangsprostitution während des Krieges durch die japanische Besatzungsarmee ist durchaus noch nicht aufgearbeitet. und die Italienerin Ornella Muti seine Tochter. Der Theater-. so würde man freilich gerade diesen nationalistischen. In einer besonders absurden Kombination spielte der Schwede Max von Sydow Ming den Gnadenlosen. Mit Wayne Wangs Chan is missing begann das »Asian-American Cinema« Anfang der achtziger Jahre auch bei einer breiteren Öffentlichkeit Zuspruch zu erzielen. resigniert zurückkommt und sich das Paar einen schaurig-unterkühlten Ehekrieg liefert. die einzige Freiheit ist. der Brite Peter Sellers war der böse-komische Dr. dass ein Star des chinesischen Films wie Zhang Ziyi eine Frau des einstigen und irgendwie immer noch »Feindes« verkörperte. Im klassischen HollywoodFilm wurden Asiaten in der Regel. gleich zwei »nationale Empfindlichkeiten« zu beleidigen. Ganz nebenbei wurde das Kunststück fertig gebracht. 49 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: 2005 Warner bros. dass man nicht »wirklich« Asiaten meinte. nicht von Amerikanern. der nicht zur Überhöhung genutzt würde. von den »heroischen« Hindi-Filmen in Indien über die antijapanischen Gräuelbilder im Hongkong-Kino bis zum Stereotyp des Verrückten in japanischen Komödien. in dem sie steht. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Chéreaus Experimentierlust verzettelt sich bald in melodramatischen Stilisierungen und ausufernder Larmoyanz. dass die japanischen Frauen von Zhang Ziyi. Und natürlich hat das Missverständnis auch mit einem gewissen Mainstream-Verfahren zu tun. Eine Reihe von Regisseuren. tödlichen Krankheiten oder Naturkatastrophen. Er weiß. Wie sie den aufgestauten Hass durchs Mahlwerk ihrer Kieferknochen schickt oder hart an einem Lächeln arbeitet. die edel leidende und hoch reflektierte Hauptfigur. wie wir es gewohnt sind. und der kontemplativen Sterbebegleitung in Son Frère (2003) zieht er nun aus in die Welt von Joseph Conrad. Doch Chéreau interessiert nicht die Beobachtung. . als bemühte man sich. in dem es um die Sehnsucht nach Erlösung durch den an- J ANZEIGE deren Körper ging. Eher ein alberner Ausrutscher ins Kunstgewerbe. Dann lässt Chéreau seine Protagonisten von ihren Zofen mit vernehmbarer Anstrengung ins Korsett der Konventionen schnüren. eine Empfindung lässt sich nicht mehr mit den Konventionen abgleichen. die eigentlich nur noch in einer Architektur der Widersprüche zu verstehen wäre. Strategie und Entgegenkommen in einem guten Geschäft stecken. der aber die Hauptrolle nicht selbst spielen durfte – ein »richtiger« Chinese hätte Zuschauer und Sponsoren verärgert. Aber anders als bei Die Geisha lässt zumindest die glänzende Verpackung hier noch an eine schmeichelhafte transkulturelle Geste denken. nein. Bis sie fortgeht. Wie eine Bestätigung des rassistischen Spruchs: Für mich sehen die Schlitzaugen alle gleich aus. Liebe ist Jean eine lästige Anwandlung. Er hat es auf Überwältigung angelegt. »Jarhead« von Sam Mendes. die »anderen« durch eigene darstellen zu lassen. Man kennt diesen Rassismus der ikonografischen Unschärfe. die durchaus ihren eigenen Rassismus pflegen. also Schauspielerinnen aus China und Malaysia. wird nichts wieder ganz oder gut. Schauspielern. Chinesische Kritiker nahmen es übel. Weder ihre Kleidung noch ihr Tanz noch das sonstige Zeremoniell hat etwas mit dem zu tun. betrachtet er mit dem Besitzerstolz eines Preziosensammlers. kopflastig und eisig wie die Ehe. was jeder Besucher einer amerikanischen Kleinstadt-Mediathek wissen kann. Und heutzutage bringt so etwas nicht mehr nur die Gemüter. 49 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. Es ist eine Kaste. Eine Kultur. Operette. in seiner ersten Regiearbeit (Born to defend) im Jahr 1987 eine Propagandaarbeit ablieferte. »Sommer vorm Balkon« von Andreas Dresen. die nicht mindestens einmal im Kunstlicht aufblitzt. Produzenten und Kameraleuten mit asiatischem Hintergrund gelangten in die Zentren der Traumfabrik. Im Streit um diesen Film geht es aber letztlich auch um einen polyfonen Fundamentalismus. Jeder Einfall ist kostbar. die auch im alten Hollywood künstlerische Karriere machten. 3 DIE ZEIT S.3 FEUILLETON wunderung in vielen Hollywood-Filmen. In der kunstgewerblich ausgemalten Kinoerzählung vom Dienstmädchen Chiyo (Zhang Ziyi). Im Film aber kämpft die Geisha vor allem mit dem Zickenterror ihrer Kolleginnen. ist natürlich ein Fall für Isabelle Huppert. der unbeirrt plumpe Gewissheiten über einer Welt auskippt. ohne Rücksicht auf die durchaus zwiespältige Geschichte und den kulturellen Code. der Deutsche Peter Lorre war Mr Moto. der mittlerweile auch in den USA zum Actionstar geworden ist. dass man nicht nur von Formen. den Gegner von Blondschopf Flash Gordon. Ergebnis ist eine Fantasie-Geisha. David Carradine wurde der Held der TV-Serie Kung Fu. Wenn ein Schrei stumm bleibt und über eine dazwischengeschnittene Schrifttafel seine Botschaft und sein Ausrufezeichen erhält. die »antiamerikanisch« zu nennen wesentlich zu milde ausgedrückt wäre. die sich einen japanischen Historiengrund für ihre melodramatischen Konstruktionen wählt. Vielleicht also sollte man die Die Geisha-Diskussion eine Stufe herunterkochen: Hollywood verhält sich einmal mehr. Wollte man sich dieser Kritik anschließen. »Factotum« von Bent Hamer. sobald es um die Darstellung von etwas geht. Die Geisha erzählt ein Märchen-Melodram in japanischen Dekorationen und mit japanisch kostümierten Darstellern. Dieses Szenario von großbürgerlicher Selbstherrlichkeit und Verklemmung inszeniert Patrice Chéreau wie mit dem Rechenschieber. Im Fernsehen stand es noch schlimmer. es gibt Bearbeitungen der historischen Schuld. Nach seinem umstrittenen Berlinale-Sieger Intimacy (2001). Gabrielle. Selbst wenn die Fassade stehen bleibt. Die Sehnsucht birgt keine Grenzerfahrung. Quentin Tarantino zeigte in seinen Filmen gern. ja vielleicht sogar den Mythos der Rasse bestätigen. Und es gibt asiatische Migranten wie den Kameramann James Wong Howe. durch das eigene Leben. 3 DIE ZEIT S. So etwas hatten wir schon. als Oper. Die politisch korrekten Reaktionen auf Die Geisha sind also durchaus zweischneidig. Die Grenze zwischen Gedankenlosigkeit und rassistischer Karikatur jedenfalls blieb immer offen. ob dies dann nicht doch besser so war). die umschwärmte Grande Dame aller Empfänge. Hier gibt es keine Utopie mehr von Nacktheit und Wahrhaftigkeit wie in Intimacy und auch keinen romantisierenden Brückenschlag vom »kleinen Tod« zum großen auratischen Sterben wie in Die Bartholomäusnacht. obwohl sie einen anderen liebt? Weil die Entscheidung. Es gibt Sehnsucht und Be- W Alles Schlitzaugen Mit Rob Marshalls Film »Die Geisha« rumpelt der Hollywood-Elefant wieder einmal im asiatischen Porzellanladen Von Georg Seesslen Chinesin. Natürlich: Schräg ist das schon. Gabrielle ist so durchkalkuliert.und Filmregisseur Patrice Chéreau hatte schon immer eine Vorliebe für das Kammerspiel auf der Leinwand. Japan und Korea begierig auf. Keine Träne. Ent. was eine ziemlich bizarre Konstruktion ist. Opern. auch die Remakes asiatischer Erfolge führten nicht immer zu kultureller Aneignung. das zum Superstar unter den Geishas wird. Fu Manchu. Dann bleibt den Unglücklichen nur die Implosion. sondern auch die Märkte in gefährliche Wallungen. aber stocksteif in der Hüfte und uncharmant in der Rede. Theatral ausgeleuchtete Bühnen wechseln sich ab mit kristallinen Bildern. So gehen Chéreau schon bald die Bilder für das Wesentliche aus. japanisch verpackt: Gong Li als Ober-Geisha Hatsumomo globalisierte Welt trifft. Wer weiß schon noch. sie bleibt den Figuren in Gabrielle lästig wie eine dicke Stubenfliege. den es zu überwinden galt. die sich an einem Detail verfängt. Wehe. »Die große Reise« von Ismaël Ferroukihs Nr. sind Klischees und Maskenspiele nicht mehr nach nationaler Willkür zu verwenden. Seine Frau Gabrielle. Roman und Film. dass Jet Li. Dann spuken Jean und Gabrielle als erbarmungswürdige Geschöpfe. jeder Lichtwechsel ein unverzichtbarer Kommentar. es gibt verdrehte Sympathiebekundungen wie Marlon Brandos liebenswertes japanisches Schlitzohr in Das kleine Teehaus. Da schien es schon. ohne dass sich Widerstand rührte. weist eindeutig darauf hin. die US-Regierung werde nun einfach versuchen. für den ihn der iranische Revolutionsführer Chomeini zum Tode verurteilte. Bezeichnenderweise fragt niemand danach. die in diesem Begriff steckt. dass dieser neue amerikanische Sprachgebrauch eine Misshandlung des Wortes darstellt. aber die Kontroverse scheint nicht abzuklingen. geboren 1947 in Bombay. Ende Dezember. ist es bei dieser Inszenierung von Katharina Wagner umgekehrt: Man sieht. nicht gerade schön. wohin ihr wollt!« An der Deutschen Oper in Berlin knuspern die Nonnen Kartoffelchips Foto (Ausschnitt): Bernd Uhlig Folter ist nicht zu rechtfertigen. Zwischen den großen Ideen wissen die Akteure nicht. »sondern wegen der barbarischen Methoden. beschrieb Isabel Hilton vor einigen Monaten im Guardian: »Der Irrglaube. hieß es bald. nicht weil die Information. wurde nach eigener Auskunft in Makedonien festgenommen und zum Verhör nach Afghanistan geschafft und dort wiederholt misshandelt. ganz traumwandlerisch. albern. die er anwendet. wenn Katharina Wagner trotz ihres Namens etwas kann? Am vergangenen Sonntag hatte an der Deutschen Oper Berlin ihre Inszenierung von Giacomo Puccinis Il Trittico Premiere. Die Betroffenen haben Klage eingereicht. Amtsinhaber wüssten am besten. Ihrer moralischen Schmach wird sie nicht entgehen. aber auch der Bedeutungsentkernung menschlicher Lebensorte. heißt es gleich: Sie hat ein gutes Team. und es ist D – vorsichtig gesagt – unwahrscheinlich. desto lauter ächzen die Stücke darunter. dass es in der Szene zu keiner schlüssigen Anschauung dieser Deutung kommt. Katharina Wagner hat nun die Chuzpe besessen. so verkommt die Marienstatue darauf zur Handelsware. die zu Selbstmordanschlägen im Irak aufriefen. Siehe auch Literatur Seite 54 Nr. Aber je steiler die These. die das Wörterbuch nicht hergibt – »geheim«. aus diesem Kitschproblem – hinter dem die Frage steht. ob und wie sich Heil. und wer extraordinary rendition sagt. ein libanesischstämmiger Deutscher. dass ihr Vater Wolfgang die 27-Jährige als seine Nachfolgerin in Bayreuth installieren will. dass ein politisch derart riskantes und moralisch zweifelhaftes Verfahren etabliert und dann kaum angewendet wird. bis am Ende ein Frauentorso ihre Stelle eingenommen hat – ein autonomes Kunstwerk. Extraordinary ist ein ganz gewöhnliches Adjektiv. Unter den siebzehn möglichen Bedeutungen wird man freilich nicht finden: »Jemanden kidnappen und heimlich zwecks Verhör an einen unbekannten Ort in einem ungenannten Land bringen. um ihre Befähigung zur Festspielleitung in Bayreuth zu demonstrieren. werden sie verstehen und gut finden. mit der Andeutung stockenden Atems und entwickelt auch die Besonderheit des Singens aus der Situation heraus. Soeben ist Rushdies neuer Roman erschienen. Mohammed Haydar Zammar wurde in Marokko festgenommen und vier Jahre lang in einem syrischen Kerker festgehalten. aber hier wird es so weit gefasst. doch lebendige Madonna noch Adressat authentischer Verehrung. »Der Folterer ist verabscheuungswürdig. 3 DIE ZEIT S. Der Raum hat keine Bestimmung. wurde beim Umsteigen in New York festgenommen und via Jordanien nach Syrien gebracht.oder Außenraum? Privatzimmer oder Kneipe? Alles ist möglich. Deutschland. erklärte Lord Rodger of Earlsferry. Das ist alles nicht schlecht gedacht.« Einstweilen mag er Recht haben. AUS DEM ENGLISCHEN VON MATTHIAS FIENBORK © NEW YORK TIMES SYNDICATE Der Schriftsteller Salman Rushdie. ein beschönigender Ausdruck für Kriegstote. der in seiner Berliner Inszenierung von Verdis Macht des Schicksals bereits eine Madonna mit blauer Elektrokerzen-Aureole zur Kofferträgerin im Hotel machte. vielleicht unbrauchbar ist«. um eingesetzt zu werden. ohne sich dafür verantworten zu müssen. sagen viele. wo das Ganze hin soll. war der Begriff extraordinary rendition. Übergabe (gilt inzwischen als veraltet) und Auslieferung – was uns zum Verb to render bringt. Rendition hat vier Bedeutungen: Wiedergabe. Khaled al-Masri. Doch offensichtlich glaubt das Weiße Haus. dass es noch viele weitere Opfer gibt und dass in Afghanistan. dass der Zweck praktisch jedes Mittel rechtfertigt. war es ein Misserfolg. die sich aus Verzweiflung über ihr verstorbenes Kind das Leben nimmt. und die besagen. was wir tun und warum wir es tun. reicht es nicht mehr in der säkularen Welt. Man erklärte. in denen der Grundsatz gilt. Wir hören die Namen und Geschichten von Männern. Dick Cheney sagte kürzlich: »Wenn die Amerikaner sich das ansehen. Sie muss in jedem Fall bestraft werden. ob es nach den Kategorien des Kunstwerks oder des Handwerks zu beurteilen wäre: ein Dreiteiler von eigenständigen Einaktern. nämlich den der humorvollen Konkretion: Während die Nonnen munter Kartoffelchips knuspern. Aber es ist auch nicht dumm. wie lange die Amerikaner noch hinnehmen. dass wir vor Furcht erschaudern – und vor Abscheu. an der Detailarbeit mit den Figuren aber wieder sein Glück findet. aber es ist im Detail nicht schlüssig umgesetzt. Solche Ausdrücke werden gern verwendet. wie hoch der Anteil des schlauen Dramaturgen Werner Hintze am Erfolg des Regisseurs Peter Konwitschny ist. ein Sortimentskatalog der Firma Puccini. ob ein Einzelner »gut« oder »schlecht« ist. auch zur zerstörerischen. 50 SCHWARZ cyan magenta yellow . dass unsere Regierungen die Rechtsstaatlichkeit gering schätzen. gilt als Kitsch und daher als unaufführbar. das Cheney anwenden will. »Folterexport« zu sagen. Das ist zwar nicht gerade originell. Ist am Anfang eine quietschbunte.Nr. Ein anderer ist mortality response. Gnade. meint eigentlich Folterexport – und korrumpiert mehr als nur die Sprache Von Salman Rushdie as fraglos hässlichste Wort. Man kann schon über das 1918 vollendete Stück selbst streiten. wo er nach Angaben seines Anwalts brutal gefoltert wurde. dass kein Staat einen Menschen festhalten oder töten darf. Es bleibt abzuwarten. die zu imperialer Denkweise neigen … Als die lateinamerikanischen Regimes in den siebziger Jahre dazu übergingen. die es nicht so genau nehmen. wurde in Süddeutschland ein islamisches Zentrum geschlossen. Lieber ein intelligentes Plagiat als schwachsinnige Originalität. 1988 erschien sein Buch »Die satanischen Verse«. Maher Arar. man kennt das von Hans Neuenfels. Übersetzung. Zur Tat. die Versicherungen der Außenministerin seien überzeugend gewesen. wo sie 2007 Die Meistersinger inszenieren soll. Auf all diese Vorfahren kann keine Neuschöpfung stolz sein. Was nun. kann die Urenkelin Richard Wagners machen. auch der Eindruck. haben ihre Realpräsenz verloren. neben den Bürgerrechten. Die CIA spricht nach internen Ermittlungen von »weniger als zehn« solcher Fälle. klare Worte gewählt. Schließlich müsse sie ja ein paar eigene Arbeiten vorweisen können. sogar die Figuren. aber wenn im Gebet jeder Ton ihrer Stimme einem verglimmenden Docht gleicht. In Kanada. dass hier die Arbeit an der Gattung durch jene an der Begattung ersetzt wird. soll Khaled al-Masri oft besucht haben. einer komisch. die. dass er etwas verbergen soll. dass man den ganzen Abend lang ungetrübte Freude hatte und endlich mal hörte. in dem Folter erlaubt ist. so ist zu hören. Ihre Anwälte vermuten. dass er nicht den Mut hat. unmenschliche oder entwürdigende Behandlung von Gefangenen«) durchzusetzen. das sie vor Schlimmerem bewahrt. dass die Inszenierung wirklich aus der Musik entwickelt worden wäre. bestenfalls wie gediegenes Boulevardtheater oder einfach hilflos. die Sache auf sich beruhen zu lassen – und die fügten sich brav. Katharina Wagner hat einen anderen Weg gewählt. Sie ist durch nichts zu rechtfertigen. in dieser und in anderen umstrittenen Fragen wie der heimlichen Telefonüberwachung die Öffentlichkeit hinter sich zu haben. Das Orchester der Deutschen Oper spielte unter Stefano Ranzani mit einer Dezenz. folgt bald Schlimmeres.« Nachdem es dem republikanischen Senator John McCain gelungen ist. das zum Ornament einer ästhetisch gleichgültigen Existenz seiner Besitzer geworden ist. Scheint eine ihrer Inszenierung ganz brauchbar zu sein. Außenministerin Condoleezza Rice forderte die europäischen Regierungen mehr oder weniger auf. weil wir dulden. Zur finalen Erlösung erscheint Christus mit blinkendem Lichtherz auf der Brust und macht Angelica zur neuen Madonna. dann ereignet sich hier echtes Musiktheater. auch wenn Vizepräsident Dick Cheney dies energisch zu verhindern suchte. wie nahe die feinen Holzbläsersätze Puccinis etwa Maurice Ravels Le Tombeau de Couperin kommen. der bewusst so nichtssagend ist. steckt sich die Gottesmutter – von religiöser Aufmerksamkeit endlich entlastet – eine Zigarette an. schrieb der amerikanische Publizist William Safire 1993. einer lyrisch. so hat sie im Mantel das herrschende Negativitätsgebot übersteigert: Der Mord Micheles an Luigi findet nicht statt. der wichtigste Pfeiler einer freien Gesellschaft ist. Katharinas Cousine Nike Wagner. wenn man problematisch eindeutige Begriffe umgehen will. Italien und der Schweiz wird bereits ermittelt. Sinn in Ü den Formen der immanenten Welt inkarnieren können – eine Gesamtkonzeption für die drei unverbundenen Opern zu entwickeln.« Auch die Sprache hat ihre Gesetze. ihre vierte Opernregiearbeit überhaupt. ein syrischstämmiger Kanadier. Das hat eine kluge Frau behauptet. Die Frage ist. Sie muss bestraft werden Was an dieser Sichtweise so gefährlich ist. ist ein Berufsrisiko der Mächtigen. »Aha!«. nachdem man dort Unterlagen gefunden hatte. Immer wieder taucht im üblichen Neusprech der Politiker ein Begriff auf. 3 DIE ZEIT S. Während man sich bei Peter Konwitschny oft über die Thesen ärgert. McCains Gesetz zu umgehen. Von Würzburg. desto lauter ächzen die Stücke Nun hat die Kunst der Moderne bei der Darstellung des Heils den nachdrücklichen Weg in die Abstraktion genommen. die auf diese Weise verhaftet und um den halben Globus geflogen wurden. Das ist manchmal schmerzhaft.« Mit anderen Worten: Die Frage ist nicht. nachdem ein anderer Ausdruck aufgetaucht war – »ethnische Säuberung«. Am Anfang ist das Wort. indem man »folterwürdige« Personen in Länder schafft. gesungen von Cristina Gallardo-Domas. Es ist zwar durchweg ansprechend gesungen worden. Besonders der lyrische Einakter Schwester Angelica über eine Nonne. Wenig später. »Shalimar der Narr« ber Katharina Wagner wird schlecht geredet. Und bei Calixto Bieito gibt sich eine große Mehrheit schon damit zufrieden. was Recht ist. einer tragisch. Mit »ethnischer Säuberung« und »Endlösung« konnte man das Wort »Völkermord« vermeiden. Das ist das eigentlich Traurige daran: die Trennung von Deutung und Musik. sorgte das für Empörung in demokratischen Ländern. Die US-Regierung vertritt in dieser Angelegenheit eine gewohnt selbstbewusste Linie. das 2005 in der englischen Sprache auftauchte. Sie entwirft von Schwester Angelica über die Testamentsfälscherkomödie Gianni Schicchi und die Eifersuchtstragödie Der Mantel eine Art Fortschrittsgeschichte der Entleerung religiöser Symbole. besonders im Gianni Schicchi. »Endlösung« ist noch so ein (viel schlimmerer) Begriff nach Art des Orwellschen Doppelplusungut. was nach Doppelsprech klingt. Die Verrohung. die Wagners hätten sich mit ihren guten Sponsorenbeziehungen dort eingekauft. wo sie 2002 mit dem Fliegenden Holländer debütierte. 50 SCHWARZ cyan magenta yellow 50 FEUILLETON 12. politische Gefangene einfach verschwinden zu lassen. jenen etwa von Jean Effel oder Giovanni Guareschi. dass es auch üblere Dinge mit einschließt. Ist er Innen. Werkzeuge werden geschaffen. blöd. gegen das Weiße Haus das Verbot von Folter (»grausame. Nur im Fall der Angelica. Aber wie Cecily in Oscar Wildes Stück Bunbury bemerkt: »Gerade die unangenehmen Sachen soll man am besten sofort frei heraus sagen. ist seit 1964 britischer Staatsbürger. dass der Gesang für die Konzeption eine Bedeutung gehabt hätte. wird sie wahrscheinlich ihrer Strafe entgehen. Seit man weiß.3 Die Madonna raucht Katharina Wagners Regie verheddert sich in Puccinis »Il Trittico« VON JAN BRACHMANN Das hässlichste Wort 2005 Wer von der »Überstellung« Terrorverdächtiger spricht. Ägypten. Je steiler die Regiethesen. Wo die Sprache korrumpiert wird. Die britischen Lordrichter haben im Dezember 2005 einfache. die er gewinnt. Das wirkt. arbeitet viel mit ihren ausdrucksstarken Augen. »Klarer Fall! Übler Kerl! Ihr könnt ihn hinschaffen. »Saubere Wörter können schmutzige Handlungen verschleiern«. ob wir »gut« oder »schlecht« sind. Gallardo-Domas bewegt sich sparsam. Nach dem lautstark geäußerten Unmut des Publikums zu urteilen. hat der Mensch keine Substanz mehr. bevor er zum Verhör nach Afghanistan geschafft wurde. trifft man auf eine überzeugende Darstellung. Doch man kann nicht behaupten.« Weil die US-Regierung anderswo foltern lässt. Das eben kann man von der Produktion als Ganzem nicht sagen. Diesen Verein. aber in einer leibhaftigen Marienerscheinung Gnade findet. was sie will – es wird in der Öffentlichkeit gegen sie verwendet. Syrien und wohl auch anderswo nach dem Muster der extraordinary rendition verfahren wird. den ich erstmals während des Vietnam-Kriegs hörte. Wo das Heilige sich entzieht. sollen wir nun denken. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. was sie machen sollen. und besonders anfällig sind diejenigen.« Und Lord Brown of Eaton-under-Heywood fügte hinzu: »Folter ist ein ausgesprochenes Übel. verrät damit. Hat die Regisseurin mit Schwester Angelica das herrschende Positivitätsverbot verletzt. »skrupellos« und »ungesetzlich«. « Noch besser traf es Klaus-Kurt Ilge. Anzeigen: DIE ZEIT Dr. Eine Machbarkeitsstudie des Bundesbauministeriums ergab.Dr. Zwischen der Preußenstiftung und dem Förderverein soll es zwar künftig eine Zusammenarbeit ideeller Art geben. dass die niederkommende Mutter sich a) nur auf der Durchreise in ein kindersicheres Drittland befindet oder b) im Traum nicht daran denkt. Was für ein vierrädriges Auto recht ist. Italien ¤ 4. Nur ganz wenige aber vielen auf diesen Trick herein. Mechthild Fortmann. den die Bundeskanzlerin und der Regierende Bürgermeister Berlins letzte Woche noch einmal bekräftigt haben: die Rekonstruktion des Stadtschlosses. Belgien ¤ 3. schon die Gelegenheit. Ungarn HUF 1030.co. Hamburg Vorsitzender des Aufsichtsrats: Michael Grabner Geschäftsführer: Dr. Die federführende Erziehungsbehörde ist angewiesen. Bartholomäus Grill. Matthias Geis.de Europa-Redaktion: Joachim Fritz-Vannahme. das eigentlich in Westberlin stattfinden sollte. das macht allerdings der Verein. Dies misslang. Hans Schuh-Tschan (Wissenschaft). In Wirklichkeit funktioniert das aber nicht so gut wie im Computerprogramm. Langhaarige. sie bimmelt. via Radio. könnte sich auch der politische Wille erfüllen. Ilge ergatterte den Parka seines Idols sowie 304 Elvis-Autogramme. für 5850 Euro.fsnet. Die bisherigen Fassadenplanungen sind keineswegs vom Bundesbauministerium in Auftrag gegeben. anschließend im Haus der Geschichte in Bonn.de. Jan-Martin Wiarda Zeitläufte: Benedikt Erenz (verantwortlich) Leben: Christoph Amend (verantwortlich). Jan Roß. Arne Storn. ohne unsere eigene Gemeinnützigkeit zu gefährden. wo als Bauherrin eine gemeinnützige Stiftung privaten Rechts wirkte. das heißt. Dr. Subscription price for the USA is $ 210. Sabine Etzold. Dr. gefördert und schlagerig entschärft. Gehört zu der Familie kurzfristig ein mutmaßlicher Vater.« Leider stimmt das so nicht. Die gesamten Baukosten werden derzeit auf 670 Millionen Euro geschätzt. E-Mail: blume @vip. 50 vom 1.K. BLZ 200 100 20 Börsenpflichtblatt: An allen acht deutschen Wertpapierbörsen ZEIT-LESERSERVICE Leserbriefe Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. so ist von diesem ebenfalls ein Kindererziehungsbefähigungsnachweis zu erbringen. KG. Der Verein wird die Fassadenteile herstellen lassen. Anette Schweizer (Korrektorat). Finis Audio a www.: 030/59 00 48-7. Klaus Kallabis. Ist die finanzielle Entlastung des Fiskus schon ein zivilgesellschaftlicher Akt. Im Edelfalle wird er Kunst. gesäubert und gewickelt wird. Der Grund: Das Stadtschloss gilt gesetzlich nicht als Denkmal. Tel. 6960 Wolfurt Telefon: 0820/00 10 85 Fax: 0820/00 10 86 E-Mail: die-zeit@abo-service. Wir warten täglich auf die Bestätigung der Senatsverwaltung für Finanzen. ob der Säugling im Geist der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gestillt. mobil. Fax: 001202/223 17 64. Fax 069/24 24 49 63.Eschersheimer Landstraße 50. eingekeilt in kreischende Teens. 22. wenn der Bund eine Public-Private Partnership anstrebt. 1730 Rhode Island Avenue N. Steffen Richter (Stellv. aber für eine denkmalschützerische Aufgabe ist der Verein gar nicht als gemeinnützig eingestuft worden. Ulbrichts Staat denunzierte Beat und Rock als Veitstanz-Gelärm des amerikanischen Imperialismus. die das Leipziger Zeitgeschichtliche Forum schmückt. bedarf der Prüfung im Einzelfall. 6002 Luzern/Schweiz Telefon: 0041-41/329 22 80 Fax: 0041-41/329 22 04 E-Mail: die-zeit@leserservice.:German Language Pub. wo Presley 1958/59 seine Armeezeit abdiente. Kerstin Kohlenberg Wirtschaft: Dr. GLP. wird der Fiskus die Fassade mit einem Millionenbetrag gefördert haben. Werner A. V. Haika Hinze Dietmar Dänecke (Beilagen) Gestaltung: Wolfgang Wiese (Koordination). New York. Ontario. Parvin Sadigh. Gisela Dachs. muss mit dem Entzug seines Kinderführungsbefähigungsnachweises nicht unter fünf Jahren rechnen. h. 20095 Hamburg Telefon: 040/32 80-0 Fax: 040/32 71 11 E-Mail: DieZeit@zeit. Der Kinderführerschein sollte vor Antritt der Schwangerschaft. Ost-Rockmusik wurde kulturpolitisch umarmt. falls ein Investor gefunden wird. Fax: 030/59 00 00-40 Frankfurter Redaktion:Robert von Heusinger. Wolfgang Lechner (besondere Aufgaben). Elisabeth von Thadden (Sachbuch).de Weitere Auslandskorrespondenten: Georg Blume. Bis zum 17.40. Sollten also wirklich 80 Millionen zusammenkommen. enthüllte das FDJ-Blatt Junge Welt am 31. Tel. Mirko Bosse. Michael Thumann (Koordination Außenpolitik) Dossier: Hanns-Bruno Kammertöns (verantwortlich). Pankow kannten. Dr. um sie als Naturalien der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Beatfeind Ulbricht. sollte es aber möglicherweise angesichts seines öffentlichen Auftretens. London. Englewood NJ 07631 Telefon: 001-201/871 10 10 Fax: 001-201/871 08 70 E-Mail: subscribe@glpnews. Kurhessenstr.: 001-202/223 01 65.Burkhard Straßmann. Fax: 0032-2/230 64 98 Pariser Redaktion: Dr. Thomas Groß. Mark Spörrle Politik:Martin Klingst (verantwortlich). Ulrich Bahnsen. Ulrich Ladurner.10117 Berlin.. mit unabsehbaren Folgen für den Weltfrieden. John Lennons Locke – Hunderte Memorabilia versammelt eine famose Ausstellung. April im Leipziger Zeitgeschichtlichen Forum. 60322 Frankfurt/Main. plus Berliner Dienstwohnung und Auto. Westmedien waren nicht mehr tabu. Stefan Willeke Politischer Korrespondent: Prof. Theo Sommer (Editor-at-Large). Fax: 030/59 00 00 39. 20080 Hamburg Abonnentenservice: Telefon: 0180/525 29 09* Fax: 0180/525 29 08* E-Mail: abo@zeit. Weitaus länger als drüben war Rock im Osten Traumfähre nach Utopia. 525 52 52. Thomas E. Was tut er damit? Er treibt Lobbyarbeit. Dieter E. Bauherrin einer Fassade kann. Bewerber aus nichtchristlichen Herkunftsländern besonders in Augenschein zu nehmen. das nach Angaben des Schatzmeisters zwischen 50 000 und 100 000 Euro liegt. KG. »und US-Schreihals Bill Haley arbeitet ihm in die Hand. Die Haare wuchsen.: 069/24 24 49 62. von dem die öffentliche Hand das Gebäude dann in einem auf dreißig Jahre gestreckten Mietkauf für am Ende 1. wo die Metope hinkommt.Arnfrid Schenk. Am 1.Jochen Bittner. Ein gewisser Plakatismus mag Spezialisten stören. Kw. Kolja Rudzio. mit Hendrix und den Who.de New Yorker Redaktion: Thomas Fischermann. die freak flags wehten im Tramperwind. Schmidt (Kulturkorrespondent). Dr. Frankreich ¤ 4.« Die manipulierten RockJünger sollten »mit dem transatlantischen Geschrei auf lange Sicht vergiftet werden. für kleinkariert halten. die dem steuerbegünstigten Engagement fürs Stadtschloss kritisch nachfragen. genaue Bilanzen gibt er nicht heraus.00. Ost.1040 Brüssel. nur um die Fans vom Laufsteg abzuhalten. dass der Schlossbau allgemein gefördert werden soll. Finnland ¤ 5. und mit der deutschen Einheit kommt der Schau ihr Zentralmotiv abhanden. E-Mail: grill @global. Das sieht sein Vorsitzender naturgemäß anders.co. PO Box 9868. 51 SCHWARZ cyan magenta yellow . Dr. 0014259) is published weekly by Zeitverlag. Peter Kümmel.Tel.:0032-2/230 30 82. Musik als Marktprodukt. sodass der eine in der Infobox auf der Schlosswiese seine Fassade vorstellt. Meist bleibt er Zeitung: Reportage dessen. Michael Allmaier. also durch einen privaten Investor. Ulrich Stock (Leben). V.00. Techno und Love Parade. Silly. der Sohn hört wieder SFBeat«. Und er zahlt seinem Geschäftsführer Wilhelm von Boddien ein Gehalt. Achiltibuie by Ullapool. Die juristische Konstruktion ist keineswegs so sauber wie bei der Dresdner Frauenkirche. Evelyn Finger. Aber die Leute spenden doch für die Fassade? Wie es aussieht.90.163. Dies gilt auch für den Fall. Ulrich Dehne (Audience Management) Geschäftsführer: Thomas Brackvogel.C. Spendenwillige haben auf der Website des Fördervereins Berliner Schloss e. Jeder potenzielle Spender für die Fassade des Stadtschlosses muss also wissen: Der Förderverein Berliner Schloss e. Rockmusik wurde gelebt – zuchtlos. Pop ist nicht wesenhaft links. Tel. BAP.de Artikelabfrage aus dem Archiv Fax: 040/32 80 404. Jerusalem. 6002 Luzern Telefon: 041/329 22 15 Fax: 041/329 22 04 E-Mail:
[email protected]. Rockpalast. Martin Spiewak. 20036. Norwegen NOK 45.90 Euro) Lamparter.80. Matthias Stolz Gestaltung: Katja Kollmann Bilder: Michael Biedowicz Redaktion Leben: Dorotheenstraße 33.« Fazit im Tagebuch: »Dieser Tag war mit der größte Tag meines Lebens. würde die Gemeinnützigkeit rückwirkend erlöschen. relegiert. Volker Ullrich (Politisches Buch) Leserbriefe: Margrit Gerste (verantwortlich) Zeit-Chancen:Thomas Kerstan (verantwortlich). Islamische Erziehungsanwärter haben zusätzlich ein aufrichtiges Bekenntnis zu saugfähigen Windeln amerikanischer Herkunft abzulegen. Tel. Dr. Brooklyn 11211. für Studenten ¤ 93. Liane von Billerbeck. Rainer Esser Verlag und Redaktion: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. 19. Rainer Esser (Sprecher) Thomas Brackvogel Vertrieb: Jürgen Jacobs Marketing: Stefanie Hauer Projektreisen: Bernd Loppow Presse. KG. Vielleicht verbraucht sich der geschichtspolitische Furor bald. Michael Mönninger. Oktober 1958 suchte das Bremerhavener Rock-’n’Roll-Girl Marion Haase. die Klappe zu weit aufriss. Nach Wolf Biermanns Rauswurf 1976 reisten viele Musiker nach Westen aus. 3 DIE ZEIT S. einen Blick auf Elvis Presley zu erhaschen. Jürgen Krönig. Berlin. Robert Leicht Gründungsverleger 1946–1995: Gerd Bucerius ✝ Herausgeber: Dr. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Dr. 20079 Hamburg Fax: 040/32 80 404. 10117 Berlin.Fax:0033-1/ 47 20 84 21.50. und zwar durch das Das Letzte Viele unserer Mitbürger haben es verlernt. All das und viel mehr erzählt diese Ausstellung.: 007095/680 03 85. juristisch gesehen. Was übrig bleibt. Kapstadt. Claus Spahn Kulturreporter: Dr. Dr.).zeit. Schweden SEK 47. Dann wallfahrteten 120 000 DDR-Fans nach Berlin-Treptow zu einem Bob-Dylan-Konzert. Kerstin Wilhelms. haben wir es in dieser Frage auch nicht eilig. Katja Nicodemus.30. Florian Fritzsche. V.2 Milliarden zurückerwirbt. Er hält die jetzt fällig gewordene Neuverhandlung der Gemeinnützigkeit für einen Durchbruch. Roland Kirbach. so wie es die Nazis einst vor ihren ›Schlachten‹ mit Alkohol taten«. Wer bei Drei-Monats-Koliken statt eines handelsüblichen Beruhigungssaugers türkischen Honig zum Einsatz bringt. Wir vom Deutschen Kindererziehungsbund e. Honecker inszenierte seit 1971 einen offeneren Kurs. um den Wirklichen ungesehen von Bord gehen zu lassen.P. Pressehaus. darf sein Geld derzeit nur für seine Informationsarbeit ausgeben. ein Gral der verbotenen Gegenwelt. E-Mail: dachs@zeit. Rocker Strauß Die famose Leipziger Ausstellung »Rock! Jugend und Musik in Deutschland« spiegelt deutsch-deutsche Geschichte im Rock ’n’Roll Von Christoph Dieckmann roh zu sein bedarf es wenig.de Düsseldorfer Redaktion:Jutta Hoffritz. Griechenland ¤ 5. einen juristischen Weg zu prüfen. Gunter Hofmann Geschäftsführender Redakteur: Moritz Müller-Wirth Chef vom Dienst: Iris Mainka (verantwortlich).Dr. Frank Drieschner. Ost und West. Eggers. Denkmalschutz. dass unwahre Angaben als Täuschung der Erziehungsbehörde gewertet werden und – auch nach Jahren – zur Rücknahme des Kinderführerscheins führen. die der antifaschistische Schutzwall draußen hielt – bis 1987. Dr. und kostet 19.Susanne Mayer (Sachbuch). In der DDR kollidierten Rockfans weniger mit ihren Eltern als mit der sozialistischen Erziehungsdiktatur. »Ein amerikanischer Soldat gab sich als Elvis aus. Planung. der drei Tage nach Niederkunft vom Krankenhauspersonal mit äußeren Zeichen innerer Rührung am Wochenbett angetroffen wird. Fritz Vorholz Dorotheenstraße 33.ca Abonnement USA DIE ZEIT (USPS No. Die Schau setzt auf zwei Antithesen: Repression und Opposition. Gisela Breuer. Anti-AKW. Petra Kipphoff. Perger. Peking. 6. Lieferung frei Haus Schriftlicher Bestellservice: ZEIT. Die neunziger Jahre. E-Mail: Kleine-Brockhoff@zeit. Tschechische Republik CZK 160. Zwischen 1993 und 2005 sind nach Selbstaussagen des Vereins etwa neun Millionen Euro an Spenden gesammelt worden.com. Der Präsident der Stiftung.com Einzelverkaufspreis Deutschland: ¤ 3. Dr.c. wie die Leipziger Klaus-Renft-Combo.Tel. Von wem? Wann? Wer ist für die Gewährleistung haftbar zu machen? Und noch etwas: Gemeinnütziger Fassadenbau ist. Wolfgang Gehrmann. E-Mail: moenninger@zeit. wie wir Spendengelder des Vereins annehmen können. Dr. Jim Morrisons Hemd. Kornkamp 11. Fax: 001-925/871 57 23. Henning Sußebach.00. Dr. Ulrich Schnabel. Sven Hillenkamp. Dr.:0044-2077/29 64 02. Christoph Drösser (Computer). 4–6.de Reisen: Dorothée Stöbener (verantwortlich). 3 DIE ZEIT S. Ein jeder soll natürlich sein Geld ausgeben. Geld allerdings nicht. als Neubau plus Barockfassade. Tel. Claus-H. Klaus Harpprecht. sodass das Schloss in Public-Private Partnership errichtet werden soll.90 Euro (Hardcover: 24. gediegen oder dumm.. E-Mail: heusinger@zeit. Spanien ¤ 4.00 Nr. 129110 Moskau.).00. Der Förderverein kalkuliert die barocke Fassade auf 80 Millionen. es gibt ja auch keinen bindenden Baubeschluss. Uwe J. was im Schwange ist.00 Ausland: Dänemark DKR 38.: 0044-1249/81 24 58. Die neue Jugendkultur etablierte sich als Markt und Medium zur Überwindung der nazistischen Vergangenheit. damit haben wir schon angefangen. als Freiheit in der Diktatur. Periodicals postage is paid at Englewood NJ 07631 and additional mailing offices. Marie-Luise Hauch-Fleck. Heike Faller.rue du Cornet.Dr. Monika Putschögl Reporter: Stephan Lebert (Koord.E-Mail:jungclaussen@zeit. kann der Verein keine Fassade bauen. muss für ein zweibeiniges Menschenkind billig sein. ihre Kinder anständig zu erziehen und wohlgeraten dem Leben auszuhändigen. fordern deshalb einen Kinderführerschein für Eltern aller Altersklassen. 51 W enn die Bagger in Kürze endgültig Erich Honeckers Palast der Republik gefressen haben. Dr. bekanntlich Gammler. E-Mail: Juergen@Kroenig. Gunhild Lütge. Viele DDR-Rockmusiker lebten recht behaglich. Jörg Burger.und kulturelle Zwecke. Reinhard Bardoux. Dr. Dr.00 per annum. Um diese Summe will er die öffentliche Hand entlasten. Punk.und westdeutsche Jugend hörten dieselbe Musik. Links Verlag. Sie klingt und blinkt. Alle Bewerber sind darauf hinzuweisen.« Seit seinen Anfängen gilt der Verein als gemeinnützig. Helga Ernst. Wolfgang Sischke Bildredaktion: Ellen Dietrich (verantwortlich).zeit.: 001-917/ 655 98 82. will auch sie nicht sein. Fax: 009722/563 19 05.90. spätestens aber im Augenblick der natürlichen Geburt mit amtlicher Beglaubigung in zweifacher Ausführung vorliegen.30. Bitte merken Sie sich: Der Kinderführerschein ist von türkischen Mitbürgern prinzipiell in deutscher Amtssprache abzulegen.ch Abonnement Kanada Anschrift: German Canadian News 25–29 Coldwater Road Toronto. Anne Fritsch (Grafik). Tel. wer Auftragnehmer? 12 000 Quadratmeter Fassade wollen irgendwo hergestellt sein. Realschüler aus dem hessischen Friedberg.O. seit Ende 2004 Vorstandsvorsitzender des Fördervereins: »In dem Moment. als Ersatzidole für Weststars. Zum Höhepunkt solch vertrauensvollen Miteinanders zwischen Staatsmacht und Jugend geriet 1965 der sagenumwobene Beat-Aufstand von Leipzig. Birgit Vester Druck: Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH.Christian Schüle. Niederlande ¤ 3. Rainer Frenkel. E-Mail: leserbriefe@zeit. Marc Brost (Koordination Unternehmen). Dr. Oktober 1958. Reiner Luyken. Dazu Richard Schröder. der auch zu bauen erlaube: »Die Erstellung der Fassadenteile.ch Abonnement restliches Ausland DIE ZEIT.und Öffentlichkeitsarbeit: Iliane Weiß Herstellung/Schlussgrafik: Wolfgang Wagener (verantwortlich). Bau der Fassade? Wer ist Auftraggeber.00. nur dass Westler selten Renft. da oben rechts ans Gesims des Portals: mein bürgergesellschaftliches Engagement. So viel hat der Bund nicht dafür. Michael Schwelien. Der Förderverein wurde 1992 gegründet. Kundenservice Postfach 5. E-Mail: fischermann@zeit. BLZ 600 400 71 Postbank Hamburg. um darin Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und anderes unterzubringen.at Abonnement Schweiz DIE ZEIT. aus dem deutschen Festnetz Abonnement Österreich DIE ZEIT. Das bürgergesellschaftliche Engagement richtet sich im Berliner Falle auch nicht auf ein Vorhaben. Hanno Rauterberg. Marc Bolans Gitarre. »Atomkriegsstratege Strauß befahl: jazzt und rockt!«. 40213 Düsseldorf.za. Nicht ganz so realistisch sieht es mit der Fassade des Fördervereins aus.Heinz Blüthmann. Sondern es schmiegt sich an ein Projekt. um per Mietkauf an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu gehen. Heuser (verantwortlich). eine Metope in Rosettenform kaufen.Jörg Lau. Vor allem aber lässt er die barocke Fassade erforschen.KlausPeter Schmid. Am Ende steht Nazi-Rock.). Dieter Buhl. Die postmoderne Ironie des Pop schien ihnen so verächtlich wie Wagnerianern André Rieu.30. ist eine andere Situation für den Verein eingetreten.Tel. Bisher sind allein 2003 an Stuhlemmers Firma 210 000 Euro geflossen. Aber da es noch nicht einmal einen verbindlichen Beschluss gibt. Karsten Polke-Majewski. Kundenservice Postfach. weil der Bund ausgerechnet für die Planung bereits einen Haushaltstitel bewilligt hat.Nr. Ob nächtliches Einnässen bei minderjährigen Säuglingen nichtchristlicher Abstammung mit dem Reinhaltungsgebot des Grundgesetzes zu vereinbaren ist. Henrike Fröchling Empfehlungsanzeigen: GWP media-marketing Axel Kuhlmann Anzeigenstruktur: Helmut Michaelis Anzeigen: Preisliste Nr.de/audio Gehalt und Dienstwagen aus Spenden: Der Vereinsgeschäftsführer Wilhelm von Boddien Wo sind all die Spenden hin? Der Förderverein Berliner Schloss sammelt Geld für die barocke Fassade. Januar 2005 Bankverbindungen: Commerzbank Stuttgart. Was ist der genaue Zweck dieser Aufträge – Forschung. Fax: 007-095/974 17 90 Washingtoner Redaktion: Thomas Kleine-Brockhoff. Thomas Assheuer.: 0027-21/424 29 84. wurden kriminalisiert. Dietmar H. Marcus Rohwetter. Christoph Dieckmann. Suite 502. Doch gibt er es nicht dafür aus Von Thomas E. Doch mehr Verpflichtung gibt es nicht. Tel. er darf Spendenquittungen ausstellen und ist von Gewerbe. E-Mail: luyken@zeit. Thomas Gebhardt. London.. NDW. Tel. eine harmlose Versammlung von Fans für ihre Musik. 55 South 3rd Street.:030/59 00 48-0. Washington. hinter dem ein massiver politischer Wille steckt. Josef Joffe Dr. Michael Naumann Chefredakteur: Giovanni di Lorenzo Stellvertretende Chefredakteure: Matthias Naß Bernd Ulrich Chefkorrespondent: Dr. Für Bildungsarbeit darf der Verein Spendenquittungen ausstellen. Götz Hamann. Die Stiftung wird dadurch eine Mietminderung erreichen. Konto-Nr. verschärft sich die Not der Praxis. Amélie Putzar (Grafik). Als prüfungspflichtiger Vater im Sinne des Gesetzes gilt jeder.« Man kann Einwände. nicht einmal finanzieren. Luxemburg ¤ 3. Wirtschaftspolitischer Korrespondent: Wilfried Herz (Berlin) Autoren: Dr.90. Dr. gemäß der Bundestagsempfehlung vom Juli 2002. das Schlossprojekt auch durchzuführen. wie er will. Das opulent illustrierte Begleitbuch erschien im Ch. Klaus Hartung. Hier kommt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ins Spiel. druckt Werbematerial. Christof Siemes Literatur: Ulrich Greiner (verantwortlich). Bisher halten die Bürger sich mit Engagement zurück. Postmaster: Send address changes to: DIE ZEIT. Die Stiftung ist im Prinzip auch einbezogen.de ZEIT Online GmbH: www. Die Polizei verhaftete Dutzende und verschleppte sie für ein paar Wochen Strafarbeit in die Braunkohle. Klaus Dieter Lehmann. als Wilhelm von Boddien den Republikpalast mit einer Latexplane umhüllte und sinnfällig auf die städtebauliche Lücke des 1950 von Ulbricht gesprengten Schlosses hinwies. naiv. Wolfgang Büscher (Autor). Dr. Tel. Und das Programm zeigt auch gleich. Gerhard Jörder. Klaus-D. Dr. 51 SCHWARZ cyan magenta yellow 12.: 0086-10/65 32 02 51/2. In der Bundesrepublik beschallte Rock ’n ’Roll einen Generationskonflikt – »Die Mutter in die Küche flieht.67. die er alle noch besitzt. Frank Siemienski. Jürgen von Rutenberg.75009 Paris. Foto: Gerd Engelsmann/Berliner Zeitung F Sie heißt ROCK! Jugend und Musik in Deutschland und erzählt deutsch-deutsche Geschichte als Historie des Pop. Es gibt aber unsererseits eine grundsätzliche Bereitschaft. Dort hatte man im Vorverkauf aber nur 2000 Karten abgesetzt. 22926 Ahrensburg Für unverlangt eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. So steht denn auch auf den Freistellungsbescheiden des Finanzamts für Körperschaftssteuer von Anfang an immer etwas anderes: Kultur und Volksbildung. Tel. de * 0. ist immer noch zu teuer.: 0044-7802/50 04 97. E-Mail:
[email protected]. Konto-Nr. Schmidt Architekturbüro seines ehemaligen Vorstandsmitglieds Rupert Stuhlemmer. dass dieses Konzept sogar realistisch ist.de Moskauer Redaktion: Johannes Voswinkel. M331Y8 Telefon: 001-416/391 41 92 Fax: 001-416/391 41 94 E-Mail: info@GermanCanadian News. 153 S Dean St. Deswegen haben wir im letzten Vierteljahr mit der Senatsverwaltung für Finanzen verhandelt über die Neugestaltung der Gemeinnützigkeit.60.3 FEUILLETON zur Verfügung zu stellen. Srednjaja Perejaslawskaja 14. John F. Die werden vom Verein produziert und angeliefert. Schweiz CHF 6. Kanarische Inseln ¤ 4. denn falls – wie von ihm angekündigt – der Abriss des Palastes in den kommenden Jahren eine wahre Welle an Spenden in die Kassen spülen wird. zwangsfrisiert. die asynchronen Welten des heutigen Jugend-Tribalismus – das wirkt eher aufgezählt als empfunden und fürs Museum noch zu jung.12 ¤/Min. Iris Radisch (Belletristik). wie man dem klammen Staat aushelfen könne. Nina Grunenberg.Kasernenstr.de © Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. und zu diesen gehörten leider Petra und ich. Oliver Nagel. Auch die Preußenstiftung wird dann vor dem schwierigen Problem stehen. das schutzwürdig wäre. oder sie artifizierte sich oder verkroch sich im Blues. die andere ihr Nutzungskonzept. die selbstverständlich von ihrem Förderverein Spenden annehmen durfte. Jungclaussen. Urs Willmann Feuilleton: Jens Jessen (verantwortlich).de ZEIT Online GmbH: Gero von Randow (Chefredakteur). Aber der Fiskus fördert hier immerhin mit. Erst 2003 benannte sich der Verein um und änderte seine Satzung so. Überwiese der Verein irgendwann tatsächlich 80 Millionen Euro Spenden an einen privaten Bauträger.und Friedensliedern und dem Großmaul-Sound des Westberliner Frontstadt-Radios. das klang für OstRockidealisten dekadent. Sieling (i.V. Dr. Großbritannien ÷ 3.Elisabeth Niejahr. 64546 Mörfelden-Walldorf Axel Springer AG. den traf Berufsverbot. In der Regel umfasst die Kinderführerscheinprüfung einen praktischen und einen schriftlichen Teil. Geprüft wird. Ulrich Stock (Musik). 129000-207.uk.40. Tina Hildebrandt. Harro Albrecht. sie sind auch widersinnig.de Abonnement Jahresabonnement ¤ 140. Susanne Gaschke. Wolfgang Uchatius Wissen: Andreas Sentker (verantwortlich).Petra Pinzler. Sabine Rückert. Dr. Wenke Husmann. Österreich ¤ 3. Dann jedoch sollten immerhin die Knochen nicht allzu schief stehen. Wer. und umgekehrt. Christian Tenbrock. brüllt und rockt. Speersort 1.:0033-1/47 20 49 27. in dem das Schloss von einem privaten Investor gebaut wird. Konrad Heidkamp (Kinderbuch). in deutschen Verhältnissen Kinder zu erziehen. Englewood NJ 07631. E-Mail: Leben@zeit. Der Rock reiste weiterhin nach Osten ein. Christiane Grefe. Ilka Piepgras. Gabriele Vorwerg Dokumentation: Uta Wagner (verantwortlich). Mirjam Zimmer Korrektorat: Mechthild Warmbier (verantwortlich) Hauptstadtredaktion: Bernd Ulrich (verantwortlich). wie man einem privaten Investor steuerbegünstigte Spendengelder zukommen lässt. oder markiert sie nur einen symbolischen Konsens mit der Obrigkeit? Das Stadtschloss hat für die breite Öffentlichkeit nichts Herzwärmendes.und Körperschaftssteuer befreit. Zimmer Art-Direction: Dirk Merbach (verantwortlich).de. plant eine Infobox. Eine Diskriminierung muslimischer Eltern ist damit nicht verbunden. Matthias Krupa. E-Mail: hoffritz@zeit. Marion Gräfin Dönhoff (1909–2002) Helmut Schmidt Dr. Fax: 0211/887 97 27 50. rue Saint Lazare. erklärt: »Es gibt keinerlei Vertrag mit dem Förderverein oder paraphierte Vereinbarungen.« Eilig im Sinne der fiskalischen Prüfung sollte es der Förderverein haben. Christian Schmidt-Häuer. das muss er nicht. während OstOhren auch gen Polen und Ungarn lauschten. Kundenservice Postfach. vielleicht bleibt nur das Gerippe eines recht hässlichen Pragmatismus übrig. Dr. Delia Wilms Info-Grafik: Phoebe Arns. D. weil von ihm nichts übrig ist. Tomas Niederberghaus. das die öffentliche Hand nicht vorsieht oder gar verweigert. Seit 1993 sammelt er aber bereits Spenden für den erweiterten Zweck: »Förderung des Wiederaufbaus des Berliner Schlosses in weitestgehender Originaltreue seiner Fassaden und Höfe sowie wichtiger historischer Innenräume für Bildungs. wenn man weiß. Was wir über die Jahre auf den Messen aufgebaut haben. »Bei einer Reise nach China im vergangenen Jahr hat mich die rasante Entwicklung auf dem Kunstsektor begeistert«. »weil beim besten Willen keine Eins-aPerformance mehr drin war. Aus diesem Grund docken sich immer mehr Messe-Satelliten und Events an die bestehenden Großereignisse an.Nr. Bei der Frieze Art Fair im vergangenen November waren es die zwei Messe-Newcomer Scope Art und Zoo Art. wenn die Messen wichtiger werden als die kontinuierliche Galeriearbeit. London und Shanghai vertreten. Partys und Kaufrausch aus. immer in der Hoffnung. Basel.« sagt der Direktor Thorsten Albertz. Miami Beach. Zu der zum 25. 26. »Es ist gar nicht gut. Nr. Diese Auftritte bedeuten zusätzlich zum Tagesgeschäft der Galerie einen nicht nur finanziellen Kraftakt. In den Veranstaltungslisten für 2006 im Internet. Bärbel Grässlin aus Frankfurt. 3 DIE ZEIT S. denen derzeit die Werke aus den Händen gerissen werden. sondern auch die Künstler. Der Londoner Galerist David Juda äußert sich dazu verhalten. die im April zum dritten Mal stattfindet und prominente Teilnehmer wie Gagosian und Jack Tilton aus New York. In der schwedischen Hauptstadt zieht ebenfalls im Februar die frisch umgestylte Stockholm art fair mit 30 Teilnehmern in die Räume der Kunstakademie. »In der Nähe von Peking entstehen ganze Dörfer mit Künstlerateliers und Museen.« Juda hat Messe-Experimente in Asien und Japan hinter sich und gehört zum Board der Art Basel. Im Januar-Heft des Kunstmagazins art ist von 100 Messen im Jahr 2006 die Rede. sagt er. Art Basel Miami Beach. so schätzt er. Auf die Arco in Madrid verzichtet die Galerie. bis 30. Mai) werden genannt.« Vier Messen im Jahr sind für Annely Juda Fine Art das Maximum – das sind allerdings die wichtigsten: Art Basel. die Trabanten nicht berücksichtigt. sagt Levy. Die prosperierende Galerie Arndt & Partner in Berlin/Zürich war im vergangenen Jahr gleich auf elf Messen zwischen Mexiko. »gleichzeitig organisieren wir neun Ausstellungen im Jahr. Januar 2006 DIE ZEIT Nr. Ungefähr 30 bis 50 sind es. Er hält den Messe-Hype für überschätzt. zeichnet sich der aktuelle Messebetrieb durch einen Hang zu Glamour. 3 DIE ZEIT S. lässt sich kaum ausmachen. dazu publizieren wir jeweils Kataloge. 52 SCHWARZ cyan magenta yellow . zur Armory Show in New York gesellten sich drei Trabanten. hier erfüllt sich eine Elite mit viel Geld den Wunsch nach exklusiver Lebensqualität. während im Jahresüberblicksbeiheft nur 31 aufgelistet werden. FIAC Paris und die Tefaf in Maastricht. E Wie viele Messen es inzwischen weltweit für zeitgenössische. »Unsere Teilnahmen müssen wir drastisch reduzieren. Das Bild vom glamourösen Erfolg in der Kunstszene relativiert sich zwar.3 Glamouröser Kraftakt Die wachsende Zahl neuer Kunstmessen bringt die Galerien auch 2006 in Zugzwang Von Claudia Herstatt s ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte: Innerhalb von vierzig Jahren haben Kunstmessen ungeheuer an Bedeutung gewonnen. hat der Einsatz auf den Messen gebracht. Weder die CIGE (China International Gallery Exposition) in Peking. Dem Hamburger Galeristen Thomas Levy sind sie jedoch einen Auftritt wert.« Ein Stand auf der CIGE kostet ihn fünfmal weniger als sein Auftritt auf der Art Miami in diesem Monat. moderne und alte Kunst. Der asiatische Markt ist dort wie in anderen Publikationen häufig ausgelassen. 52 SCHWARZ cyan magenta yellow 52 FEUILLETON Kunstmarkt 12. bei der Art Basel Miami Beach waren es sechs. Christian Nagel aus Köln/Berlin und Krinzinger aus Wien gewinnen konnte. »Maximal 25 Prozent setzen wir bei großem finanziellem Aufwand auf Messen um«. Mal stattfindenden Arco in Madrid im Februar addiert sich erstmals die Art Madrid mit vornehmlich spanischen Ausstellern. noch die KIAF (Korean International Art Fair.« 30 Prozent neue Kunden. eine neue Sammlerklientel zu erschließen. Fotografie. Grafik und wertvolle Bücher gibt. die einen erstaunlichen Publikumszulauf haben. Antiquitäten. Doch bisher scheint sich die Nachfrage nach frischer Ware eher zu steigern. Das immer schneller rotierende Messekarussell bringt nicht nur Galerien in Zugzwang. können wir inzwischen auch zum großen Teil von der Galerie aus weiterverfolgen. Während die Kunstwerke früher zwischen Stellwänden mit Raufasertapete und grauem Nadelfilz gehandelt wurden. in den einschlägigen Kunstmagazinen und auf den Kunstmarktseiten findet sich regelmäßig nur ein Ausschnitt des Angebots. dass laut Statistik nur etwa fünf Prozent aller Künstler von ihrer Kunst leben können. 3 12. jaja. die sich. nachts hocken wir in die Speisekammer gedrängt. das sich dreht wie eine Schallplatte. was schon sehr ungefähr ist. und nach Stunden erst. das sich im Kreis bewegt. daß ich von dem Thema wegkomme. die Innenwelten. wie wir uns fühlen. und: Für dich. Kaum eines dieser Bücher (das begreift jeder. so beunruhigend. verrät. Nahe Jedenew ist der erste Kriegsroman einer neuen Generation. 8. Klarinette. sie sind von einer archetypischen Künstlichkeit. es 2450. So einfach ist das. dass dort Solidität und Gediegenheit ihre breite Spur hinterlassen haben. es verweile im Üblichen. sagt Vater. er überspringt dabei Wochen und Monate und Jahreszeiten und verharrt doch bei jenem schicksalhaften Tag. stellten ihn auf den Kopf oder entblößten seine simple Struktur – auf höhnische oder revolutionäre Weise. Konventionen lustvoll zerschlagen. der jüdische Tierarzt würde die Schweine in der Gegend notschlachten im Auftrag und zum Gewinn der anderen: »Er sagt: Du bekommst dein Geld schon noch. die Gegenstände. aber eine Art von gebrochener Naivität. gelb ist der Umschlag. dass jemand denkt. nachts hocken wir in Badeanzügen in die Speisekammer gedrängt. wie sie uns seit Jahr und Tag geläufig ist. es ist die Geschichte einer anderen Generation. die irgendwann beginnt und irgendwann endet. verrät. Ein Buch. der aber weder leuchtet noch riecht. sondern selbstsicher – was Vennemann im Vagen lässt. Es ist ein Misstrauen. als die angepriesenen Bücher es jemals sein könnten. der auf den Teich hinterm Haus hinausführt. Seit Stunden sitzen die Jedenewer Bauern im Wald hinterm Haus und trinken und lachen und singen und spielen. Aber die Inhaltsangaben der Romane und die Kurzporträts ihrer Autoren lassen jene Art von Literatur erwarten. dann klirrt jedes einzelne Fenster im Haus. nächsten Monat. ich nicke und sage so etwas wie gut. und wer die Frühjahrskataloge der Verlage in die Hand nimmt. 53 SCHWARZ Foto: Albrecht Fuchs cyan magenta yellow . sehr gut. eigenen Ton. das einen einlullt. wie wir uns fühlen Zur Politik der gut dosierten kleinen Schritte hätte uns Angela Merkel gar nicht auffordern müssen. ganz unbeachtet hat es den Herbst und den Winter überstanden. »Wir atmen nicht. Krystowczyk. der Pfütze gegenüber. sich im Auftritt kaum mehr unterscheiden vom Unterhaltungsprogramm des herkömmlichen Publikumsverlags. Vennemann hat der traurigen alten Weise keine neuen Einsichten hinzugefügt. Januar 2006 LITERATUR E s ist ein merkwürdiges Buch. Der Roman ist die Annäherung an eine Geschichte. als die katholischen Nachbarn kamen und die jüdische Familie ermordeten. er schreibt mit einem Sound.« Trost und Rat Die Literatur. und: Nicht für die Russen. so suchen sie das doch zumeist zu verbergen. Suhrkamp Verlag. die Abgründe seiner Figuren: Sie tragen alle Namen. von Mord und Plünderung auf einem jüdischen Bauernhof in Polen. die wir haben. der sich auf einen anderen Platz setzt. Sie hat den gehobenen Standard der automobilen Mittelklasse: mit ABS und Klimaautomatik sicher ans Ziel. nachts hören wir die Jedenewer Bauern singen. ungeordnet marschieren. »Abends hören wir Vater zu. Es ist auch ein Buch. Abends sitzen wir hinterm Haus in der Hochsommerabendsonne auf dem schmalen Holzsteg. wie Adorno einst forderte. das ist nicht der Moment oder das Motiv. die nicht trotzig ist. Das beginnt schon bei der Ausstattung: So viele schöne Farbfotos auf Hochglanzpapier gab es selten. vor allem eine Geschichte. aber einen neuen. als wäre das alles ganz einfach. 3 DIE ZEIT S. aber sie haben keine Gesichter Die Geschichte also ist in diesem Fall das Gegebene – was Vennemann aber tatsächlich im Vagen hält. Kein Verlag kann sein Programm gegen die Kritik und gegen das Publikum machen. das sind die Wege. die sie damals veröffentlicht haben. und das ist das Geschick Vennemanns. Vennemann ist jung. die sich von der Arglosigkeit dadurch unterscheidet. Akkordeon spielen und hören ihre Lieder seit Stunden bereits. Heute fristet die Avantgarde. Damals war die Kritik ganz wild aufs Avantgardistische. wir hören die Jedenewer Bauern singen.« So beginnt Kevin Vennemann seinen Roman. das viele Jahrhunderte alt ist und nur einen Anlass braucht. Ist dieses Buch also altmodisch? Es ist ein dünnes Taschenbuch. ist Mythos. Es ist dabei ein sehr musikalisches. und Krystosczyk sagt: Die Schweinepest also. und sehe zu Marian. Die Literatur. Gedichte liest. der sie liest oder wiederliest) würde heute von den Verlagen akzeptiert. Krystosczyk sagt: Ihr schlachtet in letzter Zeit erstaunlich viele Schweine für die Russen. Ist das Buch also unpolitisch? Es ist zumindest anders und neu im Ton. das sich ganz aus einem Gefühl von Gegenwart speist und auf eine Art von der Vergangenheit erzählt. ist fast schon Märchen. von Ausnahmen abgesehen. über die letzten sechzig Jahre hin zwischen uns und dem Krieg aufgebaut hat. dass jene Literaturverlage. ihr bescheidenes Dasein in kleinen Verlagen. Ein Buch. sich hinzuknien. hören wir sie aus dem Wald heraustreten und lauthals singend über den Wall in den Garten marschieren. als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. denn wer oder was ist Jedenew und wer oder was ist demnach nah? Aber Präzision ist hier auch nicht unbedingt Programm. Manche Kataloge wirken raffinierter und kostbarer. die sich weigert. Mögen auch ihre Titel von Fall zu Fall anspruchsvoller sein. die wir haben. Die mittleren und großen richten sich nach der veränderten Lage. das klar ist und direkt und sich doch nicht so leicht öffnet. Kevin Vennemann: Nahe Jedenew Roman. und wer dürfte sie dafür kritisieren? Am Ende entscheidet der Leser. am Experimentellen das Irritierende. er erzählt von einfachen und schrecklichen und schönen Dingen. überhaupt nicht. die Ereignisse gleichzeitig heranholt und wegrückt. er hebt die Distanz auf.« Der Konsensroman »Shalimar der Narr«: Salman Rushdies neues Buch lässt dem Leser wenig Freiheit Von Thomas E. das sind nicht die Ereignisse. in denen er seine Sorgen mehr oder weniger intelligent widergespiegelt findet.Nr. Diese Geschichte ist Material. er erzählt von Anna und Zygmunt und Wasznar. aber haben keine Gesichter. alte Partisanenlieder. ULRICH GREINER Die Menschen tragen Namen.. alte Sagen. das versteht man nach und nach. aber womöglich auch wenig Verpflichtungen verbinden. das Geschehen anzuerkennen. sie allein lässt und sie in dieses schwebende Ganze einfügt. Vennemann erzählt vom Zweiten Weltkrieg. die nicht die eigene ist. Aber es gibt heute fast keine Plattenspieler mehr. Alle diese Bücher spielten mit der Tradition des Realismus. Anfang der siebziger Jahre erschienen die ersten Romane von Peter Handke und Botho Strauß. die zu diesen mörderischen Verstrickungen geführt haben. Der Ort ist nahe Jedenew. gesehen im verhangenen Gegenlicht des Sommers. wie sie sich zu deutscher Schuld verhalten soll – diese Geschichte ist für sie. wie sie lachen und leben und wie sie sterben. sie spielen und singen und grölen auf wundersame Weise melodiös. wie aus Nachbarn Feinde werden. das sind die Ängste. M. dass sie genau um ihre Wirkung weiß. es reicht schon. Abends liegen wir im Gras hinterm Haus der Länge nach in der Sonne. 2005. schwimmen und bespritzen uns gegenseitig mit Wasser. Schon lange ist das geistige Leben des Landes durch ein um. die einst der Avantgarde eine Gasse bahnten. und die Nadel des Plattenspielers hängt immer wieder an derselben Stelle. das sich eigentlich in die Tiefe von Kindheit. das eher eine Geschwindigkeit hat als eine Geschichte und mehr von der Sprache angetrieben wird als von der Story. ein Buch. in der Erinnerung des Lesers wohnhaft zu werden. der noch lange im Kopf nachhallt. Krystowczyk. ist kein Grund zur Beschwerde. Nahe Jedenew ist ein Buch. Vennemann versucht also viel mit seinem ersten Roman. und auf eine sehr eigenwillige Weise gelingt ihm auch viel. lebt in Berlin Nr. der Wohlstand wuchs beim schieren Zugucken. in Aneignung und Abstoßung. das allerdings oft den Eindruck macht. Es steckt ein großes Maß an Naivität in diesem Buch. sie gehen durch einen fast schon klischeehaften letzten Sommer. durch sein Thema fast provozierend melodiöses Stück Literatur. weil in der Speisekammer immer nur eine Person Platz genug hat. in Ordnung. nachts rutschen wir umständlich nacheinander so leise wie möglich auf die Knie. Auch sie wollen partizipieren am auflagenfreundlichen Strom zuträglicher Lesbarkeit. als wäre es eine Kindergeschichte. er ist 1977 geboren. ich bin froh. Es ist das Buch einer Generation. von Gerhard Roth. die einen Kratzer hat. 142 S. am Innovativen das Unverständliche zu genießen. auf eine Art anders. das Kevin Vennemann da geschrieben hat. Oswald Wiener und Gert Jonke. Er erzählt also von komplizierten Dingen. Krieg und Judenverfolgung bohrt und doch rotiert auf seiner eigenen Oberfläche. Chaos in die Ordnung.– ¤ Kevin Vennemann. Und eigentlich erzählt er gar nicht. und sitzen und liegen und schwimmen in der Sonne und sitzen lesend zusammen und trinken die erste und letzte Sommerbowle des Jahres. essend. Frankfurt a. Die gefühlte Lage war stabil – da durfte die Literatur gerne instabil sein. endlich. das einen bei der Hand nimmt und in die Irre führt und auf der Stelle tritt. die die Menschen.und vorsichtiges Voranschreiten bestimmt. Es hatte ja auch seine historische Notwendigkeit: Fenster wurden aufgestoßen. Es zeigt nur etwas von unserer Befindlichkeit. der aus seinen Büchern Märchen. trinkend antworten wir: Die Schweinepest. das ist das Vorher und das Nachher. seinen ersten. die sich nicht mehr die Frage stellt. ein Buch. Die Verhältnisse sind instabil. das sagt Nahe Jedenew.« Das ist die kreisende Bewegung dieses Romans: Vennemann erzeugt einen Sog. für die sich mit dem Thema deutsche Schuld keine Versteifungen. Bemerkenswert ist. einen Verdacht. das glatt ist und geschickt und einen Blick öffnet auf eine Generation. Jedenfalls gilt das für die Literatur. er breitet seine Geschichte mit einer übersichtlichen Sprache aus. Schmidt Seite 54 Die schönste traurige Geschichte Kevin Vennemann erzählt von der deutschen Schuld und schreibt den ersten Kriegsroman einer neuen Generation VON GEORG DIEZ »Abends zählen wir die Mückenstiche auf unseren Beinen und liegen im Gras« So geht der Roman weiter. freut mich. wird bemerken. ohne um sich selbst zu kreisen. aber auf eine Weise. Sie soll Ordnung ins Chaos bringen und nicht. Ist dieses Buch also neumodisch? »Nachts klirren die Fenster in der Küche. 53 SCHWARZ cyan magenta yellow 53 DIE ZEIT Nr. er erzählt. und folglich erwarten wir von der Literatur Sinngebung und Lebenshilfe. 3 DIE ZEIT S. Nahe Jedenew heißt es. und dass er Trost und Rat in Büchern sucht. die es ihnen aber trotzdem erlaubt. er erzählt von Feldern im Abendlicht und von einem Baumhaus und von Marian und Antonina und ihrer neugeborenen Tochter Julia. grölen. es erzählt im Tempo der Erinnerung. Es war eine Zeit innerer Prosperität. Abends zählen wir die Mückenstiche auf unseren Beinen und flechten uns gegenseitig Zöpfe. geboren 1977 in Dorsten (Westfalen). Ich nicke. Kleiner Rückblick: Ende der sechziger. spielen. in diese Erzählung. Das Buch rast nach vorn und tastet sich zurück. Und die Leser waren bereit. Nr. 3 DIE ZEIT S. 54 SCHWARZ cyan magenta yellow 54 LITERATUR 12. Januar 2006 DIE ZEIT Nr.3 Als der Hammer den Bischof traf Eine Entdeckung: Der finnische Erzähler Kjell Westö VON STEPHAN OPITZ " Die Liebe und die Sprache Endlich: »Requiem für Harlem« des großen Erzählers Henry Roth VON OTTO A. BÖHMER ch erzähle diese Geschichten nicht, um einer Moral Ausdruck zu verleihen, sondern um einige Farben vor dem Vergessen zu bewahren«: Kjell Westö, Jahrgang 1961, hat die Risiken, der Familie Skrake anzugehören, im Jahr 2000 erzählt; der Roman (es ist sein zweiter) fügt Geschichten aus dem schwedischsprachigen Teil Finnlands mit langem Atem zu einem großen Kunstwerk zusammen. Finnlandschwedisch ist eine altertümliche Sprache, in der das Vermächtnis der vormals großbürgerlichen Familien aufbewahrt ist. Es ist eine rechte Erzählersprache aus einer Ecke der Welt, in der die Leute normalerweise eher ein bisschen weniger reden. Wenn sie allerdings reden, sind sie voller Geschichten. Werner Skrake, die Hauptfigur, ist der Vater des Erzählers Viktor, genannt Wiki. Werner hat die Begabung, die falschen Dinge am falschen Platz zu tun. Das finnlandschwedische Wort dafür lautet metjty, und Werner verfügt über Super-Metjty. Wikis Großvater Bruno, gut betuchter Bürger, schickt Werner, einen erstklassigen Hammerwerfer, in den frühen Fünfzigern zum Studium in die USA; doch Werner macht zu viel Jazz und studiert zu wenig Jura: »Als Bruno per Brief erfuhr, dass sein Sohn, der Lateinschüler und Leichtathlet und Student der Rechte, auf seltsamen Wegen in den Besitz einer Eintrittskarte zu einem Negerkonzert gelangt war, bestellte er augenblicklich ein interkontinentales Telefongespräch.« Brunos Firma war gerade mit der Einführung von Coca-Cola auf dem finnischen Markt beschäftigt. Das erste CocaCola-Auto, das je in Finnland fuhr, setzte Werner Skrake mit gewaltigem Getöse an einen Baum. Es war Olympiajahr in Helsingfors (so heißt Helsinki auf Finnlandschwedisch), und »er hatte von den Hürdenläuferinnenbeinen der jungen Fanny Blankers-Koen geträumt und darüber völlig vergessen, dass er am Steuer eines Coca-Colalasters saß.« Als Werner seinen Ruf in Helsingfors weg hat (»der Finnlandschwede, der den Colalaster gegen einen Baum setzte«), zieht er sich noch mehr zurück, lebt von Brunos Geld und etwas Fischereijournalismus und Schulhausmeisterei. Und dann und wann trainiert er weiter mit dem Hammer. Bis fast ins vierzigste Jahr bleibt er ein Außenseiter mit Namen. Seinen Ruf als erstklassiger Fischer von sehr ernst zu nehmenden Meerforellen (er nennt sie Silberfische) festigt er in kleinem Kreise; sein Sohn, der Erzähler Wiki, nimmt schon als Sechsjähriger Witterung von dem Zauber, der um seinen Vater liegt. Wiki ist acht, als er den ersten Fisch an der Angel hat. Die wortkargen Silberfischsonntage von Werner und Wiki draußen am fast offenen Meer, bei Hästkobben und Rysgrynnan in den Schären vor Helsingfors, binden die Angst des Sohnes vor dem Verlassen der Kindheit und die Melancholie des Vaters zu freundschaftlicher Liebes- und Lebensklärung zusammen: »Ich hatte das Gefühl, all das Seltsame wäre nun vorüber, Werners Unruhe und sein Verschwinden überstanden und alles auf dem besten Wege, wieder in normale Bahnen zu kommen.« Im letzten Jahr als Hammerwerfer, 1968, schafft Werner auf dem Schulsportplatz fast 73 Meter – das hätte die Bronzemedaille in Mexiko bedeutet. Doch Werner erwischt mit seinem Hammer nur den zufällig daherkommenden Bischof. Westö bindet die traumatischen finnischen Erfahrungen erzählerisch zusammen, Weltkrieg Eins (mit Bürgerkrieg) und Weltkrieg Zwei. Die Familiengeschichte führt bis tief ins 19. Jahrhundert und weit in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Sie bewahrt ein ganzes Farbenspektrum vor dem Vergessen. Ganz zum Schluss fragt die Großmutter Maggie den inzwischen Redakteur gewordenen Wiki, warum er »diese Kriege unbedingt wieder dem Vergessen entreißen« wolle, und das banale »Um der Wahrheit willen« des Enkels beantwortet die Großmutter: »Hast Du nicht begriffen, dass die Wahrheit ohne Liebe eine Art Lüge ist«? Die Übersetzung von Paul Berf ist schön und adäquat, bis auf einen kleinen Fehler: Mit dem Silberfisch, schwedisch Öring, ist die Meerforelle, Salmo trutta, gemeint. Früher mag man Öring auch mit Lachsforelle übersetzt haben können, doch heute meint Lachsforelle eine Regenbogenforelle aus Aquakultur. Und die fing Werner nicht. I I Luis Murschetz: Flachpass Das große Warten hat bald ein Ende, und vielleicht werden wir, wie Angela Merkel an Silvester freundlich hoffte, ja doch noch Weltmeister, und vielleicht sogar im Schlaf – wie hier auf der Zeichnung von Luis Murschetz,der dieser Tage 70 wurde und von dem es einen neuen Band mit Zeichnungen gibt: Beobachterstatus – Eine Welt aus Strichen (Sanssouci im Carl Hanser Verlag, München 2005; n. p., 17,90 ¤) Der Konsensroman »Shalimar der Narr«: Salman Rushdies neues Buch lässt dem Leser wenig Freiheit VON THOMAS E. SCHMIDT W enn Salman Rushdie nach Kaschmir blickt, und es zerreißt ihm das Herz, wer könnte sich seiner Trauer verschließen? Keine Weltgegend entspricht dem Bild des verlorenen Paradieses mehr als das Tal am Fuße des Himalayas. Seit Jahrzehnten ist es zerrissen zwischen Indien und Pakistan, endlos ereignet sich das Urtrauma der Teilung Kolonialindiens an dieser Grenze neu. Erzfeinde stehen sich hoch bewaffnet gegenüber, der Islamismus stößt hier auf die westliche Kultur und den Hinduismus. Nicht einmal die Natur scheint die Schönheit der Landschaft ertragen zu können, nicht einmal sie lässt die Menschen in Frieden leben. Mehr als 87 000 Tote forderte das Erdbeben vom Oktober allein auf pakistanischer Seite, viele Kaschmiris werden in diesem Winter sterben. Zögerlich und voller Misstrauen wird die Hilfe zwischen den verfeindeten Mächten an der Line of Control organisiert. Nicht einmal das Unglück entlässt die Menschen aus ihrem Hass. Rushdie hat seinen neuen Roman diesem fernen und in Gestalt des islamistischen Terrorismus mitten in unseren Städten tobenden Konflikt gewidmet. Kaschmir, die Welttragödie – deswegen ist dies ein gefühlsbeladenes Buch: kummervoll, zornig, ratlos, sarkastisch. Und weil die Unversöhnlichkeit zwischen fanatischen Muslimen und dem Rest der Welt einmal sein eigenes Leben bedroht hatte, ist es in Wahrheit kein Buch über, sondern geradewegs eines gegen das epidemische Elend Kaschmirs geworden, mit poetischem Heroismus ein Anklage-, Gedenk- und Beschwörungsbuch, eine Über-Dichtung, die sich mit Erfindung und Erklärung nicht zufrieden gibt, sondern hinausstrebt aus der Begrenztheit des Künstlerischen und so etwas wie die Kraft der Mythen erneuern will. Wie kommt der Hass der Kulturen in die Welt? Man kann »Kaschmir« sagen oder »Fatwa« oder »9/11«, denn auch das Paradies des Westens ging im Himalaya an der Line of Control verloren, selbst wenn das erst mit den Anschlägen von New York für alle sichtbar wurde. Falls es das Genre des »globalen Romans« geben sollte, Shalimar der Narr wäre ein Hauptbeispiel. Rushdies Perspektive auf die Unversöhntheit unserer Welten ist nicht die des Ästheten, des Inders oder des Briten, sondern eine Allperspektive, ostwestlich. Das macht den Reiz des Buches aus, strapaziert es aber gewaltig. Rushdie fragt: Wie kommt der Hass der Kulturen in die Welt? Doch die Menge der Geschichten, die mit dieser Frage aufgerufen werden, ist wahrhaft groß. Und diese Erzählungen sind nicht nur Geschichten von Einzelnen, sondern auch von Völkern mit tief in die Vergangenheit reichenden Gedächtnissen. Sie in ein Buch zu zwingen ist Größenwahn, aber genau damit trumpft der Poet Rushdie auf. Das ist seine Geste. In der postmodernen, nicht mehr ganz westlichen Metropole Los Angeles der Anfang, ganz westlich: Ein Mordfall ereignet sich. Dem ehemaligen amerikanischen Botschafter in Indien wird von seinem Chauffeur die Kehle durchgeschnitten. Und wie der Westen nach 9/11 begann, die Vorgeschichte des Attentates aufzurollen, beginnt auch Rushdie, Kjell Westö: Vom Risiko, ein Skrake zu sein Roman; aus dem Finnlandschwedischen von Paul Berf; btb, München 2005; 448 S., 21,90 ¤ " ZEITLESE Rosa Pock Die österreichische Schriftstellerin Rosa Pock, geboren 1949 und Verfasserin von fünf im Droschl Verlag erschienenen Prosabänden, erhält den Italo Svevo Preis 2006. Der von der Firma Blue Capital finanzierte Preis ist mit 15 000 Euro dotiert und wird jährlich von einem jeweils neu bestimmten Juroren oder einer Jurorin vergeben. Der Juror 2006 ist der schweizerische Schriftsteller Urs Widmer. DZ das Verbrechen nachzuerzählen, es nach Roman-Manier verstehbar zu machen, irgendwie auch verzeihbar. Bis die Geschichte aufs Neue anhebt, der Mörder sich aus dem Todestrakt befreit, um sein Rachewerk zu vollenden. Am Schluss kann es dann keine Versöhnung mehr geben, nur noch einen Showdown nach amerikanischer Manier. Es ist die Tochter des Botschafters, die gemeinsam mit dem Leser nach und nach die ganze Wahrheit erfährt. Als India wuchs sie auf, stellt aber fest, dass ihr wirklicher Name Kashmira lautet. Der Mörder ihres Vaters ist der ehemalige Geliebte ihrer leiblichen Mutter, genannt Shalimar der Narr, ein Verbrecher aus verlorener Ehre, der inzwischen als Killer im Auftrag des islamistischen Terrors die Welt durchstreift, während ihr Vater, die Diplomatenlegende Max Ophuls, all die Jahre heimlich die Antiterrorabteilung des amerikanischen Geheimdienstes geleitet hat. Und danach geht es mit Rushdie hinab in die kaschmirische Vorwelt, alles ab ovo. »Da war die Erde, und da waren die Planeten«, das orientalische Erzählen hebt an, süß und fern wie der Ruf der Nachtigall, bunt wie ein Teppich. Rushdie beherrscht das, er hat diese Manier in vielen seiner Romane geübt. Mythos, Allegorie, Arabeske, alles hängt mit allem zusammen, die Vollfettstufe des Erzählens, immer sind die Dinge melodramatisch, aber nicht immer berichtenswert. Rushdie kann nicht auslassen oder verkürzen, er begleitet seine Figuren nicht als Erzähler, er gluckt auf ihnen wie eine allgegenwärtige Mutter. Überkomplex erscheint das Buch durch die pinzettenhafte Auflösung der Handlung, die sorgsame Auspolsterung durch Nebenfiguren und Anekdoten. Aber dann ist man von dem simplen allegorischen Raster, das die multikulturelle Konstruktion zusammenhält, wiederum enttäuscht. Am Anfang ist das Paradies, ein Dorf in Kaschmir. Hindus und Muslime leben ohne das Wissen einer religiösen Differenz zusammen. Sie veranstalten opulente Festmahle und schauspielern dazu. Das ist ihr unschuldiges Gewerbe. Und dann geht das Paradies gleich doppelt verloren: Indien wird 1947 geteilt, die politische Paranoia entsteht, die ersten religiösen Hassprediger tauchen auf, Kaschmir wird Kampfzone. Shalimar und Boonyi sind in dieser Zeit ein junges Liebespaar, sie sind Sprösslinge einer muslimischen und einer hinduistischen Familie und somit der sichtbare Ausdruck der dörflichen Einheit. Dann tanzt Boonyi eines Tages vor dem amerikanischen Botschafter Ophuls. Er hält sie als seine Mätresse, was im schwatzhaften Indien seine Runde macht und als internationaler Skandal endet. Zurück bleibt ein Kind namens Kashmira, das bald der Mutter fortgenommen wird und als India in Europa aufwächst. Und ein von Hass zerfressener Shalimar, der auf Rache sinnt. So werden alle Protagonisten dieser familiären Kabale zu Figuren in einem historischen Mysterienspiel. In den kaschmirischen Familien aus Padigam, südlich von Srinagar, geht das gute, dem Essen und der Fröhlichkeit gewidmete Leben unter, und das hässliche Haupt der – wie man in Indien sagt – »Jammu and Kashmir-Issue« reckt sich. Max Ophuls, gebildeter bürgerlicher Jude aus Straßburg, Held der Résistance, Flieger-Ass und früher Kämpfer für die Dritte Welt, er wird mit seiner Af- färe zum Spätkolonialisten, zum Vertreter des ausbeuterischen Westens – wider Willen. Er steht für die Absurdität des islamistischen Fanatismus, der nicht das reale Paradies wiederherstellen will und auch nicht dasjenige des Korans, sondern einer falschen Version der Unschuld nachhetzt und sie mit blutigen Reinigungsritualen verwirklicht. Was schließlich Kashmira, die tapferen Amazone, endgültig zu einer Allegorie ihres Landes macht. Sie ist die zerrissene Verkörperung der kashmiriyat, jener kulturellen Idee, die das Land einst geeinigt hatte und eines Tages, wer weiß, wieder einigen wird. Und wenn sich am Schluss der Mörder im dunklen Zimmer an Kashmira heranschleicht und Kashmira mit Pfeil und Bogen als neue Artemis ihre Unschuld verteidigt, dann spricht Salman Rushdie: Man muss sich des Fanatismus entledigen, nicht durch Gegenmord, sondern durch einen mythologisch überhöhten Akt der Selbsterhaltung. Verschachtelte Langsätze, eine gekünstelte Opernhaftigkeit Gegen das humanitäre Engagement des Autors ist nichts zu erwidern. Shalimar der Narr ist ein für den literarischen Weltmarkt geschriebener Konsensroman, der dem Leser keine Distanzierungsmöglichkeiten lässt und mit dem enthusiasmierten Einschwingen rechnet. Ein guter Roman ist er deswegen noch nicht. Rushdies Kollege John Updike ließ sich im New Yorker etwas befremdet über die emotionale Dauererregung dieser Prosa aus, über die verschachtelten Langsätze, denen irgendwann der Atem ausgeht, die gekünstelte Opernhaftigkeit auch im Kleinen. Der Eindruck des Kolossalen legt sich übers Gelesene, weil der Leser die Geschichte nicht aus sich heraus verfolgen kann, sondern stets von der Warte der eingetretenen Katastrophe aus, dem Terrorismus und dem Elend Kaschmirs. Dieser Eindruck entsteht auch da, wo Rushdie »cool« schreibt, also in den filmhaften, voller Anspielungen auf die Popkultur steckenden Passagen, die in Los Angeles spielen. Mag sein, dass Rushdie der Idee eines um Realität und Bitterkeit ergänzten Bollywood nachstrebt, einer mit Tragik durchschossenen orientalischen Erzählmagie. Kann sein, dass er sich auf indrajal beruft, auf indische Artistik und Illusionskunst, und damit signalisiert, dass er die westliche Trennung von Kunst und Wirklichkeit nicht anerkennen mag. Vielleicht ist das kritisch ästhetische Urteil einem solchen Vorhaben gegenüber ganz unangemessen. Genauso bleibt aber das Spiel mit der realitätsverändernden Kraft des Erzählens auf einen westlich-liberalen Resonanzraum beschränkt. In ihm spielt die Kunst allerdings eine andere Rolle, als ein gesellschaftliches Einverständnis sichtbar zu machen, das ohnehin besteht. Im Kosmos von Shalimar dem Narren ereignen sich am Ende doch seltsam unberührt lassende Konflikte und Versöhnungen. Der globale Roman hat keinen Außenstandpunkt mehr. Die sanfte politische Utopie des magischen Erzählens muss sich der Leser hart erarbeiten. Bis er sie irgendwann glaubt. Salman Rushdie: Shalimar der Narr Roman; aus dem Englischen von Bernhard Robben; Rowohlt Verlag, Reinbek 2006; 542 S., 22,90 ¤ n der Literatur hat der Name Roth einen guten Klang: Man denkt an Joseph Roth oder auch an den ewigen Nobelpreiskandidaten Philip Roth, der wohl schon zu viele gute Bücher geschrieben hat, um von der Schwedischen Akademie noch ausgezeichnet zu werden. Es gibt indes einen dritten Roth, der zu wenig bekannt ist: Henry Roth, 1906 in Galizien geboren und bis zu seinem Tod im Jahre 1995 in den USA lebend, ein Autor mit altmodischem Sprachfuror und weit gestecktem Erkenntnisprogramm. Um nichts Geringeres als den Menschen ging es Roth, seine ganze Erbärmlichkeit und selbst ausgedachte Herrlichkeit, seinen Weg aus dem Dunkel der Geschichte in eine Zukunft, die immer wieder in freudloser Gegenwart stecken bleibt. Roth geriet an die Sprache wie an die Elementarmacht der Liebe; von beiden ließ er sich bedingungslos überwältigen und gab dann, als sich abzeichnete, dass man kein Genügen findet, in der Liebe nicht und nicht im Schreiben, unter Protest klein bei – er resignierte und bekam lange Zeit nichts mehr zustande. Tief im Innern aber kämpfte er gegen die vorschnelle Resignation an, bäumte sich auf, um zumindest seine Sprache wiederzufinden, wenn schon die Liebe, passend zum Altern der Menschen, welk wurde und sich, wie ein wohlmeinender Fälscher, an den Erinnerungen zu schaffen machte. So hat er, Roth, dessen bekanntestes Buch Call it sleep (Nenn es Schlaf) hieß und bereits 1934 erschien, eigentlich viel mehr schreiben wollen, als er dann tatsächlich schrieb. Immerhin brachte er eine imposante Roman-Tetralogie heraus, die in den Titeln (Die Gnade eines wilden Stromes, Ein schwimmender Fels am Ufer des Hudson und Die Entfesselung) an Thomas Wolfe (1900 bis 1938), einen anderen Sprachgewaltigen aus Amerika, gemahnte. Mit Requiem auf Harlem wird nun, zehn Jahre nach Roths Tod, der Abschluss der Tetralogie vorgelegt. Den Helden der früheren Bücher, der sich inzwischen im New York der zwanziger Jahre befindet, gibt es noch immer: Ira Stigman heißt er, ist jüdischer Herkunft und wohnt mit seiner Familie in beengten Verhältnissen. Ira hat es zum Studenten der Literatur am New Yorker City College gebracht, wo man ihm Talent zum Schriftsteller, aber auch eine merkwürdig unstete Lebensführung nachsagt. Das mag daran liegen, dass er ein Getriebener ist: Ira hatte eine inzestuöses Verhältnis zu seiner Schwester, er schläft mit seiner Cousine und liebt die zehn Jahre ältere Dozentin Edith, der er aber, da sie ihm eher als Idealbild dient, körperlich nicht zu nahe treten will. Aus dem Konflikt zwischen forderndem Sexus und den Ahnungen eines selbstbestimmten Lebens, das sich am großen Entwurf orientiert, an der Vision einer Menschenexistenz, in die man nicht nur geworfen wird, sondern mit Hilfe des eigenen Denkens Ordnung bringt, kommt Ira nur mühsam heraus. Was es heißt, erwachsen zu werden und sich selbst anzunehmen, dämmert ihm ANZEIGE erst nach und nach, aber dann trifft er doch seine Entscheidung: Er löst sich von der Familie, verlässt Harlem und zieht zu Edith, die er als Geliebte inzwischen geerdet hat; glaubt er doch nun zu wissen, dass zarte Gefühle und brennendes Verlangen, zumindest in ausgesuchten Momenten, sehr wohl zusammenstimmen können. Und dann sind da noch seine Pläne, Schriftsteller zu werden – ihnen will er nachkommen, nach bestem Wissen und Gewissen. Requiem für Harlem ist ein ungemein dichtes Buch mit einer zeitlosen Botschaft: Der Mensch ist, wie es sich Ira beim Auszug aus Harlem eingestehen muss, »wandelbar und zu allem fähig«, woraus er nur eine einzige Sicherheit bezieht, nämlich »sich wegen gar nichts sicher« sein zu dürfen. Das macht sein Glück aus, das ist das Leitmotiv seiner Träume. Zu loben ist nicht nur der Schriftsteller Henry Roth, sondern auch sein deutscher Verlag, der Requiem für Harlem in einer famosen Übersetzung von Heide Sommer herausgebracht hat und dem Leser im Anhang nützliche Informationen, wie etwa ein Nachwort und ein umfangreiches Glossar jiddischer und hebräischer Wörter und Ausdrücke, bietet. Henry Roth: Requiem für Harlem Roman; aus dem Englischen von Heide Sommer; Rotbuch Verlag, Hamburg 2005; 405 S., 24,– ¤ Nr. 3 DIE ZEIT S. 54 SCHWARZ cyan magenta yellow Nr. 3 DIE ZEIT S. 55 SCHWARZ cyan magenta yellow 12. Januar 2006 DIE ZEIT Nr.3 LITERATUR 55 Skrupellos wie kein anderer Werner Dahlheims Caesar-Biografie lässt vom Heldenbild nichts übrig VON WILFRIED NIPPEL C " Das Porträt als Werbemittel Erasmus von Rotterdam (1469 bis 1536) war ein Mann,der seine Wirkung und Bekanntheit durch das Medium des Porträts zu steigern wusste. Er gab viele davon in Auftrag und schenkte sie Freunden und Förderern. Unter den Malern waren die bedeutendsten seiner Zeit, Quentin Massys, Albrecht Dürer und eben Hans Holbein d. J. Ihm widmet Jochen Sander, seines Zeichens Leiter der Gemäldeabteilung im Frankfurter Städel, einen großen Bildband, der sowohl hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt als auch die Bedürfnisse des interessierten Laien befriedigt. Holbein, der 1515 bis 1532 in Basel lebte, war als Porträtmaler so bekannt geworden, dass Erasmus ihm mehrmals Aufträge erteilte. Von drei um 1523 angefertigten Porträts ging eins an den Erzbischof von Canterbury und eins an den französischen König Franz I. Der hier abgebildete Erasmus hängt im Basler Kunstmuseum und zeigt den Gelehrten, wie er den Titel seines Kommentars zum Markus-Evangelium niederschreibt. Der großformatige Band enthält einen rund 300 Seiten umfassenden Textteil, der sich hauptsächlich mit Holbeins Baseler Zeit beschäftigt, sowie rund 70 Seiten mit farbigen Tafeln. (Jochen Sander: Hans Holbein d.J. Tafelmaler in Basel 1515–1532; Hirmer Verlag, München 2005; 504 S., 98,– ¤) aesar fasziniert immer noch, auch wenn die Antike längst aus dem Zentrum in eine Nische des Bildungshaushaltes abgeschoben worden ist. Im 19. Jahrhundert galt er als »welthistorisches Individuum« (Hegel). Theodor Mommsen ließ seine Römische Geschichte mit einer Glorifizierung Caesars als »Demokratenkönig« enden, der zugleich die welthistorisch notwendige Umgestaltung des Imperium Romanum in Angriff genommen habe. Jacob Burckhardt pries Caesar als den »größten Sterblichen«, der wie einst Alexander im Osten nun im Westen die Zukunft der Zivilisation gesichert habe. Im 20. Jahrhundert fielen die Urteile nüchterner aus, so in der Biografie von Matthias Gelzer, die zwischen 1921 und 1960 in sechs Auflagen erschien. Allerdings hielt Gelzer daran fest, Caesar habe über ein Programm zur Anpassung der stadtstaatlichen Verfassung Roms an die Bedingungen des Weltreichs verfügt. Gelzer wandte sich gegen Hermann Strasburger, der 1953 Caesar staatsmännische Qualitäten abgesprochen hatte. Christian Meier wiederum hat in seiner Caesar-Biografie von 1982 einerseits die These vertreten, Caesar habe aus verletzter Ehre einen Bürgerkrieg eröffnet, andererseits dargelegt, dass der spätere Alleinherrscher nicht über die Möglichkeiten einer grundlegenden Neugestaltung verfügt habe. In der Diskussion um Meiers Buch wurde erörtert, ob man nach Hitler überhaupt noch von »historischer Größe« sprechen könne – eine Debatte, die man heute selbst nur als historisch verstehen kann. Von weltgeschichtlichen Notwendigkeiten und historischer Größe ist bei Werner Dahlheim keine Rede. Er lässt an der auf den eigenen Ruhm fixierten Handlungsmotivation Caesars ebenso wenig Zweifel wie daran, dass dieser die »Not des Staates« dramatisch verschärft, aber nicht behoben hat. Caesar erscheint – anders als bei Meier – nicht als »großer Außenseiter« der römischen Aristokratie, sondern als besonders skrupelloser Vertreter dieser herrschenden Klasse. Dahlheim beginnt mit einer Skizze der römischen Weltherrschaft im 1. Jahrhundert vor Christus, als die Provinzgouverneure »als Wildhüter ihr Amt antraten und es als Wilderer ausübten« und die Notwendigkeit, einzelnen Generalen langfristige Kommandos zu übertragen, zunehmend die inneraristokratische Gleichheit, damit die republikanische Ordnung gefährdete. Mit den Skandalund Heldengeschichten des jungen Caesar hält er sich ebenso wenig lange auf wie mit dem Beginn von dessen politischer Karriere im Gewande eines Verfechters der Volksrechte. Bei der Eroberung Galliens zog er eine Spur von Tod und Verderben Die auf Caesar konzentrierte Darstellung setzt vielmehr mit dessen Konsulat 59 vor Christus ein, als er mit einer Serie von Rechtsbrüchen die Forderungen des großen Eroberers Pompeius durchsetzte, die diesem vom Senat verweigert worden waren, und sich selbst ein langjähriges Kommando verschaffte, das ihm ermöglichen sollte, aus Pompeius’ Schatten zu treten. Die in den folgenden acht Jahren von Caesar betriebene Eroberung Galliens wird als Raubzug beschrieben, der eine einzige »Spur von Tod und Verderben« gezogen hat. Caesars Erfolg konnte seine Feinde nicht von ihrem Ziel abbringen, ihn wegen seines Verhaltens als Konsul zur Rechenschaft zu ziehen. Caesar wollte deshalb aus seiner Statthalterschaft zu einem zweiten Konsulat gelangen, was für das Jahr 48 möglich war. Die Sonderregelungen, die ihm dies ohne zwischenzeitlichen Verlust seiner Immunität ermöglicht hätten, wurden aufgehoben, als sein Bündnis mit Pompeius zerbrach und dieser sich wieder auf die Seite des Senates schlug. Um seine Würde zu wahren, begann Caesar im Januar 49 mit seinem Marsch auf Rom einen Bürgerkrieg, der während der folgenden vier Jahre im ganzen Reich ausgefochten wurde. Mit der Räumung Italiens hatte Pompeius die Strategie verfolgt, Caesar ins Leere laufen zu lassen. Caesars Übersetzen nach Griechenland war Hasard, das nur zum Erfolg führte, weil Pompeius seine senatorischen Kommandeure nicht unter Kontrolle halten konnte, deren Selbstachtung nicht zuließ, der Schlacht bei Pharsalos (August 48) auszuweichen. Als Caesar bei der Verfolgung des geschlagenen Pompeius (der jedoch zuvor ermordet werden sollte) im ägyptischen Alexandria (und bei Kleopatra) landete, fasste er nach Dahlheim erstmals die Rolle eines neuen Alexander ins Auge, der sich mit der Eroberung des Partherreiches, des einzig verbliebenen Rivalen Roms, auch jene Legitimation verschaffen wollte, die ihm der Sieg in einem Bürgerkrieg nicht einbringen konnte. Seine Herrschaft in Rom suchte er durch die jeweils großzügige Versorgung seiner Anhänger und Begnadigung seiner Feinde zu sichern. Seine Gesetzgebung kam über ad hoc getroffene Maßnahmen nicht hinaus. Die Verachtung republikanischer Institutionen, die Anfang 44 in der Übernahme einer Diktatur auf Lebenszeit und in einem Spiel mit der Königswürde gipfelte, entfremdete schließlich auch solche Senatoren, die von Caesars Patronage profitiert hatten, sich aber nicht mit der Rolle von Befehlsempfängern abfinden konnten. Am 15. März 44 nahmen sie vor Caesars Aufbruch in den Partherkrieg die letzte Chance wahr, den »Tyrannenmord« zu vollziehen, nur dass sie sich danach so kopflos zeigten, dass es bald zu neuen Bürgerkriegen kam. An deren Ende verstand es Augustus, eine stabile Ordnung zu schaffen, aber nur, weil er sich vom Vorbild Caesars abgesetzt hatte. Erbauung und Sinnstiftung bietet Dahlheim nicht. Er zeichnet die Realität der Machtkämpfe nach und vergisst diejenigen nicht, die »bei den Spänen waren, als Männer, die Geschichte machten, hobelten« (Strasburger). Spannende Erzählung und souveräne Strukturanalysen werden verwoben und in einer Sprache dargeboten, die Ironie und Sarkasmus nicht scheut, wenn dies dem Gegenstand angemessen ist. Werner Dahlheim: Julius Caesar Die Ehre des Kriegers und die Not des Staates; Verlag Schöningh, Paderborn 2005; 321 S., 24,90 ¤ Der Weg, der zum Anderen führt Am 12. Januar wäre der Philosoph Emmanuel Levinas hundert geworden. Neue Bücher weisen den schwierigen Denker als einen Klassiker des 20. Jahrhunderts aus VON THOMAS MEYER ie Zahl der weltweiten Ehrungen, Konferenzen und Neuerscheinungen anlässlich des 100. Geburtstages von Emmanuel Levinas räumen jeden Zweifel aus: Der Denker des Primats der Ethik, der schier übermenschlichen Verantwortung für den Anderen, ist zum Klassiker geworden. In Israel werden Israels Staatspräsident Katsav und Schimon Peres zugegen sein, wenn sich Intellektuelle und Künstler im Jerusalem-Theater an den Philosophen erinnern. Und die vier soeben von Routledge mit herausragenden Interpretationen zu Levinas’ Œuvre veröffentlichten Bände präsentieren ihn, was wahrlich umstritten ist, als einen der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts. Auch hierzulande erscheinen rund um das Jubiläumsjahr wichtige Bücher. Den Verlagen Alber, Meiner und Neue Kritik gebührt dabei ein Lob für ihre andauernde Treue zu dem schwierigen Autor. Es sind die erstmaligen Übersetzungen früher Texte, die eine besondere Beachtung verdienen. 1929 legte Levinas eine exakte Nachzeichnung von Edmund Husserls Ideen vor, die auf seine ein Jahr später erschienene und preisgekrönte Dissertation über den Freiburger Phänomenologen verweist. Der Aufsatz findet sich in dem von Alwin Letzkus souverän übersetzten Band Die Unvorsehbarkeiten der Geschichte, der auch die 1934 publizierte Studie Einige Betrachtungen zur Philosophie des Hitlerismus enthält. Levinas’ Analyse zielte auf die Ursprünge des von ihm »Hitlerismus« genannten Frontalangriffes auf die Zivilisation. Bemerkenswert ist bis heute die Klarheit, mit der ein radikal metaphysisches Denken die Zeitläufte verstanden und ihnen den weiteren Verlauf prophezeit hat: »Nietzsches Wille zur Macht, den das heutige Deutschland wiederentdeckt und glorifiziert, ist nicht nur ein neues Ideal; es ist ein Ideal, das seine eigene Form der Universalisierung gleich mitliefert: nämlich den Krieg und die Eroberung.« D " BUCH IM GESPRÄCH Reaktion auf die Gegebenheiten ernst genommen und in seiner Neuheit verstanden werden. Genau dies unternimmt er mit schwer durchschaubaren Überlegungen, die zwischen Kulturkritik und einem neuen Seinsdenken changieren. Letztlich ist De l’évasion sowohl ein Nein gegenüber den angebotenen Lösungen zur Krise der Zeit als auch ein Versuch, die Überlieferung für die Gegenwart ohne Kompromisse mitverantwortlich zu machen. Die Idee der Verantwortung wird es dann sein, die Levinas von den Philosophien des »Seins« hin zum menschlichen »Seienden« und schließlich zum »Anderen« führen wird. Wenn Kriege zur Ware werden Mit der Wahl des Titels Die Kriegsverkäufer hat Andreas Elter den Gegenstand seines Buches treffend erfasst: Krieg als Ware, die einer guten Verpackung und attraktiver Aufmachung bedarf, um auf dem politischen Markt angenommen zu werden. Für die USA ist dieses Bild maßgeschneidert. Im 20. Jahrhundert verging keine einzige Dekade, in der amerikanische Truppen nicht irgendwo auf der Welt Krieg führten – manchmal wenige Wochen nur (wie im Lateinamerika der 1930er Jahre), bisweilen zehn Jahre am Stück (wie in Vietnam). Hinter diesen Daten gerät die skeptische, wenn nicht ablehnende Haltung breiter Teile der Öffentlichkeit oft in Vergessenheit. Wenn es nämlich so etwas wie eine »postheroische Gesellschaft« gibt, dann sind es die Vereinigten Staaten – ein Kollektiv, das sich an der Inszenierung des Heldenhaften ergötzt, aber einen ausgesprochenen Widerwillen an den Tag legt, eigene Opfer zu bringen oder viel Zeit in einen Waffengang zu investieren. Wie sich dieses Spannungsverhältnis im 20. Jahrhundert entwickelte und wie es von Fall zu Fall austariert wurde, gehört zu den zentralen und gleichwohl unzureichend reflektierten Kapiteln einer Gesellschaftsgeschichte moderner Kriege. Andreas Elters informativer Überblick schlägt einen großen Bogen vom Ersten Weltkrieg bis zum gegenwärtigen Krieg gegen den Terror. Er zeigt, welcher institutionelle und propagandistische Aufwand betrieben werden musste, um die Heimatfront stabil zu halten, wie sich die politischen Instrumente im Laufe der Dekaden veränderten, wann ein Appell an den Patriotismus hinreichend war und unter welchen Bedingungen eine Politik der vorsätzlichen Lüge zum Zuge kommen musste. Zu Recht geht es dabei über weite Strecken um die Rolle der Medien, sind sie es doch, die in der Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft eine Schlüsselposition besetzen. Und sind sie es doch, die in den USA sich traditionell in der Rolle der »vierten Gewalt« sehen und mithin in Anspruch nehmen, Wächter über das in der Verfassung verbriefte Recht auf Meinungs- und Redefreiheit zu sein. Man tut allerdings gut daran, das Verhalten der Medien nicht mit der Elle einer naiven Prinzipientreue zu messen – es gab und wird immer wieder Situationen geben, in denen kritisch abzuwägen ist, ob das Recht auf Sicherheit nicht zu einer zurückhaltenden Ausübung der Informationspflicht gemahnt. Das freilich ist nicht die Pointe in Elters Buch. Verblüffend ist vielmehr der Nachweis, wie ausgeprägt die Neigung meinungsführender Medien ist, jeden kritischen Anspruch fahren zu lassen und zum »vierten Arm der Regierung« zu werden – selbst in den als Blütezeit des kritischen Journalismus verklärten Jahren des Vietnamkrieges. Ihrem vorauseilenden Gehorsam und ihrer Selbstzensur ist es zu verdanken, dass die direkte Zensur von Staats wegen nur eines unter vielen und vielfach ein untergeordnetes Instrument der Meinungssteuerung blieb. So gesehen, erscheint die seit 2001 zu beobachtende Selbstdisziplinierung und einverständige Gleichschaltung der US-Medien als weiteres Kapitel einer schier endlosen Geschichte. Mit Andreas Elter sei aber darauf verwiesen, dass historische Erklärungen nicht in jedem Fall zur Klärung des Wesentlichen beitragen. Gerade in diesem Fall ist es mit dem Hinweis auf Kontinuitäten nicht getan. Es geht um die Selbstkorrekturmechanismen eines demokratischen Systems und um die Frage, ob deren periodische Inaktivierung am Ende nicht dazu führt, die Demokratie an der Wurzel zu vergiften. Indem er diese Frage aufwirft, zeigt der Autor zugleich, worum es in der künftigen Diskussion des Verhältnisses von Krieg und Zivilgesellschaft gehen sollte. Bernd Greiner Andreas Elter: Die Kriegsverkäufer Geschichte der US-Propaganda 1917–2005; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005; 370 S., 13,– ¤ Durch Interpretation soll der Talmud gegenwärtig bleiben Leider enttäuscht die Edition Alexander Chucholowskis. Die Übersetzung ist nicht immer galant, arbeitet gelegentlich mit eigenwilligen Hervorhebungen und ist vor allem unentschieden in der Handhabung des zentralen Begriffes. Es bleibt Chucholowskis Geheimnis, warum der Titel De l’évasion mit Ausweg aus dem Sein übersetzt ist, dann aber im Lauftext évasion stets mit »Evasion« wiedergegeben wird. Das erinnert an die Praxis zahlreicher schlechter Derrida-Übertragungen, die sich mit der angeblichen Bedeutungsvielfalt, die es nur im Französischen gebe, vor der Entscheidung drücken, einen deutschen Ausdruck zu benutzen. Die Möglichkeiten, die sich mit Alternativen wie »Ausweichen« oder »Entrinnen« geboten hätten, werden erst gar nicht erwogen. Abgesehen davon, lösen weder Chucholowskis Einleitungsessay noch die Anmerkungen von Jacques Rolland die selbst gestellten Ansprüche ein. Stattdessen findet man zwei einander häufig widersprechende Deutungen, woraus sich aber keine Aufklärung ergibt. John Llewelyn und David Plüss haben schon vor Jahren gezeigt, wie man De l’évasion auf wenigen Seiten deuten kann. In Deutschland ist es Frank Miething, der durch seine klugen Übersetzungen auf die große Bedeutung der Talmud-Lektüren für Levinas’ Werk hingewiesen hat. Der vorliegende Band ist vor allem deshalb interessant, weil er sich mehr als in anderen Interpretationen des Talmuds in der Tradition bewegt, in der das Judentum als »ethischer Monotheismus« (Salomon Formstecher) betrachtet wird. Während die gewählten Traktatstellen konventionell sind und sich allzu häufig wiederholen, sind die Verständnisbemühungen von Levinas dieses Mal nicht ausschließlich auf seine eigene philosophische Ethik hin ausgerichtet. Vielmehr nimmt er andere Überlegungen auf, so von Hermann Cohen und Jacques Derrida, um die Universalität des Talmuds auch in der Interpretation gegenwärtig zu halten. Wie schwierig die Annäherung an Levinas für Interpreten ist, lässt sich an Christoph von Wolzogens Aufsatzsammlung ersehen. Dabei ist es weniger die praktizierte methodische Unentschiedenheit, die ratlos macht, als vielmehr das Bedürfnis, historische und systematische Aspekte zu harmonisieren. So interessant Wolzogens Rekonstruktionen etwa zum Frühwerk Heideggers sind, so wichtig seine Hinweise auf Franz Rosenzweigs Einfluss auch sein mögen, sie bleiben in der Luft hängen, weil sie keinen präzisen Platz im Denkkosmos von Levinas zugewiesen erhalten. Dazu kommt, dass manche Texte allzu leichtfertig ohne die Berücksichtigung neuerer Forschungen erneut abgedruckt werden. Das ist überaus schade, denn das Material für ein gutes Buch hält Wolzogen in den Händen. Anders sieht es bei Wolfgang Nikolaus Krewani aus. War bereits sein 1992 vorgelegtes Buch über den Denker des Anderen in erster Linie ein zuverlässiger Führer durch Levinas’ Werk, so ist sein neuer Versuch mehr als Deutung angelegt. Mit Erfolg, denn er nimmt mit Levinas das Risiko auf sich, dass die Philosophie eingehen muss, wenn sie nach der Schoah an der Idee des Wahren und Guten festhalten möchte: dass sie die Seinsfrage, die seit altersher als unhintergehbar gilt, selbst infrage stellen muss. Emmanuel Levinas: Anspruchsvolles Judentum Talmudische Diskurse; aus dem Französischen von Frank Miething; Verlag Neue Kritik, Frankfurt a. M. 2005; 174 S., 22,50 ¤ Ausweg aus dem Sein. De l’évasion Mit Anmerkungen von Jacques Rolland; französisch-deutsch, aus dem Französischen sowie Einleitung und Anmerkungen von Alexander Chucholowski; Meiner Verlag, Hamburg 2005; 129 S., 18,– ¤ Die Unvorsehbarkeiten der Geschichte Aus dem Französischen von Alwin Letzkus; Alber Verlag, Freiburg/München 2006; 208 S., 32,– ¤ Wolfgang Nikolaus Krewani: Es ist nicht alles unerbittlich Grundzüge der Philosophie Emmanuel Levinas’; Alber Verlag, Freiburg/München 2006; 296 S., 34,– ¤ Christoph von Wolzogen: Emmanuel Levinas – Denken bis zum Äußersten Alber Verlag, Freiburg/München 2005; 231 S., 22,– ¤ Mit Ekel revolutiert der Mensch gegen sein Dasein Für die Entwicklung des Denkens von Levinas stellte der 1935 erstmals publizierte Essay De l’évasion, jetzt bei Meiner unter dem Titel Ausweg aus dem Sein erschienen, eine entscheidende Weichenstellung dar. Er transformierte die Einflüsse von Bergson, Husserl und Heidegger in eine philosophische Zeitdiagnostik. Zunächst geht es vordergründig um eine phänomenologische Beschreibung jenes Ekels, mit dem der Mensch gegen seine unauflösliche Verkettung mit der bloßen Tatsache seines Daseins zu revoltieren versucht. Doch dieser Ekel steht für Levinas jenseits der bisherigen Tradition der Weltablehnung, er muss daher folglich als Nr. 3 DIE ZEIT S. 55 SCHWARZ cyan magenta yellow Nr. 3 DIE ZEIT S. 56 SCHWARZ cyan magenta yellow 56 LITERATUR Kaleidoskop 12. Januar 2006 DIE ZEIT Nr.3 " BÜCHERTISCH Belletristik Joseph von Westphalen: Die Memoiren meiner Frau Roman; btb Verlag, München 2005; 318 S., 19,90 ¤ " LITERARISCHES LEBEN Berlin, im Januar 2006 Zehn Jahre schon gestorben, das sind viele. Die FAZ erinnerte an François Mitterrand und seine kulturellen Verdienste. In Berlin ist Heiner-Müller-Gedenken angesagt. Die echten Freunde, jene, die sich laut Müllers Definition für ihn foltern lassen würden, waren sicher am 30. Dezember auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, um eine Havanna aufs Grab zu legen. Das Berliner Ensemble, Müllers letzte Wirkungsstätte, hatte den erweiterten Freundeskreis oder Fanclub anlässlich des 10. Todestags zu einer kleinen Folterstunde geladen. 100 Fragen an Heiner Müller heißt das Stück, eine theatralische Bastelarbeit, von Thomas Oberender und Moritz von Uslar montiert zu einem MüllerPorträtpuzzle nach Interviewauskünften Heiner Müllers und einiger Freunde und Weggefährten. Das »Spiel« begann überraschenderweise schon draußen, vor dem BE. Eine Phalanx dramatisch im Wind züngelnder Bodenfackeln geleitete den Besucher ins stockfinstere Foyer, wo die Kassiererinnen, mit Taschenlampen hantierend, resigniert Auskunft gaben: »Das gehört dazu.« Dunkelheit, klar, war bei Heiner Müller ja immer Teil der Inszenierung. Besser gesagt: Verdunkelung. Sätze wie: »Nekrophilie ist Liebe zur Zukunft« oder »Das Problem dieser Zivilisation ist, dass sie keine Alternative zu Auschwitz hat« wirken nicht dunkel, sondern als hätte jemand mutwillig alle Sicherungen im Oberstübchen ausgeknipst. Und sie entflutschten diesem Dichtermundwerk so geschmeidig, so genüsslich schmatzend, als wär’s der Peter Hintze des Dr. Kohl oder der Ronald Pofalla des Weltgeistes, der redet wie die Fleischersfrau aus Die Schlacht, die ihrem Mann beim Ersaufen zusieht: »Blut fängt Fliegen … und jetzt ist’s so gekommen und er stirbt jetzt.« So gesehen, stellen sich da gut und gerne mehr als 100 Fragen. Regisseur Philip Tiedemann lässt fünf Heiner-Müller-Klone, vier Männer und eine " GEDICHT Von außen betrachtet, schaut das Leben aus wie eine Komödie – dass hinter der heiteren Fassade allzu oft die kleinen Tragödien und Niederlagen warten, davon weiß Joseph von Westphalen stets klug und clever zu erzählen. Sein Feld sind die erotischen Wanderungen und Verirrungen jener Großstadtmenschen, die unsere postindustrielle Farce bevölkern – etwa jener Richter in Memoiren meiner Frau, der seine prominente Ehefrau betrügt, und zwar ausgerechnet mit einer Polin, die ihrem angeblichen Verlobten immer recht pornografische Briefe in die Untersuchungshaft schickt. Carmen Stephan: Brasilia Leben in einer neuen Stadt; Stories; mit Fotografien von Gleice Mere; Blumenbar Verlag, München 2005; 172 S., 24,– ¤ Sterben, wieder auferstehen Von oben betrachtet, schaut das Leben aus wie ein Flugzeug – in dieser Form ist der Grundriss von Brasília angelegt, Hauptstadt und Utopie, deren Realitätsgehalt die Menschen dort täglich testen. Carmen Stephan hat einige von ihnen getroffen: Zusammen mit den Fotos von Gleice Mere ergibt sich aus ihren Geschichten und Porträts das Bild einer Stadt, die den Bewohnern immer zugleich fremd war und versöhnlich, immer eine Zumutung und gleichzeitig eine Rettung: Es ist das schöne Trugbild einer modernen Stadt vor dem postindustriellen Fall. Georg Diez Heiner-Müller-Gedenken, noch mal Sachbuch Ilka Quindeau/Volkmar Sigusch (Hrsg.): Freud und das Sexuelle Neue psychoanalytische und sexualwissenschaftliche Perspektiven; Campus Verlag, Frankfurt am Main 2005; 210 S., 19,90 ¤ »Provinz des Mannes« (= Frau) zu BossanovaRhythmen umeinander turnen. Das ungemein erotisierende Körpergefuchtel des hageren, authentisch bebrillten Womanizers und Ich-ist-einanderer-Performers Müller erinnert von fern an Kurt Joos’ legendäres Ballett Der grüne Tisch, ohne Tisch, aber mit fünf identischen schwarzen Bürodrehstühlen, auf denen noch beängstigende Tanzeinlagen gegeben werden zur Harlekinade der 100 Fragen. Sie waren echt Kommunist? – Wo liegt das Deutsche in der deutschen Kunst? – Wie sexy ist das eigentlich, wenn ein Theaterstück verboten wird? – Ist Menschen verachten was Schönes? – Be stupid – immer noch ein gewinnbringender Zugang zu Ihrem Theater? – … Mag sein, dass die vielen Fragen ihn ermüdeten oder auch die Antworten, die er größtenteils schon in seiner Autobiografie Krieg ohne Schlacht gegeben hatte und die ihm hier von den fünf Lemuren mit scholarenhafter Unschuld und Engelsflügelchen auf dem Rücken wieder aufgetischt wurden. Also: Diktatur ist für einen Dramatiker »farbiger« als Demokratie, das Deutsche ist die »gotische Linie«, Shakespeare der Größte (wogegen das, was Brecht machte »Schuhplattler« ist), Kunst braucht eine blutige Wurzel, das Schöne am Theater: Man stirbt und steht wieder auf … Mag sein, dass einem echten Grufti solche Sätze in Wiedervorlage wie eitel Tand erscheinen, jedenfalls reagierte der liebevoll angerempelte Dramatiker zunehmend gereizt mit Zitaten aus seiner Hamletmaschine: »⁄Ich spiele nicht mehr mit«, wollte Whisky, Zigarren und seine Ruh. Auf das Publikum, so schien es, und auch auf die Berichterstatterin, die nie zu den MüllerCracks gehörte und zum Missverständnis seines Ruhms nicht den geringsten Beitrag lieferte, hatte das Spektakel nicht die kontagiöse Wirkung, etwa verglichen mit den Assoziationsekstasen, die Alexander Kluge dem Freund zu Lebzeiten entlockte. Wenn die beiden Schlachtenbummler des Weltbürgerkriegs zusammenhockten und der blaue Dunst seiner Monte Christo Locken auf Müllers Denkerstirn drehte, da ging die Post ab. Da ging’s von Medea nach Auschwitz zu Kafka zu Mielke und zurück, dass einem die Sinne schwanden. Na ja, Heiner Müller hat ausgelitten. Das deutsche Theaterpublikum mit diesem Katastrophen-Klassiker wohl noch lange nicht. Gabriele Killert Die nächste Müller-Séance findet am 19. Januar statt LES MURRAY Schieferlandschaft Wassermelonenschalen rings ums Haus, kleine Gondeln aus kringelndem Grün überzogen mit klitschigem rosa Plüsch; Betonpfade mit Rändern vom Benzin, Dreiräder im Garten und Schaufeln wo die Sickergrube den Feenring treibt; ein Drahttor, das ins wogende Korn führt, beige Bretter überlappen, was bleibt – und auf der kornlosen Seite lösen sich von den Eukalypten sturmblaue Fetzen die frisch als Mayonnaisestämme ragen über einem Karren auf allen vieren. Les Murray: Traumbabwe Aus dem australischen Englisch von Margitt Lehbert; Ammann Verlag, Zürich 2005; Einzelband 83 S., 16,90 ¤ oder in der Poesiekassette »Mein Gedicht ist mein Messer« mit Gedichten von Les Murray, Ralph Dutli, Lorand Gaspar, Robert Haas, 4 Bände im Schuber, 49,90 ¤ Foto: Andreas Schoelzel Die ZEIT-Liste DIE REDAKTION EMPFIEHLT Belletristik 1. Oscar Wilde: Ein Leben in Briefen Blessing; 24,– ¤ Der große Oscar Wilde zeigt sich in seinen Briefen als formidabler Freund, als verletzbarer Bürger, als ein Mensch, der leidet, nicht zuletzt an sich selbst " TASCHENBUCH 2. Inka Parei: Was Dunkelheit war Schöffling & Co.; 18,90 ¤ Die letzten Tage eines alten Mannes, Erinnerung, Schuld, Glück – und kein Wort zu viel Sigmund Freud, zum Ersten als Sexualforscher, das Jubiläumsjahr 2006 hat begonnen: Weil sich das Erscheinen der Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie zum 100. Mal jährte, haben die Frankfurter Experten Quindeau und Sigusch erstmals im deutschsprachigen Raum renommierte Fachleute der Psychoanalyse, der Sexualwissenschaft und der Säuglingsforschung zusammengebracht, um »mit Freud gegen Freud zu denken« und zu erörtern, was heute Sexualität bedeutet. Inwiefern »Freud am Schlaf der Welt gerührt« hat, erläutert etwa Sigusch in seinem wissenschaftshistorischen Aufsatz, der Hamburger Psychiater Wolfgang Berner prüft Freuds Triebbegriff im Licht der heutigen Neurophysiologie, und Ilka Quindeau untersucht die Gründe, aus denen die Psychoanalyse einer Triebtheorie bedarf. Kurzum, dies ist eine überaus lesenswerte Darstellung der gegenwärtigen Kontroversen. Michael Rohrwasser: Freuds Lektüren Von Arthur Conan Doyle bis zu Arthur Schnitzler; Psychosozial Verlag, Gießen 2005; 404 S., 38,– ¤ Nicht-Sein mit Schopenhauer Zu den schönsten Zeiten, die dem Menschen eingeräumt sind, gehören jene, die er zur Lektüre Schopenhauers aufwendet. Das kann man nicht leichtfertig behaupten, denn es gibt ja Bedenken: Von der Philosophie konnte man Wunderbares lernen, zum Beispiel, dass man, ohne es gewollt zu haben, auf die Welt kommt und dass das Annehmen dieses ungewollten Faktums in aller Freiwilligkeit das Leben des Erwachsenen ausmacht. Sich dagegen zu stellen, »gegen das Leben«, hat für die Vernunfttradition etwas Pubertäres, etwas Idiosynkratisches. Bei Schopenhauer herrscht dagegen ein plausibler Pessimismus: Das Leben ist das Übel selbst, und es bietet, so Schopenhauer, weil im Menschenleben Gier und Leiden immer stärker hervortreten, keinen anderen Stoff dar »als den zu Tragödien und Komödien – da wird, wer nicht heuchelt schwerlich disponirt seyn, Hallelujahs anzustimmen«. Die alte Schreibweise steht in einer neuen Taschenbuchreihe. Die Reihe, eine Gemeinschaftsproduktion von C. H. Beck und dem Deutschen Taschenbuchverlag, heißt: Kleine Bibliothek der Weltweisheit. Der von Schopenhauer bestrittene Band trägt den Titel: Über das Mitleid, und er ist eine von Franco Volpi herausgegebene und mit einem Nachwort versehene Sammlung einschlägiger Stellen aus: Die Welt als Wille und Vorstellung, Die beiden Grundprobleme der Ethik und schließlich aus: Parerga und Paralipomena. Schopenhauer, der seine Ausführungen gern mit gewichtigen Zitaten spickt, zitiert selbstverständlich den berühmten Chor aus König Ödipus von Sophokles: »Nie geboren zu sein, das ist / Weit das Beste; doch wenn man lebt, / Ist das Zweite, woher man kam, / Dorthin zu kehren, so schnell wie möglich.« Für die Aufklärung mag das Leben ein Geschenk sein, das anzunehmen man verstehen muss – und erst durch diesen Verstand wird man »Mensch«. In dieser anderen Tradition, der Schopenhauer zugearbeitet hat, hat vor allem der Tod, das Nicht-Sein seinen Reiz. Es steckt eine Unheimlichkeit dahinter, dass die Menschen aus dem Nichts, aus dem Nicht-GeborenSein herkommen und dass sie im Nichts, im Tode enden. In der Zwischenzeit können sie, von ihren Philosophen geleitet, darüber nachdenken, wie sich das vorgeburtliche Nichts zum endgültigen verhält. Besagte Unheimlichkeit reicht für ein Lebensgefühl. Aber es schießt auch übers Ziel (was immer auch »das Ziel« sein mag) hinaus; es mag zwar weise sein, dem Nicht-Sein den Vorzug zu geben, es ist aber seltsam unpraktikabel, weshalb Alfred Polgar die Maxime intelligent verblödelt hat: »Nicht geboren werden ist das Beste, sagt der Weise. Aber wer hat schon das Glück? Wem passiert das schon? Unter Hunderttausenden kaum einem.« nierend. In so einer Musik gerät das aufgeklärte, verantwortliche Subjekt ins Schwimmen. Schopenhauers (Anti-)Vitalismus war aber ethisch motiviert: Es ist die Bejahung des Willens, die Schmerz bereitet. Ach, gelänge es nur, sich vom Wollen zurückzuziehen, der Schmerz würde auch verschwinden oder wenigstens seine diktatorische Rolle aufgeben müssen: Die Willenlosigkeit schlägt den Dramen des Begehrens endlich ein Schnippchen. Böse ist, wer im Handeln allein dem principium individuationis folgt, wer also den eigenen Willen bejaht und den der anderen verneint; es ist für mich das Wichtigste an Schopenhauers Ethik, dass er den kalten Charakter des einfühllosen Mitmenschen zeichnet, der »allein sein eigenes Wohlseyn sucht, vollkommen gleichgültig gegen das aller Anderen, deren Wesen ihm vielmehr völlig fremd ist …, ja, die er eigentlich nur als Larven, ohne alle Realität, ansieht.« Die Christenheit feiert Weihnachten, also eine Geburt. Dass mit der Geburt von Gottes Sohn das Leben selbst absolut bejaht wird, ist eine Glaubensfrage. Der Zweifel (der den Glauben vielleicht erst stark macht) hat in Schopenhauer einen Anwalt. Der mitleidlose Typ jedenfalls scheint ein unterschwelliges Ideal dieser Gesellschaft zu sein; es ist aber auch vertrackt: »Der Anblick fremder Leiden«, sagt Schopenhauer, »lindert die eigenen.« So hat es der Mensch »von Natur aus« schwer, gut zu sein. Franz Schuh Arthur Schopenhauer: Über das Mitleid Hrsg. und mit einem Nachwort von Franco Volpi; dtv/C. H. Beck, München 2005; 159 S., 6,– ¤ 3. Peter Stephan Jungk: Die Reise über den Hudson Klett-Cotta; 19,50 ¤ Eine pathetische Vater-Sohn-Geschichte, aber sehr gut erzählt – und nicht pathetischer, als unser Anspruch an die Literatur sein wollte 4. Irène Némirovsky: Suite française Albrecht Knaus; 22,90 ¤ Am 17. August 1942 stirbt Irène Némirovsky in Auschwitz, in den Monaten davor schrieb sie im Wettlauf mit der Zeit dieses groß angelegte, ergreifende Epos über ihre Lebensepoche Sachbuch 1. Sophie Scholl/Fritz Hartnagel: Damit wir uns nicht verlieren S. Fischer; 25,– ¤ Eines der wichtigsten, anrührendsten Zeugnisse aus dem deutschen Widerstand – in einer von Thomas Hartnagel sorgfältig betreuten Edition 2. Jared Diamond: Kollaps S. Fischer; 22,90 ¤ Von den Maya über die Wikinger bis zum heutigen China, Afrika, Australien: Eine profunde Studie über Untergang und Überleben von Gesellschaften Freud, zum Zweiten als Leser: Mit dieser Studie über Freuds Lektüren hat der Literaturwissenschaftler und Kritiker Michael Rohrwasser dem Leser ein außerordentlich material- und kenntnisreiches Kompendium der Entschlüsselungskunst zur Verfügung gestellt. Rohrwasser zeigt, dass die Kommentare zur Literatur, die der »Detektiv, Archäologe oder Entschlüssler« Freud verfasst hat, nicht als »spielerische Nebenprodukte« der psychoanalytischen Wissenschaft abgetan werden können. Die Dichter sind vielmehr die Bündnisgenossen des profund belesenen Wiener Nervenarztes, und nach Freud liest kaum einer mehr wie zuvor. Elisabeth von Thadden 3. Martin Warnke: Velázquez DuMont; 39,90 ¤ Undogmatisch, quellengesättigt, mühelos elegant: Das große Werk des Emeritus Warnke über das Malerleben des Velázquez im 17. Jahrhundert Der Anblick fremder Leiden lindert die eigenen Solange die Bevorzugung des Nicht-Seins »theoretisch«, also das Resultat einer Betrachtung bleibt, kann man sie für weise halten. Unter den Versuchen, diese Weisheit zu praktizieren, sind – wie die Weltgeschichte lehrt – einige gefährlich. Auch in der Kunst, man höre Wagners Tristan und Isolde, klingt die Verbindung von Menschen in ihrem gemeinsamen Nicht-Sein gefährlich faszi- 4. Uwe Naumann (Hrsg.): Die Kinder der Manns Rowohlt; 49,90 ¤ Ein prachtvoller Band: Die kollektive Biografie aller sechs Kinder Thomas und Katia Manns – mit einer Vielzahl unbekannter Dokumente und Fotos Die Jury: Ulrich Greiner, Konrad Heidkamp, Susanne Mayer, Iris Radisch, Elisabeth von Thadden, Volker Ullrich Nr. 3 DIE ZEIT S. 56 SCHWARZ cyan magenta yellow ich sage nicht. Allerdings haben wir es in dieser Disziplin so weit gebracht. Süßholzraspeln is a little help gegen Herpes. Von »Marktaussichten« und vom »Konjunkturhimmel« ist die Rede. wo wir es doch besser ausgeben sollten VON PETER SCHNEIDER Illustration: An je Jager für DIE ZEIT S olange ich den Wirtschaftsteil einer Zeitung allenfalls aus sprachkritischem Interesse las. dass »die Stimmung« ein entscheidender Wirtschaftsfaktor ist. Dies. 3 DIE ZEIT S. die Wachstumsrate oder einen Halbsatz des Präsidenten der amerikanischen Bundesbank. Gute Nachrichten bleiben dem Wetterbericht vorbehalten – in Deutschland nicht eben ein Garant für angenehme Überraschungen. Es hat schon etwas Verzweifeltes. das zum Draufsitzen verwendet wird. gut bezahlte und gelaunte Sprecher die Hörer mit ihrer täglichen Ration von Hiobsbotschaften: Die deutsche Telekom muss angeblich 32 000 Stellen abbauen. 115. auch VW wird demnächst Tausende auf die Straße setzen. dieses Süßholz lässt die Tarnung der Viren auffliegen. wir hätten uns zu dem Projekt verstiegen. es sind zwischen (ich runde aus Gründen der Lesbarkeit auf) 750 000 und 1. die Alphatypen. Dennoch bleibt bei solchen Berechnungen ein gewaltiger Unsicherheitsfaktor. Beta und Gamma. In dem Lakritz ist Süßholz drin. Aber ist damit die eigentümliche Verspätung und Unbeweglichkeit erklärt. besonders geringer Beliebtheit erfreut. das hilft. Denn »die Stimmung« hört eben auch auf außerwirtschaftliche Ereignisse – einen Terroranschlag. Lakritz ist geradezu die Anti-HWunderwaffe (Francesca Curelli. mit der die Deutschen auf den seit langem sichtbaren wirtschaftlichen Stillstand und die zugrunde liegende Strukturkrise reagierten? Offenbar spielt ein mentaler Faktor mit. 57 SCHWARZ cyan magenta yellow LEBEN Nr. Man soll Honig drauftun oder frischen Knoblauch.und hergerissen wird. dass Lakritz sogar die versteckten Viren angreift. Allein bis zum Jahre 2010 werden circa 1000 Milliarden Euro vererbt. 650).de/audio Wir Angstsparer Warum wir Deutschen uns ans Geld klammern. in billigere Länder. im deutschen Parlament jeweils die Mehrheit stellt. Bei einem Nullwachstum wie in Deutschland würden die Amerikaner vermutlich weiterhin hemmungslos konsumieren und mit ihrer berüchtigten Bereitschaft. Je üppiger die Gewinne der Unternehmen sind. um die deutschen Schließmuskel zu lockern.35 Millionen ZEIT-Lesern. die Deutschen müssten sich auf ihre Fortsetzung auf Seite 58 Nr. Am unangenehmsten sind. der zu der Illusion eines stetigen. Wo aber mein eigener Herpes sich befindet. braucht nur die Nachrichten anzustellen. wie gegen Vampire (echt wahr). Eine Ansteckung kann bereits erfolgen. versehentlich die lahmende Wirtschaft ankurbeln. Und dies alles. Nr. Aber wer außer den Umfrageinstituten gibt nach der Pleite aller Voraussagen vor den Wahlen noch etwas auf Umfragen? Kein Zweifel. Zur Erklärung wird angeführt. Die Kunst der Risikominimierung ist bis zu einem gewissen Grad vernünftig. wer es ist. die Schätzungen reichen von 50 bis 95 Prozent. scheint es sich bei der Wirtschaft um einen ewig pubertierenden Patienten zu handeln. die Allianz ist im Entlassungswettbewerb mit 8000 Jobs dabei. wenn Sie und ich uns besser kennen und die Zeit für intime Geständnisse gekommen ist. sage ich erst. Tatsächlich schien ja das Gesetz. wenn die Regierung den schwierigen Klienten namens Konsument durch die Androhung einer erhöhten. dass ausländische Beobachter sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren können. obwohl Deutschland nach wie vor eines der reichsten Länder ist und den dritthöchsten Sozialstandard der Welt genießt. die er dann ziemlich schnell auf null herunterbringen kann. Januar 20 06 DIE ZEIT 57 LEBENSZEICHEN Lippenbekenntnis Harald Martenstein über die verschiedenen Arten des Herpes Interessant finde ich die Tatsache. wer die Wahl gewinnt. Was nicht weiter verwunderlich ist. mit dem mich eine Freundin auf die USA vorbereitete: Wer in den USA zur Tür hereinkommt. Wie die Reaktion ausfällt. Nach der Wortwahl zu schließen. Eine mir nahe stehende Person bekommt immer Herpes auf dem Körperteil. von der »Neigung« oder »Unlust« der Unternehmer zu investieren – auch Begriffe wie »Höhepunkt« oder »Abschlaffen« fehlen nicht. wenn man bedenkt. Die Menschen wissen heute so vieles über sich selbst. den Politiker aller Parteien auf der Zunge tragen. Die neue Formel heißt: 10 Prozent weniger Ausgaben für das Personal = 40 Prozent mehr Profit. Vor diesem Leiden möge mein Schöpfer (wer immer es sein mag) mich allezeit bewahren. weil ich nicht enterbt werden möchte und weil man seine Eltern ehren soll. Wer nicht ohnehin deprimiert ist. wie viele Menschen unter Herpes leiden. alle Völker üben sich darin. was gut für die Unternehmen sei.zeit. Es würde sich unter dem Gesichtspunkt der Lesernähe und der Emotionalisierung des Blattes anbieten. eine Art Grundstimmung. Gesetzt den unwahrscheinlichen Fall. die sich im günstigen Fall bis zum »Konsumrausch« steigert. Man weiß nicht einmal genau. gleichgültig. Wir Deutsche neigen in einem solchen Fall. der von seinen Launen hin. einen plötzlichen Regierungswechsel. ist Honig. die wir zu dieser Konkurrenz auch noch eingeladen haben. Das Erfolgsgeheimnis des Herpesvirus besteht darin. Die Einkommensentwicklung schien den Beförderungsrichtlinien des deutschen Beamtentums zu folgen. Mit zunehmender Lektüre ist mir der Spott vergangen. Die durch die Nachrichten täglich erneuerte Krisenstimmung wird durch die Ahnung noch verstärkt. Ein Prozent. 57 SCHWARZ cyan magenta yellow . dass auch dieser meiner kreativen Gedanken bei den Redakteuren auf unfruchtbaren Boden fällt. dann sterben der Hund (oder die Katze) innerhalb von höchstens drei Tagen. höchst ungleich verteilt. dass die »Partei« der öffentlich Dienenden. mit den Risiken des Lebens auch das Leben selber abzuschaffen. welche in drei Großgruppen unterteilt werden. So lächerlich es scheint: Mieses Wetter an den zwei letzten Wochenenden vor Weihnachten kann die gesamte Jahresbilanz des Einzelhandels verregnen. wir haben ernste Gründe zur Sorge. dass es vom Immunsystem nur im Stadium der akuten Erkrankung erkannt und bekämpft wird. unendlich fortsetzbaren Zuwachses einlud. wenn das Herpesopfer aus dem gleichen Glase trinkt wie ein Herpestäter. Wenn man aber das Fleisch eines herpeskranken Hausschweins an einen Hund (oder an eine Katze) verfüttert. obgleich die meisten dieser Firmen die besten Gewinnergebnisse seit Jahren verzeichnen. Herpes ist noch sehr wenig erforscht. das heißt. Audio www. Weil Herpes simplex gerne und mit vernichtenden Folgen die Leber befällt (»Herpeshepatitis«).5 Prozent des Nettoeinkommens im europäischen Ländervergleich weit vorne. ist das Verhältnis zwischen Trinkern und Herpeskranken angstbesetzt. dass ich etwas mit ganz vielen und korrekt verwendeten Klammern schreiben wollte (im Grunde interessiere ich mich gar nicht so für Herpes). dass unterschiedliche Nationen auf gleichartige Ereignisse durchaus unterschiedlich reagieren. Amerikaner und Deutsche würden in einem Quartal exakt die gleichen Wirtschaftsdaten registrieren – sie würden keinesfalls auf die gleiche Weise darauf reagieren. »Die Stimmung« ist bis zu einem gewissen Grade messbar. 3 DIE ZEIT S. desto sicherer folgen die Streichung und der Export von Arbeitsplätzen.Nr. unabhängig von der jeweiligen Leistung und der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung. in der restlichen Zeit versteckt sich der oder das Virus (nicht einmal das Geschlecht des Wortes Virus konnte von der Forschung verbindlich geklärt werden!). So viel ist sicher: Falls eine positive Stimmung wirklich eine Bedingung für einen Wirtschaftsaufschwung ist. hat sich ins Gegenteil verkehrt. 3. nur weniges davon hat mit Herpes zu tun. eine Flutkatastrophe. aber aufs Jahr 2007 verschobenen Mehrwertsteuer dazu verführen möchte. über die Welt. Jeden Morgen um halb sechs versorgen rätselhaft muntere. Eine zweite ergiebige Quelle scheint der Terminologie der Sextherapeuten zu entspringen. Heavy Herpes). Zwar ist nach den letzten Umfragen eine »Aufhellung der Stimmung« zu beobachten. mit anderen Worten. den Stammsitz der AEG zu erhalten. S. vulgo 15 000 ZEIT-Leser. In Amerika haben sie jetzt entdeckt. bis Ende 2004 hatten die privaten Haushalte. »Analysten« reden von »gebremster« oder »zunehmender Kauflust«. kriegt erst einmal zehn Punkte Vorschuss. von seinen Gewohnheiten und geschichtlichen Erfahrungen. Ein Alphaherpes. Kein anderes Industrieland hat denn auch einen vergleichbaren Anteil von Angehörigen dieses Berufsstands aufzuweisen. werden mindestens einmal im Monat befallen (sog. Die Ökonomen der Welt sind sich nämlich darin einig. dass Deutschland nach den Jahren des Hungers in der Nachkriegszeit einen kaum unterbrochenen Aufstieg erlebt hat. Es gibt acht Arten von Menschenherpes. Psychologen haben dieses Ansichhalten als »Angstsparen« gedeutet. hängt von der Mentalität eines Volkes. Zwar reagiert das launische Kind namens »Stimmung« durchaus auf objektive Fakten wie etwa die aktuelle Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Das Vokabular der Wirtschaftssprache ist weitgehend dem Repertoire des Wetterberichts entliehen. Journal of Clinical Investigation. Schweineherpes kann der Hund (oder die Katze) nicht ab (echt wahr). wie im Grunde überall. die Regierung hätte mindestens eine 30-prozentige Mehrwertsteuer androhen müssen. dass sich mit der sozialen Marktwirtschaft etwas Grundlegendes verändert hat. Der behende Satz zum Trost. dann hat Deutschland nicht die besten Karten. habe ich mich über das Fachkauderwelsch dieses Ressorts lustig gemacht. 3 12. Immer noch scheint der Erfahrungssatz zu gelten. Besonders die Schweine sind anfällig. Bd. und zwar Alpha. der sich. das ungeheure Bruttovermögen von 10 000 Milliarden Euro angesammelt. Tatsächlich liegen wir derzeit mit einer Sparquote von 10. DaimlerChrysler will 16 000 Arbeitsplätze streichen. Ein Hausmittel. hier brauchen wir gar nichts zu vermuten. doch fürchte ich. heißt Herpes genitalis. Der Erfahrungssatz. in Nürnberg kämpfen 1750 Beschäftigte darum. Hinzu kommt. dass Tiere Herpes bekommen können. lange außer Kraft gesetzt. Wohl kein Berufsstand hat die Lebenseinstellung hierzulande so geprägt wie der Stand der Beamten und öffentlichen Angestellten mit seinem Grundversprechen »unkündbare Lebensstellung«. von einer »Aufhellung« oder »Eintrübung der Stimmung«. von seinem Selbstvertrauen ab. gerade bei der Jugend. dass dem Aufschwung irgendwann ein Abschwung folgt. sie gehen nur woanders hin. Falls in Deutschland überhaupt noch neue Arbeitsplätze entstehen. zum Sparen. sich dem Konsumrausch zu ergeben – wenigstens für ein Jahr! Ein Spaßvogel hat gesagt. die Deutsche Bank will 6400 Beschäftigte loswerden. In Deutschland fängt BLOSS KEINEN KÜNSTLER Die Schriftstellerin Elfriede Jelinek und die Männer ihres Lebens SEITE 60 Foto: [M] Otto Breicha/imago man mit minus zehn Punkten an und kann sich bestenfalls gegen null hocharbeiten. sei auch gut für die Arbeitsplätze. hört man jedenfalls nichts davon. Allen hastigen Reformen nach der Pisa-Erschütterung zum Trotz wurde diese Bastion des deutschen Immobilismus und Missmuts nicht wirklich angetastet. vom »Konsumklima«. Mein eigentliches Motiv zum Verfassen dieses Textes bestand ohnehin darin. in dieser Zeitung ein eigenes HerpesRessort zu eröffnen. sich weiter zu verschulden. Aber die gestrichenen Arbeitsplätze verschwinden ja keineswegs. allein. dass die Deutschen demnächst nur noch 60 oder 50 Millionen zählen werden.9 % 2. dass sie ihren erst unlängst um vier Jahre verlängerten Vertrag mit Chloé gekündigt hat. Bemerkenswert ist dabei vor allem die Begründung: Die Designerin will mehr Zeit mit ihrer Tochter Maya. sagt er und isst ein Stück Crèpe Madeleine. CHRISTOPH AMEND Das erste Ziehen im Hals. Demi Moore. Nach dem jüngsten Gammelfleischskandal versuchten Ernährungsexperten deutschen Kun- den vorsichtig klarzumachen. Halbwegs »normale« Völker wollen keineswegs als »ganz normal«. Allerdings ist das kein spezifisch deutsches Schicksal. die sich von ihrem drogensüchtigen Rockstar-Freund trennte. sondern über die Utopie des Vergangenen. Dänemark. Ich interessiere mich ja auch nicht für meine eigene Meinung. Herr Meese. das die Deutschen längst auf ihre eigene Reproduktion anwenden. sie sieht man eher hinter der Kasse beziehungsweise beim Auspacken und Einsortieren. Aber die Italiener ziehen aus ihrem notorischen Misstrauen in die Zukunft einen radikal anderen Schluss: Carpe diem. eine kleine Revolution aus: Plötzlich werden in Mailand. dass die Inder und Chinesen. Ich messe ruhig 25 Tropfen ab. und es basiert tatsächlich auf einer afrikanischen Wurzel. etwas.6 Prozent) und Männer (26. Die Peitsche der Erinnerung heißt das titelgebende Bild. ja sogar an einem versteckten Selbsthass leiden. Langsam vergilbt das Bild des älteren Mannes mit der jüngeren Frau an seiner Seite. Unsere Autoren verraten Medikamente und Rezepte. MATTHIAS KALLE Wir Angstsparer Fortsetzung von Seite 57 Stärken besinnen und besser und innovativer arbeiten als die Billigkonkurrenz. 58 SCHWARZ cyan magenta yellow . das noch pessimistischer ist als die Deutschen. fast vollständig aus dem Stadtbild verdrängt. zu einer großen Meese-Schau ab Ende April.« Immer noch? »Immer mehr. Oder er warf das Kassettendeck an. Die Tropfen bekommt man in jeder Apotheke ohne Rezept. den Intendanten der Berliner Volksbühne. STEPHAN LEBERT Zugegeben. soweit sie sich nicht durch Spezialisierung retten konnten. Meeses Tun sei »Lächerlichkeit im aufgeklärten Sinne«. Er soll sich erst mal einarbeiten.50 Euro im Supermarkt nicht ein Grund zum Zugreifen. die Frauen sogar mit Rüschen. vorsichtiges Selbstvertrauen. Nr. den Musiker Jamie Burke. »Ich habe mich immer einsam gefühlt. in der Damenmode fast ausschließlich von Männern entworfen wird.9 % 8. überzeugen nicht. Ich habe nicht den Eindruck. tritt in das Hamburger Innenstadtcafé. Mit einem geschrumpften Geldbeutel ist es jedenfalls nicht zu erklären. Meese. Hatte gar die Arbeitnehmerorganisation ver. Eine Hand voll Freunde brauche man deshalb. Er habe sich schon immer für Geschichte und Archäologie interessiert.di mit ihrem so genannten Schwarzbuch Erfolg? Ver. ist einer Erkältung nicht gewachsen. die bis zu einem Viertel ihres Einkommens auf die Seite legen und im Trauerfall das Angebot einer Beerdigung zum Schnäppchenpreis (einschließlich Einäscherung in der Ukraine) wahrnehmen. Nicht über den Fund. Wenn man sein Leben bis zum Ende gemeinsam verbringen will. und wie Recht sie hat! Es dauerte einen Tag. Verblüffend ist. Die Bemühungen deutscher Regierungen.8 % -3. Der einfache Satz eines Jugendlichen. der Maler-Freund. TONIO POSTEL Das Mrs-RobinsonSyndrom Die Schauspielerin Mira Sorvino und ihr Mann Chris Backus erwarten ihr zweites Kind. niemand so wichtig wie sie. aber auch Frank Castorf.« Das klingt hermetisch. dann macht nur diese Konstellation Sinn. 31. ganz in der Nähe der Lidl-Zentrale in Neckarsulm. die exakt dieselben wirtschaftlichen Gründe zur Verstimmung hatten. der vorher zehn Jahre lang Sprecher des Schraubenherstellers Würth war. Philos erfolgreicher Stil löste in einer Branche. »offensiv faschistisch« zu sein. Auf dass die verschwiegenen Zeiten. Madonna schon lange haben: einen jüngeren Partner. niemand ist so wahnsinnig. Ich trage hier Daten. Er lebt noch immer bei seiner Mutter VON JAN STERNBERG M Fotos: [M] Nora Erdmann. »Umckaloabo« klingt nach einer magischen Geheimmixtur eines afrikanischen Medizinmanns. 3 DIE ZEIT S. als Single zu leben. Beobachtungen und Vermutungen über einen Gemütszustand zusammen. unsere Märkte nicht bald auch mit smarten Produkten der Pharma-. und man spürt. am besten auf Rezept. Am Ende liegt diesem Phänomen eine ganz schlichte Erklärung zu Grunde: Schließlich werden Frauen im Durchschnitt älter als Männer. Vogelgrippe? Da kann Metavirulent nur lachen. Alle späteren Annäherungen. die endeten tödlich. denen müsse man vertrauen.« Denn Maler zu sein sei das Einsamste. Die Dame hielt es für eine eher attraktive Vorstellung. diesen Fund künstlerisch Jonathan Meese ist der neue Liebling der Kunstszene. hat einen neuen Freund. Schweden. drückt mehr Optimismus aus als alle Rufe nach »mehr Nationalstolz« und einer deutschen »Leitkultur«. endgültig vorbei seien. es helfe nicht mehr als ein Placebo. was es gibt. das einen Totenkopf und eine Lederpeitsche zeigt. in die Praxis oder auf den Bau. Am nächsten Tag kommt die Antwort von Frau Bott: »Die Geschäftsführung hat beschlossen. aus Ahrensburg: Dort lebt er mit seiner Mutter. und Kate Moss. der nicht sprechen darf Eigentlich sollte im neuen Jahr alles besser werden. verbringen. hörte 60 Mal hintereinander Strawberry Fields. weil schon der Versuch einer Nation. die ich kenne«. dann war die Nase wieder frei.« Ein Interview zu einem späteren Zeitpunkt sei jedoch »kein Problem«. In der Antike wurde der schon damals bemerkte Gemütszustand der Melancholie durch einen »Überschuss an schwarzer Galle« definiert. bitte. was ich tun kann«. Jan-Martin Wiarda ist einer von ihnen. dies gehört nicht dazu: Metavirulent ist das allerbeste Mittel gegen jede Art von Erkältung. sagt Meese. dass Lidl seine Angestellten ausbeute und systematisch Betriebsräte verhindere. ihr Freund 20. Gemerkt haben das die Pendler nur beim Blick auf den Kontoauszug. Schleifchen und Spitzen cool aussehen lässt. Denn nichts ist der Erkältung größerer Feind als eine Tasse kochend heiße Milch mit zwei Teelöffeln Honig.3 Prozent) sind von dem sehnlichen Wunsch beseelt. Ihn belastet das jetzt schon. wirft man ein. Vielleicht bedeuten die beiden Meldungen der vergangenen Woche also tatsächlich eine romantische Revolution. wohl aber Grund für ein neues. Wird der Pressesprecher nun zur Imageverbesserung eingesetzt? Interview-Anfrage also an besagten Thomas Oberle. dass sich gerade die wohlhabenden Mittelständler und die Reichen vor den Kassen der Discounter drängeln. nachdem sie traditionelle Industrien wie die einheimische Textilfertigung zum Erliegen gebracht haben. Dürer trägt eine Trainingsjacke. 35. schließlich sind es Freunde. Nun hat die Bahn den Abo-Preis der Bahncard 100 am 1. Wenn ich es nehme. DIE DAS LEBEN SCHRIEB Bahn wird teurer – und verschweigt’s Mit der Bahncard 100 steigen jeden Morgen Pendler in einen ICE und fahren zur Arbeit. ohne – allen pflichtschuldigen Unterscheidungen zwischen Schuld und Verantwortung zum Trotz – dennoch so etwas wie ein Schuldgefühl zu erzeugen. es geschafft haben. zu einem Zehntel der Personalkosten? Wer will. Seit Kriegsende ist das einzigartige deutsche Verbrechen – nach einer fast zwanzigjährigen Periode der Verdrängung – den Deutschen ständig näher auf den Leib gerückt. Ein dummes Versehen. das eigentlich sein Malerfreund Daniel Richter für das Gespräch ausgesucht hat. Und Frauen. über die man streiten kann. CHRISTIANE GREFE Ich glaube immer noch an Echinacea. Dennoch bleibt die Frage nach der Henne und dem Ei: Ist der Mangel an Selbstliebe eine Folge der Hitlerei oder die Hitlerei eine Folge dieses Mangels? In den letzten Jahren hat die deutsche Melancholie eher zugenommen. Seine erste Reaktion: »Dazu fällt mir nichts ein. Ich habe auch gar keine. Richter erhielt den Auftrag. Richter wollte eigentlich mitkommen. er ist reizbar geworden. die bei Lidl für »Kommunikation und Umwelt« zuständig ist. Dass die Deutschen an einem hoch irritierbaren Selbstgefühl. niemand peitscht ihn so voran. Januar 2006 Wochenschau ABSCHIED VON CHLOÉ Kind statt Karriere DIE ECHINACEAKRISE Was bei einer Grippe wirklich hilft Echinacea. Auch. London und Paris von den großen Häusern Frauen als Kreativdirektoren berufen. die sich selber noch Mädchen nennen. Das brachte ihm Szeneruhm und den Vorwurf ein.« Also nur Marketing und Künstlerpose? Fragt man Meese nach Intentionen seiner Kunst. und sie schmecken grauenvoll. Januar um zehn Euro erhöht. klingt wie Singen im Walde. dann sagt er Sätze wie: »Kunst ist ihre eigene Meinung. Hilft’s beim ersten Mal nicht. in denen das Unternehmen Presseanfragen ignorierte und Vorwürfe bezüglich belasteten Gemüses per ganzseitiger Zeitungsannonce dementierte. die längst noch keine richtigen Männer sind. Nachholen will sie die Briefaktion aber auch nicht. Januar an im Kunsthaus Stade ausgestellt werden. Regisseur. denn es habe nur wenige Beschwerden gegeben. schwitzen und abwarten. In einer Talkshow fand sich prompt eine beherzte Verteidigerin des Niedergangs der Geburtenrate. dass sie – nicht erst seit Auschwitz – allen Grund zu dieser Störung haben. Ich habe das dann zu Hause um mich herum gruppiert.9 % 8. rufen die Menschen: Nimm es nicht. Die Kunst. sondern zum raschen Weitergehen ist. doch er liegt krank zu Hause. klagt er. Der Hamburger Sammler Harald Falckenberg spricht vom »Welttheater Meese«. sagt sie. das Bewusstsein dieser Beschädigung ist heute wahrscheinlich viel deutlicher als vor 30 oder 40 Jahren. 130 Mal Dancing Queen. Steve Wood/action press zu kommentieren. wie viel Selbstinszenierung in dieser Künstlerprosa liegt.2 % 9. die Kinder und Kindeskinder über das deutsche Verbrechen zu unterrichten. kein Kind zu haben.« Verwirrt ist man für einen Moment. Es sind die besseren Verdiener.di hatte im vergangenen Jahr kritisiert. die ihnen helfen. Das soll als Erkennungszeichen ausreichen. Geschichte werde bei ihm »zu einem eklig-lustigen Haufen Kindermatsch«. deutsch zu sein. Für die Armen wurden die Discountketten nicht erfunden. ÄLTERE FRAUEN LIEBEN JÜNGERE MÄNNER Ein Sprecher. Selbst meine ansonsten beim Thema Erkältungsmittel eher skeptische Apothekerin (»Brauchen Sie das wirklich.« 14 bunte.5 % 10. England. erzählt dann Meese. 50. Wer garantiert denn.7 % 1. sich Distanz zu schaffen. In Stade an der Unterelbe wurde das Grab des Erzbischofs Gottfried aus dem 14. »Eine Absage an Kinder«. Ist das ein Trend? Ein Paradigmenwechsel? Ein Teilsieg der Emanzipation? Vielleicht von allem etwas. Schnell kommt man so auf die Vergangenheit des Künstlers zu sprechen. Aber seit wann. Suse Walczak für DIE ZEIT. an den jeweiligen Jahrestagen geht eine nie gekannte Fülle von Bildern und Dokumentationen auf die Zuschauer nieder. Phoebe Philo ist Avantgardistin. Der Teenager Jonathan Meese war schüchtern und ängstlich. »Mal sehen. Irgendetwas nagt und frisst an der deutschen Seele. wie die Viren verbrennen. mit diesem selbst »als Autor.« Mit den Büchern ums Bett schuf er sich eine Welt. Diese wird ein Gastspiel in den Hamburger Deichtorhallen geben. die Kopfschmerzen waren weg.3 % 7. Wir hören voneinander. dafür meldet sich Gertrud Bott. der man gerne erliegt. mit der Nachricht. Stattdessen gehen wir arbeiten. »Inzwischen habe ich mir einen Panzer angefressen«. eigentlich das Gegenteil beweist. ihr Mann 24. Er nennt Daniel Richter. Nichts liegt ferner als das. die sich »ins Blut ergossen« habe. Januar einen Pressesprecher ein. klagt Jonathan Meese. Tonnen. Vielleicht haben die Kunden aber auch einfach nicht aufgepasst. Die großen Billiganbieter haben die kleinen und mittelgroßen Läden. einzigartig. immer wieder hat sie es aufgegeben. wirkt wuchtig. Die Frage bleibt. Tatsächlich muss man auch von einer kulturellen Armut sprechen. Lange schon kennen sich die beiden. das populäre Naturheilmittel. ein Jahr alt. Nun überrascht Philo. Möglicherweise verhilft sich so die Angst vor dem Älterwerden zu ihrem Recht. seinen Kunden einen Brief zu schreiben – und darin das Sonderkündigungsrecht zu erwähnen. Jahrhundert gefunden. kommt sie auch nach Berlin und bringt ihrem Johnny das Atelier in Ordnung. dem mit dem Instrumentarium der Analysten und Umfrageinstitute nicht beizukommen ist.Nr. »ist eine Absage an das Leben. verstörte mit Richard-Wagner-Performances und integrierte in seine Bilder rechtsextreme Symbole. Beide Frauen haben jetzt das. sondern glasklar die Familie. Die interessiert sich nicht für meine. In keinem anderen Land der Welt ist die Perspektive. MORITZ MÜLLER-WIRTH Müssten wir nicht ins Büro. Es gibt ein paar Dinge im Leben. »Die Erkältung geht wirklich weg«. Man müsste Mutter Meese kennen lernen. die Wirkung könnte am Namen liegen. Jetzt ist es zum ersten gemeinsamen Projekt der Künstler gekommen. Keine Kreativpause.0 % noch nicht erfunden. Sagt Meese. helfen Placebos nicht mehr?« MATTHIAS STOLZ Hotel Mama eine Mutter sagt. Plus. scheint Sparfüchse international Sparquoten 2004 (Anteil der Ersparnis am Einkommen) FRANKREICH ITALIEN DEUTSCHLAND NORWEGEN IRLAND SCHWEIZ ÖSTERREICH NIEDERLANDE JAPAN FINNLAND USA AUSTRALIEN Quelle: OECD Economic Outlook 78 Database 11. Immer mehr Frauen (14. sondern als unverwechselbar. beim nächsten Mal Schwarzwälder Tannenhonig besorgen. würden wir bei einer stinknormalen Erkältung das einzig Richtige tun: mit heißer Zitrone und viel Tee ins Bett kriechen. der Konzern hat es versäumt. 76 ist sie jetzt »und vom Kopf viel jünger als die meisten Menschen. kommentierte Bundesinnenminister Otto Schily die Zahlen aus Wiesbaden. »Drei Stunden am Tag leben wir im Zug«. Thomas Oberle reagiert nicht selbst. sagt Richter. Sie ist die Intendantin im Welttheater Jonathan: Mit niemandem diskutiert er so viel. stellte voll gerümpelte Retro-Jugendzimmer aus. berichtet das Magazin Öko-Test in seiner aktuellen Ausgabe. den man wohl als »die deutsche Melancholie« bezeichnen muss. beteuert die Bahn. sagt Jonathan Meese am Telefon. und alle müssen sich gut und wichtig fühlen. die Deutschen als »ganz normales Volk« in der Völkergemeinschaft zu etablieren. mag darin das Wirken einer anarchischen Gerechtigkeit erkennen: Der Ausplünderung der ehemaligen Kolonien folgt jetzt die »Plünderung« der Arbeitsplätze in den reichen Ländern durch die armen. 58 SCHWARZ cyan magenta yellow 58 DIE ZEIT Leben Nr. Dezember 2005 über sein Pendlerdasein. Erstmals in der 33-jährigen Firmengeschichte stellt Lidl zum 9. und Meese erwidert knapp: »Einem Hermetiker kann man keine Ratschläge geben. warum kleinere Nachbarstaaten wie Holland. Computerund Nanotechnologie überschwemmen. er finde es »okay«. ist oft vermerkt worden. genieße den Tag! Man feiert den Augenblick und lebt rücksichtslos in der Gegenwart. respektlose Bilder haben sie dann zusammen gemalt. Das Wissen über dieses Verbrechen hat sich ge- waltig vermehrt. sind nie an die Kraft und Poesie dieser Beschreibung herangekommen.3 % 6. schrieb er am 29. Herr Amend?«) ist ganz begeistert von der Wirkung. Sorvino ist 38 Jahre alt. das letzte Supermodel. Und das hört sich kaum noch nach Maskerade an. Ein paar Tropfen unter die Zunge. Mit ihrer Entscheidung ist Philo zwischen die Fronten des globalen Mütter-Krieges geraten: Von der Hausfrauenfraktion wird sie als neue Heldin vereinnahmt. Als Chefdesignerin von Chloé hat die Britin in den vergangenen Jahren den Umsatz der Pariser Traditionsmarke vervierfacht und eine lässige Mode entwickelt. dass Herr Oberle noch kein Interview geben wird. verlieben sich in Jungs. als ein abgepacktes Rinderfilet bei Plus zu kaufen. von Kierkegaard bis Freud. kein neues Projekt wird als Argument ins Feld geführt. dass ein Hühnchen für 1.3 12. verkriecht sich in seiner adidas-Kluft. außergewöhnlich. »in der ich willkommen bin«. 3 DIE ZEIT S.« Andere Kommentatoren sprechen von einem versteckten Todeswunsch. Garantiert. Aber wenn es zu schlimm wird.8 % 11. von den Feministinnen als Verräterin gegeißelt. Die Milderung von Erkältungssymptomen durch das Mittel sei nicht nachweisbar. die Hektik im Café um ihn herum scheint ihn zu verunsichern. Aber eine Möglichkeit.« Die zweite: »Mit Meese könnte es klappen. sind Sie düster und böse? Meese schaut belustigt: »Das ist ein Klischee. als »normal« zu erscheinen. ich sehe aus wie Dürer«. dass die Deutschen so beängstigend am Essen sparen. Ich antworte: »Dort steht nur. Er kommt auf die gemeinsame Ausstellung mit Daniel Richter zu sprechen. Neuerdings rufen die Menschen: Es bringt dich erstens um und hilft zweitens nicht – laut Öko-Test und Stiftung Warentest. Im Zweifelsfall sind Melancholiker und Zweifler sympathischer als Choleriker und Megalomanen. Früher muss er der beste Kunde der öffentlichen Büchereien in Ahrensburg und Hamburg gewesen sein. dass sich Läden wie Lidl. Das Selbstwertgefühl der Deutschen ist und bleibt bis auf weiteres beschädigt. Übrigens gibt es ein Volk in Europa. Von Freuds Definition der Melancholie ist hier allenfalls eine Parenthese brauchbar: Unter anderen Symptomen nennt er »die Herabsetzung des Selbstgefühls. großartig erscheinen – man muss nur an den französischen Mythos von der grande nation oder an die amerikanische Selbstüberhöhung als the greatest nation in the history of mankind erinnern. Immerhin ein Beitrag zum Ankurbeln des Binnenkonsums. schon wird der Milchvorrat im Hause überprüft. hat sie gesagt. die sich in Selbstvorwürfen und Selbstbeschimpfungen äußert«. Doch eigentlich beschreibt ihr kompromissloser Schritt den schönsten Sieg der Frauenbewegung – ging es dort nicht um die Möglichkeit zu wählen und um freie Entscheidungen? ILKA PIEPGRAS NEUANSTELLUNG BEI LIDL GESCHICHTEN. Schauspieler und eigentlich auch einzigem Besucher«.5 % 10. Moss ist 31 Jahre alt. was Cameron Diaz. Die Erfinder der »Geiz ist geil«-Kampagne scheinen ein Prinzip formuliert zu haben. So viel Organisation. Immer wieder hat sie sein Zimmer aufgeräumt. Offenbar hätten die Kunden die »moderate Preisanpassung« aufgrund des »erweiterten Leistungsspektrums« akzeptiert. Aldi et cetera in Frankreich oder Italien derart flächendeckend durchgesetzt haben. Er ist mit der UBahn aus dem Vorort gekommen. »Ich streite mich fast jeden Tag mit meiner Mutter«. wie viel Maskerade. es gab Fälle allergischer Reaktionen. Vor sieben Jahren schmiss Meese sein Kunststudium. Und ein Italiener würde sich eher vierteilen lassen. die vom 18. damit auch alle anderen Kollegen möglichst viele Pillen kaufen müssen. ihre Lage und Laune zu verbessern. Die Anerkennung dieser Beschädigung ist kein Anlass zum Stolz. so populär wie in Deutschland. Noch nie ist ein Melancholiker durch den Verweis auf seine objektiv immer noch beneidenswerte Lage oder die Aufforderung »Kopf hoch« in eine fröhlichere Stimmung versetzt worden. »Ich habe immer viel zu viel bestellt. Doch beim Lebensmittel-Discounter Lidl hielten die guten Vorsätze nicht einmal wenige Tage. Als Hartmut Ochs. Grams saß am Computer im Zimmer zur Straße. der mehrere Hotels betreibt und in der Schlagerszene als »Singender Wirt« bekannt ist. von wo die Fernsehleute übertrugen. der schwere Schnee. dass es einfach nur beruhigen soll. schob Nachtschichten in einer Spedition. »Wenn ich früher in eine Halle kam. Am Dienstagabend ging sie auf den Rathausplatz zur Lichterkette. und die Journalisten klingeln vorn. ihre Augen folgten dem Newsticker so lange. berühmt für seine Salzbäder. Sie hat überlegt. Dann dreht sich in der Wohnungstür der Schlüssel. Sie sagt. In ihrer Freizeit malte sie Aquarelle. Heute muss ich ewig telefonieren. trank einen Kaffee und betrachtete das Ungetüm. Sally hat Besuch bekommen. Und wenn irgendwo eine undichte Stelle ist. weil man sie brauchte. was geschehen war. als seine Frau hereinstürmte und zitternd fragte. Sie sagt. zehn Jahre alt. eingehüllt in eine dicke Decke. Er murmelt etwas von seinem Sportabzeichen und dass er die Halle kenne wie seine Westentasche. schienen in der letzten Nacht verwirrt. wie jedes Jahr. dass das Reden sie erleichtert. sagt er. dass am Vormittag des 2. weil die Kassen klamm sind. Da waren Kinder drin. ließ er das Dach richten. Zehn Stunden hat er seit Montag geschlafen. Sie bittet um Verständnis. Die Menschen brachten Kerzen mit und Rosen. 1976 erbaut. Sie wären Eislaufen gegangen. Die Mutter war hier zufällig in einem Kurbetrieb gestrandet. gehen Sie. Fotos: Oliver Jung für DIE ZEIT Nr. nach Schuldigen zu suchen. Montag. Berger war früher Koch in der Kurklinik. dass man ihre Namen ändert. Berger und die Eishalle. solange niemand etwas Genaues wisse. Seit Tagen. Januar stürzte in Bad Reichenhall eine Eissporthalle ein. Als die Nachrichten kommen. trägt graue Leggins und spricht. Auf n-tv sah sie. die Stadt habe gezögert. im Einsatz für die Freiwillige Feuerwehr. Januar 2006 Leben DIE ZEIT 59 H einer Grams hat schlechte Laune. steht verloren eine Kamera. Sally wohnt im dritten Stock. Sie hat den Helfern ihre Hilfe angeboten und erfahren. gab es nur noch zwei weitere solche Berichte. schläft sie in der nächsten Nacht mal wieder durch. Eine Inspektion einer Halle kostet leicht 10 000 Euro. in der sich kaum jemand um die Pflege kümmern mag. er schlurft ins Wohnzimmer voraus. Die Rupertus-Thermen waren ein Prestigeobjekt der Stadt. dass die Leichenhunde endlich fort sind. Seit den Zeiten des Bauministers Schneider. Aber nun merkt sie. Es waren glorreiche Zeiten. Er greift zum Reichenhaller Tagblatt und schlägt die Seite mit den Todesanzeigen auf. als die Bundesrepublik ihre Hallen bekam. und deshalb werde wohl bald gemunkelt. fährt der Sprecher fort. aber unter ihren Augen hängen schwere Ringe. Es ist so traurig. der mit den Wasserschäden. um zu kondolieren. die den Schnee herunterschaufelten. wie ihr Kollege. Dienstag waren ihre freien Nahe am Tod Bad Reichenhall in den Tagen danach: Wie die Bewohner des Hauses neben der eingestürzten Eissporthalle versuchen. Seit Tagen geht das so. werde es wohl dauern. Gut möglich. dringt das Wasser ins Gebäude ein. Als er jedoch wenige Tage später davon hörte. denn vor der Rente sei er Sportlehrer gewesen. drei Zimmer mit Balkon. ist meine Frau im Augenblick beim Edeka. hat sie sich etwas beruhigt. die derzeit die Unglücksstelle untersuchen. Warum gibt es sonst die Feuerwehr? Helmut Berger wohnt am nächsten an der Unglücksstelle. Überall. hat er die erste Mannschaft des Eishockeyclubs betreut. sagt Grams. ob es die Statik gewesen sei. sie spendierten ihnen Schwimmbäder. hab ich die ganze erste Nacht gesessen. Denn wäre er daheim geblieben. regungslos und ohne Worte. Da sei was los gewesen. um überhaupt einen Ansprechpartner zu finden. dass er sein Hörgerät vergessen hat. ist von ihr. 3 DIE ZEIT 2. zwei Jahre früher als geplant. Grams nimmt seine Brille ab. Jedoch verzeiht dieses Dach keine Fehler«. Es lenkte sie ein wenig ab. Wir müssen akzeptieren. 59 SCHWARZ cyan magenta yellow Nr. sagt ihr Bruder. Sally kam aus Istanbul vor 40 Jahren nach Bad Reichenhall. Niemand schreibt allerdings vor. dass es so gefährlich gewesen sei. Shuttle-Busse bringen Wintersportler in die nahen Skigebiete. An jenem Montagmorgen vor drei Tagen. Im Gehen sagt er. sagt Rainer Oswald. sagt er. Wie andere beklagten. Nur sehr hochwertige halten deutlich länger«. Heute. darüber also. die alle Sally nennen. sagt er. sagt sie. Er vermutete damals noch eine Diskussion um die Schneelasten. ob das tatsächlich sinnvoll ist. Dabei hat die Ver- waltung seiner Meinung nach nichts verkehrt gemacht. Polizisten überwachen an der Absperrung. Am Ground Zero trennen Helfer Blechtrümmer von Holztrümmern und türmen sie zu großen Haufen. Seit ein paar Wochen habe sie diesen Druck im Brustkorb. rannte nach hinten in das Wohnzimmer und sah. Tauwetter in Bad Reichenhall. heute hilft er in Österreich hin und wieder seinem Bruder aus. sagt Grams durch den engen Spalt der Wohnungstür. Bad Reichenhall. Fassung S. »Ein gutes Dach hält 20 bis 30 Jahre. zu der auch die Bad Reichenhaller Eishalle gehörte. im Süden auch Eishallen. schimpft sie. in den Achtzigern. als die Welt hier noch in Ordnung war. in das sie früher ihre Tochter schickte und das nun so seltsam surreal dalag im Licht der Scheinwerfer. dass die Gebäude aus einer optimistischen Epoche just zu einer Zeit schwächeln. Helga Grams ist eine zierliche. aber je länger ihr Blick auf der Ruine ruhte. die Gaffer stapfen hinten durch den Garten. die Friseu- Nachbar HELMUT BERGER KAMERAS vor dem Unglücksort Nachbarin SELCUK PIRKER SCHAULUSTIGE DIE RUINE der Eishalle rin. was sie will. Mountainbiker und Wanderer werden angelockt. würde nun spekuliert. Beim Rausgehen schaute sie hinauf zum Dach. das klang. intelligente Frau. spüre sie die Lasten eines anstrengenden Lebens. Als Rainer Oswald im Fernsehen von dem Einsturz hörte. Die Halle in Bad Reichenhall wurde 33 Jahre alt. bis ein Bericht vorliegt. auf der ein Horrorfilm mit Überlänge läuft. Fünf Stück. Die Hallen mit ihren flachen Dächern galten als Ausdruck der Moderne. gab es da immer einen Hausmeister. den Tourismus anzukurbeln. weil sie glaubte. das ihm verbiete. 58 Jahre alt. Viele vermuten. errichtet im Jahr 1972. Sally sah hin. dass weitere Hallen in Süddeutschland und Österreich eingestürzt waren. Er weiß. brachte Grams heraus. Sally sog die Neuigkeiten auf. aber die Halle nicht gleich schließt. grauen Haare lichten sich am Hinterkopf. Sally sagt. hofft Sally. Eine Statistik darüber gibt es nicht – nicht mehr. ob er das mitbekommen habe. Deshalb bittet sie darum. und dann darauf verzichtet. und dann sprudeln die Geschichten. Eine Theorie: Wasser hat das Holz der Konstruktion durchfeuchtet und schließlich so morsch werden lassen. bedeutet dies. Man müsse dieser Tage darauf achten. bis sie Kopfschmerzen bekam. habe ich da rausgezogen. Selcuk Pirker. Den letzten 1995. Seit die Krankenkassen nicht mehr alles zahlen. dass es unter der Last des Schnees zusammenbrach. sagt er. Mehrzweckhallen. sagt sie immer wieder. Anfang der Achtziger heuerte sie in den Thermen an. holt einen Stapel alter Saisonhefte. der Feuerwehrmann. und Sally. Danach war Schluss. in der vor allem Rentner und Familien mit Kindern leben. Helga Grams war bis zur Rente Röntgenassistentin in einem Krankenhaus. Andererseits. Mei. Unter den 15 Opfern ist auch die Tochter einer früheren Kollegin. da bin ich aber froh. sagt sie. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie als Badehilfe in den Rupertus-Thermen. was die Situation so schwer erträglich macht. sagt Sally. Die Städte hatten nach den arbeitsamen fünfziger Jahren Geld übrig und dachten an ihre Bewohner. dass sie zur Arbeit konnte. Das Problem ist: Eine Kontrolle durch Wissenschaftler können sich die meisten Hallenbetreiber nicht leisten. Wenn ein Haus- Es tropft Die Flachdachbauten der sechziger und siebziger Jahre sind zu einem Risiko geworden VON MATTHIAS STOLZ besitzer einen Wasserschaden entdeckte. Also bitte. Grams schüttelte den Kopf. wie wenn das Schneeräumfahrzeug über den Asphalt ratscht. sagt Rainer Oswald. das alles zu begreifen. Am Freitagmorgen ist es erstmals seit Beginn der Woche ruhig. Grams trägt Bluejeans. Eigentlich braucht Sally Ruhe. zwölf. ob ein Zusammenhang bestünde zwischen dem Unglück und ihrem Arbeitsplatz. Interviews zu geben. Und die Suche nach Bauplänen erweist sich als so schwierig wie eine altägyptische Ausgrabung«. Dann ging sie wieder an die frische Luft. ob schwere Schäden an Gebäuden in den vorigen Jahren zugenommen haben. ohne einen Punkt zu setzen. Januar die gelben Säcke eingesammelt werden sollen. passieren Fehler. Niemand sei erfroren. Aber vielleicht ist es gerade das. weil man sich vor allem um die Bausubstanz der DDR gesorgt hatte. Im Hintergrund dudelt das Radio. Es war so traurig. den man verloren hat. muss lächeln. dass die Daten aufeinander abgestimmt seien. der Holzschindeln vertreibt. immer wieder hätten sie gebellt. aufgeräumte Gegend in Bad Reichenhall. während vor dem Fenster Schaulustige vorbei in Richtung Zaun pilgern. Anders als bei schrägen Dächern läuft das Wasser nicht einfach ab. Dort lernte sie einen Österreicher kennen. alle Opfer seien wohl erschlagen worden. sie wollte zeigen. und in jener Nacht auf dem Balkon fragte sich Sally. Fassung S. drüben hinter den Buchen. gegen den Bürgermeister wetterte. Die letzte Tote wurde erst drei Tage später geborgen. Er sitzt auf seiner Eckbank. Noch im Mantel giftet sie ihrem Mann entgegen. Sally. dass man das Training abbricht. mehr als zuvor. dass so was geschieht. Grams weiß nicht mehr. sie habe befürchtet. tatsächlich zu diesem Ergebnis kommen. dieses Knirschen. Das kann nicht sein. dann wären seine Enkel zu Besuch gekommen. die einmal sein Lebensmittelpunkt gewesen sind. und Helmut Berger füllt die Leere mit Erinnerungen. sie habe Angst gehabt um ihren Bruder. die sie bedrückt. Oben standen Männer. sie sagt. ein dichtes Flachdach zu bauen. und im Treppenhaus hängt ein Zettel. Frau Grams war allein. ging sie hinein ins Warme und sah fern. Noch kann niemand in Deutschland wissen. Niemand weiß. Die Ohnmächtigen vergewisserten sich gegenseitig ihrer Ohnmacht. es sei die Sorge darum. es sei zu früh. wie viel Schnee ein Dach aushalten muss. Über die Silvestertage hat Berger am Wörthersee für ihn gekocht. es könne doch nicht sein. das tödliche Drama nebenan zu verstehen VON MARIAN BLASBERG Tage. Der Sprecher sagt. Und auch eine einfache Wartung bleibt oft aus. wie es weitergehen solle. Fast mechanisch wischte sie die Becken. habe wissen können. 1968 gebaut. Grams wohnt im Erdgeschoss. Es war nicht ihre. sagt Rainer Oswald vom Aachener Institut für Bauschadensforschung. wie lange sie dort standen. Es gibt kein rechtes Maß zwischen Nähe und Distanz. die ihre Statik berechneten. Sie waren technisch möglich geworden vor allem durch Computer. Helena. jetzt wird es Diskussionen geben. auf welche Weise Wasser die Holzkonstruktion des Reichenhaller Daches angegriffen haben kann. Und geschlossen habe man sie nicht. dass man sie nicht braucht. 15 Menschen verloren ihr Leben. Dann sprang er auf. stehen viele Betten leer. wohin mit ihren Emotionen. Aus seinem Wohnzimmer schaut der Rentner im Jogginganzug mitten in jene Trümmer. war keine Ruhe mehr. desto weniger begriff auch sie. auf dem angekündigt steht. Jannis. Es sah aus. ein besonnener Mann. die Kranfahrzeuge liegen wie erschöpfte Dinosaurier im Schnee. im März sind Wahlen in Bad Reichenhall. Die Bürgersteige sind gestreut. und abgesehen davon habe er ein Abkommen mit seiner Frau. dass er ihr Abkommen gebrochen habe. sie wurden Meister in der Regionalliga.3 12. um zu begreifen. Es erwies sich als fatal. »Es ist durchaus möglich. sagte er zu seiner Frau: Oh je. Und was die Bauherren freute: Sie waren günstig zu errichten. Als sie mit Kaffee aus der Küche kommt. 3 DIE ZEIT 2. stammelte seine Frau. Der Wind geht eisig durch die gottverlassene Ruine. ist erleichtert. ein Wissenschaftler des Instituts. Marina. dass Rohre explodieren könnten und alles in die Luft fliegt. Das dreistöckige Mietshaus aus den Sechzigern hat ein Satteldach. kaum einen Steinwurf weit entfernt. Dann fällt ihm ein. das müde Material. sitzt am Tisch und gähnt. Hier draußen. Die Arbeiten an der Halle sind ausgesetzt. Schwer. sie wusste nicht. und die Fassade ist grün verputzt. wie ein guter Freund. und das war wohl sein Glück. Der Bruder. und ich hatte solche Angst. Am Nachmittag des 2. Bis April. wenn es nicht mehr auszuhalten war. dass die Dichtigkeit dauernd überprüft werden muss. bei Karl Moiks Musikantenstadl. was man von sich gebe. dreht Sally lauter. Bald will sie in Rente gehen. eine Bekannte anzurufen. Die Hunde. Turnhallen. sie bekamen zwei Kinder. war durch das flache Dach das Gebäude doch insgesamt kleiner geworden. an ihrem Fenster. der den ersten Bauschadensbericht in Auftrag gegeben hatte. Damals. war sein erster Gedanke: Bitte nicht unsere Halle. Das Stuttgarter Otto-Graf-Institut ist schon seit längerem beauftragt. Auch am Montag. der irgendwo da unten gewesen sei. Vielleicht. die wirren. sagt sie. ANZEIGE E s war eine gute Zeit. zwei Jahre später für 700 000 Mark erneuert werden.Nr. erwies sich in den Siebzigern als nicht dicht. obwohl ja nur noch eine Leiche gefehlt hätte. der Saunameister Helmut Schaus. was an der Wand hängt. So lebt die Halle weiter. Es ist eine ruhige. aber Mittwoch war sie froh. als hätte ein Holzfäller kräftig zugelangt und seine Axt mitten in das Dach der Eishalle gewuchtet. Manchmal. Es gibt deshalb Versuche. zehn Jahre alt. und auch das Wohnhaus des früheren Bauministers Oscar Schneider. Wenn die Gutachter. ihr Bruder. hat er noch an einen einmaligen Fall geglaubt. der die Ursache des Unglücks klären soll. die Halle zu sanieren. dass er zweimal in der Woche drüben schwimmen gewesen sei. 59 SCHWARZ cyan magenta yellow . Kein Auge hab ich zugetan. Dreikönigstag. die weiß. So musste das Bonner Kanzleramt. dass sie Anteil nimmt. sie waren rank und schlank statt trutzig und massiv. Niemand. Sie ist davongekommen. das seit Montag eine transparente Leinwand ist. dass möglicherweise auch andernorts Hallen in Deutschland bedroht sind. dass sie stört. dass niemand auf das Gelände geht. Inzwischen diskutieren Deutschlands Ingenieure darüber. wie Ochs sagt. sie wurden aufwändig saniert und im April 2004 neu eröffnet. eine Halle ähnlicher Bauart und ähnlichen Alters in der Nähe von Bad Reichenhall zu überwachen. es würde so viel verdreht. woran es gelegen habe. Es half. hat mit den Jahren einiges von seinem Glanz verloren. das Unglück hat sie nur gestreift. von dem Unglück hörte. habe er das Hörgerät nicht drin gehabt. niemand habe lange leiden müssen. Auf den Eishügeln am Rand des Sportplatzes. Dabei waren die Schwierigkeiten des Flachdachs schnell bekannt: Sie waren häufig nicht dicht. Wo Menschen eingebunden sind. So wurden zwischen den Jahren 1965 und 1975 die Vielzahl jener Flachdachhallen in die deutsche Landschaft gebaut. sagt Grams nach einer Weile. Millionen von Menschen werden nach ihrem Berufsleben. die nicht nur auf die Konventionen. baute Info-Stände und schrieb Transparente. Kant für Anfänger an der Uni zu belegen. Kürzlich meinte unser aus dem Sparkassenwesen aufgestiegener Bundespräsident. Jelinek mochte seine lärmende Radikalität. sie stand auf eigenen Beinen. sie erlebte ihn kurzfristig sogar als Erleichterung. von Mutter Jelinek bekocht. »ich hab geheiratet. das er herausgab. der Besuch von einem Hamster bekommt. Zobl war wie Jelinek als Einzelkind in kleinbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen. »Ich gab ihr den naiven Rat. dann zerstritt sich Aramis mit Zobl und Jelinek. wo München wahrscheinlich am interessantesten war: im Umkreis von Rainer Werner Fassbinder und dessen »antiteater«. dann wäre er schon längst bankrott. es sich mit niemandem zu verscherzen. Nun hatte Jelinek wieder Luft zum Atmen. Teilt. sieht blendend aus. warnte man sie.« Im selben Jahr hatte sie ihre erste Lesung im Ausland. Nach einigen Jahren im Umfeld der Weltrevolution (jedenfalls einer wienerischen Vorstellung davon) und nach ihrer 1971 mit »Sehr gut« bestandenen Orgelprüfung wollte Elfriede Jelinek weg. Keiner bietet ihm etwas Adäquates. Das Büchlein erschien bei Frieling und Huffmann in Berlin. Gemeinsam mit Zobl gab Jelinek das Buch Materialien zur Musiksoziologie heraus. weil ihm die Ansichten der beiden zu radikal schienen. es war laut. dunkelhaarige Schriftsteller entsprach mit seiner fast behäbig wirkenden Unerschütterlichkeit ganz Jelineks Männergeschmack. das ist sehr angenehm. wie etwa Bachmann und Henze«. daher teil ich jetzt meine zeit zwischen wien und münchen.. Elfriede Jelinek ging auf Partys und war viel unterwegs. Immerhin tummelte er sich. in der jeder jeden kennt und man ständig damit beschäftigt ist. Die Wiener Studentenbewegung rüstete sich zum Protest. »in eine unbekannte und meist unvorbereitete Zukunft geschickt. Selbst in Wien ging man seinerzeit nicht ohne SuhrkampTaschenbuch auf die Straße. Sie sollte als Vorprogramm zur legendären Gruppe Amon Düül II auftreten. Juni 1974. sehr ängstlich und sehr suchend. war ihr Deutschland doch zu fremd geblieben. wie sich Robert Schindel erinnert. zu den Zwängen. in Wien stellte sie ihn ihrer Mutter vor. Wie wäre es. Die Alten weggepresst. die sich von ihrem Freund gern »Anna« nennen ließ. eine Jugendmesse. Gottfried Hüngsberg verkehrte Ende der sechziger. Die Trauer um den Vater sollte später mit großer Intensität wiederkehren. Die beiden führten »scharfe Diskussionen über die Probleme des Schreibens«. Warm wurde sie allerdings nicht mit den hemdsärmeligen Künstlern und den Protagonisten der Studentenbewegung. Das Foto stammt aus dem Jahr 1970. ist ja nicht weit. Kinder wollte Elfriede Jelinek nicht. Jürgens arbeite an der »verewigung des herrschenden elends«.« Elfriede Jelinek. der mir einen pullover stricken will und die wohnung saubermachen und kuchenbacken und mich seiner mutter vorstellen und abends mit mir fernsehen will (einen krimi) und so fort.« * Von Verena Mayer und Roland Koberg erscheint am 17. mit Spaß verbundene Arbeit. ihre große und schlanke Erscheinung wirkte anziehend wie ihre bis zur Provokation modische Kleidung. Elfriede Jelinek machte mit und tippte ein Flugblatt: »Zerschlagen wir den Twen-Shop«. Was nebenbei daran liegen mag. um aus ihrem Gedichtband Lisas Schatten zu lesen. Mit ihm testete sie zum ersten und letzten Mal eine Form von Zweisamkeit. Nach der Heirat nahmen er und Jelinek eine Wohnung in München. Mai 1969 im Psychiatrischen Krankenhaus Baumgartner Höhe den Folgen einer Lungenentzündung erlegen war. Dort waren schon alle. die schreibende Tochter mitten in einer Angstkrise. in dem einst Sigmund Freud gewohnt und ordiniert hatte. Das in 40 Berufsjahren angehäufelte Wissen veraltet rasch. beginnt es. über die vom Winternebel verhangenen Weinberge. als sie erste Texte aus Die Liebhaberinnen vortrug. dass Schlager und Faschismus einander bedingen. 3 DIE ZEIT S. ein Resultat von Intelligenz. über die sie schreibe. Spiller ärgerlich fest. Elfriede Jelinek freundete sich mit Leander Kaiser an. ihrem Roman über zwei Arbeiterinnen. Ihres sollte eine jahrzehntelange Fernbeziehung einschließen. tv. Dem Paarverhalten jener Zeit widmete sich Jelinek in ihrer Kurzgeschichte ein schönes erlebnis mit christoph. wo ihre besten Freunde lebten – auch wenn das die Rückkehr zur Mutter bedeutete. ohne dass sich die Gesellschaft überhaupt im Klaren darüber ist. Stipendiat der Villa Massimo. »dass es zu symbiotisch werden könnte. Kaiser. »Ihr persönlicher Erfolg dürfte der glücklichen Vereinigung von Geist und Schönheit zu danken sein«. suchte die Gesellschaft von Männern. für einige Filme machte er den Ton. Hansjürgen Spiller ist sein Name. dass seinen papiernen Reden jedes Feuer fehlt. durch »irrsinnig laute geräuschmontagen« die Unfreiheit des Handelns illustrieren. Irm Hermann und Ingrid Caven lebte Hüngsberg in einer WG. Jeden Samstagnachmittag holte er sie vom Orgelüben ab und nahm sie mit zu politischen Veranstaltungen. könnten Firmen Teilzeitpositionen schaffen. baute in ihrer Berliner Zeit Ängste ab. schob Elfriede Jelinek beiseite. Als Loschütz ein Stipendium der Akademie der Künste bekam.Nr. warum sie als Bürgerliche zu Unterwerfungsgesten gegenüber dem Proletariat gezwungen sein sollte. Man plante Demonstrationen. lieferte sie eine süße Geschichte über einen kleinen Jungen namens Franz. er hatte wie seine Freundin Musik studiert und interessierte sich für Neue Musik. kritisierte sie. sie kannte ihn von der Innsbrucker Jugendkulturwoche. aus Lautsprechern sollten Orgasmus-Geräusche dringen. Die stärkste Fraktion hatte sich um die Aktionisten Oswald Wiener und Günter Brus geschart. »udos zuhörer kommen jedenfalls nicht auf die idee selber was in die hand zu nehmen außer einen aktendeckel im büro. Man besucht einander regelmäßig. dazu war ihr die Stadt. wie er sich erinnert. 60 SCHWARZ cyan magenta yellow 60 DIE ZEIT Leben Nr. Sie zog zu ihm in die Friedrich-Franz-Straße nach Tempelhof. der alzheimerkranke Vater.« Dem vom Wiener Dichtermilieu eher abgestoßenen Lektor klagte Elfriede Jelinek selbstironisch ihr Leid: »Ich bin hier ja die einzige. der von einer selbstbewussten. den Schaum vom Mund zu nehmen«. mit der man jungen Talenten gerne den Erfolg madig macht: Sie würde »verheizt«. Und in den Stand der Ehe. tranken Grünen Veltliner und blieben am liebsten unter sich. Seit mehr als dreißig Jahren hält die konventionell-unkonventionelle Beziehung. besuchte Teach-ins. »Sie hat darunter gelitten und sah nicht ein. aber nie unangemeldet. mune hervorgegangenen und gerade mit ihrem Album Phallus Dei bekannt gewordenen Krautrockband. Auf der Basis einer Rohübersetzung übertrugen Loschütz und Jelinek kubanische Erzählungen und Gedichte aus Nicaragua. Ihre Aufgaben könnten dann mit zunehmendem Alter auch geringer honoriert werden. Zu Alice Schwarzer sagte Jelinek viele Jahre später. sie kultivierten unschuldige Sorgen. das Oswald Wiener gegründet hatte. ob sie als Intellektuelle wirklich glaube. einen münchner. von denen sie Stöße zu Hause hatte. Irgendwann rief sie »Scheiße!« ins Mikrofon und verschaffte sich so Gehör. Geplant war. gepflegt. drei Jahre jünger als sie. der sich mit Sex und Gewalt auseinander setzte. Ein Porträt« Reinbek. auf dem ein Pärchen beim Sex zu sehen war. Er war ein schmaler Junge. Oft liefen sie gemeinsam mit Rolf Dieter Brinkmann. Von Leander Kaiser trennte sie sich. Zobls bestem Freund. Wohin soll das alles führen? Die Jungen werden ausgepresst. Sie entschied sich für die Rückkehr nach Wien. schlank und steckt voller Tatendrang. eingeleitet. Für den Sender Freies Berlin rezensierte sie Krimis. Einmal draußen auf der freien Rentner-Wildbahn. Mit Fassbinder und Peer Raben. 3 DIE ZEIT S. im größten Zimmer wurden Flugblätter und eine Zeitschrift produziert. Er übernachtete. aber sie zogen nicht ganz zusammen. ging mit Elfriede Jelinek tanzen und wurde von ihr in die Wiener Szene eingeführt. wenig zu arbeiten. die den Konservativen nahe stand. Doch was machen die Personalchefs? Sie decken sich mit blutjungen Praktikanten ein. Die will unser Geld und sonst nichts. In diesem Oktober wird Elfriede Jelinek 60 Jahre alt Im Jahr darauf trat Elfriede Jelinek aus der Kirche aus. gaben sich Elfriede Jelinek und Gottfried Hüngsberg das JaWort. Hüngsberg blieb in Deutschland. war es doch schön.« Doch irgendwann war es gut damit. an dem nicht Politiker und Publizisten über das Problem einer alternden Gesellschaft lamentieren. in denen sie vor dem Fernseher hing. Erfahrung zählt nicht. er ginge mit gutem Beispiel voran und heuerte ein paar erfahrene. als Radikalfeministin. zur Kindheit. Er ging nicht weg. ihre alkoholfreien Getränke etc. ein »Terrorstück mit Publikum«. begleitete ihn Elfriede Jelinek nach Olevano in der Nähe von Rom. der tag ist aus. »ihr literarischer einer mit 25 Jahren ungewöhnlich starken Persönlichkeit. bald war sie öfter in der Berggasse als zu Hause bei ihrer Mutter. »Unter uns vielen Selbsternannten war sie die einzig Durchgesetzte«.« Am nächsten Morgen lässt sie ihn fallen. im Haus der Familie. R. wie es in Österreich hieß. obwohl kein Tag vergeht. Sportwagen fahrenden Ich-Erzählerin erst vernascht wird: »im stiegenhaus küsse ich ihn kurz & hart. Jelinek konnte es sich leisten. Andere Männer traten in Elfriede Jelineks Leben und mussten es genauso schnell wieder verlassen. das in einem Undergroundkeller bei Stuttgart aufgeführt werden sollte. Elfriede Jelinek wäre gern wieder mitgegangen. Erste Schritte weg von zu Hause führten sie in eine Wohngemeinschaft. Kleidung und andere Konsumgüter sollten dort präsentiert werden. Man traf sich im Exil. Im Dunstkreis der »Exil«-Österreicher lernte sie Gert Loschütz kennen. hätt ja auch ein hamburger sein können. Bloß keinen Künstler Die Schriftstellerin ELFRIEDE JELINEK hat ihr Leben lang die Macht der Männer über die Frauen kritisiert. der aus einer Münchner Kom- ordinär und brutal zu. Jelinek fuhr nach München. in die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) ein. Erst fanden die drei keinen Raum. Rowohlt. stellt die Führungskraft i. Es war zugleich eine bedingungslose Entscheidung für die Kunst. ihr Charme. Dort ging es gerne Jelinek zog in eine Männerwohngemeinschaft Im November 1969 organisierte die österreichische Jungarbeiterbewegung. »Aber sie brauchte diesen Motor. Leider hört kaum einer auf ihn. die Orgelstudentin mit den guten Manieren. Bei der Lesung fiel er ihr durch die gern gestellte Frage auf. Anfang der siebziger Jahre dort. die selbst ein halbes Leben in der Rolle des Kindes gehalten worden war. unsere Mode. was es zu teilen gibt und respektiert sonst das Leben des anderen. ihr Leben wurde normaler. Auch Elfriede Jelinek las die einschlägige Literatur. Januar 2006 D en Tod ihres Vaters. das sagte er auch. Sie gab sich maoistisch und anarchistisch und sog die Phrasen vom revolutionären Bewusstsein so begierig auf wie in ihrer Isolation die Slogans der Fernsehreklame. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen ihn ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Pornografiegesetz. auf der Bühne Gegenstände rot einzufärben und sich gegenseitig mit roter Farbe voll zu spritzen. wie Loschütz sagt. Und dann geht es sehr schnell. seine Kindheit habe er in Brasilien verbracht. eine reine Männer-WG in der Berggasse unweit des Hauses. die seinem Bürokratendeutsch ein wenig Pfeffer gäben? Vielleicht. vor ein paar Jahren noch als erfolgreicher Manager in den USA. Ein Jahr lang hatte die Familie auf engstem Raum zusammengelebt: die dominante Mutter. sondern zum zweck des gebrauchs (film. Doch keiner will ihn. Vorgesehen war zudem eine Kopulation auf dem Klavier. Doch einstweilen warf sich die 22-Jährige ins Leben. Literaturnobelpreisträgerin. Elfriede Jelinek wollte als »stumme Sängerin« auftreten und sich Männern im Publikum auf den Schoß setzen. Für den Sommer hatte Loschütz ein weiteres Stipendium für die Villa Massimo in Aussicht. der sich bis heute Aramis nennt. Sie hatte das Österreichische Staatsstipendium für Literatur bekommen und erschloss sich darüber hinaus lukrative Einnahmequellen für leichte. damals Anfang zwanzig und überzeugter Marxist. das anschließend zertrümmert würde. wenn es auch kurz war. und beschlossen. Für ein Kinderbuch. jüdischer Abstammung zu sein. war stadtbekannt und imponierte ihr durch eine gewisse Verwegenheit. hörspiel etc. In scheinbarer Rollenumkehr geht es um den Verkäufer Christoph. Er hat ja Recht! Es ist nicht jedem Ruheständler gegeben. Aber der Gesellschaft sei das völlig wurscht. herausgegeben vom Schriftsteller Robert Schindel und seinem Mitbewohner Leander Kaiser. Illustration: Georg Wagenhuber für DIE ZEIT * Haug von Kuenheim ist 71. die es in einen deutschen Verlag geschafft hatte und Mythen und Typen mit »ü« schrieb. der Stadt. wenn es auch Phasen gab. Damals wie heute war die erste Fluchtadresse Berlin. Wie sich nach seinem Tod 1991 herausstellte.« Elfriede Jelinek. sie bei ihrer Mutter. doch von meiner seite ist nur freundliches dazu zu hören und die schicksalshaften worte: ›es ist aus!‹ und so ist es auch. er müsse diese Frau kennen lernen. Sie taten. ihre Supermode. Januar: »Elfriede Jelinek. am 12. Altersweisheit kommt nur in Märchen vor. Doch ihr Freund wollte nun plötzlich keine feste Bindung mehr. die >Hochdaitsch< spricht. die nach damaligem Dafürhalten bürgerlichen Existenzen vorbehalten blieb. Musik. das den Saal nicht verlassen durfte. um bewusst »ein anderes Modell der Ehe« auszuprobieren. In der Badewanne stapelte sich das schmutzige Geschirr. Sie war viel mit Loschütz unterwegs. Er hatte in der Zeitschrift der sozialistischen Mittelschüler einen Text über Die Kirche und die Sexualität veröffentlicht und mit einem Bildausschnitt aus einem Aufklärungsfilm von Oswalt Kolle illustriert. Zobl behauptete. schrieb Elfriede Hüngsberg kurz nach der Hochzeit übersprudelnd an einen Freund. Drei Monate verbrachten sie in Italien. das Ungestüme und Lebendige. Das bemerkte auch ihr neuer Lektor. die notwendigen Rentenbeitragszahler in die Welt zu setzen. das »Schmutz. und christoph = auch zur neige gegangen. Das Publikum wollte Musik hören. nicht zum zwecke der kunst.Wer waren die Männer in ihrem Leben? VON VERENA MAYER UND ROLAND KOBERG Radikale Feministin Elfriede Jelinek. man hatte andere Künstlerbeziehungen vor Augen. An ihrer Seite hatte sie den Komponisten und Musikwissenschaftler Wilhelm Zobl. er vermisse Kinderlachen in den Fußgängerzonen – hört er dort nur das Schlurfen der Alten und ihr Stöhnen? Es müsse etwas gegen die Altersdiskriminierung getan werden. auf unsere Musik. Die beiden trennten sich. Sie hatte es geschafft. erinnert sich Gert Loschütz. hinter seiner Gattin herzudackeln und ihre Einkaufstüten zu schleppen oder im Malkurs der Volkshochschule den verborgenen Picasso in sich zu entdecken. auch er war eine schillernde Figur. die ihr Zimmer daheim immer behalten hatte. ihre Disc-Jockeys. den »TwenShop«. Sie war sehr offen. Während der Diskussion dachte sie: Hoffentlich geht der nicht weg. In einem Essay analysierte sie Udo Jürgens Liedtexte als »religionssurrogat« und kam zu dem Schluss. die von älter werdenden Angestellten mit entsprechender Erfahrung besetzt werden. keiner braucht ihn. 60 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: [M] Otto Breicha/Imago . Also schrieb er sich auf 64 Seiten seinen Frust von der Seele: Das Post Professional Life (PPL) oder das Leben danach. Nach 40 Jahren bei der ZEIT – unter anderem als Leiter des Modernen Lebens und stellvertretender Chefredakteur – privatisiert er heute Nr. hatte er seine Biografie ähnlich fantasievoll zusammengestellt wie Elfriede Jelinek die Identität Ottos in ihrem Romandebüt wir sind lockvögel baby!.und Schundgesetz«. raus aus Wien. Es waren Jahre des Ausprobierens. was Österreicher in Berlin von jeher tun: sie aßen Wiener Schnitzel.). so meint unser Freund Spiller. fast brutal. »gottseidank keinen künstler (NIE wieder!) sondern einen naturwissenschaftler (elektronik). Im Frühjahr 1972 belegte Elfriede Jelinek ein Zimmer in einer WG am Platz der Luftbrücke in Tempelhof. sondern auch gerne mal auf den Boden spuckten. ältere Redenschreiber an. ist man schlicht out. Das Stück kam nicht zur Aufführung. so schreibt mein Korentner. der am 22. sie habe aus »Kuriosität« geheiratet. der auch elektronische musik erzeugt. sagt Schindel. Seit wir sind lockvögel baby! erschienen war. Selbstdisziplin und Ausstrahlungskraft. auf der Frankfurter Buchmesse hatte sie den um vieles älteren Maler Arnulf Rainer dabei. Aber allein in Berlin wollte sie nicht mehr sein. »und später alle halben stunden ein heulender chr. jedenfalls im Vergleich zu anderen Jahren. Das Jahr im Ausland war ein wichtiger Einschnitt im Leben Jelineks.« Und Sie schloss: »Kotzen wir ihnen hin auf ihre Schallplatten.3 12. dass es so ist und dass man das Ganze wesentlich besser und auch volkswirtschaftlich effektiver gestalten könnte«. Ginge ein Geschäftsmann so unvernünftig mit seinen Investitionen um und ließe eine teure Werkzeugmaschine das letzte Drittel des nutzbaren Lebens einfach so herumstehen. die bis tief in die Nacht schuften und zu ermattet sind. schwärmte die Schriftstellerin Marie-Thérèse Kerschbaumer 1971. sonst gehts mir auch gut«. Ihren Mann Gottfried Hüngsberg hatte sie bei einer Lesung in einem Kulturzentrum für Jugendliche in München kennen gelernt. Man machte Liebe oder Kunst miteinander. die Grenzen waren fließend. sich abzunabeln. wo er seine Fähigkeiten einsetzen könnte. kaum acht Wochen später. um ihr Fremdsein unter den »Piefkes« zu thematisieren. »denn wir haben kapiert: eine Gesellschaft die uns nur nach ihren Marktgesetzen beurteilt die scheißt auf unsere Hobbies.« Eine Zeit lang steckte das Pärchen mit einem Maler zusammen. kannte man Jelinek in der Wiener Literaturszene als Schriftstellerin. als Elfriede Jelinek auf die Bühne kam. Machen wir alten Führungskräfte uns nichts vor. Der große. Zum Abschluss sollte Aramis Buttersäure in die Belüftungsschächte kippen und dem Publikum. heute Maler. Die drei entwarfen 1969 rotwäsche. Diskussionen und Vorträge. Jürgen Manthey hatte sich bei der Jungautorin gleich nach seinem Einstieg bei Rowohlt im August 1970 in Wien vorgestellt. Sie war gezielt in ihrem Wollen. Sie entsprach allen Klischees studentischen Zusammenlebens. Die Gesellschaft reagiert nicht. Neue Männer traten in ihr Leben und mussten es bald wieder verlassen In der Wiener Szene galt Jelinek als »Faszinosum«. Ilona Jelinek und die Schriftstellerin MarieThérèse Kerschbaumer waren die Trauzeuginnen. Er hatte ihre Stimme im Radio gehört.« Die jungen Männer in der Wohngemeinschaft brachten Elfriede Jelinek jene Art von Sorge entgegen. 2006 EIN RENTNER SIEHT ROT Niemand will uns mehr Haug von Kuenheim über den Frust ausgedienter Führungskräfte Er ist an die 70. galt nach ihrem Bestseller »Lust« (1989). die Leute zu erreichen. einem Lokal. also vom Gewinnen und Verlieren. denn die beiden sind über eine unsichtbare Kette miteinander verbunden. das alle vernetzen soll. kommt zwar noch zu früh für ihn. ist mit jedem anderen Menschen. die Mathematiker und Sozialwissenschaftler als »Small World«-Phänomen kennen: Es besagt. matchbox houses genannt werden. satte Lederbälle und.und Kulturprogramms zur Fußball-WM. Warum aber will Jaleel nicht zaubern und Traumtore schießen. Januar 2006 Leben DIE ZEIT 61 4 5 3 2 1 Foto: Bartolomäus Grill für DIE ZEIT 6 Fußball berührt alle Die ZEIT startet ein Online-Spiel. Und sie wird aus Geschichten bestehen.de/fussballpoesie Nr. vom Ehrgeiz und vom Spaß. werden wir in ein paar Wochen wissen. miteinander zu tun haben. Mit Torhütern ist es so eine Sache in Afrika. wenn die Fußball-WM in Südafrika ausgetragen wird. »Wenn ich Tore kassiere. aus Mädchen und Männern. Aber der ärgerliche Luftraum zwischen seinem Scheitel und der Querlatte wird jeden Monat kleiner. 61 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto: Uwe Kraft/Imago . 61 SCHWARZ cyan magenta yellow Nr. Einfach unglaublich. Tore mit dichten Netzen. die Kette zu finden. In der letzten Meisterschaft sind sie Zweiter geworden. Nur die hohen Bälle. die er für einzigartig hält: Eine Schule nur für Torhüter. und es klingt. Auch Sie können mitmachen und sich eintragen in das weltweite Netz aus Leuten. in seinen eigenen Worten »der beste Torhüter aller Zeiten«. was für den Jungen das Wichtigste ist. der schon einmal Fußball gespielt hat. Absolut jedes Spiel zählt: die Schlammschlacht in der Amateuroberliga Ende der siebziger Jahre genauso wie das Match gegen die eigene Tochter im Park oder jener heiße Pokalfight im Wohnzimmer. HEIKE FALLER UND BARTHOLOMÄUS GRILL DICHTER AM BALL 15 KARL RIHA fußball mit ballfuß … pfiff anpfiff und spitz stößt an innenrist stoppt flankt aus dem stand flankt zu absatz und absatz spreizt. Denn Fußball berührt alle. veröffentlichte u. einer Einrichtung. die vom Fußballspielen handeln. stolpert schnürsenkel fährt dazwischen außenrist steigt in die luft volley zieht ab und stiefel – stiefel – pfiffe hängt hilflos zwischen den pfosten KARL RIHA. Weil er mit seinen 140 Zentimetern dafür noch etwas zu kurz ist. alle wollen mit dem Ball zaubern und Tore schießen. Sein Vater. von WMSpielen und vom Spielen. Die einzelnen Schritte werden wir auf www. überwiegend Schwarze und coloureds. dass zwei beliebige Bewohner der Erde nicht mehr als sechs gemeinsame Freunde oder Bekannte voneinander entfernt sind. irgendwo in den Cape Flats. dass Jaleel zu den Allerbesten gehört. die mag der Jungstar nicht. »Das ist meine Kirche«. Auf www. In den nächsten Wochen werden wir versuchen. die keiner gesehen hat. Ein paar Freistöße von der 16-Meter-Linie. einem der beiden ErstligaKlubs aus Kapstadt. die Kette zu Lehmann zu schließen? Im Internet steht seit einigen Tagen ein Spiel. Er sieht in seinem schwarzen Trainingsanzug und den nagelneuen Fanghandschuhen nicht aus wie ein Kind aus ärmlichen Verhältnissen. »Der hat das Zeug zur internationalen Klasse. »Weil wir ein Spiel ver- loren haben.« Manchmal beschleicht ihn deswegen sogar eine Art Wachstumsangst. erklärt Jaleel. in den Blechhütten und Häuschen. Er denkt dann. Sei nie sauer auf deine Mannschaft. mit einem Ball.de kann man dort eintragen. souverän. die Kette zu finden. Zwei Dutzend junge Goalies bildet er zurzeit aus. vernetzt. Er ist der Gründer der Goal Keeper Academy in Athlone. in der Schule. wo Lehmann ist. der weiten Ebene vor Kapstadt. Die beiden haben noch nie gegeneinander Fußball gespielt. die die beiden schon jetzt verbindet. »aber er ist immer so schlecht drauf und bringt die ganze Mannschaft durcheinander.zeit. Die Proficlubs haben schon jetzt ein Auge auf ihn geworfen. ein Facharbeiter in der Weinindustrie.45 Uhr und um 19. welches die ZEIT als Kooperationspartner mitentwickelt hat. als Sie glauben? Welche Fußballer liegen zwischen Ihnen und alten Freunden (mit denen Sie aber nie Fußball gespielt haben)? Wie weit sind Sie entfernt von Afrika? Können Sie Jaleel helfen. dass es seinem Sohn noch besser geht und dass sein Sohn einmal ein noch besserer Torwart wird. auch nicht miteinander. die so klein sind. Keiner will hinten rumhängen. Der Pfarrer wäre dann Farouk Abrahams.25 Uhr ausgestrahlt Die Texte sind auch zu lesen und zu hören unter www. Rein fußballerisch.« Und sein Trainer hat ihm beigebracht: »Never be cross with your team. Außerdem spielt Jaleel schon in der U-13Jugend von Santos. auf dem Jaleel trainiert. die miteinander Fußball gespielt haben. von denen jeder wiederum mit fünfzig weiteren Leuten Fußball gespielt hat. von Traumtoren. natürlich. dann wäre man in sechs Schritten (1 mal 50 mal 50 mal 50 mal 50 mal 50 mal 50) bei einer Zahl deutlicher höher als die Zahl der Weltbevölkerung: 15 Milliarden.Welche Menschenkette verbindet etwa einen südafrikanischen Jugendtorwart mit seinem Idol aus Deutschland? enn alles gut geht. sauber aufgestreute Linien. 3 DIE ZEIT S. eigentlich lächelt er immer. Deshalb stehen bei Weltklasseteams wie dem aus Nigeria manchmal nur Fliegenfänger im Kasten. ungefähr drei Millionen Menschen. der genau genommen gar kein Fußball war. Die Armut beginnt gleich hinter dem Stadion. den Körper elegant durchgebogen. Für JALEEL JOHNSON (13. Wenn man annimmt. sportlich und am besten sogar persönlich. dass jeder Mensch in seinem Leben mit durchschnittlich fünfzig anderen Leuten Fußball gespielt hat – am Strand. Das heißt: Man wäre mit jedem Menschen auf der Welt verbunden. In der Provinzauswahl stand er auch schon zwischen den Pfosten.« Und Jaleel findet eben. Jeder Mensch auf der Welt. nach den Streichholzschachteln. Farbige wie Jaleel und seine Familie. paßt und paßt zu kappe kappe weiter zu lasche lasche hält die sohle drauf und kickt zurück zurück zu stollen stollen vertändelt verzögert.« Verletzungspech. Wie kann das sein? Das hat etwas mit einer Theorie zu tun. dass sie. Wie viele Schritte sind Sie von Franz Beckenbauer entfernt? Sind Sie vielleicht näher dran an Pelé. dann sind es immer hohe Bälle. diese Idee auf Fußball zu übertragen. Da. Der 13-Jährige ist ein schlaksiges Bürschchen.Nr. auf seinem Rücken prangt in goldenen Sticklettern die Nummer eins und darunter »Goal Keeper Academy«. und Jaleel Johnson. Womit wir beim deutschen Torhüterstreit wären. sondern dieselben nur verhindern? »Fangen ist einfach am allerschönsten. im Wohnzimmer. bis es dunkel wird (und man den Ball nicht mehr sieht). wo die Armen leben. wie Jaleel den Ball aus der langen Ecke pflückt. Mit Hilfe des Spiels »Fußball berührt alle« könnte er ihn bald kennen lernen W Ganz am Anfang steht Jaleel Johnson. dem er gern näher kommen würde. Denn was ist mit Kahn? »Kahn ist super. Nationaltorhüter. Er flitzt hinüber zum anderen Strafraum. sicher. die je Fußball gespielt haben. Jetzt muss Jaleel aber schnell eine Trainingseinheit hinlegen. Profis und Amateuren.« Ob man ihn einmal testen dürfe? Ja.zeit. dichte Grasnarbe. sieht dagegen richtig proper aus: grüne. Wir haben versucht. damals mit zehn. dass Jens Lehmann das am allerbesten kann. der er einmal werden will. »(Hans Wald) Wurst aus Westfalen und andere Kapriolen«. Sein Traum: Torhüter bei Arsenal. Das wurmt ihn. hat sich in die farbige Mittelschicht hochgearbeitet. »Da werde ich noch zu wenig Erfahrung haben«. sagt Jaleel und grinst. Wir wollen in den nächsten Wochen versuchen. In diesem Jahr wurde er sogar in die Jugendnationalelf berufen. Der Platz. das vor ein paar Jahren durch den Film Six Degrees Of Separation bekannt geworden ist. Sie werden im Radioprogramm NDR Kultur dienstags und donnerstags jeweils um 15. er war in seiner Jugend selbst einmal Torwart.netz2006. ich bewundere ihn«. Nachwuchstorhüter aus Südafrika. dass er nicht groß genug wird. sagt er. und schon beim zweiten gehaltenen Flachschuss steht fest: Der hat’s drauf. der in Belhar wohnt.3 12. geboren 1935. Vielleicht können wir Jaleel helfen. 2000 Bis zur Fußballweltmeisterschaft 2006 stellt die ZEIT eine deutsche Dichter-Nationalmannschaft auf. die Jaleel Johnson mit Jens Lehmann verbindet. ein Konzept. 33 bisher unveröffentlichte Fußballgedichte erscheinen wöchentlich im Ressort Leben. Der Mann. go on. Es ist ein Sonderprojekt des von André Heller initiierten Fußball-Globus und somit auch Teil des Kunst. mit wem man wann Fußball gespielt hat – und sich so einfügen in ein weltumspannendes Fußballnetzwerk.de vorstellen. a. was Jens Lehmann. Aber Jens Lehmann ist das große Vorbild des dreizehnjährigen Jaleel Johnson. Er will. ein kleiner Junge. Unsere Kette wird um die halbe Welt führen und wahrscheinlich aus Kindern und Erwachsenen bestehen. Der Chefcoach meint. Weltmeistern und Bolzplatzstars. als spräche schon der Profi. der schon einmal Fußball gespielt hat. in einem ausverkauften Stadion –.« 2010. links) ist JENS LEHMANN der beste Torwart der Welt. Also fährt er ihn jeden Sonntag um halb zehn zum Training hierher in das Vygekral-Stadion. da macht er sich keine Illusionen. bei dem ich nicht dabei war. 3 DIE ZEIT S. was sie hat. und Mo. Es sind überwiegend tiefgefrorene Einwanderer aus Kanada. habe ich in früheren Kolumnen immer wieder einmal erwähnt. Mi. Wie ich. und Mo.Tel. die mit landschaftlichen Reizen ein erlesenes Publikum anlockt Seen und gesehen werden an könnte meinen. Aber alles vom Feinsten! Der junge Hausherr. sondern fast so viele Restaurants wie Uhrengeschäfte. die Andouillette. die sich den Vorwurf. Insgesamt ist es auffällig. Die Schweiz gilt bei den Touristen seit jeher als teures Reiseland. Sa. Nur die nach ihm benannten kleinen Fische (Fera du Lac) sollte man nicht auf ihre Herkunft überprüfen. Eine andere. die Lammfüße in Remoulade und diverse Fleischstücke. extra gekennzeichnet. dem Restaurant des Hotels Mandarin Oriental du Rhône. Einige der gastronomischen Attraktionen. Jedes Dorf hat eine empfehlenswerte Gastronomie. Completer. Le Raisin in Cully. Was Beat Bolliger im Walserhof in Klosters seit vielen Jahren kocht. ebenfalls hochkulinarische Küche bietet Josef Kalberer im Schlüssel in Mels. Quai Turrettini 1. ein bouchon. dass hier auch schon ein amerikanischer Präsident bewirtet wurde.boucheriemolard. und an die sollte man sich tunlichst halten. reißende Flüsse. Wer nur einmal in der Biedermeierstube im ersten Stock des alten Hauses gegessen hat. welche hausgemacht sind. denn auf den steilen Straßen fehlen die üblichen Läden mit dem konfektionierten Ungeschmack. Derartige Nachrichten erfreuen mehr als die Enthüllung. Die gleiche rustikale Buntheit wie in einem Bistro. Die zahlreichen eindrucksvollen Plaketten an den Häusern verraten.walserhof. Januar 2006 Foto: Siggi Hengstenberg WOLFRAM SIEBECK reist durch die Schweiz. 3 DIE ZEIT S.Nr. SCHLÜSSEL Oberdorfstrasse 5. CH-7310 Bad Ragaz. 64 SCHWARZ cyan magenta yellow 64 DIE ZEIT Siebeck Nr. CH-1201 Genf. WALSERHOF Landstrasse 141. www. die die Region um den Genfer See aufzuweisen hat. CH-1204 Genf. und die Winzer sind stolz auf ihre Weine: Weiß. die ihren Hauptsitz noch unlängst in Ländern hatten. weil es ein Juwel an intimer Gastlichkeit ist: nur 25 Plätze im getäfelten Restaurant und nur 3 Suiten sowie 1 Zimmer. GRANDE BOUCHERIE DU MOLARD Rue du Marché 20. So geht das weiter. joviale Oberkellner fehlt ebenso wenig wie die Speisekarte aus Schiefer. Das Boeuf Rouge hingegen ist ein Bistro. Auch diesmal war ich – obwohl der Küchenchef ausgewechselt worden war – mit der Feinheit der Fischgerichte sehr glücklich.ch. 64 SCHWARZ cyan magenta yellow . 0041-22/ 909 00 06. das Raffles Le Montreux Palace in Montreux) – sie alle sind aus dem Tiefschlaf erwacht. Das trägt sicherlich dazu bei. geschl. Seine Lage ist als Ausgangspunkt für Kurzreisen ideal: Zürich 1 Stunde. dass wir uns im ersten Haus am Platze befinden. kombiniert mit Luxus. www. nämlich erstklassige Gastlichkeit. das Rheintal bei Chur und der San Bernardino. und bieten wieder ein echtes schweizerisches Spitzenprodukt. würde jeder zustimmend nicken und respektvoll von Milliarden murmeln. Andreas Caminada. Anders ist es mit Bad Ragaz. Dort wird die charmante Wirtin ihm ein Prättigauer Kalbskotelett servieren. Chardonnay und eindrucksvolle Cuvées. Ein weiteres Beispiel für das Erwachen der Schweizer Gastronomie. im Sommer Di. dazu der bildhübsche Prättigau in Richtung Klosters. wie sie im nahe gelegenen Lyon bezeichnet werden. Auch. geschl. Tel. Genf sei eine Stadt voller Geheimnisse. Handelte es sich dabei um Bankgeheimnisse. So. Restaurant Mo. und ihre Preise lassen keinen Zweifel daran. Dass von Zeit zu Zeit in Genf jemand ermordet wird. eine Geldelite zu sein. die wirklich alt und sehenswert ist. dass Prinz Charles seit Jahren seine Winterferien in diesem gastlichen Haus verbringt. Und sollte dann auch ein Essen im Adler in Fläsch einplanen. kocht Roland Schmid. Glücklicherweise hat sich das in den Reisebüros noch nicht herumgesprochen. Rätselhaft ist dagegen die Menge der Uhren in jedem Schaufenster der Stadt. unter dem die Hotellerie der Schweiz seit Jahrzehnten litt. die es nur in zwei Versionen gibt: saignant oder bleu.ch LE NEPTUNE im Hotel Mandarin Oriental du Rhône. 0041-81/410 29 29. und dazu einen erstklassigen Chardonnay von Thomas Donatsch in Malans. Bad Ragaz hat aber noch andere Vorteile. dass man die anderen sympathischen Kleinrestaurants des Orts fast übergehen möchte. habe ich bei früherer Gelegenheit schon erwähnt. 0041-22/311 71 66. die Flumser Berge und der Walensee. ist eine beständige feine Küche.. Philippe Rochat in Crissier und Le Pont de Brent in Brent bei Montreux). BISTROT DU BOEUF ROUGE Rue Alfred-Vincent 17.ch. 3 DIE ZEIT S. die Person gewordene Vernunft. wo wir uns an den hohen Kurs des Euro gewöhnt haben. ist wiederum kein Geheimnis. der mit Milliarden in Verbindung stand. dass die Genfer Bürger.3 12. www. und die Regeln der großen Küche beherrscht er aus dem Effeff. oder. Aber heute. wer hier alles geboren wurde oder wohnte oder predigte und sich sonstwie ins Buch der Kulturgeschichte eingeschrieben hat. Hier im kuscheligen Krähenwinkel der Deutschschweiz kann man über den Perfektionismus des jungen Graubündner Kochs nur staunen. der alte. 0041-81/303 30 30. also halbroh oder blutig. 0041-22/732 75 37. Auch er besitzt diese Beständigkeit des hohen Niveaus. gern gefallen lässt. geschl. der nur eines fehlt: prätentiöses Getue. weil es frisch renoviert wurde.Tel. Das schließt auch Firmen ein. Dort trifft sich im aufwändig umgebauten Grand Hotel Quellenhof am Wochenende eine Klientel. Sie genießt komfortable Zimmer und eine der größten Wellness-Anlagen der Schweiz. sondern Euro-Hedonisten wie der Rest des alten Europas? Jedenfalls gibt es in der Innenstadt nicht nur den spektakulären Fünf-Sterne-Metzger Molard in der Rue du Marché (mit einer sagenhaften Auswahl an feinstem Fleisch). wo sie dummerweise Steuern zahlen mussten. wird wiederkommen. und warum sie für den Kenner immer das liebste Reiseziel war.ch. Für mich kommen noch die Leistungen der Gastronomen hinzu. www. 0041-81/302 61 64.schauenstein. mit denen man das grandiose See. und sie sind nur teilweise schlecht. die ein Ausweis der Meisterschaft ist. die man in gastronomischen Zentren bewundern würde. Tel. voll des guten Weins und gemütlicher Gasthäuser. dafür erfreuen Kunst und Antiquitäten den Spaziergänger. Besonders Letztere ist eine völlig unterschätzte Landschaft. wie er es besser nirgends kriegt. Tel. wohin man von Bad Ragaz zu Fuß gelangt. Di. Dass man ganz vorzüglich im Neptune essen kann. CH-8887 Mels. Seine Menüs sind äußerst verfeinert und tragen alle Merkmale einer zielstrebigen Modernität. Tel. geschl. Bisonsteaks und so köstliche Currysuppen. Weitere pittoreske Kneipen liegen in der Altstadt. Und in der Äbtestube. welche früher einmal genussfeindliche Calvinisten waren. Sa.Tel. CH-7250 Klosters. Auf der Speisekarte sind alle Gerichte. dies längst nicht mehr sind. So schreckt das Vorurteil eine Menge Leute ab.und Blauburgunder. 0041-81/632 10 80. ÄBTESTUBE im Grand Hotel Hof Ragaz. CH-1201 Genf. Hervorheben. hat bei Beat Bolliger und bei Claus-Peter Lumpp in Baiersbronn gearbeitet. und Do. ob es sich um Spitzenrestaurants handelt (L’Ermitage in Vufflens-le-Château. Tel. Klosters und Vaduz 30 – und die Bündner Herrschaft direkt vor der Haustür.. hohe Gipfel – hier zeigt die Schweiz wie in einer Nussschale alles. Die Küche ist der Lyoneser Folklore verpflichtet und EINE WERBEKUH und die Beine eines vom Marsch durch viele gute Restaurants ermüdeten Kritikers Fotos: Barbara Siebeck für DIE ZEIT M bietet den klassischen Hechtkloß. Wasserfälle. So. oder um schöne und klassische Hotels (wie das Beau-Rivage Palace in Ouchy. Bellinzona 90 Minuten. und Mi. Ihre Zusammenstellung verriet Eleganz und Klugheit. will ich nur noch das Schloss Schauenstein in Fürstenau bei Chur. dem Gourmetrestaurant des Grand Hotels Hof Ragaz. und an Feiertagen geschl. Allein die hervorragenden Restaurants am Nordufer des Sees machen diesen zu einer touristischen Attraktion. Das war sie früher tatsächlich. dass Uhrenhändler in Genf die gleiche Rolle spielen wie die Teppichhändler in Istanbul? Und könnte es sein.und Gebirgspanorama nicht unbedingt gemeinsam erleben möchte.boeufrouge. geschl. mittags geschl. ADLER CH-7306 Fläsch. 0041-81/723 12 38. So. wie viele prominente Menschen auf der Schweizer Seite des Genfer Sees gewohnt haben und noch wohnen. SCHAUENSTEIN_SCHLOSS RESTAURANT HOTEL CH-7414 Fürstenau. Nr. Könnte es sein. stimmt das längst nicht mehr. und So. um im Bild zu bleiben: Der Panzer ist selbst ein Geschoss. 66 SCHWARZ cyan magenta yellow 66 DIE ZEIT LEBEN Autotest Nr. schließlich kriegt man dafür eine Menge geboten. Die Ampel wird grün. Mit Chrompaket. die feuchtheiße Südstaatenluft in der Nase. das muss sein. Ich stand an manchem Abend mit meinem Plüsch-Mercury an den diversen Kreuzungen von Chapel Hill. der etwas erreicht hat im Leben.5 dCi Automatik Nr. dass man nicht nur der Größte ist. ein automatisches Schiebedach. wenn das so ist … So schlecht sind 19 Liter nun auch wieder nicht. Silbrig glänzend. 272 PS. Seitlich in die Kurven hineinleuchten kann die- ser Schlitten auch. wo man von chinesisch über italienisch bis zu berlinisch alles zu essen kriegt. ich habe es gleich ausprobiert. Höchstgeschwindigkeit 225 Stundenkilometer. Mercedes ML 350 heißt das Ding und wiegt zwei Tonnen. Das Beste am ML 350 ist. Geht aber auch schnell. wegen der Winterreifen. Eigentlich mag ich kleine Autos lieber. ein schickes Navi. Getunte Golf GTIs an der Ampel vergessen das manchmal. ich habe da so einen Komplex. drinnen schalte ich die Sitzheizung ein. Auch wenn man dafür erst quer durch die Stadt fahren muss. kam ich mir vor wie einer. Ich fuhr einen rostigen Mercury für 1200 Dollar. denke ich. von wegen Umweltbewusstsein und so. Bis Ecke Friedrichstraße die Ampel auf Rot springt. ohne innen auch nur einen Stoß zu spüren. Sport Utility Vehicle. ZEIT-Redakteurin Leben. Seit ich den Wagen habe. Am Steuer.5 Liter auf 100 km (Benzin) KOSTEN (PRO JAHR): Vollkaskoversicherung: Typklasse N25. Von meiner Empörung darüber. Ich weiß nicht. 6 Zylinder.« Ach so? Ich blicke auf und befühle den Schlüssel in der Tasche. Ich kann das bestätigen. sagt mein Chef. dass moderne Autos überhaupt so viel schlucken dürfen. Ich tröste mich damit. starrte auf gewaltige Leichtmetallfelgen und fand das Leben alles in allem ziemlich ungerecht. sondern auch der Schnellste. 3 DIE ZEIT S. die unbedingt mal eine Runde mit mir drehen wollen. dass es im Zweifel lieber die anderen erwischen soll. von 0 auf 100 in acht Sekunden. mit denen man Rehe von der Straße knallen kann. eine Etage über meinem Kopf. Vielleicht ist der ML 350 doch eher für den amerikanischen Markt geeignet.« In Marzahn haben sie gerade eine neue Shopping-Mall eröffnet. zweitens sind sie der Meinung. PS Nächste Woche am Start: Heike Faller. »das zahlt doch die Zeitung. dass mein SUV herrliche Ledersitze hat. Keine Chance zu mogeln. 3 DIE ZEIT S. Wenn ich abends die Franklin Street hinabtuckerte.5 Liter runter. Beziehungsweise: gerade dann. Steuer: 236 Euro BASISPREIS: 47 966 Euro Z Foto: Alfred Steffen für DIE ZEIT künste ihrer Töchter. Pro 100 Kilometer. Ich muss schlucken.4 Sekunden HÖCHSTGESCHWINDIGKEIT: 225 km/h DURCHSCHNITTSVERBRAUCH: 11. BESCHLEUNIGUNG (0–100 KM/H): 8. piept mein Mercedes wie ein Lastwagen im Rückwärtsgang. Am nächsten Tag sitze ich mit meinen Kollegen in der Kantine und berichte ihnen von meinen Benzinsorgen. die Fenster heruntergekurbelt. Die Anlage wummert. nennen die Amerikaner diese Geländewagen. rufen ständig Bekannte an. Außerdem kann ich dann noch ein bisschen weiter an meinem Komplex arbeiten. das amerikanische Papas ihren Töchtern schenken. oder die deutschen Benzinpreise. mit plüschigen Sitzen und Holzdekor. Oder.3 12. Mit dem SUV in die Mall fahren. und die 18-jährigen College-Studentinnen haben bestimmt nie auf die Tankanzeige geguckt. Draußen schaltet das Berliner Wetter auf Winter um. fünf Meter lang. Denn amerikanische Papas wissen erstens ziemlich genau Bescheid über die Fahr- LEISTUNG: 200 kW (272 PS) 7-GANG-AUTOMATIKGETRIEBE. und wenn man den Kofferraum aufmacht. ich bremsen muss und sich mein Blick aufs Info-Display neben dem Tachometer richtet. als ich in Amerika studierte. IM MERCEDES ML 350 UNTER DER HAUBE MOTORBAUART/ZYLINDERZAHL: V-Benzinmotor. PERMANENTER ALLRADANTRIEB. Genau das richtige Auto. zwei Meter hoch. Januar 2006 JAN-MARTIN WIARDA. Jetzt sitze ich oben. im Nissan Pick-Up Navara 2. bevor sie aufs College gehen. ob das jetzt meine deutschen Gene sind. wenn ihre Kleine nach einer weiteren Saufnacht nach Hause schlingert. ich bremsen musste und neben mir wieder eines dieser Riesendinger auftauchte. Ein sehr amerikanischer Gedanke. SUV.Nr. Leider derzeit nur 210. Meine Freundin juchzt. Bis an der Ecke Columbia Street die Ampel auf Rot sprang. Amerikanische College-Städtchen sind voller SUVs.3 Liter. ZEIT-REDAKTEUR RESSORT CHANCEN. Darum fahre ich jetzt selbst SUV. sehr amerikanisch. 19. Da sind die Straßen auch breiter und die Parkhausauffahrten. Ich nehme ihre Bewerbungen an der bordeigenen Freisprechanlage entgegen. Neben mir sitzt meine Freundin.« Der Satz stammt aus einer Expertenkritik. aber die Tage bis zum Testtermin habe ich dann doch gezählt. eine 18-Jährige. steht da weiß auf schwarz. 66 SCHWARZ cyan magenta yellow . Der Citroën neben mir zieht locker vorbei. Ein Panzer. blickt zu den Leuten im Nachbarauto hinunter und sagt: »So fühlen sich also Sieger. »Die druckvolle Präsenz des Antriebs ist be- eindruckend. »Ist doch kein Problem«. eine Einparkhilfe. der Bordcomputer regelt automatisch ab. in meinem Kopf rattern Zahlen. An die missgünstigen Blicke von unten muss ich mich noch gewöhnen. dass die Scheiben zittern. 3498 ccm Hubraum Endlich oben Dieser Wagen ist ein Therapeut für Fahrer. mit Tausenden von Parkplätzen und einem Food Court. Er stammt aus der Zeit. wenn ich anfahre. Auf dem Heimweg von Marzahn nach Charlottenburg fahre ich wie mein Opa und kriege den Spritverbrauch auf 14. Ja. die im Straßenverkehr schon mal Komplexe hatten ugegeben. Baujahr 1985. Er wurde zum Vielleser. das der vor zwei Jahren im hohen Alter verstorbene jüdisch-ungarische Schachmeister László Lindner 1944 im jugoslawischen Konzentrationslager Bor komponiert hat. Die deutsche Rechtschreibung. die zu einem »europäischen Schachzentrum« werden soll. »bis an der Welt Ende«. hinzu kamen jeweils 6 Punkte für PO und EDLEN. Unter den vielen Gästen war auch der mehrfache Vizeweltmeister Wiktor Kortschnoj. Juli 1944 hingerichtet wurde. um sich mit Wasser. 2: Auf der Insel Efate liegt Port Vila. Bei Fünferreihen. Verzweifelt habe er versucht.Nr. starb. bescheinigte ihm aber etwas in unseren Augen Wichtigeres: Rechtschaffenheit und Festigkeit in einem schweren Amt. »Von beiden Tierarten habe ich eine zweistellige Anzahl. bleiben mehr Gomzul als Zolgum übrig. »Was können Sie mir denn Interessantes über Ihre Tiere erzählen?«. Scrabble-Regeln im Internet unter www. und wie viele solcher küstennahen Inseln hat sie eine große Rolle bei der Entdeckung (oder Eroberung oder Erschließung) des Hinterlandes gespielt. Kaum an der Macht. Gelassenheit und Genügsamkeit. 2: Stephan Tulpental hatte rote Haare. der so heißt wie die Insel. Als er 24 Jahre alt geworden war. der eine Benefiz-Simultanvorstellung gab und sich als Schüler Laskers bekannte. sich in verschiedenen Formationen aufzustellen. Hut. der 27 Jahre lang (1894–1921) den Titel innehatte. Sein letztes Lebensjahrzehnt opferte er fast ausschließlich mühseligen und verlustreichen Feldzügen. Legendär das Abschiedsritual. In dem Bundesstaat aber. Seinem Vater nahm ein früher Tod jedoch alle Chancen auf noch höhere Ämter und Würden. zwecks Selbstdarstellung 4 Teilt schwesterlich sich einen Namen mit Thea 5 Sein Beißer schnabuliert ihn flugs weg 6 »Werdet …« ist großer Rat für Findige oder kleiner Tipp für Zaghafte 7 Wird wohl die Ursache sein. 2: Hans-Joachim Kulenkampff (1921–1998).scrabble.Lc7! bedroh5 te nicht nur die schwarze 4 Dame. 67 SCHWARZ cyan magenta yellow Nr. Seine Gesundheit begann unter der ständigen Überanstrengung zu leiden. II. weit länger als jeder andere. bei Siebenerreihen 5 und bei Achterreihen 13. Wie aber lautet der beste Zug. war Techniker und verglich Filme mit Milch Farfalle-Falle haben wir was auf dem Teller? 3 Sechsfach wird er hier benötigt. In der Spätsendung »Nachtgedanken« las »Kuli« von 1985 bis 1990. opferte dieser Leidenschaft sogar den geliebten Sport und entwickelte sich unter dem Einfluss des bedeutendsten seiner Lehrer zu einem schreib. Stattdessen ein Problem. mit dem sein Vater Ernst Reuter. damit sie das Plappern lässt 19 Sagt beim Dienst was übers Sagen-Haben 20 Ob Bob. Der Großvater etablierte sich im komplizierten Machtsystem der Stadt.Te8+ SUDOKU LEBENSGESCHICHTE Seine Charakterstärke machte ihn so erfolgreich Drei Generationen hatten seinen Weg geebnet: Der Urgroßvater wagte den Sprung aus der fernen Provinz in die allgewaltige Kapitale. wer TopCourage vorweisen will? 11 Wer schon den Bogen raus hat. war ihm nahezu jedes Mittel recht: Er warb Unfreie und Strauchdiebe an. während er in der Hauptstadt blieb und alle Kraft der Regierungsarbeit widmete. 1789 Waagerecht: 6 Fans der Nahezu-Senkrechten schmiegen sich gern an die harte 10 Wegen der Meermehrheit so seeisch benannte Gefilde 14 Fans der Nahezu-Waagerechten schmiegen sich gern ans weiche 17 Winter oder windstill muss es sein. Ähnlich wie in der Schachnovelle Stefan Zweigs. Die ersten Siege verdankte er seinem Adoptivbruder. (Auch Emanuel Lasker musste Deutschland während der Nazizeit verlassen und starb 1941 verarmt in New York. von der Pest infiziert. Münze DEUT 31 HUT 32 IMBISS und im Biss 33 EDWARD (Mark Twain. Auf unserer Insel geschah dies vor allem im 16. dann von 1953 an im Fernsehen Karriere. hatten sie ihn doch Tugenden gelehrt. und einmal auch weit einen großen Fluss hinauf. der 12 Punkte höher dotiert ist? SEBASTIAN HERZOG Vor kurzem wurde in Berlin der Grundstock zu einer Ausstellung unter dem Motto »Die Lust am Denken« gelegt – in Erinnerung an den deutschen Schachweltmeister Emanuel Lasker. Sieben Jahre später war er Nachfolger dieses klugen und bescheiden auftretenden Herrschers. bedrohte nicht zuletzt die Schlagkraft seiner Truppen.) Vor zwei Jahren. wenn ihm was zur Neige geht 25 Thymus in Lucullusjüngers Munde 26 Meermythenwesen im Taucheranzug 28 Ein Antworten. Joubert) 15 Altes Ding der Spannkraftmeierei 16 Recht prisant sei der Umgang damit 18 Er selbst ist seinem Finder Lohn 19 Volksmunds Vermutung: Bei großem … ist wenig Klugheit 24 Glücklich ist. Noch in jungen Jahren adoptierte ihn der Schwiegersohn des Großvaters und zog ihn ein Vierteljahrhundert lang zu seinem Nachfolger heran. mit diplomatischen und kriegerischen Mitteln das Vorfeld des Reichs zu befrieden. ließ er Schmuck und Hausrat seiner Familie versteigern. und die winzige Sorge von Berges Heger ersteht 42 Süßwasserader in Nordwestasien 43 Untere Marke auf dem Launometer 44 Mit viel Hände- drücken mag es glücken 45 »Im Anfang war das Wort«. Hans-Joachim Kulenkampff starb am 14. der unterernährte Mann fröstelte vor Schwäche. Bei Neunerreihen bleibt eine ungerade Anzahl an Zolgum und eine durch vier teilbare Anzahl an Gomzul übrig. wobei der weiße Schlüsselzug dem Schwarzen erstaunlicherweise sogar Schachgebote erlaubt. Für den Rest seines Lebens war er damit beschäftigt. das seiner Meinung nach seinem Vater und Wilhelm Leuschner geholfen hat. Wie geht’s? HELMUT PFLEGER 8 7 6 AUFLÖSUNG AUS NR. Zeit seines Lebens blieb der seinen Erziehern und Lehrern in Dankbarkeit verbunden. meist nach Süden. zum täglichen ARD-Sendeschluss aus seinen Lieblingsbüchern vor. sonst gäbe das nur Unruhen unter den Tieren. Als er.d8D+ oder nach 1…Txc7 2.de) oder im Internet unter www. das Strahlende zu … (Schiller als Neiderbeschreiber) 30 Männliche Grimbarts? Global gesehen dreht sich alles um sie 32 Kontroversierte gegendrucksen nicht lange rum. begann der Letzte.de. Um Soldaten zu rekrutieren. Der Großvater kümmerte sich nun um dem klugen und liebenswürdigen Knaben und ließ ihm eine für jene Zeit außergewöhnlich gute Erziehung angedeihen. Ein berühmter Gelehrter hielt ihn zwar für »keinen Soldaten«. sei es nach 1…Dxc7 2. und Max Hahnenmähne hatte eine Glatze. sondern unterbrach 3 auch den Angriff des schwar2 zen Turms auf den Bauern d7 1 und machte die e-Linie für den a b c d e f g h eigenen Turm frei. Stille!« und PASTILLE 7 RECHTHABER 8 HEFEPILZE 9 EDLE 10 GEPARD 11 »prima!« und PRIMA 12 Gustav MAHLER 14 HAMSTER-käufe 15 NESTBAU 16 BEISSEND 17 PLAUDERN 22 MESSUNG 25 ZUBER 27 IMKER 28 Angora-ZIEGE 30 DACHS in Er-dachs-e 33 W-eggehen – Wehen = EGG = Ei (engl. Klein-HIRN 41 VERDERBEN 42 DIENST Senkrecht: 1 WOCHE 2 Alain DELON 3 MIST-käfer 4 KNAPPE 5 dolce vita und DOLCE = Nach-. der seinen Titel verteidigen will. Immer wieder legten damals Schiffe an. Doch plötzlich habe sie aufgelegt.oder LOGELEI Borgül ist Reporter und schreibt über Leute in Folgasing. Spear & Sons. die Küste entlang. Genaueres über Ort und Zeitpunkt erfahren Sie per Mail (an info@scrabble-deutschland. gelernter Schauspieler. und was wird in der Zeitung stehen? ZWEISTEIN AUFLÖSUNG AUS NR. verpflichtete sogar Männer aus dem feindlichen Lager. Wer war’s? WOLFGANG MÜLLER AUFLÖSUNG AUS NR.de Welcher Opferzug entschied augenblicklich für Weiß? Das Läuferopfer 1. so erzählte Reuter.) 34 WONNE 37 Bruce und Christopher LEE 38 KITZ in Kitz-bühel SCRABBLE Scrabble© is a registered trademark of J. – Es gelten nur Wörter. Wie viele Zolgum und wie viele Gomzul hat Bauer Mörleb. Konzentrationslager. der Morgenappell seiner Truppen abzunehmen. Da die Tiere regelmäßig ihren Grips trainieren müssen. oft fehlte ihm die Kraft. brüchige Friedensabkommen zu schließen. 1934 im KZ Lichtenburg mit dem sozialistischen Arbeiterführer Wilhelm Leuschner gespielt hatte. So kommt es in jedem Fall zur Umwandlung des riesigen Freibauern d7 in eine neue Dame. die auf Brettln brettern 24 Gern verspeiste Spezies der Drachenkopffamilie 27 Es liebt die Welt. Dieses Wort trug 60 (15x2x2) Punkte bei. sie habe auf dem Speicher ein Schachspiel ihres Großvaters Wilhelm Leuschner gefunden. Ihre Nachfahren stellen noch heute rund fünfzehn Prozent der Bevölkerung und organisieren jeden Herbst ein Volksfest. die Hauptstadt der Republik Vanuatu.) 30 ehem. übertrug ihm sein Adoptivvater die Amtsgewalt eines Mitregenten – keine allzu fordernde Aufgabe in einer der längsten Friedenszeiten. die offenbar in Darmstadt oder Umgebung wohnende Dame ausfindig zu machen. war Schauspieler und verglich Filme mit Thymian. ließen sich im 19. von Konflikten an fast allen Grenzen des Reiches umzingelt. natürlich wieder nach Tierart getrennt. Ein Teil der Zitate im Rätsel stammt aus dem großen Interview mit André Müller in der ZEIT vom 25. Wenn ich sie auffordere. Erfolg durch Charakterstärke und nicht durch Talente. August? – eine heutige Hauptstadt gegründet wurde. an der recht einfach 69 Punkte zu erzielen sind. befindet sich just am Leuschnerdamm 31 in Berlin-Kreuzberg! Leider sind die damaligen Partien nicht überliefert.3 12. Amtierender Champion ist Heinz-Jürgen Michel. 2: AUFLÖSUNG AUS NR. er las selbst im Theater oder bei Volksbelustigungen. Sie wütete in Stadt und Land. 2 Waagerecht: 6 PROPHEZEIUNG 11 POMP 13 LAECHELND 16 BAERLAPP 18 SCHAF 19 OELTEPPICH 20 THEMEN 21 SEMI in Semi-ramis 23 PAMELA Anderson 24 WITZ 26 »spitze!« und SPITZE 29 SERA = Abend (ital. Und welch weiterer Zufall: Diese Lasker-Ausstellung. Auch später sah man ihn nie ohne Bücher. Allerdings werden auch wenigstens drei ehemalige deutsche Meister erwartet.« Reichlich verwirrt. Scrabble© tiles by permission of J. sich in Viererreihen aufzustellen. Bei Sechserreihen bleiben 9 übrig. Diese ungewöhnliche Lehrzeit im Umkreis eines der wenigen tugendhaften Herrscher seiner Epoche prägte den ohnehin schon pflichtbewussten jungen Mann. so geht’s mit ihm bergab 21 Verbreitete Bösewichterangewohnheit: Wo werden schon mal Radiergummis mitgeliefert? 22 Etappe auf dem Weg zum Tennis-Cup 23 Da wollen sie hin. den er zum Mitherrscher ernannt hatte. Jahrhundert Einwanderer aus einem ganz anderen Land nieder. macht sich Borgül in sein Büro auf und fängt an herumzurechnen.Spear Sons PLC Das nächste Scrabble-Highlight wirft seine Schatten voraus: Am zweiten Wochenende im Februar veranstaltet Martin Gahlow die dritte Auflage der Braunschweig Open. Proviant und Personal zu versorgen und dann weiterzusegeln.scrabble. der erste Regierende Bürgermeister Berlins. Seine Quizsendung »Einer wird gewinnen« (1964 bis 1987) brachte ihm Zuschauerquoten um die 16 Millionen ein. wer die erspäht. ob Schlitten. machte als Moderator und Showmaster von 1948 an erst im Hörfunk. die ihm später an der Spitze des Staates unabdingbar erschienen: Ausdauer. 3 DIE ZEIT S.zeit. 3 DIE ZEIT S. Lichtenburg. habe ihn eine Dame angerufen und ihm mitgeteilt. Beim Aufschreiben ist ihm allerdings ein Fehler unterlaufen: Er hatte notiert.und redegewandten Mann. in der Urlaubsandenkenvitrine 40 Ins Detail gegangen: aus Provence-Cuisine nicht wegzudenken AUFLÖSUNG AUS NR. Stolz zeigt ihm der Bauer Mörleb seine mathematisch begabten Tiere: die Zolgum und die Gomzul. verzeichnet sind. Mehr solcher Rätsel im Internet unter www. wobei – an einem 15. Anders als beim traditionellen ZEIT-Scrabbleturnier (mit Vorrunde und anschließendem Achtelfinale) werden hier Schleifchen für jeden Sieg verteilt. dass Bauer Mörleb eine dreistellige Anzahl von jeder Tierart besitzt. sorgte durch die Heirat seiner Schwester mit dem designierten Regenten für den Einzug seiner Familie in den engen Kreis der Elite und scheffelte Geld als Unternehmer in der Baustoffindustrie. hatte er seine hartnäckigsten Widersacher besiegt und die Grenzen des Reichs gesichert. möchte Borgül wissen. 23. die das Reich jemals erlebt hatte. bevor Nachfragerfragen überhaupt aufkommen 29 Wonach dem Starrsinn keinesfalls ist 31 Ablehnwort aus abgründigen Emotionenzonen 33 Wer weiz’n älteren Stärkelieferanten? 36 Ihre Lippen wurden Sofa bei Salvador 38 Eine – dank Iduna nicht ganz so – alte Herrschaft 39 Hütet manch einer eingeglast. Z (elle) VIII«. und die … der Wahrheit (J. neuerdings auch Phishing 13 Das Herz muss dem Geist vorangehen.W. ja nicht einmal für eine »hervorragende Persönlichkeit«. Auflage. Jahrhundert. Januar 2006 Spielen DIE ZEIT 67 INSEL-RÄTSEL SCHACH 8 7 6 Grafiken erzeugt mit Chessbase 9. dass in jeder Zeile. fordere ich sie immer mal wieder auf. sahen sich er und sein Adoptivbruder. August 1998 nach langer Krebserkrankung. Eindringlinge zurückzuschlagen. Da er die Kriegslasten nicht durch Steuererhöhungen finanzieren wollte. das das zweitgrößte des riesigen Landes ist. Thomas Konterfei hatte schwarze Haare. Doch der Preis der Erfolge war furchtbar: Die zurückkehrenden Truppen brachten die Pest mit. möge ihn sich kleindenken 12 Genutzt fürs Fishing. Was schließlich auch gelang – mit Hilfe eines ehemaligen Bundestagsabgeordneten aus Darmstadt. James Cook nannte den östlich von Australien gelegenen Archipel einst Neue Hebriden Grafik: Gunter Kaiser UM DIE ECKE GEDACHT NR. war Regisseur und verglich Filme mit Erdbeerpudding. Dezember 1992 Füllen Sie die leeren Felder so aus. RAFI REISER AUFLÖSUNG AUS NR. die im Duden. 2: 72 Punkte waren möglich mit den PHILISTERN auf E3–E12. Süßspeisen (ital.W. wenn Träger träger werden 8 Sprichwörtlich: Im … soll man keinen Honig von den Bienen verlangen 9 Wen muss Helmut schlucken lassen.0 5 4 3 2 1 a b c d e f g h Die Insel heißt gleich wie der Bundesstaat auf dem nahen Festland. Schal und Schirm reichte. das Ertragen von Kritik und Skepsis gegenüber jeglicher Art von Blendern. die großen Erniedrigungen zu ertragen. Und so kam Edzard Reuter in den Besitz dieses für ihn so besonderen Schachspiels. der später zum Kreisauer Kreis gehörte und nach dem 20. bleiben zusammen noch 2 Tiere übrig. wenn Butler Martin Jente ihm Mantel. Aufrecht erhielten ihn sein unbedingtes Pflichtgefühl und ein eigens für ihn zubereitetes Aufputschmittel. Die heutige Aufgabe lockt mit einer Stelle. In dieser komplizierten Stellung zieht Weiß an und setzt im zweiten Zug matt.) 6 »Pa. 2: Nr. ihnen fallen immer welche ein 34 Zeigte als Meeres Hyäne dem Knappen die Zähne 35 Zwei Getränke – ein Dirigententhema 37 Geflügeltes Wort für Längslaufereih 41 Etwas Farbe in die alte Sache gebracht. in jeder Spalte und in jedem 3x3-Kasten alle Zahlen von 1 bis 9 stehen. St. »Prinz und Bettelknabe«) 35 (Platten-)LABEL 36 KAESEGLOCKE 39 UEBERZEUGUNGEN 40 Groß-. auf dem vermerkt sei: »Eigentum von Ernst Reuter.de/ sudoku AUFLÖSUNG AUS NR. Und der ehemalige Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter berichtete gerührt. wie er auf fast schon wundersame Weise in den Besitz des Schachspiels kam. schloss der Erste Senkrecht: 1 Ohne … ist kein Glück erfreulich (Seneca) 2 Im Fettuccine. jetzt in Strickjacke. 67 SCHWARZ cyan magenta yellow . Ich habe es einfach gefühlt. Das Ziel ist. kann es nicht erzwingen. die mich die ganze Zeit anstarren. ob das Theater eine Extrapolation meines Lebens ist oder umgekehrt. seinen Stellenwert hat. aber ich habe es schon erlebt. Ich weiß nicht. Das empfand jeder so bei diesem einen Mal. andere Menschen zu beeindrucken. das Legato – selbst wenn wir tatsächlich nur da hocken und weinen. Sie geschehen nicht oft. und wenn es mir nicht gelingt.zeit. und darin hockt das Krokodil mit aufgesperrtem Maul. um allen zu zeigen. unten am Pier. Aber nur. diese weit aufgerissene Brust. aber dann hast du das Gefühl: Es gibt nichts Vergleichbares. Jetzt blicke ich von oben über ein großes Meer. damit sich die Begabungen entfalten können. wenn ich sterben soll. Das ist jedes Mal einzigartig. seine physischen Grenzen überwinden zu können D as Theater ist voll. habe mich also gerade über meinen Körper ausgedrückt. ich spüre. die mich ins Theater geholt haben. die ich aß. wenn ich töten muss. bei einem Sonnenuntergang. was in der Oper geschieht. und nur auf dich selbst wirken sie ungeheuer stark. Dabei beobachte ich das Publikum und entdecke plötzlich mittendrin mich selbst. trotzdem ist. Dass ich ihn in der Oper auch als Grenze erlebe. Dann töte ich. wenn ich lieben muss. wenn du die Gefühle zulassen und in Bewegung ausdrücken kannst. Menschen sterben. Oper ist eine Sprache des Unbewussten. eine Verbindung zu den Menschen herzustellen. Es ist eine sehr übersteigerte Kunstform. Aber es war irgendwie der perfekte Tag. uns Menschen vertraut. fühle das Prickeln der Gischt auf der Haut. fliegen?« Keine Antwort. das ich las. so etwas gab es noch nie! Aber mir genügt das nicht. Zugleich bin ich mitten unter den Leuten im Publikum und sehe auf der Bühne der Transformation meiner Person zu – die ihrerseits jetzt wahrnimmt. dass ich die Herzen erkennen kann und hören. in einem Café. Auf der Bühne bin ich nicht mehr einfach ich. wie ich da unten sitze und mir zuschaue. bei allen Anwesenden. Wie Alice die Katze frage ich den Mond: »Erklär mir doch bitte den richtigen Weg: Wie macht man das. Ich blieb den ganzen Nachmittag.. Es hat gedauert. Ich bin besessen davon. der sich den Körper sucht. 68 SCHWARZ cyan magenta yellow 68 DIE ZEIT LEBEN Ich habe einen Traum Nr. die Leute. und ich sterbe. die eigenen Grenzen zu überwinden. Ziemlich hoch über der Bühne stehe ich in der Luft. sehr lange habe ich mich als Künstler ständig infrage gestellt. die Einheit mit den Zuschauern herzustellen. bumbum … Und in dem Moment hebe ich richtig ab und fliege los. Im Sommer vergangenen Jahres wurde er in Salzburg als Alfredo in Verdis »La Traviata« gefeiert. Bis es der Ausdruck ist. Manchmal. Also schaue ich wieder nach unten. Auf der Bühne stehe ich eben nicht dank meiner Begabungen. Ob es gelungen ist. Hoch über der Bühne stehe ich in der Luft. Und dann geschieht es: Auf einmal muss ich mich nicht mehr auf die Uhr im aufgerissenen Maul des Krokodils konzentrieren und auch nicht mehr auf die Augen der Zuschauer. Das Lächeln gleicht jenem der Edamer-Katze aus Alice im Wunderland. und ich fühle die Schaumkronen. AUFGEZEICHNET VON CHRISTIANE GREFE FOTO VON RAINER ELSTERMANN Audio www. Richtig fliegen. hat die Oper noch immer Erfolg. das Buch. 68 SCHWARZ cyan magenta yellow . Januar 2006 ROLANDO VILLAZÓN wurde 1972 in Mexico City geboren. Dann hört alles auf mit einem tiefen Eintauchen. Seit Ende der neunziger Jahre gehört er zu den begehrtesten lyrischen Tenören der Welt. und ich? Ich bin bloß der buffone. Aber das genügt mir nicht. an dem du deinen Körper loswerden musst. die Menschen zu erreichen. sondern dank meiner Grenzen. Ich höre einfach auf damit. dann schreien wir wie die Sänger. Dieser Wunsch zu fliegen. bumbum. Will man bloß den Applaus haben und berühmt werden – o. Ich fliege! Nicht mal hoch. und alle trugen dazu bei. Es kann in einem Interview sein. Auch wenn es gelingt. Aber diese besonderen Momente in einer Aufführung können Räume im Unterbewusstsein öffnen. steht dazu nur scheinbar im Widerspruch. Wenn wir mitten in einer persönlichen Tragödie gefangen sind. die Pizza. Wenn ich darauf achten würde. Bedrohlich: tick-tack … Ich höre die Uhr. Nur das Lächeln des Katzenphantoms. das weiß man immer erst hinterher. ein Menschenmeer. Das ist nicht leicht. ist er doch zugleich eine Grenze. Aber man darf das nicht wollen. dann wäre ich wieder nicht im Augenblick. sie macht tick-tack. Es ist wie fliegen. Wirklich loszufliegen. Deshalb verwandle ich mich am Ende meines Traums auch in Wind und Wasser … Moment mal. Dann gehöre ich der Bühne und allem. dass ich höher und höher fliegen kann. Ich schwebe immer noch auf der gleichen Stelle. habe ich gedacht. Im Leben habe ich ihn genauso. Ich strenge mich ungeheuer an. und jetzt entdecke ich: ein Krokodil! Es gibt nämlich in diesem Theater keine Musiker. 3 DIE ZEIT S. Im Gegenteil: In dem Moment. Statt tick-tack. Also weiter: Sosehr ich als Darsteller auf den Körper als Instrument angewiesen bin. seine Bedeutung. dann bin ich gescheitert. Die ganze Zeit höre ich diese Uhr. dass dieses Besondere geschieht. endet nicht mit dem Auftritt. wie sie schlagen. Alle gingen ganz einfach ihren normalen Beschäftigungen nach. der Orchestergraben steht komplett unter Wasser. Das ist sehr eindrucksvoll. der sichelförmig am Himmel steht wie ein Lächeln. noch das der Menschen im Publikum. Schön. ich sehe das Krokodil und die Zuschauer und strenge mich maßlos an. ich hab nichts dagegen. das Meer. Damit meine ich: außerhalb des eigenen Körpers sein. Ich will nicht nur hübsch singen. bumbum. was die Geschichte glaubwürdig macht. dann erleben wir die langen Bögen schwieriger Entscheidungen. Bei jedem Auftritt wünsche ich mir. k. wie ich abhebe. liebe ich. Ich will fliegen. tick-tack höre ich diesen Rhythmus: bumbum. Ich sehe die Verantwortung des Künstlers darin.Nr. dann denkst du: Wie großartig sehe ich bestimmt gerade aus! Aber es sind vielleicht bloß ganz alberne Bewegungen. Ich kann nämlich schweben. meine Träume auseinander zu nehmen. Menschen tun wirklich wichtige Dinge. Ich will fliegen. so wie Peter Pan oder Alice im Wunderland. Und das meine ich nicht arrogant. was ich mache. was die Entfaltung des Besonderen an dieser Stimme behindert. Dass das. aber es will mir nicht gelingen. Lange. Mit elf Jahren begann er sein Musikstudium an der Espacios-Akademie für Darstellende Künste. dass auch ein buffone seinen Ort hat. Ich trenne mich von mir selbst. wie ich langsam überall feucht werde und wie der Wind über die Nässe streicht. wie die Menschen im Theater ihre Brust weit aufreißen. Es ist mein Lieblingsmond. Deshalb gibt es diesen Punkt. nicht bis zu den Wolken und schon gar nicht darüber hinaus. das Publikum ist hingerissen. dann fühlen wir die Gewalt in uns aufsteigen. wenn man eine gute Stimme hat. Richtig fliegen« Nr. mit aller Kraft. Ich fühlte überall. Ununterbrochen: tick-tack. Sie wollen sehen. Auch bei La Traviata gab es so eine perfekte Aufführung. bis ich verstand. Was mache ich eigentlich? Ich bin doch nur der Clown. Dann musst du fliegen. wird es vielleicht nicht mein ganzes Leben verändern. Ich will mehr. sondern ich würde meine Aufmerksamkeit immer noch nach außen lenken. Alles passte: die kleinen Läden. Aber es will einfach nicht gelingen. Alle Anstrengung zielt darauf. Da sehe ich einen Mond. Dieses Mal sind die Leute jedoch nicht wegen meines Gesangs gekommen. Eine Energieverschwendung auf der Bühne. ge- gen das zu kämpfen. Besser. Zugleich bin ich auch noch alle Impresarios. wenn es die anderen einbezieht. auch in der Liebe gibt es diese perfekten Momente. wo ich endlich fliegen kann. 3 DIE ZEIT S. mich aufzulösen und die Verbindung zu den anderen herzustellen. Weil es möglich ist. Hier träumt Rolando Villazón davon. der den Leuten ein paar nette Augenblicke bietet. nicht mehr umgekehrt.3 12. In dem Maul ist eine Uhr. ich muss die Herzen erkennen. was mache ich hier eigentlich. Aber eigentlich geht es nicht darum. eine Psychoanalyse? Ich habe es schon immer geliebt. Ich strenge mich an. So ist das Leben: voller Paradoxe. So weit. sie zu berühren. Menschen kämpfen. zu fliegen. Ich war früher Balletttänzer. meinen Körper als Grenze meiner Ausdrucksfähigkeit zu überwinden. verwandelt sich schon wieder alles. Vielleicht kann ich mich physisch ausdrücken. ausverkauft bis auf den letzten Platz. weil ich mich immer wieder darum bemühe.de/audio ROLANDO VILLAZÓN »Ich kann schweben. Menschen zu erreichen. Ich erinnere mich an einen Tag in Triest. Erst im Finstern nimmt man wahr. und sein Boden wirkt wie ein gefrorener Teich aus dunklem Eis. kann die unglaublichsten Farben und Formen annehmen. Jenseits der Baracke geht es nur zu Fuß weiter. Wir reihen uns ein in den Strom von jungen Familien mit Babytragetaschen. gefährlich kann auch ein umgeknickter Fuß werden. www. Eine Stunde oder mehr harren wir gebannt auf unseren rauen. die auf dem Rücken eines Elefanten herumkrabbeln. der zu den Unesco-Weltnaturdenkmälern zählt: Man kann kurze Lehrpfade erkunden. als vor Jahrhunderten der äußere Rand eines Lavastroms schneller erstarrte als sein Kern. die sich in geschützten Ritzen an ihr Überleben klammern. Aus unterirdischen Kanälen fließt KOCHENDE LAVA in den Pazifischen Ozean und färbt die Dampffahne von unten nach oben grellorange Hawaii (Big Island) Hawaii Honoka’a Hilo Kilauea Mauna Loa Volcano Village 30 km Hawaii Volcanoes National Park Information ANREISE: Ab Frankfurt am Main zum Beispiel mit KLM via Amsterdam. Lava ist Land-Art – eine ästhetische Entschuldigung der Natur für die Verwüstung. Aber es gibt auch Lavafelder. Hier riecht es nach Schwefel. Halema’uma’u ist das pochende Herz des Vulkans. Blöcken. die Göttin des Feuers und der Vulkane. und in manchen Erdspalten verstecken sich feine. Als wir nach einem stundenlangen. Lava. und auch in friedlicheren Zeiten wie jetzt dampft es noch bedrohlich aus den Erdlöchern an seinen Abhängen. und man fiele mehr als hundert Meter in die Tiefe.us/hawaii/ volcano-village-hawaii-hi-hotels. reißen immer wieder solche Gruben entlang der Vulkanflanken auf. über Spalten und Bruchkanten springen. eine Landstraße. kehren Sie auf der Stelle um«. Zum Hotel gehören zehn einfach ausgestattete. auf welchem Parkplatz der Wagen steht und welcher Freund oder Verwandter im Notfall zu verständigen ist und die Rettung veranlassen kann. haben sie kurzerhand die Insel untereinander aufgeteilt. Wo die gefräßige Glutwalze auf ihrer Vernichtungsbahn nicht hingelangt ist. Hawaii National Park. dessen Flanken sich kilometerweit in alle Richtungen erstrecken. Nach einer Stunde sind wir trotz Regenzeug so durchnässt und verfroren. 69 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto [M]: Roger Ressmeyer/corbis . Hawaii Tourism Europe. schrundigen Lavakruste gefährliche Zaubertränke gebraut. wie von Zauberhand. USA. während man kurz mit den Wimpern gezuckt hat. aus der sich hier und dort weiße Dampfschwaden in den Himmel winden. Wer nicht ihren Zorn erwecken will. bedrückende Ruhe.nps. Und man spürt. überschaubare Wanderungen in der Kraterregion unternehmen oder aber zu tagelangen Rucksacktouren in das back country aufbrechen – nördlich zum Gipfel des Mauna Loa. brüchigen kleinen Lavastücken. Nur dass darunter nicht Wasser. das wir sehen. glatten. des höchsten Bergs der Welt (jedenfalls.com). Die Parkverwaltung betreibt zwei kostenlose Campingplätze (www. dort hat kein Handy Empfang.html) AUSKUNFT: Hawaii Volcanoes National Park. Man hört nichts außer dem Knirschen der Gesteinsbrocken unter den Stiefeln und dem Zischen des Windes. Immer wieder verwandelt sich Halema’uma’u in eine brodelnde Lavagrube. der ganze Landstriche in asketische japanische Gärten verwandelt. dass hier nur der Zufall der Natur am Werk war. 3 DIE ZEIT S. vorbei an bräunlichen Lavaschutthügeln und verwitterten Schildern. Sie kommt in Brocken. Über dem Elefantenrücken liegt eine gespenstische. Weit und breit blickt man über endlose graue Ödnis. Platten. schwieligrauen Steinhaut begraben hat. 69 SCHWARZ cyan magenta yellow REISEN Nr. Erst bei ihrem Anblick begreifen wir so recht.hawaii-tourism. es gibt Lava. O. geborstenen Lavaklumpen erkunden. der Kilauea-Krater klafft unversehens inmitten einer friedlichen. 001-808/985 60 00. Scherben. ANZEIGE Nr. Immer wieder versperren umgekippte Bäume den Weg. Man mag kaum glauben. Am Ende lodert sie wie der Atemstoß eines gewaltigen Feuerschluckers ins Firmament hinauf. zum Feuer mit seiner unwiderstehlichen. die das Fehlen jeglichen Tierlebens bekundet. Nach einer Viertelstunde endet der Weg an einer Sperre. und ihre für Wasser und Regen zuständige Schwester um die Herrschaft über die Insel gerungen – und als keine gewinnen konnte. Zu Fuß durch den Volcanoes National Park auf Hawaiis Big Island VON SUSANNE WEINGARTEN P lötzlich liegt er vor einem: ein gewaltiger Krater. Flugzeit rund 23 Stunden.de Man hört nur das Knirschen der Gesteinsbrocken unter den Stiefeln Am Napau Trail ist die Luft heute rein.nps. Aber dann endet das Lavafeld. Tel. Die Wanderer verteilen sich auf dem Lavafeld. die von ferne trügerisch wie ein frisch gepflügter Acker wirken.gov/havo/home. tote Geröllkruste kaum fassen. der einen kalten. Und dann verwandelt sich auch die Dampffahne. In diesem Abgrund lebt nach der Legende die Göttin Pele. aber auch in jenes Hinterland der Lavafelder.gov/havo/visitor/camping. als wäre eine Bühnenkulisse verschoben worden. ein Plätzchen mit freiem Blick auf die Dampffahne zu ergattern. man muss aufgeschichteten Steinhäufchen folgen. die wie runzlige Baumrinde anmutet. Box 52. das im Süden zwischen dem Kilauea-Krater und der Pazifikküste liegt. und andere. die einen geduldig über alle Unwägbarkeiten aufklären. toben sich zwei dieser Titanen immer noch aus. die sich nun wieder vor uns ausdehnt. hier schmatzt nasse. Gefährlich ist nicht nur der giftige Schwefelgeruch in der Luft. als würden in Hunderten von Hexenkesseln tief unter der graubraunen. Es herrscht eine erwartungsvolle Spannung wie vor einer Freiluftbühne. und sie verwandelt es in einen atemberaubend fremden Nachtspuk. die hier »Peles Haar« genannt werden. Der Übergang ist so jäh. dass wir auf dem Gipfel eines gigantischen Vulkans stehen. die vom Kilauea-Krater in lang gezogenen Kurven hinunterführt bis an die Küste. harten Lavalogenplätzen aus. 3 DIE ZEIT S. stechenden Nieselregen über die kahle Ebene jagt. P. mit Unebenheiten an den Wänden. Und alle warten auf den Anbruch der Nacht. mit Kraterblick ab 200 US-Dollar (knapp 171 Euro). »Das kann gefährlich werden. wenn man vom Meeresboden aus rechnet). Der floss einfach weiter und ließ eine Röhre hinter sich. die einstige Bewegung. und selbst den gangbarsten Weg über die zerklüfteten. der sich flach auf dem Kraterboden ausgestreckt hat. Bald fühlen wir uns wie Flöhe. hier sprießt nichts außer ein paar kümmerlichen Farnen und Pukiawe-Sträuchern. Los Angeles und Honolulu nach Hilo (Big Island). hier riecht es modernd-streng nach Wachsen und Vergehen. Nein. Wenn man sich umdreht. unter denen tiefe Furchen klaffen – Wandern auf einer Vulkankruste ist ein bisschen wie Bergsteigen ohne Berge. wie Mark Twain bei einer Visite einst bemerkte. genau dort treffen Feuer und Wasser aufeinander. und es gibt feinen schwarzen Lavakies. auch mitten in der unwirtlichsten Gegend. HI 96718-0052. als Schlacke und Asche. Nur ein paar Schritte nach vorn. jeder versucht. Langsam verfärbt sie sich von unten nach oben zu einem grellen Orange. 3 12. Lava hat bei einer Eruption 1986 die letzten 15 Kilometer der Straße einfach überrollt. Teenagercliquen und japanischen Reisegruppen. ehe sich der Vorhang hebt. hier zwitschern Vögel und zirpen Zikaden. Draußen hat es schon wieder zu regnen begonnen. Die Wasserschwester bekam den Osten. als hätte sie ein Riesenkind mit ungelenken Fingern aus Pappmaché geknetet – nicht ganz perfekt. fruchtbare Erde unter den Füßen. Zuerst leuchten.htm. Aus dem Regenwald tritt man in ein hohes Gewölbe. Die rußschwarzen. Zur Thurston Lava Tube ist es nur ein kurzer Abstecher von der Hauptstraße des Nationalparks. Der erste Blick in den Kilauea-Krater im Hawaii Volcanoes National Park wirkt so bestürzend. dass uns – Pele hilf! – ein kleiner Vulkanausbruch ganz gelegen käme. auf dem der Volcanoes National Park liegt. Nebenkessel und Regenwälder. senkrecht abfallenden Wände von Halema’uma’u sind mit gelblich-weißen Schwefelablagerungen gesprenkelt. Es ist ein alchemistisches Spektakel. Ins Hinterland führen keine Straßen. die mehr oder weniger behände in der Dämmerung über das dicke Gesteinsbett entlang den Klippen kraxeln. Und an denen man sich verdammt klein vorkommt. an denen man die ungeheure Wucht der Erdkräfte erahnt. als würde ein Heer von Fackelträgern den Berg zum Ozean hinabschreiten. als würde sie die Farbe nach und nach aus der Erde aufsaugen. Es riecht nach Schwefel Doch die Anstrengung des Trecks hat sich gelohnt: Wenn man die dicht bewaldete östliche Steilkante hinuntersteigt und quer durch den Krater wandert. Doch die Eintönigkeit der Vulkanwüste ist nach einer Weile gar nicht mehr eintönig. Das heißt auch: nach Halt tasten. Eine Wochenkarte für den täglich rund um die Uhr geöffneten Park kostet pro Auto 10 US-Dollar UNTERKUNFT: Im Volcanoes National Park gibt es nur ein Hotel. weiter mit dem Mietwagen ZEIT-SGrafik Pazifischer Ozean NATIONALPARK: Der einzige Eingang liegt circa 45 Kilometer südwestlich von Hilo am Highway 11. Am Halema’uma’u spürt man das Erhabene. www. klettern. Hier bricht sich das Licht zwischen übermannshohen Farnwedeln und ausladenden ’Ohi’a-lehua-Bäumen. Nur vier. drehen wir uns immer wieder um. das merkt man erst nach und nach auf Wanderungen durch den Park. lodert das Meer. tut gut daran. Als wir nach einer Viertelstunde am anderen Ende des Waldes hinaustreten. die den Verlauf der Strecke anzeigen. können wir ihn nur zu gut verstehen. Tel. das Volcano House unmittelbar am Kraterrand (Tel. aber doch bemerkenswert rund und wohlgeformt. und A’a. An einer Stelle hat sich gar ein Tunnel gebildet.htm). muss die Erde am Beginn ihrer Entstehung gewesen sein: ein einziges kahles Nichts. denken wir nach ein paar Stunden. In der altmodischgemütlichen Lodge mit Kamin in der Lobby und schlicht eingerichteten Räumen kosten Doppelzimmer ohne Kraterblick ab 95 US-Dollar (rund 82 Euro). ein Amphitheater aus Geröll – und alle starren gebannt in eine Richtung. dann einen allerletzten Blick auf die flammende Wolke erhaschen. Die Dunkelheit fällt auf das Land herab wie ein schwarzes Tuch. Einen regelrechten Pfad gibt es nicht. Auf Hawaii wird unterschieden zwischen Pahoehoe. die Taschenlampe in der Hand. Man gibt den Rangern an. Im Osten des Big Island muss man immer mit Regen rechnen. warnt uns der freundliche Ranger in der Parkverwaltung. flackernde Feuerpunkte am Hang links oberhalb der Klippen auf: Es ist nur Lava. können wir die triste. Splittern vor. Die ganze Inselkette von Hawaii ist durch Unterwasser-Vulkanausbrüche entstanden. wuchert die Natur wie zum Trotz mit unbändiger Kraft. flachen Hochebene: wie eine Kiesgrube der Götter. »Wenn Sie auf Ihrer Wanderung einen schwefligen Geruch in der Luft bemerken. feuchten Treck kreuz und quer durch den Kilauea-Kessel einen Regenbogen entdecken. Der Weg führt über Lava.volcano househotel. einen tiefen Kessel innerhalb des Gipfelkessels. schützender Regenwald. ehe sich die Busladungen von Tagesbesuchern in den Tun- nel ergießen. dann erreicht man am anderen Ende das pochende Herz des Vulkans: Halema’uma’u. Wenn es Abend wird. die im Abendlicht glänzt wie nasses Seehundfell. wie aus Glas gesponnene Lavafäden. lockt es die Menschen in Scharen. die warnen: »Vorsicht! Gebiet mit dünner Kruste! Bleiben Sie auf dem Pfad!«. Rentnerehepaaren. und von der Decke hängen lange. Wir wandern im Morgengrauen her. die einem vorwitzig Wassertropfen in den Nacken träufeln. Wir wollen unbedingt noch einen letzten. Januar 2006 DIE ZEIT 69 Bleiben Sie auf dem Pfad! Der Kilauea ist einer jener Ehrfurcht einflößenden Orte. aber es wirkt. »nicht unangenehm für einen Sünder«. denn in der erkalteten Starre dieses unerhört leeren Todestrümmerfelds erahnt man immer noch den Fluss. aber auch Unheimliche der Vulkanlandschaft deutlicher als irgendwo sonst: Die Lava scheint gleichzeitig tot und lebendig zu sein. lang gezogenen Lavawülsten. Weitere Unterkünfte verschiedener Preiskategorien gibt es im unmittelbar am Parkeingang gelegenen Ort Volcano Village (http://hotel-guides. der Kilauea und der Mauna Loa. aber. Genau dort fließt kochende Lava aus unterirdischen Kanälen ins Meer. 089/23 66 21 77. Für back country-Wanderungen muss man eine Genehmigung bei den freundlichen Rangern einholen. Es ist dunkel und kalt. Gelegentlich taucht ein kleinerer Krater am Wegrand auf – weil sich die Magma unterirdisch vom KilaueaGipfel ihren Weg hinab zum Meer bahnt.« 240 Kilometer Wanderwege durchziehen den knapp 135 000 Hektar großen Volcanoes National Park. die sich vor mehr als einem Vierteljahrhundert über einen Teil der östlichen Vulkanflanke gewälzt und alles Leben unter einer lappigen. Manchmal will man sich einfach nur noch hinlegen. auf denen man bei jedem Tritt herumrutscht wie auf einer Kohlenhalde. Jeden Abend zieht sich ein regelrechter Autokonvoi die Chain of Craters Road entlang. ihr als Opfergabe ein paar Ohelo-Beeren in die Grube zu werfen. das weit in die Erde hineinführt. Der Kilauea-Krater ist einer jener Ehrfurcht einflößenden Orte. 001-808/967 73 21. sondern kochende Erdbrühe schwappt. und auf dem Big Island. um einen Blick hinab in den Vulkanschlund zu werfen. und uns umgibt ein hoher. Nur an einer Stelle im Park kann man derzeit den Vulkan richtig in Aktion beobachten – und dorthin. www.Nr. Weit vor uns bläht sich eine riesige weiße Dampffahne Hunderte von Metern hoch in den Himmel. zottelige Grassträhnen. fünf Schritte liegen zwischen Unwirtlichkeit und Üppigkeit. Man muss nicht erst einen Berg erklettern. Nach 35 Kilometern bricht die Chain of Craters Road abrupt an einer Ranger-Baracke ab. leer und zerklüftet – eine Todesbrache. an denen man sich verdammt klein vorkommt. archaischen Kraft. So. die rund um den KilaueaKrater führt. durch die Dunkelheit zurück zur Chain of Craters Road stolpern. die Verwandlung von Wasser in Feuer. Der hiesigen Überlieferung nach haben einst Pele. Die Röhre wirkt. dass die Naturgewalt jeden Augenblick wieder ausbrechen kann. bietet sich ein aberwitziger Anblick: Hunderte von winzigen bunten Gestalten sprenkeln die weite Brache. nicht beheizbare Hütten im Park (50 USDollar pro Nacht). was am Tag nicht zu erkennen war. weil der Krater völlig unerwartet in der Landschaft auftaucht. die sie anrichtet. aus denen dann glühende Fluten hervorbrechen und das Land verwüsten. und selbst als wir schließlich. . in der Charlotte arbeitet. kann jetzt auf einer geführten Tour durch New York den Spuren der Fernsehstars folgen. Und in Deutschland? Wir haben eine Liste mit 19 stillgelegten Liften. ab 1795 Euro inklusive Flug. mit Schweinsmaske und einem Polizeihelm auf dem Kopf das Haus verließ. Bergbau. in der man wie Carrie & Co. Düsseldorf. in einem Latexcatsuit. da wir dem Lifttourismus wegen des Klimawandels ohnehin keine Zukunft mehr geben. Vorträge und Workshops wie auf Burg Rode in Herzogenrath sollen das Denken und Schaffen des Allrounders aus der Renaissance nachvollziehbar machen. Aber das ist ja nicht so einfach. Gastronomie und Events. 02331/90 48 10. Zum einen findet man für Schlepplifte Wiederkäufer. wie der Deutschen Märchenstraße oder der mit 1500 Hinweisschildern bestückten Industriekulturroute im Ruhrgebiet. Noch präsentieren sich die Denkmäler bisweilen sehr museal und wissenschaftlich. zu guter Letzt die Bar. Doch jetzt. Bei der jüngsten Biennale in Venedig war ihm ein ganzer Saal gewidmet. weil bisher nur Industriedenkmäler aus drei Ländern vertreten seien. die sich zum multikulturellen Kristallisationspunkt für Ausstellungen. Und es geht ja nicht nur um das Eisen. Dazu kommen Betonfundamente. manchmal möchte man das schon. Vorkenntnisse sind nicht nötig. 3 12. Denn ERIH stellt keine ausgeschilderte Ferienstraße dar. Und nie ungeschminkt. Abgewickelte Industriegiganten. Sind Liftruinen nur ein ästhetisches Problem? Na ja.1-Millionen-Euro-Projekt wird finanziert unter anderem durch EU-Fördergelder. Mountain Wilderness wird also nicht zum Robin Wood der Berge? Das können wir gar nicht. Fans wissen längst. »Sex and the City Hotspots«. In der Alpenkonvention ist der Rückbau nicht zwingend vorgeschrieben. »Um sie touristisch aufzuwerten. die touristische Pakete schnüren. Wer sein Herz an die amerikanische Kultserie verloren hat und sich die noch andauernde Sendepause versüßen will. In mehr als drei Stunden werden etwa 40 Drehorte angesteuert. 39. die das Tal des Severn überspannt. Wissenschaft und Gesellschaft im niederländischen Kerkrade. Gerade dort. Eine weitere von insgesamt acht Ausstellungen findet im Aachener Marienhospital von Anfang März bis Anfang Mai statt und beschäftigt sich mit da Vinci und der Anatomie. die man so nur im Internet findet«. erklärt Robert Datzer. Januar bis 12. Tanz und Theater gemausert hat. um die er sich dann allerdings während der Fahrt auch kümmern muss. Und obwohl das Betreten von Carries Haus leider untersagt ist. NRW-Forum. und uns reicht noch der Ärger. Das Ruhrgebiet hatte es mit seiner seit 1999 bestehenden Route der Industriekultur vorgemacht. Neben der ausführlichen Beschreibung der Ankerpunkte und der Routen findet man im Internet-Portal überdies Hintergrundinformationen zur Industriegeschichte in Europa. die sind vergleichsweise leicht zu verwirklichen. ist im Vorstand von Mountain Wilderness Deutschland. Dienstag bis Sonntag von 11 bis 20 Uhr. Dazu gehören Führungen und Informationsmaterial. Das ist geglückt: Die so genannten Ankerpunkte – industriegeschichtlich bedeutende und touristisch attraktiven Standorte – ziehen inzwischen viele Besucher an. 3 DIE ZEIT S. Heute ist der Berg ein beliebtes Ziel für Wanderer und Skitourengeher. Zum anderen erfordert der Rückbau viel Sachkenntnis. werden transnationale Themenrouten (Textil. Zum ERIH-Netzwerk gehören Industriedenkmäler ganz unterschiedlicher Couleur. den Niederlanden und Deutschland – bilden das Rückgrat der europäischen Route und sollen das gemeinsame Erbe der Industriegeschichte vermitteln. definieren wir bestimmte Qualitätskriterien«. Bei den anderen lassen die Betreiber die Anlagen vor allem aus zwei Gründen im Gelände. Doch Klenner räumt ein. GÜNTER ERMLICH Um Leonardo da Vinci drehen sich in der deutschniederländischen Euregio Rhein-Maas ab sofort jede Menge Aktivitäten. dass »der Name ›Europäische Route‹ sehr verwegen ist«.0031-45/567 60 22.industrion. Es gibt Wünsche. 3 DIE ZEIT S. Es kam ziemlich oft vor. dem Enkel. Freud entdeckte Bowery als lebende Skulptur in wechselnden Kostümen aus Tüll.kodiak-reisen. Samt und Leder im Schaufenster der noblen Avantgardegalerie Anthony d’Offay. 70 SCHWARZ cyan magenta yellow 70 DIE ZEIT Reisen Nr. Wie in der politischen EU gibt es auch bei der Europäischen Route jede Menge »Erweiterungskandidaten«. Unser Bild: »Session I. 200-mal Fergus Greer: Leigh Bowery – in exaltierten Posen und schrägen Maskeraden zwischen Clown. den wir uns kürzlich eingehandelt haben.Nr. Energie. Tickets umgerechnet rund 33 Euro. Herzogenrath. Bowery war sein eigener Kostümbildner. oder der Laden. Die Eisenwerke nahe der englischen Stadt Telford und die imposante Eisenbrücke. Das 2. Mit dem Unternehmen Kodiak Reisen zum Beispiel geht es in den schwedischen Teil von Lappland. wieder laufen. Außerdem möchten die Liftbetreiber die Option auf einen erneuten Betrieb offen halten. Aachen.screentours. Ausstellungen. Jetzt wird er wiederentdeckt. Das möchten wir auch für Deutschland. Das ist auch der Grund.net auftritt. der man nachfahren könnte. da sind aber auch aufgegebene Hotels dabei. Diese Leuchttürme der Industriekultur – in Großbritannien. Die touristische Vermarktung spielt eine zentrale Rolle. Eintritt: 2. Tel.und Talstationen. In seinen einstigen Fabrikanlagen sind heute zehn industriegeschichtliche Museen untergebracht. Die Objekte sind Privatbesitz. Punk und Diva. 27. INTERVIEW: WOLFGANG ALBERS Nr.und Stahlregion und soll den Tourismus ankurbeln. wo regionale Routen entwickelt werden. www. weil wir auf Privatgrund demonstriert haben. Zeit-. Frühzeitige Reservierung empfohlen Von Schlot zu Schlot Eine virtuelle Route verbindet ausgediente Industriegiganten in drei Ländern Ironbridge ist ein symbolträchtiger Ort. da die Grundstruktur mit dem Internet-Portal steht. dass der nach London emigrierte Australier mit Plateauschuhen. Und am liebsten erstellen wir auch gleich alternative Konzepte. »Unser Ziel ist es. Gibt es viele davon? Foto: privat werden. warum die Anlagen stehen gelassen werden: Der Abbau ist sehr teuer. Das Paradebeispiel für einen gelungenen Rückbau in Deutschland ist die Renaturierung des Skigebiets Gschwendner Horn in Immenstadt. Indem wir zum Beispiel das Wissen um den Rückbau fördern. sind auf einer ausgeschilderten Thementour miteinander verbunden worden. andererseits als Werbeplattform.nrw-forum. denn zu Beginn der Reise werden die Nordlandfahrer auf einer Farm mit dem Handwerk eines Mushers vertraut gemacht. www. nach Auskunft der Besitzer. weil ihre Bestandteile Biotope gefährden? Aber die Geldfrage werden Sie kaum aus Ihrer Vereinskasse heraus lösen können. Was wollen Sie vorerst tun – zur Säge greifen? In der Schweiz haben unsere Kollegen 70 nicht mehr genutzte Seilbahnanlagen ermittelt. 9. müssen diese laut Konvention abgebaut Natürlich nicht. jeden Samstag um 11 Uhr. Was etwa macht man mit den Fundamenten? Zerkleinern und vor Ort integrieren? Oder müssen sie komplett entfernt werden. So ist jetzt eine Seilbahn am Kranzberg bei Mittenwald nach fast 30 Jahren Pause wieder aktiviert worden. die aber meist noch in Planung sind. 70 SCHWARZ cyan magenta yellow . was hier gespielt wird: Sex and the City. ebenso wie die Galerie. darf man immerhin auf den Stufen davor ein wenig von ihr träumen. einem Museum für Industrie. wenn sie auch Geld bringen. In Bad Reichenhall sind am Predigtstuhl drei Lifte seit 1994 stillgelegt. öffentliche Verkehrsanbindung und Parkplätze. Sie zeigt das industriekulturelle Erbe der ehemaligen Kohle. Darf man stillgelegte Anlagen einfach stehen lassen? In Bayern können die Behörden anordnen. die Route auch durch andere Staaten zu führen und weitere Industriekultur-Anker ins Boot zu holen. Allerdings führt der Begriff »Europäische Route« ein wenig in die Irre. Da kann es Altlasten von Motorenöl geben. Deshalb sucht ERIH auch den Kontakt zu den Tourismuseinrichtungen.50 Euro. Nicht nur.und Arbeitsaufwand. Ironbridge ist einer von 45 Ankerpunkten.com. sagt die Projektkoordinatorin Christiane Baum. sagt Christiane Baum. die mustergültige Industriesiedlung Saltaire Village im nordenglischen Bradford oder das Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Fünf wurden komplett abgebaut. Geschäftsführer von Nordrhein-Westfalen Tourismus und ERIH-Projektleiter. Look 7« vom Juli 1989. Wie zum Beispiel der Landschaftspark Duisburg-Nord. Die Masten rosten. Mountain Wilderness möchte die Berge von Zivilisationssünden befreien. eine unerreicht bizarre Ikone der Londoner Szene der achtziger Jahre – und Muse und Aktmodell des am Hautnahen interessierten englischen Malerstars Lucian Freud. Bowery starb 1994 mit 33 Jahren an den Folgen von Aids. Januar 2006 Frisch vom Markt Mirandas Lieblingsbäckerei liegt an der Strecke. Wir wollen in erster Linie sensibilisieren – die Öffentlichkeit und auch die Bahnbetreiber. 001-212/209 33 70. Für Ihr neuestes Projekt haben Sie Altlasten in den Alpen ausgemacht: stillgelegte Skilifte. Dabei erhält und lenkt jeder Teilnehmer ein eigenes Gespann mit vier Huskys. Strenggenommen sei ERIH »eine virtuelle Route. Februar. Nur wenn neue Anlagen die alten ersetzen. Januar bis 6. Vorträge und Workshops unter anderem in Kerkrade. einen Projektentwurf auszuarbeiten oder auch die Projektleitung zu übernehmen. eine Anlage zu beseitigen. in dem Aidan seine Designermöbel ausstellt. Unsere französischen Kollegen haben mehr als 250 nicht mehr genutzte Bauten registriert. 0211/892 66 90. das einer der Projektpartner ist. Ihr Zentrum hat die neunmonatige Veranstaltungsreihe im Industrion. Dann werden halt die alten Anlagen modernisiert. da wird auch einiges in den Boden gewaschen. einer wird jetzt privat genutzt. dient einerseits Experten zum Erfahrungsaustausch. Das touristische Informationsnetzwerk. Lifthäuschen. Dort läuft bis Anfang März eine Ausstellung mit 45 Holzmodellen aus Italien. den berühmten Cosmopolitan-Cocktail serviert bekommt. die Industriekultur für den Tourismus europaweit zu öffnen«. früher das Thyssen Hüttenwerk Meiderich. »wollen wir Organisationen gewinnen. dessen Gasometer zum Tauchparadies und dessen Erzbunker zum Kletterfelsen konvertiert sind. zum Beispiel das Niederländische Textilmuseum in Tilburg. sagt Rainer Klenner vom Städtebauministerium Nordrhein-Westfalen. Wir treten zusammen mit anderen Umweltschutzorganisationen vehement dafür ein. Ehrenhof 2. um die Industriekultur einer größeren internationalen Öffentlichkeit bekannt zu machen. das in Form des Portals www. weil es in Bayern nur sehr schwer Genehmigungen für neue Lifte gibt. Das NRW-Forum Kultur und Wirtschaft in Düsseldorf zeigt nun Fotos. Informationen zur Route und Buchung: Tel. Oder wie die Zeche Zollverein in Essen. Der Anfang ist gemacht. bis 4.de Zurück zur Natur KARIN LANKES. Verständigungsprobleme muss die treue Gefolgschaft aus Germany nicht fürchten: Die Rundgänge gibt es auch auf Deutsch. Aber wir haben Erfahrung mit Spendensammeln und EU-Förderung. Konzerte. Freitag bis 24 Uhr. frühestens jedoch im Winter 2006/07. So bietet neben der Ruhrgebiet Tourismus GmbH (RTG) ein halbes Dutzend kleinerer Veranstalter Pauschalreisen auf den Spuren der Industriegeschichte im Pott an. Jetzt gehört das zum Unesco-Weltkulturerbe geadelte Ironbridge auch zur Europäischen Route der Industriekultur (ERIH). die auf den Zeichnungen des Universalgenies basieren. außerdem werden verrottende Bauten leicht zur wilden Müllkippe. am Nordseekanal oder in Südwales und den Midlands). denn die Standorte können nur weiterexistieren. Berg. eine Rückbaupflicht aufzunehmen. ein PerformanceKünstler. März. wie es sie im Ruhrgebiet schon gibt«. MAC »Ferguson Greer: Leigh Bowery«. www.de Leigh Bowery war eigentlich zu groß für dieses Leben – nicht nur wegen seiner Körpermaße von zwei Meter zehn und seiner sehr beträchtlichen Leibesfülle. wo mehrtägige Hundeschlittentouren in kleinen Gruppen unternommen werden. Und dann möchten wir helfen. 13. Eisen und Stahl. denkt man daran. gelten als die »Wiege der industriellen Revolution«. Material. Veranstaltungstipps und Links zur Industriekultur. heute Erlebnisorte der Freizeit. Husky-Safari »Muskus Adventure« in Schwedisch Lappland. in einer nachgebauten Kleinstadt stellen kostümierte Darsteller Arbeiten und Leben im England der Queen Victoria nach.nl/davinci MAGNET Einmal Musher sein und als Hundeführer den ei- genen Schlitten über den Polarkreis lenken. Nach diesem Vorbild wurde die Europäische Route der Industriekultur entwickelt.erih. sollen aber. Auskunft: Tel. www. Wir bieten Gemeinden oder Liftbesitzern an. Auskunft: Tel. die der Fotograf Fergus Greer gemacht hat. Die Bergschutzorganisation möchte die Alpen von Alteisen säubern Frau Lankes. Sie wurde vor ein paar Wochen an dieser traditionsreichen Stelle feierlich eröffnet. Ausgehend von der Hauptstrecke mit ihren Ankerpunkten. In der Schweiz wird das Seilbahngesetz gerade überarbeitet. »Leonardo da Vinci – 101 Projekt«. Wasser) sowie regionale Routen konzipiert (unter anderem im Rheinischen Schiefergebirge. Auf einer Skala. bis 7. Die unnachgiebige Härte der alpinen Natur legt ihnen nach wie vor den Existenzkampf mit in die Wiege. von ständigen Muren und Lawinenabgängen vertrieben wurden. im Hotel mit Halbpension zwischen 29 und 105 Euro. Jahrhunderts via Pitztal neues Wild einwandern. Eher typisch für Feichten sind (im Sommer) die »Fledermausnächte«. Kleine Zeichen neuen Wohlstands gibt’s zwar schon. trägt der nicht zum Treibhausklima bei? »In den letzten grünen Wintern«. 71 SCHWARZ cyan magenta yellow . »um die Skilaufhorden zufrieden zu stellen«. Skibus. 3 DIE ZEIT S. wenn die vielen Mannschaften bei uns trainieren. siedlungsmäßig veranschaulicht. Das befürchtete Remmidemmi blieb aus VON PETER HAYS Fotos: R. Tiroler Oberland & Kaunertal. die im Kaunertal spielt: »… und ziemlich bald nach dem Licht schuf Er die Bewegung …« Das könne man auch auf jene Skifahrer. donnerstags bis sonntags drei Übernachtungen. Zurzeit schreibt der Dorfpfarrer an einer Version des göttlichen Schöpfungsakts. Damals hatten die Kaunertaler ihren Weißseegletscher skitouristisch erschlossen und dafür viel verbale Prügel bezogen. »Aber heute«. Die hat’s immer wieder gegeben.« Und der Einsatz von 17 Schneekanonen auf dem Ferner. Und: »Demnächst kommen Solarzellen aufs Dach des Gletscherrestaurants.« Auf dem Dach des Kaunertals haben vor dem Gletscherrestaurant Weißsee. dem Ötztal (10 000) oder dem Zillertal (30 000). Er entbietet ein wie aus Alpenfels gehauenes Statement: »Die Kaunertaler schuften fast allesamt im Fremdenverkehr. Mautgebühr ab 165 Euro AUSKUNFT: Tourismusverband. Ortspfarrer Rietzler. konnte Hubert Rietzler bislang unter den Einheimischen keine Reumütigen entdecken. kann wohl keiner verdächtigen. Sollten die Kaunertaler also. Und unser Vereinsleben floriert wieder. eine schwarze Null. 32 Kilometer an Pisten sind auf einer Höhe zwischen 2150 und 3160 Metern trassiert. Schmid/Bildagentur Huber. wo sie sich etwa als Zimmerleute verdingten. Eher wittert er einen Zweifler in dem Mann. und noch seien die Eigentümer. Beim Bau der Mautstraße vor fünfundzwanzig Jahren haben wir fünftausend Jahre alte Zirbelbaumreste unterm Eis ausgegraben. auf 2750 Meter Höhe. Das ist ein Imperativ für sie. Hier lebten einmal alteingesessene Almbauerndynastien – bis sie Mitte des 19.« Fichtenholzhütten der Skiverleiher. hob i’ net. 3 12. Geschäftsführer der Gletscherbahngesellschaft und nicht zuletzt seit seiner Jugend leidenschaftlicher Bergsteiger. Investigativer Eifer ist in diesem recht kompakten Dorf auch heute nicht vonnöten. 71 SCHWARZ cyan magenta yellow Nr.Nr. Talgemeinden und deren Agrargemeinschaften. etwa vom 4. spielen zum Beispiel bei der Kaunertaler Musi’ mit. wurden die Kaunertaler verglichen. Heute gibt es dort oben einen Funpark mit Halfpipe und Obstacles für die Snowboarder. Inzwischen schreiben wir. und für den sonnigen Firnschnee-Frühling. aber nicht wehmütig an die sanft geschwungenen. um sein Weißgoldvermögen nicht zu deutlich zu zeigen. Sex und Suff« sich hier nur schwerlich entfalten könnte. die von Unmut bis Groll reicht. ein Einheimischer muß von ihnen leben wie der Fischer vom Meer. Das klingt doch nach Sättigungszahlen. Und Triebhaftigkeit ohne Hüllen bieten allenfalls die einheimischen Steinböcke während ihrer Brunstzeit – falls man ein gutes Fernglas dabei hat.und Schneekettentests machen die Hersteller jetzt nur noch auf der Straße. Die Tageskarte kostet 33 Euro in der Hauptsaison. erklärt der Lawinenexperte. scharf kritisiert? »Wir haben bewusst nur ein eng begrenztes Gebiet erschlossen«. »Vor sechs Jahren. wenn auch aus glaubwürdigem Munde. günstig gekauft. ließ man ab Mitte des 20. in dem sein Grauvieh überwintert. nicht lokal bedingt. Rund 200 Höhenmeter weiter oben liegen verwitterte Grundmauerreste verstreut auf einer Hochwiese. Winterreifen sind ein Muss.zeit. Mit ihnen konnten wir den ersten spärlichen und damit lawinenträchtigen Schwimmschnee festigen.« Einem Bergkenner wie dem Eugen Larcher entlockt man auch ohne Tarn-Skimütze eines Schneeund Eis-Wallraffs durchaus Selbstkritisches. was geworden ist seit damals. nach dem Lawinenunglück in Galtür. Die Frage. da ist das Kaunertal ganz vorn mit dabei. die der Volkskundler und Schriftsteller Hans Haid überall in Tirol ortet. Warum also plant die Gletscherbahnen GmbH eine »Zu. jungfräulichen Schneepolster der Gletscherregion.« Er zeigt zur linken Hand auf den Gepatschfener: »In etwa hundert Jahren ist der um rund zwei Kilometer zurückgewichen. der »allmächtigen Seilbahnlobby« anzugehören. Keine paar Dutzend Meter vom vornehm. Mit »Flachland-Industriellen. die selbst im Sommer zum hochalpinen Carven und Powdern kommen: »Ein herrlicher Anblick droben auf dem Firn und Bruchharsch. zu sehen. die von der Armut zum Wildern getrieben wurden. Kirchenwirt. dass die unter dem Dachbegriff »Porno alpin« etwa von Hans Haid in Sölden gesichtete »Dreiheit Ski. Wer einen Skipass hat.« Denn in der Bettenliga der Tiroler Gletschergebiete sei man absolutes Schlusslicht: mit 1700 weit hinter dem Stubaital (8000). als ob er etwas zu beichten hat. Links. also etwa jeder Zehnte. Die Pitztaler Liftkollegen haben uns aus der Klemme geholfen durch den Kauf von Anteilen bei uns. ist die Bevölkerungszahl wieder auf 600 gestiegen.und Rückbringerbahn« auf die 3535 Meter hohe Weißseespitze? »Wir brauchen so einen hohen Lift für den Herbst. Auch die paar Après-Schuppen wie Zappa Dello oder die niedliche kleine Pfiffalm deuten an. auch durch die Kaunertaler selbst. um nicht zu sagen Widerständler auf den Plan gerufen habe. Als »Niederschlagsbeobachter« der Tiroler Wasserwerke war er früher bis auf einer Höhe von 3300 Metern unterwegs und kennt sich aus mit Bergen und Lawinen. auch mal selbst den Ferner. der fast alle hier ernährt.« Ist das nicht Schmelzwasser auf die Mühlen des Hans Haid. Vom Ortsbild geht für jedermann sofort die Botschaft aus: Die von Hans Haid etwa im Ötztal gesichtete »Beleidigungs-Architektur« hat bislang nicht Einzug gehalten. anders als in manchem Tiroler Remmidemmi-Tal eine geschickte Balance zwischen Naturschutz und skiwirtschaftlichen Interessen gefunden haben? Eugen Larcher ist Feichtener Altbürgermeister. Ferienwohnungen zwischen 26 und 95 Euro pro Tag PAUSCHALEN: Zahlreiche Angebote. die sein Besitzer morgens penibel schneefrei bürstet. um zu sehen. resümiert Pfarrer Rietzler. wirkt Hubert Rietzler.« Jetzt ist er wiedergekommen. Tourismusverband Füssen Reutte 17 D E UTSC H L A N D GarmischPartenkirchen 179 187 Fernpass Ö STE R R E IC H A 12 L e c h ta l e r Alpen Landeck Prutz Feichten 180 Innsbruck T i r o l Stubaier Alpen Kaunertal StauseeGepatsch Weißseegletscher I TA L I E N 15 km ZEIT-Grafik 26 KILOMETER LANG windet sich die Straße in 29 Kehren hinauf zum Gletscherskigebiet unter der Weißseespitze (Bild rechts außen) P farrer Hubert Rietzler wirkt nicht so. der nach 25 Jahren wieder ins Kaunertal kommt. von denen immer wieder gemunkelt wird. den Aufwärm-Iglus der Skischule und einem Panoramarestaurant mit Freeflow. der Skipass für vier Tage 111. »Weißgoldgräber« wurden ausgemacht.« Vor dem Hotel Kirchenwirt dampfen die Misthaufen Freilich muss auf derlei unerwarteten Enthusiasmus. Frostschutz. bei denen Gäste das Nachtleben der Fauna im Naturpark kennen lernen. Januar 2006 Reisen DIE ZEIT 71 Wir bereuen nichts Vor 25 Jahren wurde das Gletscherskigebiet im Tiroler Kaunertal erschlossen. i Die Österreich-Ausgabe der ZEIT online lesen. Tel. die etwa ein Drittel aller Wintersportler im Kaunertal ausmachen. bevor diese von 1980 an mit einem Geflecht von Sessel. Jahrhunderts. dass selbst ein zurückgekehrter Auswanderer nicht übermäßig staunen würde. im 1275 Meter hoch gelegenen verschneiten Feichten. der »die touristische Nutzung« des nur bedingt ewigen Eises. wie die prächtig geschnitzten Balkone an einem Chalet. www. bewirtschaftet von der Familie Stadlwieser. 3 DIE ZEIT S. Die wird. die etwa Chemikalien in den Rhein schütten«.« Was erneuerbare Energie angeht. Er erinnert sich noch gut. Doch insgesamt ist die Skyline der Hotelfirste so niedrig und dem Lokalkolorit angepasst. Längst habe er die siebziger Marke im Lebensslalom umwedelt und genieße. auf etwa 1400 Meter. ob das Urteil damals einen Tick zu blauäugig war.kaunertal. Der Mann hatte sie gegen die polemischsten Kritiker verteidigt und in der ZEIT geschrieben: »Für Fremde sind die Kraxelberge nur schöne Staffage. »lediglich etwa fünf von unseren insgesamt zweihundert Quadratkilometern.« Zäh wie die Zirbelkiefer. Unlängst wurde der Betrieb der Bergstation von Diesel auf Hydrostrom vom Stausee umgestellt. Drei-TageSkipass. die ihm skilifttechnischen Overkill vorwerfen. »profitgierige Spekulanten und kurzsichtige Dorfpotentaten« ebenso wie »Geschäftemacher. zahlt keine Mautgebühr.und Schlepplifts überzogen wurde. die hierzulande bis auf 2500 Meter gedeiht und selbst 40 Grad minus überlebt. Heute hat sich die Steinbockbevölkerung auf etwa 500 vermehrt. für sieben Tage 164 Euro UNTERKUNFT: Doppelzimmer mit Frühstück im Privatquartier pro Person zwischen 17 und 30 Euro. der eigene Lokalaugenschein in Feichten folgen. »waren die ein wichtiger Sicherheitsfaktor. Pfarrer Rietzlers bunte Schmetterlinge hundertfach ihre Geräte im Tiefschnee aufgepflanzt. Rund sechzig Leut’. gab’s auch im Kaunertal einen Imageverlust. 0043-5475/29 20. Zusammengerechnet landen pro Jahr etwa 300 000 auf dem Ferner. Steigt er. ist der letzte bergbäuerliche Hof. Zur Beruhigung gibt der Umweltschützer Larcher ein paar Neuigkeiten mit auf den Weg ins Flachland. So was ist mittlerweile tabu. Ganze Familien wanderten bis ins Elsass aus. fährt man von Feichten aus die 29 Kehren der 26 Kilometer langen Mautstraße ins Gletschergebiet hoch. Wir haben damals eine Durststrecke durchgemacht. kontert Geschäftsführer Larcher. erst unten im Inntal in eine standesgemäße Limousine? Der Larcher Eugen lächelt: »Na. ob der fast ganzjährige Wintersportbetrieb in seiner Gemeinde auch kritische Geister. wenn sich eine Gelegenheit bietet. die bedauern. Gletscherschmelzende Wärmeperioden sind global.de Information ANREISE: Mit dem Auto über Füssen und Reutte oder München–GarmischPartenkirchen zum Fernpass und dann via Landeck und Prutz zum Kaunertal. Damals zählte das ganze Kaunertal nur noch 330 Einwohner. Bei denjenigen. Snowboarder und Freerider münzen. sprich Selbstbedienung. Das übrige Brettlvolk findet ein Tummelrevier in der Größe eines Weilers mit den Nr. prangert Haid seit Jahrzehnten die skizirzensische Entwicklung im Tiroler Oberland an. Almbauer Edi Lentsch schaufelt den Schnee vorm Stall. Er macht keinen Hehl aus den Fauxpas der ersten GletscherskiJahre: »Da haben wir zum Beispiel die ContinentalLeute ihre Reifentests direkt auf dem Ferner machen lassen. quittiert er mit mildem Lächeln und einem Kopfschütteln. gilt er als einer der besagten »Weißgoldgräber«. mehr als diesen gebrauchten BMW.50 Euro. von keinem Tröpfchen jener Profitniederschläge berieselt worden. Ohne die beiden Jahreszeiten geht die Rechnung nicht auf – bei unserer niedrigen Gästebettenzahl.« Bislang wurden »zirka vierzig Millionen Euro« in die Gletscherbahnen investiert. »dank Tourismus. als man die Bäche noch nicht regulierte. dass oben auf dem Gletscher nun die Snowboarder und Carver unterwegs sind. aber altbewährt mit Zirbenholz getäfelten Hotel Kirchenwirt dampfen die Misthaufen. bei optimistischer Bilanzierung. die das Kaunertal verkrüppeln«. www. Aber als Kaunertaler Gewissenshüter. 4. 2. als Brettlrutscher der alten Tiroler Schule. Mit der Bahn bis Landeck und weiter mit dem Postbus über Prutz nach Feichten GLETSCHER: Die 26 Kilometer lange Mautstraße von Feichten (von 7 bis 17 Uhr offen) zum Gletscher wird regelmäßig geräumt.com Der Pfarrer freut sich über die bunten Schmetterlinge im Schnee Der Geistliche verweist auf die Talchronik. Nachdem die Steinböcke schonungslos dezimiert worden waren. noch dichter dran am Geschehen als Haid. um zu schauen. Die kommen mir vor wie ein Schwarm bunter Schmetterlinge. deshalb steht Ralph auf und führt uns ein paar Schritten vor – es ist der typisch eilige Asiatentrab.und ineinander zu schieben. ist Reiseleiter und Schiffs- Eine Dschunkenfahrt durch die Halong-Bucht im Norden von Vietnam VON ANJA HAEGELE CHINA MYANMAR Hanoi LAOS HalongBucht Hainan THAILAND Südchinesisches Meer KAMBODSCHA VI ETNAM manager auf der Dschunke Jewel of the Bay. Karstlandschaft nennen das die Geologen. wenn die Stange nach unten fällt. Mal glatt poliert. er ist pinkfarben beleuchtet. helle Rattanmöbel. wenn man die Augen zusammenkneift und alle Inseln der Bucht zusammen betrachtet. Matrosen. erklärt Patricia. schlichte. antworten wir wie einstudiert: »Ist doch klar. Tim und Ally spielen Steineraten. die im Stehen rudern. Vom Wasser aus sehen die Felsen noch größer und steiler aus.« Das Gespräch verstummt. von der Außenwelt durch die mehr als hundert Meter hohen Felsen abgeschirmt. Aber drei Tage. denn das Sickerwasser. Mehr als zweihundert Stufen sind es bis zur Höhle. dass 50 000 australische Soldaten im Vietnamkrieg waren. die sich während des Krieges hier versteckten. Die Tiere antworten. In einem Felsen öffnet sich. wie sie im Nebel an der Dschunke vorbeigleiten. Kormorane und die schwarzen Krabben. Es ist diesig in Halong. als würden sie traben. Aber seht doch mal. dann wieder öffnen sich weite Buchten. Mit einem zirpenden Geräusch ruft An die Fledermäuse. Dazu wird Reis gereicht und vietnamesischer Wasserspinat. Barsch. nämlich Krebs.und Chilisauce. immer wieder gleich und immer wieder anders. Mehrere Wochen können sie hier wohnen. Tintenfisch. haben sie die Form eines Drachen. Der Legende nach bilden die KARSTFELSEN eine Drachengestalt E s war ein Drache«. und diesen Moment der Schwerelosigkeit nutzen sie.) Sonnenuntergang in Halong. Wir sehen Reiher. besiedelbare Fläche. Anja Haegele (u. Zwar gibt es mittags und abends die immer gleiche Speisenfolge. denn beim herkömmlichen Sprengen verdunstet viel zu viel davon. deren innere Hohlräume in sich zusammenbrachen. mal zerklüftet und schroff. Und heute wie damals nutzen Fischer die hoch gelegenen Höhlen als Schutzräume vor plötzlichen Fluten oder Taifunen. Eine Bucht im Chinesischen Meer. Nickelbrille. 3 DIE ZEIT S. die Buddha heißen und Krokodil. Ohne das Motorengeräusch der Dschunke hören wir Affen auf den Felsen schreien. manche buchen eine Nacht auf einer Dschunke. Deshalb sieht es immer so aus. Da kann man literweise Wasser sparen. Drei Tage lang werden wir mit An und der Jewel of the Bay durch den HalongNationalpark schippern. gebogenen Rücken und zwei kleinere Kegel. Manchmal ist die Fahrrinne zwischen zwei Inseln extrem schmal. 1500 Quadratkilometer groß im Norden Vietnams gelegen. mit Erdnuss-Pflaumensauce oder schlicht. Danach kam sein Verbündeter. scherzt An. die sie an beiden Enden einer Bambusstange über der Schulter schleppten. das Patricia an Sydneys Opernhaus erinnert. Allerdings bietet allein Cat Ba. Deutlich günstiger werden diese oder ganz ähnliche Touren in zahllosen Reisebüros in Hanoi verkauft. sie sind in grellen Gelb. Der Kapitän vertäut die Jewel of the Bay in vierter Reihe. bevor er den Job als Reiseleiter ergattert hat. ist nach einem Perspektivwechsel eckig und schroff. so mit dem Essen zu spielen«. Nicht einmal Patricia spricht mehr. Wir beziehen unsere Kabinen: zwei Betten. was gerade noch rund und sanft war. Das türkisgrüne Wasser ist spiegelglatt und glasklar. Es geht darum. Ohne Karte und Kompass wäre man in diesem Labyrinth wohl verloren. Vor Tausenden von Jahren war dies keine Lagune. Und die meisten von uns wussten nicht. Keiner von uns hätte Ralph mit seinem muskulösen Körper für so alt gehalten. weil du so viel Wasser sparst«. löcherig wie kariöse Zähne. Hier: Flügel. auf dem wie ein Krönchen ein einzelner Baum wächst. desto besser erkennt man. dass er schon einmal im Land war. 3 12. Es ist beinahe meditativ. Er zeigt auf eine Felsformation am Horizont. »Immer mal wieder kommt es vor. verspricht An. direkt davor. Vom Krieg aber sei. Obwohl die Dschunke große Strecken zurückgelegt hat. das in kleinen Seen in den Höhlen steht.« Wir verstehen das Prinzip nicht ganz.« Nach dem apokalyptischen Spektakel blieb eine der schönsten Landschaften der Welt: Halong. haben wir nur einen winzigen Teil von Halong gesehen. der 1994 von der Unesco zum Weltnaturerbe erklärt wurde. »Zum Glück. »das mag schon sein. Nur ein paar Meter weiter sieht derselbe Felsen oft ganz anders aus. Es gibt natürlich eine wissenschaftliche und recht prosaische Erklärung für die Entstehung der Bucht: Einsickerndes Regenwasser hat im Laufe von Jahrmillionen den porösen Kalkstein ausgewaschen. Da mischt sich An ein. die möglichst gut zu ihrer Form passen: Pyramide. In den Grotten ist es kühl. 72 SCHWARZ cyan magenta yellow 72 DIE ZEIT Reisen Nr. Ihr missfällt diese Form der Dekoration: »Meinem Sohn würde ich es jedenfalls verbieten. und An weicht Fragen nach diesem Stalagmiten schamhaft aus. die meisten mit Urwald bewachsen. nicht mehr viel zu sehen. Über das Internet gebucht (www. Stattdessen erzählt er uns. mit Ingwer und Karamell. der englische und russische Literatur studierte. mit sich und seinem Trauma. Am winzigen Pier liegen bereits zwei Dutzend andere Dschunken. die tropische Sonne setzt sich nicht gegen die extreme Luftfeuchtigkeit durch. Auch deutsche Veranstalter. Ein letztes Mal sitzen alle auf dem Sonnendeck. mit mehr als 3000 Skulpturen aus Stein – Felseninseln in den unglaublichsten Formen. und je mehr man sich ihnen nähert. das Meer. In einer anderen. den Felsen Namen zu geben. der das Spiel bisher nicht mochte. mit Salz gegrillt. die anderen Inseln sind so klein. Hier waren die Verletzten sicher vor den amerikanischen Bomben. kostet die Drei-TageKreuzfahrt inklusive Anreise von Hanoi. ist auf Hochzeitsreise mit Tim aus Manchester. Auf den meisten Häusern flattert die Flagge Vietnams: gelber Stern auf rotem Grund. Ally aus Maine. geduckten Felsen. wie schwerfällig seine Gäste von Bord kommen. hat An in die Landkarte eingezeichnet. bewässert man Gärten unterirdisch. Die Höhle ist in Wahrheit ein Tunnel. Am besten. fast vierzig Jahre später. und Müll muss am Festland entsorgt werden. was ist das für ein Felsen?«. als Tim sich den Kopf stößt. Wir nähern uns Hang Sung Sot – der 10 000 Quadratmeter großen »wunderbaren Höhle«. An den Wänden der Grotte haben Vietcong. die wir auf unserer Tour gefahren sind. An. eine riesige Höhle. Trish begleitet ihn nur für ein paar Tage.« Ralph will nicht weiter darüber reden. Dann federt die Last zurück. den Rest der Zeit ist er allein unterwegs. bieten als Baustein Dschunkenfahrten an Kontrast zum dunklen Holz der Dschunke recht elegant wirken. Beinahe kreisrund ist die Lagune. »Hey. Immer mehr. Kaffeekanne. die Thailand im Programm haben. einen schmalen. die hier nisten. hast du nach zwei Jahren wieder drin. die zu Hunderten über die Klippen wuseln. einem hölzernen Drachenboot mit roten Segeln und drei Decks für acht Passagiere. Der Dunst macht die Landschaft noch geheimnisvoller. bis ihre morsche Decke zusammenbrach. Languste. scharf. der zu einer Salzwasserlagune im Inneren der Insel führt. Dabei hat er mit seinem mächtigen Schwanz wie ein Wilder um sich geschlagen und das Land in tausend Stücke zerschmettert. Dann holt An zu ein paar grundsätzlichen Erklärungen aus. Grotten bildeten und unterirdische Seen. Die Route. Nach einer Weile sehen wir Licht. holen den Müll ab und bieten ihren Fang des Tages sowie Obst und Gemüse an. felsig und steil. die den Blick freigeben auf weitere Inseln am Horizont. Es ist beinahe unheimlich. Möhren werden zu Pagoden. »Das Geld. wie sie das machen: Sie nutzen die Schwerkraft aus! Jedes Mal. bleiben sie kurz stehen. unser vietnamesischer Fremdenführer. die Landkarte. Außer An und dem Kapitän sind fünf weitere Vietnamesen an Bord. Es gibt strenge Regeln im Nationalpark. Ein anderer Tropfstein hat die Form eines riesigen Phallus. einige kahl. Westaustralien. »das ist Spitze! Da werdet ihr ordentlich was zu sehen bekommen«. »Nun ja«. an die Dschunken. sagt An. wie ein Tor. In kleinen Booten kommen Händler. Geblieben sind nur die härteren Gesteinsschichten. mach die Felsen nicht kaputt«. noch größeren Höhle war damals eines der wichtigsten Lazarette Nordvietnams eingerichtet. Aus Paprika schnitzen die Matrosen hübsche kleine Schwäne. Ihr müsst zugeben. gibt An zu. Elefant. »Ein Drache ist vom Himmel gestiegen. »In den Sechzigern. die Hauptinsel. erneut nach Vietnam zu kommen. würzig. Das ist der Drache!« g kon Me Nr. sondern eine Höhle. das in der Sonne döst. Wir paddeln ins Dunkel. taufen wir Froschkönig. An zeigt uns Stalagmiten. 72 SCHWARZ cyan magenta yellow . 24. Kondenswasser tropft von den Decken. »Es hat lange gedauert. die im ZEIT-Grafik 500 km Information ANREISE: Vietnam-Airlines fliegt dienstags und freitags ab Frankfurt direkt nach Hanoi. sagt sie. Es könnte ein Krokodil sein. Die meisten Touristen fahren nur für einen Tag nach Halong. Trish und Ralph kommen aus Albany. immer neue Felsen tauchen auf. Beim Abendessen verrät uns Ralph. außer in den Museen.buffalotours. Unterkunft in der Zweibettkabine und Vollpension circa 190 Euro. mit Zitronengras und Chili. um einen oder zwei Schritte zu laufen. wie er sich vergangene Woche mit Reisbauern angefreundet hat. 3 DIE ZEIT S. ein Duschbad. Körper und der Kopf mit der langen Nase!« An. bis ich verstanden habe. ist er bis zu einen Meter schmaler als weiter oben. als in dieser Idylle auf einmal die Sonne durch den Dunst bricht. Früh morgens lässt An Kajaks ins Wasser. Doch obwohl sie nur aus Wasser und Fels besteht. mit Fisch. und nachdem er fast die ganze Welt bereist hat. Durchhalteparolen hinterlassen.Nr. ist die Komposition dieser Landschaft nie eintönig. Erst jetzt. Für die Nacht steuert der Kapitän einen der drei offiziellen Ankerplätze an. den Felsen dabei zuzusehen. um unser Land vor den Invasoren zu schützen. das die unterirdische Bewässerung kostet. scheinen sich vor. winkt uns mit großer Gestik und beobachtet vom Pier aus kichernd. so lernen wir auf dieser Reise. Hühnchen und Obst als Nachtisch – doch jedes Mal sind die Grundzutaten anders gewürzt: pikant. bizarre Kegel. Aber weil An uns mit weit aufgerissenen Augen und freudiger Erwartung in der Stimme fragt »Na. Durch einen noch engeren Tunnel paddeln wir zurück ins offene Meer.und Grüntönen angestrahlt. Außerdem ist Patricia mit an Bord: Sie betreibt mit ihrem Mann in Sydney ein erfolgreiches Kleinunternehmen. ist trinkbar. die auch für die Gäste kochen. und in der Hitze vergeht beim Treppensteigen selbst An das Lachen.com). Er wollte den schmächtigen Vietnamesen mit den schweren Körben helfen. Mehr als 2000 Menschen wohnen dauerhaft im Halong-Nationalpark. An turnt flink über die Decks und Geländer an Land. Tickets ab 760 Euro inklusive Gebühren DSCHUNKENFAHRT: Die »Jewel of the Bay« gehört Buffalo Tours. auf denen sie bunte kleine Häuser errichten. Wir wollen der aufgehenden Sonne entgegenpaddeln. dass die meisten Fischer sich aus leeren Ölkanistern und Brettern Flöße bauen. Das können sie überraschend gut. so lange. Die meisten Felsen sind hohl. Tomaten zu üppigen Rosen und Birnen zu etwas. Es hat das Land überschwemmt und die Feinde ertränkt. beharrt An. in ihren steinernen Bäuchen verbergen sich Tropfsteinhöhlen und Lagunen. wagte Ralph. Schildkröte … Einen kleinen. dass eine Insel einfach umfällt«. die beiden verkaufen Gartenbewässerungsanlagen. süßlich. wild übernachten darf hier niemand. während des Krieges. Der Knoten im Hals löst sich erst. wie das Salzwasser ihre Fundamente anfrisst: Dort wo die Wellen an den Stein schlagen. Mitte zwanzig. Januar 2006 Der Weg des Drachen Foto[M]: Christoph Papsch/Das Fotoarchiv. denn Belege gibt es nicht.com) Doppelzimmer mit Eintritt Lakenhalle 125 Euro AUSKUNFT: Niederländisches Büro für Tourismus. www. Hier residierten zu Rembrandts Zeit die königlichen Kaufleute einer jungen Republik. Joachim von Sandrart. Eines der letzten. in dem der Maler Jan Steen wohnte. der ihn noch beschäftigt haben muss. als sei sie dabei. Apothekerdeich. Könnte es so gewesen sein vor 400 Jahren. in den letzten 30 Jahren dominieren die Zweifel. von einer Brücke aus geht der Blick auf Windmühlenflügel. ich bin offen.« Drei Jahre Lehrzeit beim »Höllenmaler« Jacob van Swanenburgh in Leiden. Muskadellensteg. Rembrandt im Symposium und andere Spektakel) gleich zu Beginn ein symbolisches Zeichen zu setzen: »In der Vaterstadt Leiden eine Ausstellung über Rembrandts Mutter – Mythos und Wirklichkeit. ist heute ein Nachbau des Theatrum Anatomicum der Leidener Universität zu sehen. alte Augen. 73 SCHWARZ cyan magenta yellow . war aufgestiegen zur Metropole der Lakenherstellung im alten Europa.und Vatergestalten. der Kurator des Städtischen Museums Lakenhalle. hatte der Wertewandel schon stattgefunden. Geduldt und Erfahrenheit.Nr. Wer durch die blanken Fenster der alten Lateinschule am Schoolsteeg blickt.95 Euro eine Karte des berühmten Kupferstechers Joan Blaeu aus dem Jahr 1669 und eine Fibel voller Erklärungen aus dem Jahr 2005 auf Englisch und Niederländisch. spitze Nasen. dann sind Sie an der Lakenhalle. alte Frauen in historischen Szenen. so wie einstmals der katholische Priester die Hostie bei der Wandlung betrachtete. der historische Kontext stimmt. seine Betrachter. wo ein paar Fischreiher in konzentrierter Anspannung lauern. der andere als Warnung verstanden werden. die eine als Vorbild. Wo ehedem aus den Färbereien der Gestank von Urin herüberwehte. »An dieser Stelle wollten wir einsetzen«. Aber immer noch fließt da in der Nähe der Witte Poort. einst in der Pieterskerk. kaum war er 14. die Worte leise mitzusprechen. wohnte wieder zu Hause und zeichnete und malte alte Männer. Ein meterhohes Transparent zwischen Bankgebäuden und Handelskammer verkündet: »In Leiden sah Rembrandt das Licht. unter denen irgendwo noch die Knochen von Rembrandts Eltern liegen. ohne Bibel. die keinen König mehr brauchte. die mittelalterliche Ordnung. www. voller Mitgefühl für die 18-jährige dänische Dienstmagd. gehen Sie immer geradeaus durch die Fußgängerzone. Jahrhunderts. Über den Dächern erheben sich die Türme und Kuppeln der Altstadt. offensichtlich wollten die Eltern das Beste für den Jüngsten. Der »alte Mann. in der sich die Herren der feinen Stoffmanufaktur trafen. Jahrhunderts Land aufkaufte. Ein Eindruck. nach dem Bankrott in Amsterdam. auch Mors-Poort (Todespforte) genannt. so meldet der Chronist der Stadt im Jahre 1641.nl UNTERKUNFT: Hotel Valk (Haagse Schouwweg 14. zurück zu den Anfängen!« Zu den Mutter. bis 19. zwischen der katholischen Madonna und ihrem Erlösersohn. hier sei am 15.50 Euro pro Person Übernachtung im Doppelzimmer. Im Bourhaave Museum. 3-Gänge-Menü. und gleich nebenan Nummer 89 das Haus des Rembrandt-Lehrers Swanenburg. 0031-71/ 516 58 74. zeigt Rembrandt van Rijn als alten Mann. Aber schon ein paar Schritte weiter öffnet sich eine andere Perspektive: der Oude Singel. die vor seinen. Vorbei an Großmarkthallen. die fast tastbare zärtliche Andacht zwischen Frau und Buch entfaltet sich wie sonst nur die zwischen Mutter und Kind. hatte der Mann vom Museum am Telefon gesagt. sah gehenkte. 90 gut gehängte Exponate. nie so viel auf einmal. Die elterliche Mühle steht nicht mehr. im großen Fest zum 400. mit sehr traurigen Augen. im kleinen Jugendstil-Hotel Marienpoel (Marienpoelstraat 1 a. großartig leeren gotischen Halle. in seinen Augen zum Welttheater wird. und schaut. 0031-71/573 17 31) 69. wissend. so tiefe Runzeln. spielen heute Kinder Fangen Irgendwann landet man doch im Weddesteeg. De Lakenhal. auf der Langebrug. erinnert noch einmal an die alte. Die »ALTE FRAU LESEND IN EINEM BUCH« ist in der Lakenhalle zu finden Information AUSSTELLUNG: »Rembrandts Mutter. Rembrandt im Musical. Den jungen Rembrandt schickten die Eltern auf die Lateinschule und schrieben ihn. die als Müller und Bäcker ihr Brot verdient hatte und im ersten Aufschwung des 17. Er war der jüngste Sohn. auf die Szene. für das Studium der Literatur an der Universität ein. eindeutig Rembrandts Mutter. der alte Mann als Sinnbild des Geizes. die vielleicht Rembrandts Mutter war. dazu Rembrandt in Eis. www. ohne Geld schaut er uns. betrachtet sie. die er in der rechten Hand hält. und 19.« Leidens Fußgängerzone ist eine Einkaufsmeile. Es ist eine kleine Zeichnung. 73 SCHWARZ cyan magenta yellow Nr. am Rande von Leiden das Licht der Welt erblickte.marienpoel. an. Im Foyer blühen frische Blumen. in biblischen. fanden die Kunstkenner des 18. Aber. eine Grachtenstraße in westöstlicher Richtung mit Treppengiebelhäusern und glänzenden Fensterscheiben steht da wie ein Zitat aus dem Bilderbuch der Geschichte und mittendrin nüchtern.rembrandt400-Leiden. ein paar Monate Weiterbildung beim Historienmaler Peter Lastmann in Fotos: Niederländidches Büro für Tourismus & Convention nterwegs zu Rembrandt. Januar 2006 Reisen DIE ZEIT 73 U Seine Brüder wurden Schuhmacher. So sollte das Goldene Zeitalter beginnen. so. wo ein auffallend alter Stein in einem einfach so dahin gesetzten Neubau angibt. die in Amsterdam Glück und Geld suchte und dabei umkam. www. um Elsje Christiaens zu zeichnen.lakenhal. sondern die stolze. 01805-34 33 22. ihren Sohn aus der Schule zu nehmen und ihn nach seinem Begehren unterzubringen bei einem Maler.und Pesthaus stand. Eine in sich ruhende Einheit. Kornträger und Müller. 3 DIE ZEIT S. große Räume. Im Katalog findet sich das Zitat des Rembrandt-Zeitgenossen. Kornträger und Müller Damals hatte die Hansestadt am Flüsschen Rijn trotz spanischer Belagerung und Hungersnot den Kampf um die Freiheit gegen die katholische Übermacht schon gewonnen. barock. Die Leere seit dem Bildersturm erzählt von Zerstörung und birgt das Versprechen auf eine neue Zeit: »Ich bin nicht leer. Im gleichen Saal hängt ein frühes Historienstück von Rembrandt. 3 12. so viele Falten. Mietshäuser bauen ließ und Ansehen in der Stadt erwarb. so arge Krähenfüße. so konzentriert. Auskunft über weitere Ausstellungen und Ereignisse: Tel. als er sich gegen Ende seines Lebens 1664 zum Amsterdamer Richtplatz Volewijk rudern ließ. Seine Brüder Willem. Unterwegs. andächtig. wo man heute auf den Spuren des jungen Malers durch die alte Stadt spazieren kann. Tel. als Rembrandt van Rijn im Juli 1606 in einem kleinen Haus am Weddesteeg. Der Wind spielt mit leise schwankenden Spiegelbildern im dunklen Wasser. In Leiden mochte die alte Frau als Allegorie des Glaubens. an schnurgeraden Wasserwegen. auserwählt und weithin bekannt als Sitz der ersten Universität der nördlichen Niederlande. sahen sie sich genötigt. er hatte wahrscheinlich auch einen Ausblick auf die städtische Hinrichtungsstätte. Wo die Knochen seiner Eltern ruhen. im »geldsüchtigen Amsteldam«. Der junge Rembrandt wuchs nicht nur im Schatten der Windmühlenflügel auf. Beide Gemälde sind in Leiden entstanden. Zweiter Blick: so viel Alter war nie. Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr.« Das letzte Gericht des Lucas van Leiden. Er selbst steht hinter einer Säule. Tel. Es ist das erste bekannte Selbstporträt. Ohne Kulissen. Eintritt: 10 Euro. der sein Geld zählt« blickt mit hochgezogener Stirn. duftet heute frischer Kaffee. Im ganz realen Aufbruch des Frühkapitalismus aber. da fanden seit 1596 zur Winterszeit und öffentlich »Leichenzergliederungen« statt. wo früher das Irren. verwesende Körper.« Auf dem Bild aus dem Jahre 1631 mit dem Titel Alte Frau lesend in einem Buch sitzt sie. Jahrhundert und mitten unter ihnen den jungen Rembrandt. Die Heiligen sind verschwunden. das neunte von zehn Kindern einer Familie. wäre ein Haus mit Namen Gekrönte Liebespforte zu entdecken. an graugrünen Wiesen. sieht ein »lebendes Bild« von Schulbuben aus dem 17. der Mund ist leicht geöffnet. Kein schöneres Haus für Rembrandts Bilder wäre zu finden als die Lakenhalle zu Leiden. Eindeutig Rembrandts Vater.« Links und rechts sieht man nur Leuchtreklamen. März. ein junger Mann. die Tuchhalle. Leichter und sicherlich genauso schön ist es. billig. prüfend. und Rembrandt kehrte zurück nach Leiden. Die Augen und die rechte Hand folgen den Buchstaben. ein paar Kinder spielen heute Fangen über den Grabplatten.com Amsterdam. mit leicht geöffnetem Mund auf die Münze. Nr. vor leerem dunklem Hintergrund. heute in der Lakenhalle. Geburtstag (22 Ausstellungen allein in den Niederlanden. Ein erster Blick: wenig Menschen. auf die große Bibel in ihrem Schoß. Dazu gibt für 2. die. der 1675 in der »Teutschen Akademie« erklärte: »In der Ausbildung alter Leute und derselven Haut und Haar zeigte er einen groszen Fleisz. Eintritt Lakenhalle. neugierig beobachtend. Grünhasengracht.holland. und noch später. »Zu Rembrandt? Nichts leichter als das«. reiche Rivalin von Amsterdam? Rembrandts Leiden Die Geburtstadt des niederländischen Malers erinnert mit einer großen Ausstellung und einem Spazierweg an den Beginn der goldenen Zeiten VON ELISABETH WEHRMANN 40 km Wes tfr ie ln Inse he isc s NIEDERLANDE Nordsee Amsterdam Den Haag Rott erdam Enschede Leiden DEUTSC HLAND AN Düsseldorf ZEIT-Grafik BELGI EN Brüssel Köln Eine Fibel führt auf des Malers Spuren durch Leiden. sich im Gewimmel und Gewusel zwischen Fischbrücke. als er auf dem Höhepunkt seiner Karriere in Amsterdam die Anatomiestunde des Doktor Nicolaas Tulp malte. nur fünf Minuten. an der Lange Agnietenstraat 10. Mythos und Wirklichkeit«. In Zeiten der Religionskriege setzten die Stadtväter in schönem Selbstverständnis auf Mercurius und Minerva als neue Schutzpatrone. Zwölf Stationen im Leben und Wirken von Maler und Stadt sind eingezeichnet. Offensichtlich galt er als begabt. am Pfahl hing. 003171/528 35 39. und wenn Sie McDonald’s an der rechten Seite sehen. flimmerte die ganze Familie heroisch und herzergreifend dramatisch über die Kinoleinwand. banal und nichtssagend. in zeitgenössischen Gewändern. Korbmachergasse. Postmodern gesagt: Geiz war geil. 3 DIE ZEIT S. Eine ähnlich konzentrierte Aufmerksamkeit zeigt ein kleines Porträt eines Mannes. als Leiden nicht irgendeine mittlere Großstadt mit Imageproblemen am Rande der Touristenrouten war. das Licht fällt von links oben auf ihr golddurchwirktes Kopftuch. »dagegen all seine natürlichen Bewegungen zur Malerei und Zeichenkunst strebten. Im frühen 20. das »Galgenwasser«. nach links. so dasz sie dem einfältigen Leben ganz nahe kamen. eingefallene Mundwinkel. Handel und Weisheit statt Krieg und Verderben lautete die Parole. Es gehe darum. Mit etwas Mühe lässt sich der vorgezeichnete Weg finden. Adrian und Gerrit wurden Schuhmacher. wo »ein heilloses Volk zum heiligen Gold« strebte (wie ein dichtender Zeitgenosse klagte). auf den warmen burgunderroten Stoff ihres Gewandes. Aalmarkt und Frauenkirchenchorgasse zu verlaufen. zwischen zwei Balken erdrosselt. Das Licht fließt. Juli 1606 Rembrandt van Rijn geboren worden. erklärt Christian Vogelaar. zurückhaltend und prächtig zugleich die Lakenhalle. direkt neben der elterlichen Mühle.nl. Tel. der dem jungen Bob Dylan verblüffend ähnlich sieht. »da er ganz und gar keine Lust oder Geneigtheit« zum Studium zeigte. tote. Weithin sichtbar in Rembrandts Leiden und noch heute ein kultureller Mittelpunkt im Leben der Stadt ist die Pieterskerk mit ihrer hohen. »nehmen Sie den Hauptausgang am Leidener Hauptbahnhof. den die verbrannten Erlenholzchips erzeugt haben.Nr. wenn Fangzeit war. erklärt Bernd Kruse stolz. der eine ein Ruder. EU-Kontrolleure und Gewerbeaufsicht zufrieden waren. gesteckt und in metallene Räucherwagen gehängt werden. 3 DIE ZEIT S. Gekonnt demonstriert der Meister. In den weiß gefliesten Produktionsräumen im Hinterhaus ist es deutlich kühler als im Verkaufsraum. Der Tourismus soll dem Ostseebad. Januar 2006 DÄN EMAR K Flensburg Husum A7 Eckernförde O s ts e e Kiel Heide Nordsee No rd -Os a e. Zwar hängen die Eckernförder Räucherer auch andere maritime Leckereien wie Aale. geben sich die farbigen Holzfiguren schnell als Fischer zu erkennen. in den Ofen Gold am Spieß In Eckernförde lebte man lange vom Fischfang. Lässig lehnen die beiden an einem Schild mit der Jahreszahl 1783. dar hebbt wi’t rut ut Sülwer Gold to maken. Nr. die aus skandinavischen Fischgründen stammt. wie ein echter Eckernförder Sprotten verzehrt: Kruse nimmt einen der noch warmen goldenen Fische zwischen Daumen und Zeigefinger. Im Kattsund. Mit Erfolg. Das Kilo. Ihren Namen verdanken die Kieler Sprotten übrigens der Post. in den Ofen. liegen heute moderne Segelyachten und Sportboote vor Anker.K tse Schleswig-Holstein al n Niedersachsen ZEIT-Grafik A1 25 km 25 km Information RÄUCHEREI: Rehbehn & Kruse. Darunter prangt der Spruch: »In Eckernför. Makrelen oder Lachse in ihre Öfen. Die Besucherzahlen steigen. Es wurde viel experimentiert und umgebaut. etwa 80 Kilogramm. 04351/29 56). In Kiel bekamen die Eckernförder Räucherfische den Stempel des Verladebahnhofs auf die Kiste gedrückt und wurden so zu Kieler Sprotten. noch vor Morgengrauen vom Großmarkt in die Räucherei. die Erker. in der traditionellen Holzkiste verpackt. Bauch kraulen. Der ganze Prozess dauert etwa eine Stunde«. sagt Bernd Kruse. sind Kieler Sprotten heute zur Delikatesse geworden. Tel. dem weißen Arbeitskittel und der Kunststoffschürze erinnert der stämmige Mitvierziger ein wenig an die Arbeiter der dreißiger Jahre. auch im Kattsund 26. Strandhotel Kiek in de See (Tel.und Erlenholz.ostseebad-eckernfoerde. Einige Räuchermeister befeuern dann sogar noch einmal einen ihrer alten Traditionsöfen und erklären die einzelnen Arbeitsschritte. der Geruch von Meerwasser liegt in der Luft.ab 56. erklärt Räuchermeister Bernd Kruse.de Pro Fuhre kommen rund 4000 SPROTTEN. entfernt mit der anderen Hand Kopf und Schwanzflosse. Tel. und die Siegfried-Werft nahe der alten Holz-Klappbrücke wurde aufwändig zu einem nostalgischen Hotel mit Fischrestaurant umgebaut. zieht die Mittelgräte heraus und fasst zusammen: »Kopf ab. drückt dann leicht auf Bauch und Rücken. ertragreiche Zeiten bescheren. wo die Gäste surfen und tauchen lernen können. Einzelab 34. Genauer gesagt deren Stempeln. Jedes Jahr im Juni können die Gäste Sprotten in allen Variationen probieren. Gräte ziehen. Seit 1919 stellt die Traditionsräucherei eine Spezialität her. schrankwandgroße Verschläge mit sechsfach unterteilter Eisentür zum Befeuern und Entlüften. war der Qualitätsbegriff bereits etabliert. die Luft. Wenn die großen Edelstahltüren der Öfen nach dem Räuchern automatisch aufspringen. Im 19. Die Sprotten leben in der Nord. Spitts. 24340 Eckernförde. steigenden Lohnkosten und der Einführung von Fangquoten verringerte sich zusehends auch die Zahl der Fisch verarbeitenden Betriebe. Komfort-Doppelzimmer ab 82 Euro AUSKUNFT: Eckernförde Touristik. Und auch die traditionellen Altonaer Öfen der Räuchereien. Schwanz ab. der andere einen Käscher in der freien Hand. dichter Rauch verpestete vor allem in den Wintermonaten. Und wo früher die Fischerboote festmachten. bis Sprottenspezialisten. Um sie haltbarer zu machen. Sprattus sprattus nennen die Biologen die 12 bis 15 Zentimeter kleinen Fische. Der Fisch muss vollständig getrocknet sein. das einst die Arbeiter des Ruhrgebiets sättigte. wo die Inschrift daran erinnert. entsprachen nicht mehr den modernen Abgasnormen. Noch heute kommt eine Spezialität aus der Ostseestadt – die Kieler Sprotte VON MARTIN DOMMER ine Hand locker am Hosenbund. Wie vergessen wirkt zwischen den vielen weißen Masten ein traditioneller Kutter mit seinen schweren Seilwinden und Fangnetzen. da haben wir es raus. Gerade erst wurde am Südstrand ein neues Wassersportzentrum eingerichtet. um das Fleisch von den Gräten zu lösen. Bei Rehbehn & Kruse am Jungfernstieg kann man es erfahren – dort werden aus unscheinbaren silbernen Fischen goldene. Mit dem extremen Rückgang der Berufsfischerei. »Heute laufen die sechs Anlagen computergesteuert und haben moderne Katalysatortechnik«. gelblichen Rauch. Als es 1881 die Bahn auch bis Eckernförde schaffte. Für die Fischerei sind in der Ostseestadt die goldenen Zeiten Vergangenheit. Führungen nach Voranmeldung (ab 10 Personen) UNTERKUNFT: Hotel & Restaurant Siegfried Werft (Tel. Jahrhundert verschickte man die Räucherwaren mit Fuhrwerken nach Kiel. zu etwa 40 Stück auf lange Metallspieße. 04351/757 70): Einzel. Guten Appetit!« Vom Arme-Leute-Essen. lebten früher die Fischer mit ihren Familien.« Für den.und Ostsee. in der Eckernförder Altstadt. wo täglich rund 60 000 Sprotten »vergoldet« werden. aus Silber Gold zu machen. etwa 80 Kilogramm. Sardelle und Sardine verwandt sind. Es riecht nach Lagerfeuer. erst dann dringt das Raucharoma in sein Fleisch ein. An langen Wannen und Sortier- gern uns dann auf 50 bis 60 Grad. »Wir trocknen die Fische mit 40 Grad. Schon damals reisten die Sprotten weit. doch nur wenige Sekunden später geht die automatische Entlüftung an und saugt mit Getöse die letzten Wolken weg. wo sie flink und »schön mit Abstand. anschließend kommen sie auf die blitzblanken Sortiertische. 74 SCHWARZ cyan magenta yellow Foto [M]: Ingo Wandmacher . 74 SCHWARZ cyan magenta yellow 74 DIE ZEIT Reisen Nr. Früher verwandelten viele in Eckernförde die Fische. Jungfernstieg 19. Mit Vollbart und breitkrempigem Hut. Noch heute benutzt man Buchen. die kundigen Männer. heute sind wir als Einzige übrig«. die Eckernförde einst reich machte – Kieler Sprotten. Sie schmecken holzig-rauchig und leicht salzig. das schon 1831 seine erste Badeanstalt eröffnete. werden die Fische erst einmal eine knappe Stunde lang in Salzlake gelegt. Doppelzimmer ab 72 Euro ohne Frühstück. die aus Silber Gold machen können. Er leitet den Familienbetrieb in der vierten Generation. und sie enthalten eine Menge Fett und Eiweiß. prägten damals qualmende Schornsteine das Stadtbild. Rosenstöcke und Efeu schmücken die Utluchten. für das touristische Marketing jedoch hält nur der kleine Goldfisch her – alljährlich wird er während der »Sprottentage« gefeiert. Aber es gibt sie noch in Eckernförde. kostet rund 16 Euro. 04351/717 90. 3 12. www. Kruses Lieferanten bringen die fangfrische Ware. der’s nicht versteht: In Eckernförde. um sie von dort mit der Bahn nach ganz Europa zu exportieren. E tischen aus blank gescheuertem Edelstahl stehen die Mitarbeiter in Gummistiefeln. Doch die mussten erst einmal entwickelt werden. 3 DIE ZEIT S. so Chef Kruse. Als einziger Räuchermeister in Eckernförde investierte der Vater von Bernd Kruse in neue Sprottenöfen. sieht man den dichten. wie Zinnsoldaten«. Wie alte Fotos zeigen. Heute sind die meist kleinen Häuser liebevoll restauriert.rehbehn-kruse.de. 04351/28 14. stei- »Vor dem Krieg gab es noch mehr als 40 Räu- chereien im Ort. stehen Kalle und Krischan über dem Eingang des roten Backsteinhauses am Kattsund 26. Sogar über den Atlantik nach Nordamerika. Pro Fuhre kommen rund 4000 Sprotten. die mit Hering. www. Mit der Ballonmütze. 3 DIE ZEIT Fotos: Royal Windsor Hotel S. Tel. 75 SCHWARZ cyan magenta yellow . und betrachteten neugierig die aktuelle Kleiderkollektion in den Räumen des Designerduos Mademoiselle Lucien. »Kleider und Lebensräume sind das Gleiche«. die ein Bett in Eiform kreiierte. Während das Bett dahintreibt wie eine Eisscholle – einsam und ohne Nachttischlampen. um mit dem Projektor bunte Dias aufzumalen. Doch sie sollten nicht. versprühen sie jenes Maß von Entrücktheit. Zwölf Räume des FünfSterne-Hauses mit dem Eingang. wie derzeit en vogue. Von Marina Yee zu Nina Meert. mal rein. Denn hier findet sich.o. was wir bisher vergeblich suchten: Die Couturiers präsentieren ihre Kleider! Die Designer des Labels Mademoiselle Lucien allerdings ziehen diese auf Barbiepuppen. Sie spendierten Applaus für die Rebirth-Suite von Romy Smits. Der 39-jährige Belgier wurde 2004 mit seiner puristischen Kollektion gefeiert. den man mit jemandem teilt. Wir haben davon umso mehr. entfernt und stammt aus den siebziger Jahren. Spiegelnder Betonboden. grau wie der belgische Himmel. die nur noch wenig Menschliches an sich haben. sondern so exklusiv sind. Mit Spannung halten wir Ausschau nach zwölf Zimmern. dem Männeken Pis. Ein Ort. 3 12. Das macht ein bisschen neidisch und wäre der uneigennützige Wunsch weiblicher Gäste: im Fashionroom einen ganzen Schrank mit Designerstücken zu finden! Zum wilden Ausprobieren und um endlich selbst über den Laufsteg zu defilieren … INKEN HERZIG Royal Windsor Hotel. der in Los Angeles sicher ein sorgloseres Leben führen würde. aber Knotts Zimmer zu einem globalen Raum macht. von Künstlern gestaltet werden.« Wenn dieser jemand 250 Seiten hat. die erst am Schluss die Arbeiten ihrer Kollegen bewundern durften. Die Fotos an den Wänden erinnern an die legendären James-Bond-Gespielinnen: langbeinige Mädchen in kurzen Siebziger-JahreRöckchen. 5. bilden Lagen.com. 3 DIE ZEIT S. schwarz-weiß.warwickhotels.o. die klein bedruckt sind. die Wände sind versehen mit einem gipsartigen Belag. die Haare auftoupiert. am Tag und in der Nacht. wenn eine neue Robe wartet? Die nächste Fashion-Suite. Der schwarze Sessel in überdimensionaler Legosteinform – ein Stück New York. befindet denn auch die 46-jährige Designerin. die Wände weiß. nachts umgibt man sich mit den Raum gewordenen Visionen der Modekünstlerin. während wir Patisserie-schwer durch die Gänge des Royal Windsor Hotels eilen.) PASCALE KERVAN bevorzugt Schwarz-weiß (r. entworfen von Kaat Tilley. Vor den Fenstern Bambus.« Bei einem japanischen Hochzeitspaar löste Kaat Tilley jedoch Beklemmung aus – die Farbe Weiß steht in Japan für Todesfälle. der wie ein polierter Bechstein-Flügel glänzt. Diese Bar war auch das Highlight auf dem Rundgang der Modedesigner. So sprach Manager Claude Dufor die Hautevolee belgischer Couturiers an und erntete Begeisterung. bei JEAN-PAUL KNOTT (l. in ein Musiker-Loft geraten zu sein. als würden sie von Elfen getragen. das Baldachinbett wird getragen von weißen. »sie spielen mit demselben emotionalen Register. Januar 2006 Reisen DIE ZEIT 75 In fremden Betten: Royal Windsor Hotel. Fashionroom ab 420 Euro Modedesigner haben Hotelzimmer gestaltet: KAAT TILLEYS Suite wirkt wie der Palast der Schneekönigin (l. Das Royal Windsor thront nur eine Saumnaht vom meistfotografierten Brüsseler. ein Schild verweist auf die Suite von Jean-Paul Knott. Und so wirkt die Suite der Designerin: wie der Palast der Schneekönigin oder wie eine Kulisse für den Krieg der Sterne. Man meint. mal gebrochen. Der Aufzug schnurrt mit dem Brummen eines verwöhnten Siamkaters in den dritten Stock. Haider Ackermann. um seinen Fantasy-Roman zu beenden. Alles ist in Weiß gehalten. Tagsüber kann man in der eleganten Galerie du Roi Kleider aus ihrer Kollektion erwerben. wie gemacht. Doch wen schert Einsamkeit. die Augen schwarz von Kajal.) hat der Sessel Legosteinform Nr. 75 SCHWARZ cyan magenta yellow Nr. Gerald Watelet – zwölf Designer kreierten ihren ganz intimen Modehimmel. das sie wie orchideenhafte Wesen wirken lässt. Brüssel. Man quartierte sie zu Pascale Kervan – mitten in einen Agentenfilm. Nicolas Woit oder dem Ausstatter der belgischen Königsfamilie. die nicht die üblichen Maßschränke und Hosenbügler verheißen. Die sinnlich großen Lederkissen – ein Hauch Marokko. sind transparent und feminin. die Kritiker an die Architektur von Le Corbusier erinnerte. Fünf der nahtlos gebräunten Damen stolzieren durch Schaukästen und werden alle sechs Wochen in die neuesten Kreationen gehüllt. misantroph blickenden Figuren. Tilleys Stoffe werfen Falten. fühlt man sich jedoch recht allein. waren überholungsbedürftig. sie ist das Vorzimmer. rue Duquesnoy.Nr. www. Was Knott dazu sagt: »Mein Zimmer ist mein privater Raum. 0032-2/505 55 55. Brüssel Wenn Models über Laufstege defilieren. Jüngst hat sich hier ein Autor zurückgezogen. der einem nah ist. dass sie einer edlen Haute-Couture-Robe gleichen. Die erste Einstellung zeigt eine Martini-Bar. sondern einen direkten Bezug zur Modestadt Brüssel bieten.). K. Speziell für dessen Liebhaber stellte Andreas Hofer einen Reiseführer über Schottland zusammen. Darunter ein Un-Sittengemälde über das Essen im Stehen und Gehen und ein Loblied auf die hora sacra. Und das alles sehr appetitlich bibliophil. Ihre Impressionen veröffentlichte sie in dem Panorama-Bildband Burma. Philosophie und Kunstgeschichte studiert hat und als Gastrosoph nicht nur genau hinschmeckt. Öffnungszeiten und Eintrittspreisen versehen. 112 S. wie sich Heinrich und Thomas Mann mit der Stadt und Friedrich dem Großen auseinander gesetzt haben. 254 S. TV Susanne Kracke/Walter M. Empfehlungen für Übernachtung.. H. Telefonnummer. K. Stuttgart 2005.): »Cotta’s Kulinarischer Almanach. Grünkohl wird in Variationen aufgetischt und ein Kartoffellexikon geboten. 76 SCHWARZ cyan magenta yellow . Travel House Media. den Seitz seit 2002 herausgibt. Er führt sie von der Altstadt mit ihren barocken Erweiterungen und dem Holländischen Viertel durch die Parks von Sanssouci und Charlottenhof und vom Neuen Garten bis in die Vorstädte. 76 SCHWARZ cyan magenta yellow 76 DIE ZEIT Reisen Nr. Wolfgang Feyerabend: »Spaziergänge durch das literarische Potsdam«. Arche Verlage. Januar 2006 Lesezeichen Die kulinarische Szene Deutschlands könne sich langsam sehen lassen. das weit mehr ist als eine Filmfabrik. kurz vorgestellt werden. Nr. Germanistik. Er erinnert an namhafte Gäste und beschreibt. Hans Christian Andersen las hier seine Märchen vor. Auf neun Routen zwischen Highlands und Islands geht es zu ausgewählten Destillerien. Spitzenköche lüften ihre Topfdeckel.50 ¤ Durch die Havelstadt zu streifen lohnt umso mehr. die sich hinter den Fassaden abspielte. Traditionen und Schnäppchen?« Cotta’s Kulinarischer Almanach. Erwin Seitz (Hrsg. Manufaktum und Slow Food.95 ¤ »Mingalabar!« hört man ständig in Myanmar. 13. Klett-Cotta Verlag.Nr. sondern auch über den Tellerrand hinausschaut. den klassischen Mittagstisch. die das geistig-kulturelle Potsdam prägten. 3 12. München 2005. Bruckmann Verlag. Er sucht die Wohn. der Metzger und Koch gelernt. »Voltaire nannte den Hof Friedrichs des Großen ein ›Paradies für Philosophen‹.. Essen und Trinken sowie Tipps für Ausflüge abseits der Destillerien runden das Büchlein ab. Die Fotografin Susanne Kracke folgte diesem Willkommensgruß in alle Regionen des südostasiatischen Landes. Buddha-Statuen und natürlich die Naturschönheiten zu den Motiven. meint Erwin Seitz. Hanns-Josef Ortheil schwärmt von Marktbesuchen. Thema: Deutschland«. 8. 14. Sabine Herre von der »Rückkehr der Regionen«. Wissenwertes über Produktion und Geschichte sowie Fachbegriffe rund um den Whisky finden sich auf Extraseiten. und Kenner sprechen vom neuen Selbstverständnis der deutschen Rotweine und der Raffinesse deutscher Sektkultur. 3 DIE ZEIT S. und Katja Mutschelknaus nennt die »Retter der Tafelrunde«: Demeter. Bilder von Heiterkeit und Gleichmut bieten insbesondere die buddhistischen Mönche in ihren leuchtenden purpurnen Roben. 144 S. wenn dabei die Geschichte lebendig wird.90 ¤ Nr. »Doch wie orientiert man sich bei der Vielzahl von Trends und Verlockungen. Darüber hinaus gehören Pilgerstätten.und Wirkungsstätten von Schriftstellerinnen und Schriftstellern auf. die.. TV Andreas Hofer: »Schottland für Whiskyfreunde« aus der Serie »Merian live!«. Carl von Ossietzky korrigierte im Café Rabien die Fahnen der ›Weltbühne‹. Weiss jede Region. mit Adresse. Weiss: »Burma«. gälische Bezeichnung für ein schottisches Lebenswasser. und er vergisst nicht die Militärdiktatur. Im Fokus steht die Gelassenheit der Burmesen. unter der das Land steht.80 ¤ »Uisge Beatha« ist die ursprüngliche. 128 S. H. Und wer vermag das besser zu beurteilen als einer. die das ganze Land prägt und die in ihrer gelebten Alltäglichkeit gezeigt wird. Pagoden. 3 DIE ZEIT S. Anschaulich beschreibt dazu Autor Walter M.. Zürich/Hamburg 2005. 21. antwortet in Band Nummer 13 mit 26 Essays und Rezepten. München 2005. Ein Extraspaziergang ist Babelsberg gewidmet. und Pe- ter Huchel machte an der Städtischen Oberrealschule Abitur. das heute weltweit unter dem englischen Synonym bekannt ist: Whisky. 24.« Auf fünf Spaziergängen durch das literarische Potsdam nimmt Autor Wolfgang Feyerabend die Besucher mit. Im Gegenzug versprachen die Reeder. Jetzt rächt sich.sollte zum Arzt gehen«. erklärt dieneue »MediZity«: Diese virtuelle Medizinstadt macht Achtbis Vierzehnjährige spielerisch und kindgerecht mit allem vertraut.hswismar. Pflegern und Untersuchnungen. spielt Schweitzer heile Welt: In der Zentralen Heuerstelle Hamburg stehen die Arbeitgeber Schlange. 3 DIE ZEIT 2. Mit Bildern von Ärzten. den das US-Außenministerium herausgegeben hat. Miese Jobaussichten ließen die Zahl der Studienanfänger immer weiter sinken.de Hochschule Bremen: www. Bewerber mit Abitur oder Fachhochschulreife studieren acht Semester lang an einer der fünf Fachhochschulen in Deutschland.htm »Wer Visionen hat. dass der Kandidat mindestens zwölf Monate zur See gefahren ist. »Die Weltwirtschaft wächst.de SEEFAHRTSSCHULEN: Fachbereich Seefahrt in Elsfleth (FH Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven): www. 77 SCHWARZ cyan magenta yellow . Erste Nautische Offiziere und Zweite Technische Offiziere waren das ganze Jahr über kaum noch zu besetzen. Bewerber mit Haupt. Der Frauenanteil in den Studiengängen ist relativ gering. Die Studenten können zwischen zwei Schwerpunkten wählen: Decksdienst oder Maschine. ein weiteres Mal vertröstet oder in eine Weiterbildungsmaßnahme gesteckt zu werden. Auf Schiffen fahren die Maschinen nach China.seefahrtschule-leer. als die Maritime Konferenz in Kiel 2003 die Wende einleitete: Die Bundesregierung stellte den Reedern in Aussicht. Hamburg. muss sich sein nautisches Know-how dann von auswärts holen. dass auch die Reeder jahrelang glaubten. die ihre Frachter über die Weltmeere steuern. war jeder Vierte in einem festen Heuerverhältnis und wollte sich nur nach besseren Konditionen umsehen.« Altersarbeitslosigkeit? »Insbesondere bei den Kapitänen ist ein Alter von 60 Jahren und mehr kein Problem. Ein Seiteneinstieg für Facharbeiter aus Metallund Elektroberufen ist ebenfalls möglich. dass ihnen das Personal ausgeht VON JULIAN HANS ZEITLÄUFTE Nr. Fassung S. hat Helmut Schmidt gesagt.de i Tipps zur Stellensuche und einen aktuellen Job-Newsletter finden Sie unter www.und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg und die Hochschule für Medien in Stuttgart sowie die Klaus-Tschira-Stiftung haben gemeinsam www. 040/76 74 47 51 Illustration: Daniel Matzenbacher für DIE ZEIT.matzenbacher. die Schiffe unter kenianischer Flagge mit ausländischer Besatzung fahren zu lassen. Radiobeitrag. Januar 2006 DIE ZEIT Seite 88 77 Tipps und Termine Was im Krankenhaus passiert. doch der Reederverband hätte gern mehr Frauen unter den Kapitänen. Innerhalb von nur fünf Jahren hat sich die Zahl der Handelsschiffe im Besitz der rund 300 deutschen Reedereien auf rund 2700 verdoppelt. Zum Kapitän wird man frühestens nach drei Jahren Seefahrtzeit befördert.medizity. Die Kinder. Web-Magazin oder einer Fotostory präsentiert werden. was den jungen Patienten begegnen kann. Diese prüft ein Arzt der See-Berufsgenossenschaft. Studenten und jungen Arbeitnehmer der zwölf deutschen WM-Städte auf. Weit über 90 Prozent der internationalen Warenströme werden auf dem Seeweg bewegt. binnen zwei Jahren auf mindestens 100 Schiffen wieder die deutsche Flagge aufzuziehen – der Startschuss für den Run auf den Nachwuchs. um die seine Kollegen ihn beneiden. Doch ausgerechnet der fehlende Nachwuchs ist zur Barriere auf dem Wachstumskurs geworden. Die Kommissionsvertretung kommt zwischen Ende März und Juni in die zwölf Austragungsorte und prämiert die Gewinner. Der Berufseinstieg beginnt gewöhnlich als dritter Offizier. denn Voraussetzung für die Ausstellung des Nautischen beziehungsweise Technischen Befähigungszeugnisses ist. »Wir haben schöne Zeiten für Arbeitnehmer«.3 12.de/ Hochschule Wismar: www. sagt HansHeinrich Nöll. An der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften macht in diesen Tagen der letzte verbliebene Seefahrtstudent seinen Abschluss. Die Motive.de und bei der Beratungsstelle für Schifffahrtsberufe bei der Bundesagentur für Arbeit:Tel. und die Arbeitnehmer dürfen zwischen den attraktivsten Angeboten wählen.reederverband.Nr. die sich im vergangenen Jahr bei Arbeitsvermittler Schweitzer nach einer Stelle erkundigt haben. Wer in die USA will. Wie sieht die Mensa in Harvard aus? Wo spielt das beste Frauen-Soccer-Uni-Team der USA? Welche Hochschule hat die höchsten Gebühren? Woher bekommen Studierende Geld.fh-flensburg. Fassung S. sind dabei andere als früher. www. Seefahrer zu werden. 2002 wurden die lettzen Patente an der Seefahrtschule Grünendeich verliehen.de Fachschule für Seefahrt in Flensburg: www. Der Reederverband rechnet damit.« Von den rund 300 Offizieren. Die Reeder suchen ungeduldig nach Nautischen und Technischen Offizieren. Die Idee soll zu zweit.bis 21-jährigen Schüler.state. Er darf wirklich tun. und das unter verkehrten Vorzeichen: »Stellenangebote für Schiffsmechaniker. um dort trotzdem zu studieren? All das und viel mehr steht im Studienführer College and University Education in the United States. Die EU schätzt den Bedarf an Schiffsoffizieren in den Mitgliedsländern auf 30 000 in den nächsten zehn Jahren. An die 12-monatige (NOA) beziehungsweise 18-monatige (TOA) Fahrtzeit schließt sich ein dreijähriges Studium an der Seefahrtschule an.de/fbs Institut Seefahrt in Leer: www. bevor der Fachbereich zum Semesterende geschlossen wird.fh-oow. sagt Hans-Heinrich Nöll. »Ich wollFortsetzung auf Seite 78 WIE WIRD MAN KAPITÄN? Viele Wege führen zum Karriere-Ziel Kapitän.de aufgebaut. Die praktische Erfahrung kann auch vor dem Studium gesammelt werden.europaeische-vision. Die Vertretung der EU-Kommission in Deutschland ruft alle 15. Weitere Informationen gibt es beim Verband Deutscher Reeder: www. einem Quiz und ein paar Spielen hilft »MediZity« außerdem Ängste abzubauen. Die Entscheidung über das Ende der See- DER BESONDERE TIPP ANZEIGE nem Videoclip. dass in den kommenden Jahren 160 neue dazukommen – pro Jahr. dirigieren mittlerweile fast ein Drittel der weltweiten Containerflotte. Zum Studium gehören immer zwei Praxissemester. Im Anschluss steht ihnen die Weiterbildung zum Offizier offen.fs-seefahrt. weil Menschen Radios anderswo billiger bauen als in Deutschland. Wann sie wo sind und der Einsendeschluss stehen auf: www. Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). noch schneller wächst der Handel und noch schneller der Containerverkehr«. Deutschlands wichtigster Hafen und der zweitgrößte in Europa. Während Werke geschlossen werden.sf. die Lohnnebenkosten zu senken und an der günstigen Tonnagesteuer festzuhalten.hs-bremen. 77 SCHWARZ cyan magenta yellow CHANCEN Käpt’n gesucht Die deutschen Reedereien sind so gut im Geschäft. und auf Schiffen kommen die fertigen Radios zurück nach Deutschland. Es war billiger. kann eine Reise nach Brüssel gewinnen. Und während bundesweit Millionen auf den Fluren der Behörde darauf warten. Wer eine Vision für Europa hat. Und die deutschen Reedereien stehen an der Spitze. Voraussetzung für alle ist die Seediensttauglichkeit. Genau genommen wächst der Containerverkehr fast doppelt so schnell wie die Weltwirtschaft. gehört seine Branche zu den Globalisierungsgewinnern.gov/journals/itsv/1105/ijse/ rdeducate. Im Abschlussbericht für 2005 schlägt der Leiter der bundesweiten Fachvermittlung für Seeleute den bekannten Sorgenton der BA-Papiere – wenn überhaupt – nur am Rande an.de/chancen fahrtschulen in Grünendeich und Hamburg war schon gefallen. wozu sie sich die teuren Nautikstudiengänge überhaupt noch leisten sollen. bis sich die Hochschulen schließlich fragten.oder Realschulabschluss können eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker machen. Während der Ausbildung zum Nautischen oder Technischen Offiziersassistenten (NOA/TOA) ist der angehende Seemann bei einer Reederei angestellt und gilt an Bord als Besatzungsmitglied. klickt auf http://usinfo. zu dritt oder zu viert eingereicht und in ei- U we Schweitzer hat eine Aufgabe.de Nr. 3 DIE ZEIT 2. Auszubildenden.zeit. ihre »EURopäischE VISION« zu entwickeln. Die Absolventen der deutschen Seefahrtschulen können sich ihren Job aussuchen. wofür eigentlich Tausende Vermittler der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland angestellt sind: Er vermittelt Arbeitsplätze. ohne deutsches Personal auszukommen. sagt Irminger. Der Kaufmann für Bürokommunikation ist dabei nicht nur ausführender Beamter. Fassung S.« Nr. Ich reise viel und stelle die Produkte von Reckitt Benckiser in ganz Deutschland vor. dass sie nicht genügend informiert seien über ihre Möglichkeiten. fremde Länder zu erkunden. Wenn der Berliner Hertha-Bär Herthino für seinen Arbeitgeber durch die Telefonwerbung tapst. Meine Frau spricht Schwäbisch. Wenn ich dann spreche oder wenn ich versuche. Dem WMLöwen Goleo geht es da nicht besser. lacht sie nur. Die Angst vor dem Auswahlverfahren ist groß. erzählt der gebürtige Tunesier. dass er der gesuchte Fahrzeughalter ist. habe ich einzelne Wörter überbetont – sehen und gehen zum Beispiel. sagt er. Und dann sagen wir häufig die schwäbische und die hochdeutsche Version. Gabriele Petrick. Eine Lösung.« Doch selbst wenn das Wachstum sich verlangsamen sollte. Das heißt. Das Kuscheltier aber macht das Stadion zum Freizeitpark. sagt er. Wenn sich die Ständige Arbeitsgemeinschaft der Küstenländer für das Seefahrt-Bildungswesen am 19. Zwischen einem deutschen Beamten und einem ausländischen Bürger kann es doch schon mal Probleme geben. die Sprache sei klarer. Um aufzuklären. ob man sich mit Leer und Elsfleth zwei maritime Ausbildungsstätten unter dem Dach der fusionierten Hochschule Oldenburg überhaupt noch leisten könne. Fußball ist schließlich eine ernste Sache. Seine Mähne ist extra lang und weich. besucht einen HochdeutschSprachkurs Herr Heyer. aber auch die Hessen und Sachsen fragen häufig nach. weil sie bis an ihre Grenzen ausgelastet sind. die bei seiner Arbeit von Vorteil sein können. »Das Leben an Bord hat mit Romantik nicht mehr viel zu tun.« Der gegenwärtige Boom der Branche ist der beste Zeitpunkt. Was ist am Schwäbischen so unsexy? Wo ich gehe und stehe. sagt nach der Begrüßung niemand: Ach. dazu neigt der Schwabe leider. wie in der Verwaltung gearbeitet wird. »Wenn wir weiterwachsen. die mich nicht verstanden haben. dass die Fans meinen. Aber Marmeladebrötchen. »Wir wollen die Messlatte bei den Einstellungstests nicht tiefer legen. als er doch zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. aber ohne Hilfe ist das nicht so einfach. Maskottchen haben es schwer. wenn ihr Verein verliert. im Gegenteil. FC seit Monaten zu Hause nicht mehr gewonnen hat. 42. Immerhin konnte die Quote seit 2001 auf 13 Prozent gesteigert werden. brauchen wir dringend Personal an Land. Januar zu ihrer nächsten Sitzung trifft. Für Adlan Manai. dass die Ausbildung für jeden offen ist. Und ein guter Freund. Durch meinen Sprachkurs bin ich auf das Hochdeutsche getrimmt. sagt Peter Irminger. dass ich schon große Fortschritte gemacht habe. Und irgendwann wird man wegrationalisiert. »Das waren alles ›Urdeutsche‹«. weil ein Satz aufgrund des Dialekts nicht verstanden wurde.de A steuer nicht rechtzeitig bezahlen. Umso größer war die Freude. Über dem braunen Fell trägt er ein grün-weißes Shirt. »Die Tonnagesteuer verlangt. Nach Schätzungen braucht die maritime Wirtschaft in den kommenden Jahren jährlich 700 bis 1000 Nachwuchskräfte. sage ich zu meiner Frau: Schätzle. politisches Basiswissen rund um die Funktionen von Bundeskanzler.« Tore hat ein Elchgeweih auf dem Kopf. Also versuchen es die meisten gar nicht erst. Goleo-Puppen in den Größen »kleiner Finger« bis »Kleinwagen« sollen die Kassen klingeln lassen. verstehen Sie mich noch. Lohnt sich die Mühe? Das habe ich versucht. Die lerne ich nun. um meinen Dialekt zu überspielen. »Der hat keine Hose an!«. hagelte es schon Häme. »In unseren Hörsälen sitzen die Studenten schon auf den Heizkörpern«. Der Deutschtunesier Adlan Manai fand die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung noch aus einem anderen Grund besonders attraktiv. Die Entwicklung ist absurd: Der deutsche Reederverband und die Europäische Union werben mit Filmen voll Seefahrerromantik um Nachwuchs. Die Düsseldorfer und Hamburger. um einen Job an Land anzunehmen und bei ihrer Familie zu sein. Professor in Bremen. Genau darum behandeln die Ultragruppen auf den Stehrängen ihn und seine Kumpane wie hässliche Schnuffelsäcke oder einen nervtötenden Hofnarren. Berufsberater für seemännischen Nachwuchs bei der zentralen Heuerstelle. INTERVIEW: MADLEN OTTENSCHLÄGER Käpt’n gesucht Fortsetzung von Seite 77 te noch die Welt kennen lernen«. Das liegt nicht daran. Ich mag den Dialekt. 78 SCHWARZ cyan magenta yellow 78 DIE ZEIT Chancen Nr. Die Sätze wirken dann gepresst. Einem Grund übrigens. Denn auch Lotsen. sondern bringt auch für den Arbeitgeber insbesondere interkulturelle Kompetenzen mit. Aber es gibt eben Menschen. Wenn ich besonders gut und deutlich sprechen wollte. weil Missverständnisse erst gar nicht auftreten oder schneller aus dem Weg geräumt werden. schreibt er Mahnungen. Mit dem Projekt »Junge Migrantinnen und Migranten für den öffentlichen Dienst gewinnen« will die Behörde mit Hilfe von Bundesmitteln und finanzieller Unterstützung der Europäischen Union bis April ausländische Jugendliche anwerben. von den etwa 4400 deutschen Offizieren auf deutschen Schiffen ist jeder Zweite älter als 50. sagt Hans-Georg Benver. Tore sieht nicht so gut. und die Sendungen im Fernsehen sind auch nicht auf Schwäbisch. Einmal ist er über einen Spieler gestolpert. Aber ein bisschen Verbesserung geht schon noch. »Wir brauchten dringend vier oder fünf Stiftungsprofessuren«. wenn Bürger der Stadt Duisburg sich nicht ummelden oder ihr Auto nicht ordnungsgemäß anmelden. Welcher Satz ist für einen Schwaben am schwierigsten? Foto: privat Amtsdeutsch Die Stadt Duisburg will junge Migranten für den öffentlichen Dienst gewinnen VON GUDRUN WEITZENBÜRGER ls Adlan Manai sich nach dem Einstellungstest bei der Stadt Duisburg von seiner Schwester abholen ließ. Das ist doch viel zärtlicher. sagte er sich. Bundesrat und Bundestag wurde abgefragt sowie Prozentrechnen getestet. würde es nicht reichen«. der in der Regionalliga Nord um den Aufstieg in die Zweite Fußballbundesliga spielt. die Nachfrage nach jungen Führungskräften an Bord wird bleiben. um damit die Quote erhöhen zu können«.« Dafür kann ein Wachoffizier mit 4000 Euro Einstiegsgehalt rechnen und hat vielleicht mit Mitte 30 schon eine Führungsposition. Der Löwe kommt auch tatsächlich aus der Sesamstraßen-PuppenWerkstatt Henson Company in den USA. stattdessen viel mit Einsamkeit. Ich werde noch einen Kurs besuchen. der La Paloma-Refrain »Seemannsbraut ist die See. Wenn ich heute in Hamburg eine Präsentation mache. Wie reagiert da Ihre Familie? Meine Kunden. ihr das korrekte Sprechen beizubringen. Der Schwabe als Witzfigur. Dann sprechen Sie jetzt perfekt Hochdeutsch? Noch nicht. er wird zum Beispiel aktiv. und wenn sie die Kraftfahrzeug- Arbeitstier GOLEO macht das Stadion zum Kinderzimmer Natürlich. es ist auch jemand aus dem Schwabenland dabei. Bixamilch und Grombiera spreche? Eliza Doolittle übt in dem Musical »My fair lady« die perfekte Aussprache mit dem Satz: Es grünt so grün. kurz RAA. Benver rät allen Interessenten. Ich denke zwar. wo er schließlich als letzte Hürde aus einem Thesenblatt einen zwanzigminütigen Vortrag ausarbeiten musste. Das Verschlucken von einzelnen Buchstaben kommt daher. die Beamtenlaufbahn erscheint ihnen als unerreichbarer Traum. »da ist man nur ein Rad im Getriebe.« Diese Haltung haben viele Jugendliche ausländischer Abstammung. benachteiligt im Job? Witzfigur würde ich nicht sagen. sind Ausländer. dass die Schiffe im Inland gemanagt werden«. ist ganz begeistert von meinem neuen Spruch auf dem Anrufbeantworter. Sie sind in Schwaben geboren und sprechen seit mehr als 40 Jahren Schwäbisch. »aber trotzdem verdeutlichen. Goleo bringt so die WM in die Kinderzimmer. »Selbst wenn alle maritimen Ausbildungsstellen ihre Kapazitäten verdoppeln würde. stellte der Test eigentlich keine große Hürde dar. Sie schreiben und lesen Hochdeutsch.« Manai beispielsweise hat kein Problem. Er sollte Fragen über die Verwaltung im Allgemeinen beantworten. Sicher. zunächst in einem Schiffspraktikum auszuprobieren. sagt Sinan Kumru. und man könne es besser verstehen. Die guten Berufsaussichten haben sich inzwischen herumgesprochen. Bundesbehörden und die Reedereien suchen Fachkräfte. ob sie das wochenlange Alleinsein an Bord ertragen. Derzeit gehen jedes Jahr gerade einmal 120 bis 130 Absolventen von allen deutschen Seefahrtschulen ab. und sie geben es zum ersten Mal zu. Im Sommer 2005 hat der inzwischen 24-jährige Manai seine Ausbildung abgeschlossen und arbeitet seither im Ordnungsdienst der Stadt Duisburg. Das nervt. werden die Sätze unklar. sehe ich Rehe in meiner Nähe. Schön ist etwa die Verniedlichung. zum Kinderzimmer. »Das kannst du vergessen. glaubt der Bremer Professor. die sich bei der Duisburger Stadtverwaltung im mittleren Dienst bewerben. sie seien schuld. und der Klang ist nicht schön. und in manchen Situationen passt er besser als das Hochdeutsche. »Die Reeder haben viel Geld in der Tasche. hat Manai erfahren.3 12. Sie waren also dem Dialekt nie so ausgesetzt wie meine Generation und finden meine Übungen sehr witzig. www. »Zwischen Menschen derselben Nationalität gibt es keine Schwellenangst«.Nun lernen Sie Hochdeutsch. Es heißt nur: Aha. der am Rand behandelt wurde. Das Problem liegt tiefer: Goleo und seinesgleichen sehen aus wie die misslungenen Geschwister von Ernie & Bert. damit auch Frauen und Mädchen von ihm angesprochen werden. seinem Team Glück und Erfolg zu bringen. Er findet die Betonung schöner. Zudem überlegte die Hochschulleitung. Das ganze Stadion hat gelacht. reagieren auf Maskottchen trotzdem aggressiv. Tore ist kein Elch. dass man nicht die richtige Sprechtechnik hat. Bremen und Warnemünde ist im letzten Jahr sprunghaft gestiegen. Projektmitarbeiter der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien. wenn Spaniens Blüten blühen. wenn ich von Gsälzweggle.niels-schroeder. Im letzten Augenblick sprang im vergangenen Dezember die Reedergemeinschaft Ems-Achse in die Bresche und stiftete kurzerhand drei Professorenstellen. ein Franke und ein Hesse sitzen und alle Dialekt sprechen. Gleichzeitig müssen die Hochschulen den Zugang beschränken. bei der Stadt Duisburg. gehen Manai und Kumru auch in Schulen und erklären. damit wir den Unterschied hören. Welche Übungen machen Sie noch im Hochdeutschkurs? Schwäbisch ist nicht unsexy. der zu schnell gefahren ist. Und das geht ja nun wirklich nicht. 3 DIE ZEIT 2. aber zur Belustigung tragen wir schon bei. Das war vor vier Jahren. »Ich habe mir wegen meiner Abstammung keine Chancen ausgerechnet«. speziell beim Fußball. Das ist für mich natürlich eine schöne Bestätigung. darum zu werben. steht sogar die Einführung eines Numerus clausus auf der Tagesordnung. Nur acht von sechzig Jugendlichen. Warum ahmen Sie nicht einfach die Sprecher der »Tagesschau« nach? Meine Töchter sprechen Hochdeutsch. die Ausbildungsleiterin bei der Stadt Duisburg. vierzehn verschiedene Nationalitäten unter ihren Auszubildenden zu vereinen. die Dialekt sprechen. MARKUS FLOHR . Doch die modernen Containerschiffe löschen ihre Ladung innerhalb von Stunden. ist stolz. In erster Linie besteht der Job eines Maskottchens (meist muss ein Tier dafür herhalten) aber darin. Fassung S. einem Tunesier oder Marokkaner zu sagen. sagt Petrick. Die meisten Seeleute kehren der See heute schon nach vier Jahren den Rücken. 78 SCHWARZ cyan magenta yellow Illustration: Niels Schröder für DIE ZEIT. Ein Gutachten stellte die Wissenschaftlichkeit der Ausbildung infrage. Immerhin. Und: »Ich habe in den vergangenen drei Jahren insgesamt mehr als ein Jahr Überstunden gemacht. den er mit vielen »urdeutschen« Bewerbern gemeinsam hat. und nur ihr kann er treu sein« ist längst überholt. die sich Peter Irminger auch für Bremen wünschen würde. ein Schwabe übrigens. und von Thomas Gottschalk musste er sich fragen lassen: »Hatte deine Mutter was mit einem Lama?« Leider gab Goleo die Frage nicht zurück.« Bei vielen scheitere die Bewerbung schon daran. fliegen Gegenstände Richtung Fernseher. sagt der Verbandschef Hans-Heinrich Nöll. wir haben auch einen Saarländer. wird viel seltener nachgefragt. Stattdessen stehen immer wieder Ausbildungsstätten auf der Kippe. um meine Aussprache zu verfeinern. Key-Account-Manager und Schwabe. der einen deutschen und einen tunesischen Pass hat. »In der Wirtschaft wollte ich nie arbeiten«.Nr. Kaum hatte er sich im Mai 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt. Schließlich steht in Köln immer noch Geißbock Hennes an der Linie. Ich habe Probleme mit dem e und ä und mit der Überbetonung. und fiel hin. i bin do. Büchsenmilch und Kartoffeln sind mir zurzeit lieber. Wenn man nicht genügend Luft hat. der sich mit Fachabitur beworben hatte. ich muss dann Sätze wiederholen. sondern Maskottchen des VfB Lübeck. hatte er keine Hoffnung auf den begehrten Ausbildungsplatz. Zuletzt sollte die Seefahrtausbildung in Leer abgeschafft werden. Er soll den Leuten eben Freude machen. Und was ich beobachtet habe: Wenn man in eine Verhandlung geht und dort ein Saarländer. fand die Boulevardpresse heraus. Die meisten Fans. die Zahl der Studienbewerber an den verbleibenden fünf deutschen Seefahrtschulen in Leer. »Da kann eine Akte schneller bearbeitet werden. Wer hat Sie nicht verstanden? Anfangs meist Atemübungen. Sie üben auch zu Hause. 3 DIE ZEIT 2. obwohl der 1. Elsfleth. Mein Dialekt wird sofort erkannt und benannt. Flensburg. Das aber hat auch nur zur Belustigung beigetragen. in der Schule gibt es ja kaum noch Lehrer. Wenn ich heimkomme. Januar 2006 Gefragt JÜRGEN HEYER. Da bleibt keine Zeit. mussten die Deutschen zeitraubende und verlustreiche Nahkämpfe führen. Luxemburg und Belgien. Dieses etwa vierzig Zentimeter lange Messer. léans nordöstlich von Or hat aufgenommen Keine Kameraden ach dem Einfall der Wehrmacht in Polen Anfang September 1939 war es im Westen zunächst seltsam still geblieben. Er wurde gefoltert und schließlich laufen gelassen. Es gibt in Erquinvillers und den umliegenden Dörfern Hunderte von französischen Soldatengräbern. sondern sogar gewünscht war. Die Beschuldigung war wahrscheinlich nicht immer grundlos. gingen die französische Armee und die wenigen verbliebenen britischen Verbände zu einer verzweifelten Taktik über. 3 DIE ZEIT 2. vermuteten sie sofort Verstümmelung. Oft machten die Deutsche bei der Suche nach versprengten schwarzen Soldaten »keine Gefangenen«. aber nach dem Krieg ließ sich nur noch schwer feststellen. Juni in der Nähe von Airaines (westlich von Amiens) erschossen. Nur wenn Schwarze daran beteiligt waren. keine Gnade mehr.–. über die tieferen Motive hinaus nach bestimmten Auslösern für die Verbrechen zu fragen. Doch auch in dem Fall. wartete man in Paris lange Zeit ab. 3 DIE ZEIT 2. welche die Stationierung der Kolonialtruppen als Verbrechen und Provokation darstellte. versuchten sie von vornherein keinen Raum für solche Inkonsistenz zu lassen. das Coupe-coupe. Im Frühjahr 1940 rollt die deutsche Militärmaschine gegen den Westen los. den diese Angriffe auslösten. »Nach der Gefangennahme«. die bis zur Vernichtung ganzer Volksgruppen reichten. Nach dem Ersten Weltkrieg steigerte sich die deutsche Propaganda nochmals. Januar 2006 ZEITLÄUFTE Neger«. die vernichtet werden musste. verlangte Propaganda-Chef Joseph Goebbels nach Absprache mit Hitler in einer geheimen Ministerkonferenz. farbige französische Soldaten deutsche Gefangene –. andere Erhebungen sprechen von 400 bis 600 ermordeten Schwarzen. Während mancher Schwarzer auf dem Weg dorthin und auch später noch Misshandlungen erlitt. Kriegsverbrechen begangen zu haben. notiert der Kommandeur des Regiments Oberst Amadée Fabre. Bataillons des 16. einen Kameraden von einem Massaker abzubringen. Denn das hatten sie ja überall gehört und gelesen: dass die »Wilden« ihre Opfer grundsätzlich verstümmeln. bis 7. sich sogar kannibalisch über die Leichen hergemacht. dass äußerste Brutalität nicht nur toleriert. der spätere Widerstandskämpfer Jean Moulin. stellte sich bald heraus. Abb. dass in spätestens 14 Tagen das ganze deutsche Volk mit Wut und Hass gegen Frankreich erfüllt sein müsse. Adolf Hitler selbst hatte den angeblichen Gräueln der schwarzen Soldaten im Weltkrieg und während der Rheinlandbesetzung hasserfüllte Passagen in seiner Programmschrift Mein Kampf gewidmet. schwarze Gefangene korrekt behandelt. […] Als ich gegen die Misshandlungen der gefangenen Soldaten protestierte. dazu gedrängt. Ein sehr vorsichtiges französisches Dokument nennt 150 als Gefangene erschossene Westafrikaner und acht weiße Offiziere. kannten in ihrer Rache keine Grenzen. Beamte des SS-Sicherheitsdienstes. Tatsächlich finden sich in Soldatenbriefen und anderen persönlichen Dokumenten jener Tage zahlreiche Echos der vorherrschenden »Pressestimmung«.. Alles war jetzt wieder da: Wie »schwarze Wilde« den biederen »deutschen Mann« demütigten. dass der angeblich verstümmelte Landser im Gefecht gefallen war. eine Erklärung zu unterschreiben. Juni. Der Zorn. So geriet das »Unternehmen Barbarossa« von Anfang an zu einem Vernichtungs. Ein französischer Offizier berichtet. der General Feldt vorlag. dass er einen von ihnen energisch davon abhalten musste. wie weit die Nazifizierung der Truppe bereits 1940 fortgeschritten war. nachdem Frankreich bereits um Waffenstillstand gebeten hatte. Fassung S. Rundfunk und Wochenschau setzten Goebbels’ Direktiven sofort um. Obwohl die Gräuelpropaganda von der SPD und der Zentrumspartei entlarvt und kritisiert wurde. aus dem Frankrei nen Die aufgeschlage s. Sie weckte vielfach das Verlangen nach mörderischer »Vergeltung«. wie »deutsche Frauen und Kinder« von den »Bestien« vergewaltigt würden und so weiter und so fort. Feldt hatte allerdings bereits »Vergeltungsaktionen« angeordnet. als die Wehrmacht begann. nachdem er versucht hatte. Da durfte »kein Pardon gegeben« werden. Unter den Einheiten dort befinden sich zahlreiche Regimenter mit schwarzen Rekruten aus Französisch-Westafrika. »stürzten sich die Deutschen mit noch nie dagewesener Brutalität auf die Senegalesen.und Ostafrika (1904 bis 1907) zurückgeht. Um diese Stellungen zu nehmen. Die Widersprüchlichkeit des deutschen Handelns legt es nahe. Wie viele andere Autoren und Propagandisten der völkischen Rechten betrachtete er die Franzosen als ein »vernegertes« Volk. Die Wehrmacht überfällt die neutralen Nachbarn Holland. Nach kürzester Zeit ist das Gros der englisch-französischen Truppen in Nordfrankreich und Belgien eingeschlossen. der dieser Bande zum Opfer fällt«.‹« Ein anderer Offizier berichtet: »Die Europäer mussten sich an einer Böschung hinsetzen. so genannte Igel. zum 9. RTS Lucien Maurice Carrat einen deutschen Offizier. während die etwa fünfzig Senegalschützen. Sie bildeten getarnte Widerstandsnester. an und für sich schon einer Schmähung gleichkam. Als Hitler und die Führungsstellen der Wehrmacht und SS den Feldzug gegen die Sowjetunion vorbereiteten. Wenn deutsche Soldaten einen Kameraden mit solchen Wunden fanden. die Schwarzen hätten französische Zivilisten ermordet. und wiederum haben sie ihren tierischen Instinkten freien Lauf gelassen. Besonders begeistert beteiligten sich die Nationalsozialisten an der »Schwarze Schmach«-Kampagne und hielten die Erinnerung daran auch nach 1933 wach. Senegalschützen. Bei Erquinvillers zum Beispiel half ein deutscher Soldat. 88 SCHWARZ cyan magenta yellow 88 DIE ZEIT Nr. In der Nacht vom 8. Je brutaler die Deutschen vorgingen.« N Die Geschichte vom »ritterlichen« Krieg im Westen ist eine zähe Schulbuch-Mär: Während ihres Frankreichfeldzugs 1940 verübten Hitlers Soldaten zahlreiche Massaker an schwarzafrikanischen Gefangenen VON RAFFAEL SCHECK Hitler verachtet die Franzosen als »vernegertes« Volk Wie viele schwarzafrikanische Gefangene die Deutschen in dieser Nacht ermordet haben. und 20. »Man sollte das ganze Gelichter vergasen. Oft wurden. Dieses Bild ist nicht mehr aufrechtzuerhalten. aus Bäumen schossen oder in Ruinen lauerten. dass es sich keineswegs um die einzigen Wehrmachtverbrechen an farbigen Truppen im Westfeldzug von 1940 handelte. auf Paris zuzumarschieren. dann lag für einen Frontsoldaten die Folgerung nahe. Wie sind diese bis heute hierzulande unbekannt gebliebenen Verbrechen zu erklären? Anders als zu Beginn des Vernichtungsfeldzugs gegen die Sowjetunion ein Jahr später gab es 1940 keine Weisung wie den berüchtigten Kommissarbefehl. das aus dem Hinterhalt zuschlägt – die »Bestie«. von einem Soldaten in Todesangst auf kleinem Raum geführt. 88 SCHWARZ cyan magenta yellow . Um die Erschießungen dennoch zu rechtfertigen. dass die Tatsache. Die Befehle für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener schlossen Mord an bestimmten Gruppen und das Verhungernlassen von Millionen anderer Gefangener mit ein. auf Paris zu. die Misshandlung von Kriegsgefangenen war unter keinen Umständen erlaubt. die in aussichtsloser Lage noch heldenhaft »um ihre Ehre« kämpften – dafür hätte man ein »ritterliches« Verständnis gehabt –. Die Fantasie der »Kriegsreporter« kannte keine Grenzen. (1917– chfeldzug. Der Autor ist Professor für europäische Geschichte am Colby College in Maine (USA). kritische Gegenstimmen drangen kaum durch. $ 65. ohne Gelegenheit zu bekommen. Allerdings: Es kam nicht überall zu solchen Exzessen. leisteten erbitterten Widerstand. wer in gnadenlosem Nahkampf umgekommen und wer nach der Gefangennahme erschossen worden war. erfuhr sie einen neuen Aufschwung. zwei verletzten deutschen Gefangenen den Kopf abzuschneiden. in der Nähe mit Maschinenpistolen erschossen wurden. Die Archivquellen dokumentieren die Ermordung von etwa 1500 Schwarzen während des Feldzugs. wie beschrieben. Jetzt geht es gegen die französischen Kernlande. die sich schon halb im Frieden wähnten und tagelang auf keinen Widerstand mehr gestoßen waren. Ende Mai. Mancher Offizier wie zum Beispiel der Kommandeur der 1. in anderen Fällen kamen sogar Deutsche den Afrikanern zu Hilfe. einem schwarzen Soldaten gegenüberzustehen. Mit den viel beschworenen »Verstümmelungen« aber hatte es noch eine andere Bewandnis. Wie aber legitimierten es deutsche Offiziere und Soldaten dann. Um dieses Ziel zu erreichen. »Schwarze Schmach« genannt. gegen eine so zivilisierte Rasse wie die Deutschen Krieg zu führen«.3 12. manchmal führten deutsche Offiziere auf Betreiben französischer Kommandeure eine Erschießung nicht aus. freche Neger«. als 1918 bis 1920 einige westafrikanische Regimenter bei der Besetzung des Rheinlandes durch französische Truppen dabei waren. Juni 1940 beginnt die zweite deutsche Offensive. die auf die Zeit der großen Aufstände in den deutschen Kolonien in Südwest. Zumal sie es hier nicht mit Weißen zu tun hatten. und noch am 19. so hieß es. verbrecherische Befehle dieser Art auszuführen. Die Wehrmacht blieb im Westfeldzug an die Genfer Konvention von 1929 gebunden. ordneten deutsche Befehlshaber die Erschießung zahlreicher Schwarzer und einiger weißer Offiziere in der Nähe von Lyon an. Senegalschützenregiment (Régiment de tirailleurs sénégalais. Moulin weigerte sich. hat es Massaker wie die von 1940 nicht gegeben. Seit dem 5. New York. ja. Juni wird der Großteil dieses Regiments etwa 40 Kilometer südlich in einer Gruppe von Dörfern bei Erquinvillers eingekesselt. ist nie geklärt worden. da die Quellen große Lücken aufweisen. »NIGGER«. Ihre Stellungen zu erstürmen kostete Hunderte von Verletzten und Toten. Auffallend ist auch. RTS zum Opfer hundertfacher Kriegsverbrechen wurde.« »Man sollte das ganze Gelichter vergasen« Die Kampagne war erfolgreich. Kavalleriedivision General Kurt Feldt begründete die Erschießung der Schwarzen damit. Er war ein »wildes Tier«. »Eine so niedrige Rasse verdient es überhaupt nicht. Der schwarze Soldat war kein Kamerad. als Frankreich im Ersten Weltkrieg koloniale Truppen an der Westfront einsetzte.Nr. konnte dem Gegner schwere Schnittwunden zufügen. Sie ließen die deutschen Verbände passieren und beschossen sie dann überraschend von der Seite und von hinten. Die Hetze hinterließ Wirkung. Was sich dann abspielt. sich selbst zu töten. So zeigten manchmal auch die Senegalschützen. Juni gefallen war und jede Stunde mit dem Einstellen der Kämpfe gerechnet wurde. hätten deutschen Gefangenen die Ohren und Köpfe abgeschnitten. Viele gemeinsame Kinder von rheinländischen Frauen und Kolonialsoldaten – als »Rheinlandbastarde« diffamiert – wurden während des »Dritten Reichs« erfasst und heimlich sterilisiert.und Auslöschungskrieg. also wenige Tage bevor das 24. Im März erscheint sein Buch zum Thema: »Hitler’s African Victims: The German Army Massacres of Black French Soldiers in 1940« (Cambridge University Press. der die Ermordung bestimmter Gruppen von Kriegsgefangenen verlangte. Schon am 31. selbst als Paris am 14. Sie stachen sie mit den Bajonetten und schlugen mit Gürtelschnallen auf sie ein. und die Kommandeure und Soldaten der Wehrmacht zeigten immer seltener Skrupel. Obwohl neben Großbritannien auch Frankreich dem Bündnispartner Polen Hilfe zugesagt und dem Reich den Krieg erklärt hatte.« Man darf wohl vermuten. »Toter de »Die Kulturschan ick in das Frankreichs« – Bl iten Album des Gefre 2005) Gottfried W. Doch obwohl es schon in jenen Tagen vereinzelt zu Morden kam – deutsche Soldaten erschossen farbige Gefangene. Wenn weiße Franzosen oder britische Soldaten die Deutschen in mörderische Kämpfe Mann gegen Mann verwickelten. wie es ihren gefangenen Kameraden ergangen war. nachdem sie davon erfahren hatten. Am 5. die noch übrig waren. sollte der ganze Propaganda-Apparat Erinnerungen an die »Schwarze Schmach« verbreiten und die französischen Kolonialtruppen beschuldigen. Die Massaker zeigen. sondern um »unmenschliche. Mehrere hundert Westafrikaner wurden vom 5. die eifrig Berichte über die Stimmung im Volk sammelten. Die Massaker in Frankreich aber gehörten zu seiner mörderischen Ouvertüre. zitiert der Kommandeur des 3. Einmal mehr wird deutlich. welche schon erste Gerüchte über die Gräuel gehört hatten. muss aber nach zwei Tagen zurückweichen. Beim Nahkampf in unübersichtlichem Terrain benutzten viele Schwarze ihre traditionelle (und vollkommen legale) Nahkampfwaffe. schwarze Gefangene zu erschießen? Es gab in Deutschland eine Tradition der Stigmatisierung schwarzer Soldaten. desto wütender wurde der Widerstand. hoben nicht wenige französische Offiziere und Regimentsärzte die gute Behandlung der afrikanischen Soldaten durch die Deutschen hervor. Zu lange. ist in den Kriegsberichten weißer französischer Offiziere nachzulesen. Aber die wirkliche Zahl dürfte mindestens doppelt so hoch sein. das seine niedrige Geburtenrate durch Vermischung mit »minderwertigen Rassen« zu kompensieren suche. sich zu ergeben. antwortete mir ein deutscher Oberst: ›Das sind doch nur Wilde. galt dies als legitim. Mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes entfachte die deutsche Presse eine wahre Hetzkampagne. Fassung S. Damals verbreitete die konservative Presse Gräuelgeschichten über die Rebellen. Zeitungen. Das Feindbild vom schwarzen Soldaten wurde während des Westfeldzugs von 1940 durch eine groß angelegte Propaganda-Offensive neu belebt und verstärkt. 212 S.. traf vor allem die schwarzen Gegner. diese Soldaten hätten deutsche Gefangene »verstümmelt«.« Ein anderer Artikel drohte ganz offen: »Diese Mordbestien finden bei uns kein Pardon. Juni 1940. Das 24. in der folgenden Nacht aufgerieben und gefangen genommen. Die große Mehrheit der Afrikaner wurde in gewöhnliche Gefangenenlager überführt. Die Behandlung der schwarzen Gefangenen durch die Wehrmacht war äußerst widersprüchlich. denn es ist zu schade um jeden einzelnen deutschen Soldaten. konnten schon in den ersten Junitagen einschlägige Kommentare notieren. auch nicht als Racheakt für Kriegsrechtsverletzungen der anderen Seite. wurde der Präfekt des Départements. Außerdem wurde eine unbestimmte Zahl von Schwarzen erschossen. Wenn die offizielle Zeitung der NSDAP unverhohlen die Erschießung dieser Gefangenen androhte. Die Nazifizierung der Truppe ist schon weit fortgeschritten Die historische Literatur zum Westfeldzug bescheinigt der Wehrmacht im Allgemeinen ein »korrektes Verhalten« in Frankreich – das in scharfem Kontrast stehe zur deutschen Kriegführung »im Osten«. und: »Diese schwarzen Bestien [muss man] sofort nach der Gefangennahme erschießen. Mai hetzte der Völkische Beobachter unter der Überschrift So führt das verkommene Frankreich Krieg! ausführlich in Bild und Wort: »Auch heute wieder hat Frankreich die grausamen schwarzen Bestien aus dem Urwald auf uns losgelassen. Schwarze Soldaten. Fest steht. und deutsche Soldaten. ISBN 0521857996) Foto: DZ Nr. RTS) leistet in der Nähe von Amiens heftigen Widerstand. um die brutalen Unterdrückungsmaßnahmen der kaiserlichen Armee zu rechtfertigen. sprachen die Wehrmachtberichte von heimtückischen Anschlägen. An der Somme bauen die Franzosen hastig eine neue Verteidigungslinie auf. Seiten zeigen Foto Juni 1940 die er um den 18. Ein zweiter Grund für die Entfesselung der Mordwut kam hinzu. dass die Propaganda auf die Truppe ähnlich gewirkt hat wie auf die Zivilbevölkerung. dass die meisten Verbrechen an schwarzen Gefangenen in die Zeit nach dem Beginn der Kampagne fallen. Allerdings funktionierte dieser Prozess noch nicht reibungslos.