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March 23, 2018 | Author: Josephulus | Category: Plato, Linguistics, German Language, Alphabet, Human Communication


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Reihe Germanistische Linguistik285 Herausgegeben von Armin Burkhardt, Heiko Hausendorf, Damaris Nübling und Sigurd Wichter Elisabeth Birk / Jan Georg Schneider (Hg.) Philosophie der Schrift Max Niemeyer Verlag Tübingen 2009 n Reihe Germanistische Linguistik Begründet und fortgeführt von Helmut Henne, Horst Sitta und Herbert Ernst Wiegand Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-484-31285-2 ISSN 0344-6778 Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2009 Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck und Bindung: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Inhalt Vorwort ........................................................................................................ VII Elisabeth Birk & Jan Georg Schneider Christian Stetters Philosophie der Schrift ....................................................... 1 I. Alphabetschrift und Orthographie Peter Eisenberg Schreibvarianten ........................................................................................... 11 Hartmut Günther Alphabetschrift und Alphabetreihe – Entwicklung und Aneignung ............. 27 Albert Bremerich-Vos Das „Mimesisbild der Alphabetschrift“ und didaktische Kontroversen zum Schriftspracherwerb .............................................................................. 43 II. written language bias und spoken language bias Jürgen Villers Über den Skriptomorphismus der Philosophie ............................................. 59 Frank Liedtke Schrift und Zeit. Anmerkungen zu einer Pragmatik des Schriftgebrauchs ........................................................................................... 75 III. Medium und Medienwechsel Ludwig Jäger Das schreibende Bewusstsein. Transkriptivität und Hypotypose in Kants „Andeutungen zur Sprache“ ........................................................... 97 Gisela Fehrmann & Erika Linz Eine Medientheorie ohne Medien? Zur Unterscheidung von konzeptioneller und medialer Mündlichkeit und Schriftlichkeit ................ 123 ................ Eine metaphorologische Skizze .......................... Jahrhundert . 161 IV................. 145 Josef Klein Über die strategische Ausnutzung kognitiver Kontrollschwächen bei Mündlichkeit.................... 183 V................VI Hans Julius Schneider Transposition – Übersetzung – Übertragung. Das Bild vom Transport ‚semantischer Gehalte‘ und das Problem der interkulturellen Kommunikation .... Verschiedene Schriftsysteme im Vergleich Sonja Häffner Kanji...................... 221 . 169 Thomas Niehr Frakturschrift und Purismus – eine unheilige Allianz................................................................... Schriftgeschichte und Schriftbild Mareike Buss & Jörg Jost Die Schrift als Gewebe und als Körper........... Eine politolinguistische Miszelle ..... Die Re-Ideologisierung von Schriftarten im 21............. 205 Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung ........ Eine symboltheoretische Einordnung . mit dieser Vielfalt der Themen einen Eindruck von der Bandbreite und Bedeutung seines Ansatzes zu geben. den Reihenherausgeberinnen und -herausgebern für die Aufnahme in die RGL. Wir hoffen. Seine Philosophie der Schrift war Ausgangspunkt für Beiträge aus Linguistik und Philosophie. Elisabeth Birk und Jan Georg Schneider Aachen. Dezember 2008 . insbesondere Angelika Linke für ihre Unterstützung im Vorfeld.Vorwort Christian Stetter zum 65. und – last but not least – Simone Heekeren für die sorgfältigen Satzarbeiten. Geburtstag Dieser Band ist Christian Stetter gewidmet. Wir danken den Autorinnen und Autoren sowie dem Niemeyer Verlag für die gute Zusammenarbeit. Schriftdidaktik und Medientheorie. . das ist der Grundgedanke von Christian Stetters Philosophie der Schrift. Auf diese Weise erscheinen die grundlegenden Verfahren von Sprachwissenschaft und Philosophie in einem neuen Licht. Stetter (2005: 67ff. In „Schrift und Sprache“ wird dieser Gedanke in seiner ganzen Komplexität entfaltet: Humboldts und Wittgensteins sprachphilosophische Grundeinsichten werden auf den Bereich der Schrift übertragen und für die Analyse unserer Begriffe von Logik.Elisabeth Birk & Jan Georg Schneider Christian Stetters Philosophie der Schrift Für zwei Disziplinen ist der formale Umgang mit der Sprache konstitutiv: für die Philosophie und die Sprachwissenschaft. vgl.“ (Stetter 1997: 466). Das Zitat bezieht sich im Original auf die Sprachtypologie. Sprache sei phänomenal nur immer als jeweils bestimmte Sprache zu fassen und als solche konstitutiv für die jeweilige Weltansicht. Diese teleologische Denk1 2 3 4 –––––––— Vgl. unterschiedliche Rückwirkung der Schrifttypen auf die Sprachen anzunehmen. Humboldt (1963 [1824]). Ausgehend von Humboldt lässt sich Schrift so als Bezeichnung für ein originär plurales Medium. Metaphysik und Grammatik fruchtbar gemacht. Stetter (1997: 9).1 Zwar unterlegt Humboldt seiner Schrifttheorie ebenso wie seiner Sprachtypologie eine teleologische Ausdeutung. Krämer (1998). für ein Bündel unterschiedlicher symbolisierender Verfahren auffassen. in der die Alphabetschrift am Ziel der Entwicklung steht. Stetter (2004: 25). Diese Verfahren sind in ihren heutigen Formen Produkte von Evolutionsprozessen4 – also gerade nicht Momente einer gerichteten Entwicklung. und die Konsequenzen dieses Perspektivwechsels betreffen so unterschiedliche Bereiche wie die Theorie der Orthographie. Humboldts Gedanke.). doch sieht man von diesem „eurozentrischen ‚Restbestand‘“2 ab. lässt sich hier eine medientheoretisch äußerst moderne Position ausmachen. die Interpretation der Platonischen Spätdialoge und die Geschichte der Grammatik. sondern sie ist – im Vokabular der neueren Medientheorie ausgedrückt – ebenso wie die gesprochene Sprache ein Medium. Dass ihre Entstehung mit dem Gebrauch der Alphabetschrift verbunden ist. das sich je in ihnen artikuliert. Stetter bezieht sich hier auf Leroi-Gourhan. die mit ihnen geschrieben werden. Nicht nur wirkt die Schrift auf die gesprochene Sprache zurück. die im Alphabet ihr Telos hätte. führt ihn auch im Bereich der Schrift dazu. Vgl. das am Mediatisierten seine Spur3 hinterlässt: „Auch die Verschiedenheiten von Schrifttypen müssen Rückwirkungen auf das Denken zeitigen. . Legt man Schriften auf eine abbildende Funktion fest. man exemplifiziert darüber hinaus eine bestimmte syntaktische Verwendung und eine semantische Referenz (Stetter 2005: 82ff. wenn man Schrift als autonomes Symbolsystem auffasst. von dem man sich im Rückgriff auf Wittgensteins Sprachphilosophie einen pragmatischen Begriff machen kann: Schreiben ist jeweils eine historisch gewachsene Praxis. entwickeln schriftliche Performanzen ein mediales Eigenleben. Mit diesen Überlegungen sind nicht nur für die Schrifttheorie die Karten neu gemischt. In „Schrift und Spra- . wie schrifttheoretische Überlegungen die Pluralität von Schrifttypen ernst nehmen und gleichzeitig einer ethnozentrischen Ausdeutung ihres Verhältnisses entgehen können: Es gilt. Stetter 1997: 62): Im Prozess ihrer Entstehung sind Schriften Problemlösungen. hängt letztlich an der Vorstellung. und das Alphabet sei diesem Ziel eben am nächsten gekommen. Wenn man sich von dem Gedanken löst. die Schrift sei in erster Linie Abbild der gesprochenen Sprache. Da die Inhalte eines geschriebenen Textes d ir e k t in der Schrift artikuliert werden (ohne einen Umweg über die Lautsprache). sie sind Sprechhandlungen. deren pragmatische ‚Tiefengrammatik‘ (im Sinne der „Philosophischen Untersuchungen“) allererst zu beschreiben ist. in dem ihr Gegenstand sich zeigt. diese bedürfen der Schrift. Das gelingt. die durch eine Unterordnung des „Graphismus“ unter den „Phonismus“ den gleichen Grad an artikulatorischer „Differenzierungsmächtigkeit“ wie die gesprochene Sprache ausbilden.a. das Verhältnis von Schrift und Sprache gegen das Gewicht einer übermächtigen Tradition neu zu beschreiben. Das Provozierende einer pluralen und pragmatischen Auffassung von Schrift wird deutlich. mit den Mitteln der Goodman’schen Symboltheorie: Mit jeder schriftsprachlichen Äußerung. In „System und Performanz“ verdeutlicht Stetter diesen Sachverhalt u. die gesprochene Sprache ‚abzubilden‘. die Schrift diene nur dazu. dann erscheint sie als ein eigenständiges Medium: ein Medium. die konstitutiv für philosophische und sprachwissenschaftliche Analysen ist. dass die gesprochene Sprache nur in der Verschriftung zum Gegenstand systematischer formaler Reflexion werden kann. die im Grunde der gesamten älteren Schrifttheorie ihren Stempel aufgedrückt hat. mit jeder Inskription (Token) e x e mp lif iz ie r t man den jeweiligen Typ. Die Fluktuanz des Mündlichen entzieht es der Zugriffsweise.2 Elisabeth Birk & Jan Georg Schneider figur. wenn man sich vor Augen führt. sind damit aber auch jeweils an eine b e s timmte Schrift. In Stetters Überlegungen ist ein Weg aufgezeigt. einen b e s timmte n Schrifttyp als das Medium gebunden.). verwechselt man – wie Stetter für das Alphabet bemerkt – ihr ‚Funktionsprinzip‘ mit ihrem ‚Konstitutionsprinzip‘ (vgl. gerade dadurch dann aber zu einer funktionalen Autonomie gelangen (Stetter 1997: 9). die gelingen oder misslingen können. das der jeweiligen Botschaft ihre spezifische Form gibt. und versteht nicht. und unter denen. noch einmal anders darstellen. der ‚formales‘ Denken erzeugte.Christian Stetters Philosophie der Schrift 3 che“ stellt Stetter den Entstehungsprozess von Philosophie und Sprachwissenschaft aus dieser Perspektive dar.6 –––––––— 5 6 Vgl. wenn man von der radikalen Pluralität der Schrifttypen ausgeht: Dann kann man in den Schriften Platons und Aristoteles’ der Genese formalen Denkens – Logik und Grammatik – aus dem Umgang mit der Schrift. zu wem sie reden soll und zu wem nicht. . – Vgl. Für die Philosophie ist mit der Frage nach dem Verhältnis von Schrift und Sprache diejenige nach ihrem eigentlichen Medium gestellt. sie wird in diesen Texten auch als solche reflektiert – mehr noch: diese Texte sind die Dokumente schlechthin eines singulären historischen Moments. hierzu Stetter (1997: Kap. In diesem Spannungsfeld von Oralität und Literalität bewegen sich die Dialoghandlungen der großen Platonischen Texte. Und wird sie beleidigt oder unverdienterweise beschimpft. die sie verstehen. sie ist bloß äußerliches ‚Abbild‘ (Zeichen des Zeichens) und führt dazu. die hier aus kontingenten Gründen eben das Alphabet war. wenn sie sich Lehrbuchwissen angeeignet haben (Phaidros 274e–275b).5 Einerseits steht Platon dem ‚neuen Medium‘ Schrift äußerst reserviert gegenüber – die Schriftkritik im „Phaidros“ lässt hier wenig Interpretationsspielraum: Die Schrift verschlechtert unsere Gedächtnisleistungen. von Präsenz und Abwesenheit. (Stetter 1997: 14) Platon thematisiert und reflektiert das noch junge Medium (Alphabet-)Schrift immer wieder im Kontrast zur lebendigen Rede seines Lehrers: Der in Platons geschriebenen Texten ‚mündlich‘-dialogisch philosophierende Sokrates stellt gleichsam die Inszenierung dieses Übergangs dar. Allerdings wird sich diese Fragestellung. des „Kratylos“ und des „Phaidros“. nicht nur zuschauen. 8). dass Laien sich für Experten halten. die ihre erste kanonische Form in der Schriftkritik des „Phaidros“ findet. so schweift auch überall jede Rede gleichermaßen unter denen umher. hierzu auch „Parmenides“ 128d. für die sie sich nicht gehört. denn selbst ist sie weder imstande sich zu schützen noch sich zu helfen. etwa des „Parmenides“. „Phaidros“ 275d f. so bedarf sie immer ihres Vaters Hilfe. Außerdem bedeutet die Verschriftung der Philosophie für Sokrates und Platon den Verlust auktorialer Kontrolle: Ist sie aber einmal geschrieben. Die p h i l o s o p h i s c h e T r a d i t i o n reflektiert diese Problemlage in der Debatte um das Verhältnis von ‚lebendiger‘ Rede und ‚totem‘ Buchstaben. liest Platon und Saussure mit Blick auf deren merkwürdiges Verhältnis zur Schriftlichkeit: In der Verschränkung von (alphabet-)schriftgebundener Praxis und theoretischer Verdrängung der Schriftlichkeit kristallisieren sich die Grundlagen beider Disziplinen heraus. „Schrift und Sprache“ lässt sich so als – im foucaultschen Sinne – genealogische Studie von Philosophie und Sprachwissenschaft lesen: Die Beschreibung der Emergenz von Notwendigkeit aus kontingenten Bedingungen. Dies ist kein ‚Umweg‘. Im „Parmenides“ „entwickelt Platon […] eine die Vollständigkeit der Argumentation demonstrierende Kombinatorik“ (Stetter 1997: 339). was man als den „Fetischcharakter der Schrift“ (Stetter 1997: 276) bezeichnen kann: der Umstand. welche sprachlichen Einheiten angesetzt werden: Unser Wort. nicht der Phänomenologie der gesprochenen Sprache. Diese Eigenart des Mediums Schrift.und unser Phonembegriff verdanken sich der alphabetischen Verschriftung. Galt lange Zeit die gesprochene Sprache als ausschließlicher Gegenstand linguistischer Untersuchung. Auch hier hat es radikale Konsequenzen. in Umlauf gebrachten Textes lässt sich kaum noch steuern.4 Elisabeth Birk & Jan Georg Schneider Die Rezeption eines geschriebenen. was als linguistisches Objekt phänomenal in Erscheinung treten kann. eine formale Dialektik. wie sie eine formale Sprachbetrachtung erfordert. rücken heute mediale Unterschiede zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit zunehmend in den Blick. Damit hängt auch eine der Grundüberzeugungen der modernen Sprachwissenschaft zusammen. die das neue Medium bietet. dass Schrift in der Sprachwissenschaft als implizites Modell der gesprochenen Sprache fungiert. Sie eröffnen neue Perspektiven auf . er nutzt auch in buchstäblich unerhörter Weise die Darstellungsmöglichkeiten. Andererseits formuliert Platon nicht nur in d e r S c h r if t die Grundlagen der abendländischen Philosophie. die ihren Sinn ausmacht. Für die S p r a c h w is s e n s c h a f t ist die Frage nach dem Verhältnis von Schrift und Sprache diejenige nach der Konstitution ihres Gegenstandes. In der schriftlichen Fixierung wird die Rede allererst als Folge typisierter Einheiten analysierbar. Damit sind die Konsequenzen der schrifttheoretischen Grundüberlegungen des Textes aber keineswegs ausgeschöpft. wenn man die Pluralität der Schrifttypen ernst nimmt: Daraus ergibt sich eine Art linguistisches Relativitätsprinzip: Es hängt von der Art und Leistungsfähigkeit der jeweiligen Schrift ab. die Besonderheit „zerdehnter Kommunikation“ (Ehlich) hat Platon früh erkannt. die nur in der Schrift diejenige Übersichtlichkeit entfaltet. sondern gleichsam Bedingung der Möglichkeit der linguistischen Gegenstandsgewinnung: Erst die Verschriftung ermöglicht das Auseinandertreten von langue und parole und damit die Betrachtung der Sprache als System. der Gedanke der Arbitrarität des Zeichens: Die Manipulation des signifiant unter Absehung von der Bedeutung. ist ebenfalls abhängig von der Verschriftung. (Stetter 1997: 131) Insbesondere ist schrifttypabhängig. Damit ist allerdings noch nicht das theoretisch eingeholt. und Ontogenese. Psychologie und Schrifttheorie in Gang setzen könnte. Der zweite Teil des Bandes geht dem „written language bias“ und dem „spoken language bias“ in Philosophie und Sprachwissenschaft nach. andererseits aber die gesprochene Sprache als Untersuchungsobjekt zu privilegieren („spoken language bias“). J ü r g e n V i l l e r s diskutiert diese latente Schriftfixiertheit der Sprachtheorie unter dem Stichwort ‚Skriptomorphismus‘. also – wenn man so will – mit seiner Phylo. ob die neueste Version. wie sich Bedeutungen in der Schrift selbst ausdifferenzieren. die Frage. einerseits die gesprochene Sprache implizit durch die Brille der geschriebenen zu betrachten („written language bias“). Abbildfunktion und Autonomie der Schrift eine weitere Möglichkeit nicht außer Acht zu lassen: ‚Lauttreuem‘ Schreiben könnte als ‚nützlicher Fiktion‘ im Schrifterwerbsprozess auch eine produktive Rolle zukommen – eine Position. Er stimmt Stetters Kritik am „Mimesisbild der Alphabetschrift“ zu. Fasst man Schrift als autonomes Symbolsystem auf. Eisenberg vergleicht dazu die verschiedenen Stadien der Rechtschreibreform miteinander und stellt dabei u.a. bestreitet aber dass dieses Bild für die heutige Schriftdidaktik in Deutschland (noch) leitend ist. mit der ‚Alphabetreihe‘ umzugehen. Hierbei geht . die sich aus neuen Wendungen der Schrifttheorie ergeben. die eine interessante Debatte an der Schnittstelle von Schriftdidaktik. beschäftigt H a r tmu t G ü n th e r sich mit der Entwicklung und der Aneignung des Alphabets. Neben die Phasen der Entwicklung und Aneignung der ‚Alphabetschrift‘ stellt er den Erwerb der Fähigkeit. sondern eine von der Alphabetschrift her induzierte Abstraktionsleistung ist. dass die Segmentierung der Rede in Phoneme keine Entdeckung. weil die Frage der Lauttreue dann nicht mehr bestimmend im Zentrum steht. nun einen Fortschritt gegenüber der ‚alten Rechtschreibung‘ darstellt. in Absehung vom Lautbezug vollziehen. in der Debatte um Lauttreue.Christian Stetters Philosophie der Schrift 5 eine ganze Reihe weiterer Fragestellungen. Mit einem verwandten Thema beschäftigt sich A lb e r t Br e me r ic h V o s . der Neigung also. Ausgehend von der Überlegung. P e te r E is e n b e r g s Überlegungen zum Begriff der „Schreibvariante“ – wann sollen unterschiedliche Schreibweisen als Varianten gelten? – zielen letztlich auf die Frage. Schließlich regt BremerichVos an. die ja vom Rat für deutsche Rechtschreibung mitgestaltet wurde. Der Band gliedert sich insgesamt in fünf Teile. Der erste widmet sich den Themen Alphabetschrift und Orthographie. von denen der vorliegende Sammelband einige der wichtigsten aufgreift. also Wörter alphabetisch zu sortieren. Gerade auch dieser bislang wenig untersuchte Aspekt des Schrifterwerbsprozesses muss sich. hat das sowohl für die Debatte um die Orthographiereform als auch für Fragen der Schriftdidaktik Konsequenzen – schon allein. wie Günther darlegt. Er fordert darüber hinaus aus schriftdidaktischer Sicht generell die empirische Überprüfung didaktischer Thesen ein. dass Kants Begrifflichkeit zwar einerseits noch in bestimmten Denkschemata der repräsentationistischen Tradition verhaftet bleibt.6 Elisabeth Birk & Jan Georg Schneider Villers bis in die antike Philosophie. werden als Transkriptionsprozesse lesbar. die monomediale Kommunikationsformen einander gegenüberstellt. in welcher Medialität im Grunde genommen gar keinen Platz hat. in denen sich die Semantik von Verstandesbegriffen und Vernunftideen allererst konstituiert. „Übersetzung“ und „Übertragung“ als Modellen .und medientheoretisches Potential aufweist. Insbesondere für die Sprechhandlungstheorie. als intra. Fehrmann und Linz entfalten die These. Jäger arbeitet heraus. insbesondere diejenige Platons. das jedoch – wie Liedtkes Beitrag deutlich macht – ein großes sprach. Dieses Verschwinden der medialen Dimension führen Fehrmann und Linz letztlich auf eine Auffassung von Kommunikation zurück. eröffnen sich ganz neue Aspekte. Dabei unterscheidet Schneider terminologisch zwischen „Transposition“. in dem die Frage der interkulturellen Übersetzbarkeit grundsätzlich diskutiert wird. Eine in gewisser Hinsicht komplementäre Perspektive nimmt F r a n k L ie d tk e ein. „Medium und Medienwechsel“. im Zentrum.und intermediale Bezugnahmen. Der Beitrag von G is e la F e h r ma n n und E r ik a L in z setzt sich kritisch mit der stark rezipierten Medientheorie von Koch/Oesterreicher auseinander. L u d w ig J ä g e r stellt eine Verbindung zwischen der Transkriptionstheorie und dem kantischen Konzept der Hypotypose bzw. wenn man auch das s c h r if ts p r a c h lic h e H a n d e ln verstärkt in den Blick nimmt und dabei sowohl den Produktions.und intramedialen Bezugnahmen in den Blick zu nehmen. die mit jeder Kommunikationsform gegeben sind – wie der Beitrag am Beispiel des Mediums Gebärdensprache eindrücklich zeigt. Die Multimedialität von Sprache und die Interferenzen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit stehen im dritten Teil des Sammelbandes. zurück. Darstellung her: Hypotyposen. die sich ja traditionell an der gesprochenen Sprache orientiert.als auch den Rezeptionsprozess der schriftlichen Kommunikation medientheoretisch und pragmatisch untersucht. anstatt die vielfältigen inter. da die medialen Unterschiede zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen von Sprache hier zugunsten der Konzeptionalität („Sprache der Nähe – Sprache der Distanz“) marginalisiert werden. andererseits aber auch die Sprachkonzeptionen Humboldts. von Kant als „Versinnlichungen“ von Begriffen und Ideen gefasst. dass Koch und Oesterreicher eine Theorie der Medien entworfen haben. Um das Problem des Medienwechsels geht es auch in H a n s J u liu s S c h n e id e r s Aufsatz.und Medientheorie fruchtbar machen lässt. Herders und Hegels theoretisch vorbereitet und sich für eine moderne Sprach. Er beschäftigt sich mit der Zeitlichkeit des Mediums Schrift: ein bisher wenig behandeltes Thema. verortet das Problem aber auch in der modernen Linguistik und Philosophie. wie Niehr am Beispiel der politischen Dimension der Frakturschrift darlegt. ein pragmatisches. die implizit am Ideal notationaler Systeme orientiert ist. Sie entwirft – in Rückgriff auf Stetters „System und Performanz“ – eine an Goodmans Symboltheorie orientierte Beschreibung der japanischen Kanji. Der fünfte Teil des Bandes schließlich verfolgt den Gedanken der Pluralität der Schriftsysteme. benötigt man eine alternative Beschreibungssprache. Ma r e ik e Bu s s und J ö r g J o s t beschäftigen sich mit zwei Metaphern. die im Diskurs über Schrift immer wieder eine zentrale Rolle gespielt haben: die Körper. was es heißt. Komplementär zu diesem systematischen Blick. am späten Wittgenstein ausgerichtetes Modell der „Übertragung“. Buss und Jost zeigen. S o n j a H ä f f n e r geht dem Problem des linguistischen Relativismus für die Schrifttheorie nach: Wenn unsere linguistischen Beschreibungskategorien am Alphabet ausgerichtet sind. Er setzt sich kritisch mit der Programmatik des „Bundes für deutsche Sprache“ auseinander und zeigt.Christian Stetters Philosophie der Schrift 7 des „Transports semantischer Gehalte“ zwischen Sprachspielen. aber aus einer eher historisch-politischen Perspektive. wie diese beiden Metaphern die materielle und die mediale Spezifik von Schrift und Text auf je eigene Weise hervorheben. Die Beiträge des vierten Teils fokussieren die historische und die ästhetische Dimension von Schrift.und die Gewebe-Metapher. Mediale Unterschiede zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation beschreibt der Beitrag von J o s e f K le in . Schriftzeichen als (typo-)graphische Gestalten lassen sich mit zusätzlicher Bedeutung aufladen. In der Tat macht die Betrachtung von Schriften als autonomen Medien eine neue Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Schrift und Bildlichkeit sowie den Diskursen über die graphisch-materielle Dimension von Schrift notwendig. Auch T h o ma s N i e h r betont die materielle und die ästhetische Seite des Alphabets. Die schiere Komplexität dieser Entwicklungen kann eine ungefähre Vorstellung davon geben. um Schriften nicht-alphabetischer Schrifttypen gerecht zu werden. Er entwirft gegen die Vorstellung einer medienneutralen „Transposition“. die das Japanische im lateinischen Alphabet notieren. lässt sich S o ic h ir o I to d a s und H a n s . Itoda und Knaup zeichnen die Entstehung der Kana-Matrix aus dem Zusammenwirken von japanischer Mündlichkeit und den Schrifttraditionen des Chinesischen und des Sanskrit nach sowie die Geschichte der Transkriptionssysteme. den Gedan- . wie die dort geforderte Wiedereinführung der Frakturschrift mit einem nationalistisch gefärbten Purismus einhergeht: Es handelt sich – wie Niehr herausarbeitet – um ein Beispiel für die „ReIdeologisierung von Schriftarten im 21.J o a c h im K n a u p s Beitrag zur Geschichte der japanischen Schrift lesen. Er führt am Beispiel realer politischer Diskussionsbeiträge praktische Konsequenzen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit vor: In der Mündlichkeit werden medial bedingte Kontrollschwächen strategisch ausgenutzt. Jahrhundert“. Flitner und K. – (2005): System und Performanz. Symboltheoretische Grundlagen von Medientheorie und Sprachwissenschaft. und wieviele weitere brisante Fragestellungen noch offen sind.8 Elisabeth Birk & Jan Georg Schneider ken einer Pluralität der Schriftsysteme ernst zu nehmen und die jeweilige Ausdifferenzierung schriftlicher Ausdrucksformen konkret zu beschreiben. Krämer. Herausgegeben von Christian Stetter. Platon (1990): Werke in acht Bänden.M. Werke in fünf Bänden. Stetter. Schriftdidaktik und Japanologie.M. – Darmstadt: Wiss. . Computer. Übersetzt von Friedrich Schleiermacher. Giel. 73–94. III – Darmstadt: Wiss. 9–32. – Berlin: Philo. Christian (1997): Schrift und Sprache. – Frankfurt a. S. – Frankfurt a. In: Sybille Krämer (Hg. In: Wilhelm von Humboldt: Schriften zur Sprachphilosophie.: Suhrkamp. S. Sybille (1998): „Das Medium als Spur und als Apparat“. Griechisch und Deutsch. In: Wilhelm von Humboldt: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus. Die Beiträge lassen ahnen.: Suhrkamp. Bd. Realität. moderner Medientheorie und der Geschichte der griechischen Philosophie nachgegangen. Herausgegeben von A. – Weilerswist: Velbrück. Ausgehend von Christian Stetters Philosophie der Schrift sind die Autorinnen und Autoren dieses Bandes Fragen aus Ästhetik und Orthographietheorie. wie weitreichend die Konsequenzen einer neuen Perspektive auf das Medium Schrift sein können. – (2004): „Einleitung: Wilhelm von Humboldts Sprach-Philosophie und die moderne Linguistik“. Buchges. herausgegeben von Gunther Eigler.): Medien. Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien. Buchges. Literatur Humboldt. Wilhelm von (1963 [1824]): „Über die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau“. Alphabetschrift und Orthographie .I. . dass letztere für die Konstruktion der idealen Sprache eine entscheidende Rolle spielen: „Man kann der natürlichen Sprache ihre Homonymien und Polysemien nicht austreiben. formal kenntlich gemacht wird. Die hier [in Wittgensteins „Tractatus“] postulierte ars characteristica ist nur zu schaffen. und sie findet ihren Niederschlag bis weit in die Vokabulare einfacher Fachsprachen hinein. dass dies in der Geschichte des Deutschen nicht immer so war. d. die praktischen Zwecken dienen und für die menschliche Wahrnehmung als geschriebene in Erscheinung treten. Jede Stillehre enthält Sätze wie „Synonyme sind sinnverwandte Wörter. 620). Jahrhunderts das Lateinische in vielen Textsorten des Geschriebenen mehr und mehr vom . dass Schreibvarianten zu vermeiden sind. Gerade deshalb ist von Interesse. Für den allgemeinen Gebrauch der normalen Sprache gilt beinahe das Gegenteil.h. in welches Verhältnis man sie zu den polysemen setzt. So ist von Interesse. nicht um eine Beschreibung – ist nur zu realisieren in der Schrift. indem man eine Sprache so konstruiert. wird mit dem Begriff der sprachlichen Variante meist ziemlich umstandslos operiert. Diese Forderung – denn um eine solche handelt es sich. Wie monoseme Einheiten prinzipiell zu bewerten sind. dann aus anderen Gründen als der stilistischen Varianz. das gilt auch und in besonderem Maß für die Schreibvariante. Wertung im Wandel Wenn es um praktische Zwecke geht. und wenn nicht.“ (Stetter 1997: 525) Der Umkehrschluss ist zulässig. äußerlich bzw. dass jede Differenz des signifié durch eine ‚entsprechende‘ Differenz des signifiant bezeichnet. Es besteht dann eine eineindeutige Zuordnung zwischen signifiant und signifié.“ (Wahrig 2003: 616. darauf kommen wir später zu sprechen. Die Forderung ist erfüllt oder näherungsweise erfüllt auch für eine große Zahl von Sprachen. Könnte etwas Vergleichbares nicht auch für Schreibvarianten gefordert werden? Im Allgemeinen zweifelt heute kaum jemand daran. hängt unter anderem daran. die einen Text abwechslungsreicher gestalten“ oder „Wiederholungen und Widersprüche im Sprachgebrauch werden häufig als Stilbruch verstanden und gemeinhin als stilistische oder argumentative Fehler eingestuft.Peter Eisenberg Schreibvarianten 1. Als ab der Mitte des 13. von der Begriffsschrift über wissenschaftliche Kalküle jeder Art bis hin zu Programmiersprachen. wie wichtig die Vielfalt der Schreibvarianten für die Entwicklung unserer Orthographie wurde. die Zahl der Varianten zu reduzieren. und „Die Kodifizierung der Rechtschreibregeln führt in Europa jeweils zu einem nationalen Ausgleich der Schreibvarianten.“ (Augst/ Schaeder 1997: 6).. der sich alle an Normierungsprozessen Beteiligten zu stellen haben. in den der Staat regulierend eingreift. Mit der Durchsetzung dieser Regularitäten ging der stilistische Eigenwert von Schreibvarianten verloren. was die Neuregelung der Orthographie von 1996 in dieser Hinsicht bewirkt hat.. ist es schwierig. Mehr oder weniger Varianten? Selbst wenn man ganz unkritisch mit dem Begriff Schreibvariante umgeht. Abschnitt 3 kommt auf noch virulente Auseinandersetzungen zu sprechen und in Abschnitt 4 werden Überlegungen zum Umgang mit dem Variantenbegriff vorgetragen.. [. die historischen Lehren bleiben aber: Unterdrückung von Varianz kann natürliche Entwicklungen behindern ebenso wie ihre beliebige Forcierung. 2. welche es überhaupt gibt und was man unter diesen Begriff zu fassen hat. die sich auch ohne Normierung abspielen würden. Den Neureglern selbst ging es wohl eher darum. welche Schreibvarianten zugelassen werden sollen. ein klares Bild davon zu gewinnen. Die prinzipielle Schwierigkeit besteht ja darin.] der einzige sprachliche Bereich. . Abschnitt 2 macht Aussagen über Varianten vor und nach 1996. einen Normierungsprozess der beschriebenen Art für die deutsche Orthographie ingang setzen zu können.12 Peter Eisenberg Deutschen abgelöst wurde.. Dies zu beherzigen ist die eigentliche Aufgabe und Kunst. Syntax – stark reduziert. Deutsch aber für einen Zeitraum von über zweihundert Jahren durchaus nicht. Man streitet darüber. Sie verstehen sich mehrheitlich als Normsetzer. dass Orthographien explizit normiert sind und Normierungen im Einklang mit solchen Veränderungen vorgenommen werden sollten. In Voeste (2008) wird dargelegt und begründet. Dem wird im folgenden unter Berücksichtigung der durch die Neuregelung entstandenen Situation nachgegangen. Über dem vorhandenen Formenreichtum konnten sich die Veränderungen hin zu silbischen und morphologischen Schreibungen entfalten. war stilistische Varianz ein treibender Faktor der Entwicklung. Wir sind gegenwärtig weit davon entfernt.] Die Rechtschreibung ist [. Normierung läuft dann auf Vereinheitlichung. Die Zahl der Varianten wird – anders als in den Bereichen Lautung. Man schrieb Latein weitgehend einheitlich. nicht aber auf Einführung neuer Schreibweisen hinaus. Flexion. und Kleinschreibung wie bei der Getrennt. Dabei ist jedenfalls nach Bereichen zu differenzieren. die vom Orthographieexperten Reinhard Markner zusammengestellt war. dass er alles erlaubt. (1) Frühere Schreibung abscheuerregend blutsaugend freischaffend freilebend zeitraubend Regelwerk von 1996 Abscheu erregend Blut saugend freischaffend frei lebend Zeit raubend Vorschläge des Rates Abscheu erregend / abscheuerregend blutsaugend frei schaffend / freischaffend frei lebend / freilebend Zeit raubend / zeitraubend . zu ‚eindeutigen‘ Schreibungen zu gelangen./5. aber durchaus auch als Vereinfachung im Sinne der Dudenredaktion. die in den drei Spalten übereinstimmen. Dagegen wurde bei der Groß. Für die weitere Arbeit des Rates fordert etwa Munske unter Verwendung des gelungenen Bildes vom gelichteten Salat: „Erste und dringendste Aufgabe in der Sache ist die Lichtung des Variantensalats in der Rechtschreibung. wenn man die Vorschläge im übrigen gar nicht so schlecht findet. In einer größeren Öffentlichkeit wurde die Neuregelung mal so und mal so gehandelt. Man ist sich weitgehend einig. dass nun noch mehr Varianten zugelassen sind. Über die Neuregelung von 1996 heißt es. und meist wird dies kritisiert. Hier ein Teil des Abschnitts zur Getrennt-/Zusammenschreibung (Einträge. März 2006 eine solche Liste.Schreibvarianten 13 Anders sieht es die Dudenredaktion. wurden weggelassen).und Zusammenschreibung ausdrücklich mit dem Ziel geregelt. März 2006: 37).“ (Scholze-Stubenrecht 1997: 206). nach ihrer Einschätzung ist Eindeutigkeit oft der bessere Weg zur Einfachheit. Es wird sogar dann kritisiert. einerseits als Liberalisierung. die Dudenredaktion sei „keineswegs der Meinung. 38). Scheinbar einfacher wird es durch die Vorschläge des Rates für deutsche Rechtschreibung aus dem Jahr 2006. Es entstand allgemein der Eindruck. So erschien unmittelbar neben einem Artikel von Eisenberg in der Süddeutschen Zeitung vom 4.“ (FAZ vom 31. dass die neue forcierte Variantenvielfalt tatsächlich in jedem Fall die beabsichtigte Vereinfachung der schriftlichen Kommunikation mit sich bringt. Materiell untermauert wurde diese Sicht auf den Rat als Ansammlung von Chamberlains und Warmduschern durch Beispiellisten zur Variantenführung.“ (Deutsche Rechtschreibung 1996: 31. der Rat habe seine Vorschläge jedermann dadurch schmackhaft machen wollen. In der Fremdwortschreibung werden Neuerungen im Allgemeinen neben die alten Schreibungen gestellt: „Im Prozess der Integration entlehnter Wörter können fremdsprachige und integrierte Schreibung nebeneinander stehen. Die einzige grammatische Feststellung von Gewicht ist: Wenn Inkorporation stattfindet. sondern sie stellt das wieder her. dass die betroffene Basiskonstruktion verschwindet. Für andere Einträge gelten analoge Überlegungen. Grundlage ist eine Konstruktion. dass es das Wort als lexikalisierte Einheit gibt. Selbstverständlich bleibt sie immer möglich und wir haben neben Blut spendende Studenten und Information liefernde Umfragen auch Abscheu erregende Bluttaten. gemeinsam ist ihnen aber die vergleichsweise große Eindeutigkeit. Die rechte Seite des ersten Eintrags der Liste in (1) stellt also keine Neuerung dar. Das Rechtschreibwörterbuch verzeichnet syntaktische Phrasen wie Blut spendend. Der alte Duden enthielt dieses Wort als Lemma. Zwar unterscheiden sich alte und 1996 neu geregelte Rechtschreibung erheblich. Der Eindruck trügt. Bei einer Konstruktion. die etwa als sogenanntes erweitertes Partizipialattribut in Erscheinung tritt und von Blut spendende Studenten bis Information liefernde Umfragen Klassen von Substantiven ergreift. Er stellt damit fest. Entstanden ist es durch Inkorporation des direkten Objekts in ein Partizip. folgt nicht. die derart produktiv ist wie die in Rede stehende. Solche Prozesse sind grammatisch gut beschrieben. Werden sie berücksichtigt.14 Frühere Schreibung nichtssagend meistbietend vielsagend rechtsaußen hochbegabt hochgebildet selbstgemacht schwerbehindert Regelwerk von 1996 nichts sagend meist bietend viel sagend rechts außen hoch begabt hoch gebildet selbst gemacht schwer behindert Peter Eisenberg Vorschläge des Rates nichts sagend / nichtssagend meist bietend / meistbietend viel sagend / vielsagend rechts außen hoch begabt / hochbegabt hoch gebildet / hochgebildet selbst gemacht / selbstgemacht schwer behindert / schwerbehindert Die Botschaft einer solchen Tabelle ist klar: rechts haben wir den Bleihaufen. was bis 1996 möglich war. Information liefernd und Abscheu erregend im Allgemeinen nicht. Es enthält Wörter als Lemmata und nur in besonderen Fällen auch syntaktische Phrasen. ist das auch gar nicht anders möglich. Varianten über Varianten. Betrachten wir den ersten Eintrag abscheuerregend. die als direktes Objekt artikellos stehen können. Links und in der Mitte tauchen kaum welche auf. sieht die Beispielliste so aus: . Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“. die vom Ministerium für Bildung. so viel. soviel. Er steht dafür.. nur Mut. Der Orthographieexperte kennt die alte Rechtschreibung nicht recht. Jugend und Sport des Landes Brandenburg im Jahr 1997 herausgegeben und an die Lehrer des Landes verteilt wurde. die es immer gegeben hat. dass die Neuregelung von 1996 tatsächlich rigide war. sehr viele Listen des Typs linke Spalte von (1) sind im Lauf der Zeit veröffentlicht worden. und leider steht er damit nicht allein. In einer Broschüre mit dem Titel „. Viele.Schreibvarianten (2) Frühere Schreibung abscheuerregend / Abscheu erregend blutsaugend / Blut saugend freischaffend / frei schaffend freilebend / frei lebend zeitraubend / Zeit raubend nichtssagend / nichts sagend meistbietend / meist bietend vielsagend / viel sagend rechtsaußen / rechts außen hochbegabt / hoch begabt hochgebildet / hoch gebildet selbstgemacht / selbst gemacht schwerbehindert / schwer behindert Regelwerk von 1996 Abscheu erregend Blut saugend freischaffend frei lebend Zeit raubend nichts sagend meist bietend viel sagend rechts außen hoch begabt hoch gebildet selbst gemacht schwer behindert Vorschläge des Rates Abscheu erregend / abscheuerrgend blutsaugend frei schaffend / freischaffend frei lebend / freilebend Zeit raubend / zeitraubend nichts sagend / nichtssagend meist bietend / meistbietend viel sagend / vielsagend rechts außen hoch begabt / hochbegabt hoch gebildet / hochgebildet selbst gemacht / selbstgemacht schwer behindert / schwerbehindert 15 Schon der visuelle Gesamteindruck ist ein ganz anderer als in (1). finden sich als ‚alte Schreibungen‘ nahestehend. Die Broschüre ist auf Grundlage des von Klaus Heller verfassten Sprachreports vom Juli 1996 und „mit Unterstützung ausgewiesener Experten“ erstellt worden. Die Liste in (2) steht noch für etwas anderes. nicht nur von hastig arbeitenden Journalisten. . wie viel möglich. dass der Rat tatsächlich im wesentlichen rückgebaut hat und er steht auch dafür.. Natürlich waren aber auch nahe stehend. bei denen es sich nach Auskunft des damaligen Staatssekretärs ausschließlich um Mitglieder der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung gehandelt hat. wieviel und andere. Der Rat hat Varianten wieder zugelassen. dass schon die allgemeine Ermattung zu einer Beruhigung der Gesamtsituation führen würde. die andere tut dasselbe mit der Neuregelung von 1996. die als ‚Kandidaten‘ infrage kommen. Eine kurzfristig nicht behebbare Schwierigkeit besteht nun darin. Erwartet worden war. dass während der vergangenen zwölf Jahre bestimmte Schreibweisen kategorisch ausgeschlossen waren und man deshalb den Schreibgebrauch im Sinne einer fundierten Gebrauchsnorm gar nicht erheben kann.] die herkömmliche anzuwenden [. beispielsweise wird schon im Geleitwort des Vorsitzenden von der „Ausrichtung am Schreibgebrauch“ gesprochen.“ Die Kritik ist ebenso unverständlich wie verständnislos. das Zulassen freier Varianten führe „zu einem in seiner Ausdrucksfähigkeit verarmten System. den Nachrichtenagenturen und den Buchverlagen in der Schweiz. indem er geltend macht. zum 1. Varianten werden vereinnahmt Die vom Rat für deutsche Rechtschreibung vorgeschlagenen Schreibweisen sollen dem tatsächlichen Schreibgebrauch wieder zu seinem Recht verhelfen.]. In dieser Situation konnte der Rat gar nichts anderes tun.und Zusammenschreibung (Deutsche Rechtschreibung 2006: 35). die an sich vorhandene Bewegungsmöglichkeiten einschränken wollen und ‚Schreibvariante‘ als Kampfbegriff verwenden. der Schreibgebrauch werde sich im gegebenen Rahmen wieder frei entwickeln. Das von einem historisch wie systematisch begründeten Rationalitätsanspruch getragene Vorgehen des Rechtschreibrates reibt sich nun aber auch mit den praktischen Bedingungen seiner Umsetzung. und damit die Hoffnung verbinden... bei Varianten in der Rechtschreibung [. Kurz gesagt macht eine Seite die alte Orthographie zum Fetisch. Teilweise ist das auch der Fall. ähnlich im Vorspann zum Abschnitt Getrennt. als sie nach langem Zögern beschlossen hatte.16 Peter Eisenberg 3. veröffentlichte..und Zusammenschreibung sind nach 1996 gravierende Veränderungen eingetreten. Besonders heftig streitet man noch in der Schweiz. Auseinandersetzungen werden über die Propagierung jeweils passender Varianten ausgetragen. Juni 2006. aber eben nur teilweise. das die Schweizer Orthographische Konferenz.. heißt es: „Die Schweizer Orthographische Konferenz empfiehlt der Presse. Im Memorandum vom 1. als Schreibweisen zuzulassen. ein Verein zur Wiederherstellung der alten Orthographie. Jacobs (2007: 78) übt harsche Kritik an dieser Strategie. Es ist deshalb in der Neufassung des Regelwerks wo möglich vom Schreibgebrauch die Rede. Nach wie vor werden unnachgiebig Positionen vertreten. die man zum Teil als erzwungen und zum Teil als Übergeneralisierungen der geltenden Regelung anzusehen hat. Januar 2007 erneut auf neue Rechtschreibung .“ Einen ähnlichen Grundsatz verfocht die FAZ. Gerade im Bereich der Getrennt. die es in Teilen auszuhebeln drohen. “ (SZ vom 9. wobei die Redaktion des „Wahrig“ in der Regel die bewährte Schreibweise empfiehlt. weil durch den Bindestrich der Personenname deutlich hervorgehoben wird. so offensiv wie die Duden-Redaktion.] Beide Schreibweisen sind richtig. Die 24. Wer will. b). Sie „tut dies. und diese Zeitung wird dies tun./10. während die Duden-Redaktion entgegen den Empfehlungen des Rates für Rechtschreibung überwiegend der reformierten Schreibweise den Vorzug gibt.“ (FAZ vom 2. dem Schreibgebrauch erst einmal eine Chance zu geben.“ Verhielte es sich so./ 24. z.9.2.“ (SZ vom 24. Riester als wichtig und Duden als weniger wichtig anzusehen wäre. So kann es gehen.B.W. In den Wochen nach Inkrafttreten der Regelung von 2006 wurden unter der gleichbleibenden Überschrift „Die Dudenempfehlung des Tages“ zahlreiche Anzeigen dazu veröffentlicht.“ (SZ 23.2007: 6). Wir empfehlen neu eröffnet. würde auch der Wahrig den Empfehlungen des Rates zuwiderhandeln. der für dieses Land in einer speziellen./25. Niemand vertritt m. „neu eröffnet und neueröffnet – beide Schreibweisen sind richtig. . In zahlreichen Fällen nennen die Wörterbücher mehrere zulässige Varianten. weil die Reform der Reform die bewährte Schreibweise in wesentlichen Teilen wieder für zulässig erklärt hat. weil auch neu eröffnen getrennt geschrieben wird.1.h.Schreibvarianten 17 umzustellen. denn Zusammensetzungen mit Personennamen schreibt man im Allgemeinen zusammen. oder „Riester-Rente und Riesterrente – beide Schreibweisen sind richtig. denn später lautet eine Anzeige „Duden-Empfehlung oder Dudenempfehlung? [.“ (dazu weiter Stirnemann 2006a. d.. die Auffassung. wir empfehlen die zweite. dass Riester-Rente unter der Überschrift Dudenempfehlung erscheint. von Sitta und Gallmann verantworteten Ausgabe erscheint und Grundsätzen folgen soll wie „Die Getrenntschreibung ist jedoch vorzuziehen. Wir empfehlen Riester-Rente. In derselben Ausgabe liest man auch: „Die Reform der Rechtschreibreform erlaubt in den meisten Fällen wieder die Verwendung bewährter Schreibweisen. denn es geht ja darum.2006: 1).9. da sie dem Normalfall entspricht. man solle generell eine und genau eine Schreibung für den allgemeinen Gebrauch auszeichnen.2006: 10). gelegentlich erscheinen sie noch immer. kann also weiterhin weitgehend der bewährten Rechtschreibung folgen. Auflage des Rechtschreibdudens enthält tausende von gelb unterlegten Schreibungen.2006: 6).. Die harte Position wird aber dem Duden zugeschoben: Er wolle die Regelung von 1996 so weit wie irgend möglich retten. wie sie vor der Reform gebräuchlich waren und außerhalb der Schule immer noch gebräuchlich sind. Für die Schweiz macht man das insbesondere am Schülerduden fest. Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein. die als jeweils erste empfohlen werden. Irgendwann muss das der Duden-Redaktion aufgefallen sein. ein- . wie oben gezeigt. Es soll nun an einigen Beispielen verdeutlicht werden. ist nicht ohne weiteres festzustellen und m. wie weit der Duden tatsächlich an der Regelung von 1996 festhält. Irgendwann sollten wir herausfinden. viele der 96er Schreibungen auch früher schon gab. ob die Schreibenden beide Schreibweisen brauchen und wie sie sie verteilen. 2. Jedenfalls forciert der Duden nicht einfach die Schreibvarianten von 1996. dann darf nach dem üblichen Verständnis vom Sinn sprachlicher Normen auch keine von ihnen ausgeschlossen werden. welche Art von Räsonnement den Rechtschreibrat überzeugt und die entsprechenden Schreibweisen ermöglicht hat.und Zusammenschreibung. obwohl im Rat gerade die Darlegung des Unterschieds überzeugt hat. 4. während für den Typ stehenlassen/stehen lassen „auch bei übertragener Bedeutung“ Getrenntschreibung gelten soll. Eine andere Frage ist aber. wäre mehr als eine Stichprobe an ausgewählten Beispielen notwendig. Hier dominiert. Noch vergleichsweise durchsichtig ist die Lage bei den Objektsprädikativen.1) erscheinen die Schreibweisen aber wie bei Duden und Wahrig als solche. Einige Hinweise geben immerhin die „Variantenempfehlungen“. die das Wörterbuch enthält (Duden 2006: 19). weil erneut das Verhältnis von Norm und Gebrauch auf den Kopf gestellt wird. Wir betrachten wieder einige Fälle von Getrennt. bisher auch nicht festgestellt worden. Rechtschreibregel und Schreibvariante Linguistisch von Interesse ist letztlich die hinter den bisherigen Ausführungen lauernde Frage. Strategisch stünde nun die Aufgabe an. so weit wir aus Korpusrecherchen wissen. Das Resultat der Verbalhandlung kann ja sowohl ein glattes als auch ein glattgehobeltes Brett sein.18 Peter Eisenberg Wie gesagt: ein solches Vorgehen entspricht prinzipiell nicht den Intentionen des Rechtschreibrates. ähnlich bei fest.W. Im amtlichen Regelwerk (§ 34. kleinschneiden lässt auch Getrenntschreibung zu. wann unterschiedliche Schreibweisen überhaupt als Varianten anzusehen seien. die Systematizität der Verwendungen beider Schreibweisen in größeren Datenmengen zu ermitteln. Sie liefern ein durchaus uneinheitliches Bild. zumal es. Argumentativ schwierig wurde es bei den Erstgliedern tot und voll. Um das zu klären. Wie sich dies im Gesamtwortschatz niederschlägt. deshalb handelt es sich nicht um Schreibvarianten. glatthobeln. So wird beim Typ gewinnbringend/Gewinn bringend „in der größeren Zahl von Fällen die früher vorwiegend übliche Zusammenschreibung“ empfohlen. Der Prototyp mit einfachem Adjektiv wie blankputzen. Sind sie das nicht. die sich in einer derartigen Situation für die Formulierung einfacher Rechtschreibregeln ergeben. es würden freie Varianten eingeführt. so wurde etwa bei totschlagen argumentiert. sonst getrennt geschrieben werden.a. 2007: 79f. Man halte sich aber vor Augen. sondern um Schreibungen mit unterschiedlicher Bedeutung. Die Probleme sind so vielfältig. Hier hat man es viel eher mit Schreibvarianten zu tun und es verwundert eigentlich nicht. ölfördernd. wie Jacobs (2007: 76) annimmt. dass der Duden die unmarkierte Schreibung (Getrenntschreibung) empfiehlt. Auch seine Rede von „früher vorhandenen Möglichkeiten inhaltlich differenzierter Schreibung“ geht in die falsche Richtung. volldröhnen. fleischfressend. Das scheint einer starken Tendenz zur Reihenbildung einerseits und dem Einfluss von nichttransparenten Bildungen (sich totlachen. Also. dass sie auch echte Objektsprädikative so gut wie nur in Zusammenschreibung erscheinen lassen. Noch undurchsichtiger blieb die Lage beim Typus ratsuchend. dem routinierten Schreiber werde damit eine Ausdrucksmöglichkeit geschaffen. „womit sie nicht mehr zur Disambiguierung eingesetzt werden können“ unzutreffend. es han- . zeigt sich selbstverständlich auch in den Ausführungen von Jacobs selbst. festbeißen) andererseits geschuldet zu sein (s. dass man seine Bearbeitung zum Lehrstück über Schwierigkeiten einer überzeugenden Regelformulierung machen kann. Fuhrhop 2004: 132f. Es handelt sich nicht um freie Variation. Bei Nichtkompositionalität (‚übertragene Bedeutung‘) musste zusammen-. während das 2007 (76) nicht mehr gelten soll. welcher Art die Probleme sind. Wie schnell eine mechanische Anwendung operationaler Kriterien zu Widersprüchen führt. solle man doch bitte dem sonst eifrig berufenen Schreibgebrauch Genüge tun und die Getrenntschreibung ausschließen. Nach langer Diskussion wurde im Rat entschieden. Und insgesamt liegt der Fall gerade nicht so. Dennoch bleibt Jacobs’ (2007: 77) Behauptung. Die Zusammenschreibung hat ja nur e in e Bedeutung. Sie sind als Analogiebasis so stark. die Getrenntschreibung als unmarkiert anzusehen und die Zusammenschreibung bei Nichtkompositionalität zuzulassen. aber keineswegs konsequent nach Kompositionalität geschrieben. Zuerst: Die Behauptung. In anderer Weise kritisch ist der Typus sitzenbleiben. aber nicht zu erzwingen. Das entsprach nach unseren Erhebungen nicht dem Schreibgebrauch. Die Regelung ist realistisch. sie widerspricht aber zutiefst den metasprachlichen Befindlichkeiten des normalen Sprachteilhabers. So sieht er etwa grünstreichen 2002 (382) als morphologisch möglich an. Erst die Formulierung. die niemandem sonst schade. der zudem inkonsequent ausgeübt wurde. Früher gab es nicht die Möglichkeit. brachte die Sache vom Tisch.. Glücklicherweise ist das nicht geschehen. Solche Konstruktionen wurden in der alten Orthographie teilweise. stehenlassen.). sondern einen Zwang zur Differenzierung.Schreibvarianten 19 deutig die Zusammenschreibung. eisenverarbeitend. dass Getrenntschreibungen zumindest in ihrer zweigliedrigen Form fast nur attributiv stehen. wie Pavlov in seiner mit höchst interessantem Material gespickten Untersuchung schreibt (Pavlov 2006: 15. den Begriff der Variante zu vermeiden und alles auf die Schreibungen selbst zu konzentrieren. dass der Satz Viele Menschen sind Rat suchend nach den Rechtschreibregeln erlaubt sei. Tut man es nicht. auf deren Kampfgeschehen es letztlich nicht ankommt. die ja eine Lösung für die Variantenführung zu bieten scheinen. als man in den meisten Fällen keinen oder allenfalls einen marginalen Bedeutungsunterschied erkennen kann. es sei grauenhaft. Der betrachtete Fall liegt aber anders. Das umso mehr. welch unabsehbare Folgen es hat. Sogar damit eröffnet man ungezählte Nebenkriegsschauplätze. Weiter geht es um Terminologisierungen wie in fleischfressende Pflanze oder eisenverarbeitende Industrie. beispielsweise die – im DWB-W festgehaltenen – Komposita aufsehenerregend. Als letzte Schwierigkeit schließlich kommt hinzu. Sprachwissenschaftliche Kompetenz ist durchaus nicht nur verlangt. Man kann allenfalls versuchen. Insgesamt sollten die Beispiele zeigen. Aus den genannten und ähnlichen Gründen möchte ich die gefundene Regelformulierung ohne Umschweife als Sieg der Vernunft bezeichnen: „Zusammen.20 Peter Eisenberg dele sich um eine Konstruktion. wenn etwas Grammatik und damit Kontext erlaubt ist. um einen ermittelten Schreibgebrauch zu fundieren. was ebenfalls leicht als sprachwissenschaftliche Rechthaberei empfunden wird. dass „die Lexikalisierung des betreffenden Lexemkomplexes die Schreibung beeinflussen [kann]. Soll man so etwas in die Rechtschreibregel aufnehmen oder die Konstruktion kontextlos hinschreiben? Im ersten Fall öffnet man der Grammatik Tür und Tor. .“ (Deutsche Rechtschreibung 2006: 40). Die Lösung hat man als für die Gesamtregel irrelevant abzuwehren. wenn man einen strengen Begriff von Schreibvariante im Regelwerk zur Geltung bringt. wobei das zuletzt genannte Wort wahrscheinlich nicht zum in Rede stehenden Typus gehört). gewerbetreibend“. denn vieles wird an vielen Stellen einfacher sagbar. wenn man weiß. sind linguistische Vorhalte zu gewärtigen wie der.wie auch getrennt geschrieben werden kann. Zudem lässt sich die üblicherweise ins Feld geführte Eigenschaft ‚Lexikalisiertheit‘ erstens nicht allgemein operationalisieren und zweitens wie eben als hinreichende. um terminologisch vertretbare Entscheidungen durchzusetzen. verfällt beinahe immer dem Verdikt eines linguistischen Glasperlenspiels. wenn der entsprechende Ausdruck sowohl als Zusammensetzung als auch als syntaktische Fügung angesehen werden kann. sondern auch. Es hilft bei der Formulierung einer Rechtschreibregel nicht weiter. die sowohl syntaktisch (Wasser abstoßend) als auch morphologisch (wasserabstoßend) produktiv sei und deshalb stets beide Schreibmöglichkeiten erfordere. achtunggebietend. nicht aber als notwendige Bedingung verwenden. ) möchte möglichst wenig Passiv (‚Leideform‘): „Aber wo es angeht. die ursprünglich stark engagierte Sprachkritik weitgehend verabschiedet hat. Zumindest die Älteren unter uns werden sich erinnern. stets findet sich die Forderung. so weit ich sehe. Umkehrbarkeit von Transformationen. Aber bald wurde es zum Sport. in der man es nicht mehr dingfest machen konnte. Man kann Normbücher aufschlagen. wo die Leideform durch von oder durch näher bestimmt wird. Das reichte bis zum Infragestellen des Ansatzes. die besseres und richtigeres Deutsch sind und sich von den schlechteren in der Form unterscheiden. Dazu nur zwei kleine Beispiele. den Leuten bestimmte Bedeutungen oder andere sprachliche Leistungen verbieten zu wollen. Wustmann (1934: 78f. lange vor Beginn der großen Untersuchungen zur Informationsstruktur. Transformationen erzeugen Formvarianten (Chomsky 1969). generative Kapazität von Transformationsgrammatiken. zumal da. ersetzen wir sie durch die Tatform und schreiben nicht: Durch die Satzung kann vorgeschrieben werden. Laienlinguistisch steht dem das Normproblem in der Syntax gegenüber. der Sprachwissenschaft ebenso wie der Laienlinguistik. wo man will. Eine freie Variante hat identische Distribution zur Bedin- . Transformationen seien eine rein syntaktische Angelegenheit. Die Syntax bekam eine Gestalt. Ein Normierer weist es in aller Regel von sich. aus der sich. Und denken wir an die riesige Debatte über weil mit Verbzweitsatz. sondern einfach: Die Satzung schreibt vor. dann nimmt die Sprachwissenschaft der Sprachkritik Thema für Thema aus der Hand. Später wurde das Thema wie manches andere (z. dass es die reine Transformationssyntax nicht gibt.B.“ Die Unterschiede zwischen beiden Sätzen sind derart vielfältig. Marginalien zum horror aequi Schleichen wir nicht weiter um den heißen Brei herum.Schreibvarianten 21 5. formale Restringierbarkeit von Transformationsgrammatiken) theoretisch verdrängt. Kommt eine Kooperation zwischen Sprachwissenschaft und Sprachkritik überhaupt ingang. zu zeigen. sie mu s s aber gemacht werden. Beispiele dieser Art sind Legion. dass die zentrale Stellung der Syntax im Aspects-Modell der generativen Schule durch eine Transformationsgrammatik begründet war. Im folgenden wandere ich auch deshalb ohne Skrupel zwischen Linguistischem und Laienlinguistischem hin und her. Theoretisch sind die Dinge beispielsweise im klassischen Strukturalismus bearbeitet worden. die voraussetzen musste. dass wir sie einfach stehen lassen können. Ausdrücke durch andere zu ersetzen. etwa durch Arbeiten wie die von Barbara Partee aus dem Jahr 1971. Die Voraussetzung des reinen Formunterschieds wird selten explizit und fast nie reflektiert. Die Frage nach dem Status von Varianten ist jeder eingehenderen Beschäftigung mit Sprache in derselben Weise eingeschrieben. dann „lautet die Antwort für natürl. zumindest bei Lexemen offenbar nicht zulässt.. Selbst wenn man nicht der Auffassung ist. Entsprechendes gilt natürlich für den Spezialfall Synonymie (Können Schreibvarianten Synonyme sein?): „Bei enger [. Nichtintegration (Admirale – Admiräle) vorkommen.. sondern es erklärt.. dass gerade die geringe Prägnanz der Ikonizität von Alphabetschriften „das signe linguistique zum idealen Träger schematisierter Bedeutungen macht“ (Stetter 2005: 57). Funktion und Funktionsbedeutung gefragt werden.“ (Bußmann 2002: 674). freie Variation gebe es letztlich nicht. gerade in der Schrift. Für die Schriftsprache lässt sich dies noch einmal mit guten Argumenten in eigenem Recht begründen. um von da aus auf Funktionsbedeutungen zu kommen (Bloomfield 1976: 40ff.“). dass das Prinzip Sprachökonomie totale S.“ (Stetter 2005: 236). Dieser Funktionsbegriff lässt sich direkt auf die Grundeinsicht eines radikalen Distributionalismus beziehen. Oder etwa speziell bei regionaler Variation: „In das vorliegende Wörterbuch werden [. hat dies als Hintergrundmaxime präsent zu halten. wie sie den jeweils verwendeten Begriff von Synonymie bzw... bleibt die These vom unverwechselbaren Gestaltwert des geschriebenen Wortes unbestreitbar. daß es von jeder Variation unter einem besonderen Aspekt beleuchtet wird. dass schon Bloomfield in seiner Axiomatik den Begriff Position an den der Konstruktion bindet (Axiom 29: „Jede der geordneten Einheiten in einer Konstruktion ist eine POSITION. mit hoher Sicherheit Nein..] . Spr.“). unterscheidet man kumulative und distinktive Synonymenwörterbücher. Denn eine Bedeutung gewinnt ein Symbolschema erst dadurch. Damit muss schon im Sinne des frühen Strukturalismus in jedem Einzelfall nach dem Zusammenhang von Distribution. Variante explizieren und auf den Verwendungszweck des Wörterbuchs beziehen: „Und je nachdem.. Original 1926).. sind ihre FUNKTIONEN. prägnant dazu auch Stetter 2006). wie sie bei Univerbierung (aufgrund – auf Grund) und Fremdwortintegration bzw. Das gilt allgemein und a fortiori für die geschriebene Sprache.22 Peter Eisenberg gung. an diesen den Begriff der Funktion (Axiom 32: „Die Positionen.] zuerkannt wird.. in denen eine Form vorkommt.“ (Stetter 2007: 100f. Dazu kommt. Jedenfalls sind freie Varianten rar. Wer überhaupt distributionell argumentiert.oder Variantenwörterbüchern.. die Prägnanz und damit die Signifikanz eines Themas t dadurch zu erzeugen. wie differenziert die Darstellung der Synonymie in einem solchen Werk angelegt ist.“ (Glück 2005: 668). Im Deutschen finden sie sich möglicherweise als Übergangserscheinungen. Stellt man die Frage nach totaler/reiner/strikter Synonymie von Lexemen.] Auslegung zeigt sich bei fast allen Beispielen. Das mindert nicht den Wert von Synonymen.“ (Görner/Kempcke 1999: 8). dass ihm „im Rahmen der jeweiligen Schriftsprache [.] sein unverwechelbarer Gestaltwert [. Und mit Bezug auf die Goodmannsche Symboltheorie wird der Variationsbegriff noch weiter getrieben: „Es ist die Funktion von Variationen. Eine Antwort an die Kritiker.“ (Muthmann 1994: 4). Oder auch so: „Unter ‚Doppelformen‘ werden im eigentlichen Sinne variierende ‚Formen‘ eines Wortes verstanden. dann kann sich der Sprachwissenschaftler aus der öffentlichen Debatte über eine Neuregelung der Orthographie sofort verabschieden. 3. Ostbelgien und Südtirol. Auf der „Meinung des Sprechenden oder Schreibenden“ gründet der Zweck. Augst. Burkhard Schaeder (1997): Rechtschreibreform. Es ist unangenehm und schwierig. Anders gesagt: Wir machen kein Rechtschreibregelwerk für Sprachwissenschaftler. Bußmann. die für die Wiederzulassung von Schreibvarianten streiten. der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein.Schreibvarianten 23 nicht alle Wörter und Wendungen des Standarddeutschen aufgenommen. . (Engl. Die Kluft. Luxemburg. – Berlin/New York: de Gruyter. – Stuttgart: Kröner. Original 1926). Literatur Ammon. Aber was wollen wir letztlich? Wir wollen die Schreibweisen der alten Orthographie zurück. S. daß es sich nach Meinung des Sprechenden und Schreibenden um das gleiche Wort mit gleicher Bedeutung handelt. Ulrich et al.): Beschreibungsmethoden des amerikanischen Strukturalismus. die nationale oder regionale (areale) Besonderheiten aufweisen. sich etwa mit Standpunkten auseinanderzusetzen. – München: Hueber. Bloomfield. aber es wird immer davon ausgegangen. Die Standardsprache in Österreich. sowie – soweit vorhanden – deren gemeindeutsche Entsprechungen. seien sie Varianten oder nicht. der mit dem jeweils verwendeten Begriff von Variante verbunden wird. „weil diese nicht dasselbe bedeuten“. Gerhard. (2004): Variantenwörterbuch des Deutschen.) (2002): Lexikon der Sprachwissenschaft. Bezieht er nicht einen pragmatischen Standpunkt dieser oder ähnlicher Art. (Hgg. – Stuttgart: Klett.“ (Ammon et al. Aufl. hat in der Furcht vorm Pragmatismus eine ihrer Wurzeln. sei es eine variierende Lautgestalt eines Wortes oder eine variierende Schriftgestalt oder eine Variation in beiden. Leonard (1974): „Eine Grundlegung der Sprachwissenschaft in Definitionen und Annahmen“. 36–48. Auch in diesem Punkt hat man seit Christian Stetters „System und Performanz“ volle Klarheit gewonnen. In: Elisabeth Bense et al. die zwischen einem Teil unserer Graphematikforschung und den praktischen Anforderungen immer bestanden hat und nach wie vor besteht. Hadumod (Hg. sondern nur solche. 2004: VII). 205–208. – München: Deutscher Taschenbuch Verlag. – (2007): Zwischen Wort und Syntagma.): Niemand hat das letzte Wort. Zur grammatischen Fundierung der Getrennt. Glück. Jacobs. – (2005): System und Performanz. Studies in Structure and Change. – (2007): „Vom (Un-)Sinn der Schreibvarianten“. Günter Kempcke (Hgg. Helmut (Hg. Vladimir (2006): Getrennt. Studien zu den Varianten in Aussprache. In: Charles J. – Tübingen: Gunter Narr Verlag.und Zusammenschreibung in deutschen Texten des 20. Duden (2006): Duden. In: David Restle. Deutsche Rechtschreibung (1996): Deutsche Rechtschreibung: Regeln und Wörterverzeichnis. 22–77. S. Philosophische Fakultät der Universität Potsdam. Aufl. – Göttingen: Wallstein (Valerio 3). Fuhrhop. Symboltheoretische Grundlagen von Medientheorie und Sprachwissenschaft. Görner.24 Peter Eisenberg Chomsky. – Berlin/New York: Mouton de Gruyter. Muthmann. – (2005): Spatien. Werner (1997): „Warum der Duden die Rechtschreibreform befürwortet“. Pavlov. – Stuttgart: Metzler. S. S. – Berlin/New York: de Gruyter. – Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. D. – Berlin: Erich Schmidt Verlag. Regeln und Wörterverzeichnis. völlig neu bearbeitete Auflage – Mannheim: Dudenverlag. In: Peter Eisenberg (Hg. Noam (1969): Aspekte der Syntax-Theorie. Fillmore. Christian (1997): Schrift und Sprache. Jahrhunderts. Pro und Kontra. Schreibung. In: Hans Werner Eroms. Zum System der Getrennt. S. 43–80.): Studies in Linguistic Semantics. – New York: Holt. Die deutsche Rechtschreibung. Stetter. 24. 1–21.: Suhrkamp. Joachim (2002): „Warum wir zusammenschreiben nicht immer zusammenschreiben – Präferenzen im Schriftsystem“. (Engl.M.): Die Rechtschreibreform. Text der amtlichen Regelung. Herbert. Gustav (1994): Doppelformen in der deutschen Sprache der Gegenwart. Habilitationsschrift. Unv. Original 1965).und Zusammenschreibung. S. 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Gustav (1934): Sprachdummheiten.Schreibvarianten 25 – (2007): „Alphabetschrift und Sprache“. . Voeste. Stirnemann. H. S. 11/12. – In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 55. – Berlin: de Gruyter. Wustmann. – Hildesheim: Olms. H. S. – In: Schweizer Monatshefte 2006. S. 21–22. In der zehnten Auflage vollständig erneuert von Werner Schulze. 50. Anja (2008): Orthographie und Innovation. – (2006b): „Das letzte Wort hat die Sprache“. Jahrhundert. – Gütersloh/München: Wissen Media Verlag. Die Segmentierung des Wortes im 16. 1. . das es ermöglicht. jedem beliebigen alphabetschriftlichen Wort der betreffenden. in denen die Laute einer Sprache durch Buchstaben wiedergegeben werden. ein Satz von Schriftzeichen. Stetter 2007: 104 Nach allgemeiner Auffassung ist das Alphabet die geordnete Menge der Buchstaben. Microsoft Encarta 2003 Die epochale Bedeutung der Entwicklung der Alphabetschrift liegt also in der damit gewonnenen Möglichkeit. sprachliche Information d i g i t a l darzustellen. Im vorliegenden Beitrag soll der Umstand diskutiert werden. von denen jedes einen oder mehrere Laute darstellt. dass der Ausdruck Alphabet in den beiden Konzepten eine unterschiedliche Bedeutung hat.Hartmut Günther Alphabetschrift und Alphabetreihe – Entwicklung und Aneignung A l p h a b e t (von alpha und beta. durch dieses Wörterbuch gleichsam in einem bestimmten Punkt seiner fluktuierenden Existenz fixierten Sprache y seinen Ort in LWBy punktgenau zuzuweisen. . und Alphabetreihe als geordneter Menge von Buchstaben. den ersten beiden Buchstaben des griechischen Alphabets). die unterschiedlich miteinander kombiniert werden und so alle Wörter einer Sprache bilden können. Alphabetschriften sind solche. in dem die Schriftzeichen (Buchstaben) sich auf lautliche Einheiten unterhalb der Silbenebene (Laute) beziehen. Insbesondere läßt sich ein alphabetisch geordnetes Wörterbuch als eine fortlaufende Liste LWBy [Liste der Lemmaeinträge des Wörterbuchs WB der Sprache y] organisieren. mit deren Hilfe eine Sprache vollständig verschriftet werden kann. Es wird dazu unterschieden zwischen den Begriffen Alphabetschrift als Schrifttyp. die lautliche Struktur durch visuelle Zeichen (Buchstaben) darzustellen. werde manifest in der Erfindung. Die Frage war vielmehr. aus denen sprachliche Äußerungen zusammengesetzt sind. Demgegenüber wird in Günther (1986) und anderswo die Position vertreten. dass die Alphabetschrift keine Entdeckung gewesen sein kann. den Phonemen. Diesen diskreten Elementen der Schrift entsprächen auf der Lautseite . dass Entdecker etwas finden. dass die Bedeutungsträger. während Erfinder etwas Neues schaffen. ihrerseits aus Einheiten zusammengesetzt sind. Nun zeigt schon die zitierte Schulbuchbestimmung. So erfand Alexander Bell eine Apparatur. In der gängigen Schriftentwicklungsideologie waren die Entdecker dieser kleinsten Einheiten die Phönizier. dass Erfindungen häufig auf Entdeckungen beruhen. die die Schwingung einer Membran über einen Magnet in unterschiedliche Stromstärken verwandelte (Sender). die auf der Empfängerseite in umgekehrter Folge in Schall zurückverwandelt wurden. Unter dem Begriff der doppelten Artikulation wird der Sachverhalt verstanden. die Griechen machten eine weitere Entdeckung in der grundlegenden Unterscheidung zwischen Vokalen und Konsonanten (vgl. Diese Entdeckung der Phoneme durch die Phönizier bzw. In der linguistischen Schriftdiskussion ist in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Frage diskutiert worden. Gelb 1963). Johannes Gutenbergs Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern beispielsweise beruht nicht auf irgendeiner epochalen Entdeckung. Günther 1986). die kleiner als Morpheme oder Silben sind. mit deren Hilfe das lautsprachliche Kontinuum durch diskrete Elemente unterhalb der Ebene der Bedeutungsträger wiedergegeben werden kann. der Vokale durch Griechen. was es schon vorher gibt. die zu Beginn des 19. sondern eine Erfindung ist. Ein solcher Zusammenhang zwischen Entdeckung und Erfindung ist aber kein notwendiger. so die gängige Schriftideologie. Seine Erfindung des Telefons wurde möglich durch die Entdeckungen über die Eigenschaften von Elektrizität und Magnetismus. Die Alphabetschrift – Entdeckung oder Erfindung? Im „Duden Sprachbuch 4“ heißt das zehnte Kapitel „Forscher und Entdecker“. Ein Zusammenhang der beiden Begriffe ist allerdings dadurch gegeben. die keine Bedeutung tragen. ob die Alphabetschrift ihre Entstehung der Entdeckung einer grundsätzlichen Eigenschaft menschlicher Sprache verdankt. Ein Infokasten (2006/2007: 69) belehrt die Kinder. dass die Erfindung der Alphabetschrift keineswegs auf einer Entdeckung der Phoneme als kleinster Einheiten der Lautsprache beruht. ob es sich bei der Alphabetschrift um eine Erfindung oder eine Entdeckung handelt (vgl. Jahrhunderts gemacht worden waren.28 Hartmut Günther 1. Es geht dabei nicht um die historische Abfolge. Zudem wird das Potential einer Erfindung in der Regel erst mit der Zeit deutlich. vgl. 2.Alphabetschrift und Alphabetreihe 29 keine Segmente. Dort wird argumentiert. AO notiert. Der Gebrauchswert der epochalen Erfindung Gutenbergs etwa wurde erst ein knappes Jahrhundert später in der Reformationszeit wirklich erkannt und virulent.und Sprachqualitäten. eine moderne Druckmaschine ähnelt der Druckerei Gutenbergs nicht einmal mehr strukturell. OI. alle weiteren Entwicklungen seien strukturell unwesentlich. sondern um eine strukturelle Rekonstruktion. die dazu führen. dass der finale Schritt in der Schriftgeschichte die Etablierung des Lautbezugs der Schriftzeichen unterhalb der Silbenebene sei. Entwicklung der Alphabetschrift Das Telefon von Alexander Bell hat mit unseren heutigen Geräten nurmehr die Grundidee der Übertragung von Schallsignalen durch Umwandlung in Elektrizität gemeinsam. Die Schreibung eines heutigen deutschen Textes in der Art antiker Alphabetschriften könnte so aussehen: . Wie Stetter (2007) systematisch aufgezeigt hat. Erfindungen machen Entwicklungen durch. In den gängigen Schriftideologien gilt die Entwicklung der Schrift mit dem Höhepunkt der griechischen Alphabetschrifterfindung systematisch als abgeschlossen. zunächst nur den Text (1) zu lesen und zu verstehen und die anderen Versionen nicht zu konsultieren. die seit der Antike zu beobachten sind. W und Z und auch die Mehrgraphen CH und SCH gemäß ihrem heutigen Gebrauch notiert. greift diese Auffassung zu kurz. Lautgetreu werden aber Ä als E und die Diphthonge als AI. Vielmehr impliziert die Erfindung der Alphabetschrift durch Phönizier und Griechen weitere neue und andere Schrift. es handele sich vielmehr um Abstraktionen über Mengen von Lautmerkmalen. Gelb (1963) als die umfassendste Darstellung. dass ihr Ursprung nicht mehr erkennbar ist. Im folgenden werden an einer Textpassage in heutigem Deutsch die wichtigsten Veränderungen gekennzeichnet. Deshalb werden die Umlautbuchstaben Ö und Ü sowie U. Man versuche. zu sprechen und dann zu verstehen? Dies wird vielleicht deutlich. eigentlich nur durch lautes Buchstabieren zunächst zu entziffern. DAGIPTISKAINETRENUNGKDEAWÖRTAAOCHNICHTAMTSAILN ENDEKAINEGROSUNTKLAINSCHRAIBUNGKUNTKAINEINTAPU NGTSIONKAINEAPSETSEUNTSOWAITA.30 Hartmut Günther INDAANTIKEUNTIMFRÜHMITLALTAWURDEANDASALSHOITEG ESCHRIMMANSCHRIPDASHINWASMANHÖRTEDAGIPTISKAINE TRENUNGKDEAWÖRTAAOCHNICHTAMTSAILNENDEKAINEGROS UNTKLAINSCHRAIBUNGKUNTKAINEINTAPUNGTSIONKAINEA PSETSEUNTSOWAITASOLCHETEKSTESINTSEASCHWEATSULE SN (1) Schreibung eines heutigen deutschen Textes in der Art antiker Alphabetschriften Warum ist dieser Text so schwer zu lesen. MANSCHRIPDASHINWASMANHÖRTE. wenn man die folgenden Versionen betrachtet. (2) Gliederung in Sinnabschnitte/Sätze IN DA ANTIKE UNT IM FRÜHM MITLALTA WURDE ANDAS ALS HOITE GESCHRIM MAN SCHRIP DAS HIN WAS MAN HÖRTE DA GIPT IS KAINE TRENUNGK DEA WÖRTA AOCH NICHT AM TSAILNENDE KAINE GROS UNT KLAIN SCHRAIBUNGK UNT KAINE INTAPUNGTSION KAINE APSETSE UNT SO WAITA SOLCHE TEKSTE SINT SEA SCHWEA TSU LESN (3) Trennung der Wörter indaantikeuntimfrühmitlaltawurdeandasalshoiteg eschrimmanschripdashinwasmanhörtedagiptiskaine trenungkdeawörtaaochnichtamtsailnendekainegros untklainschraibungkuntkaineintapungtsionkainea psetseuntsowaitasolchetekstesintseaschweatsule sn (4) Minuskelschrift . INDAANTIKEUNTIMFRÜHMITLALTAWURDEANDASALSHOITEG ESCHRIM. SOLCHETEKSTESINTS EASCHWEATSULESN. Die Beispiele (1–4) entsprechen grosso modo auch der historischen Entwicklung. keine Absätze und so weiter. wobei der Worttrennung wohl das stärkste Erleichterungsmoment zukommt. (7) Beispieltext in heutiger Schreibweise 31 Die Beispiele zeigen. keine Groß. So gibt es im Serbokroatischen keine morphologische Konstanzschreibung. Insofern sind die Beispiele (5) und (6) historisch unmöglich: Morphemkonstanzschreibung beruht auf Worttrennung. morphologischer Gliederung und Groß-/Kleinschreibung beruht.und Kleinschreibung In der Antike und im frühen Mittelalter wurde anders als heute geschrieben: Man schrieb das hin. kennen nicht alle Sprachen die Großschreibung und die morphologische Konstanzschreibung. Minuskelschrift. dass der Lesekomfort unserer heutigen Schreibung auf dem Zusammenspiel von Worttrennung. Während heute alle lateinisch verschrifteten Sprachen die Gliederung in Sätze und Wörter sowie die Minuskelschrift aufweisen. Da gibt es keine Trennung der Wörter auch nicht am Zeilenende. Daraus lässt sich . Interpunktion. die Großschreibung wird nur im Deutschen über die Kennzeichnung des Satzanfangs und von Eigennamen hinaus verwendet. die ahistorische Darstellung wurde hier nur zu Verdeutlichungszwecken gewählt. usw.Alphabetschrift und Alphabetreihe INDERANTIKEUNTIMFRÜHENMITTELALTERWURDEANDERSAL SHOITEGESCHRIBMMANSCHRIBDASHINWASMANHÖRTEDAGIB TESKAINETRENNUNGDERWÖRTERAOCHNICHTAMTSAILENEND EKAINEGROSUNTKLAINSCHRAIBUNGUNTKAINEINTERPUNGT SIONKAINEABSETSEUNTSOWAITASOLCHETEKSTEINTSEASC HWERTSULESEN (5) Morphologische Konstantschreibung IndaAntikeuntimfrühMitlaltawurdeandasalshoiteg eschrimManschripdashinwasmanhörteDagiptiskaine TrenungkdeaWörtaaochnichtamTsailnendekaineGros untKlainshraibungkuntkaineIntapungtsionkaineAp setseuntsowaitasolcheTekstesintseaschweatsules n (6) Groß. was man hörte. wobei die Minuskelschrift ungefähr gleichzeitig mit der systematischen Worttrennung entsteht.und Kleinschreibung und keine Interpunktion. Solche Texte sind sehr schwer zu lesen. Großund Kleinschreibung setzt Worttrennung und Minuskelschrift voraus. zu weiterreichenden Überlegungen in diesem Zusammenhang vgl. Bemerkenswert ist. wird der Lautbezug der Schrift jedenfalls im Prinzip entbehrlich. sie wird aufgestellt. eine solche Norm zu schaffen. die Schlussbemerkungen in Stetter (2007). dass die Vokalbuchstaben auf die Mittellage beschränkt bleiben.1 In diesem Sinne argumentiert Stetter (2007): Denn auch die Alphabetschrift dient nicht der Schreibung der Laute. die sich n u r auf die Lautseite bezieht. sie muss die zweifelsfreie Identifizierung des Wortes (der untrennbaren Verbindung von Signifiant und Signifié) q u a Signifiant ermöglichen. dass es sich bei der Gliederung in Sätze und in Wörter um quasi notwendige Entwicklungen handelt. verrät in skeptischer Lesart der Titel von Pike (1957) „Phonemics: A Technique for Re d u c in g Language to Writing“ (meine Hervorhebung). weil es ‚die‘ korrekte Lautung nicht gibt.u. Jahrhundert zu dem heutigen differenzierten Schriftbild kommt. sondern der Wörter. ihre Wörterbuchform ist in keiner Weise verbindlich. Dass man damit gerade der gesprochenen Sprache jenseits normativ geprägter Varietäten nicht gerecht werden kann. . weil es eine mündliche Norm nicht gibt. warum die insular-karolingische Minuskel die an die Kapitalis angelehnte Unzialschrift verdrängt.). kann dies schon deshalb nicht leisten. Die lautliche Bezugsnorm wird über die Schrift hergestellt. dass ‚der Siebs‘ erst 1898. dass durch die Minuskelschrift zusätzliche phonetische Informationen schriftlich dadurch kodiert werden. Eine Schrift. Jahrhundert gängige Norm „sprich. Die in der deutschen Sprachgeschichte im 18. Es ist bemerkenswert. Die alphabetische Schreibung liefert die optimale Sprachdarstellungsweise für die strukturelle Linguistik. –––––––— 1 2 Warum es im 7. also zwanzig Jahre nach ‚dem Duden‘ und hundert Jahre nach ‚dem Adelung‘ erscheint. und organisiert ist dieses Wörterbuch nach der Schriftform (s. d. Von dem Moment ab. ist ungeklärt.h.2 In der Tat ist es die Leistung der Alphabetschrift. wie du schreibst“ unterstreicht diesen Punkt.32 Hartmut Günther schließen. aus phonographischen Schreibungen werden grammatische Schreibungen. denn erst durch die Alphabetschrift werden die zentralen Axiome von Bloomfields (1926) axiomatischer Grundlegung der Sprachwissenschaft erfüllbar: „Jede Äußerung besteht vollständig aus Formen“ (Axiom 6) und „Jede Form besteht vollständig aus Phonemen“ (Axiom 11). an dem eine solche Norm (in Relation zu einer etablierten Orthographie) besteht. Sie ist eine Feuerkatze.Alphabetschrift und Alphabetreihe 33 3. Rosalind trente . nifeueikazi. 5. Sie verwendet Druckbuchstaben und kann Majuskeln und Minuskeln unterscheiden. 2 Mitte. das phonographische Lesen und Schreiben. 4. durchläuft. Rosalind Rosalind trinkt Tee. Die Auszeichnung von Abschnitten und Sätzen erfolgt durch Zeilenwechsel. . Wörter werden noch nicht durch Leerräume ausgezeichnet. wie (vor)gesprochen wird. auch für die unterschiedliche Funktionalität der Großschreibung ist schon Sensitivität zu sehen (Satzanfang Z. Sie will keine Milch. 6. die schriftlichen Fixierungen der Wörter geben deren Lautung nur noch gebrochen wieder. besonders deutlich bei dem j in Familie oder dem i für den Schwa in Feuerkatze. a n d e r s zu schreiben als gesprochen wird (denn das beherrscht diese Schreiberin ja durchaus schon). Ende. Der nächste Text. 7. Siwilkeinil~h Schautaufdikazenfamilji siIstei. Modernen Theorien ist die empirisch abgesicherte Position gemeinsam. Z. 5). Aneignung der Alphabetschrift Durch die oben dargestellten Entwicklungen wird die Schrift strukturierter. grammatisch artikuliert. Dem Vater wachsen graue Haare. zeigt dies beispielhaft. 2. Die Schreiberin ist zu diesem Zeitpunkt 5 Monate in der Schule. In der linken Spalte findet sich meine Transliteration des handschriftlichen Textes. Die zentrale Schwierigkeit des Schriftspracherwerbs in einer Alphabetschrift besteht nun darin. Ihre Verschriftung erinnert stark an das Beispiel (1) oben: Es wird so geschrieben. Rosalind (8) Kindliche phonographische Schreibung (nach Augst/Dehn 1998). Demfatawazengrauiare Ende . rechts seine schriftsprachliche Normalform. 1. Das spiegelt sich im kindlichen Schriftspracherwerb. 3. Zwei kindliche Beispieltexte können dies verdeutlichen. zentral für den Erwerbserfolg ist aber die Überwindung dieser Strategie und der Erwerb der grammatischen Schreibung und Lesung. In Katzenfamilie liegt mit dem mittleren –en schon eine orthographische Schreibung vor. der zum gleichen Zeitpunkt von einem anderen Kind der gleichen Klasse geschrieben wurde. zusätzlich wird auch schon mit dem Punkt experimentiert. dass das Kind beim Schriftspracherwerb in einem alphabetbasierten Schriftsystem notwendig eine lautorientierte Phase. Schaut auf die Katzenfamilie. die Systematik des lautschriftlichen Grundprinzips zu verlassen. Auch die Funktionalität der Großschreibung scheint erkannt. die bei der korrekten Schreibung des Endsilben-E schon durchweg erreicht ist. besonders deutlich sichtbar an dem übergeneralisierten Beispiel Feld Maus. dass Schreiben nicht nur Verlauten heißt. in der sie die Texte geradezu auskauen. In der Schreibung mutig und der (Fehl-) Schreibung demm deutet sich die Emanzipation vom Lautbezug an. SCHUUULKIIINDEEEER. (rasch) überwinden müssen. insbesondere jedes Wort einzeln aussprechen. lässt sich mit Einschränkungen auch beim Lesen beobachten. mit den Stufen des Aneignungsprozess kongruent zu sein. Die fellt MAUS Sucht FrEunDe Sie ist MutiG Sie hat For nichts Anchst nicht mal For Demm Gröstem Tier Der Welt Rosinchen sucht FreUnDe Egal op sie Grossient oDerso klein wie sie ist Hartmut Günther (9) Kindliche grammatische Schreibung (nach Augst/Dehn 1998) Dieses Kind hat verstanden. die wortinternen Großbuchstaben sind mutmaßlich eher dem Umstand zuzuschreiben. dass auch Kinder die Phonographie. 2. Die Parallele der beiden Kindertexte zu den obigen Beispielen aus der Schriftgeschichte ist offensichtlich. 5. Christa Röber (2007) hat in einem Kölner Vortrag dafür in erster Linie die gewählte Didaktik (Anlauttabelle. eine theoretisch ohnehin nicht sinnvolle Ontogenese-durch-Historiogenese-Ansicht zu propagieren. Didaktische Konsequenz: Moderne Lese-und Schreiblehrgänge müssen. sodass dieser Punkt hier nicht weiter verfolgt werden kann. . 4. die vermeintlich zentrale Entwicklung der Alphabetschrift. aber im Lichte der Vorstellung von einer notwendigen phonographischen Entwicklungsstufe wohl etwas zu kurz greift. 3. ohne Betonungswechsel und ohne Akzent: GEEEBUUURTSTAAAK. 6. dass dieses Kind mit Blockbuchstaben zu schreiben gewohnt war und noch nicht lange die Minuskelschrift benutzt. Dabei geht es hier nicht darum. es schreibt bereits grammatisch: Die Worttrennung ist fast durchweg realisiert. insbesondere die Unterscheidung phonographischer und grammatischer Schreibungen zu berücksichtigen. Was hier für die Entwicklung des Schreibens gezeigt wurde.34 1. Aus technischen Gründen gibt es freilich bisher zum Lesen erheblich weniger Untersuchungen als zum Schreiben. darauf ausgerichtet sein. bei aller Verschiedenheit. Laut-Buchstaben-Fixierung) verantwortlich gemacht. um kompetente Schreiber zu werden. was zwar einleuchtet. Es soll vielmehr darauf hingewiesen werden. Die meisten Kinder durchlaufen beim Lesen eine Phase. Schritt 5 ist hier auf die dazugehörige Übung beschränkt. Als Handlungsanweisung lässt sich das Nachschlagen etwa so formulieren („Duden Sprachbuch 2“: 9): 1. Vielmehr. macht gerade die fehlende Lautbezogenheit der Alphabetreihe ihre Funktionalität aus. die Menge der zur Verschriftung einer Sprache herangezogenen Buchstaben bezeichnet. Entwicklung der Alphabetreihe Mit dem Ausdruck Alphabet wird gemeinhin. Diese Anordnung. Achte zuerst auf den Anfangsbuchstaben deines Wortes. möglicherweise ein didaktisches Instrument gewesen ist. Auch wenn man den Überlegungen von Watt (1989) folgt. Überlege. hat mit der Nutzung des Alphabets zur Verschriftung rein logisch gesehen nichts zu tun. der im „Duden Grundschulwörterbuch“ (2007: 4) bei den Nachschlagetipps etwas vage so angedeutet wird: 1. Sie ist so alt wie das Alphabet selbst (Tropper 1994). muss spätestens seit dem altgriechischen Alphabet konstatiert werden. dass es sich um die g e o r d n e te Menge der Buchstaben handelt. in gewisser Beziehung homolog. Sprich dir das Wort deutlich vor. sollen. Der rekursive Charakter der Regel wird nicht expliziert. Vielleicht sogar den vierten und fünften. ohne diese Reihenfolge zu kennen.Alphabetschrift und Alphabetreihe 35 4. Sieh dir dann den zweiten und dritten Buchstaben an. 2. 4. wie bereits in Günther (1996) angedeutet. verweist aber auf etwas anderes. dass schon Grundschulkinder es ab der zweiten Klasse lernen können bzw. ihr Ursprung nach wie vor ungeklärt. die hier als Alphabetreihe bezeichnet wird. dass die Alphabetreihe als solche keine phonetische Motivation oder verschriftungsrelevante Funktionalität aufweist. das gibt einen Hinweis darauf. mit welchem Buchstaben das Wort anfängt. man kann alphabetisch schreiben. 2. Beachte den zweiten Buchstaben und finde das Wort. Alpha und Beta sind die ersten beiden Buchstaben des griechischen Alphabets. auch im Eingangszitat. an welcher Stelle der Buchstabe im Abc steht. Überlege. dass diese Anordnung ursprünglich phonetisch motiviert war und durchaus mit dem Gebrauch des Alphabets zur lautorientierten Verschriftung zusammenhing. 3. 5. Suche die richtige Seite. Alphabetisches Sortieren und Nachschlagen scheint zunächst eine so einfache Sache. Der Ausdruck selbst. in der fünf Namen mit S alphabetisch sortiert werden sollen. . 36 Hartmut Günther So einfach dieses Verfahren scheint. rechts dieselbe Liste. dass Kinder und Erwachsene. in dem die Buchstaben als Variablen (wie Ziffern) behandelt werden.3 sondern auch die theoretische Erklärung.u. wie alphabetisches Sortieren den Lautwert berücksichtigt. <saal> <sache> <säge> <sahne> <schal> <schreiben> <schwein> <sehe> <seife> <selbst> <seuche> <sich> <sieben> <spaten> <spitze> <staffel> <stau> <suchen> [za:l] [zaxə] [zεgə] [za:nə] [ a:l] [ raibən] [ vain] [ze:ə] [zaifə] [zεlpst] [zoiçə] [ziç] [zi:bən] [ pa:tən] [ pitsə] [ tafəl] [ tao] [zu:xən] <schal> <spaten> <spitze> <schreiben> <staffel> <stau> <schwein> <saal> <sahne> <seife> <sache> <sehe> <sieben> <sich> <seuche> <suchen> <suppe> <säge> [ a:l] [ pa:tən] [ pitsə] [ raibən] [ tafəl] [ tao] [ vain] [za:l] [za:nə] [zaifə] [zaxə] [ze:ə] [zi:bən] [ziç] [zoiçə] [zu:xən] [zupə] [zεgə] (10) Unterschiedliche alphabetische Sortierung einiger Wörter nach Buchstaben (links) und Laut(schriftsymbol)en (rechts) In Tabelle (10) findet sich links eine alphabetisch sortierte Liste von mit S beginnenden Wörtern. Kein einziges Wort hat in lautsprachlicher Sortierung die gleichen Nachbarn wie in alphabetschriftlicher Sortierung. Evidentermaßen verschwindet dabei der Lautbezug völlig. wie sich an der folgenden alphabetischen Sortierung einiger Wörter leicht sehen lässt. so schwierig ist nicht nur sein Erwerb (s. wobei n = Zahl der Buchstaben der Alphabetreihe. erst so wird absolutes alphabetisches Sortieren möglich. Ein solches System. was alphabetisches Sortieren eigentlich ist. benötigt das Konzept der Null. Die Tabelle soll zeigen. .) und seine versierte Nutzung. Danach behandelt man beim absoluten alphabetischen Sortieren die Glieder der Alphabetreihe als Ziffern in einem Positionssystem mit der Basis n. selbst Studierende mit dem Nachschlagen in alphabetisch sortierten Listen ihre liebe Not haben. nämlich gar –––––––— 3 Die Praxis zeigt. empirische Untersuchungen dazu sind in Vorbereitung. sortiert nach der verwendeten Lautschrift. In Günther (1996) ist eine solche Explikation versucht worden. Für das Anlegen von absolut alphabetisch geordneten Listen gibt es ein systematisches Problem. Um fehlerfreie Listen anlegen zu können. ist alphabetisches Sortieren in der Antike und im Frühmittelalter recht selten. den Wortbestand einer Sprache als eine fortlaufende Liste LWBy darzustellen. um mehrere Einträge mit gleichem Anfangsbuchstaben weiter zu ordnen. dass eine wie auch immer geartete phonetisch motivierte Lautschriftalphabetreihe (also das IPA als Anordnung von n Zeichen von sagen wir traditionsgemäß [a] über [e] bis [ə] und [b] über [m] bis sagen wir [θ]) zu einer komplett anderen Anordnung der Beispielwörter führen würde als die in (10) auf der linken Seite gegebene alphabetschriftliche Sortierung. Nach Daly (1967). Natürlich ist eine solche ‚symbolphonetische‘ Sortierung völliger Unsinn: Es wird ja nach dem Zahlencode des ASCII-Symbols sortiert und nicht nach phonetischen Eigenschaften – diese sind nur in den verwendeten Zeichen kodiert. es wird nur dann alphabetisch sortiert. Solange aber die Schreibung im Zweifel aus der Lautung abgeleitet wird. Hauptanwendungsbereich bleibt die lexikographische Arbeit (die riesige römische Armee z. dies beschränkt sich dann auf den Vokal der ersten Silbe. gibt es häufig mehr als eine Lösung. die erst mit der Tätigkeit der Humanisten in der Renaissance auf der Grundlage einer einheitlichen Schreibung (!) für die (vermutete) klassische Form des Lateini- . Selten wird ein Folgebuchstabe herangezogen.Alphabetschrift und Alphabetreihe 37 nicht. Von den Anfängen bis ins Mittelalter wird fast immer nur nach dem Initialbuchstaben sortiert. der Standarddarstellung der Geschichte des Alphabetisierens bis zum späten Mittelalter. analog zur Grammatikalisierung in der historischen Entwicklung der Alphabetschriften. muss die Schreibung der Wörter feststehen. das im Eingangszitat genannte Ziel zu erreichen. Günther 1996 mit Literaturhinweisen). Das Prinzip wird zuerst in der Bibliothek des Museions von Alexandria im Zusammenhang mit lexikographischer Arbeit angewandt. wird ohne alphabetische Listen organisiert). in der jedes Wort seinen wohldefinierten Platz hat. in denen phonetische Verwandtschaften nicht zum Tragen kommen.B. Dementsprechend zeigt sich. wenn keine inhaltlichen Ordnungsbegriffe mehr verfügbar sind. Kataloge. sind aber in der Regel inhaltlich organisiert. Im Umkreis der alexandrinischen Gelehrsamkeit verbreitet sich die Technik alphabetischen Sortierens langsam. auch in der Nutzung der Alphabetreihe eine zunehmende Nichtberücksichtigung des Lautbezugs. aber keineswegs durchgehend. enzyklopädische Werke etc. Dementsprechend beklagen die Lexikographen und Enzyklopädisten des Mittelalters das Fehlen einer Norm ihrer Schreibsprache Latein. Es ist aber völlig klar. Nur der vollständige Verzicht auf den Lautbezug ermöglicht es. Absolutes alphabetisches Sortieren erscheint zuerst in Registern enzyklopädischer Werke des 13. Jahrhunderts (vgl. hier ist der lautliche Bezug noch gegeben (akrophonisches Prinzip). gibt es praktisch keine Kenntnisse über den Erwerb der Fähigkeit zum alphabetischen Sortieren und zum Nachschlagen in alphabetisch geordneten Listen. Dieser Text stammt von einer erfahrenen Grundschullehrerin und dürfte repräsentativ sein. so sollte man vermuten dürfen. Im Lehrerband des „Duden Sprachbuchs 2“ heißt es in den Erläuterungen zum ersten Kapitel (2007: 15): Das Abc ist den Kindern in ihrem Leben bereits auf vielfältige Art und Weise begegnet – in Form von Kinderliedern. dass sich diese Fähigkeit erst relativ spät im schulischen Lernen herausbildet und erst dementsprechend spät vermittelt werden kann. Die Lehrpläne und auch die opinio communis der Lehrerinnen und Lehrer sehen anders aus. die in einem Aussprachewörterbuch zu erfassen wären. solange es keine kanonische Schreibung der Wörter gibt. Durch das kontinuierliche Üben des Nachschlagens erlernen die Kinder eine wichtige Arbeitstechnik zur Vermeidung von Rechtschreibfehlern. Erst eine für die Zwecke des alphabetischen Sortierens eingerichtete Sprache lässt Wörterbücher zu. [..a.. Danach ist die Alphabetreihe den Kindern bei Schuleintritt . Zieht man die oben skizzierten historischen Entwickungen als Basis für eine Hypothese heran.] Das Lernen des Abc hat für die Kinder einen hohen Motivationscharakter. Aneignung der Alphabetreihe Während wir über den Verlauf des Schriftspracherwerbs aufgrund umfangreicher empirischer Forschungen recht genaue Vorstellungen haben. Fußnote 2). 5. Erst vom schriftlichen Wörterbuch aus kann dann die kanonische Form der Aussprachen aller Wörter bestimmt werden.38 Hartmut Günther schen hergestellt wird.o. anderen ist die genaue Reihenfolge der Buchstaben noch nicht geläufig. Viele Kinder kennen das Abc bereits bei ihrer Einschulung. das aber gemäß der herrschenden Alphabetideologie eigentlich dem orthographischen Wörterbuch vorausgehen müsste (s. da sie nun die Buchstaben wie die Erwachsenen benennen. Abbildungen in Büchern oder auf Plakaten. Die ersten Lexikographen des Deutschen führen die gleiche Klage in Hinsicht auf ihre Muttersprache: Der wohldefinierte Platz eines Wortes in der Wörterliste kann nicht festgestellt werden. die in einem auf Selbstständigkeit ausgerichteten Unterricht besondere Bedeutung hat. wenn Erwachsene im Telefonbuch oder Lexikon nachschlagen. usw. Besonderer Wert wird auf das gezielte Finden von Wörtern durch die Orientierung am Abc gelegt. In einer alphabetisch geordneten Liste nachschlagen zu können ist Lernstoff schon der zweiten Grundschulklasse. B. im „Lexi-Wörterschatz“ nur vertuscht wird: Dass nämlich alphabetschriftliches (phonographisches) Wissen beim Nachschlagen in die Irre führt. kannst es aber unter k nicht finden. dazu zu Beginn jedes entsprechenden Buchstabens. Jot [jOth]. wird doch den Kindern suggeriert. Was dabei in der Regel nicht thematisiert wird. kannst es aber unter kw nicht finden.: 105). . diese Kenntnis für den Erwerb der Rechtschreibung zu nutzen wird als besonders wichtig angesehen. Ähnlich für Wörter mit Q: Nach dem Lemma Kutte folgt S. sich beim Schreiben an der Lautung zu orientieren. Dann suche auch unter c. phonographisch basierte Fehlschreibung Klaun in dieser Form. ist der Umstand. Diesen Weg. Zett [tsεt] mit ihrem lautlichen Wert meist nicht auf einfache Weise korrespondieren. um von dort den richtigen zu gelangen.: „Du sprichst ein Wort am Anfang wie k aus. für die sich also Nachschlagen gemäß obigem Zitat anbietet. von dem aus auf Clown verwiesen wird. Beispiele: quälen. Dieser Ansatz ist natürlich didaktisch höchst fragwürdig. dass jedes Wort einen wohldefinierten Platz in der Wörterliste hat. man könne im Wörterbuch falsche Schreibungen finden. quer“. als Lemma aufgeführt. In einer aneignungsorientierten Konzeption des Schriftspracherwerbs ist es deshalb nicht verwunderlich.B. Beispiele: das Café. also nach klauen. Dann suche auch unter q. an der alphabetisch korrekten Stelle. I [ i:]. 117 das ‚Lemma‘ kw mit dem Text „Du sprichst ein Wort am Anfang wie kw aus. die Qualle. warum steht Handy hinter Hand und nicht hinter Hemd? Die basale Strategie. dass die gelernten Buchstabennamen wie Be [be:]. das z. die kindliche Suchstrategie zu antizipieren. Am Anfang des Buchstabens K heißt es z. vielfach schon verinnerlicht. Dieses Hauptproblem der von der Antike bis in die Neuzeit weithin üblichen Buchstabiermethode des Lesenlernens hat schließlich zu ihrem gesetzlichen Verbot (in Preußen erst im Jahre 1872) geführt. Er legt dadurch aber das Problem offen. In den meisten Grundschulwörterbüchern wird dieses Problem durch Hilfstabellen im Anweisungsteil zu lösen versucht. der Cowboy“ (ebd. also durchgestrichen. denn gerade der Platz derjenigen Wörter. E [ e:]. ist vom Gesichtspunkt des suchenden Kindes aus gerade nicht wohldefiniert – wie soll es mit dieser Strategie z. Ka [kha:]. deren Schreibung sich phonographisch nicht direkt erschließt.Alphabetschrift und Alphabetreihe 39 schon als Abc begegnet.: 4–5). clever. Im jüngsten Grundschulwörterbuch („Lexi-Wörterschatz“ 2007) gibt es die entsprechende Hilfe sogar doppelt: Einmal im Anweisungsteil (ebd. der Comic. versagt beim Nachschlagen. geht das Grundschulwörterbuch von Peter Kühn ganz konsequent noch weiter: Hier wird die mutmaßliche. das Wort Clown [klaon] finden. Ypsilon [ psi:lOn]. Eff [εf]. dass den zunächst phonographisch schreibenden Abc-Schützen (!) die Vorstellung nur schwer zu vermitteln ist.B. d. Daly. entdecken – die Funktionsweise der Alphabetschrift. Gerhard. um das Nachschlagen zu lernen. Herkunft. Bloomfield. dass der Umgang mit alphabetisch sortierten Listen erst dann didaktisch sinnvoll gefordert werden kann. das für den oben erwähnten „Lexi-Wörterschatz“ entwickelt wurde. – Stuttgart et al. So enthält das Übungsheft „Richtig nachschlagen“.h.: Klett. Gelb. ist auch Lehrerinnen und Wörterbuchautoren offenbar nicht klar. (1963): A Study of Writing. Im Lichte der von Christian Stetter entwickelten Zusammenhänge zwischen Alphabetschrift und Grammatik – letztere als Folge ersterer – und den aufgezeigten historischen Entwicklungen ist das eigentlich nicht überraschend. dass die Kategorien. Literatur Wissenschaftliche Literatur Augst. Leonard (1926): „A Set of Postulates for the Science of Language“. das oben erwähnte rekursive Prinzip für Kinder verständlich zu operationalisieren. Lloyd W. wenn das Kind auf dem Wege ist. in der es um die Lautstruktur der Wörter geht. Dass das so ist. 153–164. will man effektiv nachschlagen: Wissen um morphologische Strukturen. – Chicago: Chicago University Press. und zwar auch und besonders bei den Folgebuchstaben (vgl. Effektives Suchen verlangt. die Kindern an die Hand gegeben werden. das parat stehen muss. nach denen man sucht. die Beispiele in der obigen Tabelle). Mechthild Dehn (1998): Rechtschreibung und Rechtschreibunterricht. . Ignace J. obgleich es von der zweiten Klasse an eingesetzt werden soll! Berücksichtigt man weiter die Schwierigkeit. (1967): Contributions to a History of Alphabetization in Antiquity and the Middle Ages. als System bereitstehen. sondern um grammatisches Wissen. so liegt die Folgerung nahe. lässt sich überraschenderweise an den Übungsmaterialien zeigen. phonographischen Prinzips.und Lesestrategie zu überwinden: Es muss b e id e Erfindungen.40 Hartmut Günther Der Unterschied zwischen Alphabetschrift und Alphabetreihe. praktisch keine einzige Übung. – Brüssel: Collection Latomus (Band 90). Wortartzugehörigkeit. dabei spielt phonologisches Wissen nur eine marginale Rolle. – In: Language 2. die phonographische Schreib. die sich mit dem Ausdruck Alphabet verbinden. und den Nutzen der Alphabetreihe. Kompetentes Nachschlagen im Wörterbuch erfordert gerade die Nichtberücksichtigung des gelernten ‚alphabetischen‘. S. Es handelt sich nicht um alphabetschriftliches. das zeigt sich an diesen Beispielen. (1989): „The Ras Shamra Matrix“. – Berlin et al. Von Peter Kühn.: Ahn. Stetter. 61–108.M. 97–110. Von Jutta Fiedler und Kristina Spall. S.: de Gruyter (Handbücher zur Sprach. 1.und Ordnungssystem“. In: Gerhard Augst (Hg. Otto Ludwig (Hgg. – (1996): „Schrift als Zahlen. S. Übungsheft für die Grundschule. Band 2. Lexi-Wörterschatz. Mein Schulwörterbuch. 297–306. Writing and its Use. 248–261. Kenneth (1947): Phonemics: A Technique for Reducing Languages to Writing. Auflage 2007.M. William C. 1568–1583. Josef (1994): „Die nordwestsemitischen Schriften“. Angelika Neidthardt & Barbara Schneider-Zuschlag. In: Hartmut Günther. Herausgegeben von Hartmut Günther. S. Watt. S. – Berlin et al. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung. Band 1. Schülerbuch. Frankfurt a. Röber. – Berlin et al.2). – Ann Arbor: University of Michigan Press. Bonn: Dümmler. Siebs.): Schrift und Schriftlichkeit. Universität zu Köln. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung. Frankfurt a. 4. Richtig nachschlagen. – In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 55. Theodor (1898): Deutsche Bühnenaussprache. Das Wörterbuch mit Rechtschreibstrategien.1).und Kommunikationswissenschaft 10. Tropper.): Schrift und Schriftlichkeit.: de Gruyter. Lehrermaterial.: de Gruyter (Handbücher zur Sprach. S. Auflage 2007. Herausgegeben von Hartmut Günther. – Berlin et al.und Kommunikationswissenschaft 10. Vortrag Sprachdidaktisches Kolloquium. Duden – Das Grundschulwörterbuch.: Duden Paetec. Hartmut (1986): „Was the Alphabet Discovered or Invented? On the Alleged Common Processes in Speech and Writing“. In: Hartmut Günther. Auflage 2007. – In: Semiotica 74.M. Writing and its Use. Christian (2007): „Alphabetschrift und Sprache“.: Duden Paetec 2007.): New Trends in Graphemics and Orthography. Von Ulrike Holzwarth-Raether. Schulbücher Duden Sprachbuch für die Grundschule 2–4. Frankfurt a. Otto Ludwig (Hgg.: Duden Paetec 2006/2007. Arbeitsheft. 6. . Pike.Alphabetschrift und Alphabetreihe 41 Günther. Christa (2007): „Die Nutzung der orthographischen Muster beim Lesen(lernen)“. Mannheim: Bibliographisches Institut. . sei auch auf die Annahme herkömmlicher Phonologie zurückzuführen. Buchstaben würden von ihnen (und anderen) als Abbildungen. d. In der Sicht Stetters teilen die meisten Didaktiker den Glauben an einen Mythos. ein Kinderspiel. die Leviten gelesen. so Stetter. insbesondere ihre Kontinuität in der Zeit. Wenn „man einmal den Namenwert der wenigen Buchstaben gelernt habe.Albert Bremerich-Vos Das „Mimesisbild der Alphabetschrift“ und didaktische Kontroversen zum Schriftspracherwerb 1. ihn auf seine Rechtfertigung hin zu untersuchen.B. Diesem Bild zufolge ist die Alphabet. dass die Kinderspielthese angesichts zahlreicher empirischer Befunde wohl von keinem Didaktiker unterschrieben würde. Dieser Mythos ist fast so alt wie die Alphabetschrift selbst. Zum Mimesis-Bild In einer Reihe von Publikationen. die den Kindern den Zugang zur Schriftsprache nicht nur nicht erleichtere. Damit würden aber zentrale Merkmale der oralen Sprache verkannt. Dabei ist es unerheblich. und insofern brauche man „sich nicht zu wundern. „sondern die Bewe- . In der großen Mehrheit verträten diese Didaktiker eine Position. zuletzt in der Monographie „System und Performanz“ (2005). den er als „Mimesisbild der Alphabetschrift“ bezeichnet. und insofern habe ich als Didaktiker allen Anlass. im Hinblick auf den Schriftspracherwerb als kaum relevant angesehen wird. das Erlernen des Gebrauchs der Alphabetschrift. die er „Schriftdidaktiker“ nennt. Mit dem einschlägigen Zeichen des Internationalen Phonetischen Alphabets werde aber z. dass Laute per se distinkt sind. dass Phoneme Schemata der Artikulation von Lauten sind. sei der Rest. genauer: Die Buchstaben werden als Namen von distinkten Lauten verstanden.“ (2005: 54) Der Vorwurf wiegt ersichtlich schwer.“ (2005: 100) Sieht man davon ab. wenn dabei viele Kinder auf der Strecke bleiben.h. ob man im Unterricht lautierend oder buchstabierend verfährt.eine Lautschrift. so bleibt als Kern die Behauptung. vorausgesetzt. deren Verkettungen die gesprochene Sprache ausmachen. Dass sie gänzlich ignoriert bzw. nicht der Laut [p] bezeichnet. ob der Buchstabe /b/ als (das) [be:] oder als (das) [bə] bezeichnet wird. sondern sogar erschwere. hat Christian Stetter einer Gruppe. ‚Namen‘ von Lauten verstanden. In beiden Fällen ist nämlich. Sie müssten sich die Schrift geradezu gegen die herrschende Lehrmeinung aneignen (2005: 107). Vom zweiten Glied. Der Medienwechsel bzw. ohne angeben zu können. nicht das Phonem als kleinste artikulatorische Einheit. diese Merkmale im einzelnen anzugeben. wobei der Kern den Gipfel ausmacht. Was hier als „phonologische Bewusstheit“ gefasst werde. eben der Alphabetschrift in der Version einer Druckschrift. Das Verfahren ist zirkulär.“ (2005: 106) Auch die neuere Kognitionspsychologie verkennt. dem Gesicht. dass diese Namen ähnlich klingen bzw. Uli und nicht Ulla auf. –––––––— 1 2 Hat eine Silbe einen Anfangsrand. was fatale Folgen zeitige. als wir sagen können. wie man das zustande bringt. der Silbenendrand. d. hat primär mit der Klangintensität zu tun.“ (Stetter 2005: 113) Von d ie s e n Differenzen könne es eben nur implizites. Insofern sei für sie der semantische Aspekt der Relation der beiden Ausdrücke entscheidend. Polanyi bringt Evidenz für die These bei. die Schallfülle. nicht aber als e x p liz ite .44 Albert Bremerich-Vos gung einer labialen Sprengung.2 Rufe die Lehrerin z. wenn vorhanden. so richten wir unsere Aufmerksamkeit von ihnen „auf das Gesicht und sind darum außerstande. Grapheme. . so könne man die Kinder zwar darauf aufmerksam machen. Beim schulischen Sprachspiel des Buchstabierens bzw. dass wir mehr wissen. daß die Kinder bei dieser Gelegenheit die kleinstmöglichen bedeutungsunterscheidenden o r a le n Differenzen entdecken würden.B. Die Kinder dächten aber ‚nur‘ an zwei Personen. So erkennt man ein Gesicht unter vielen wieder. Implizites Wissen lässt sich als Relation von zwei Gliedern auffassen. sie ist durch nichts gedeckt. Die Sonorität. sondern immer nur als Initiale einer sich kontinuierlich fortsetzenden Artikulationsbewegung auftritt. Schon der Prager Schule gilt die Silbe. und „die Annahme. Was das erste Glied.“ (Polanyi 1985: 19). die einzelnen Merkmale. Am wenigsten sonor sind stimmlose Obstruenten (Frikative und Plosive). welche mit vollzogener Sprengung einen höheren Sonoritätsgrad erzeugt. ist ebenfalls weniger sonor als der Kern. d. nicht verbalisierbares Wissen geben. angeht. die isoliert nie in der Sprache vorkommt. Insofern gibt es innersilbisch eine Sonoritätshierarchie. d. dann ist er weniger sonor als der Kern. sich in einem bestimmten Aspekt unterscheiden. Lautierens bleibe man nämlich intentionswidrig letztlich im Reich der Buchstaben bzw.h. -bruch werde in der Regel von den Didaktikern nicht reflektiert. In diesem Spiel wird der Buchstabe einerseits zum Namen eines ‚Lautes‘ gemacht.h. was als ‚Phonem‘ bezeichnet wird. ist nicht nur kühn. dass Laute in diskreter Form gegeben sind. so Stetter.h. die Aufmerksamkeit gelte gänzlich der Bedeutung.“ (Stetter 2005: 54)1 Setzt man – entgegen der Logik des oralen Mediums – darauf. von den Kindern verbalisierbare Kenntnis dessen. die Brisanz des für den Schrifterwerb zentralen Medienwechsels. sei allenfalls als imp liz ite s Wissen zu verstehen. Er beruft sich in diesem Kontext auf Polanyis Distinktion von implizitem und explizitem Wissen. und diese hat immer einen vokalischen oder mindest sonantischen Kern. „Andererseits wird dieser Laut erst anhand dieses Namens als solcher identifizierbar. dann verwechselt man sie mit Einheiten eines anderen Mediums. haben wir ein angebbares Wissen. In didaktischer Hinsicht kann es aber nur als Markierung einer Zielperspektive fungieren. wobei im ungünstigen Fall die resultierende mündliche Artikulation gar nicht mit einem Eintrag im mentalen semantischen Lexikon korrespondiert. dass es für zwei sinnlich wahrnehmbare „Fälle“ des Buchstaben A weder notwendig noch hinreichend ist. so kann ich [ma:ne:ater] ‚lautierend‘ lesen und damit verfehlen. Das weiß auch Christian Stetter. eher hoch oder breit. das aus drei Buchstaben besteht. nur ‚visuell ganzheitlich‘ und nicht phonografisch vermittelt zuzugreifen. auf das mentale Lexikon ‚direkt‘. Aber auch Experten sind zuweilen Novizen und in dieser Rolle scheitern sie. kann man als „Lesetheorem“ bezeichnen: „Buchstaben werden und wurden erst recht nicht bei der Entwicklung des Alphabets dazu verwendet. Liegt allerdings zwischen /s/ und /ch/ eine Morphemgrenze. kommt man von hier aus nicht näher. le s b a r e W ö r te r o d e r T e x te zu schreiben. Insofern mag das Lesetheorem plausibel sein. als das Mimesis-Bild suggeriert: Auch im Reich der Schrift selbst sind seiner Ansicht nach die Verhältnisse komplexer. sind zwei Grapheme gegeben wie bei dem hier generierten möglichen Wort Miescharakter. Nicht nur der „Übergang“ von der „analog“ organisierten Oralität zur „digital“ verfassten Schrift sei anders zu denken. Lese ich z. sie sei das entscheidende Kriterium. z. haben. wenn sie versuchen.B.B. eher gerade oder schief. was gemeint ist. das Problem möglichst prägnant zu formulieren. und Lesbarkeit müsse „ohne Umweg über die Phonetisierung“ gegeben sein (Stetter 1997: 61).Das „Mimesisbild der Alphabetschrift“ 45 „Es ist also auszuschließen. Der Lösung des Problems. Größe usw. Auch sie müssen dann manchmal wie Schreibanfänger phonologisch rekodieren. –––––––— 3 Auf die Differenz von Graphem und Buchstabe soll es hier nicht ankommen. Und er liefert ein weiteres Problem gleichsam nach. dass der Protagonist ein maneater ist. in einer deutschsprachigen Filmbesprechung. die allenfalls exemplarisch vorgeführt werden können: Es gibt ein A in vielen Größen. Wenn man also annimmt. um „Kopien“ voneinander sein zu können. wie Schreibnovizen auf ihrem Weg in die Schriftsprache am besten unterstützt werden können. die er in seiner großen Monographie „Schrift und Sprache“ (1997: 59) anbietet. eher rechtsschief oder linksschief. Denn die zu lernenden Buchstaben3 sind keine Dinge. Er will keine Lösung liefern. sondern a u s s c h lie ß lic h dazu. Bei /sch/ handelt es sich um ein Graphem. dass sie dieselbe Form.“ Handelt es sich hier aber um eine echte Alternative? Wann sind Wörter oder Texte f ü r N o v iz e n lesbar? Stetter orientiert sich hier offensichtlich an der Lesbarkeit für Experten. Laute zu bezeichnen. als Didaktiker üblicherweise annehmen. vielmehr konzentriert er sich darauf. sondern K la s s e n von Elementen. wenn es auf die Kompetenz von Experten gemünzt ist. “ (Stetter 2005: 114) Die Alternative. eher krakelig oder nicht usw. . daß Kinder gemäß den Vorstellungen des Mimesis-Bildes schreiben lernen k ö n n e n . einmal zu gate. die Differenz von Oralität und Literalität besonders zu betonen. d. . Einen Hinweis darauf. was hier angemahnt wird. Die Erkenntnis. Töne. der Buchstaben. dass mehrere ‚konkret unterschiedliche‘ Versionen des Buchstabens A ‚relevant gleich‘ sind. Aus einem –––––––— 4 Ausdrücke wie digital. Bilder. ist Resultat eines Prozesses der Kategorisierung.B. der bereits schreibkundig ist. Bereits vor mehreren Jahrzehnten wurde nämlich das von Stetter namhaft gemachte Induktionsproblem in Arbeiten zur kognitiven Psychologie erörtert und meiner Ansicht nach auch gelöst (vgl. „so gehören einige von den Äußerungen. Texte. Und doch sind mit der einen Richtung alle Fragen von Abstraktion und ihren Randbedingungen verbunden. Folglich geht es auch nicht darum. gilt mit Recht als ausgemacht. […] Diesen Weg zu finden ist der Schriftdidaktik aufgegeben. analog und Inskription gebraucht Stetter unter Rekurs auf Nelson Goodmans Symboltheorie (vor allem Goodman 1984 und 1997). Neisser 1974). (Goodman 1997: 196) Offensichtlich teilt Goodman die Auffassung. diese Theorie für eine Fundierung der Sprachwissenschaft nutzbar zu machen. sozusagen sogar auf dem Kopf stehende Stühle eine Kategorie „Stuhl“ konstituieren. dass eine solche Auffassung nur jemand haben kann. findet man nach meiner Kenntnis bei ihm nicht. Welche Wege sind […] beim Erlernen der Alphabetschrift zurückzulegen? Nur in Richtung vom Analogen zum Digitalen oder nur in der umgekehrten Richtung oder vielleicht Wege in beiden Richtungen? Auch diese Frage ist bislang kaum einmal gestellt worden. im Einzelnen zu beurteilen. die aus einem harten g-Laut. auch mental rotierte. Zu bedenken ist aber eine Besonderheit: Dass viele konkret unterschiedliche. Wörter. Diese Arbeiten wurden von DidaktikerInnen recht zeitnah rezipiert (z. der in vielen Domänen Pendants hat. gibt es bei Goodman selbst wohl kein Pendant. ob Stetters Vorhaben gelungen ist.46 Albert Bremerich-Vos dann kann man die Frage stellen. Wie löst er dieses Induktionsproblem? Damit ist der Horizont bezeichnet. Karten. mündliche Äußerungen ließen sich als Abfolge von Lauten darstellen. gefolgt von einem langen a-Laut.h. Er bedenkt vielmehr vor allem deren Parallelität: So wie einige Buchstaben-Tokens einmal als Fälle eines Typs „a“ und einmal als solche eines Typs „d“ lesbar seien. Wenigstens eine These sei aber gewagt: Für Stetters Bemühung.)4 Auf e in e n Teilaspekt dessen. Modelle und anderes mehr umfasst. wie es einem Schriftsprachnovizen möglich ist. einmal zu gait (Gang). Diagramme. von Gümbel 1980). (Stetter 2005: 120f. gefolgt von einem t-Laut bestehen“. von v ie le n konkret verschiedenen ‚tokens‘ auf e in e n ‚type‘ zu schließen. Auf seine Theorie kann hier nicht weiter eingegangen werden. mit der anderen das ganze Problem der Induktion: Aus zunächst nur bruchstückhaft gegebenen. Goodman geht – anders als der common sense – von einem sehr weiten Begriff des Symbols aus. kaum typisierten Einzelinskriptionen müssen Muster des systematischen Gebrauchs aller Elemente des Alphabets im Zusammenhang aufgebaut werden. vor dem Stetter bei Didaktikern um Auskünfte nachsucht. gehe ich im Folgenden n ic h t weiter ein. wie noch zu zeigen sein wird. dürfte aber zumindest auf den herkömmlichen. ‚Bu c h s ta b e n to r e ‘ . Gemeint war. ob diese entscheidende Differenz in der Lehre hinreichend bedacht wird. ist zwar problematisch.und Minuskelformat dargeboten: das Resultat der ‚Analyse‘. dass Schülerinnen und Schüler z. Welche Wege beim Erlernen der Alphabetschrift? Einige psychologische und didaktische Auskünfte zum Schriftspracherwerb Stetters Attacke – gerechtfertigt 2. Sein Vorwurf. Die Frage. etwas kategorial Anderes. dass die Frage nach der ‚Richtung‘ vom Mündlichen zum Schriftlichen oder umgekehrt vom Schriftlichen zum Mündlichen bislang kaum einmal gestellt worden sei.h.a. die sich einer bestimmten Tätigkeit hingibt. /b/ und /d/ nicht erkannten und dass dies auf Defizite im Bereich der visuellen Wahrnehmung zurückzuführen sei. Hier geht man in der Regel mit der Kategorie des ‚Lautes‘ reifizierend um.1 Stetters Behauptung. wenn basale schriftsprachliche Schwächen zu erklären waren.B.Das „Mimesisbild der Alphabetschrift“ 47 rotierten /b/ kann aber ein /d/ werden. dass sie diese drei Figuren als Kopien voneinander ansehen. Die Botschaft an die Adresse der Kinder lautet: Wenn man sich nur genügend anstrenge. d. von der Fibel dominierten Unterricht zutreffen. Fast alle Fibeln enthalten heutzutage darüber hinaus ‚A n la u tta b e lle n ‘ bzw. Hier werden Objekte in Toranordnung schema5 –––––––— Früher sprach man. u. Wort zum Buchstaben) Verfahren werden kombiniert. So könnte – ein fiktives Beispiel – auf einer Seite eine Kuh mit dem Namen „Mu“ abgebildet sein. im Fall von Stühlen führt. die von den Kindern hier zu leisten ist. .h. Die Fibeln sind im Übrigen durchgängig ‚methodenintegrativ‘ angelegt. Auf derselben Seite wird zusätzlich der Buchstabe m in Majuskel. womöglich deshalb. ein ‚synthetisches‘ (vom Buchstaben zum Wort) und ein ‚analytisches‘ (vom Satz bzw. man propagiere das Mimesisbild. ‚genau‘ hinhöre. dass die mentale Rotation hier zu einem anderen Ergebnis als z. weil ihnen nicht vermittelt wurde. kann angesichts fehlender empirischer Studien nicht seriös beantwortet werden.5 2. könne man ohne weiteres einzelne Laute aus dem kontinuierlichen mündlichen ‚Strom‘ isolieren und sie dann nach Maßgabe der gelernten basalen Korrespondenzregeln verschriften. von einer ‚Raumlagelabilität‘. Es ist aber auch denkbar. d. die Differenz von /p/.B. Der zu erlesende Satz mag lauten Mu macht Mist. 2 Stetters Attacke – zu wenig differenziert Ist Jürgen Reichen aber Repräsentant einer Me h r h e it unter den Didaktikern. . Es versteht sich. Jürgen Reichen. schriftliche Zeichen zu beziehen. weil man dem Vorwurf begegnen will. Insofern hat ein /v/ in einer Anlauttabelle gar keinen Platz. weil nicht erwartet werden kann. dass erst recht nicht postuliert werden darf. Wenn z. Reichen dürfte insofern dem Mimesisbild verpflichtet sein. Die ‚Anlauttabellen‘ oder auch ‚Buchstabentore‘ sind den Fibeln wohl vor allem deshalb beigegeben.B. in einem Unterricht mit diesem Leitmedium sei ein ‚Fibeltrott‘ zu gewärtigen: Der Gebrauch dieses Mediums begünstige – so dieser Vorwurf – die Tendenz. formuliert insofern folgerichtig (1988: 8): „Das wesentliche Lernziel ist die Fähigkeit des Schülers. Die konkurrierenden Bezeichnungen indizieren fundamentale Unklarheiten. das Stetter attackiert. wie ab und an behauptet wird. 2. in einer solchen Tabelle bzw. Initialbuchstaben zugeordnet. und dass erst im Zuge dieser Operation ‚der‘ Laut überhaupt erst bestimmbar wird? Wenn die Kinder zumal in den frühen Phasen des Schriftspracherwerbs ‚irgendwie‘ phonologisch rekodieren müssen. die nicht nur Fibelwörter. einem solchen Tor sowohl – jeweils piktural gestützt – Vogel als auch Fenster vorkommen. Neben dem /f/ dürfte hier nur ein /w/ vorkommen. Von ‚Gestalten‘ ist hier deshalb die Rede. einer unter vielen also. der die Arbeit mit Anlauttabellen besonders vehement propagiert hat und dessen Lehrkonzept unter dem Titel „Lesen durch Schreiben“ bekannt und sehr populär geworden ist. d. Würde anfänglich zugleich gelehrt. sondern auch mehr oder weniger komplexe ‚Gestalten‘ ihrer Wahl produzieren wollten. wäre das ersichtlich keine Schreibhilfe. Die Kinder schreiben dann – im günstigen Fall – [wa:sə] als /wase/. sondern ersichtlich um ein Buchstabentor. die – so Stetters Vorwurf – nicht bemerken. dass es beim Schrifterwerb darum geht.h. dann handelt es sich nicht. ein beliebiges Wort in seine Lautfolge zu zerlegen und danach phonetisch vollständig aufzuschreiben. dass es eine ‚Minderheitsschreibung‘ /v/ gibt. im Unterricht n ic h t zu differenzieren. dass Kinder eigenaktiv (nur) W ö r te r schreiben. Dabei gebe es doch viele Schülerinnen und Schüler. ‚an sich‘ kontinuierliche Fragmente des Gesprochenen auf diskrete. Denn als Standard für die Verschriftung von [f] wird /f/ gelehrt.“ Die Zerlegung in eine Folge von Lauten gilt hier offensichtlich als eine recht einfache kognitive Aktivität. der Gebrauch einer Anlauttabelle bzw. um eine Anlauttabelle. je für sich wahrnehmbare. eines Buchstabentors begünstige o r t h o g r a f is c h korrektes Schreiben. und diesen ‚Gegenständen‘ sind jeweils ‚Anlaute‘ bzw.48 Albert Bremerich-Vos tisch-piktural präsentiert. In diesem Kontext die k o r r e k te Schreibung zu erwarten wäre abwegig. Reimen oder Silbensegmentieren bei Kinderliedern“. dann lässt sich m. Auch die Analyse von Lehrwerken ist nicht hinreichend. oder entwickelt sie sich erst in der Auseinandersetzung mit der Schriftsprache? Marx (1997: 105) kommt nach einer Inspektion diverser Operationalisierungen dieses Begriffs in zahlreichen empirischen Studien zu einem mittlerweile in der Psychologie weithin geteilten Fazit. Letztlich müsste es sich um sehr aufwändige Videographien im Rahmen von Längsschnittstudien handeln. wenn sie den Anfangsrand von Silben bilden. weil offen bleiben muss. Strittig war über lange Zeit insbesondere.h. -synthese auf Wortund Silbenebene. Die Fähigkeit. ist problematisch.1 Zum psychologischen Konstrukt „phonologische Bewusstheit“ Einschlägige Arbeiten zu dieser Dimension von „language awareness“ sind mittlerweile Legion. und zwar nicht nur für den angelsächsischen. Phoneme. dass Stetters Verdikt wenigstens partiell nicht haltbar ist und insofern revidiert werden sollte. sondern auch für den deutschen Sprachraum. Ist phonologische Bewusstheit nun eine ‚Fertigkeit‘. wie eine Lernumgebung so gestaltet werden kann. „die keine semantischen oder sprechrhythmischen Bezüge oder natürliche Einheiten aufweisen. (vor allem) Reimpaare. Erstere „bezieht sich auf Sprachleistungen. Wildemann 2003). wie sie im Unterrichtsprozess eingesetzt werden. Demnach ist eine phonologische Bewusstheit im weiteren von einer phonologischen Bewusstheit im engeren Sinn zu unterscheiden. den Anfangsrand einer Silbe von ihrem Kern (Nukleus) und ihrem Endrand zu unterscheiden. z. Phonem bezieht. letztere auf Leistungen. Insofern ist im Hinblick auf Aussagen über den faktischen Unterricht Vorsicht geboten. die eine positive Antwort gab. Die untersuchten Einheiten sind Wörter. vom Reim. die dem (schulischen) Schriftspracherwerb vorangeht.“ Die Unterscheidung von phonologischer Bewusstheit im . zeigen. ermöglicht demnach die Identifizierung einzelner Phone bzw.B. Ein Teil der Minderheit. nannte eine auf die Einheit Silbe bezogene Bedingung: Kinder ohne Schrifterfahrung könnten einzelne Phoneme dann (explizit) isolieren. 2.2. Phoneme.B. die unterrichtliche Praxis via Befragung der Lehrpersonen ermitteln zu wollen. Phonemsegmentierung bzw. Empirische Auskünfte zum faktisch stattfindenden (Recht-) Schreibunterricht in den ersten Klassen sind rar. die auf dem natürlichen Umgang mit den lautlichen und artikulatorischen Aspekten der Sprechsprache basieren. Silben und Phone bzw. d. z. ob eine Bewusstheit.Das „Mimesisbild der Alphabetschrift“ 49 dann ist zu fragen. dass diese Lernertätigkeit möglichst effektiv unterstützt wird. Konzentriert man sich aber auf den aktuellen schriftlichen Diskurs zum Schrifterwerb in Psychologie und Sprachdidaktik. Die Alternative. sind solche Auskünfte doch nicht immer zuverlässig. bereits vor dem Schriftspracherwerb angenommen werden kann oder nicht (zusammenfassend z. die sich auf die Größen Phon bzw.E.B. „dass gesprochene Texte aus Elementen bestehen. Inwiefern sie den faktischen Unterricht beeinflusst. Diese Botschaft repräsentiert lediglich die Wahrnehmung derjenigen. hilft nicht allen Kindern weiter.“ Die Problembeschreibung deckt sich ersichtlich mit derjenigen Stetters. dass der ‚orale Strom‘ p e r s e in „Laute“ gegliedert ist. Es sollte aber deutlich geworden sein. Die Kritik dieser Auffassung ist so vehement geworden. insofern der „Natürlichkeitsnachweis“ erst noch zu führen wäre. nicht Laute sind die kleinste isoliert artikulierbare Einheit. Ein – allerdings wesentlicher – Vorzug gebührt ihr insofern. dass sie mittlerweile als hegemoniale Stimme im Konzert der Meinungen angesehen werden kann. Stock/Marx/Schneider 2003). die ‚natürlich‘ distinkt.und Schließungsbewegungen der Artikulationsorgane. nämlich als vom ‚Produzenten‘ sinnlich wahrnehmbare Kombination von Öffnungs. von anderen unterschieden ist. dann kann es in diesem Medium keine Einheit geben. gehen in der Mehrheit nicht von der Vorstellung aus. die so klängen wie die Lautungen für die Bezeichnung einzelner Buchstaben. dass eine solche Gliederung Resultat einer Projektion ist. hat mit der Einheit Silbe zu tun.2. sei es doch so. gesprochene Wörter beständen aus isolierbaren Lauten. die bereits schreiben können […].2 Zur aktuellen Didaktik: die Prominenz der Silbe Auch die Didaktiker. sondern auch die Silbe eine Einheit. und sie seien daher in der Koartikulation eines Wortes durch ‚langsames und deutliches‘ Sprechen entsprechend wahrnehmbar. Vielmehr rechnen sie damit. denn Silben. Insofern ist nicht nur das Phonem. die sich am aktuellen fachlichen Diskurs beteiligen. die didaktische Lösung. So schreibt Christa Röber-Siekmeyer (2004: 9): „Die Botschaft des Unterrichts. . von den „natürlichen Einheiten“ ist zwar problematisch. dass es sich um eine Mehrheitsmeinung handelt. ist aus den angedeuteten Gründen kaum auszumachen. im Mündlichen seien Laute als solche gegeben. als sie sich in artikulatorischer Hinsicht gleichsam hervortut. die erst im Kontext des Schriftspracherwerbs Platz greifen kann. dann ist Stetters Schelte zu relativieren. Wenn aber zutrifft. die Röber-Siekmeyer wie viele andere parat hat. dass er wie überhaupt die aktuelle mit dem Schriftspracherwerb befasste Psychologie Stetters Verdikt entgeht: Psychologen hängen dem Mimesis-Bild n ic h t an und sie gehen gerade n ic h t davon aus. die kognitiv zu konstruieren ist. die wir als Silben bezeichnen.50 Albert Bremerich-Vos engeren und im weiteren Sinn liegt auch aktuellen Tests wie „BAKO 1–4“ zugrunde (vgl.“ (Röber-Siekmeyer 2004: 7) Wenn das Gesprochene aber kontinuierlich ist. 2. Marx‘ Rede vom „natürlichen Umgang“ bzw. ist sie doch in der entwickelten Form eine Kategorie. die die Kinder zwingt.“ (Hinney 2004: 79) Insbesondere Christa Röber-Siekmeyer hat Vorschläge formuliert. Sie sagen dann z. Die Formen der Wörter werden bei Explizitlautung darüber hinaus so ausgesprochen. Insofern steht sie „am Ende eines erfolgreichen Schriftspracherwerbs.h. bei denen die Anzahl der Silben durch Klatschen zu ermitteln ist. Insofern ist z. dass jeder Einzellaut all seine funktionalen artikulatorischen Eigenschaften hat. Schließlich wird postuliert. d. Er weiß in Kenntnis schriftsprachlicher Regularitäten um die sogenannte E x p l i z i t l a u t u n g . die erst mit der Aneignung der Schrift erworben wird. zeigen nicht-literale Kinder immer wieder erhebliche Kompetenz. Äußerungselemente unterhalb der Silben-‚Schwelle‘ zu isolieren. einzeln artikuliert. dass [laufn] artikuliert wird. die ihren Schülern helfen wollen. mit ‚Betonung‘ auf der ersten und unbetonter zweiter Silbe) anzusehen ist. bei denen mindestens zwei Wörter im Hinblick auf die Identität von Silbenkern und Endrand zu vergleichen sind.Das „Mimesisbild der Alphabetschrift“ 51 Im Kontext von Reimaufgaben. dass die Wortformen ‚normal‘ betont ausgesprochen werden. indem sie von der innersilbischen Koartikulation abstrahieren.B. dass mit den Ausdrücken „Zungen-r“ und „Zäpfchen-r“ v e r s c h i e d e n e Klassen von Lauten bezeichnet sind. und die Silben haben jeweils einen vokalischen Kern. anders als bei der zusammenhängenden Rede. wie der Schrifterwerb im Rahmen einer Lehre. kann also nicht vorausgesetzt werden.B. .a. wenn man schriftsprachliche Strukturen auf orale Folgen p r o j iz ie r t. und bei Aufgaben. muss schreibmächtig sein. Es ist ja evident. So kann man das mündliche [fo:gl] als Einsilber verstehen. [be: ∫tim – me:n] statt [bə∫timən]. insbesondere nicht ‚überlautend‘. dass alle Silben vorkommen. deren Merkmale Eisenberg (2005: 51) resümiert hat: Die Wortformen werden. Wenn zutrifft. dann liegt es nach Auffassung vieler Didaktiker nahe. der es zu schreiben weiß.B. den Erwerb der Kategorie „Laut“ bzw. dass es sich aber um Varianten d e s s e l b e n Phonems handelt. ergibt sich erst dem. nicht aber [zamft]. bei Maas (1992: 40): „Die Kategorie des Lautes kann […] vor dem Schriftspracherwerb nicht vorausgesetzt werden. [zanft] als Explizitlautung anzusehen.h. aus. Überlautend artikulieren manche Lehrkräfte. –––––––— 6 Die Laxheit des Sprachgebrauchs ist hier ungefährlich. dass sich Silbengrenzen und damit auch Silbenzahlen oft erst dann ergeben. Sie werden so ausgesprochen. wie man in der Standardlautung artikuliert. Unterstützung finden sie u. „Phonem“6 durch die Präsentation von Silben vorzubereiten. Wer Explizitlautung im damit geklärten Sinn praktizieren kann. Dass es schriftsprachlich als trochäischer Zweisilber (d. was zur Differenz von phonologischer Bewusstheit im weiteren und engeren Sinn gesagt wurde.“ Allerdings sollte man – sozusagen mit Stetter gesprochen – nicht verkennen. Verlangt ist [lau-fən]. Das schließt z. für die der Silbenbegriff zentral ist. kurzen Vokal nur ein Konsonant folgt.a. Kern und Endrand bestehen können und dass sie einen vokalischen Kern haben. Dass sich die Kategorie ‚Laut‘ erst via Abstraktion im Kontext innersilbischer –––––––— 7 Für Hinney ist das [n] in [brεnən] ein ambisilbischer Konsonant. Die Kinder sollen lernen.7 3. Auf die damit angedeutete Kontroverse kann hier nicht näher eingegangen werden. das mit zwei Buchstaben wiederzugeben ist. was Christian Stetter durchaus gelegen sein könnte. dass Silben aus Anfangsrand. Ist die erste Silbe des Zweisilbers offen. behaupten Deutschdidaktiker heutzutage mehrheitlich nicht (mehr). „Die Schreibsilbe ist somit wieder geschlossen und kennzeichnet Vokalkürze. Auch Gabriele Hinney geht vom Konzept der (Schreib-) Silbe und dem trochäischen Zweisilber aus. dass im Stamm des Wortes auf den betonten. Es handelt sich um ein Silbengelenk. Hinney legt großen Wert auf die Differenz von Markiertheit und Nicht-Markiertheit. dann soll wie bei /brem-sen/ der Vokalbuchstabe als Kurzvokal gelesen werden. . Für sie sind (erste) geschlossene Schreibsilben wie bei /brem-sen/ und /Wel-ten/ unmarkiert.h. betonten Silbe: die offene Silbe mit losem Anschluss (/H ü -te/).52 Albert Bremerich-Vos im Einzelnen unterstützt werden kann. der fest oder lose an einen Folgekonsonanten angeschlossen ist. Sie erörtern vor allem den didaktischen Status der (Sprech. folgt dem Vokalbuchstaben kein Buchstabe für einen Konsonanten. Ist die erste Silbe geschlossen.“ (Hinney 2004: 77) Eine alternative Lesart wird von der Mehrheit der Reformer der deutschen Orthografie befürwortet. Letztere erscheinen bei Röber-Siekmeyer als offene Silben mit festem Anschluss. verständlich machen. die offene Silbe mit festem Anschluss (/H ü t-te/). dann ist der Vokalbuchstabe als Langvokal zu lesen. der entweder derselben oder der nächsten Silbe angehört. Er gehört also zu beiden Silben. solche wie /bren-nen/ oder /Mut-ter/ aber markiert. die geschlossene Silbe mit losem Anschluss (/H ü h n -chen/) und die geschlossene Silbe mit festem Anschluss (/H ü f -te/). Der Verführung des von Stetter attackierten Mimesisbilds erliegen sie insofern nicht. Von hier aus will sie den Kindern u. d.oder Schreib-) Silbe. sondern damit. Ihrer Ansicht nach hat die zweifache Schreibung des Konsonantenbuchstaben nichts mit dem Silbengelenk zu tun. Offene Fragen Dass Novizen in Sachen Schrift die Einheit „Laut“ ohne weiteres zugänglich sei. Sie legt den prototypischen deutschen Zweisilber (den Trochäus) zugrunde und unterscheidet vier Typen der ersten. wann ein Vokalbuchstabe als Langvokal und wann er als Kurzvokal zu lesen ist. gaben in der 10. dass der Lernzuwachs gleichsam mit einer Fiktion einhergeht. Allerdings sollte das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. man habe „über dem als zentral postulierten Zusammenhang zwischen Phonem und Silbe die Notwendigkeit eines gesonderten Phonembezugs außer Acht gelassen […]. Die Schriftdidaktik ist dem Anspruch nach eine e mp ir is c h e Disziplin. dabei mehr oder weniger kreativ Hypothesen bildend. produzieren Kinder z. den damit angedeuteten Standards genügende Arbeiten gibt es nach meiner Kenntnis derzeit aber noch nicht (s. Der Anteil dessen.B. was eigentlich als kompetente Phonemanalyse begriffen werden kann (/ε/ oder auch /ε:/).B. wohl aber /ε:/ mit knapp 20 Prozent (Jansen/Thomé 1998). wie u. Woche antworteten 75 Prozent der Kinder mit /e:/. dass Lehrkonzepte das eine und die Lernwege der Kinder das andere sind. geht zurück und es dominiert schließlich eindeutig die Angabe /e:/. ein /ε/ kam gar nicht mehr vor. /Rosen/ für /blau/. /Elch/ und /Rasen/. Wer sich forschend und lehrend mit dem Schriftspracherwerb befasst. In der 38. Ente und Elf „lautlich beginnen“. die Wörter Äste. Die meisten Kinder entwickeln im ersten Schuljahr sehr schnell die Fähigkeit zur Phonemanalyse. aber als Vorstudie Weinhold 2006). Aus diesem Anspruch ergibt sich. Wie vor allem in konstruktivistischen Ansätzen betont wird. Studierenden diesen Sach- . bei Ente ca. Gefragt. Schreibungen wie /plau/. erscheint vielen Didaktikerinnen und Didaktikern als plausibel. wie schwierig es ist. Auch wenn auf der Basis der Silbe operiert wird. Insofern mag der Röber-Siekmeyer und anderen geltende Vorwurf berechtigt sein. Es entsteht ein buchstabenbezogener Lautbegriff. Hinzu kommt.Das „Mimesisbild der Alphabetschrift“ 53 Koartikulation ergibt und dass die Silbenstruktur unter dem Etikett der Explizitlautung nur über eine schriftsprachlich induzierte Projektion erkennbar wird. eignen sie sich die Lerngegenstände „eigenaktiv“ an. Ca.“ (Naumann 2008: 147) Solche Falschschreibungen sind wahrscheinlich darauf zurückzuführen.a. Einschlägige. dass der (eigentlich) kontinuierliche orale Fluss bereits per se segmental gegliedert ist? Eine solche Fiktion könnte das Lernen begünstigen. 40 Prozent gaben andere Antworten. kann ein Lied davon singen. dass die ‚Erfolgsaussichten‘ verschiedener Lehrmethoden komparativ zu evaluieren sind. /Elsch/. Auch hier kann man davon sprechen. Mit zunehmender Schriftspracherfahrung wird also die Phonemanalyse gleichsam überformt. Unterrichtswoche z. Insofern sollten Auskünfte über ‚Königswege‘ zur Schriftkompetenz mit Vorsicht rezipiert werden.und Kontrollgruppendesigns mit Vorund Nachtest miteinander zu vergleichen. Könnte es nicht sein. nämlich die. Es wären also im Rahmen von Interventionsstudien hinreichend große Stichproben von Schülerinnen und Schülern auf der Basis eines Versuchs. 30 Prozent /ε:/ oder /ε/ an und bereits 30 Prozent /e:/. dass die Kinder auf der Basis ihrer jeweiligen Dialekte verschriften. dass dabei eine Fiktion eine Rolle spielt. Petra. S. Günther Thomé (1998): „Entwicklung der /ε/-Phonemanalyse im ersten Schuljahr und ihr Zusammenhang mit der Wortschreibung“. Eisenberg. Küspert.: Suhrkamp.M. Hinney. In: Albert Bremerich-Vos. Entwicklungen – Tendenzen – Erfahrungen. Übersetzt von Bernd Philippi. Andreas Helmke (Hgg. Ein Lehrbuch. Gümbel. Heft 1.): Entwicklung im Grundschulalter. Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter. – Wiesbaden/Opladen: Westdeutscher Verlag.M. Dietlinde Granzer. S. Weinert. lauschen. . Peter (2005): „Phonem und Graphem“. Francke.M. – Tübingen/Basel: A. Olaf Köller (Hgg. – (1999): Phonologie. 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Philosophie der Schrift Die Rede von einer Philosophie der Schrift macht nur dann Sinn. dass alles. dazu Münker/Roesler/Sandbothe (2003). man darf (im Sinne eines genitivus obiectivus) in Schrift nicht nur einen Gegenstand philosophischen Interesses neben anderen sehen.h. Margreiter 2003: 163 1. .] selbst ein mediales Unternehmen. erkennen und wissen können.Jürgen Villers Über den Skriptomorphismus der Philosophie Als selbstreflexiver Diskurs muss Philosophie ihre eigene mediale Konstitution und ihre eigene mediale Herkunft und Geschichte in den Blick nehmen und darf nicht dem Mißverständnis erliegen. sodass ein medienfreier bzw. die eigenen Erwartungen und Selbstverständlichkeiten hätten mit Medialität nichts oder nur am Rande zu tun. in dem alte Erkenntnisse vor allem der Transzendentalphilosophie und des linguistic turn aufgenommen und erweitert werden. uns in und nur in Medien gegeben ist. d. Das letztere Verständnis hat die Philosophie erst in jüngster Zeit im Rahmen des aktuellen medienphilosophischen Diskurses erreicht. Vgl. die eigenen Begriffe und Theorien.2 –––––––— 1 2 Vgl. Krämer (2003: 83).. wenn die Funktion des Genitivs als eine doppelte verstanden wird..1 Grundlage dieser medienreflexiven Überlegungen bildet die These der grundsätzlichen Me d ie n a b h ä n g ig k e it d e s me n s c h lic h e n E r k e n n e n s . -neutraler Zugang zu Erkenntnisgegenständen (welcher Art auch immer) als prinzipiell unmöglich angesehen wird. dass es das in einem bestimmten Medium Unterschiedene ohne dieses Medium – zumindest in dieser Form – nicht geben kann. und diese Orientierung ist nun angewiesen auf den Vollzug gewisser Unterscheidungshandlungen. Seel (2000: 244–248). Jäger (2003).h.6 Dies führt nun zu einer Neubewertung auch der anderen Medien. sondern daneben und darüber hinaus die transzendentale. So konnte sich aus der in der Sprachwissenschaft virulenten ‚Schriftdebatte‘7 eine philosophische Fragestellung entwickeln. gedacht (usw. sondern als die Möglichkeit der menschlichen Ich.5 Deshalb herrscht im medienphilosophischen Diskurs auch ein weitgehender Konsens dahingehend. stellt sich folgendes epistemologisches Problem: Wenn uns Erkenntnis überhaupt (und insbesondere der Realität) nur in Medien gegeben ist und diese durch ihre je eigene Materialität charakterisiert sind.) werden kann. zu dieser Debatte die Beiträge in Günther/Ludwig (1994/96). Der Sprache wird dabei von den meisten Medienphilosophen die Rolle eines Basis-Mediums zugeschrieben.4 die aufgrund ihrer je spezifischen Materialität Differenzierungsmöglichkeiten einer je bestimmten Art ermöglichen.60 Jürgen Villers Genauer betrachtet bildet dies die erkenntnistheoretische Wendung der anthropologischen Konzeption der conditio humana als die eines Mängelwesens:3 Derzufolge ist der (zumindest weitgehend) instinktreduzierte Mensch gezwungen. vorgestellt. d. . Vgl. Gehlen (1978). wahrgenommen. sinn. sodass im Ergebnis etwas mehr oder weniger Bestimmtes aufgefasst.und Zeichenvermögen deshalb hier gerade nicht als bloß nachträgliches Kommunikationsmittel sprachvorgängiger und -freier Gedanken gefasst. dass man die Funktion von Medien nicht ausschließlich auf die eines bloß technischen Hilfs-Mittels der Kommunikation gewisser vorgegebener mentaler Inhalte verengen darf. Anknüpfend an Ergebnisse des linguistic turn wird das Sprach. sich im Denken und Handeln orientieren zu müssen.und Welt-Konstitution bestimmt. die diejenigen Unterscheidungspotenziale darstellen. von deren recht verstandener Funktionsbestimmung her sich erst die Medialität von Medien angemessen klären lässt.und welterzeugende Funktion der Medien anerkennen muss. transformierende oder gar deformierende Anteil des jeweiligen Mediums? Diese Frage muss sich nun in besonderem Maße für das Medium stellen. wie groß ist dann der formende. Vgl. Dies heißt dann aber umgekehrt. Vgl. Vgl. das ursprünglich zur dauerhaften Fixierung des sprachlich verfassten Gedankens entwickelt wurde. Aus medienphilosophischer Perspektive gesehen sind es die Medien. Seel (1998: 356). Denn auch und gerade wenn die Sprache als Grundmedium des menschlichen Erkennens (an-)erkannt ist. die Christian Stetter als „eine Art linguistisches Relativitätsprinzip“ bezeich–––––––— 3 4 5 6 7 Vgl. sprichwörtlich geworden in dem Descartes zugeschriebenen Diktum des Cogito ergo sum. die Welt.“8 In dem Moment. Die Medialität des Erkennens: Die Rolle der Sprache Das schon oft bemerkte Spezifikum philosophischer Vorgehensweise. . schlägt die in der Evolution des Graphismus zunächst zu beobachtende Unterordnung des Mediums der Schriftlichkeit unter das der Sprache um in eine allmähliche Durchformung der Sprache und (wegen der Sprachvermitteltheit des Denkens) damit auch der menschlichen Rationalität durch den jeweiligen Typus von Schrift. Geier (1995) u.9 2. in der Erkenntnis als ein sprachfreier und vorsprachlicher Prozess bestimmt wurde. dass das Denken die Welt niemals so auffassen kann. das Sein. lässt sich auf dem Hintergrund der vorgestellten medienreflexiven Diskussion dahingehend interpretieren. Hatte man doch erkannt. Coulmas (1981). Günther (1995). welche die Erkenntnisgegenstände in mehr oder minder bearbeiteter Weise liefern oder gar erst als solche konstituieren. dass die Philosophie in ihrer historischen Entwicklung zu einer schrittweisen Anerkennung der Me d ie n a b h ä n g ig k e it d e s E r k e n n e n s geführt wurde. indem sie sich im linguistic turn der unaufhebbaren Sprachvermitteltheit sowohl des Denkens als auch der Gegenstandserkenntnis vergewisserte. das Selbstverständliche in Frage zu stellen. im wahrsten Sinne des Wortes: alles zu erfassen. die Natur. Die Hauptkritik des sprachanalytischen Angangs richtete sich deshalb nur konsequent gegen alle Vertreter einer Re p r ä s e n ta tio n s th e o r ie d e r Be d e u tu n g . und gerade deshalb vor allem die Ontologie im Mittelpunkt des antiken und mittelalterlichen Philosophierens stand. Im 20. weiterhin Krämer (1999). Vgl. was als linguistisches Objekt phänomenal in Erscheinung treten kann. Stetter (1997).Über den Skriptomorphismus der Philosophie 61 net hat: „Es hängt von der Art und Leistungsfähigkeit der jeweiligen Schrift ab. welches ausdrücklich das Denken dem Sein vorordnete. Denn wenn auch von den Anfängen der Philosophie an ihr Hauptbestreben darauf gerichtet war. was für die Einschätzung der Funktion der Sprache folgende Implikationen beinhaltete: 8 9 –––––––— Stetter (1994: 361). wie diese ‚wirklich‘ ist: Das Bewusstsein wurde damit als Ergebnis medialer Handlungen gefasst. Jahrhundert trat die philosophische Reflexion dann bekanntlich noch einen weiteren Schritt zurück. richtete sich spätestens mit der bewusstseinstheoretischen Wende der Neuzeit das Interesse auf die inner-psychischen Erkenntnisbedingungen dieser Ontologie. in dem die Schrift dieselbe Artikulationsfähigkeit herausbildet wie das Sprechen. vgl. was es ist. – (3) Sätze werden als Verbindungen solcher Gegenstandsbezeichnungen bzw. kann man die Funktion der Sprache damit genauer fassen. die gerade nicht gebraucht werden. nur in Opposition zu diesen anderen sprachlichen Ausdrücken: Die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens ergibt sich aus der Summe seiner Differenzen zu anderen Zeichen desselben Sprachsystems. Die sprachphilosophisch motivierte Kritik konnte demgegenüber einsichtig machen. sämtliche Intensionalität zu eliminieren. dass sprachliche Ausdrücke mehr als bloß willkürlich gewählte Zeichen darstellen. die sprachbegleitend oder vorsprachlich konzipiert sind. Die sprachliche Artikulation bereitet Sinnzusammenhänge vor. Das einzelne Wort der Sprache ist zwar als artikulierte Bedeutung abgegrenzt gegen alle anderen Wörter desselben Sprachsystems. und nur dieser Gegenstand. Bezeichnung der als sprachvorgängig gesetzten Gegenstände der Erkenntnis. Auch das Problem der Gegenständlichkeit lässt sich nicht unabhängig von Fragen . – (5) Die Gewährleistung dieser eindeutigen Beziehung zwischen Name und Gegenstand soll dann durch einen ursprünglichen mentalen Akt (des Vorstellens. den es nachträglich benennt. Da weiterhin jede Sprache eine endliche Anzahl von Ausdrücken. – (4) Deshalb soll und darf jeder sprachliche Ausdruck hier auch nur eine und genau eine Bedeutung haben. Intendierens o. Deshalb ist mit dem Verstehen eines Wortes stets auch das Mitverstehen von anderen Ausdrücken. gestiftet werden.Ä. sondern vor allem als Ausdifferenzierung von intensionalem Sinn. über deren Wahrheit und Falschheit die Korrespondenz der Sätze mit der Struktur der Realität entscheidet (weshalb die apophantische Satzart dann wiederum als die einzig philosophisch relevante ausgezeichnet wird). repräsentiert. Bezeichnen soll – im Sinne einer ‚Taufe‘ – durch besondere geistige Zustände oder Vorgänge. Vorstellungen (des Bewusstseins) handeln soll. aber es ist das. gegeben. und dies – das nachträgliche Bezeichnen – gilt hier als die einzig philosophisch relevante Funktion sprachlicher Ausdrücke. egal ob es sich bei diesen um die Objekte (der Realität) oder die Gedanken bzw. eben nicht nur als Herstellung von extensionaler Bedeutung. -benennungen aufgefasst. über deren Bedeutung einzig die Frage ihrer Referentialisierbarkeit entscheidet.) verliehen werden: Das Benennen bzw. aber eine prinzipiell unendliche Menge von Oppositionen besitzt. die sich danach an der Realität überprüfen lassen können. bezeichnet bzw. nämlich seinen vorgegebenen Gegenstand. – (2) Die Bedeutung eines Wortes bildet nach dieser Auffassung eben dieser Gegenstand. da man etwas als etwas nur im Rahmen einer bestimmten ‚Grammatik‘ (im Sinne Wittgensteins) bestimmen kann.62 Jürgen Villers (1) Die Wörter der Sprache dienen nach der repräsentationalistischen Auffassung zur bloß nachträglichen Benennung bzw. Damit impliziert ein solcher sprachphilosophischer Ansatz die Anerkennung der prinzipiellen Unhintergehbarkeit der intensionalen Sprache: Selbst in Bezug auf die rein extensionale Bedeutung ist es unmöglich. nicht unter Rekurs auf prinzipiell unzugängliche psychische Entitäten. vor die Notwendigkeit gestellt. sondern unabhängig von solchen sprachvorgängigen mentalen Prozessen als einen sprachvermittelten Vorgang. Die oben erwähnte Auszeichnung der Sprache als Basismedium beruht ja auf der medienphilosophischen Grundeinsicht. dass die vorrangige Funktion der Sprache nicht mehr in der bloß nachträglichen Bezeichnung vorgegebener Bedeutungen gesehen werden kann. die anthropologische Mängelwesen-Konzeption findet sich bereits im Platonischen Protagoras-Mythos (vgl. m. als Sachverhalt. dass der Prozess der sprachlichen Ausdifferenzierung von Sinn aufgrund der angesprochenen unendlichen Menge der Oppositionen ein prinzipiell unbegrenzter ist. „Protagoras“ 320c–322d). dass in anderen medialen Unterscheidungs-Potenzialen. Fühlen und Denken formt.W. d. aber er ist gerade durch diesen Umstand. korreliert der sprachphilosophischen H a n d lu n g s th e o r ie d e r Be d e u tu n g damit ein dynamisch-konstruktives Wirklichkeitsverständnis. weil etwas als etwas. wie insbesondere in den Medien der Sinneswahrnehmung. handeln zu müssen. .a. das Wahrnehmung. wenn man verstanden hat.h.10 Denn der weitgehend instinktreduzierte Mensch ist zwar im Gegensatz zum Tier auf keine eingeschränkte Lebenssphäre und auch nicht auf bestimmte und feste Reiz-Reaktions-Schemata festgelegt (darin besteht seine – relative – Freiheit). um trotz seiner Instinktarmut überleben zu können. Da die spezifische Differenz des Menschen so in die S p r a c h v e r mi t t e l t h e i t v o n M e i n e n u n d V e r s t e h e n gesetzt wird. sondern in der A u s d if f e r e n z ie r u n g v o n S in n besteht. erst im Diskurs konstituiert wird. Die Handlungstheorie der Bedeutung erklärt nun – im dezidierten Gegensatz zum Mentalismus – diese Intentionalität. e tw a s gegeben wird. Intentionalität.: es auf den Begriff zu bringen. ist Absichtlichkeit. Was nun menschliches Handeln von bloßem Natur-Verhalten unterscheidet. also den gesamten Bereich menschlichen Meinens und Verstehens. Dies heißt nun im Einzelnen und im dezidierten Gegensatz zu der oben skizzierten Gegenstandstheorie der Bedeutung. erst die Sprache aber die Möglichkeit eröffnet. Gegenüber der referentiellen Bedeutung kann man in der Sprache so von einem Überschuss an Sinn sprechen. Auch diese Handlungstheorie kann sich wieder auf die anthropologische Mängelwesen-Konzeption stützen. Deshalb spricht Austin von seinem Kampf gegen –––––––— 10 Vgl.Über den Skriptomorphismus der Philosophie 63 der Semantik formulieren und beantworten. e t w a s a l s e t w a s zu bestimmen. dazu Herders „Sprachursprungsschrift“ von 1772. muss Sprache weitaus mehr darstellen als nur ein bloßes Hilfsmittel der Erkenntnis: Vielmehr wird das spezifisch menschliche Meinen und Verstehen in das Medium der Sprache veräußerlicht. So wie die gegenstandstheoretische Repräsentationskonzeption eine statische Ordnung der Ontologie impliziert. den Tatsachen. Situationen usw. was der Fall ist. wie wiederum Austin gezeigt hat. Was man also anlässlich des Äußerns eines sprachlichen Ausdrucks versteht. bei der die Frage der Übereinstimmung der Behauptung mit der Welt 11 –––––––— Vgl. auch bei ihnen handelt es sich um illokutionäre Akte wie bei anderen sprachlichen Äußerungen auch.64 Jürgen Villers den „Wahr/falsch-Fetisch“11: Selbst den (wahren) konstatierenden Äußerungen. bezeichnet man eben gerade nicht nur oder vorrangig vorgegebene Gegenstände. sondern sie werden als Sachverhalte im Medium der Sprache konstituiert. der Ausdruck noch eine sprachunabhängige Bedeutung. Schon von Aristoteles wurde herausgearbeitet. sodass es auf eine bestimmte Weise verstanden werden kann. sondern man vollzieht. mit der Äußerung eine komplexe sprachliche Handlung: Wenn man über etwas mehr oder weniger Bestimmtes redet (also eine Referenzhandlung vollzieht) und darüber etwas mehr oder weniger Bestimmtes aussagt (also prädiziert). die nichts anderes darstellen als Produkte der Tradition und somit die kulturelle Ausdifferenzierung der Intentionalität im Medium der Sprache verkörpern. Und schließlich kann man mit denselben sprachlichen Mitteln beim Hörer nicht nur ein Verstehen der Bedeutung und der Sprecher-Intention erreichen. Damit tritt an die Stelle der repräsentationalistischen Postulierung einer Differenz zwischen sprachlichem Zeichen einerseits und außersprachlicher Bedeutung andererseits die Erkenntnis der Einheit und Vermitteltheit von Sprachform und sprachlicher Bedeutung in der Sprache. Indem man mit einer Äußerung in Abhängigkeit von sozialen Gepflogenheiten eine bestimmte Intention ausdrückt. die aussagen. Dies schließt dann die E r k e n n tn is v e r s c h ie d e n e r A r te n v o n S p r a c h v e r w e n d u n g ein. ist weder das Zeichen bzw. was der Sprecher mit dem Ausdruck meint. In diesem Sinne h a t das Wort keine Bedeutung. mit denen sie zu tun hat. Austin (1955: 168). sondern es is t Bedeutung. damit eine gewisse Absicht zum Ausdruck bringen. zu genügen. stellt man eine lokutionäre Be d e u tu n g her: Sachverhalte sind Menschen nicht einfach unproblematisch gegeben. sondern auch eine bestimmte perlokutionäre K ö r p e r r e a k tio n verursachen. kann man simultan einen illokutionären S in n realisieren: Man kann das Gesagte eben auf eine bestimmte Weise meinen. sondern das. Wahrheit und Falschheit stellen Bezeichnungen für eine Dimension der Beurteilung (unter anderen) dar: wie nämlich die Äußerung vor dem Anspruch besteht. Ereignissen. dass es neben der im theoretisch-wissenschaftlichen Diskurs der argumentativen Behauptung und Widerlegung verwendeten apophantischen Rede. . Wenn man Sprache sinnvoll verwendet.. indem sie als solche identifiziert und von anderen Sachverhalten unterschieden werden. kommt in der Sprechakttheorie keine einzigartige philosophische Stellung mehr zu. W.12 z. der die Bedingung der Möglichkeit und der Notwendigkeit jeder systematischen Reflexion über Sprache darstellt und damit das –––––––— 12 Vgl. Eigentümlich unreflektiert ist dabei aber der Einfluss der Schriftlichkeit auf die Entstehung. „De interpretatione“ 4. deren Ziel nicht in der Gewinnung von Wahrheit. sich einer durchgängigen Verwechslung der unterschiedlichen Funktionsweisen von Sprache und Schrift verdankt. Verwechslung von Sprache mit Schrift Nimmt man die Medialitätsthese des Erkennens ernst und wendet sie auf die Philosophie selbst an. sondern im Erzielen spezifischer Wirkungen besteht. Der Mensch qua Mängelwesen ist nämlich stets auf andere Menschen angewiesen. Entwicklung und Ausformung der abendländischen Philosophie geblieben.h. 17a5 f. 1456b8–13. Die abendländische Philosophie hat so in ihrer historischen Entwicklung in einer Art von impliziter Medienreflexion ausgehend von der Frage nach der Realität die Erkenntnisbedingungen dieser Realität sowie deren sprachliche Vermitteltheit bedacht. Damit ist dann aber auch der Erwerb des immer nur in einer bestimmten Sprache verfügbaren Wissens als ein prinzipiell unendlicher Lernprozess bestimmt. „Poetik“ 19. Die epistemologische Relevanz der Schriftlichkeit für jede Art von Theorie ergibt sich ja daraus. bedingt.B. obwohl diese doch von ihren Anfängen an als eine schriftlich verfasste auftritt und die ‚Erfindung‘ des besonderen Schrifttypus des Alphabets ja auffälligerweise mit den Anfängen der Philosophie unseres Kulturkreises zusammenfällt. Vergesellschaftung) und die Überlieferung des kollektiv gesammelten Wissens von Generation zu Generation (m. u. der Kultur. möglicher Wirklichkeiten im ästhetischen oder die Herstellung sozialen Konsenses im pragmatischen Diskurs. .Über den Skriptomorphismus der Philosophie 65 der Tatsachen im Vordergrund steht. andere Arten sinnvoller Sprachverwendung gibt. dass es der Medienwechsel von mündlicher zu geschriebener Sprache ist. dass der Sprachbegriff der philosophischen Tradition. der eine soziale Organisation der Gattung Mensch (m.a.. und d. Aristoteles. Während das Tier in seiner ‚Sphäre‘ lebt.a. lebt der Mensch in seiner ‚zweiten Natur‘. der Entwurf anderer. in einem bestimmten historisch entstandenen und sozial ausdifferenzierten Sprachspiel.W. der durch den linguistic turn völlig zu Recht als unzulänglich kritisiert wurde. Tradition) voraussetzt bzw. 3. dann lässt sich zeigen. Gerade diese Abhängigkeit der Reflexion vom Medium der Schrift führt nun dazu. dass dieses eine Art von „blindem Fleck“ des Philosophierens bildet. dass (fast) die gesamte philosophische Tradition des Abendlandes a u c h die Sprache einseitig als ein b lo ß e s Mi t t e l d e r R e p r ä s e n t a t i o n gefasst hat. mit der Konsequenz. verwechselt. also anhand eines gänzlich anderen Mediums. das „kontinuierliche Verschwinden des Wortes im Fluß der Kommunikation“. die als solche nur im Moment ihrer stimmlich-lautlichen Artikulation existiert. ohne die es weder eine grammatische noch eine logische Reflexion geben könnte. von einer verfehlten Funktionsbestimmung der Schrift her. Wenn Philosophen. Krämer (2000: 74). wie gezeigt. dass die Funktion der Sprache orientiert am Modell der Schrift. bestimmt wird. wodurch erst die identifizierbaren und re-identifizierbaren Gegenstände geschaffen werden.14 fest-gestellt wird. keineswegs aber eine hinreichende. vgl. weil erst diese durch die in ihr angelegte Fixierung und Vergegenständlichung des Fluxus der mündlichen Rede empirische Nachprüfbarkeit und logische Kontrollierbarkeit ermöglicht. die sich ja sprachphilosophisch –––––––— 13 14 15 Dazu müssen selbstverständlich noch geeignete sozio-kulturelle Rahmenbedingungen treten. setzte die philosophischen Tradition. Stetter (1994: 356).. um ‚Schriftgelehrte‘ im buchstäblichen Sinne des Wortes handelt. über Sprache zu reden glauben. dann sprechen sie also zumeist unreflektiert über Schrift.15 Vermutlich deshalb lassen sich in Bezug auf die Bestimmung des Verhältnisses von Schrift und Sprache in der philosophischen Tradition grundsätzliche Funktionsverwechslungen beobachten. weil erst in seiner verschrifteten Form das natürlicherweise fluktuierende und fluide Sprechen. weil die Funktion der Sprache von der philosophischen Tradition stets von der Schrift her gesehen wurde bzw. Vgl. erlangt die verschriftete Sprache durch ihre materiale Fixierung Dauerhaftigkeit. was dazu führt. Denn im Gegensatz zur naturgegebenen Flüchtigkeit und Vergänglichkeit der sprachlichen Äußerung. Goody/Watt (1968: 90). Weil der Philosophie von ihren ersten Anfängen an Sprache als Gegenstand der Theorie nur in der verschrifteten Form gegeben war und das Grundprinzip der Alphabetschrift unkritisch in die Abbildung vorgegebener Elemente des jeweiligen Lautmaterials gesetzt wurde. So wird Sprache fast durchgängig unkritisch mit Schrift gleichgesetzt bzw. bei denen es sich ja. die sich genauer betrachtet als K a te g o r ie n f e h le r rekonstruieren lassen.66 Jürgen Villers Entstehen von Grammatik und Logik erklärbar macht:13 Jede entwickeltere metasprachliche Reflexion ist an das Medium der Schriftlichkeit zurückgebunden. wie sich gleich noch zeigen wird. . Diese Dauerhaftigkeit bildet nun die Grundvoraussetzung für jeden formalen Umgang mit Sprache. Schrift bildet zwar eine notwendige Bedingung für wissenschaftliche Rationalität. zum Exaktheitsideal gewendet werden. dass es im Schriftbild alphabetischer Texte für jeden Ausdruck der Sprache möglichst nur eine graphische Form geben soll. konnten auch bei der analog verkürzten Sprachbetrachtung neben der Frage nach dem. dass dann auch der sprachliche Ausdruck eine und nur eine Bedeutung haben sollte (was schon in Platons Frühdialogen zu dem Problem der Aporie aller sokratischen ‚Was ist x‘-Fragen führte). nicht mehr weiter erklärbare und explizit sprachfreie Zustände oder –––––––— 16 Vgl. . hat die Tradition sich die Grundbeziehung zwischen den einzelnen sprachlichen Bezeichnungsausdrücken und ihren Referenzgegenständen ebenfalls nur durch besondere mentale. Bezeichnung zum primären Gegenstand der Sprachphilosophie wurde und nicht etwa die ganze Sprechhandlung.Über den Skriptomorphismus der Philosophie 67 als eine Repräsentationstheorie der Bedeutung rekonstruieren ließ. den vollen Handlungscharakter der Sprache anzuerkennen: Schon der erste sprachphilosophische Text unseres Kulturkreises. andere illokutionäre Funktionen als die der Behauptung gar nicht mehr in den Blick geraten. Folgerichtig wurde in der Tradition dann auch die Bedeutung der sprachlichen Ausdrücke extensional in die Bezeichnung dieser als vorgegeben angenommenen Referenzobjekte gesetzt. die deutlich von allen anderen unterschieden ist. dass man das Phänomen des lebendigen Sprechens aus dem kategorial verschiedenen der Schriftlichkeit gedeutet hat. was der Fall ist (oder nicht). der „Kratylos“. in der sich Sinn doch erst realisiert. indem gefordert wurde. wodurch erst das einzelne Wort als Benennung bzw.16 Analog zu diesem Verständnis des Prinzips des Alphabets wird von ihm die primäre Funktion der Sprache in die nachträgliche Bezeichnung von Vorgegebenem gesetzt (nämlich von Ideen und deren Strukturverhältnissen). Villers (2005: 45–76). wieder unkritisch auf die Sprache übertragen. Und so wie die erstmalige Erfindung des Alphabets besondere geistige Fähigkeiten der Griechen bereits vorauszusetzen schien. Dieses Missverständnis hat es der Tradition dann geradezu verunmöglicht. oben vorgestellten Teilmomente des repräsentationalistischen Sprachbegriffs auf die Schriftproblematik abbilden: Denn eben weil der Schriftbegriff auf die bloße Repräsentation von Vorgegebenem verkürzt wurde. konnte. wie Platon seinen für die Folgezeit so wirkungsmächtigen repräsentationalistischen und gegenstandstheoretischen Sprachbegriff in Abhängigkeit von seinem Schriftverständnis entwickelt. Der oft beklagte inadäquate Sprachbegriff der philosophischen Tradition resultiert also aus dem Fehler. die Funktion a u c h der Sprache in die bloße Bezeichnung. Die schriftökonomische Forderung. zeigt. Tatsächlich lassen sich auch die anderen. wodurch die Sprachreflexion einseitig auf den lokutionären Aspekt reduziert wurde und der Apophantizität ihre sprachphilosophische Sonderstellung zugewiesen wurde. die ja das Medium der Erkenntnis darstellt. sich auch die Welt vorstellt als aufgebaut aus gewissen atomaren Gegenständen. Skriptomorphismus der Philosophie Allerdings haben nicht nur die gegenstandstheoretische Tradition.17 Erst die alphabetische Verschriftung des natürlichen Fluxus oraler Kommunikation durch einen finiten Set elementarer Schriftzeichen hat den Gedanken nahe gelegt. weil man eine Sprache mit Eigennamen und Sätzen benutzt. dass man. in dem von einem endlichen Repertoire von Grundelementen unbegrenzter Gebrauch gemacht werden kann. sondern jene dieser logisch und ontologisch vorzuordnen: „Das Bild einer Sprache.B. Krämer (2001: 95–105) u. bevor man sich dranmacht.B. sondern auch deren schärfste Kritikerin. dass ein philosophischer Kategorienfehler besonderer Art im „linguomorphism“19 besteht. erst einmal überprüfen sollte. Ideenschau. ob die Welt auch wirklich in Englisch g e s c h r i e b e n („w h e t h e r i t w a s w r i t t e n i n E n g l i s h “) und wie –––––––— 17 18 19 Vgl. die moderne Sprachphilosophie. bisher weitgehend die in der Schriftlichkeit begründete Bedingtheit auch ihres eigenen Ansatzes verkannt. . 380 (im Original kursiv). Goodman merkt ironisch an. Illumination. die den Eigennamen entsprechen. (1999: 382). Das kann dann z. dazu führen.B. wie z.68 Jürgen Villers Vorgänge erklären können. die sie erkennen wollen. Chomsky oder Searle) auf die Suche nach der „Sprache hinter dem Sprechen“ machen. die als universale Tiefenstruktur und als rationalisierbares Wissenssystem allem Sprechen zugrundeliegt. ist Projektion und Produkt der kulturhistorischen Form ihrer schriftsprachlichen Darstellung und Bearbeitung. worauf in jüngerer Zeit vor allem Sybille Krämer hingewiesen hat. auch die Sprache als ein solches arbiträres Zeichensystem aufzufassen. die Welt in Englisch zu beschreiben. die den Sätzen korrespondieren sollen. und aus atomaren Tatsachen. Durch diese Analogie verleitet konnte man sich dann (wie z. Ebd. Intuition oder Abstraktion.“18 Goodman hat im Rahmen seines welt(en)erzeugenden Konstruktivismus darauf aufmerksam gemacht. was dazu führte. dass man. Vgl. wenn Philosophen Eigenarten der Sprache. 4. unkritisch auf die Gegenstände übertragen. der sich dann einstellt. Goodman (1960: 24). nicht nur die Sprachkompetenz (als ein implizites Wissen der konstitutiven sprachlichen Regeln) von der Performanz (dem durch soziale Einübung erworbenen sprachlichen Können) abzutrennen. Kap. Die sprachliche Artikulation besteht gerade nicht in einer additiven Aneinanderreihung von distinkten Einzellauten (eine Vorstellung. Krämer (1999: 383). Harris (1986). des sinnvollen Satzes. weil die Existenz dieses Phänomens durch und durch im Fluss ist. wie ich es nennen will. Skriptomorphismus der westlich-abendländischen Philosophie: die unkritische Übertragung der Struktur der Alphabetschrift auf den Sprachbegriff und die sprachlich vermittelte Welterkenntnis.Über den Skriptomorphismus der Philosophie 69 sie b u c h s ta b ie r t wird („h o w th e w o r ld is s p e lle d “). das ja in einer sich kontinuierlich verändernden Formung des Atemstroms besteht. sondern sie realisiert sich auch nur in der natürlichen Fluidität der sich kontinuierlich verändernden Artikulation des Tons. die letzten Elemente des Lautmaterials einer Sprache zu repräsentieren.20 Zwar orientiert sich alphabetische Schriftlichkeit – gemäß dem phonographischen Prinzip – an der jeweiligen Sprache. Damit tritt nun „das methodische Dilemma“22 einer jeden Wissenschaft von der Sprache. als fortgesetzte Modulation des Tons beschreiben. nicht mehr auf der subsemantischen Ebene. Die Sprache stellt ja deshalb für jede wissenschaftliche Beschäftigung mit ihr einen besonders prekären ‚Gegenstand‘ dar. sich ihre Gegenstände selbst zu erzeugen. an den Tag.). dass der für die westliche Kultur einschlägige Schrifttypus des Alphabets gerade n ic h t auf einer vollständigen Analyse der Sprache in deren letzte Elemente beruht. das Phonem (verstanden als kleinste segmentierbare lautliche Einheit mit distinktiver Funktion) erweist sich so als eine erst durch die Verschriftung des Sprechens im besonderen Schrifttypus des Alphabets erzeugte Abstraktion. Genauer betrachtet zielt Goodmans Kritik hier also – wie meine Überlegungen auch – auf den. sondern weitaus adäquater lässt sich das tatsächliche Sprechen. weil es so etwas wie elementare Lauteinheiten im natürlichen Fluxus des Sprechens gar nicht gibt. so steht zu vermu–––––––— 20 21 22 Vgl. die erst durch das Schriftbild alphabetischer Buchstabenschriften generiert wird). Dabei wird insbesondere übersehen. Relational zum jeweiligen Schrifttyp nun. Jede Theorie der fluiden Sprache ist deshalb unabdingbar und unvermeidlich darauf angewiesen. aber diese Rückkoppelung von geschriebener und gesprochener Sprache funktioniert nur auf der Ebene des bedeutungsvollen Wortes bzw. Vgl. insbesondere identifizierbare und re-identifizierbare Gegenstände. . u. 4. auf der die moderne Sprachwissenschaft aufbaut. Die Buchstaben des Alphabets können gar nicht dazu dienen. Stetter (2001: 82f. das 2. und genau dies geschieht im Medienwechsel vom Sprechen hin zu dessen Verschriftung. insbes. weil Theorie Konstanz benötigt.21 Die linguistische Grundeinheit. Nicht nur ist die Rede flüchtig und vergänglich. sei diese nun linguistischer oder philosophischer Natur. für die problemlose Verschriftung aber reichen. ist es Grundprinzip der Schrift. 29). das Prinzip der Alphabetschrift bestehe in einer vollständigen Lautanalyse (im Sinne einer Eins-zu-Eins-Abbildung). Ebenso wenig.23 physikalisch-experimentell nachzuweisen. Vgl. Dinge o. zeichnen sich andere. Aber. das der Aneinanderreihung von Buchstaben analog wäre. das „gesprochene Wort wird nicht durch ein Verfahren erzeugt. Lüdtke (1969).Ä.). Bei der Verwechslung der kategorial verschiedenen Funktionen von Sprache und Schrift wird also zusätzlich noch ein verfehltes Verständnis der Funktion der Schriftlichkeit zugrunde gelegt. Phoneme. sondern es geht hier darum. wenn sie versucht. 42) und Harris (1986: 29–56). Die Zeichengestalt des Wortes ist ‚der‘ modulierte Ton. um noch einmal Stetter zu zitieren. verschiedene Verständnisse d e r Sprache ab: Dies bildet den Sinn von Stetters „linguistischem Relativitätsprinzip“. Der Singular ist hier wesentlich. sofern diese sich als eine rein empirische Wissenschaft versteht.26 Schon diese Tatsache belegt. vorgegebene Laute zu bezeichnen. Herrmann/Grabowski (1994: 21 u. Coulmas (1981: 32f. . verstehbare Texte zu bilden. Der übergeordnete Zweck von Schriftlichkeit kann damit also gar nicht in einer Repräsentation von Sprache (wie diese wirklich ist) bestehen. wie verfehlt die Annahme wäre.“25 Dabei will allerdings selbst die klassische Phonemtheorie z. Stetter (1994: 361f. sondern darin. Illustriert wird die Unangemessenheit einer diesen Sachverhalt verkennenden Sprachbetrachtung gerade durch das besondere Problem einer Linguistik.). Vorstellungen.70 Jürgen Villers ten. wie es die hauptsächliche Funktion der Sprache ist. wie jeder weiß. sondern durch Modulation des Tons.B. bei denen es sich ja um theoretische. zu repräsentieren.24 Erst das in materiale Buchstaben zerfallende und sich aus diesen zusammensetzende Schriftbild des Alphabets legt die Idee nahe.h. auch das Sprechen selbst sei atomistisch organisiert und bestehe in einer Addition elementarer Laute. weitere Beispiele bei Haarmann (2002: 104–109). mit möglichst wenigen graphischen Elementen sinnvolle und d. u. für das Deutsche um die 40 verschiedene Phoneme festgestellt haben. Stetter (2001: 82f. Texte zu schreiben (ohne irgendeinen Umweg über die gesprochene Sprache). von ihr selbst erzeugte Gegenstände handelt. Denn zunächst einmal ist es ja ausschließlich der phonographische Schrifttypus. die offensichtlich ohne unmittelbare Rückbindung an Sprache funktionieren). Vgl. nur 26 verschiedene Buchstabentypen hin. der sich auf das Lautmaterial einer Sprache bezieht (man denke nur an logographische Schriften. Zwar musste sich das Alphabet (wie jede andere phonographische Schriftart auch) zunächst als Werkzeug der Fixierung und Speicherung sprachlicher Information der vorgegebenen Sprache unterordnen. indem es dieselbe artikulatorische Fähigkeit wie die Sprache –––––––— 23 24 25 26 Vgl. Aber in dem Moment. “27 Schrift (auch phonographischer Art) leistet demzufolge keine Repräsentation oder Abbildung der Sprache. (So ist die Alphabetschrift ja historisch aus dem Versuch einer phonematischen Analyse der Lautsprache entstanden). wurde es übermächtig und das Verhältnis begann sich umzukehren. Da nun diese idealen Grundlaute sich wieder unter noch allgemeinere Lauttypen (die Vokale. wohl aber legt jede Verschriftungsweise ein bestimmtes Bild der Sprache nahe. . das der philosophischen Tradition (weitgehend unreflektiert) zum grundlegenden methodischen Modell für wissenschaftliches Vorgehen wurde: So wie die Schrift die Sprache bezeichnet und diese wiederum das Denken.29 Dabei bestimmt er als Grundprinzip der Alphabetschrift genau die eben kritisierte Vorstellung einer vollständigen Analyse des Lautmaterials in gewisse a llg e me in e Grundlaute. l e s b a r e W ö r t e r o d e r T e x t e zu schreiben. zugleich zur Wissenschaft von der Sprache. „Philebos“ 15d–18e. sondern a u s s c h lie ß lic h dazu. der vor allem in seinen Spätdialogen sein Verständnis des Alphabets als Paradigma jeder wissenschaftlichen Vorgehensweise auszeichnet. nämlich eine Abbildung der Sprache in (wohlgemerkt nicht: d u r c h ) die Schrift. indem die Alphabetschrift zum Medium der logischen Artikulation des sprachlich vermittelten Gedankens wurde. vgl. so sollten auch die Gedanken die Dinge repräsentieren. dass Buchstaben nicht dazu verwendet werden. Im Anschluss an Aristoteles. Es ist aber nicht das Funktions-. Hinsichtlich der genauen Funktionsbestimmung der Schrift empfiehlt es sich deshalb zu differenzieren: Zwar kann man als das K o n s t i t u t i o n s prinzip der Alphabetschrift durchaus eine gewisse Art von Repräsentation anerkennen. hier: 59). „Sophistes“ 251a–254b u.28 Kronzeuge für diese Entwicklung ist wieder Platon. 16a3–8. Analog zu seinem Abbildungsverständnis des Zusammenhangs von Schrift und Sprache fordert Platon für die Philosophie. Konsonanten etc. Vgl. zeichnet sich in jeder Schriftart eine bestimmte D a r s te llu n g s w e is e der Sprache ab. Stetter (1997: 47–76. „De interpretatione“ 1.) subsumieren lassen und diese von ihm als logische und ontologische Bedingungen der Möglichkeit sinnvollen Schreibens und Sprechens verstanden werden.Über den Skriptomorphismus der Philosophie 71 entwickelte. dass – genauso wie das Kontinuum der gesprochenen Rede sich in seiner alphabetisch-verschrifteten Form durch einen Set diskreter Buchstabentypen darstellen lässt – sich auch die Mannigfaltigkeit der phänomenalen Welt letztlich auf eine finite Anzahl einzelner –––––––— 27 28 29 Vgl. die durch die Buchstaben des Alphabets bezeichnet werden. „Politikos“ 277a–278e. „Laute zu bezeichnen. Maas (1986). Platon. sondern das Konstitutionsprinzip der alphabetischen Schriftlichkeit gewesen. wird ihm die Grammatik. ursprünglich die Theorie der Schrift. Aber darüber darf nicht das grundlegendere Fu n k tio n s prinzip der Schriftlichkeit verdrängt werden. andererseits – und dies selbst in seinen explizit antimetaphysischen empiristischen Zweigen – als die Suche nach den letzten konstitutiven Elementen der Natur. und analog zur Grammatik (als Lehre der Kombinationsmöglichkeiten der schriftlich-sprachlichen Grundtypen) postuliert er die Existenz einer der empirischen und sozialen Welt vorhergehenden und sie bedingenden Logik (die platonische Dialektik als Theorie der Kombinatorik der Ideen). die sich an der Empirie zwar bewähren müssen. als eine Art von Text deutete. Während er am Schreibpult arbeitete. Denn auch und gerade die moderne Naturwissenschaft versteht sich (wie exemplarisch die historische Entwicklung der Wissenschaftstheorie vom Verifikationismus zum Fallibilismus zeigt) nicht mehr als eine Erkenntnis der Natur.72 Jürgen Villers idealer Grundformen zurückführen lassen soll (die platonischen Ideen).30 30 –––––––— Vgl. dazu Villers (2000 u. auch dessen Sinn sich letztlich aus einer finiten Anzahl von als existent vorausgesetzten Grundelementen oder -prinzipien rekonstruieren lassen sollte. wohl aber anerkennt. Wie nach dieser Schriftauffassung das Alphabet auf einer vollständigen Analyse des Lautmaterials einer Sprache in dessen vorgegebene und letzte distinkte Lautelemente beruht. lässt sich demgegenüber geradezu als das Paradigma moderner Wissenschaftlichkeit auszeichnen. aber eigenständige Darstellungsweise der Sprache ausbildet. . glaubte der Philosoph als Prototyp des westlichen Wissenschaftlers. Eine adäquate Funktionsbestimmung der Schriftlichkeit. aus denen dann jeder mögliche sprachliche Sinn analytisch und synthetisch rekonstruierbar sein sollte. die Natur der empirischen und der sozialen Welt so zu erkennen. nämlich dem Verfassen und Interpretieren von Schriften. während er sie – in höchst produktiver Weise – analog zu dem ihm Selbstverständlichsten. die diese so abbildet. verstand sich auch der Mainstream der abendländischen Philosophie und Wissenschaft einerseits als die metaphysische Suche nach den obersten. ersten und letzten Gründen des gesamten Seins. ohne aber je den Anspruch absoluter Wahrheit erheben zu können. 2005: 395–450). das konstruktiv Modelle der Natur aufstellt. dass jeder Schrifttypus eine unterschiedliche. die diese nicht als eine Abbildung der Sprache missversteht. wie sie ‚wirklich‘ ist. sondern als ein gleichsam hermeneutisches Unternehmen. wie sie wirklich ist. Günther.) (1994/96): Schrift und Schriftlichkeit/Writing and Its Use. 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Nun tauchen in Austins Klassifizierung von Sprechakttypen jedoch auch schriftlich zu vollziehende Sprechakte auf (vor allem sind hier die Exerzitiva wie (ein Gesetz) erlassen. die zu einem Vokabular und zu einer bestimmten Grammatik gehören und eine bestimmte Intonation aufweisen (s. s. dass Geräusche bestimmter Gestalt geäußert werden. dieses grundsätzlich zu verändern. Der spoken-language-bias Folgt man dem Begründer der einflussreichsten Theorie sprachlichen Handelns. die im Rahmen des geltenden Sprechaktmodells formulierbar sind. dies scheint die Grundvorstellung sprechakttheoretischer Modellbildung von Austin bis in die Gegenwart hinein zu sein. Sprachliches Handeln ist mündliches Sprechen. dass schriftlich produzierte von mündlich vollzogenen Sprechakten nur durch einige spezielle Zusatzbedingungen unterschieden werden können. So werden der phonetische und der phatische Teilakt im Rahmen des gesamten illokutionären Aktes definiert.Frank Liedtke Schrift und Zeit Anmerkungen zu einer Pragmatik des Schriftgebrauchs 1. ebd. ohne dass man gezwungen wäre. Er stellt fest. bestehen unter anderem darin. J. ohne dass dies weiter kommentiert würde. und die implizit oder explizit mündliche Kommunikation als 1 –––––––— Zu einem ähnlichen Befund kommt Chr. Austin 1972: 109). Austin.1 Diese Auffassung.L.“ .). dass „(a) der Gebrauch der meisten sprechaktbezeichnenden Begriffe bezüglich der Differenz von Rede und Schrift nicht differenziert ist und dass (b) eine weitaus größere Anzahl der von Austin aufgeführten Sprechakte in nur mündlicher Performanz möglich sind als in nur schriftlicher. Die jeweils unterschiedlichen Erfüllungsbedingungen. S. was dieser am nächsten Tag zu tun habe. das sich in Bezug auf unser Eingangsbeispiel so formulieren lässt: Terminiert man das In-Kraft-Treten der Obliga–––––––— 2 3 Diese Diagnose ist ein Reflex auf die implizite Behauptung. an dem eine Bemerkung aufgeschrieben wird. Akzeptiert man grundsätzlich die Annahme. die mit der illokutionären Kraft eines schriftlich vollzogenen Sprechakts verbunden ist. sei spoken-language-bias genannt. als er den Fall des Ausgeführtseins einer Sprechhandlung in der Dimension der Vergangenheit abgrenzt gegenüber dem Fall. dass das mögliche Auseinandertreten des Produktions. dass dieses Auseinandertreten der beiden Zeitpunkte zu ihrer Normalität gehört – und die Sprechakttheorie schnell an den Rand ihrer Erklärungskraft kommt: Ein Zettel mit Anweisungen eines Architekten an seinen Gehilfen. in ‚Kraft‘ tritt. wann die Obligation. die abends geschrieben und auf den Arbeitstisch des Gehilfen gelegt wurde.. werden implizit auf den Moment der Äußerung bezogen. dass der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Obligation für die Interpretation eines schriftlichen Sprechakts relevant ist.76 Frank Liedtke Modellfall sprechakttheoretischer Beschreibung vorsieht. im Rahmen sprechakttheoretischer Arbeiten nie sonderlich reflektiert worden ist. die in dem Buchtitel von P. . und ein Auseinandertreten des Zeitpunkts. Ehlich reflektiert den Zusammenhang von Schriftlichkeit und Zeit insofern. ist gerade durch die zeitliche Trennung von ‚Äußerungs-‘ und Erfüllungszeitpunkt charakterisiert. Der Sinn des Zettel-Schreibens liegt gerade in dieser Ruhezeit.: 762). wie es für schriftliche Kommunikation definitorisch ist. also am nächsten Morgen – die Erfüllungsbedingung ‚ruht‘ 12 Stunden lang. dann ergibt sich aus der genannten Frage ein Dilemma pragmatischer Beschreibung. an dem sie gelesen wird und damit ihre Erfüllungsbedingung sich aktualisiert. das heißt. also Wahrheit.). denn der Sinn schriftlicher Kommunikation liegt geradezu in der Überbrückung von raum-zeitlichen Distanzen.und des Rezeptionszeitpunkts.“ (Ebd.2 Dieser zeigt sich vor allem darin. Befolgung . und des Zeitpunkts. ist – bis auf wenige Ausnahmen – kein Gegenstand eingehender Reflexion gewesen. die durch Sprechakte als aufgestellt gelten. verlangt ihre Erfüllung nicht in diesem Moment. dass eine „sprachliche Handlung bis zur Erfüllung der nicht-sprachlichen Handlung jederzeit zugänglich bleibt. Eine Erfüllung kann sinnvoll nur im vermuteten Moment der Rezeption erwartet werden. denn der Architekt ist zum Erfüllungszeitpunkt nicht beim Gehilfen. der grundsätzlich „in der Linguistik Schrift lange Zeit als Epiphänomen behandelt“ sieht. Linell (2005): „The Written Language Bias in Linguistics“ enthalten ist. wann die Erfüllungsbedingungen eines schriftlichen Sprechakts gelten.. Die entscheidende Frage ist.. nur eben in umgekehrter Richtung.3 Dabei zeigt schon ein harmloses Beispiel schriftsprachlicher Kommunikation. Die Anweisung. jedoch Ehlich (2007b: 761f. Offenkundig muss man. und dies geschieht. Insofern ist L. nicht minder virulentes Beschreibungsproblem aufmerksam gemacht werden. Die Funktion von Aufschriften ist dem reflexiven Schriftgebrauch zuzuordnen. keinesfalls aber im Sinne von A sein dürfte. zwischen dem Aufstellen von Erfüllungsbedingungen durch die Äußerung oder Inskription eines Sprechakts einerseits und dem Aktuellwerden der Erfüllungsbedingungen andererseits unterscheiden. nicht ihr Leitbild-Charakter für Kommunikation schlechthin. und auch nur so lange wie dieses. der mit dem zweitgenannten zusammenhängt: Derjenige 4 –––––––— Die Diagnose des spoken-language-bias steht nicht im Dienste einer generellen Priorisierung der Schrift gegenüber der Sprache. dass eine Reformulierung von Beschreibungskategorien sprachlichen Handelns im Lichte der Grundsituation schriftsprachlicher Kommunikation unverzichtbar ist. sich im Falle schriftlicher Kommunikation aufspaltet. Terminiert man es auf den Zeitpunkt der Rezeption. nämlich der Begriff der Erfüllungsbedingung eines Sprechakts. wenn man aus diesem Beschreibungsdilemma herauskommen möchte. sobald eine zeitliche Dimension in das Kommunikationsmodell aufgenommen wird. Dies ist bei anderen Formen des Schriftgebrauchs selbstverständlich nicht der Fall. was eindrücklich noch einmal darauf hinweist. An diesem kommunikativen Gedankenspiel wird also deutlich. Dass auch hieraus ein begriffliches Problem für die pragmatische Beschreibung des Schriftgebrauchs entsteht. dann hätte in unserem Beispiel der Gehilfe die Anweisung zwölf Stunden lang nicht befolgt – was eine kontraintuitive Annahme ist. bleibt doch der orale Diskurs ein letztes Bezugssystem der Sinnkonstitution und der Sinnvermittlung. Diese ist allerdings für Schriftlichkeit aufgrund des Auseinandertretens von Produktions. wenn er auf die Unhintergehbarkeit des Mündlichen hinweist: „Unabhängig davon. das durch eine andere Dimension der Zeitlichkeit entsteht.“ (Jäger 1999: 20) Eingefordert werden soll in diesem Beitrag die Erweiterung der Perspektive auf die Zeitdimension schriftlicher Kommunikation.und Rezeptionszeitpunkt unerlässlich. Beschriftungen oder Aufschriften existieren gleichzeitig mit dem. Dies soll in einem ersten Zugriff im vorliegenden Beitrag unternommen werden.4 Am Beispiel von Beschriftungen oder Aufschriften soll auf ein zweites.Schrift und Zeit 77 tion auf den Zeitpunkt der Niederschrift. dann erhält man ebenfalls ein kontraintuitives Ergebnis: A hätte erst zum Rezeptionszeitpunkt eine Anweisung erteilt – und im Falle des Übersehens des Zettels gar keine – was vielleicht im Sinne von G. da ihnen eine spezielle Form des Selbstbezugs zukommt. wie tief bereits in semi-oralen Kulturen Literalität in Mündlichkeit eingesickert ist. soll in einem zweiten Teil des Beitrags aufgezeigt werden. Schließlich soll ein dritter Aspekt des Zeitlichen im Schriftgebrauch angesprochen werden. dass eine der wichtigsten Grundkategorien für die Explikation sprachlichen Handelns. Jäger zuzustimmen. . worauf sie Bezug nehmen. wie wir am Eingangsbeispiel schon sahen. hat Auswirkungen auf die Zuerkennung eines Wahrheitswerts. Auswirkungen auf die Architektur der sprechakttheoretischen Beschreibung eines Aktes der Inskription. die Differenz von Rede und Schrift zu vernachlässigen. Bei Inschriften ist dies der Fall. so muss man auf der Seite des Schriftgebrauchs zwischen dem Satz und seiner Inskription unterscheiden.78 Frank Liedtke der Dauer des Schriftträgers. dass die Aktualisierung aufgespalten ist in zwei Momente. ja auf die Wahrheitswertfähigkeit selbst – sie ist bekanntlich im letzten Fall nicht gegeben. indem er entweder mündlich geäußert oder aber schriftlich inskribiert wird. Schriftliche Kommunikation ist dadurch ausgezeichnet. Ist der Sprechakt wie in diesem Beispiel ‚auf Vorrat‘ inskribiert. Zur Ausformulierung dieser und verwandter sprachphilosophischer Fragen ist der Begriff der Aktualisierung geeignet. da sich zu diesem Zeitpunkt eine Königin auf dem Thron befindet. einen gemeinsamen Terminus für beide Formen. wobei die Inskription nur einen der beiden erfasst. sie werden gleichsam historisch nur noch zur Kenntnis genommen. So wie man in guter pragmatischer Tradition zwischen dem Satz und seiner Äußerung unterscheidet. in dem die Schrift ohne ihren Träger gelöscht und überschrieben werden kann – bei Weiterexistenz des Trägers. sei der Terminus der Aktualisierung eingeführt. Der andere ist die Rezeption. Hier sind wiederum zwei Fälle zu unterscheiden: Eine historische Quelle . Äußerung und Inskription Will man der Gefahr entgehen. bilden den dritten Aspekt des Beitrags. Aktualisierung. So günstig es ist. die aus den unterschiedlichen Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Schrift und Beschriftetem zu ziehen sind. 2. Diese Besonderheit im Aktualisierungstypus hat. die Mündlichkeit und die Schriftlichkeit. In einigen Fällen des Schriftgebrauchs können nur die Schrift und der Schriftträger zusammen modifiziert oder getilgt werden. so notwendig ist an diesem Punkt eine Differenzierung im Aktualisierungstypus. 1905 oder 1935 oder gar 1965 äußern/ inskribieren. Ob wir den Satz Der gegenwärtige König von England ist kahl. Systematisch hiervon ist der Fall zu unterscheiden. dann sind zunächst einige terminologische Neuerungen erforderlich. In anderen Fällen gelten seine Erfüllungsbedingungen zum Zeitpunkt der Rezeption nicht. Die Konsequenzen. die zeitlich in der Regel nicht mit der Inskription übereinstimmt. zur Verfügung zu haben. dann werden seine Erfüllungsbedingungen erst im Augenblick seiner Rezeption aktuell. Um einen übergeordneten Begriff für den Fall der mündlichen wie der schriftlichen Kommunikation zur Verfügung zu haben. Ein Satz wird aktualisiert. der sie auf einen vom Inskriptionszeitpunkt verschiedenen Zeitraum referenzieren kann. zu denen der spezifische Illokutionstyp.und dem Rezeptionszeitpunkt ist – wie bereits erwähnt – der Zeitpunkt relevant. 3. Merkmale des situativen Kontextes und anderes mehr gehören. Vielmehr ist dies bedingt durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Sprechakt-Inskriptionen tragen hinsichtlich ihrer Erfüllungsbedingungen oder Obligationen einen Zeitindex. der Relevanz einer Wahrheitsbedingung (für eine Behauptung). der kritische Zeitpunkt wird intuitiv auf denjenigen der Äußerung (und damit der Rezeption) gelegt. Wir lesen diesen Zeitpunkt mit. Rezeptionszeit und Obligationszeit Neben dem Inskriptions. die sich auf einen ebenfalls in der Vergangenheit liegenden Rezeptionszeitpunkt bezieht. ohne dass ihre Erfüllungsbedingungen aktuell werden. Regenwetter ‚hier und jetzt‘ wird die Sonnenschilderung ‚damals und dort‘ nicht falsifizieren. zu denen sie am Zustand der Diskurswelt gemessen wird. die n a c h der Inskription liegen können. Der zweite Fall manifestiert sich in dem alltäglichen Beispiel der Urlaubskarte. Inskriptionszeit. nicht auf denjenigen der Rezeption bezieht. operiere ich im Folgenden mit den Begriffen der Inskriptionszeit. die Sprecherintention. der Rezeptionszeit und der . nicht gesehen. Auch dies wird in den Analysen.Schrift und Zeit 79 enthält eine Anweisung. also ihre Erfüllungsbedingungen auf diesen hin terminiert. es gibt jedoch einen oder mehrere Zeitpunkte/Zeiträume. Im schriftlichen Fall ist es relevant. Dies ist natürlich auf den dauerhaften Charakter des Schriftlichen zurückzuführen und muss zentral berücksichtigt werden. den Zeitpunkt der Anwendung. Um eine handliche Terminologie zur Verfügung zu haben. funktional allerdings nicht zu jedem Zeitpunkt ihrer Einschreibung realisiert. einer Befolgungsbedingung (für eine Aufforderung) oder einer Bedingung der Beantwortung (für eine Frage) systematisch in der Beschreibung zu berücksichtigen. an dem die spezifischen Erfüllungsbedingungen aktuell werden. die vornehmlich an mündlicher Kommunikation orientiert sind. Inskribierte Sprechakte können permanent gelten. ohne ihn kennen zu müssen und ohne die Anweisung befolgen zu müssen. oder sie können im Zustand der Latenz überdauern. sie sind formal durch die Gestalt des propositionalen Gehalts und pragmatisch durch die Illokutionsindikatoren dokumentiert. Die Wahrheitsbedingung einer Behauptung kann zum Zeitpunkt ihrer Inskription als aufgestellt gelten. will man den spoken-language-bias nicht schon durch die Anlage der Beschreibungskategorien perpetuieren. deren Wetterschilderungen man natürlich auf den Inskriptionszeitpunkt. 5 Die Unterscheidung der beiden Zeitpunkte der Inskription und der Rezeption einerseits und die Unterscheidung von Illokutionskategorien. Ein Gesetz tritt in Kraft mit seiner Veröffentlichung. dann geraten zunächst die Situationen in den Blick. sind grundsätzlich unabhängig voneinander. sie im Zweifelsfalle zu begründen und ist andererseits zu Schlussfolgerungen aus dieser berechtigt. Berechtigungen und Verpflichtungen realisiert werden. deren Vervollständigung (im Zuge einer Antwort) vom Rezipienten verlangt wird – und von den Äußernden wird entsprechend die Akzeptanz einer Antwort. diejenige einer Urlaubsschilderung assertiv. etwa in Lehrbüchern oder Gesetzestexten. Die dominierende Illokution eines Anweisungstextes ist direktiv. Sie ist ein assertiver Sprechakt mit einem futurischen propositionalen Gehalt. Wenn man Fallunterscheidungen durchführt. sie stellen einen Wahrheitsanspruch im Moment der Aktualisierung. dem im Moment der Aktualisierung (Äußerung oder Inskription) wesensnotwendig kein Wahrheitswert zugewiesen werden kann und soll. Mit einer Frage stellt der/die Äußernde eine offene Proposition in den Raum. Wenn man sich die Eingangsbeispiele ansieht. verlangt. in denen die genannten Zeitpunkte unabhängig voneinander sind. zu dem diese mit einem Sprechakt verbundenen Festlegungen. zu dem die spezifischen Erfüllungsbedingungen eines Sprechakts realisiert werden. dass diese zutrifft. Dieser Fall liegt vor bei zeitloser Gültigkeit von Inskriptionen. Prognostiker sind keine Hellseher – deren Vorhersagen haben ihre Obligationszeit freilich in der Inskriptionszeit. dann fallen die jeweils unterschiedlichen illokutionären Kräfte auf. Üblicherweise beziehen sich Anweisungen auf die Zukunft und Berichte nicht. die schriftlich formuliert und in einem verschlossenen Umschlag aufbewahrt wurde. Nehmen wir das Beispiel einer Prognose. also im weiteren Sinne seiner Inskription im Bundesgesetzblatt. der die Rezipienten zu einer Handlung verpflichtet und die Äußernden auf die Übernahme eines Teils der Verantwortung für die ausgeführte Handlung festlegt. aber dies ist lediglich eine verkürzte Redeweise für das komplexe Verhältnis zwischen einer Prognose und dem Eintreten des vorhergesagten Ereignisses: Eine Prognose war gut. die sich in der Zukunfts. es gilt bis auf Weiteres 5 –––––––— Sie hat sich bewahrheitet. Auch nach dem Eintreten des prognostizierten Ereignisses w a r die Prognose nicht wahr.80 Frank Liedtke Obligationszeit. Man sollte es aber nicht historisch lesen. aber dieser Unterschied in der Natur der propositionalen Gehalte berührt die vorgestellte Unterscheidung der Obligationszeiten nicht wesentlich. .oder Nicht-Zukunftsbezogenheit der propositionalen Gehalte zeigt. er/sie verpflichtet sich dazu. nicht unbedingt ihr Für-wahr-Halten. Zum Beispiel: Mit einer Behauptung legt sich der/die Äußernde darauf fest. Mit einer Aufforderung geben Äußernde einen Wunsch zu verstehen. wenn die wahre Feststellung des prognostizierten Ereignisses mit dieser übereinstimmt. sondern sie w a r gut. wobei letzterer den Zeitpunkt benennt. Die Obligationszeit ist also derjenige Zeitpunkt. durch die wechselseitige Abhängigkeit der Zeitpunkte ausgezeichnet.und Rezeptionszeit Kann man sagen. sobald wir uns ihm nähern. In dieser Perspektive kann man möglicherweise Leuchttafeln als Phänomene einer sekundären Fluktuanz auffassen. ja ihr in dieser Hinsicht gleichkommt. ob der Satz des Thales schon vor seiner Aktualisierung wahr war. Obwohl man sich vor einer realistischen Auffassung solcher Sätze hüten muss. Hier können wir zunächst einen Grenzfall ausmachen. Übereinstimmung von Inskriptions. bevor er endgültig in ein Transkript verwandelt wird (s. 4.und Rezeptionszeitpunkt sowie auf denjenigen der begangenen Verfehlung aufmerksam macht. nur die Möglichkeit zu dieser muss geschaffen werden. in der auf einer primären Stillstellung aufbauend . Rezeption und Obligation relativ unabhängig voneinander be-/ ent-stehen. der auf dem Funktionieren von Leuchttafeln beruht. dass ihre Erfüllungsbedingungen über die Rezeptionszeit und teilweise sogar die Inskriptionszeit hinweg gelten. sobald wir vorbei sind.6 Inso–––––––— 6 Zum Begriff der sprachlichen Fluktuanz s. Ob wir diese Leuchtschrift lesen. der Rezeption und schon vorher vor der kontingenten Inskription im Lehrbuch.Schrift und Zeit 81 auch in jeder Rezeptionssituation – ja es ist grundsätzlich von aktuell erfolgender Rezeption unabhängig. Leuchtet nachts auf der Autobahn das Schild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung auf. dass Inskriptions. geht es doch darum. oder den Satz hören. Auf die Frage. Er besteht darin. dass im geschilderten Fall Inskription. einen Redetext zunächst an die Schreibgeschwindigkeit des Transkribenden anzupassen. Auch der Satz des Thales im Mathematik-Lehrbuch gilt zeitlos. so ist die andere Großklasse. Stetter (1999: 126ff. zur Zeit der Inskription. ist es doch so.). belehrt uns eine Leuchtschrift. die explizit („zur Zeit“) auf den Inskriptions. ist aufgrund der Fluktuanz des Präsentierten ein und dasselbe.: 127). Man kann in diesem Zusammenhang auf einen technisch ausgefeilten Situationstyp verweisen.) verwiesen. gibt es allerdings nur eine negative Antwort. ebd. das durch die Technik der Aufzeichnung und Transkription aufgehalten wird – wobei sich dieses Aufhalten als „hermeneutisches Geschäft“ erweist. die in ihrer Simultaneität von Inskription und Rezeption in die mündliche Kommunikation hinüberreicht. denn – wie gesagt – es können nur aktualisierte Sätze einen Wahrheitswert haben.und Rezeptionszeit zusammenfallen. Auch Sätze scheinen in dieser Form öfters auf: Sie fahren zur Zeit 68 km/h. Mit ihm wird auf das „kontinuierliche Verschwinden des Wortes im Fluß der Kommunikation“ (ebd. die auf dieser Unterscheidungsebene angenommen werden muss. dann ist dies eine Situation. also entsprechend geltender Konventionen zu modifizieren. und erlischt es wieder. (S. sondern diejenige des Zugführers. die sie für sprechakttheoretische Kategorien ebenfalls zu einem Quertreiber werden lässt.82 Frank Liedtke fern liegt hier. allerdings nicht die des Rezipienten. Eine Verlangsamung der Geschwindigkeit produziert einen anderen Satz. Searle als Klassifikationskriterium innerhalb seiner Taxonomie der illokutionärer Akte verwendet. ihr Verglühen geht mit der Abfahrt des Zuges einher. stammt von Elizabeth Anscombe (1957) und wurde von J.8 Der Detektiv kann durch heimliches Austauschen einer nicht zu seiner Liste passenden Ware im Korb des einkaufenden Ehemanns in der Tat die erwünschte Korrespondenz zwischen Welt –––––––— eine mündlichsprachliche Verflüssigung stattfindet. Der Zusammenfall von Inskription und Rezeption und die damit zusammenhängende Eigenschaft der Fluktuanz lassen auch in diesem Unterfall an konzeptionelle Mündlichkeit denken. die der ihm folgende Detektiv auf seinen Notizzettel schreibt (Wort-auf-Welt).: 128) bleibt von diesem Vorgang unberührt. Das klassische Beispiel des Mannes. das die Dichotomien der gesprochenen und geschriebenen Sprache einerseits sowie des graphischen und phonischen Mediums andererseits integriert. so ist das Aufleuchten dieser Städtenamen abhängig von der Einfahrt des Zuges in den betreffenden Bahnhof. Wortauf-Welt) ist hier nicht anwendbar. neben den von Koch/Oesterreicher genannten Merkmalen. Searle 1982: 19f. eine Fluktuanz n a c h der Fixierung. Die beiden Fälle haben allerdings eine wichtige Eigenschaft gemeinsam. Die variierenden Geschwindigkeitsanzeigen in Hochgeschwindigkeitszügen hängen eben vom Tempo ab.R. die sensorisch ermittelt wird. die ihm seine Ehefrau auf den Einkaufszettel notiert hat (Welt-auf-Wort) und der korrespondierenden Liste.) 7 8 . ein zusätzliches Kriterium für konzeptionelle Mündlichkeit von Schriftlichem vor. In den Termini des Beispiel-Klassikers gesagt. als a` zu rubrizieren. Dieser Fall wäre in ihrem Schema.7 Der Anlass für die Präsentation von Mitteilungen ist aber nicht immer die Anwesenheit des Adressaten. denn trotz der klassifikatorisch zugewiesenen Ausrichtung Wort-auf-Welt für die vorliegenden assertiven Sprechakte beeinflussen Personen den Wahrheitswert durch ihre Handlungen – was typisch für die Welt-auf-Wort-Ausrichtung von Nicht-Assertiven ist. auch sie verglühen bei Tempowechsel. Dies bezieht sich primär auf die phänomenale Ebene – die tiefere Ebene der Konstitution der Sprache „als Erkenntnisobjekt der Linguistik“ (ebd. Die Unterscheidung der Ausrichtung (Welt-auf-Wort vs. das sich in ihrer Liste nicht findet. (S. der im Supermarkt Waren einkauft. also als graphische Entsprechung des phonischen „vertrauten Gesprächs“. Werden in Zügen die Stationen angezeigt. Koch/Oesterreicher 1986: 18). Der Rezipient kann dies lediglich zur Kenntnis nehmen. Im Hochgeschwindigkeitszug ist ebenfalls eine Handlungsweise für die Ausprägung der Proposition verantwortlich. Die beiden Falltypen unterscheiden sich allerdings durch ein klares Merkmal: Im ersten Fall sind die Handlungen des Rezipienten für den propositionalen Gehalt der Inskription verantwortlich. die durch den Zusammenfall von Obligationszeit (im Sinne des Aktuell-Werdens der Erfüllungsbedingungen) und Rezeptionszeit gekennzeichnet sind. In den vorliegenden Fällen verglühender Anzeigen ist es der Normalfall. Was das Verlassen einer Seite im Hypertext von dem Umschlagen einer Seite im Buch unterscheidet. der Text der Seite sei noch vorhanden. als Beendigung der Sitzung. die üblicherweise eher der mündlichen Modalität zugewiesen wird. Die Fluktuanz erhöht sich noch im Falle der Chat-Kommunikation. in der er rezipiert wird. . Die Seite besteht in Schriftform nur. Es geht lediglich um das Bestehen oder Nicht-Bestehen der Seite. Kann man diesen Fall als direktiven Sprechakt (Inskriptionsakt) identifizieren (mit Welt-auf-Wort–––––––— 9 Das Argument. doch ist diese rein formaler Art. in denen die Ausrichtung des Sprechakts keine Rolle spielt. in denen die Dimension der Ausrichtung eine kategoriale Rolle spielt. Dieser Fallgruppe sollen nun diejenigen Inskriptionen gegenübergestellt werden. Im Rahmen elektronischer Kommunikation kann das Aufrufen von Seiten aus dem Netz auf dem PC ebenfalls durch den Zusammenfall von Inskription und Rezeption gekennzeichnet werden. Auch hier besteht eine Abhängigkeit der Inskription von den Handlungen des Rezipienten. Rezeption und Obligation einerseits und ihre Relevanz andererseits. da sie nach diesem Kriterium nicht subkategorisiert werden können. auf die die Unterscheidung in der Ausrichtung nicht angewendet werden kann. Übereinstimmung von Obligationszeit und Rezeptionszeit Beginnen wir mit dem Eingangsbeispiel. Somit können diese kriteriell als Fälle beschrieben werden. dass der Text im ersten Fall nicht mehr in der Form existiert. 5. so können im Bereich der Relevanz der zeitlichen Dimension wiederum die Fälle spezifiziert werden. solange sie gelesen wird. ist nur beschränkt gültig. Nachdem eingangs zwei Großkategorien unterschieden worden sind.9 Der Zusammenfall von Inskription und Rezeption macht jedoch auch dies zu einem Grenzfall schriftsprachlicher Kommunikation mit konzeptionell mündlicher Charakteristik. nämlich die Irrelevanz der zeitlichen Dimension von Inskription. ohne dass der Inhalt vom Rezipienten beeinflusst würde. nur nicht mehr präsentiert. danach wird sie in der Regel verlassen – entweder über einen Link innerhalb eines Hypertextes oder ganz. Es gehört zu der Gruppe von Fällen. ist. Allerdings ist auch hier eine medienspezifische Ausformung des Kriteriums zu beobachten.Schrift und Zeit 83 und Wort wiederherstellen – ein eigentlich unseriöses Verhalten. dem Fall der schriftlichen Anweisung von A an G. eine Selbstverpflichtung. eine Handlung auszuführen. auch wenn B erst von den Eintragungen durch seine Rezeption erfährt. dass die Obligationszeit. Er manifestiert sich in Merkzetteln. dann ist dies in einem konzeptuellen. dass es so nicht weitergeht. Insofern handelt es sich nicht um ein Versprechen im landläufigen Sinne. Führt Person A den Terminkalender für Person B. Der Charakter eines Kommissivs wird nicht dadurch eingeschränkt. entweder über vorformulierte Schemata oder durch Selbsteintragung. sondern sie behält den Charakter des Kommissivs bei. Versprechen im landläufigen Sinne sind dagegen Selbstverpflichtungen. an dem der Entschluss gefallen ist: Als ich sah. x zu tun? in der Regel mit dem Anlass beantwortet und nicht mit dem Zeitpunkt. sind die Inskription und die Obligation. Der Zeitpunkt der Inskription liegt notwendigerweise wieder vor der Obligationszeit. wenn es keine Rubrik für die Uhrzeit gibt. und ihre Ausführung selbst zeitlich auseinanderliegen. In keinem dieser Fälle verändert sich die Illokution: Nichterfüllung ist kein Ungehorsam. wobei die Obligationszeit dieser kommissiven Sprechakte ebenfalls mit der Rezeptionszeit zusammenfällt.84 Frank Liedtke Ausrichtung). in denen die Obligationszeit terminiert ist. Was zeitlich auseinanderliegt. Die letzte Beobachtung weist auf eine Besonderheit hin. in der Regel der Tag. die man s ic h s e lb s t g e g en ü b e r eingeht. so lässt sich unmittelbar ein entsprechender Fall (ebenfalls mit Welt-auf-Wort-Ausrichtung) ausmachen. Adressat des Kommissivs ist derjenige. der kommissive. In das relevante zeitliche Feld trägt man den Handlungstyp ein. dann ist eine Eintragung nicht allein aus diesem Grund schon ein Direktiv. die man a n d e r e n g e g e n ü b e r eingeht. von der ersten kenntnisnehmenden Lektüre der Eintragung bis zur aktualen. dass der Entschluss. Ihr Sinn besteht darin. nicht eine andere Person. die für den spezifischen Charakter der Terminkalender-Eintragung verantwortlich ist. Terminkalender sind so aufgebaut. Wir haben hier einen der deutlichsten Fälle vorliegen. der die Handlung ausführt. denn das ist der Sinn eines Terminkalenders. der sich zu realisieren hat. Wenn also hier von einem Auseinanderliegen von Entschluss und Handlung die Rede ist. Eintragungen in Terminkalendern oder Einkaufslisten. so dass man das Lesen der Eintragung am Tage seiner Ausübung nicht als Erinnerung an ein Ereignis misskonzipieren sollte. handlungsauslösenden Lektüre. sondern um die Formulierung eines V o r s a tz e s . Man muss sich in diesem Fall Kaskaden von Rezeptionssituationen vorstellen. manchmal auch die Uhrzeit als Formblatt vorgegeben ist. Nehmen wir das Beispiel der Eintragung in einen Terminkalender. Natürlich ist „der Entschluss“ kein Ereignis. nicht in einem streng zeitlichen Sinne zu verstehen. dass der Inskribent nicht der Erfüllende ist. Diese widersprüchlich wirkende Formulierung löst sich . sondern Inkonsequenz. Entsprechend wird die Frage: Wann hast du dich entschieden. Hier verpflichtet sich der Schreibende selbst zu einer Handlung. das irgendwann stattfindet. da andernfalls der Wille aufgrund seiner Revidierbarkeit nicht notwendig der letzte wäre. die mit Datum festgehalten ist. Ihnen allen ist das (lange) Ruhen der Obligation. ruhen lange Zeit. Allein dies zeigt. in der Regel durchaus Jahrzehnte. etwas zu tun. denen man durchaus eine direktive Illokution zuschreiben kann. Diese kalt wirkende Feststellung ist wesensnotwendig für die dominierende Illokution eines Testaments. den Vorsatz einzuhalten. –––––––— Austin (1976) berücksichtigt den diskutierten Fall als Sprechakt des Vermachens.Schrift und Zeit 85 alltagssprachlich etwa so auf: Ich nehme m i r vor. die ihre Begründung im ‚letzten Willen‘ des Erblassers finden. dass getroffene Regelungen. Die Bestimmungen. etwas zu unternehmen. dass die Rezeption absichtsvoll unterbunden wird. 10 . einen Willen auszuüben. Insgesamt zeigt der Fall des Testaments.10 Was der Fall des Testaments ebenfalls deutlich zeigt ist. Ein anderer Fall verdeutlicht vielleicht am stärksten. bis zum Zeitpunkt ihrer Rezeption gemeinsam. Geständnissen mit einem festgelegten Eröffnungsdatum und anderem mehr. Dieser Texttyp greift weit in die Zukunft voraus.) aufbewahrt. unabhängig von den beträchtlichen Auswirkungen. dass die Obligation in dieser Phase keine Rolle spielt. die Illokution wird vollkommen suspendiert. denn zwischen Versprechen und Vorsatz gibt es keine Beziehung des Enthaltenseins.ä. muss ich nicht auch noch den Vorsatz fassen. denn in diesem Fall müsste ich auch den Vorsatz fassen. dass der Verfasser aktuell nicht mehr in der Lage ist. Um jemandem etwas versprechen zu können. In dieser formalisierten Form gleicht das Testament anderen Fällen verzögerter Rezeption wie Vermächtnissen. ja sie können in dieser Periode verändert oder ganz durch andere ersetzt werden. denn es wäre beeinflussbar. die in einem solchen Schriftstück getroffen werden. das Versprechen zu halten – dies führte in einen infiniten Regress. bis zur Eröffnung nach dem Ableben des Inskribenten. Das Unterbinden der Rezeption hat seinen Grund natürlich in der verzögerten Rezeption und damit in dem Hinausschieben der Obligationszeit bis zum Ableben des Erblassers. Es kann als eine begrenzte Menge von direktiven Sprechakten (Inskriptionen) aufgefasst werden. beträchtliche Zeiträume zwischen Inskription und Rezeption überwinden können. Die Aktualisierung des letzten Willens ist an die Bedingung geknüpft. bevor sie realisiert werden. aber ich verspreche d i r . worum es in dieser Gruppe geht: das Verfassen und das Eröffnen eines Testaments. Dies ist ein Unterschied im Wesen des Sprechakts. die sie für die Betroffenen haben kann. denn es wird in einem verschlossenen Umschlag an einem gesicherten Ort (Notar o. Ein früherer Zeitpunkt würde das Testament seines Charakters als Manifestation des letzten Willens berauben. Die Spanne eines Testaments reicht von der Inskription. so ist dem der Akt der Fremddokumentation gegenüberzustellen. Ist der Beschluss umgesetzt. die sie enthalten. Fragen (rhetorische Fragen) müssen nicht mehr beantwortet werden. Die Obligationszeit fällt – anders als beim Terminkalender – mit der Inskriptionszeit zusammen. dann ist dies eine historische Lektüre. ob die protokollierten Beschlüsse gefasst wurden etc. Sie werden danach beurteilt. die nach dem Ende der Obligation z. Kann man den Fall des Tagebuchschreibens als einen Akt der Selbstdokumentation beschreiben. nicht auf die Rezeptionszeit. sondern auf den datierten Zeitpunkt. wobei sich der Termin auf die Inskriptionszeit bezieht. oder sie ist zumindest auf diese bezogen. So wird die Existenzvoraussetzung einer definiten Beschreibung der amtierende Bundeskanzler Konrad Adenauer akzeptiert und Sätzen. Übereinstimmung von Obligationszeit und Inskriptionszeit Das Gegenstück von Testamenten und Kalenderterminen ist der Fall der Tagebucheintragung. Das Protokoll ist ein slice-of-life zur Inskriptionszeit. ja sie müssen selbst vom Verfasser nicht notwendig mehr gelesen werden. ob die protokollierten Behauptungen zur Inskriptionszeit aufgestellt wurden. von Beschlüssen aktuell wird. Schon bei der Genehmigung eines Protokolls zu einem späteren Zeitpunkt kommt es nicht auf den aktuellen Weltzustand an.B. Sie ist in der Regel explizit terminiert. dann ist der Rezipient nicht mehr von ihm betroffen und liest das Protokoll noch einmal historisch. als Quelle vergangener Zeiten. Auch die Behauptungen in Protokollen werden historisch gelesen und bewertet. Gleiches gilt für die Interpretation des Präsens. ein ‚historischer‘ Wahrheitswert zugeordnet – vorausgesetzt. Zusätzlich zur historischen Lektüre eines Protokolls kommt eine zweite historische Linie hinzu. sondern auf denjenigen der datierten Inskriptionszeit. Das Protokoll ist ein typischer Vertreter dieser Gattung. Tagebucheintragungen sind pragmatisch komplex. sind die Behauptungen im Protokoll über die protokollierten (falschen) Behauptungen zutreffend. Auch dieses ist datiert (teilweise bis zur Uhrzeitangabe). Selbst wenn sich zur Rezeptionszeit die protokollierten Behauptungen als falsch herausgestellt haben. und der Obligationszeitpunkt ist derjenige der Inskription. die Formulierung eines Vorsatzes auf die Zeit danach (jedenfalls vor der Rezeptionszeit). das natürlich als historisches Präsens gelesen wird. eine Beschreibung wird auf die datierte Zeit bezogen. Falls sie rezipiert werden. Die Rezipienten werden eine lebensweltliche Beschreibung nicht auf die Gegenwart beziehen. ob die protokollierten Ereignisse zur Inskriptionszeit bestanden. Konrad Adenauer amtierte zu dem angegebenen Datum als Bundeskanzler. Dies gilt natürlich für alle propositionalen Gehalte mit futurischem Charakter: In der Zukunft . sie sind nicht vollumfänglich kommunikativ.86 Frank Liedtke 6. nicht auf die Inskriptionszeit referiert. Wie inzwischen deutlich geworden ist. Liest der Rezipient die Nachricht vor dem Eintreffen des Inskribenten im Restaurant. der ebenfalls durch den Zusammenfall von Obligationsund Rezeptionszeit gekennzeichnet ist. wenn sie maximal die Zeit warten müssen. die hier häufig verwendet werden: Ich bin gleich zurück sagt. Lesen und der Zeit. sollte in diesem Abschnitt gezeigt werden. nicht von demjenigen der Rezeption aus.B. Solche Nachrichten enthalten im Übrigen eine Prognose über die Rezeptionszeit. auf die sich die illokutionäre Kraft bezieht. dass die vorgenommenen Differenzierungen im sprachlichen Alltag verankert und im Sprecherbewusstsein repräsentiert sind. die ebenfalls als Fremddokumentation aufgefasst werden können. als ob er sich auf die Rezeptionszeit bezöge. . Dieses Szenario erhält eine assertive Entsprechung in dem Nachrichtenzettel. dass zeitliche Relationierungen zwischen Schreiben. wo der Zettel geschrieben bzw. das Logbuch und andere Festschreibungen von Arbeitsgängen. Es reicht ihnen. solange es pragmatisch unschädlich ist. irrelevant sind. Neben dem Protokoll gibt es weitere Formen der Dokumentation wie z. denn wesentlich ist das Zusammentreffen aller genau dort. dann hätte der Zettel Ewigkeitswert. dass die Obligationszeit auch nach der Rezeptionszeit liegen kann. Erinnern wir uns an das direktive Eingangsbeispiel des Anweisungszettels von A an G. ändert nichts an seinem Bezug auf die Inskriptionszeit – auch wenn dies etwas überrigide erscheint. angeheftet wurde. Sie kommen dem Protokoll. an dem man sich ursprünglich verabredet hatte. Das heißt. ihrer Situationsentbundenheit und Konstanz im Gegensatz zur Fluktuanz der Mündlichkeit impliziert nicht. wird vom Moment der Inskription aus berechnet. die „gleich“ umfasst. hinterlassen an einem Ort. es gäbe immer wieder neue Rezeptionszeiten. Wäre dies anders. Dass sie in der Praxis den Zettel so behandeln. dass der/die Schreibende einen kurzen Moment nach der Inskriptionszeit wieder an dem Ort ist. die durchaus falsch sein kann. um die These der Zeitlichkeit im Schriftgebrauch hinreichend zu dokumentieren. Dies zeigt. Den konträren Fall hierzu bildet die Nachricht Wir sind jetzt im Restaurant. Die gegebenen Szenarien reichen allerdings aus. Dies zeigt sich gut an deiktischen Ausdrücken. Dass die Rezipienten die Inskriptionszeit nicht kennen. dann ist dies unerheblich.Schrift und Zeit 87 zweiten Grades ist die Zukunft ersten Grades vergangen. Dass sich paradigmatische Fallunterscheidungen auf der Grundlage dieses Kriteriums machen lassen. Mit „jetzt“ wird auf die Rezeptionszeit. Wir lesen sie dann in der Perspektive des Futur II. ist in der Kommunikationspraxis unerheblich. kann die Reihe der Beispielszenarien leicht fortgesetzt werden. nicht dem Tagebuch gleich. Die Idee einer Verdauerung von Schrift. Die Zeit. die „gleich“ landläufig umfasst. von denen aus „gleich“ anfinge zu zählen. die schon Anlass für begriffliche Verwicklungen sein kann. denn sie referiert auch auf sich selbst. Der einzige Ausweg liegt darin. dass ‚dies‘ ein Roman ist. gehört selbstverständlich ebenfalls dazu. zeichnen sich Aufschriften gegenüber anderen Formen des Schriftgebrauchs dadurch aus. beispielsweise in jeder Kapitelüberschrift – um einmal bei dem Romanbeispiel zu bleiben. auf dem sie steht. die der Lesende von der Aufschrift erwartet. Nehmen wir auch hier ein unschuldiges Beispiel: Die Aufschrift Roman auf einem Buchdeckel bezeichnet das betreffende Buch als Roman. ja von einer Relation überhaupt ist in diesem Fall problematisch. die diese als Refe- . dass sie gleichzeitig mit dem existieren. Die genannte Aufschrift erfüllt ihre Funktion indexikalisch. von der Idee einer referentiellen Beziehung von Aufschriften zum Beschrifteten vollständig abzusehen. worauf sie referiert. Die Rede von einer Bezeichnungsrelation. zugrundelegt. die Teil des Romans ist. Sie ist Teil des Buches. worauf sie Bezug nehmen. Das heißt auch. Dieser Fall von Reflexivität findet sich in schriftlicher Kommunikation ebenfalls viel häufiger als in mündlicher Rede. das sie bezeichnet – jedenfalls wenn man einen interessanten Begriff von Buch. um sie als referierenden Ausdruck verstehen zu können. Aufschriften und Selbstreferenz Wie in der Einleitung kurz skizziert. ein Roman ist. dass sie zusammen mit ihrem Referenten. das auf sich selbst verweist. ist die Selbstvorstellung im Zuge einer Begrüßung: Hier spricht Zeitblom. auf dem sie aufgedruckt ist – sie ‚sagt‘ gleichsam. denn die hierfür notwendige Differenzierung zwischen Referenzausdruck und Referenzobjekt ist begrifflich kaum durchzuhalten. Im schriftlichen Fall entsteht wiederum ein Beschreibungsdilemma. Das einzige Beispiel mündlicher Rede. Sie bezieht sich also auch auf sich selbst. das in seiner Komplexität an den beschriebenen Schriftgebrauch heranreicht. Dieses Dilemma ist nicht Resultat von Sophismus. insofern sie nur das Buch (möglicherweise auch den Typ) als Roman bezeichnet. müsste man schon wissen. weist es dieser poetischen Gattung zu. der ihr Träger ist. dass d ie s e s Buch (d ie s e r Typ Buch). wenn man weiß. Anders gesagt: Die Aufschrift Roman ist erst vollständig zu interpretieren. ist die Aufschrift ontologisch vorbelastet. denn dieses Wissen ist Voraussetzung für die Interpretation der Aufschrift. Es gibt keine sinnvolle Explikation von Beschriftungen oder Aufschriften. vergehen. Das Inhaltsverzeichnis. Die Information. zu dem die Aufschrift des Buchdeckels gehört. sondern ein grundsätzliches Problem der Interpretation von Aufschriften im Sinne ihrer Äußerungsbedeutung – und generell jeden selbstreferentiellen Sprachgebrauchs.88 Frank Liedtke 7. Über diese Indexikalität hinaus. wird vorausgesetzt. denn um eine Aufschrift im Sinne ihrer Äußerungsbedeutung interpretieren zu können. bei denen nicht das Schild. und sie trägt wesentlich zur Natur des Bezugsgegenstandes bei. Die Beschriftung ist ein Merkmal. um ihn vom ersten abzuheben: Das Hinweisschild fungiert als Zeiger. zu einem Roman macht – natürlich nicht alleine. die dem Leser die Typzugehörigkeit des Tokens explizieren. Zu sagen Ich nehme die hier anwesende Person zur Frau kann nicht falsch und damit nicht wahr sein. sie gelingt nicht. Wer sich mit den Schwierigkeiten der Zuweisung von literarischen Produkten zu Gattungen auskennt. indem zum Beispiel der falsche Name des Bräutigams genannt wird. Eine Lösung scheint nur dann in Sicht. wie man die Funktion eines solchen Inskriptionstyps beschreiben kann. wie eine Heiratszeremonie misslingen kann. denn die gattungstypischen Merkmale müssen realisiert sein. ebenso. sondern der Gegenstand. so dass die Bezeichnung und damit auch die Aufschrift durchaus konstitutive Züge haben. dann stellt sich die Frage. weiß allerdings auch. Die Aufschrift ist. Ich führe diesen im Rahmen der Indexikalitätsforschung reich untersuchten Fall auf. das ‚sagt‘. dass in der gewiesenen Richtung das Amphitheater steht. worauf sie Bezug nimmt. Nimmt man Abstand von der Idee einer referentiellen Beziehung. zum Beschrifteten. Novelle etc. der dasjenige Buch. Dies sind die verschiedenen Formen von Hinweisschildern. Das literarische Produkt ist in seiner Existenz von der Aufschrift nicht im gleichen Sinne abhängig. so wie Zuhörer an der Formel erkennen. Dass die Aufschrift zusammen mit ihrem Referenten existiert und mit diesem untergeht. benannt wird. Aufschriften sind wie Selbstauskünfte. den dieser in seinen ersten Vorlesungen über Performativa ausgeführt hat. so gehört auch die Aufschrift als ein Schriftgebrauch. trifft auch auf eine zweite Klasse von Fällen zu. auf dem er verzeichnet ist. an dem Leser – natürlich aufgrund ihres lexikalischen Wissens – erkennen. dass dieser Beitrag im Falle performativer Äußerungen ein anderer ist als im Falle von Beschriftungen. Kein Mensch käme . wenn man den Weg des frühen Austin geht. Und so. als deiktisches Zeichen. entscheidend zur Zuordnung beitragen kann. sondern als ein Benennungsakt. wie die performative Formel.Schrift und Zeit 89 renzmittel auffassen. Teil desjenigen. welche Art von Zeremonie gerade ausgeführt wird. dass die Kategorisierung der Produkte und ihre Formulierung als Roman. die sich von der ersten grundsätzlich unterscheidet. der den Performativa in wesentlicher Hinsicht gleicht. auf den es hinweist. In ähnlicher Weise ist die Aufschrift Roman nicht als wahre oder falsche Beschreibung zu konzipieren. weil es immer noch ‚zustande kommt‘ – wenn auch nicht als solches. ohne dass man in das theoretische Problem der selbstreferentiellen Nichtinterpretierbarkeit gerät. wie die Formel zur Heiratszeremonie gehört. welcher Klasse (von Gegenständen) das Beschriftete angehört. Es sollte nicht übersehen werden. Selbstverständlich kann eine Beschriftung unangemessen sein. Die Zeremonie kommt ohne den performativen Sprechakt nicht zustande. die zwischen diesen beiden Elementen einer Inskription bestehen. Es ist die Frage der stärkeren oder schwächeren Verschmelzung der Inskription mit ihrem Träger. wird deutlich. Einkerben etc. der das Verhältnis beider betrifft. Dieser Gesichtspunkt thematisiert die unterschiedlichen zeitlichen Verhältnisse. die hier exemplarisch zitiert werden soll: „Träger der In- . a. also der Überdauerung der Schrift in ihrer Materialität in Abhängigkeit von der Überdauerung ihres Trägers. dass die Beschriftung sich auf ihren Träger bezieht. Wenn ja. das Beschriftete.und Maltechnik sukzessive in die Zweidimensionalität überwechselte.90 Frank Liedtke auf die Idee. wenn man die Schilderungen der physikalischen Eigenschaften von monumentalen Inschriften berücksichtigt. die er Petrograph nennt (s. Zum Verhältnis der Schrift zu ihrem Schriftträger/Malgrund in Bezug auf den Dimensionalitätswechsel s. die im Zuge der Verfeinerung der Schreib. Hier ist eine Verschmelzung des Bildes oder der Schrift mit dem Träger die Regel.11 So stand am Anfang der Schriftentwicklung die Dreidimensionalität des Schriftzeichens. das Schild selbst. Schriftträger und Zeit Die Frage. Gelb nennt diese Schriftform im Falle von Einritzungen in Felsen Petroglyph – im Gegensatz zu einer Bemalung oder Beschriftung.). Nimmt man die geschichtliche Entwicklung der Schrift in den Blick. Ehlich (2007a: 703ff. das uns eine Hotelreklame. ob die Aufschrift sich auf das Beschriftete bezieht oder auf etwas unabhängig von diesem Bestehendes. 8. dass geeignete. Gelb 1986: 24ff.). worauf Rezipienten ihre Entscheidung gründen. Exner hervor. so bestanden die Anfänge der Beschriftungstechnik offenkundig darin. die auf einem Taxi aufgedruckt ist.h. d. Bei nicht pfeilförmigen Schildern baut die Interpretation auf dem Kriterium auf. lässt einen weiteren Phänomenbereich in den Blick geraten. beschriftet zu werden. Ausschlaggebend ist allerdings auch hier das Weltwissen. Dies geht aus einer Beschreibung frühmittelalterlich monumentaler Inschriften durch M. wenn auch nur ‚flach‘. ein Pfeil oder ein pfeilförmiges Schild dient dem Hinweis auf das Objekt in Pfeilrichtung. als Aufschrift des zweiten Typs – mit Bezug auf einen vom Träger verschiedenen Referenten – interpretieren lässt. ob das Beschriftete noch einer anderen Funktion dient als nur derjenigen.12 Eine Modifikation oder gar Entfernung des –––––––— 11 12 I. als Bezeichnetes zu nehmen. inwieweit Inskriptionen auf ihren Träger Bezug nehmen. modifiziert wurden. Die äußere Form spielt sicher eine Rolle. Interessant ist die Frage. hinreichend plastische Gegenstände durch Eindrücken. Dass Gemaltes oder Geschriebenes allerdings in die dritte Dimension ausgreift. liegt die Vermutung nahe. dass diese ebenfalls eine unterschiedlich stark ausgeprägte sinnliche Präsenz besitzen. die das Schriftzeichen selbst in seiner Materialität bewusst werden lassen.) Diese und andere Schilderungen verdeutlichen. in der das vergängliche Dasein auf Dauer gestellt und die materielle Basis für ein ewiges Leben bereit gestellt wird. hat ihre Entsprechung in der ästhetisierten „Kosignifikation“ des Schriftbilds von Inschriften (s. der Natur des Zeichenträgers und der Art des situativen Kontextes zeigen. im Falle ägyptischer Inschriften zur „schieren Persistenz und Massivität des Materials. Der mehr oder weniger begrenzte Monumentalkontext der Inschrift führt zu ihrer räumlichen Fixiertheit. so sieht er im Monument der Inschrift wiederum eine starke Entsprechung im Sinne eines Baukörpers. der in mündlicher Kommunikation in Gestalt einer charakteristischen. die sich umhüllend um die Pigmente von Malerei oder Schrift legte. Identifiziert Assmann als Zeichenträger mündlicher Kommunikation den Körper des Sprechenden. meist zwei. in Assmanns Beschreibung deutlich. er ist in Inschriften dadurch realisiert. Die Stimme. die für die mündliche Form die materielle Seite des Zeichens bildet. die mit ihrem materialen Träger in Raum und eben auch in der Zeit verbunden ist.“ (Assmann 1991: 88) Auf diese Weise „wird neben der Lebenswelt jene Welt aus Stein errichtet. hohen. wird der spezifische Charakter der Inschrift als einer Manifestation.“ (Exner 1999: 15f. Auch die raum-zeitliche Begrenzung der Mündlichkeit wird bei ihm bemerkenswerterweise nicht zum Unterscheidungsmerkmal. die sich in der Materialität des Zeichens. J. sondern er macht Gemeinsamkeiten aus zwischen der mündlichen und der inschriftlichen Kommunikationsform.) Unabhängig davon. schriftliche und inschriftliche Kommunikation – so seine Aufteilung – in ein spezifisches Verhältnis zueinander zu setzen. […] Der Carbonatisierungsprozeß des aushärtenden Kalkmörtels führte in diesem Fall zur Ausbildung einer stabilen und harten Sinterschicht. bemalten oder beschriebenen Gegenstandes selbst möglich. Assmann nimmt die enge Verbindung von Inschriften mit ihrem Träger zum Anlass. Er analogisiert nicht die beiden schriftlichen Kommunikationsformen in Absetzung zur mündlichen. bei dem ein etwas gröberer arricio entweder direkt auf das Mauerwerk oder auf den verstrichenen Setzmörtel aufgetragen wurde und dann vom feineren intonaco als dem eigentlichen Malschichtträger abgedeckt wurde.und manchmal auch mehrschichtiger Putzaufbau. Assmann 1991: 87).Schrift und Zeit 91 ‚Geschriebenen‘ war nur um den Preis der Modifikation oder Zerstörung des eingekerbten.oder Schreibgrundes eingreift. tiefen.“ (ebd. wie man diese Analogisierung von Stimme und Inschrift beurteilt. dass Bemalen oder Beschreiben von Wänden keinen oberflächlichen Prozess darstellt. –––––––— schriften ist ein gelegentlich einschichtiger. sondern wiederum zum tertium comparationis für die inschriftliche Form. ängstlichen oder andererseits symptomatischen Stimme erscheint. sondern in die Materie des Mal. . die mündliche. Hiermit ist der materielle Aspekt des Zeichens gemeint. hängt von dem gewählten Verfahren der Inskription ab. Eine Tafel ist geradezu dafür gemacht. Assoziativ entsteht das Bild des Mathematikers vor dem imaginären Auge. dass das (mit Kreide) Angeschriebene leicht weggewischt werden kann. Erstere kann modifiziert oder getilgt werden. In neuerer Zeit sind es die handschriftlichen Eintragungen mit Bleistift. ohne den Stein selbst zu zerstören. Bei wachsendem Grad der Lösbarkeit der Schrift von ihrem Träger vergrößert sich auch die Schere der zeitlichen Überdauerung der Schrift und ihres Trägers. Nehmen wir eine eingemeißelte Inschrift. Dies ist für die meisten. Assmann (1991). A. Tinte kann man mit einem eigens dafür geeigneten Messerchen entfernen. indem man das Niveau der Schreibfläche demjenigen der Buchstaben-Vertiefungen anpasst. so dass derselbe Träger unzählige Male mit neuen Inskriptionen versehen werden kann. wobei man allerdings eine dünne Schicht des Papiers entfernt.) eine zentrale Rolle. Die gedruckten Seiten eines Buches kann man durch Schwärzen unkenntlich machen. so ist sie bestenfalls in einem aufwendigen Verfahren zu modifizieren. dokumentarischen wie kommunikativen Zwecke des Schriftgebrauchs eine wichtige Eigenschaft. Dies ist nicht sehr oft zu wiederholen. Ein Palimpsest zeugt von unterschiedlichen technischen Verfahren. Die geschichtliche Dimension dieses Vorgangs wird dadurch kenntlich. Will man die Eignung der „materialen Struktur“ (Ehlich 2007a: 708) für den Schreibvorgang beurteilen.92 Frank Liedtke Die im Verlaufe der Kulturgeschichte sich herausbildenden Schriftmedien lassen sich je nach der Festigkeit oder Lösbarkeit von ihrem Träger unterschiedlichen Typen zuordnen. Bei Missfallen des Inhalts wird das ganze Buch zerstört.und kulturgeschichtlichen Stellenwert des Palimpsests s. teilweise in Ritualen der Kulturzerstörung. ohne dass ihr Träger davon substanziell betroffen ist. . die bei Irrtum oder Umformulierung leicht auszuradieren sind (wobei auch hier Spuren des Ausradierten palimpsestartig erhalten bleiben können und eine Rekonstruktion des Überschriebenen möglich machen). Schriftstücke durch Unkenntlichmachen des ursprünglich Geschriebenen neu zu überschreiben. aber nicht neu beschreiben. der Formeln in den Sand schreibt und die leichte Auswischbarkeit für Korrekturen geradezu benötigt. dann spielt sicher der von Ehlich hervorgehobene Aspekt der Dauerhaftigkeit des Grundes (ebd.13 Auch hier wird also die Dimension des Zeitlichen in der Schrift in Form des Durchscheinens von Versionen oder Manuskripten deutlich. dass das Überschriebene teilweise noch durchscheint und damit eine Staffelung der Einschreibungen sichtbar wird. Ob handschriftlich verfasste Texte ohne Trägermodifikation zu modifizieren sind. Die Leuchtschrift wiederum ist von allen 13 –––––––— Zum schrift. Für einige Schreibzwecke erweist es sich jedoch gerade als Vorteil. wenn die Dauerhaftigkeit in unterschiedlichem Maße eingeschränkt ist. z. das sich je nach Erfordernis und dokumentarischem Bedürfnis zur Seite der Dauer oder zur Seite der Flüchtigkeit hin bewegt. wobei.14 Die Wahl einer Materialität. ein am Bildschirm erstelltes Manuskript in Form von Tinte auf Papier auszudrucken.). Wichtig erscheint in einer funktionalen Perspektive der Zusammenhang zwischen der Dauerhaftigkeit der Inskription und dem Schriftanlass selbst.B. die im Blick auf die intendierte Nutzung begrenzt ist – was sich in der leichten Ersetzbarkeit durch andere Inskriptionen zeigt. Auf diese Weise entsteht zwischen dem Pol der Dauerhaftigkeit (dokumentierte Daten mit hohem Prestige eines Kollektivs. die mit einer spezifischen Dauer korreliert ist.B. Und auf diese Weise ist die Entscheidung. Inschriften) und dem Pol der relativen Flüchtigkeit (skizzierte Daten mit geringerem Prestige eines Individuums. 14 –––––––— S. hierzu die Charakterisierung von Schrift als Gedächtnisstütze im Kontext von Notizzetteln oder Listen in Stetter (1999: 291f. hängt somit von der Funktion ab. das nicht in einem Beitrag eingelöst werden kann. andererseits gibt eine Inskription mit Bleistift den Charakter einer Notiz wieder. Resultat des Wunsches.Schrift und Zeit 93 das flüchtigste Medium. Die leichte Löschbarkeit elektronischer Schriftzeichen ist ein technischer Fortschritt im Bereich der Aufschreibsysteme. Eine ausführliche Behandlung der verschiedenen Dauerhaftigkeiten der Inskriptionen auch im Verhältnis zu ihrem Träger ist ein Desiderat. Stetter 1999: 290). Dauerhaftigkeit und Flüchtigkeit des Eingeschriebenen befinden sich also in einem Spannungsverhältnis. wie Stetter betont. weil sie sich bisweilen nur für den Moment der (unterstellten) Lektüre aktualisiert. . wobei Modifikationen unaufwendig vorzunehmen sind. ein Endprodukt des Schreibprozesses zur Verfügung zu haben. die jeweiligen Enden des Kontinuums offen sind (s. der eine Inskription in einem frühen Stadium der Formulierens erlaubt und somit eine Rückkoppelung des Gedachten über die produzierten Schriftzeichen erlaubt. deren Ordnungsprinzip im funktionalen Kriterium der Statik gegenüber demjenigen der Dynamik. des Resultats gegenüber dem Prozess. die Schreiber mit ihren Inskriptionen verfolgen. Die als ‚ewig‘ konzipierte Dauer von Inschriften korreliert mit der Dauer der eingeschriebenen Botschaft. z. Notizen) ein Kontinuum von Schrifterzeugnissen mit abnehmender Dauer. des Öffentlichen gegenüber dem Privaten oder eben des Kollektiven gegenüber dem Individuellen zu finden ist. 15–43. – Stuttgart: Reclam. – München: Fink. Origins and Transformations.: Suhrkamp.M. Koch. Gelb. – Frankfurt a. Christine Steininger (Hgg. Ludwig (2001): „Sprache als Medium. G.): Audiovisualität vor und nach Gutenberg. Schriftform“. Christian (1999): Schrift und Sprache. Band 3: Diskurs – Narration – Text – Schrift. 19–42. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte“.: Suhrkamp.94 Frank Liedtke Literatur Anscombe. Stetter.M. In: Ders. Wilfried Seipel. Assmann. (71986): A Study of Writing. 15-30. – Frankfurt a. Jäger. 703–721. (Hg. Ehlich. John R. – München: Verlag der bayerischen Akademie der Wissenschaften.M. Inschrift und Buchschrift. S. Peter. Searle. Konrad (2007a): „Schrift. Schriftträger. Ingolstadt 1997. Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik. Jan (1991): Stein und Zeit. – (2007b): „Funktion und Struktur schriftlicher Kommunikation“. S. – Chicago: Chicago University Press. Mensch und Gesellschaft im alten Ägypten. (Hg. – Berlin: de Gruyter. 750–792.): Sprache und sprachliches Handeln. – Oxford: Blackwell. Gotthart Wunberg (Hgg. – Wien: SKIRA. – London: Routledge. – Berlin: de Gruyter. – In: Romanistisches Jahrbuch 36.E. In: Horst Wenzel. – Frankfurt a. In: Ders. In: Walter Koch. (1982): Ausdruck und Bedeutung. Linell. Ignace J. .): Sprache und sprachliches Handeln. Matthias (1999): „Gemalte monumentale Inschriften. Band 3: Diskurs – Narration – Text – Schrift. Assmann. Per (2005): The Written Language Bias in Linguistics: Its Nature. Wulf Oesterreicher (1985): „Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. Zur Kulturgeschichte der medialen Umbrüche.: Fischer. John L.M. S. Kunsthistorische Einordnung ausgewählter frühmittelalterlicher Denkmäler aus Bayern“. Exner. Aleida (1991): Mnemosyne. Über die Sprache als audio-visuelles Dispositiv des Medialen“. S.): Inschrift und Material. (1976): Zur Theorie der Sprechakte. (1957): Intention. S. Austin. Medium und Medienwechsel .III. . als ein Prätext sichtbar. die Humboldt dem kantischen Denken gibt. in den Humboldts Sprachphilosophie eingeschrieben ist. mit dem ich mich seit 1990 mit großen Unterbrechungen beschäftigt habe. auch wenn das nicht im einzelnen ausgewiesen ist. Die Umrisse einer solchen Sprach.und Zeichentheorie avant la lettre bei Kant zeigen sich insbesondere da. Er spiegelt in vielfältiger Weise.und medialitätstheoretischen Implikationen des Sprachproblems von einigem Belang zu sein scheint.).3 Sie wird – könnte man sagen – gleichsam in der Wende. 2 3 .und zeichentheoretischen Diskussionen mit Christian Stetter. Der hier vorgelegte Text geht auf ein unabgeschlossenes größeres Manuskript „Die Antinomien der Kommunizierbarkeit ästhetischer Erfahrung. ebenso etwa Jäger (1988).Ludwig Jäger Das schreibende Bewusstsein Transkriptivität und Hypotypose in Kants „Andeutungen zur Sprache“1 1. zu dem Zitatfragment im Untertitel Kaulbachs Bemerkung. Ich möchte dabei die These Kaulbachs aufgreifen und diskutieren. Stetter (2000) und Stetter (1989). die wir seit unserer Düsseldorfer Zeit sowie während unserer gemeinsamen Aachener Tätigkeit geführt haben und in denen das Verhältnis der Sprachphilosophie Humboldts zu der Kants immer eine besondere Rolle gespielt hat. Handhabe und Schriftzug: kleine Exposition des Themas In den folgenden Ausführungen2 sollen im Ausgang von Kants „Kritik der Urteilskraft“ jenseits der spärlichen manifesten Äußerungen Kants zur Sprache – wie sie etwa im Kontext der Schematismus-Idee der „Kritik der reinen Vernunft“ zu finden sind – die Spuren einer latenten Sprachtheorie Kants aufgesucht werden. die langjährigen sprach. Vgl. wo Humboldt Kants Idee der „Darstellung“ (Hypotypose) von Begriffen/Ideen aufgreift und sie in Aus1 –––––––— Vgl. die mir in ihren Grundannahmen insbesondere für die zeichen. Kaulbach (1973). auch Spranger (1908) sowie Borsche (1981: 85ff. Anmerkungen zum Verhältnis von Ästhetik und Sprache in Kants Kritik der Urteilskraft“ zurück. dass die „Kantischen Andeutungen zur Sprache […] bis heute noch nicht in ihrer Bedeutung erkannt worden“ seien (1973: 127). dass die latente und als solche nicht ausgefaltete Sprachtheorie Kants in den sprachphilosophischen und zeichentheoretischen Überlegungen Humboldts kritisch weitergedacht wird. vgl. Vgl. von Raymund Schmidt) wird zitiert als KrV mit Seitenzahl der zweiten Originalauflage von 1787].9 In unserem Zusammenhang ist dabei vor allem der im Schematismus-Kapitel der „Kritik der reinen Vernunft“ entwickelte und insbesondere von Kaulbach fokussierte Gedanke bedeutsam.und Seitenzahl]. Kaulbach (1965: 464).11 Kaulbach versteht diese Tätigkeit der ‚darstellenden Vernunft‘ in Analogie zum Schreibprozess: Die Vernunft stellt in der Rolle des ‚Verstandes‘ und seiner ‚Einbildungskraft‘ ihren Gegenstand der Erkenntnis dar: Sie ‚konstruiert‘ ihn. insgesamt Jäger/Linz (2004) und Jäger (2004). zur Spurtheorie Jäger (2001). und dies insbesondere dann. Kant (KrV: B 179ff. Vgl. die er in der „Kritik der Urteilskraft“ als ein Verfahren nimmt. dass sie sie in einem Verfahren der sinnlichen Darstellung (Hypotypose) mit gegenständlichen Bedeutungen versehe. Jäger (2008a) und (2008b). aber im Zuge des Hervor-bringens der Schrift dehnt sich dieses Bewußtsein in der Form der Schriftzüge in den Raum und in die Zeit aus.98 Ludwig Jäger einandersetzung mit der „Kritik der Urteilskraft“ sprachphilosophisch oder – wie man auch sagen könnte – medialitätstheoretisch fortbildet: in seiner Spurtheorie des Geistes. Kant (KU: 137. bzw. durch die er ihnen „eine Gestalt unter[schiebt]“5. „aus sich herausgehen und zu dem in Raum und Zeit Gegebenen übergehen“10. in dem „die Einbildungskraft ohne Begriff schematisiert“. dieser ist mit kleinen Änderungen wiederabgedruckt als Kaulbach (1973). Humboldt (GS 5: 428).) [Kants „Kritik der reinen Vernunft“ (1965 hg. in die hinein es die Schriftzüge pro-duziert. in der das Wort in seiner sinnlichen Medialität als „Handhabe“ gedacht wird. Sie verhält sich dabei so wie der Schreibende. In der Rückwendung von Humboldt auf Kant lässt sich das hypotypotische Verfahren der Versinnlichung von Begriffen/Ideen als ein Verfahren der Um-Schreibung.. ebenso Linz/Fehrmann (2005).] Das Bewußtsein als ein Unausgedehntes geht in der Bewegung des Zie- –––––––— 4 5 6 7 8 9 10 11 Humboldt (GS 5: 427) [Humboldt (1903-1936) wird zitiert als GS mit Band. der Transkription6 des Mentalen in die Register der (Sprach-)Medialität7 verstehen. sie müsse ihre Begriffe dadurch zu erkennenden Begriffen machen. von Karl Vorländer) wird zitiert als KU mit Seitenzahl und Paragraph]. [.h. Zum Begriff der Transkription vgl. Das schreibende Bewußtsein befindet sich selbst nicht in dem Raume und in der Zeit. Vgl. Zum Problem des Verhältnisses von Medialität und Mentalität vgl. der auf das Papier Schriftzeichen schreibt. die Vernunft müsse. um von einer bloß denkenden Vernunft zu einer erkennenden Vernunft zu werden. wenn man den Schematismus8 im Lichte der ästhetischen Wende betrachtet. hierzu Kaulbach (1973: 106). die zitierte Formulierung findet sich nur in dieser Version des Aufsatzes. d.. . Jäger (2002). „an welcher der Geist die intellektuellen Begriffe auffasst“4. § 35) [Kants „Kritik der Urteilskraft“ (1974 hg. Das schreibende Bewusstsein 99 hens der Schriftzüge in Raum und Zeit ein. [D]ie menschliche Vernunft [macht] ihre Begriffe dadurch zu erkennenden Begriffen und gibt ihnen gegenständliche Bedeutung, daß sie diese Begriffe zu ‚beschreibenden‘ Begriffen macht.12 Nun ist allerdings der Gedanke, dass sich im ‚schreibenden‘ oder – wie ich sagen möchte – ‚transkribierenden Bewusstsein‘ eine ‚sprechende Vernunft‘ zum Ausdruck bringt, dem Denkraum des Schematismus-Kapitels noch weithin fremd, wenn auch die hypotypotischen Verfahren bereits hier in einen – wie man ihn nennen könnte – semantisch-kommunikativen Rahmen eingestellt werden. Die schematische und symbolische Hypotypose müssen als vollständig sprachfreie Formen der Darstellung von Begriffen verstanden werden. Der Gedanke einer ‚sprechenden Vernunft‘ gewinnt sichtbare Konturen erst im Kontext der „Kritik der ästhetischen Urteilskraft“. Das Darstellungsverfahren erhält nämlich hier als – wie man sie nennen könnte – ä s th e tis c h e H yp o typ o s e eine theoretische Gestalt, in der der Sprache offenbar die gänzlich neue Rolle eines Konstitutionsmediums des Mentalen zugestanden wird.13 2. Der sprachlose Kant und seine sprachphilosophischen Kritiker Kant hat der Sprache in seinem Denken insgesamt keinen hohen Stellenwert eingeräumt,14 und der Versuch mag deshalb gewaltsam erscheinen, die Kantischen Überlegungen zum Schematismus sowie die „Kritik der ästhetischen Urteilskraft“ gleichsam gegen den Strich zeichen- und medialitätstheoretisch zu lesen. Davon, eine „Kritik der Sprache“ zu schreiben, war er weit entfernt.15 Vernunft, Verstand und Einbildungskraft sind bei ihren jeweiligen Geschäften in keiner relevanten Hinsicht auf Leistungen der Sprache angewiesen. Während etwa bei Hamann, Herder, Humboldt und auch bei Hegel die Sprache immer mehr in das Zentrum ihres Denkens rückt, bleibt ihr bei 12 13 –––––––— Vgl. Kaulbach (1973: 105f.). Mir kann es im sprach- und medialitätstheoretischen Fokus meiner Fragestellung natürlich nicht darum gehen, die „Kritik der Urteilskraft“ im Zusammenhang des Kantischen Denkens zu erörtern; ich möchte mich von ihr nur anregen lassen, das Problem der Sprachmedialität aus einer unerwarteten Perspektive in den Blick zu nehmen. Vgl. hierzu Villers (1997), der die historischen und systematischen Gründe der „Sprachlosigkeit der Transzendentalphilosophie“ einer detaillierten Analyse unterzogen hat. Vgl. Villers (1997: 1). 14 15 100 Ludwig Jäger Kant, wie ein vergleichender Blick auf die Repräsentanten des sprachphilosophischen Paradigmas zeigen kann, der Zutritt in den Raum jener Problemverhalte verwehrt, die eines eigenständigen theoretischen Nachdenkens für würdig befunden werden. Eben hierin hat er die Kritik insbesondere Hamanns, Herders und Humboldts herausgefordert.16 Die Sprache erhält im Denken dieser Autoren einen Rang, der ihr weder in der Schulphilosophie des 18. Jahrhunderts noch in der Philosophie Kants zugebilligt worden war. Wenn Sprache für Herder das „Medium unsres Selbstgefühls und geistigen Bewußtseyns“17 darstellt, wenn Humboldt sie „das bildende Organ des Gedanken“18, die „Handhabe“ nennt, „an welcher der Geist die intellectuellen Begriffe auffasst“19, so weisen beide Autoren ihr eine erkenntnis- und subjektkonstitutive Rolle zu, die ihr Kant unter den Voraussetzungen seines Denkens nicht zubilligen konnte. Auch für Kant ist zwar das ‚schreibende Bewusstsein‘, um seine Begriffe darzustellen, auf die in Raum und Zeit ausgreifende Bewegung der „transzendentalen Hand“20 angewiesen: „Ich kann mir keine Linie, so klein sie auch sei, vorstellen, ohne sie in Gedanken zu ziehen, d.i. von einem Punkte alle Teile nach und nach zu erzeugen, und dadurch allererst diese Anschauung zu verzeichnen“21, doch ist diese „Handhabe“ keine, die ihr Verzeichnen als Tätigkeit einer – um mit Hegel zu sprechen – „zeichenmachenden Phantasie“22 verstehen könnte, keine gedankenbildende sprachliche Bezeichnung, in der – wie Humboldt formuliert hatte – „die Bezeichnung erst das Entstehen des zu Bezeichnenden vor dem Geiste vollendet.“23 Kant wird deshalb auf dem Niveau der Schematismus-Idee der „Kritik der reinen Vernunft“ hinsichtlich des Sprachproblems noch vollständig von der Kritik getroffen, die Humboldt in seiner unvollendeten Abhandlung „Ueber den Einfluss des verschiedenen Charakters der Sprachen auf Literatur und Geistesbildung“ (1821) formulierte: Dass eine Sprache bloss ein Inbegriff willkührlicher, oder zufällig üblich gewordener Begriffszeichen sey, ein Wort keine andre Bestimmung und Kraft habe, als einen gewissen, ausser ihm entweder in der Wirklichkeit vorhandenen, oder im Geiste gedachten Gegenstand zurückzurufen, und dass es daher gewissermassen als gleichgültig angesehen werden könne, welcher Sprache sich eine Nation be- –––––––— 16 17 18 19 20 21 22 23 Vgl. Hamann (1949-1953); Herder (SW) [Herder (1877-1913) wird zitiert als SW mit Band- und Seitenzahl]. Herder (SW 8: 197) Humboldt (GS 5: 374) und (GS 7: 53). Humboldt (GS 5: 427). Kaulbach (1973: 108). Kant (KrV: B 203). Hegel (WE 10: 264, § 455 Zusatz) und (WE 10: 268, § 457) [Hegel (1970) wird zitiert als WE mit Band-, Seitenzahl und Paragraph]. Humboldt (GS 5: 436). Das schreibende Bewusstsein 101 diene, sind Meynungen, die man wohl bei niemandem mehr voraussetzen darf, welcher der Natur der Sprachen auch nur einiges Nachdenken gewidmet hat.24 Die von Humboldt hier inkriminierte Position ist nämlich gerade diejenige Kants, und es ist offensichtlich, dass die polemische Formulierung Humboldts auch direkt gegen diesen gerichtet ist. Kant betrachtet die Sprache dort, wo er sich explizit zu ihr äußert, prinzipiell nur als ein – im Hinblick auf die Begriffe, die es bezeichnet – sekundäres System von Sprachausdrücken. In der Tat hat für ihn das Wort „keine andre Bestimmung und Kraft [...], als einen gewissen [...] im Geiste gedachten Gegenstand zurückzurufen“. Es ist die Verwendung des Terminus zurückrufen,25 mit der sich Humboldt unmittelbar auf Kant bezieht. Sprachliche Zeichen sind für diesen – so lesen wir in der „Kritik der Urteilskraft“ – lediglich Hilfsmittel der reproduktiven Einbildungskraft, die es „auf eine uns gänzlich unbegreifliche Art“ vermag, „die Zeichen für Begriffe gelegentlich, selbst von langer Zeit her z u r ü c k z u r u f e n .“26 Die Aufgabe der Sprachzeichen besteht also für die reproduktive Einbildungskraft darin, Gedanken in der Depräsenz des Gedächtnisses für den präsenten Gebrauch „aufzubehalten“27 und so ihre Reproduzierbarkeit zu sichern. Die Sprachzeichen sind [...] bloße Charakterismen, d.i. Bezeichnungen der Begriffe durch begleitende sinnliche Zeichen, die gar nichts zu der Anschauung des Objekts Gehöriges enthalten, sondern nur jenen nach dem Gesetze der Assoziation der Einbildungskraft, mithin in subjektiver Absicht zum Mittel der Reproduktion dienen; dergleichen sind entweder Worte oder sichtbare (algebraische, selbst mimische) Zeichen, als bloße Ausdrücke für Begriffe.28 Nichts könnte die nachgeordnete Funktion, die die Sprachzeichen für Kant haben, schärfer verdeutlichen als seine Bestimmung, es handele sich bei ihnen um „bloße Charakterismen“.29 Charakterismen sind nämlich jene Mittel, deren sich das Vermögen der „Charakteristik“ zur „Gegenbildung“ bedient: „Gegenbild ist ein Mittel, das Bild des andern Dinges hervor zu bringen. So sind Worte Gegenbilder der Sachen, um die Vorstellungen der Sache sich zu concipieren.“30 Als Charakterismen sind sprachliche Zeichen insofern –––––––— 24 25 26 27 28 29 30 Humboldt (GS 7: 640). Die terminologische Verwendung von „hervorrufen“ und „zurückrufen“ bei Humboldt habe ich an anderer Stelle ausführlicher erörtert (vgl. Jäger 1988: 86ff.). Kant (KU: 75, § 17) (Hervorhebung von mir, L.J.). Kant (KrV: B 369). Kant (KU: 211f., § 59); vgl. auch Kant (WZB 10: 500): „Alle Sprache ist Bezeichnung der Gedanken und umgekehrt die vorzüglichste Art der Gedankenbezeichnung ist die durch Sprache, diesem größten Mittel, sich selbst und andere zu verstehen.“ [Kant (1968) wird zitiert als WZB mit Band- und Seitenzahl]. Vgl. hierzu Villers (1997: 12ff.). Kant (1821: 152), hier zitiert nach Villers (1997: 12). 102 Ludwig Jäger lediglich Instrumente der reproduzierenden Einbildungskraft, die dadurch bestimmt sind, dass sie – wie Humboldt formuliert – „etwas, das früher da ist, nachzubilden“ streben.31 Sie operieren also nicht auf der Stufe der produktiven Einbildungskraft, auf der das Sprachzeichenmedium nicht nur abbildet, sondern bildet, also als „bildendes Organ des Gedanken“ fungiert. Kant bewegt sich mit dieser Funktionsbestimmung des Sprachzeichens vollständig im Rahmen der Schuldefinitionen des 18. Jahrhunderts. Freilich folgt Kant nicht der darüber hinaus für das semiotische Paradigma charakteristischen Theorie der ‚doppelten Repräsentation‘, wie sie sich in der dominierenden Wirkungsgeschichte der Aristotelischen Sprachauffassung etabliert hatte: Zwar stellen auch für ihn Sprachzeichen ‚charakterisierende‘ Repräsentationsmittel sprachunabhängiger Kognitionen dar, allerdings dürfen diese ihrerseits nicht als Repräsentationen einer bewusstseinsunabhängigen Welt der Dinge und Sachverhalte angesehen werden. Der für die aristotelisch-semiotische Tradition charakteristische erkenntnistheoretische Realismus ist dem Kantischen Denken fremd, das vielmehr einen maßgeblichen Schritt in Richtung einer Destruktion der Aristotelischen Idee der doppelten Repräsentation darstellt.32 Kant hebt aber im Modell der doppelten Repräsentation die Idee der Repräsentation gewissermaßen nur auf der ersten Stufe auf, nämlich da, wo die Beziehung zwischen Dingen und mentalen Erkenntnisinhalten in Frage steht. Er lässt sie aber da ungebrochen weiter gelten, wo das Verhältnis zwischen Erkenntnisinhalten und sprachlichen Zeichen (Signifikanten) thematisch wird. Das sprachliche Zeichen ist für ihn lediglich ein konventionelles Mittel der „Gedankenbezeichnung“33, dem für das Verfahren der ‚Gedankenbildung‘ keinerlei konstitutive Bedeutung zukommt. Gleichwohl beginnt mit Kant die nachhaltige Destruktion der Repräsentationsidee und damit zugleich auch letztlich der Aufstieg der Sprache zu einer bedeutsamen Rolle im Erkenntnisprozess. Bevor sich die Vernunft als ‚sprechende Vernunft‘ erkennen kann, muss sie sich zunächst als ‚schreibendes Bewusstsein‘ in Bewegung setzen, muss das „Bewußtsein als ein Unausgedehntes […] in die Bewegung des Ziehens der Schriftzüge in Raum und Zeit ein[gehen]“34, muss es schematisieren und symbolisieren – und das heißt aufhören, bloßer Spiegel zu sein. Auch wenn also Kant der Sprache in ihrem Verhältnis zum Denken auf der Ebene seiner manifesten Sprachauffassung noch keine bedeutsame Rolle zumisst, räumt er doch bereits im Zuge der Entfaltung der Schematismus-Idee, die im folgenden näher betrachtet werden soll, Hindernisse beiseite, deren Destruktion dann in der „Kritik der ästhetischen Urteilskraft“ –––––––— 31 32 33 34 Humboldt (1880: 27). Vgl. hierzu Jäger (2004: 28ff.). Kant (WZB 10: 500). Kaulbach (1973: 106). Das schreibende Bewusstsein 103 deutliche Spuren einer zweiten anti-repräsentationistischen Wende sichtbar werden lässt – einer Wende, in deren Vollzug sich der Status der Sprache grundlegend zu ändern beginnt. 3. Schematismus und Sprache Die Reduktion der Sprache auf eine Funktion der reproduktiven Einbildungskraft, d.h. ihre Beschränkung auf eine lediglich ‚charakterisierende‘ Funktion, zeigt sich besonders eindrücklich in Kants Entfaltung der hypotypotischen Leistungen der produktiven Einbildungskraft: Kant blendet nämlich aus den beiden Formen der Hypotypose, d.h. aus den beiden Verfahren, in denen die produktive Einbildungskraft Begriffe versinnlicht, die Sprache völlig aus. Bei der Versinnlichung von Begriffen und Ideen wächst der Sprache, wie eine nähere Betrachtung der hypotypotischen Leistungen der Einbildungskraft zeigen kann, zumindest in den nicht-ästhetischen Darstellungsformen, keine erkenntnisrelevante Aufgabe zu. Gleichwohl werden aber in zweierlei Hinsicht Aspekte eines la te n te n Sprachproblems sichtbar: einmal insofern, als sich die ‚Verzeichnung‘ von Begriffen als eine Art der S e ma n tis ie r u n g von Begriffen im Vollzug ihrer Schematisierung bzw. Symbolisierung begreifen lässt – wobei die Semantik der Begriffe freilich noch nicht als sprachliche Semantik verstanden werden darf –, und zum zweiten insofern, als die Semantik der Begriffe als Bedingung der Möglichkeit ihrer K o mmu n ik a b i l i t ä t angesehen wird. Betrachten wir also das hypotypotische Verfahren näher: In der Hypotypose betätigt sich die Einbildungskraft als „Vermögen der Darstellung“35, d.h. als Vermögen, „dem Begriffe eine korrespondierende Anschauung zur Seite zu stellen“36; sie zeigt sich hier als ein „produktives Erkenntnisvermögen“37 der „Versinnlichung“38 von Begriffen, wobei sie diesen in einer doppelten Form Anschauungen „unterlegt“: Alle Hypotypose (Darstellung, subiecto sub adspectum) als Versinnlichung ist zwiefach: entweder schematisch, da einem Begriffe, den der Verstand faßt, die korrespondierende Anschauung a priori gegeben wird; oder symbolisch, da einem Begriffe, den nur die Vernunft denken, und dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann, eine solche untergelegt wird, mit welcher das Verfahren der –––––––— 35 36 37 38 Vgl. etwa Kant (KU: 73, § 17) und (KU: 87, § 23). Kant (KU: 30, Einleitung, Abschnitt VIII). Kant (KU: 168, § 49). Vgl. Kant (KU: 211, § 59). 104 Ludwig Jäger Urteilskraft demjenigen, was sie im Schematisieren beobachtet, bloß analogisch ist, d.i. mit ihm bloß der Regel dieses Verfahrens, nicht der Anschauung selbst, mithin bloß der Form der Reflexion, nicht dem Inhalte nach übereinkommt.39 Schematische Hypotyposen sind deshalb – wie Kant formuliert – d ir e k te Versinnlichungen von Verstandesbegriffen, während symbolische Hypotyposen als in d ir e k te Versinnlichungen von Vernunftbegriffen, denen „keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann“, zu betrachten sind.40 Bei den direkten Darstellungen von Begriffen, also bei Schematen, verfährt die Einbildungskraft d e mo n s tr a tiv , während sie bei indirekten Darstellungen, den Symbolen, analogisch vorgeht.41 3.1 Die schematische Hypotypose: Begriffssemantik Wie bereits oben angedeutet wurde, lässt sich der Schematisierungsprozess in einem gewissen Sinne als ein Verfahren der S e ma n tis ie r u n g von Begriffen verstehen. Die Einbildungskraft schematisiert (und symbolisiert) ihre Begriffe, um sie auf diese Weise mit einer Semantik zu versehen.42 Dass sie sich hierzu veranlasst sieht, dass sie sich genötigt sieht, Verstandesbegriffen ‚korrespondierende Anschauungen‘ zu unterlegen, hat seinen Grund darin, dass die Begriffe, wenn „wir keine Anschauung zur Hand haben“, die ihnen korrespondiert, nichts weiter sind, als „leere Begriffe“43, „bloße Gedankenformen ohne objektive Realität“44, oder – wie sich noch zeigen wird – Begriffe ohne Sinn und Bedeutung. Ohne die Möglichkeit, dem Begriff einen „Gegenstand zu geben, darauf er sich beziehe, [...] hat er keinen Sinn, und ist völlig leer an Inhalt [...].“45 Ohne seine „Darstellung“ würde er „ohne Sinn, d.i. ohne Bedeutung bleiben“.46 Die schematische Hypotypose von Verstandesbegriffen ist demnach ein Verfahren, das dem Begriff Inhalt, d.h. „Sinn und Bedeutung“47 dadurch verschafft, dass es ihn in der Anschauung ‚verzeichnet‘ bzw. ‚darstellt‘. –––––––— 39 40 41 42 43 44 45 46 47 Kant (KU: 211, § 59). Kant (KU: 212, § 59). Vgl. Kant (KU: 212, § 59); vgl. hierzu Abschnitt 3.2; zum Kantischen Begriff der Analogie vgl. Villers (1997: 348ff.). Auch wenn diese Semantik noch nicht sprachlich gedacht ist, wird sich zeigen, dass sich hier der systematische Ort findet, an dem Humboldt seine sprachphilosophische Fortschreibung des Kantischen Denkens beginnen lässt. Vgl. Kant (KrV: B 75). Kant (KrV: B 148). Kant (KrV: B 298). Kant (KrV: B 299). Vgl. Kant (KrV: B 149). zur b e s timmte n Be d e u tu n g wird. wie Kant auch sagt. § 57). hierzu Hogrebe (1974: 94). . so handelt es sich bei diesem Sinn doch um einen noch u n b e s timmte n Sinn. jederzeit bereit und in der Lage zu sein. in gewissem Sinne vor: Denn wenn auch die Einbildungskraft dem Begriff im Verfahren der Darstellung S in n verschafft. § 57). der den Begriff kommunikabel macht. so ist der Begriff entweder leer. seine Bedeutung jederzeit deduziert48 oder. Hogrebe (1974: 83).2.50 Wir können nun also nach dem bisher Erörterten die schematische Hypotypose als ein Verfahren auffassen. d. kann seine Realität. b e w ie s e n werden: Ein wesentlicher Aspekt der legitimen Verwendung eines Begriffs besteht für seinen Verwender darin. als Bedeutbarkeit qua Bestimmbarkeit und. den er darstellt. also sinnlos. Die Darstellung von Verstandesbegriffen kann also als ein Be w e is v e r f a h r e n gedacht werden. die Darstellung verschaffe dem Begriff Sinn u n d Be d e u tu n g .h. dass die Einbildungskraft in diesem Prozess der Semantisierung nicht frei handelt. dass dem Begriff ein Gegenstand in der Anschauung gegeben werden kann. im Gegenzug dazu. in dem die Einbildungskraft mittels der ‚zuhandenen‘ Erfahrung die objektive Realität von Begriffen und damit die Legitimität des den Begriffen eingebildeten Sinnes vorführt. Kant (KU: 201. sollte er bezweifelt werden. also ein „Begriff (vom Übersinnlichen)“. sie sind insofern demonstrabel und kommunizierbar. dem „niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann“ und der deshalb von Kant den Namen eines „indemonstrabelen Begriff[s] der Vernunft“ erhält.51 Wenn also davon die Rede ist. Kant unterscheidet nämlich – wie Hogrebe gezeigt hat – „erstens. ihn darzustellen. Bedeutung als mögliche Bestimmtheit von Sinn“. oder eine „Vernunftidee“. kurz eine Semantik. vgl. hinsichtlich seiner Legitimität verteidigt werden.49 Ist die Demonstration nicht möglich. in dessen Vollzug Verstandesbegriffe (in einem nichtsprachlichen Sinne) semantisiert werden. Es ist sein Inhalt. ‚Sinn‘ als unbestimmte Bedeutung bzw. Der in seiner Verwendung mit ihm geltend gemachte Sinnanspruch kann nun nämlich. so ist hierbei vorausgesetzt. dass die Semantisierung des Begriffs eine gleichsam k o mmu n ik a tiv e Aufgabe erfüllt. Mit dem Nachweis. wenn sie im Vollzug der schema–––––––— 48 49 50 51 Vgl. weshalb Kant sie auch als „ D e mo n s tr a tio n “ von Begriffen bezeichnet: Begriffe „müssen als solche jederzeit demonstrabel sein“.Das schreibende Bewusstsein 105 Ebenfalls angedeutet hat sich oben bereits. Freilich greift die Feststellung. erhalten sie Sinn (und Bedeutung). dass der Begriff in der Darstellung semantisiert wird. Kant (KU: 201. Indem sie versinnlicht werden. zweitens. der durch ihn beanspruchte Sinn bzw. Sie darf. hierzu Abschnitt 3. der erst durch die gleichsam rückgewendete Subsumtion unter den Begriff. h. ihm zugesellt54 werden können. § 9).57 Im Hinblick auf das Problem der Semantik des Begriffs lässt sich nun also festhalten: In eben dem Maße. d.106 Ludwig Jäger tischen Hypotypose Anschauungen – und damit Sinn – herbeibringt. Kant sieht hier die Inexponibilität der ästhetischen Idee darin. sie muss unter den Begriff subsumiert werden können. § 57). § 40). § 9) und (KU: 147. der niemals ein Begriff adäquat gefunden werden kann. A llg e me in h e it. die dem Begriff unterlegt werden. Abschnitt IV). beide Aspekte 52 53 54 55 56 57 58 –––––––— Vgl. Vgl. Die Darstellung weist dem ansonsten leer bleibenden Begriff durch das Unterlegen einer Anschauung S in n zu. § 40). O b j e k tiv itä t. Kant (KU: 57. Kant (KU: 15. der aber zugleich erst durch die rückgewendete Subsumtion der Anschauung unter den Begriff als Be d e u tu n g bestimmt wird.“55 Als o b j e k tiv e r Schematismus der Urteilskraft56 ist der Schematismus ein Schematismus der b e s timme n d e n (und nicht reflektierenden) Urteilskraft. wenn wir Sinn als bestimmten Sinn verstehen. d. Sinn und Bedeutung sind insofern die Namen für Objektivität und Allgemeinheit der Verstandesbegriffe. während umgekehrt die Begriffe den unbestimmten Sinn als bestimmte Bedeutung konstituieren. muss die unterlegte Anschauung umgekehrt e x p o n ib e l sein. Vgl. Kant (KU: 201. Abschnitt IV). d. Kant (KU: 15.h. die er ihnen unterlegt. unter dem Zwange bestimmter Begriffe. wodurch die Bedeutung – wie noch deutlich werden wird – zugleich einen Anspruch auf in te r s u b j e k tiv e Geltung erlangt. weil das Besondere. in dem der Begriff in der direkten Darstellung d e mo n s tr a b e l sein muss. 59 . wobei die Anschauungen Begriffe mit Sinn und damit mit semantischem Realitätsanspruch versehen. In einem gesetzlichen Wechselspiel werden „den Begriffen Anschauungen und diesen wiederum Begriffe“59 zugesellt.h. Gehalt. und zwar deshalb.. wobei. dass „sie eine Anschauung (der Einbildungskraft) ist. § 40). auf die er sie bezieht. Das Zusammenspiel von Einbildungskraft und Verstand vollzieht sich insofern in der schematischen Hypotypose „gesetzlich. Einleitung.“ Kant (KU: 147. nicht in ein „freies Spiel“52 verfallen. Einleitung. Kant (KU: 55. Der objektive Schematismus der Urteilskraft leistet im Zuge der Semantisierung der Verstandesbegriffe also zweierlei: Er verschafft den Begriffen durch die Anschauungen. das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken“53 – wiederum unter den Begriff subsumiert. Vgl. Vielmehr müssen die Anschauungen von der Urteilskraft – als dem „Vermögen. zugleich wiederum unter ihn subsumiert und durch ihn bestimmt werden muss. Kant (KU: 147. Kant (KU: 147. § 40). das den Begriff darstellt. und den Anschauungen umgekehrt durch die Begriffe. der ihr „adäquat“58 ist. ) überzeugend herausgearbeitet.h. weil in ihr Demonstrabilität und Exponibilität zusammenstimmen.h. Das ‚schreibende Bewusstsein‘ ist – auch bereits im Rahmen des Schematismuskonzeptes – ein k o mmu n iz ie r e n d e s Bewusstsein. d.Das schreibende Bewusstsein 107 im Begriff der Bedeutung aufgehoben sind: Begriffe – sofern ihnen Bedeutung zukommt – sind objekt-allgemeine Begriffe. unter dem Namen des Laubwerks. die Bestimmung der Anschauung durch – den Begriff. § 4).62 Die Semantik von Begriffen ist also zweifelsfrei klar und bedarf – im Gegensatz zu symbolisch dargestellten Ideen – keiner „Erläuterung“. Vgl. Kant (KU: 113. d. Vgl. Bedeutung ist einmal bestimmte. Es gibt also gleichsam einen demonstrablen und einen exponiblen Aspekt der Begriffsbedeutung: Als demonstrable Bedeutung leistet sie die Darstellung des Begriffs durch eine unterlegte Anschauung. sie „unter Begriffe vom Objekt“ zu subsumieren. Verständlichkeit hat deshalb für Kant den gleichen Doppelsinn. sind sie v e r s tä n d lic h und insofern mi t t e i l b a r .2. zusammengesetzt ist: „In Ansehung dieser Zusammensetzung nun –––––––— Kant (KU: 44. etwa Kant (KU: 80. dass sie kommunizierbar werden.]. 3.“ Dies hat Wolfram Hogrebe (1974: 196ff. als was ein unseren Worten Korrespondierendes in der Anschauung mit sich führt“. ohne Absicht ineinander geschlungene Züge. als exponible Bedeutung die Subsumtion der Anschauung unter – bzw. d. § 40). weil sie gleichsam aus Darstellung und Subsumtion. hier tritt diese Bestimmung in negativer Form auf: „Blumen. die sich wechselseitig hervorbringen. Kant (1922).61 Dass Begriffen Sinn und Bedeutung zugeeignet wird. Die objektiv-allgemeine Bedeutung der Verstandesbegriffe ist verständlich und insofern „Anderen communicabel“65. 60 61 62 63 64 65 . sie „auf Begriffe [zu] bringen“64. Weil sie über einen Inhalt verfügen. sondern auch. objektivierter Begriff.h. Im Begriff der Bedeutung ist also sowohl das Moment der Darstellung als auch das des Abhängens von bestimmten Begriffen60 aufgehoben. zum Kantischen Begriff der Erläuterung unten Kap. weil wir „nichts verstehen [können].63 Ihre Kommunizierbarkeit ist insofern problemlos gesichert. der bereits den Begriff der Bedeutung bestimmt: Eine Vorstellung verständlich machen heißt nämlich nicht nur. heißt deshalb.. § 29). ihr einen ihr notwendig korrespondierenden Gegenstand in der Anschauung zu unterlegen. freie Zeichnungen.. unter Begriffe subsumierte und insofern verallgemeinerte Anschauung und zum andern zugleich realisierter. ebenso etwa (KU: 146. Vgl. Kant hat nun – dies deutete sich bereits bei seiner Auffassung der Darstellung von Begriffen als Beweisverfahren an – das Problem der Zuweisung von Sinn und Bedeutung zu Begriffen im Hinblick auf den Aspekt ihrer Kommunizierbarkeit erörtert. § 21). hängen von keinem bestimmten Begriffe ab [. zitiert nach Hogrebe (1974: 197). bedeuten nichts. 108 Ludwig Jäger können wir uns einander mitteilen.“66 Die darstellende Einbildungskraft und der subsumierende Verstand erzeugen gesetzlich zusammenstimmend in der Begriffsbedeutung ein Zusammengesetztes, das als Interaktionsergebnis „für jedermann gültig (communicabel) ist“67: Die Geschicklichkeit der Menschen, sich ihre Gedanken mitzuteilen, erfordert auch ein Verhältnis der Einbildungskraft und des Verstandes, um den Begriffen Anschauungen und diesen wiederum Begriffe zuzugesellen, die in ein Erkenntnis zusammenfließen; aber alsdann ist die Zusammenstimmung beider Gemütskräfte gesetzlich, unter dem Zwange bestimmter Begriffe.68 Wir können also festhalten: Die schematische Hypotypose kann, insofern sie eine Veranschaulichung (Darstellung) von Begriffen ist, als ein wesentliches Moment der Semantisierung von Begriffen verstanden werden, allerdings als eine solche, die sich ‚gesetzlich noch unter einem Zwang der Begriffe‘ vollzieht. Sie ist – anders als in der semiologisch-sprachphilosophischen Tradition – keine Semantisierung, in der die Vorgängigkeit des Begriffs aufgehoben würde, in der – wie später Humboldt formulieren sollte – „die Bezeichnung erst das Entstehen des zu Bezeichnenden vor dem Geiste vollendet.“69 Dass das Bewusstsein als ‚schreibendes Bewusstsein‘, will es seine sonst leer bleibenden Begriffe verzeichnen, ‚Anschauung zur Hand haben‘ muss,70 heißt bei Kant im Gegensatz zu Humboldt noch nicht, dass es sich bei dieser „Handhabe“, „an welcher der Geist die intellektuellen Begriffe auffasst“71, um etwas Sprachliches handelte. 3.2 Die symbolische Hypotypose: Ideensemantik Wir haben oben bereits gesehen, dass Kant neben die schematische Hypotypose eine weitere Form der Darstellung des Unsinnlichen setzt, die im Gegensatz zu der direkten und demonstrablen Darstellungsform des Schematismus der Verstandesbegriffe in d ir e k t und s ymb o lis c h verfährt. Auch bei der indirekten Darstellung geht es um eine Versinnlichung von Begriffen,72 allerdings muss hier die Form der Darstellung dem Umstand Genüge tun, dass es sich bei den zu versinnlichenden Begriffen nicht um demonstrable Verstandesbegriffe, sondern um indemonstrable Begriffe der Ver–––––––— 66 67 68 69 70 71 72 Vgl. Kant (1922), zitiert nach Hogrebe (1974: 197). Vgl. Kant (1922), zitiert nach Hogrebe (1974: 197). Kant (KU: 147, § 40). Humboldt (GS 5: 436). Vgl. Kant (KrV: B 75). Humboldt (GS 5: 427). Vgl. Kant (KU: 212, § 59). Das schreibende Bewusstsein 109 nunft73 handelt. Bei einer Vernunftidee erreicht – wie Kant formuliert – „die Einbildungskraft mit ihren Anschauungen den gegebenen Begriff nicht“74. Es tritt hier „die Unzweckmäßigkeit des Vermögens der Einbildungskraft für Vernunftideen und deren Erweckung“75 hervor. Die Einbildungskraft greift in ihrer „objektive[n] Unangemessenheit“76 gleichsam zu kurz, weil es sich bei der Vernunftidee um einen Begriff besonderer Art handelt, um einen „tr a n s z e n d e n te [ n ] Begriff“ nämlich, der „vom Verstandesbegriffe, dem jederzeit eine adäquat korrespondierende Erfahrung unterlegt werden kann, und der darum imma n e n t heißt“77, als ein „Begriff (vom Übersinnlichen)“78 unterschieden werden muss. Für Begriffe dieser Art, für Ideen bzw. Vernunftbegriffe kann deshalb „keine Erscheinung gefunden werden, an der sie sich in concreto vorstellen ließen. Sie enthalten eine gewisse Vollständigkeit, zu welcher keine mögliche empirische Erkenntnis zulangt“79; ja sie dienen geradezu dem Zwecke, „auch zu zeigen, daß nicht alle möglichen Dinge Gegenstände der Erfahrung seien“.80 Deshalb sind Vernunftbegriffe „indemonstrabel“ oder – wie es auch heißt – „überschwenglich“.81 Wenn nun aber – wie Kant kategorisch erklärt – Ideen „[b]uchstäblich genommen und logisch betrachtet [...] nicht dargestellt werden“82 können, stellt sich natürlich die Frage, in welcher Weise im Zuge der symbolischen Hypotypose überhaupt noch von einer „D a r s te ll u n g der Vernunftbegriffe“83 die Rede sein kann. Diese Frage ist umso aufklärungsbedürftiger, als es ja – wie sich oben gezeigt hat – ihre Demonstrabilität, ihre Darstellbarkeit ist, die Begriffen Sinn und Bedeutung und damit Kommunikabilität verleiht. Es stellt sich also die Frage, um was für eine Be d e u tu n g s a r t, um was für eine Form der Semantisierung es sich bei Vernunftbegriffen handeln kann, wenn die Hypotypose nur indirekt und symbolisch erfolgt – oder anders, wie die Ein–––––––— 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 Vgl. Kant (KU: 201, § 57). In unserem argumentativen Zusammenhang kann das terminologische Verhältnis von „transzendentaler Idee“, „Vernunftbegriff“ und „Vernunftidee“ im Hinblick darauf als weithin synonymes behandelt werden, dass es sich hier um Begriffe handelt, „deren Gegenstand gar nicht in der Erfahrung angetroffen kann werden.“ (Kant WZB 5: 522). Von Belang ist hier allein die Opposition zwischen „ästhetischer Idee“ und „Vernunftidee“ sowie die Abgrenzung beider zum „Verstandesbegriff“; vgl. hierzu etwa Kant (KU: 200, § 57). Kant (KU: 202, § 57). Kant (KU: 105, § 27). Kant (KU: 117, § 29). Kant (KU: 200, § 57). Kant (KU: 201, § 57). Kant (KrV: B 595f.). Kant (WZB 5: 522). Vgl. etwa Kant (KU: 2, Vorrede). Kant (KU: 114, § 29). Kant (KU: 168, § 49) (Hervorhebung von mir, L.J.). 110 Ludwig Jäger bildungskraft angesichts ihrer ‚Unzweckmäßigkeit für Vernunftideen und deren Erweckung‘ ihrer Aufgabe – nämlich der Darstellung der Vernunftbegriffe – gleichwohl gerecht werden will. Diese Frage wird von Kant zunächst so beantwortet: Dem Dilemma, einerseits die Vernunftbegriffe im Interesse ihrer Semantisierung versinnlichen zu müssen, ohne aber andererseits über adäquat korrespondierende Erfahrungen für ihre Darstellung zu verfügen, entzieht sich die Einbildungskraft, indem sie zwar – mangels Alternativen – auf das Verfahren des Schematismus, obgleich es unangemessen ist, zurückgreift, es aber aufgrund seiner Unangemessenheit „bloß analogisch“ anwendet, d.h. mit ihm „bloß der Regel dieses Verfahrens, nicht der Anschauung selbst, mithin bloß der Form der Reflexion, nicht dem Inhalte nach übereinkommt.“84 Die Einbildungskraft unterlegt in der symbolischen Hypotypose dem Vernunftbegriff eine Anschauung, die ihr zwar nicht adäquat korrespondiert (und die ihr insofern auch nicht zur Herbeiführung einer bestimmten Erkenntnis subsumiert werden kann), die aber gleichwohl als „indirekte Darstellung[]“85 die Vorstellung des Gegenstandes „symbolisch als Vorstellung nach einer bloßen Analogie“86, oder – wie Kant an anderer Stelle formuliert – durch den „Schematism der Analogie“87, ermöglicht. Was dies näherhin heißt, hat Kant im § 59 der „Kritik der Urteilskraft“ im Zusammenhang seines Versuchs behandelt, ‚Darstellungen‘ von ‚Charakterismen‘ abzugrenzen. Auch indirekte Darstellungen müssen als D a r s te llu n g e n – im Gegensatz zu bloßen Ch a r a k te r is me n , „die an sich nichts bedeuten“88, – etwas „zur Anschauung des Objekts Gehöriges enthalten“.89 Dieses der Vernunftidee und der ihr unterlegten Anschauung gemeinsame Moment ist – wie Kant sagt – „die bloße Regel der Reflexion“ über den Gegenstand der unterlegten Anschauung.90 Es besteht – wie Kant ausführt – eine „Ähnlichkeit“, die zwischen den Gegenständen selber nicht besteht; diese Ähnlichkeit zwar nicht der Objekte, aber der Reflexion über sie, macht den Gegenstand der unterlegten Anschauung zum S ymb o l des ganz anderen im Begriff gedachten Gegenstandes,91 „dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann“92: 84 85 86 87 88 89 90 91 –––––––— Kant (KU: 211, § 59); vgl. zu Kants Begriff der Analogie Villers (1997: 348ff.). Kant (KU: 212, § 59). Kant (KU: 212, § 59, Anm.). Kant (WZB 7: 718). Kant (WZB 10: 497). Kant (KU: 212, § 59). Vgl. Kant (KU: 212, § 59). In der symbolischen Hypotypose verrichtet die Urteilskraft „ein doppeltes Geschäft“, nämlich „erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung, und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion über jene Anschauung Das schreibende Bewusstsein 111 Das Symbol einer Idee (oder eines Vernunftbegriffes) ist eine Vorstellung des Gegenstandes nach einer Analogie, d.i. dem gleichen Verhältnisse zu gewissen Folgen, als dasjenige ist, welches dem Gegenstande an sich selbst zu seinen Folgen beigelegt wird, obgleich die Gegenstände selbst von ganz verschiedener Art sind.93 Als Beispiel gibt uns Kant das folgende: So wird ein monarchischer Staat durch einen beseelten Körper, wenn er nach inneren Volksgesetzen, durch eine bloße Maschine aber (wie etwa eine Handmühle), wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, in beiden Fällen aber nur symbolisch vorgestellt. Denn zwischen einem despotischen Staate und einer Handmühle ist zwar keine Ähnlichkeit, wohl aber zwischen der Regel, über beide und ihre Kausalität zu reflektieren.94 Die Urteilskraft kann also, indem sie auf beide Gegenstände eine ähnliche Form der Reflexion anwendet, den Gegenstand der unterlegten Anschauung als Symbol des im Begriff gedachten Gegenstandes gebrauchen. Sie reflektiert über den im Begriff vorgestellten Gegenstand gleichsam nach dem Modell der Reflexion über den dem Begriff unterlegten Gegenstand der Anschauung und symbolisiert so analogisch eine als „übersinnliche Beschaffenheit“ eigentlich unfassliche Idee.95 In der symbolischen Darstellung nach Analogie wird – wie Kaulbach das Verfahren charakterisiert – „ein auf schematischem Weg beschriebener Begriff noch einmal auf einen anderen bezogen. Das Symbol zeigt der Urteilskraft eine gedankliche Figur, die ihr zum Leitfaden der Reflexion über den Gegenstand dienen kann.“96 Die Urteilskraft greift gleichsam auf die schematisierte Begriffssemantik von ‚Handmühle‘ zurück, um über die direkt nicht darstellbaren Ideen von ‚despotischer Staat‘ und ‚Vollkommenheit‘ zu reflektieren. Der „Schematism der Analogie“ zeigt sich also als ein Verfahren, das an die Stelle der ‚direkten Verzeichnung‘ des Vernunftbegriffs (die auch gar nicht möglich wäre) seine indirekte, symbolische Semantisierung setzt, seine – wie Kant sie auch nennt – E r lä u te r u n g : „[W]ir bedürfen, um uns übersinnliche Beschaffenheiten faßlich zu machen, immer einer gewissen Analogie mit Naturwesen […]. Das ist der Schematism der Analogie (zur Erläute–––––––— 92 93 94 95 96 auf einen ganz anderen Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden.“ (Kant KU: 212, § 59). Kant (KU: 213, § 59). Kant (WBZ 5: 613f.); vgl. zum Begriff der Analogie ebenso Kant (WBZ 5: 233): „Eine solche Erkenntnis ist die nach der Analogie, welche nicht etwa, wie man das Wort gemeiniglich nimmt, eine unvollkommene Ähnlichkeit zweener Dinge, sondern eine vollkommene Ähnlichkeit zweener Verhältnisse zwischen ganz unähnlichen Dingen bedeutet.“ Kant (KU: 212, § 59). Vgl. Kant (WZB 7: 718). Kaulbach (1971: 344). 112 Ludwig Jäger rung), den wir nicht entbehren können.“97 Der Vernunftbegriff wird nicht direkt, sondern analogisch durch ein Symbol, d.h. – wie man auch sagen könnte – durch seine erläuternde Transkription schematisiert.98 Die ‚schreibende Vernunft‘ begibt sich auf den Weg zu einer ‚um-schreibenden‘, transkribierenden Vernunft. Während sie in der schematischen Hypotypose nur intersubjektiv gültige und objektive Inhalte lediglich mitteilt und insofern hier die Semantik der Begriffe in der Kommunikation als unproblematisch vorausgesetzt ist (weil sie im Falle des Zweifels jederzeit ‚deduziert‘ werden könnte), muss sich die ‚schreibende Vernunft‘ in der Sphäre der Ideen s e ma n tis c h in Bewegung setzen und transkribieren, d.h. schematisierte Begriffe und Vernunftbegriffe zum Zwecke der Semantisierung der letzteren aufeinander beziehen. Die an sich für die Semantisierungsbemühungen des Schematismus unerreichbare Vernunftidee muss nun analogisch durch ihre erläuternde Transkription – also in einer Um-Schrift – semantisiert werden, wobei zu diesem Zweck ein Rückgriff auf schematisch bereits beschriebene Begriffe erfolgt. Mit Goodman könnte man sagen, die ‚schreibende Vernunft‘ unternimmt den Versuch, die bereits schematisierte Semantik eines Begriffs aus ihrer begrifflichen Heimatssphäre herauszulösen und sie „zur Sortierung und Organisierung einer fremden Sphäre“99, nämlich der der Vernunftidee, zu verwenden. Nur auf diese Weise, dadurch nämlich, dass sie auf die Idee aus der semantischen Perspektive des Symbols Bezug nimmt, dass sie die Idee mit dem Symbol transkribiert, kann es der ‚um-schreibenden Vernunft‘ gelingen, der eigentlich undarstellbaren Idee in einem Verfahren der „Nothülfe“100 durch eine Analogie „Bedeutung zu verschaffen“101 und sie „uns verständlich zu machen.“102 Freilich ist die „Erkenntnis [...] nach der Analogie“103 ein für die Vernunft zugleich unvermeidliches und unbefriedigendes Verfahren. Sie kann bei den Ideen des Übersinnlichen, etwa bei der Idee ‚Gott‘, „eigentlich kein theoretisches Erkenntnis“104 haben, sondern sie greift, wenn sie dem ‚Begriff des höchsten Wesens‘ menschliche Eigenschaften wie ‚Verstand‘ oder ‚Willen‘ analogisch zuschreibt, auf einen „symbolischen Anthropomorphism“ zurück, der – wie Kant formuliert – „in der Tat nur die Sprache und nicht das Objekt –––––––— 97 98 Kant (WZB 7: 718). Villers (1997: 353ff.) versucht, die symbolische Hypotypose als metaphorisches Verfahren zu deuten. 99 Goodman (1997: 76). 100 Kant (WZB 5: 613). 101 Kant (WZB 10: 498). 102 Kant (WZB 7: 719). 103 Kant (WZB 5: 233); vgl. Anm. 93. 104 Vgl. Kant (WZB 5: 614); vgl. auch Kant (KU: 198, § 57). Ihre eigenen Leistungen symbolisierender Um-Schreibung und erläuternder Transkription können nur als „Nothülfe für Begriffe des Übersinnlichen“ gelten. Vielmehr infiltriert das symbolische Verfahren mit seiner ideensemantischen Unschärfe und Indirektheit auch noch das System der sprachlichen Charakterismen.“107 Die symbolische Hypotypose.h. Begriffe mit Sinn und Bedeutung zu versehen und sie „communicabel“ zu machen. sie auszudrücken“.“105 Die Idee bleibt unerreichbar. das Symbolische vom Intellektuellen [. aber „nicht nach dem.106 Die symbolische Hypotypose verschafft der Idee zwar. in dem das Erläuterte entzogen – oder wie man auch sagen könnte – letztlich unaufgeklärt bleibt. davon ich ein Teil bin“.]. verhüllt diese in demselben Maße. das ich zwar durch seine analogische Symbolisierung „nach dem. hat noch wenige Begriffe des Verstandes [. durch die die semantische Evidenz und kommunikative Allgemeinheit der Begriffssemantik nicht erreicht werden kann. d.. ein Unbekanntes. Kants Unterscheidung von „dogmatischem“ und „symbolischem Anthropomorphism“ sowie die Kritik an Hume kann hier nicht erörtert werden.“108 Sie befördern hier jenes symbolische Reden. Da Kant eine solche Form der Rede vor allem der Sprache der „Wilden“ sowie den „alten Gesänge[n].109 –––––––— 105 Kant (WZB 5: 233).. lässt ihre Semantik aber letztlich unberührt oder. § 59).]. Die Erläuterung der Idee ist zugleich ihre Verhüllung. die zwar einige Zeit hindurch nützliche und nötige Hülle von der Sache selbst zu unterscheiden. indem sie sich analogisch am Verfahren der schematischen Hypotypose orientiert. 106 Vgl. erkenne. 108 Kant (KU: 212.. „in den Darstellungen der [. vom Homer an bis zum Ossian“. ‚unaufgeklärt‘.. ihre symbolische Um-Schrift ein Umweg. wie Kant meint. in das sich nun neben den Ausdrücken für Begriffe solche für Symbole einnisten: „Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen nach einer Analogie.Das schreibende Bewusstsein 113 selbst angeht. Da sich die Ideensemantik am Modell der Begriffssemantik.. der nicht wirklich zum Ziel führt – kurz: ein Prozess. indirekt Bedeutung und macht sie verständlich. 107 Kant (WZB 10: 498). also . das für Kant letztlich nur unaufgeklärtes Reden sein kann: „Wer sich immer nur symbolisch ausdrücken kann. wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema für den Begriff. in dem sie sie uns verständlich macht. was es vor mich ist. kann sie letztlich nur als defizitär erscheinen. Kant (WZB 5: 233). am Verfahren des Schematismus orientiert. was es an sich selbst ist“. nichts als Armut an Begriffen und daher auch an Wörtern. sondern bloß ein Symbol für die Reflexion enthält. Denn in der Tat nennt es Kant „Aufklärung“.] zur reinen Vernunft gehörigen Begriffe (Ideen genannt). nämlich in Ansehung der Welt. so sehr sie uns auch überhaupt eine Bedeutung der Idee erschließt. 109 Kant (WZB 10: 498).. so kann kein Zweifel daran bestehen. „die an sich nichts bedeuten“. der Ideen gedacht wird. können sie im Verfahren des Schematisierens keine ‚darstellende‘ Kraft entfalten. nachzubilden. Sie bezeichnen Begriffe. erlauben der Einbildungskraft deren Reproduktion und enthalten im Gegensatz zu Schematen und Symbolen nichts „zur Anschauung des Objekts Gehöriges“. Symbolismus und Sprache gleichsetzt. Ihre Funktion ist darauf beschränkt. die ihr die Schulphilosophie des 18. als Prozess der Semantisierung sowie Kommunikabilisierung der Begriffe bzw. Es ist dieser semantisch-kommunikative Grundzug des Schematismus-Modells. Obgleich Kant also hinsichtlich seiner Geringschätzung der Sprache nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig lässt. sie in die Peripherie der Hypotypose zu verdrängen. dass ihr da.114 Ludwig Jäger 3. zu diesem Problemzusammenhang Stetter (1997).“110 Als Bezeichnungen. Tatsächlich misslingt ihm nämlich der Versuch. scheint er hier die ‚Great-Divide-Hypothese‘ vorwegzunehmen. .h. symbolische und ästhetische Hypotypose darin. dass Kant mitunter Begriff und Wort bzw. wo Kant sie explizit (zumeist nur beiläufig) thematisiert. je weniger es sich im Schutzraum der –––––––— schriftlosen Kulturen zuschreibt. Jahrhunderts zuweist. 110 Humboldt (1880: 27). Freilich unterscheiden sich die Formen der Hypotypose als schematische. Insofern ist die schematisierende Vernunft in der Tat eine ‚schreibende Vernunft‘. ihre tatsächliche Rolle in den hypotypotischen Verfahren nur an den manifesten „Andeutungen“ Kants zur Sprache abzulesen. insbesondere da.3 Die ästhetische Hypotypose: transkriptive Semantik Betrachtet man also die Stellung der Sprache im Theoriezusammenhang der schematischen und der symbolischen Hypotypose. dann aber auch daran. dass die Sprache immer wieder wirkungsmächtig ihre Partizipation am Geschäft der ‚schreibenden Vernunft‘ erzwingt. wäre es doch unangemessen. d. dass das Sprachproblem in unterschiedlicher Gewichtigkeit hervortritt. wo sie symbolisch und ästhetisch verfährt. Dies zeigt sich an verschiedenen Indizien: zunächst etwa daran. dass das Verfahren der Darstellung des Begriffs in den verschiedenen Formen der Hypotypose. Sprachzeichen sind „bloße Charakterismen“. Es ist vielmehr gerade im Denkzusammenhang der ästhetischen Urteilskraft unübersehbar. das früher da ist. wenn auch in signifikant unterschiedlicher Weise. oder zufällig üblich gewordener Begriffszeichen“ zuerkannt wird. an dem die latente Sprachlichkeit des Kantischen Denkens sichtbar wird. der Status allenfalls eines Systems „willkührlicher. direkt (schematisch) oder indirekt (symbolisch) bereits fertige Begriffe als „etwas. Vgl. Das Darstellungsverfahren wird offensichtlich um so ‚sprachlicher‘. die differenziertes begriffliches Denken (und Sprechen) erst mit dem Zeitalter der Schrift anheben lässt. sie in ihrer epistemologischen Reichweite auf die Funktionen zu beschränken. zitiert nach Hogrebe (1974: 197).Das schreibende Bewusstsein 115 schematischen Hypotypose vollzieht.112 herbeizuführen und zu sichern. auch wenn er hierin nur ein „Nothülfe“-Verfahren sieht. 114 Kant (KU: 211. Die ‚schreibende Vernunft‘ kann sich hier nicht mehr darauf beschränken. durch die Symbolisierung der Idee. die zueinander in Bezug gesetzt werden müssen. an dem mindestens zwei Begriffe (Verstandesbegriff und Vernunftbegriff) beteiligt sind. Anders verhält es sich freilich bereits in der symbolischen Hypotypose. über die Verständlichkeit ihrer Begriffe deren Mitteilbarkeit. Kant (1922). mit dem Konzept der symbolischen Hypotypose einen Weg zu beschreiten. sich in erläuternden Um-Schriften an die letztlich unerreichbare Semantik der Ideen anzunähern. 115 Brandom (2001: 28). .. hat sie doch faktisch ihre semantische Regelungsmacht verloren. Die ‚schreibende Vernunft‘ muss in einen Prozess eintreten. weil das für den schematisierenden Verstand charakteristische normgebende Erzeugungsmodell monolithischer Begriffssemantik verlassen wird. und das heißt ‚die Übereinstimmung zwischen den Subjekten‘. Obgleich die schematische Hypotypose noch als Bezugshorizont der symbolischen fungiert.115 Die Semantik der Idee lässt sich. Dass die ‚schreibende Vernunft‘ ihre Begriffe verständlich und anderen kommunizierbar machen will. Sie muss vielmehr versuchen.] erzwungen werden“113 kann. Kant (KU: 52. Die Regelungsmacht des Verstandes sichert eine unproblematische Bedeutung der Begriffe. vgl. der sich mit Brandom als der Übergang von einer referentiellen zu einer inferentiellen Begriffssemantik beschreiben lässt.111 dass sie es darauf abgesehen hat. Die Semantik der Ideen lässt sich allenfalls symbolisch durch schematisierte Begriffssemantiken e r lä u te r n . das „sie im Schematisieren beobachtet“ hat. gelingt nur wirklich überzeugend unter den Bedingungen der schematischen Hypotypose. die Ergebnisse ihrer Schematisierungen lakonisch mitzuteilen. nur über ein Begriffsspiel bewerkstelligen. Auch wenn Kant also das interbegriffliche Spiel der symbolisierenden Vernunft letztlich als defizitär ansieht. kann eine Hilfssemantik erzeugt werden. eine Ma–––––––— 111 112 Vgl. hierzu Jäger (2008c). sind die Anforderungen an kommunikativ-sprachliche Verständigungsprozesse gering.h. Hier verfährt die Hypotypose nur noch analog zu dem Verfahren.114 Sie kann nun die allgemeine Geltung der Bedeutung ihrer Begriffe nicht mehr durch Beweise e r z w in g e n . wenn überhaupt. § 35). der das Niveau des einzelnen Begriffs verlässt und sich in die Sphäre interbegrifflicher Relationen begibt. d. § 59). entfalteter dann anlässlich der ästhetischen Hypotypose. beginnt er doch. 113 Kant (KU: 136. Nur im Zuge der analogischen Adressierung einer Idee durch einen Begriff. In der Tat wendet Kant bereits hinsichtlich der symbolischen Hypotypose.. § 8). Wo der „notwendige allgemeine Beifall durch Beweise [. Kant (KU: 201.121 Das so in Gang gesetzte Spiel ist.123 wobei 116 117 –––––––— Brandom (2001: 28). dass sich die ästhetische Hypotypose gänzlich aus dem Bestimmungsrahmen des Verstandesschematismus löst. unter dem Zwange bestimmter Begriffe“118 erfolgte. die ihrerseits durch keinen Begriff erreicht werden können. Zum Saussureschen Begriff des Parasème und zu seiner Bedeutung für eine inferentielle Semantik vgl. die Überzeugung nämlich. überhaupt irgendwelche Begriffe zu haben. deren sich die Einbildungskraft bei der Darstellung der Vernunftbegriffe bedient. sondern – wie sich zeigen wird – um die ästhetisch-aisthetische Hervorbringung von Begriffen geht.122 Die ‚indemonstrabelen Begriffe der Vernunft‘ interagieren nun mit ihrerseits ‚inexponibelen ästhetischen Ideen‘. In der Verlagerung des Semantisierungsprozesses von der solitären Begriffssemantik des schematisierenden Verstandes zu einer interbegrifflichen oder – wie man mit Saussure sagen könnte – parasemischen Semantik117 zeigt sich am eindringlichsten. die dann in das Zentrum der Kantischen Überlegungen zur ästhetischen Hypotypose rückt. § 57). Kant (KU: 202. 119 Vgl. wenn man nicht viele hat.116 Ludwig Jäger xime an. 120 Kant (KU: 147. § 40). § 40). Es sind in der ästhetischen Hypotypose vor allem die „ästhetischen Ideen“. § 35) und (KU: 161. § 57). 123 Vgl. § 57). in dem die ästhetische Urteilskraft die beiden Gemütskräfte auf einem neuen Niveau semantisieren lässt. 118 Kant (KU: 137. in dem die Zusammenstimmung der beiden Gemütskräfte ‚Einbildungskraft‘ und ‚Verstand‘ „gesetzlich. „So wie an einer Vernunftidee die Einbildungskraft mit ihren Anschauungen den gegebenen Begriff nicht erreicht. 121 Kant (KU: 137. so erreicht bei einer ästhetischen Idee der Verstand durch seine Begriffe nie die ganze innere Anschau- . Kant (KU: 100. § 26) und (KU: 202. Wir haben es nun mit einer Zusammenstimmung zu tun. und dieser ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein regelmäßiges Spiel versetzt“120. während sie sich in der ästhetischen Hypotypose – wie Kant formuliert – „in ihrem freien Spiele“119 vollzieht. auf einem Niveau. bei der die Einbildungskraft „in ihrer Freiheit den Verstand erweckt. dass „es nicht möglich [ist]. Jäger (2008d).“116 Es ist eben diese semantiktheoretische Maxime. § 35) 122 Vgl. wie man sagen könnte. ein Spiel. also „ohne Begriff schematisiert“. ein ‚parasemisches‘ Spiel. Die prinzipiell durch Anschauung unerreichbaren Vernunftideen treffen nun nämlich in den „ästhetischen Ideen“ auf Vorstellungen der Einbildungskraft. die zu einer grundlegenden Befreiung des hypotypotischen Verfahrens von den begrifflichen Fesseln des Verstandes und zu neuen Formen der Semantisierung von Begriffen führen. auf dem es nicht mehr nur um die Veranschaulichung und Symbolisierung. die für den Inferentialismus zentral ist. als sich niemals in einem bestimmten Begriff zusammenfassen läßt. d..h. dass sie sie durch ein Netzwerk ästhetischer Attribute transkribiert.“129 Sie gibt mehr zu denken. sondern nur. so ist die Einbildungskraft hierbei schöpferisch und bringt das Vermögen intellektueller Ideen (die Vernunft) in Bewegung. die –––––––— ung der Einbildungskraft. weil die Einbildungskraft nun schöpferisch tätig ist und aus Anlass einer gegebenen Vernunftidee bei dem Versuch seiner Darstellung eine Fülle von Nebenvorstellungen („ästhetische Attribute“) freisetzt. indem sie sie in ein Geflecht von „Nebenvorstellungen der Einbildungskraft“ einschreibt. § 57). aber für sich allein soviel zu denken veranlaßt. 127 Kant (KU: 168. § 49). das zwar nicht begrifflich konsistent ist. ist der Prozess der Semantisierung von Vernunftideen unabschließbar. Sie ist von einer semantischen Fülle. ohne dass je eine Stillstellung in begrifflichsemantischer Definitheit sich einstellen könnte. mehr nämlich bei Veranlassung einer Vorstellung zu denken [.125 Sie erweitert die Vernunftidee ästhetisch – dadurch. mithin den Begriff selbst auf unbegrenzte Art ästhetisch erweitert. als Nebenvorstellungen der Einbildungskraft. .. „die Aussicht in ein unabsehliches Feld verwandter Vorstellungen eröffnet. die zu seiner Darstellung gehört. in die er eingeflochten ist. Sie semantisiert sie. 130 Kant (KU: 169. Die ästhetische Idee wirft deshalb für Kant ein Problem sowohl hinsichtlich der Semantik des dargestellten Begriffs als auch hinsichtlich seiner Kommunizierbarkeit auf. 129 Kant (KU: 168. zu mäandern. die „nicht die Darstellung eines gegebenen Begriffs selber ausmachen. die „keine Sprache völlig erreicht und verständlich machen kann. aber – „obzwar auf unentwickelte Art“126 – „viel zu denken veranlaßt“127. § 49). § 49). 128 Kant (KU: 169.].“ (Kant KU: 202. Er lädt dazu ein. § 49). „als man in einem durch Worte bestimmten Begriff ausdrücken kann“. aus Anlass einer Vernunftidee in den parasemischen Netzwerken. welche sie mit einer gegebenen Vorstellung verbindet. 125 Kant (KU: 169. § 49). 126 Kant (KU: 170. § 49). § 49).Das schreibende Bewusstsein 117 diese deshalb inexponibel sind.“128 Wie diese Bestimmungen der ästhetischen Hypotypose zeigen. 124 Kant (KU: 169. die sich nicht unter Begriffe subsumieren lassen: Wenn nun einem Begriffe eine Vorstellung der Einbildungskraft untergelegt wird. als in ihr aufgefasst und deutlich gemacht werden kann.130 Die schematisierte Semantik der Verstandesbegriffe (einschließlich der sprachlichen Charakterismen. die damit verknüpften Folgen und die Verwandtschaft desselben mit anderen ausdrücken“.124 Die ästhetische Idee ruft also bei einem gegebenen Begriff (einer Vernunftidee) über ästhetische Attribute parasemische Netzwerke der Begriffsverwandtschaft auf. als Begleitung eines Begriffs. und andererseits zu diesen den Ausdruck zu treffen.“135 Sie ist nun vielmehr eine solche.. die aus keinen vorhergehenden Prinzipien oder Beispielen hat gefolgert werden können) zu vereinigen. „zu einem gegebenen Begriffe [ästhetische] Ideen aufzufinden.] zu versinnlichen“133. Kant bestimmt deshalb das Talent des Dichters als das Vermögen. hier zitiert nach Borsche (1981: 176). indem sie sie transkribiert. in welcher sich das Vermögen ästhetischer Ideen in seinem ganzen Maße zeigen kann. § 49). § 49). die geeignet ist. als Mittel der reproduktiven Einbildungskraft schon verfertigte Begriffe zurückzurufen. die konstitutiv in das Verfahren der poetischen Begriffsbildung einbezogen ist.“131 Zugleich ist es nun auch einleuchtend. 136 Kant (KU: 172.118 Ludwig Jäger sie bezeichnen) ist als Erklärungsmodell für die ästhetische Darstellung und Semantisierung der Vernunftideen unbrauchbar. dass Kant im Horizont der ästhetischen Hypotypose – ohne dies explizit zum Ausdruck zu bringen – seine Wahrnehmung des Sprachproblems grundsätzlich verändert und davon spricht. als bloßem Buchstaben.“136 Das Genie verfügt also in der ästhetischen Hypotypose über das Talent. durch die sie veranlasst werden.. § 49). anderen mitgeteilt werden kann. § 49). 134 Kant (KU: 172. die die Ideen semantisiert. eine Sprache.h. Im Zuge der ästhetischen Hypotypose wird ein 131 132 –––––––— Kant (KU: 171. dass es „eigentlich die Dichtkunst [ist]. keine Sprache mehr sein. für gegebene Begriffe (Ideen) ästhetische Ideen aufzufinden. § 49). „Vernunftideen [. um sie in diesem ‚unabsehbaren‘ transkriptiven Wechselspiel allererst hervorzubringen. wobei sie zugleich ihrerseits auf die Begriffe. die nicht darauf restringiert bleibt. Geist verbindet. Das Problem der Kommunizierbarkeit ästhetischer Erfahrung kann hier nicht näher diskutiert werden. in den Prozess der semantischen Konstitution von Vernunftideen involviert zu werden. die die Semantisierbarkeit und Kommunizierbarkeit der Ideen ermöglicht: Das Genie des Dichters wagt es. .“134 Natürlich kann die Sprache der Poesie. 135 Humboldt (1880: 27). durch den die dadurch bewirkte Gemütsstimmung. Kant (KU: 169. der sich ohne Zwang der Regeln mitteilen läßt. Hierfür wird nämlich eine Sprache gebraucht. darf keine conventionelle noch allegorische seyn. 133 Kant (KU: 168. Es ist deshalb nicht wirklich überraschend. dass die ästhetische Idee mit der „Sprache. zurückwirken. die Krise der charakterisierenden Sprache zu bewältigen und in der Poesie eine Sprache zu finden. d.“132 Allein der Dichter ist in der Lage. „das schnell vorübergehende Spiel der Einbildungskraft aufzufassen und in einen Begriff (der eben original ist und zugleich eine neue Regel eröffnet. die schematisierte Begriffssemantiken oder Symbole nur abbildet: Sie kann – wie auch Humboldt formuliert – „keine eigentlich abbildliche. ohne jene wirklich adäquat darzustellen. zeigt ein Brief Humboldts an Körner vom 27.1793. Eine Einführung in den Inferentialismus. an die Humboldt seine sprachphilosophische Transformation der Kantischen Philosophie anschließt. Hamann. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel.M.: Suhrkamp [= Hegel WE]. Historisch-kritische Ausgabe von Josef Nadler. in einem Prozess der Umschreibung in einen neuen. – Wien: Herder. sondern ist allererst ihr Produkt.Das schreibende Bewusstsein 119 gegebener Begriff. Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu edierte Ausgabe. das früher da ist. Der Begriff der menschlichen Rede in der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts. . Johann Georg (1949–1953): Sämtliche Werke. Vgl. Nelson (1997): Sprachen der Kunst. – Frankfurt a.138 Literatur Borsche. – Berlin: Weidmann [= Herder SW]. Johann Gottfried (1877–1913): Sämmtliche Werke. es ist Ausdruck der Formen selbst. 32 Bände. Brandom. einander nicht suchenden sondern freiwillig sich begegnenden Naturen. Oder. aus dessen Anlass sie in Gang gesetzt wurde. noch anders formuliert: In der ästhetischen Hypotypose geht der Begriff bzw. Goodman. nachzubilden voraussetzt. – Stuttgart: Klett-Cotta. der ästhetischen Versinnlichung nicht voraus. die Idee. hierzu Humboldt (1880: 27).). Herder. – Frankfurt a. von Bernhard Suphan. hier zitiert nach Borsche (1981: 176f. die versinnlicht wird. Hier bestimmt er die schöne Darstellung der unsinnlichen Idee – im Gegensatz zur ‚charakteristischen‘ – so: Es ist also hier nicht Ausdruck. Dass es in der Tat die „Kritik der ästhetischen Urteilskraft“ ist. Hg. Es ist nicht Ausdruck von Begriffen und Ideen. Die Sprache ist hier also nicht mehr Bezeichnung des Begriffs. „an welcher der Geist die intellectuellen Begriffe auffasst“137. sie kann vielmehr bereits im Horizont der Kantischen Idee der ästhetischen Hypotypose als – wie Humboldt später formulieren sollte – „Handhabe“ verstanden werden.M. –––––––— 137 138 Humboldt (GS 5: 427). und zumindest in der Diskurssphäre der Poesie als das „bildende Organ des Gedanken“. 6 Bände.10. Robert B.: Suhrkamp. Georg Wilhelm Friedrich (1970): Werke in zwanzig Bänden. – Frankfurt a.M. (2001): Begründen und Begreifen. Hegel. in welchen erst alle Begriffe und Ideen selbst ihr Daseyn erhalten. Tilman (1981): Sprachansichten. es ist ein Zusammentreffen zweier von einander unabhängigen. ohne dass dieser Prozess der Transkription hier sein definitives Ende gefunden hätte. der absichtliches Streben etwas.: Suhrkamp. originalen Begriff transformiert. – (2002): „Transkriptivität. Wolfram (1974): Kant und das Problem einer transzendentalen Semantik. . S. von Karl Heinrich Ludwig Pölitz. S. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. – Freiburg. Auflage. Hg. Ludwig Jäger (Hgg. – Köln: DuMont. Juli 1794“.): Transkribieren – Medien/Lektüre. – . Wilhelm Voßkamp (Hgg. vom 5. München: Alber. Hg. Subjektivität und Kognition. – (2001): „Zeichen/Spuren.und intermedialer Bezugnahmen in ästhetischen Diskursen“. 103–134. – Berlin: Schleiermacher.): Transkription und Fassung in der Musik des 20. Stefan Pfänder (Hgg.): Migrations et transcriptions: Europe et Amérique latine de voies en voix. – München: Fink. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Mainz. In: Manfred Frank (Hg.) in Zusammenarbeit mit Robin Curtis und Christina Lechtermann: Deixis und Evidenz. Wilhelm von (1903–1936): Gesammelte Schriften. In: Ludwig Jäger. S.): Individualität. 49–71. Skizze zum Verhältnis von referentieller und inferentieller Bezugnahme“. In: Horst Wenzel. Zur Logik intra. Überlegungen zu einem neuen interdisziplinären Forschungsparadigma“. S. Georg Stanitzek (Hgg.: Rombach. Band 11: Briefwechsel 1789–1794.Br. Theoretische und empirische Studien zum Verhältnis von Sprache.) (2004): Medialität und Mentalität. Subjektivität und Kognition. Ulrich Konrad. 514–516. 2. Jäger. – (2008d): „Aposème und Parasème – Das Spiel der Zeichen. 17 Bände. Hg. Immanuel (1821): Vorlesungen über die Metaphysik. In: Gabriele Buschmeier. 17–31. Humboldt. 19–41. Jahrhunderts. Briefe an Christian Gottfried Körner. – Berlin: Behr [= Humboldt GS]. Zur medialen Logik der kulturellen Semantik“. 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Einleitung Linguistische Untersuchungen zu medienabhängigen Veränderungen von Sprache und Kommunikationspraktiken durch technische Medien orientieren sich bis heute sehr stark an der Unterscheidung von Schriftlichkeit und Mündlichkeit. zitiert nach Dürscheid (2006: 43).2 Eine Pointe des Modells.Gisela Fehrmann & Erika Linz Eine Medientheorie ohne Medien? Zur Unterscheidung von konzeptioneller und medialer Mündlichkeit und Schriftlichkeit Zum Schluß läuft alles auf den Vergleich von Performanzen hinaus.1 Dürscheids und Hennigs Einschätzung folgend genießt das Modell in der linguistischen Diskussion gar „den Status einer Grundlage. die es insbesondere für Untersuchungen zu sprachlichen Veränderungen durch Internet. das Modell von Koch und Oesterreicher weiterhin prägend. Im Anschluss an Söll trennen Koch und Oesterreicher zur Charakterisierung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit zwischen einer medialen und einer konzeptionellen Ebene.und SMS-Kommunikation attraktiv gemacht hat. ist eine vom medialen Realisationsmodus unabhängige Definition einer konzeptionellen Mündlichkeit und Schriftlichkeit als „Sprache der Nähe“ und „Sprache der Distanz“. . werden Einflüsse der medialen Ebene auf die Konzeptionsebene oder mögliche Wechselwirkungen zwischen beiden Ebenen innerhalb des Modells deshalb nicht systematisch diskutiert. schriftlicher Kommunikationsformen. existieren mit Blick auf die Konzeption einer Äußerung vielfältige graduelle Abstufungen mündlicher bzw. dass es durch die Entkopplung von Medium und Konzeptionsebene weniger ein Modell zur Sprachmedialität oder zu medialen Einflüssen auf Sprache. Mit ihrer Definition der konzeptionellen Ebene über die Begriffe einer „Sprache der Nähe“ und einer „Sprache der Distanz“ zielen Koch und Oesterreicher stattdessen darauf ab.3 Insofern wird mit dem Modell zwar implizit. Gegenüber einfachen binären Entgegensetzungen von gesprochener und geschriebener Sprache hat ihr Ansatz einer parametrisierten Systematisierung unterschiedlicher „Kommunikationsbedingungen“ und „Versprachlichungsstrategien“ den augenscheinlichen Vorteil. dazu Koch/Oesterreicher (1994: 588). beschränken diese jedoch nur auf die konzeptionell-einzelsprachliche Ebene.124 Gisela Fehrmann & Erika Linz sich auf medialer Ebene eindeutig zwischen phonischer und graphischer Realisierung differenzieren lässt. die sich anhand von prototypischen Merkmalen eines spezifisch mündlichen oder spezifisch schriftlichen Kommunikationstypus entlang eines mehrdimensionalen Kontinuums von Konzeptionsmöglichkeiten anordnen lassen. „die keinerlei mediale Assoziationen mehr weckt“ (Koch/Oesterreicher 1994: 588).) weitreichende Rückwirkungen der Schrift und der Massenmedien auf die Mündlichkeit ein. dass die Massenmedien einen ‚massiven‘ Prozess der „Reor- .4 –––––––— 3 4 Vgl. Zwar räumen auch Koch/Oesterreicher (1994: 600f. Bei dem Modell wird jedoch häufig übersehen. „Schriftlichkeit“ zum Ausdruck kommt. eine „universale Perspektive“ einzunehmen und eine Terminologie zu wählen. als vielmehr ein Modell über universale Varietäten von „Kommunikationsformen“ oder „Redekonstellationstypen“ liefert. dieser Zusammenhang aber durch die Trennung zwischen medialer und konzeptioneller Ebene gleich wieder aufgehoben. so ihre zentrale These. Damit lassen sich vermeintlich typische Eigenschaften von Mündlichkeit auch in schriftlichen Äußerungsformen und vice versa analysieren. eine diversifiziertere Klassifikation unterschiedlicher medialer Kommunikationsformen zu erlauben. durchaus ein Zusammenhang zwischen der Medialität gesprochener bzw. Koch und Oesterreicher betonen zwar eine deutliche „Affinität“ zwischen bestimmten konzeptionellen Varietäten und spezifischen medialen Realisationsformen. Anders als es das Kreuzungsschema nahelegen mag. geschriebener Sprache und spezifischen Kommunikations. die sie gerade nicht an spezifische Medien gebunden sehen wollen.und Versprachlichungsstrategien behauptet. wie dies auch im Begriff der „konzeptionellen „Mündlichkeit“ bzw. So gehen sie durchaus davon aus. heben aber weitaus stärker auf die Frage universaler Varianzen ab. für die Analyse unterschiedlicher Kommunikationsformen kaum eine Rolle. Vgl. die sich nicht der Schrift. etwa um Effekte des parallel genutzten gestisch-visuellen Kommunikationskanals oder. Das Kontinuum zwischen ‚Nähe‘ und ‚Dis- 5 6 . Koch/Oesterreicher (1985: 21 und 23). um massenmediale Effekte. geschriebener Sprache. sondern vielmehr spezifischer Verbreitungsmedien verdanken. etwa Fragen nach dem Einfluss stimmlicher bzw. ‚emotionaler‘ und ‚referentieller‘ Nähe und Distanz sprechen. Zugleich verstellt die Einengung der medialen Ebene auf die dichotomische Entgegensetzung von phonischem und graphischem Code den Blick darauf. Koch/Oesterreicher (1994: 588f. Ganz im Sinne Konrad Ehlichs wird die Schriftlichkeit hier zunächst über ihre mediale Leistung einer „raumzeitlichen Zerdehnung der Kommunikation“ und eine damit verbundene „Situationsentbindung“ definiert und der Mündlichkeit als „Face-to-face-Kommunikation“ gegenübergestellt. dass selbst auf der Ebene des „Mediums“ mit den beiden Beschreibungskategorien „phonischer Code“ und „graphischer Code“ nicht im eigentlichen Sinne materielle Kommunikationsaspekte und Medien verhandelt werden.Eine Medientheorie ohne Medien? 125 Wie wenig der Ansatz eine mediale Perspektive auf Sprache verfolgt. Vgl. Entsprechend spielen die Differenzen zwischen phonischen und graphischen Realisationen. ‚emotionaler‘ und ‚referentieller‘ Nähe und Distanz“ zusammenzuführen.): „Ausgehend von ‚raum-zeitlicher Nähe/ Distanz‘ lässt sich metaphorisch auch von ‚sozialer‘. dass es sich bei vielen der von Ihnen auf konzeptioneller Ebene angeführten Merkmale nicht um Effekte der Medialität gesprochener bzw.6 Die –––––––— ganisation des Nähebereichs“ einleiten. räumlich-visueller Qualitäten. um den Aspekt „raum-zeitlicher Nähe/Distanz“ mit den Aspekten von „‚sozialer‘. Diese sind aber per definitionem systemische Zeichendimensionen und keine medialen Realisationsformen. Aufgrund der Reduktion der Medialität auf zwei verschiedene Codes findet die monomediale Unterscheidung gesprochener und geschriebener Sprache allein auf der konzeptionellen Ebene eine gewisse Ausdifferenzierung.B. mit Blick auf die Schriftlichkeit.5 Unter den Begriffen einer „Sprache der Nähe“ und „Sprache der Distanz“ wird darüber hinaus allerdings ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der p h ys is c h e n Nähe/Distanz und der p s yc h is c h e n Nähe/Distanz der Kommunikationspartner behauptet. sondern um Auswirkungen anderer medialer Einflüsse handelt. Aufgrund der amedialen Definition der konzeptionellen Ebene und der dichotomischen Verkürzung der medialen Ebene auf Schriftzeichen und Laut werden diese Veränderungen aber nicht als mediale Einflüsse in den Blick genommen. z. Koch und Oesterreicher bedienen sich bei ihrer Charakterisierung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit der metaphorischen Verwendungsweise der Begriffe „Nähe“ und „Distanz“. zeigt auch der Umstand. sondern ausschließlich Codes. dass –––––––— 7 8 tanz‘ im so definierten Sinne steht für anthropologisch begründbare universale Kommunikationshaltungen. raumzeitliche Trennung und Situationsverschränkung bzw. zur Diskursstruktur („Dialog“ und „freie Themenentwicklung“) und zum Produktionsprozess („Spontaneität“) sowie entsprechende Oppositionsbegriffe für den Schriftlichkeitspol.126 Gisela Fehrmann & Erika Linz Liste der prototypischen Merkmale konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit umfasst daher über die Parameter Kopräsenz bzw.). „Affektivität“ und „involvement“). Dürscheid selbst weist auch darauf hin. Durch die Wahl der metaphorischen Begriffe bleibt weitgehend unthematisiert. das jeweils einen sehr spezifischen Kommunikationstyp charakterisiert: Das ist für den Mündlichkeitspol der Face-to-face-Dialog und für den Schriftlichkeitspol der gedruckte Text.7 2. die weniger allgemeine Merkmale unterschiedlicher mündlicher bzw. dass es sich dabei um qualitativ sehr unterschiedliche Parameter handelt. In analoger Weise fokussieren die unter einer Sprache der Distanz korrelierten Parameter „Monolog“. „Öffentlichkeit“ und „Objektivität“ eine sehr spezifische Schriftform als Prototyp von Schriftlichkeit: den gedruckten Text. Zu Ausnahmen vgl.8 mag auch daran liegen. „Themenfixierung“. Dürscheid (2006: 24ff. zur Face-to-face-Kommunikation als Prototyp mündlicher Äußerungen und dem elaborierten literarischen Text als Prototyp schriftlicher Äußerungen auch Dürscheid (2006: 24ff. dass „die meisten Autoren nur die prototypischen Beispiele für mündliche und schriftliche Äußerungen vor Augen zu haben“ scheinen und fasst darunter wie . Vertrautheit. -entbindung hinaus auch Kriterien zum persönlichen Verhältnis der Kommunikationspartner wie „Vertrautheit“ und „Privatheit“ am Mündlichkeitspol.). Der Face-to-face-Dialog als paradigmatischer Normalfall von Mündlichkeit Dass die Orientierung an diesen beiden Prototypen für Mündlichkeit und Schriftlichkeit und deren anthropologische Begründung noch kaum zum Gegenstand der Diskussion geworden ist. schriftlicher Kommunikationsformen als vielmehr ein Bündel von Faktoren kennzeichnet. Der unter dem Begriff einer Sprache der Nähe behauptete direkte Zusammenhang zwischen raumzeitlicher Kopräsenz auf der einen Seite und Privatheit. zu deren emotionalem Beteiligungsgrad („Expressivität“.“ Vgl. informellen sprachlichen Registern und Affektivität auf der anderen Seite ist nur unter Bezug auf einen Prototyp des Face-to-face-Gesprächs plausibel. sondern grundsätzlich von einer dialogischen Situation: „Ich vermute. unmediierte und biologisch ursprüngliche Kommunikationsform und (2) die Annahme von der dialogischen Wechselrede als Prototyp sprachlicher Kommunikation. um die räumliche und zeitliche Beschränkung natürlicher Kommunikation von Angesicht zu Angesicht zu überwinden“ (Holly 2004: 3). als es sich dabei um die „einzige Form nichtmedialisierter Kommunikation“ handelt: „Gesprochene Sprache in der Form der Rede zwischen zwei oder mehr Personen in einer Face-to-face-Situation stellt eine Kommunikationsform dar.9 Gemeinhin sind es dabei zwei unterschiedliche Annahmen. daß Sie“ – so fasst Luhmann die gängige Kommunikationsidee zusammen – „wenn von –––––––— Koch/Oesterreicher die Face-to-face-Kommunikation als Prototyp von Mündlichkeit und den sprachlich elaborierten literarischen oder journalistischen Text als Prototyp von Schriftlichkeit. nicht aber auf die Wahl der Prototypen selbst. die als natürliche Ursprungsform sprachlicher Interaktion den Referenzrahmen für alle mediatisierten Kommunikationsformen abgibt. die sich in dem Ursprungsszenario zu dem verbinden.Eine Medientheorie ohne Medien? 127 Koch/Oesterreicher damit einer weithin unbestrittenen Prämisse sprach. Vgl. 9 . Die Heraushebung der mündlichen Interaktion im Raum wechselseitiger Wahrnehmung als Archetypus natürlicher Humankommunikation ist meist mit einer weiteren Annahme gekoppelt: Wie bereits der Begriff der Face-toface-Kommunikation anzeigt. wird dabei nicht von einem asymmetrischen oder gar monologischen Kommunikationsverhalten ausgegangen.h. steht sie vielfach auch für Unmittelbarkeit und Authentizität sozialer Interaktion. d. die sich vom Gebrauch von Medien deutlich unterscheidet. die ohne technologische Hilfsmittel auskommt. „wo wir die körpereigenen Kommunikationsmöglichkeiten mit technischen Mitteln verstärken oder sogar ersetzen. Ihre Kritik richtet sich aber allein gegen die Ausblendung anderer mündlicher und schriftlicher Kommunikationsformen.und kommunikationstheoretischer Reflektion folgen: der Annahme vom Face-toface-Dialog als „primärer“ Kommunikationsform und als „elementarer Konstellation“ der sprachlichen Kommunikation.“ (Bittner 2003: 298 und 274) Entsprechend beginnt die medialisierte Kommunikation dort. was dann als Face-to-face-Kommunikation zum Archetypus der Humankommunikation wird: (1) die Annahme von der mündlichen Kommunikation als natürliche. den Eintrag „Face-to-face-Kommunikation“ in Glück (1993). Als Kommunikationssituation. In der klassischen Ausprägung dieser linguistischen und kommunikationstheoretischen Argumentationsfigur wird der mündlichen Rede im Raum wechselseitiger Wahrnehmung zunächst insofern eine „Sonderrolle“ zugesprochen. In der gängigen Gegenüberstellung von Natur und Technik wird der mündlichen Rede als einzigem Modus nicht-technisierter Kommunikation zugleich der Status der Natürlichkeit verliehen. Der eine sagt was. Es scheint eine der unangetasteten Prämissen linguistischer und kommunikationswissenschaftlicher Forschung zu sein. in denen wir gesprochene Sprache rein auditiv. und dann hört der erste wieder zu. also mündliche Kommunikation. denen bereits ein Säugling ausgesetzt ist.“ (Luhmann 2002: 311). als vielmehr gestisch-mimischen oder körperlich-stimmlichen Aspekten verdanken. Eine solche Verengung gesprochener Sprache auf den Face-toface-Dialog lässt jedoch außer acht. verwenden und wahrnehmen. immer an zwei Leute denken. die monologischen Charakters sind oder in denen wir auch in mündlicher Kommunikation die Position eines ‚Lurkers‘. sondern zeigt auch die Tendenz. dass die dyadische Wechselrede die anthropologische Grundstruktur der Humankommunikation bildet. Zudem sind wir kontinuierlich und durch das Mobiltelefon weiter zunehmend mit Situationen konfrontiert. ist dies auch immer der primäre Fokus gewesen. beeinflusst wird. ist es charakteristisch. der andere hört zu und sagt dann auch etwas. eines rein passiven ‚Bystanders‘ einnehmen. Eben diese komplexen multimedialen Ebenen sind maßgeblich dafür verantwortlich. die „gegenseitige Kommunikation“. dass uns in unserem alltäglichen Leben mindestens ebenso viele Formen gesprochener Rede begegnen. die – wie das anschließende Beispiel der Gebärdensprache . andersartige Kommunikationskonstellationen und Beteiligungsstatus erst aus der Perspektive technischer Medien in den Blick zu nehmen. Die prototypische Kommunikationssituation geht von Sprecher und Hörer als zwei sich gegenüberstehenden Akteuren aus. deren alternierende Rollenverteilung zugleich den Verlauf der Kommunikation eindeutig vorgibt: Für den „prototypischen Fall kommunikativer Interaktion“.“ (Burkart 2002: 70) Die Orientierung am Dialog als Archetypus mündlicher Kommunikation führt nicht nur zu einer Privilegierung dyadischer Interaktionsbeziehungen als Analysegegenstand und Basis von Kommunikationsmodellen. „daß die Partner ständig ihre Rollen als Aussagende und Empfangende wechseln. Soweit ich die Geschichte des Wortes Kommunikation kenne. dass einige der von Koch/Oesterreicher angeführten Parameter wie Affektivität und Expressivität sich weniger dem phonischen Code. inwieweit der Spracherwerb nicht auch durch die Vielzahl passiver Sprachkontakte.oder Radiokommunikation entscheidende Veränderungsprozesse mündlicher Rede in Gang setzen. ohne die Begleitung durch visuelle Kommunikationsmittel. dass Übersetzungsprozesse in andere technisierte Medienformen wie etwa Telefon.128 Gisela Fehrmann & Erika Linz Kommunikation die Rede ist. Selbst mit Bezug auf das Argument eines ontogenetischen Primats der dyadischen Wechselrede bleibt zu überprüfen. Sie sind also Effekte der Multimedialität einer Face-to-face-Kommunikation und nicht Effekte des phonischen Codes. Durch die monomediale Perspektive auf Mündlichkeit oder gar den Ausschluss des Medialen aus der Face-to-face-Kommunikation wird zudem häufig übersehen. und Übermittlungsmedien. Dabei zeigt auch hier wieder der Blick auf die angeführten Parameter. Aufgrund der Fokussierung auf den gedruckten Text fehlt bei Koch und Oesterreicher zudem die Perspektive auf den Kommunikationsprozess. zweidimensionalen oder aber wie die Gebärdensprache in einem dreidimensionalen Raum – situiert sind. Die produktzentrierte Definition der konzeptionellen Schriftlichkeit orientiert sich vielmehr an der weit verbreiteten Sicht. die räumlich – in einem eindimensionalen. sondern um die Auszeichnung des gedruckten Textes als paradigmatische Realisationsform von Schriftlichkeit. bei denen die medialen Einflüsse der raumzeitlichen Kopräsenz und der Situationsverschränkung zum Tragen kommen. „Themenfixierung“ und „Öffentlichkeit“ handelt es sich weniger um mediale Qualitäten von Schrift als vielmehr um massenmediale Effekte. Gleichwohl bleiben die interaktionalen Dimensionen solch einer zerdehnten Kommunikation unberücksichtigt. geschweige denn als Spezifika einer komplexen Medienkonfiguration von Medien in Medien betrachtet. Aufgrund der monomedialen Perspektivierung von Schriftlichkeit werden diese Faktoren aber nicht als mediale Einflussfaktoren. . Es sind nämlich gerade nicht die sprachlichen. sondern als Charakteristika einer eher amedial konzipierten Sprache der Distanz ausgewiesen. sondern primär die visuell-gestischen und stimmlichen Dimensionen. sondern auch die Konstitution geteilter Kommunikationsräume betreffen.Eine Medientheorie ohne Medien? 129 zeigt –. Mit dem Parameter der „raumzeitlichen Trennung“ schließen sie zwar an Ehlichs Bestimmung von Schrift als ‚raumzeitlicher Zerdehnung der Kommunika10 tionssituation‘ an. 3. Unthematisiert bleiben hier nicht nur die typographischen. nicht nur die expressive Ebene der Interaktion. die sich den besonderen Bedingungen technischer Verbreitungsmedien verdanken. Daraus folgt. Ehlich (1981). paratextuellen und ikonischen Dimensionen schriftlicher Realisationsformen. wie Reinhard Fiehler schreibt. Der gedruckte Text als Prototyp von Schriftlichkeit Offensichtlicher noch als bei der Definition des Mündlichkeitspols sind die Folgen einer Verkürzung der medialen Einflussfaktoren auf die Entgegensetzung von phonischem und graphischem Code mit Bezug auf den Schriftlichkeitspol. bei Schrift handele es sich „immer um Einheiten. dass […] ‚alle Einheiten in –––––––— 10 Vgl. sondern auch die unterschiedlichen Aufzeichnungs. Bei vielen der aufgelisteten Kennzeichen wie „Fremdheit der Partner“. dass es Koch/Oesterreicher nicht um die Bestimmung genereller Charakteristika von Schriftformen geht. unterstreichen auch Forschungsergebnisse aus den Neurowissenschaften und der Gebärdensprachlinguistik. die von den medialen Dimensionen räumlicher Kommunikation absieht. und 297f. die damit […] den Charakter eines abgeschlossenen Produkts annimmt. wenn sie durch zeitlich-sequentielle Bearbeitungsprozeduren aus dem – wie Humboldt formulierte – Status ihrer „mumienhaften Aufbewahrung“ befreit und durch Lektüre wieder zum Leben erweckt werden. ebd. Koch/ Oesterreicher selber gehen zwar gar nicht erst auf die räumlich-visuellen Qualitäten schriftlicher Texte ein. präzisiert: Textur ist „Text im Modus des Präteritums“ (Stetter 1997: 294).). der Text verbirgt sich in ihr und muss durch sinngenerierende und kohärenzstiftende Prozesse des Lesens. was geschrieben und verstanden w i r d “. Koch/Oesterreicher (1994: 589 und 1985: 22f. dass selbst die ‚fertiggestellten‘ bzw. das sowohl von den zeitlichen Prozessierungsbedingungen des sukzessiven Schreibens als auch von den vielen Überarbeitungs. und „Textur“ als das „was geschrieben i s t und gelesen w i r d “. treffender die ‚ruhiggestellten‘ Mitteilungen in einem Text eben nur für ein wahrnehmendes Bewusstsein präsent sind und zwar genau dann. Das Zitat von Fiehler ist aus Fiehler (2005: 1182).und Korrekturversuchen bei der Produktion gerade des vermeintlichen Normalfalls „literarischer Text“ oder „Zeitungsartikel“ abstrahiert. werden in 11 –––––––— Dürscheid (2006: 33). vgl. Castro-Caldas (1998). Vgl.12 Die Verknüpfung von Räumlichkeit und stillgestellter Präsenz verdankt sich also weder der Eigenart des Mediums Schrift. Stetter hat diese Differenz über die terminologische Unterscheidung von „Text“ als „dasjenige. Sendlmeier (1987). die im visuell-räumlichen Modus von Gebärdensprachen artikuliert sind. Nichtalphabetisierte Lautsprecher zum Beispiel scheinen Sprachdaten ganzheitlicher und zumindest teilweise in anderen Hirnstrukturen zu verarbeiten als alphabetisierte Lautsprecher.13 Gehörlose Gebärdensprecher (native signer) verarbeiten räumliche Information neuronal in Abhängigkeit von ihrer Funktionslogik: Sprachliche Informationen. Die Verdinglichung von Sprache im Medium der zweihändigen Artikulation semantisch unabhängiger Gebärden wird unter dem Topos „frozen signs“ in Fehrmann/Jäger (2004) diskutiert. dass materiale ‚Daten‘ vor dem Hintergrund funktionaler und das heißt hier medialer Wissenskategorien verarbeitet werden. noch typischen Eigenschaften des räumlichen Modus. verweisen aber auch auf die „Endgültigkeit“ und den ‚verdinglichenden‘ Charakter von Schrifttexten.‘“11 Dieser Blick auf Schrift impliziert zweierlei: Zum einen folgt er – wie viele typisierende Beschreibungen schriftlicher Texte – einer Stilisierung ‚des Textes‘ als monologisch hergestelltes und fixes Produkt. Schreibens und der transkriptiven textuellen Bearbeitung aus dem eingefrorenen Modus der Textur hervorgebracht werden (vgl.130 Gisela Fehrmann & Erika Linz der schriftlichen Mitteilung gleichzeitig präsent sind. Schon seit längerer Zeit weiß man in den Neurowissenschaften.). Zum anderen übersieht er. 12 13 . Dass es sich hierbei um eine unzureichende Verkürzung handelt. dass deiktische Indizes erst den Interaktionsraum gemeinsamer Referenz herstellen. nicht auf den Wahrnehmungsraum“17. Durch syntaktische Transformationsprozesse wird hier eine neue Form der Bezugnahme generiert. Poizner/Klima/Bellugi (1990). sondern wird von medialen Prozessierungseigenschaften bestimmt: Selbst der eine Interaktantengruppe umgebende Wahrnehmungsraum ist nicht einfach als ‚gemeinsamer‘ Kommunikationsraum gegeben. Damasio (1989). den wichtigen Hinweis. Für sprachsymbolische Interaktionen körperlich kopräsenter Gesprächsteilnehmer zeigt Heiko Hausendorf anschaulich. dass Bezugnahmen nicht medienneutral geleistet werden können. deiktische Referenz in eine anaphorische überführt (Du hast gesagt.15 Raum ist demnach keine anthropologische oder materiale Konstante. die von materialen Erscheinungsformen (visuell-räumlich. Talk. Video-Talk (VOIP/video over internet protocol) nahe. Hausendorf (2003: bes. das legen erste Analysen digitaler Gebärdensprachkommunikation mittels Bildtelefon. so übersieht sie zwar.14 Wahrnehmungsprozesse verlaufen somit ‚top-down‘ und werden von der kontextgeleiteten Funktion beeinflusst. dass mit einem medialen Wechsel auch die Referenzräume wechseln.Eine Medientheorie ohne Medien? 131 neuroanatomisch völlig anderen Arealen verarbeitet als topographisch-räumliche Signale. sondern muss durch mediale Verfahren der Bezugnahme erst gestiftet werden. Gleichwohl impliziert ihre Feststellung. –––––––— 14 15 16 17 18 Vgl. die in der Regel in einem zumindest räumlich zerdehnten Wahrnehmungsraum operieren. 257ff. Dürscheid (2006: 29). hierzu auch Fehrmann/Linz (2008).16 Geschriebene Texte. Ehlich (1981). vokal-auditiv) über technische Kommunikationsbedingungen (SMS. verdanken sich Kommunikationsformen und Versprachlichungsstrategien dem Zusammenspiel multimedialer Einflussfaktoren. Engel/Fries/Singer (2001). zur Unzulänglichkeit der Differenzierung von Koch/Oesterreicher auch Dürscheid (2003). so der common sense der Forschung. Vgl. Mit Rekurs auf die Gebärdensprache möchten wir an einigen Beispielen verdeutlichen. sind dem geteilten Interaktionsraum deiktischer Referenz entzogen. Vgl. dass…Das[anaphorisch] finde ich gut). wie deiktische Prozeduren dazu beitragen.). Wenn Dürscheid mit Rekurs auf Ehlich konstatiert: „Die hierbei auftretenden anaphorischen Elemente verweisen auf den Textraum. den ‚physikalischen‘ Raum wechselseitiger Wahrnehmung in einen geteilten Interaktionsraum zur orientierten Handlungskoordination zu überführen. Videomail. .18 Vielmehr. vgl. Vgl. Hickok/Bellugi/Klima (2001). dass Beschreibungen wie „Zerdehnung der Kommunikation“ durch „raumzeitliche Trennung“ der Interaktanten oder Kommunikation im „Raum wechselseitiger Wahrnehmung“ ebenso wenig wie die differenzierte Ausbildung von Registern in den von Koch und Oesterreicher identifizierten monomedialen Polen schriftlich-distanzierter und mündlich-nähesprachlicher Kommunikation aufgehen. Distributions. die an lautsprachliche Verfahren einer „Sprache der Nähe“ erinnern. operieren aber aufgrund ihres räumlichen Darstellungsmodus und trotz ihres illiteralen Status zugleich mit Strategien. Das Beispiel Gebärdensprache Ein anschauliches Beispiel für die Zusammenführung der unterschiedlichen Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien. hingegen werden gehörlose Kinder seit einigen Jahren in SignWriting unterrichtet. Nicaragua. In der Escuelita de Bluefields.19 Zwar verfügen Gebärdensprecher in der Regel über Kompetenzen in der Alphabetschrift. synchron/asynchron) reichen.und Speicherverfahren bis hin zu raum-zeitlichen Produktions. dass sich dieses System außerhalb schulischer Bildungszusammenhänge dort als Gebrauchsschrift durchsetzt. Assmann (1992. die Koch und Oesterreicher zur parametrisierten Systematisierung gesprochener und geschriebener Sprache entwickeln. Insofern operieren Gebärdensprachen im Modus „struktureller Mündlichkeit“20 und sollten mithin keine schriftlichen Versprachlichungsstrategien nutzen können.). das den Stellenwert einer alltagsgerechten Gebrauchsschrift eingenommen hätte. bes. Allerdings ist diese einzig zur Transkription von Lautsprache geeignet. Aufgrund ihrer simultan-räumlichen Struktur sind Gebärdensprachen nicht in ein phonemorientiertes Schriftsystem abbildbar. 20 .132 Gisela Fehrmann & Erika Linz Chat). Vgl. sie sind auch heute existierende Artikulationsmöglichkeit humaner Kommunikation. 19 –––––––— Wie die meisten Gebärdensprachen ist die Deutsche Gebärdensprache deshalb keine literale Sprache. Bislang hat sich noch kein modusadäquates Verschriftungssystem durchsetzen können. liefert die linguistische Untersuchung von Gebärdensprachen. nutzen Gebärdensprachen aufgrund ihres strukturell mündlichen Status auch Versprachlichungsstrategien. Gebärdensprachen gehen den Lautsprachen nicht nur phylogenetisch voran. die traditionell der Schrift zugesprochen werden. sodass angenommen werden darf. Der von Jan Assmann geprägte Begriff der strukturellen Mündlichkeit wird hier zur Markierung des medialen Performanzaspekts des mündlichen Modus in Abgrenzung von schriftlicher Produktion benutzt und schließt die nicht-schriftliche. sondern eine kaum wahrnehmbare Fremdsprache darstellt. 259ff.und Rezeptionsbedingungen (mobil/ortsabhängig. 4. die für Gebärdensprecher keineswegs die natürliche Sprache. Wie im folgenden gezeigt werden soll. unvermittelte Rede sowohl von Verwendern der visuell-räumlichen Gebärdensprache als auch der vokal-akustischen Lautsprache mit ein. dass sein Gesprächspartner die attributive Zuweisung mitverfolgt. physisch anwesend. monologischen Rederechts durchbrochen. Durch die räumliche Orientierung der Blickrichtung oder der gebärdeten Äußerung kann dabei auf das Archiv hier lokalisierter Wer–––––––— 21 22 Hierzu Morgan (1999). Vgl. Während des Aufbaus solcher Referenzpunkte achtet der Aktant darauf. sodass der Artikulationsraum zur Bühne räumlicher Sprachinszenierung wird. aber auch die in unterschiedlichen Redeabschnitten beschriebenen Sprechereinstellungen etc.und Zeigegesten. etwa durch die räumliche Orientierung der Sprachsymbole auf den lokalen Standort der Referenten hin oder durch die Ausrichtung von indexikalischen Blick. in der das dialogische Interventionsrecht durch Formen der Stillstellung außer Kraft gesetzt ist.und Contra-Argumente. auf die während eines Gesprächs referiert wird. Beispielsweise werden Pro. da diese Referenzzuordnung grundlegende Bedingung für den Erfolg des weiteren Gesprächs ist. Je nach Gesprächsverlauf kann der Artikulationsraum geteilt und in weitere Subräume mit je eigenem topologischen Bezugsfeld differenziert werden. also mit der räumlichen Orientierung von Verbgebärden. Dabei wird ein Raumpunkt beispielsweise durch eine indexikalische Zeigegeste markiert. Im weiteren Redeverlauf kann auf eben diese ‚Attributionsmarker‘ mit deiktischen Mitteln. der ähnlich einem ‚gläsernen Kubus‘ je vor dem eigenen Oberkörper anzusiedeln ist. Blick.22 Diskursive Ordnungsstrukturen drücken Gebärdensprachen durch unterschiedliche Verfahren topologischer Mediatisierung aus.Eine Medientheorie ohne Medien? 133 Gebärdensprecher artikulieren ihre Äußerungen in einem umrissenen Gebärdenraum. durch die Ausrichtung von Gebärden in die rechte oder linke Hälfte des Gebärdenraums gegliedert. der sodann durch anaphorische Referenz mit spezifizierenden Attributen versehen wird und in Abgrenzung zu anderen Loci steht. kommt in den räumlichen Dialogformen der Gebärdensprache eine zweite Referenzmöglichkeit zum Einsatz.21 Im Allgemeinen findet deshalb während dieser Phase des Aufbaus ‚fixierter Referenz‘ keine Turnabgabe statt. das der weiteren ‚anaphorischen‘ Referenz dient und als virtuelles Netz lokal etablierter Erinnerungspunkte über weite Diskursstrecken erhalten bleibt. Sind die Personen. . wird mit deiktischen Mitteln auf sie Bezug genommen. der Mündlichkeit zugewiesene Verfahren der indexikalischen Bezugnahme miteinander verschmelzen: Innerhalb des umschriebenen Gebärdenraums wird durch Spezifikation räumlich fixierter Punkte ein topologisch-syntaktisches Bezugssystem errichtet. bei der traditionell der Schriftlichkeit bzw. Fehrmann/Jäger (2004). Dialoge sind folglich notwendig von längeren Phasen des ungeteilten. Sind die Bezugsobjekte einer Unterhaltung räumlich hingegen n ic h t präsent.oder Zeigegesten referiert werden. 23 Das skizzierte Prinzip kann strukturell auch auf sublexikalischer Ebene als Prinzip des Zeichen-Splittings beobachtet werden: Zur Einbettung von Propositionen einer Neben. dass Lautsprachen über eine strukturell vergleichbare Technik zur allerdings prosodischen Verklammerung von Einbettungen verfügen. wie sie in Lautsprachen modalitätsbedingt nicht möglich und eher aus der graphischen Tabellenanordnung bekannt ist.und Klammerungsverfahren sind als graphische Techniken schriftlicher Medien bekannt und wurden bislang als Zeichen von Schriftlichkeit begriffen. hierzu Fehrmann (2001). Hierbei wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht. in dem unterschiedlichen Argumentationsketten. zwei Hand-Zeichen simultan zu artikulieren: Genauerhin –––––––— 23 24 Vgl. die gemeinhin erst der Schrift zugeschrieben wird. des Zeichen-Splittings annehmen. Hierdurch ergibt sich eine thematisch motivierte Raumteilung. die diskursive Ordnungsmuster in einer Weise sichtbar macht.oder Parallelhandlung werden Gebärden mit räumlich-linearer Bewegungsausrichtung im Bewegungsvollzug so unterbrochen. Kommentare und Argumente Bezug genommen werden. sie können unter anderem die Form der Zeichen-Repetition bzw. Räumliche Strukturierungsprinzipien ermöglichen so einen Redeaufbau. syntaktischer und phrasenübergreifender Ebene freilegen. Endpunkt der ersten und Ausgangspunkt der zweiten Gebärdensequenz ist hierbei eine identische Position im Gebärdenraum. lassen sich auch auf lexikalischer. Durch Wiederholung desselben Zeichens werden Sinneinheiten so verklammert. die als systematisches Ordnungsprinzip fungieren. Gebärdensprachen verfügen damit über eine strukturelle Leistungsdimension. Als lexikalische Anfangs. Redefolgen und Ereignissen eine differenzierte Raumlogik korrespondiert. Ähnlich einer graphischen ‚Absatzmarkierung‘ wird auf syntaktischer Ebene ein Lexem als thematische Klammer vor die nachfolgende Themenexploration gesetzt und am Ende eines Einschubs als identische Figur zur Schlussmarkierung wiederholt. hierzu werden Anfang und Ende eines thematischen Einschubs auf gleicher Höhe der Intonationskurve artikuliert. . Vor dem Hintergrund gebärdensprachlicher Praktiken können sie aber besser als Signaturen visuell-räumlicher Kommunikation identifiziert werden.134 Gisela Fehrmann & Erika Linz tungen.24 Vergleichbare räumliche Rahmungs. Johannes Schwitalla ist der Hinweis zu verdanken. Auch die simultane Äußerung manueller Gebärdensprachzeichen darf als schriftähnliches Verfahren zur medienspezifischen Sicherung semantischer Informationen im Raum gesehen werden.und Endpunkte einer Einbettung erlauben Repetitionen die Verknüpfung von subordinierten Einschüben unterschiedlicher Komplexität. Augenscheinlich ‚schriftliche‘ Rahmungsverfahren. dass eine hierarchisch-ökonomische Gliederung des Äußerungsflusses möglich wird. dass zu Beginn eines Einschubs die erste und zum Ende eines Einschubs die zweite Sequenz der Gebärde artikuliert wird. sodass sich Register nicht als alltägliche Stilvielfalt.Eine Medientheorie ohne Medien? 135 wird ein Zeichen. Redesegmente aus dem transitorischen Verlauf des Diskurses zu isolieren und für metaierende Sprachhandlungen adressierbar zu machen. Im Cyberspace wird ‚mündlich‘ kommuniziertes Wissen inzwischen als Videoclip oder Videomail archiviert und in raum-zeitlich radikal erweiterten Grenzen prozessiert. Deutlicher noch als in den verschiedenen Formen struktureller Mündlichkeit treten solche eher der Schrift zugewiesenen Verfahren auf. kontextuelle Informationen zu artikulieren. das mit der dominanten Hand produziert wird. metaierende Funktion übernehmen. während die dominante Hand fortfährt. . das zeigen erste Untersuchungen zur Webkommunikation. Während also das in der linken Hand ‚stillgestellte‘ Zeichen einen beispielsweise thematischen Rahmen fixiert. die dem in reduzierter Form gehaltenen Zeichen der (linken) Hand zugewiesen wird. im unmittelbaren Anschluss an seine Artikulation auf die nicht dominante (linke) Hand ‚verlagert‘ und in bewegungsloser Form präsent gehalten. Das nach wie vor weniger auf gebärdensprachliche Unterrichtung als auf orale Erziehung ausgerichtete ‚deutsche‘ Bildungssystem bietet Gehörlosen in der Regel eine wenig differenzierte Bildung. die nach wie vor kaum in Fachdiskursen kommuniziert. Vielmehr stiftet diese zeitliche Zerdehnung flüchtiger Zeichendimensionen zugleich eine mnestisch effektive Fixierung. Jäger (2002). die zwischen formellem und informellem Stil changieren. standardisiert sich im Bereich der digitalen Kommunikationsmedien derzeit der Gebrauch formeller Register. Während die Gruppe der Gehörlosen. kurz. Anders als Ebbinghaus (2001) postuliert. bedarf es zur Registervariation aber nicht zwingend der Schrift. ermöglicht Gebärdensprechern eine visuelle Stabilisierung semantischer Information.25 Die Tatsache. sondern als Ausnahmestandards einer recht kleinen – im Kontext von universitärer Arbeit häufig an Fachdiskussionen und -vorträgen beteiligten – Gruppe differenzieren. kann die dominante (rechte) Hand den Diskurs in diesem thematischen Rahmen fortsetzen. explizieren. Diese Globalisierung der Kommunikation leitet eine Z e r d eh n u n g und S ta n d a r d is ie r u n g der Kommunikation Gehörloser ein. die Sprechern gesprochener Sprachen erst durch mediale Techniken wie der Schrift gelingt. die bislang kein anderes Medium für Gebärdensprachen leisten konnte. die es nicht nur erlaubt. ihn kommentieren. im ‚traditionellen‘ Raum wechselseitiger Wahrnehmung nur selten Registervariationen ausbildet. wenn Gebärdensprecher das Medium ihrer Kommunikation wechseln und per Videomail. Internetposting oder Videochat interagieren.26 Im Fall der vornehmlich für Experteninformation ge25 26 –––––––— Zu Metaierungsleistungen in illiteralen Sprachkulturen allgemein vgl. dass in Gebärdensprachen durch ‚Einfrieren‘ eines Zeichens zwei sprachliche Zeichen simultan geäußert und dennoch unterschiedlich fluide prozessiert werden können. erinnert an die redaktionelle Überarbeitung von Texten vor Drucklegung und verändert Monitoringprozesse in grundlegender Weise. stattdessen sind Adressierung und Referenz explizit symbolisch zu markieren. Denn durch die ‚Atopie‘ des Blicks werden zugleich die Koordination von Turn-Taking und deiktischer Referenz erschwert. die zugleich ‚typisch mündliche‘ wie ‚typisch schriftliche‘ Kommunikationsbedingungen und -strategien vereinen:27 Im Zuge sich allererst etablierender Diskurskonventionen agieren die Interaktanten synchron in einem lokal zerdehnten. webbasiert videotalken und -chatten zu können. herstellbar ist. Die anschließenden Prädikationen hingegen werden oftmals durch die –––––––— 27 Vgl. Allerdings ist der direkte Blickkontakt nicht mehr möglich. die für die Massenkommunikation generiert werden. da der Blick – gerichtet auf das virtuelle Auge ‚Webcam‘ – nur vermittelt. die als Internetpostings virtuell archiviert sind. Demgegenüber bewegt sich der Video-Talk als s yn c h r o n e Kommunikationsform Gehörloser ersten Beobachtungen zufolge an Polen. Im virtuellen Raum genügen deiktische Verweise nicht länger. Ähnlich den Texten. die für die Referenz auf anwesende Personen gänzlich unüblich sind. nichtsdestotrotz sind die Informationen prinzipiell einem unbegrenzten Adressatenkreis zugänglich. die transitorische Äußerung erneut zu sehen und zu kontrollieren. um sie dann als ‚vorläufig‘ fixiertes Produkt zu bearbeiten und erst im Anschluss an einen oder mehrere Adressaten zu verschicken. bedarf es zwar gewisser technischer Voraussetzungen und Fertigkeiten um schreiben/lesen bzw. über die Verinnerlichung einer neuen Adressierungsperspektive. Die in separaten Fenstern angezeigten Aktionsforen der einzelnen Gesprächsteilnehmer sind auf dem jeweiligen Monitor lokal zu koordinieren. Hierfür wird die Positionierung der Interaktionsfenster oft kollektiv ausgehandelt und vereinheitlicht. das Produktionstempo ist insgesamt verlangsamt. wird im Videotalk intensiv Gebrauch gemacht. um die räumlich-deiktisch identifizierenden Referenzen näher zu spezifizieren. die Artikulation deutlicher gehalten. Sogar von Namensgebärden. steigen thematische Fokussierung und Elaboriertheit der gebärdeten Äußerungen. zu analogen Beobachtungen für webbasierte schriftliche Kommunikationsformen auch Dürscheid (2003). per Adressatenauswahl aber nur individuell distribuierte Videomail: Die technische Möglichkeit. Ähnliches gilt für die wiederum offline bearbeitete.136 Gisela Fehrmann & Erika Linz nutzten und offline generierten Videoclips. Da die Rezipienten aber nicht online präsent sind. . sodass der herkömmliche Sehepunkt transformiert und ganz besonders Blickverhalten neu konventionalisiert werden muss: „Deaf adapt their language to video transmission“ (Keating/Mirus 2003). virtuellen Raum wechselseitiger Wahrnehmung. muss ihr Verstehen im Sinne einer allgemeinen Verständlichkeit der Mitteilung antizipiert werden. sodass der Sprachfluss durch den Gebrauch von separaten gestischen Handzeichen unterbrochen wird.28 konfligiert die Koproduktion von sprachlichen und gestischen Manualzeichen in Gebärdensprachen vordergründig:29 Autonome sprachliche und gestische Handzeichen lassen sich als autonome Zeichen eben nicht simultan. Denn ähnlich wie Sprecher der Lautsprache die Ikonisierung der Stimme zur Übermittlung von expressiven Informationen nutzen. Bewegung und Ausführungsort der Standardausführung eines Gebärdenzeichens der symbolischen Bedeutung eine gestisch variierte Zusatzdimension verleihen.Eine Medientheorie ohne Medien? 137 zweihändig ‚überzeichnete‘. Daneben nutzen auch Gebärdensprecher jene gestischen Ausdrucksdimensionen. Vgl. McNeill (1992). profitieren Gebärdensprecher von der Ikonisierung etwa des Parameters „Bewegung“. Beinahe folgerichtig werden in gebärdensprachlichen Diskursen auch kaum separate manuelle Gestenzeichen identifiziert. werden zur deutlicheren Referenz räumlich markiert. sondern zudem eine non-verbale Zusatzinformation mit eher expressivem Gehalt anzeigen. die nicht notwendig auf einen lokalen Raumpunkt ausgerichtet sind. sondern lediglich sukzessiv äußern. 28 29 30 –––––––— Vgl. d. zu strukturell identifizierten potentiellen Teilnehmern des Gesprächs. Allerdings hat eine jüngst entbrannte Diskussion innerhalb der Gebärdensprachlinguistik den Blick für eine der stimmlichen Gestik in Lautsprachen vergleichbare Überlagerung sprachsymbolischer Manualzeichen durch gestische Handdimensionen entfacht. inwieweit graduelle Veränderung von Handform.h. der Mimik und des Oberkörpers sondern ganz prominent auch der ikonisierten Stimme – meist simultan zu sprachsymbolischen Einheiten produziert werden. Levinson (2004). quasi ‚doppelte‘ Artikulation räumlich ‚flektierter‘ Verbgebärden verdeutlicht. Insbesondere wird diskutiert. in der eine Handbewegung ausgeführt wird. Auch die Artikulation verbaler und non-verbaler Zeichen unterscheidet sich in Gebärdensprachen deutlich von der in Lautsprachen. Während gestische Elemente in Lautsprachen durch die parallele Nutzung – nicht nur der Hände. um gestische und sprachliche Information in einem Zeichen zu verschmelzen:30 Durch die Veränderung der Art und Weise. ihr Status wechselt von ‚Mitbewohnern‘ zu Bystandern. Liddell (2003). Selbst Gebärden. Vgl. die durch den Einsatz körperlicher Mittel mitteilbar werden. Müller (1998). . kann eine Gebärde dann nicht nur ihren sprachsymbolischen Gehalt. die zugleich eine veränderte Ratifizierbarkeit von Kommunikationsteilnehmern mit sich bringt: raum-zeitlich kopräsente Personen werden nun ‚öffentlich‘ adressierbar. Schließlich resultiert die Verlagerung des kommunikativen Nahraums in den öffentlichen Raum des Cyberspace in einer Deprivatisierung der häuslichen Umgebung. Emmorey (1999). Fehrmann (2003). Fehrmann/Linz (2008). 138 Gisela Fehrmann & Erika Linz Mimik. 5. dass sprachsymbolische Systeme mit dem parallelen Einsatz visuell-gestischer oder körperlich-stimmlicher Ausdrucksdimensionen multimedial operieren. Die Multimedialität der Kommunikation Gebärdensprachen unterlaufen mit ihrer räumlich-visuellen Medialität also nicht nur die Korrelierung von räumlich-schriftlicher und zeitlich-mündlicher Materialität. Schon McLuhan hat in „Understanding Media“ darauf hingewiesen. wenn nicht – wie in Sprachwissenschaft und Medientheorie gleichermaßen üblich – „die Medialität der vokal-auditiven und gestisch-visuellen Sprache ausgeblendet und Medialität mit Skripturalität und Technizität gleichgesetzt wird“ (Jäger 2007: 12). g e n a u e in e Performanz. Wir bewegen uns nicht erst mit technisch vermittelter Kommunikation. sondern mit jeder sprachlichen Äußerung in und zwischen Medien: „Medium und Mediatisiertes bilden zusammen je ein einziges Ereignis. Vgl. Blickausrichtung oder Körperhaltung geben kann – ebensowenig wie es eine neutrale. Schon am Beispiel der ikonisierten Stimme und der gestisch modifizierten Gebärdenzeichen ist deshalb abzulesen. von ikonischen. Geste. dass „the ‚content‘ of any medium is always another medium“ (McLuhan 1964: 12). nicht verschiedene. . Eine multimediale Perspektive auf Sprache. sondern auch die traditionelle Unterscheidung von gestischem und sprachlichem Kommunikationskanal. hierzu näher Jäger (2007) und Schmitt (2007). nutzt jede Kommunikationsform den Raum mehrdimensionaler medialer Bezugnahmen. Die sprachzeichengebundene Kommunikation von Interaktanten vollzieht sich selbst dann nicht monomedial. vermag nicht nur die unter–––––––— 31 Stetter (2005: 68). wenn das Gesicht nicht mit sprachlichen Operationen betraut ist.“31 Anders formuliert: Es gibt keine monomediale Erscheinungsform und „keinen prämedialen Status von Sprache“ (Jäger 2007: 16). Insofern es auf der Ebene der vermeintlich unmittelbaren Face-to-face-Kommunikation keine neutrale Stimme. kann affektive Funktion übernehmen. die sich nicht an der Entgegensetzung von Face-toface-Dialog und gedrucktem Text orientiert. die in Gebärdensprachen oft mit syntaktischen Aufgaben belegt ist. typographischen und paratextuellen Dimensionen befreite Schrift gibt –. Die unterschiedlichen medialen Einflussfaktoren von Kommunikation geraten erst in den Blick. wenn der Modus der sprachlichen Entäußerung visuell-räumlich ist und die Artikulation verbaler und non-verbaler Zeichen im gleichen Modus erfolgt. artifiziell vermittelte Kommunikation verbirgt sich zugleich eine Unterscheidung von N a tu r und K u ltu r . die als Bedrohung für die ‚Hochkultur‘ distanzsprachlicher Kommunikation gewertet wird. In kulturkritischen und medientheoretischen Reflektionen der durch die digitalen Medien ausgelösten Veränderungen wird die mediatisierte Distanzkommunikation gerne als defizitäre Abweichung vom biologisch-natürlichen Face-to-faceDialog gesehen und die Gefahr von Entfremdung und Authentizitätsverlust betont. die häufig marginalisierte Frage nach Remediationsprozessen. denen – obgleich traditionell als Auswirkungen von Schrift begriffen – ebensowenig . d. vollziehen sich im globalen Orbit digitaler Gebärdenkommunikation derzeit Wandlungsprozesse. nach Rückwirkungen neuer medialer Formate auf ältere Kommunikationsformen nicht erst jenseits der gedruckten Schrift zu thematisieren. Die Kopplung von Nähe. Sie trägt auch dazu bei. Dass wir uns auch in der Face-to-face-Kommunikation nicht mehr in einem von technischen Medien unkontaminierten Äußerungsformat bewegen.Eine Medientheorie ohne Medien? 139 schiedlichen medialen Faktoren. die sich auf die Sprache auswirken. wird die technisch mediierte Kommunikation als eine personal entfremdete mit stilistisch distanzierter Rahmung entworfen.h. technischer Mediatisierung und entpersonalisierter Kommunikation bestimmt denn auch allzu häufig die Diskussionen um die Wirkungen digitaler Medien. die auf eine aufsteigende Entwicklungslogik medialer Kommunikation setzt. zwingend dialogischen und nur deshalb vermeintlich vertrauten Kommunikation. Unsere Kritik an der Adaptation des Koch-Oesterreicher-Ansatzes für die Analyse kommunikativer Wandlungsprozesse auf dem Feld digitaler Medien möchten wir abschließend an einem letzten Argument illustrieren: Hinter der Differenzierung einer Sprache der Nähe und Distanz als unmittelbare vs. differenzierter zu erfassen. Wie das Beispiel der bislang kaum untersuchten computergestützten Gebärdensprachkommunikation illustrieren sollte. In der gegenläufigen Beurteilung ist es die zunehmende Verdrängung einer literarischen Distanzkommunikation durch vermeintlich ‚primitivere‘ nähesprachliche Interaktionsformen netzbasierter Kommunikation. Basierend auf dem Ursprungsmythos einer evolutiv vorgängigen. Unmittelbarkeit und dialogischer Kommunikation und ihre Kontrastierung in der Kopplung von Distanz. Auch die aktuellen sprachlichen Wandlungsprozesse liefern ein anschauliches Beispiel. bezeugen nicht nur die Ergebnisse der Literalitätsforschung. wie die Ausbildung neuer Äußerungsformen in den digitalen und mobilen Medien auch in den mündlichen Sprachgebrauch einwandern. Stärker als bislang geraten dann auch Fragen nach den Rückwirkungen der usuellen Nutzung telefonischer Kommunikation oder der rein auditiven Rezeption gesprochener Sprache ohne gestisch-mimische Begleitung durch visuell nicht präsente Sprecher aus dem ‚Off‘ auf die Face-to-face-Kommunikation in den Fokus der Aufmerksamkeit. Johannes (2003): Digitalität. – Wien et al. Wenn man eine monomediale Sicht auf sprachliche Realisationsformen aufgibt und stattdessen komplexe Medien. Jan (1992): Das kulturelle Gedächtnis. Eine Untersuchung zur Medialität von digitalen Kommunikationsformen und Textsorten und deren varietätenlinguistischer Modellierung. S. die sich im Rahmen der globalen Kommunikation teils allererst ausbilden und standardisieren und gerade nicht entlang der dichotomischen Gegenüberstellung von psychischer Nähe/Dialogizität versus Distanz/Monologizität klassifizieren lassen.): Medialität und Sprache.und Interaktionsräumen. – München: Beck. Bittner. Jäger (2004). Roland (42002): Kommunikationswissenschaft. Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. aber gleichwohl immer noch ‚mündlichen‘ Kommunikation einhergehende partielle Asynchronisierung von Wahrnehmungs. Assmann. Burkhart. Sinnvoller scheint hier eine Analyse.140 Gisela Fehrmann & Erika Linz mit skripturalen Erklärungen wie mit monomedialen Gegensätzen einer „Sprache der Nähe“ und „Sprache der Distanz“ beizukommen ist. 72–97. der neue Planungsaufwand für asynchron generierte Mitteilungen im Internet und die radikal veränderten Monitoringprozesse. Hervorzuheben sind hier auch die mit der räumlich zerdehnten. die diese neuen Kommunikationsformen und Versprachlichungsstrategien vor dem Hintergrund differenzierter medialer Einflussfaktoren untersucht.und Interaktionskonfigurationen in den Blick nimmt. –––––––— 32 Vgl. . Kommunikation. rücken – wie Jäger und Liebrand/Schneider hervorgehoben haben – Fragen nach den Übersetzungs. Ingwer Paul (Hgg. – Bielefeld: Aisthesis (Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 54).: Böhlau. Grundlagen und Problemfelder. Sprache.und Transkriptionsprozessen in den Vordergrund:32 Inwiefern werden mediale Qualitäten und Interaktionsformen durch Prozesse der Remediation transformiert? Welche neuen Medien und Kommunikationsformate generiert die Verschränkung unterschiedlicher Medien und wie lassen sich Prozesse medialer Hybridbildung beschreiben? Literatur Androutsopoulos. Jannis (2007): „Neue Medien – neue Schriftlichkeit?“ In: Werner Holly. In unserem Beispiel sind dies insbesondere Registervariationen. Schrift. – Berlin: Erich Schmidt. Liebrand/Schneider (2002). – Budapest et al. Ehlich. – In: Forschungsberichte des Instituts für Phonetik und sprachliche Kommunikation der Universität München (FIPKM) 14. Fehrmann. Carsten Morsch. – (32006): Einführung in die Schriftlinguistik. Horst Wenzel (Hgg. – In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik 23 (2003). et al. 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Schneider Transposition – Übersetzung – Übertragung Das Bild vom Transport ‚semantischer Gehalte‘ und das Problem der interkulturellen Kommunikation 1. dass die Aufgabe der interkulturellen Verständigung falsch eingeschätzt wird. Wie beschreiben wir die Schritte angemessen. . – Ein Missverständnis sei hier explizit benannt: Es geht mir gerade nicht darum. dass sich die Gegenstände und Strukturen einer als vorliegend gedachten Welt auf dem Weg über sogenannte ‚mentale Repräsentationen‘ in der Sprache abbilden. oder es behauptet. weil ‚sich auf einen Gegenstand beziehen‘ (und ‚etwas über ihn sagen‘) überall dasselbe ist. dass wir ‚propositionale Gehalte‘ durch über-einzelsprachliche (‚logische‘) Sprechhandlungen ausdrücken können. mit denen wir uns die Gehalte einer fremden Kultur (oder eines fremd gewordenen Teils unserer eigenen Kultur) zugänglich machen? Wie lassen sich z. dies könne allenfalls äußerlich gelingen. Paradigmen und Sprachspiele –––––––— 1 Habermas (2007: 389f. Und diese Explikation erfolgt (so meine These) n i c h t durch eine Übersetzung.1 Hier wird eine Gleichförmigkeit der Gehalte behauptet. geht es mir darum.B. religiöse Aussagen so zu übersetzen. Habermas Freges Begriff des ‚Sinns‘ gegen den späten Wittgenstein verteidigt. mit der Folge. Es unterstellt. Meine Gegenthese lautet: Die Unterschiede in den Strukturierungsleistungen der verschiedenen Sprachen werden unterschätzt. Wenn im Folgenden gegen das Modell der Gleichförmigkeit argumentiert wird.Hans J. die besonderen Funktionsweisen solcher Aussagen (ihre ‚Tiefengrammatik‘) sprachphilosophisch verständlich zu machen. die Gehalte der Re lig io n mit den Mitteln der P h ilo so p h ie verständlich machen? Ist dieser Schritt von der Art einer Ü b e r s e tz u n g ? Meine T h e s e lautet. hinter sich lässt. Die Sache oder der Sachverhalt erscheint als etwas.und hergerissen.5 Durán ist also der Meinung. Ebd. unbeugsamer Christ. um die es geht. der die Vorstellung von sprachunabhängigen Gegenständen. So schreibt er über die Einheimischen: „Sie verehrten den Vater. dass diese Leute etwas von der Dreieinigkeit wussten“. Er selbst artikuliert ihn in den Begriffen seiner eigenen Kultur.2 Der Dominikaner Diego Durán (geb. Deshalb war es mein Wunsch. Dies Verbindende wird bei meinem Vorschlag allerdings nicht mehr g e g e n s tä n d lic h gedacht. der Ausgang eines Streitgesprächs sei nur von den jeweiligen Machtverhältnissen abhängig. Auf der einen Seite empfindet er Abscheu gegenüber dem Brauch der Menschenopfer.: 244. Schneider seien in k o mme n s u r a b e l. als er sich mit der indianischen Kultur konfrontiert sieht.146 Hans J. woraus zu ersehen ist. über dessen Vorliegen oder Nicht-Vorliegen man sich sollte interkulturell einigen können. So lesen wir: „In allem ist Aberglauben und Abgötterei [.. den Sohn und den heiligen Geist und nannten sie tota. topiltzin und yolometl. 1537) ist hin. zahlreiche Merkmale einer hoch stehenden Kultur wahrzunehmen. wenn man die Unterschiede in den –––––––— 2 3 4 5 Todorov (1985).“4 Derselbe Durán entdeckt aber auch eine Fülle von Ähnlichkeiten zwischen den Spaniern und den Azteken im Bereich des Religiösen.] ein strenger. auf der anderen meint er.. diese Wörter bedeuten ‚unser Vater und unser Sohn und beider Herz‘. all diese Bräuche abgeschafft und gewandelt zu sehen. Ebd. die für ihn direkt auf die Sache. ca. auf die man sich in stets gleicher Weise beziehen könne. wie Todorov sagt.“3 Hier spricht. der sowohl im Christentum als auch in der Kultur der Azteken anzutreffen sei. bis hin zum Thema der christlichen Trinität. 2.: 245.]... . „[.: 247. jeder wurde für sich gefeiert und auch alle drei in einem. Ich möchte den Kontext meiner Überlegungen durch einen Blick auf Todorovs Buch über die Eroberung Amerikas andeuten. es gebe ein und denselben ‚geistigen Gehalt‘. Vielmehr soll hier ein mittlerer Weg eingeschlagen werden. ohne dabei den Bereich eines verbindenden Nicht-Sprachlichen zu leugnen. Ebd. zugreifen. der die Reinheit der Religion verficht. Der gerade zitierte Textabschnitt liest sich. dass ihr Gott für sie der wahre ist..] doch wenn man anerkennt.“6 Ferner würden die Menschen Gott nach ihren Fähigkeiten verehren und immer das Bestmögliche zu tun versuchen. und dies ist ihm zu wenig. also eher die Religiosität als die Religion..: 225.7 Todorov äußert Zweifel: „[.“8 Todorov sieht hier also die folgende Alternative: Entweder geht es darum. er würde von ihnen aber für diesen gehalten. Zwar sagt er. dass der Gott der Indianer nicht der „wahre Gott“ sei. in denen er auftritt. zu dem alle gelangen sollten. der derselbe bleiben kann. 6 7 8 9 .: 225f. konkrete religiöse Aussagen kritisch zu erörtern. Meine systematische Frage lautet nun: In welchem Sinne können wir angemessen von ‚ e in e m G e h a lt‘ sprechen. Dies entspricht der Vorstellung von einem direkten Zugriff auf einen Sachverhalt. der ‚Perspektivismus‘ eingeführt wird. 1474). sondern allein die Idee der Gottheit. nämlich dass unser Gott für uns der wahre ist – und nur für uns? Was dann noch an Gemeinsamem und Allgemeingültigem bleibt. Vgl. Schneider (2008b). obwohl die kulturellen F o r me n . Er geht davon aus..Transposition – Übersetzung – Übertragung 147 sprachlichen Einkleidungen nicht überbewertet und die entsprechenden Aussagen übersetzt. Ich meine gegen Todorov. dessen. ist nicht mehr der Gott der christlichen Religion. nämlich sie mit dem Gott der christlichen Religion bekannt zu machen. Oder wir müssen auf alle bestimmten. „das über allen Dingen steht und besser ist als alle Dinge.. als teile Todorov diese Vorstellung.9 –––––––— Ebd. sondern bei ihr ginge es nur noch um die ‚Ausrichtungen‘ der Menschen. dass jeder Mensch eine intuitive Kenntnis von Gott habe. [. Es berichtet uns von Überlegungen des Missionars und Historikers Bartolomé de Las Casas (geb. Ebd.] Es ist jedenfalls überaus erstaunlich. Ebd. ganz v e r s c h ie d e n sind? Auch für diese Frage ist das Buch Todorovs anregend.h. In diesem Sinne seien ihre Bemühungen auf den wahren Gott g e r ic h te t. dass in der Religionsphilosophie gerade diese Beziehung auf die A u s r i c h t u n g einen Gewinn an Klarheit bringt. der sich dazu so wenig eignet. von etwas. was über uns steht. den Fremden etwas Allgemeingültiges beizubringen. dass hier in einem Bereich. Ebd. für den (nach dem Muster ‚x ist P‘) Wahrheit beansprucht würde. tut man dann nicht den ersten Schritt zu einem weiteren Zugeständnis. d.: 226. Verständnis für die religiösen Verhaltensweisen der Einheimischen aufzubringen. konkreten religiösen Aussagen verzichten und können nur noch einer (unbestimmten) Relig io s itä t anhängen. der sich sehr darum bemühte. der es dann auch wieder erlaubt. Sie bezöge sich nicht mehr auf einen propositionalen Gehalt. vgl. der Begriff der Transposition. als sei sie eine Notation und dass er konsequenterweise die Tätigkeit der Übersetzung so darstellt. Mir scheint. in A-Dur notiertes Musikstück in eine andere Tonart umzuschreiben. Meine Titelbegriffe bezeichnen drei Modelle für die mediale Umgestaltung eines Gehalts. als sei sie ein 10 11 –––––––— Goodman (1995). . dass der frühe Wittgenstein in seinem höchst einflussreichen Buch „Tractatus logico-philosophicus“11 ‚die Sprache‘ (wie er dort allgemein sagt) über weite Strecken so darstellt.148 Hans J. etwa um es für ein anderes als das vom Komponisten vorgesehene Instrument spielbar zu machen. Ich meine nun. erst dann wird sichtbar. hierzu auch Stetter (2005: 127ff. weil es noch mit Resten des Transpositionsmodells behaftet ist. es sei auf wohlvertraute Art von Gegenständen die Rede. wir müssten uns im Zweifelsfall mit den Lebensformen und Praktiken bekannt machen. täuscht oder nicht. Es bezeichnet in der Musik die Tätigkeit. Schlagwortartig lässt sich dieses Vorgehen durch die Forderung charakterisieren. ein z. dass auch ein Übersetzungsmodell. ob der oberflächliche Eindruck.). in denen die fraglichen Sprachformen auftreten. 4. und Goodman hat in seinem Buch „Sprachen der Kunst“10 eine genaue Bestimmung erarbeitet. für ein Verständnis der interkulturellen Kommunikation zu eng ist. Wittgenstein (1989). er ist aber im Bereich der natürlichen Sprachen nicht anwendbar. Musikstücke halten wir im Bereich der klassischen Musik mit Hilfe einer sogenannten Notation fest. ist am engsten und am klarsten. Der Ausdruck Transposition ist das zum Verb transponieren gehörende Substantiv. Die beiden anderen Begriffe sollen zwei weiter gefasste Modelle bezeichnen. das sich in einem strengen Sinn am Propositionsbegriff orientiert. Schneider 3. das nach meiner Auffassung das Dilemma zwischen Widerspiegelung (semantische Gleichförmigkeit aller Gehalte) und postmoderner Beliebigkeit (es gibt gar keine Gemeinsamkeiten) überwinden kann. was unter einer Notation zu verstehen ist. Der erste von ihnen. Der Ausdruck Übertragung schließlich soll erstens einen Abstand zu den beiden anderen Modellen signalisieren und er soll zweitens als Überschrift für ein Vorgehen dienen.B. wenn sie ‚denselben Sachverhalt darstellen‘. dass sie Systeme von Ober. ihre Sätze notieren die sogenannten ‚Sachverhalte‘ nicht so. Dies könnte heute als Selbstverständlichkeit gelten. die Art. dass bei Notationen kein ‚Transportproblem‘ auftritt. Daraus folgt. sei isomorph mit der Art. vgl. hat Christian Stetter in seinem Buch „Schrift und Sprache“ gezeigt.und Unterbegriffen enthalten. Kap. wie im Falle eines Musikstücks v o r g e g e b e n oder nicht? Besteht die Welt selbst aus Komplexen von Gegenständen. eine Notation einzuführen. die ‚dieselbe Melodie darstellen‘. wie Abfolgen von Noten ein Musikstück notieren. die verschiedenen Sprachen stellen diese Ordnung zwar mit verschiedenen konventionellen Zeichen dar. Natürliche Sprachen funktionieren eben ganz anders als Notationssysteme. Der Grund für diese Problemlosigkeit (die zu Unrecht auf die Sprache übertragen wird) ist für den Fall der klassischen Notation leicht zu verstehen: Wenn es eine musikalische Tradition gibt.12 Für uns relevant ist daran erstens die Tatsache. dass auch Sätze verschiedener Sprachen. denn es handelt sich dabei um eine weitgehend mechanische Angelegenheit. Schneider (2006). Daher ist eine Übersetzung von einer Sprache in eine andere eigentlich nur ein Wechsel in den konventionellen Zeichen. – Dass es sich bei der im „Tractatus“ konzipierten Idealsprache in Wirklichkeit um eine notationale Ideals c h r i f t handelt. Wichtig ist zweitens die Tatsache. und dies ist eine –––––––— 12 Vgl. die sichtbar werden. 11). Aber es gibt verborgene Ausläufer und Spätfolgen des Notationsbildes. die festlegt. bei der Element für Element umgeschrieben wird. erfüllt sie umgekehrt die Funktion. dass die problemlose Transponierbarkeit bei Notationen nichts aussagt über die Möglichkeiten der Übersetzung bei diskursiven Sprachen. Nach dieser Gleichgestaltigkeitsvorstellung bilden sich die Gegenstände der Welt und ihre Anordnung in unserem Denken ab. aus welchen ‚Teilen‘ eine Melodie besteht und wie sie strukturiert sein kann.Transposition – Übersetzung – Übertragung 149 Transponieren. sodass wir mit dem frühen Wittgenstein sagen könnten. Dass die sogenannten ‚natürlichen‘ Sprachen auch in ihrer darstellenden Funktion keine Notationssysteme sind. dass die natürlichen Sprachen keine Notationssysteme sind. und wenn diese in Kraft ist. Daraus folgt. wenn wir nach der Herkunft der sprachlichen Strukturen fragen: Sind die Gegenstände der Welt und sind die Beziehungen. die Identität eines musikalischen Werkes zu definieren. die Ordnung selbst ist aber universal. . in denen sie stehen können. ist daran am leichtesten zu erkennen. nur durch eine solche Isomorphie sei ein ‚Darstellungs-‘ oder ‚Abbildungsverhältnis‘ überhaupt möglich. wie die Teile eines wohlgebildeten S a tz e s ein Ganzes bilden. sich u n te r e in a n d e r nicht wie Notationen verhalten. Stetter (1997. dann ist es möglich. wie die Teile eines komplexen S a c h v e r h a lts ein Ganzes bilden? Der Wittgenstein des „Tractatus“ hatte gemeint. die dem Gegenstand zugesprochen werden soll.15 Gibt es tatsächlich neben oder ‚hinter‘ den Grammatiken der vielgestaltigen natürlichen Sprachen die e in e logische Struktur des richtigen Denkens (eine Grundannahme der sprachanalytischen Philosophie in der Linie Carnaps)? Die moderne Gestalt der Logik geht auf Frege zurück. Positiv gesagt: Erst die verschiedenen Sprachen legen fest. 5. die zeigen. dass der Notationsgedanke in sprachphilosophischen Überlegungen auch heute noch eine Rolle spielt.13 Deshalb hat die Aufforderung an einen Sprecher.). Allgemein gilt: Anders als für eine traditionelle musikalische Melodie ist für eine Bergwiese nicht festgelegt. Er könnte sagen ‚ich sehe fünf blaue Enziane‘. Die von Habermas (2007: 388f. was er sehe. Wir brauchen dazu einen oder mehrere Gegenstandsnamen und einen passenden einstelligen oder mehrstelligen Begriffsausdruck. Vgl. hat aber versucht. er solle sagen. was die Gründe für die Wahl gerade dieser Form sind. was ihre Teile und was die relevanten Relationen zwischen den Teilen sind. hierzu auch Stetter (2005: 25–28 und 76f. Der Ausdruck Teilübersetzung unterstellt einen Atomismus der Bedeutung. – und er könnte unüberschaubar viele andere treffende Antworten geben. nicht eine und nur eine Erfüllungshandlung. die zueinander nicht in einem Verhältnis der Übersetzung stehen müssen (auch nicht im Verhältnis einer ‚Teilübersetzung‘14). der mir nicht einleuchtet. in der wir in logischen Zusammenhängen bis heute Inhalte ausdrücken. Dies gilt nicht nur für Bergwiesen. 15 . der vor einer Bergwiese steht.) genannten Fälle sind für mein Verständnis geistesgeschichtliche Anregungen und gerade k e i n e Übersetzungen. von ihm stammt die kanonische Form. der die Eigenschaft ausdrückt. in der die benannten Gegenstände stehen. Ein Ansatzpunkt dafür ist die erwähnte Frage nach der Herkunft und Begründbarkeit der sprachlichen S tr u k tu r e n . Der Sprechakttheoretiker Searle hat diese kanonische Form zum Ausdruck von Inhalten von Frege übernommen. Ich komme nun zu den nicht so leicht sichtbaren Zusammenhängen. meist ohne uns Rechenschaft darüber zu geben.150 Hans J. aber auch ‚ich sehe eine Gruppe bunter Blumen‘. Schneider Eigenschaft. was die ‚Teile der Welt‘ und ihre Ordnungen sind. sie 13 14 –––––––— Vgl. die kein Notationssystem haben kann. dazu Schneider (1992). sondern für ‚die Welt‘ überhaupt. oder die Relation. Der ‚propositionale Gehalt‘ einer Aussage wird dieser Tradition zufolge ausgedrückt. Sohn und Herz bezeichnen. dass sie ihn mit Äquivalenten der Ausdrücke Vater. dass der Gegenstand. Im Fall der interkulturellen Kommunikation hätten wir also zu untersuchen. 25. und indem dann etwas über die so zur Sprache gebrachten Gegenstände ausgesagt wird. Eine (wie ich zeigen will: fragwürdige) Kontinuität mit dem eingangs skizzierten Transpositionsmodell der Übersetzung besteht hier in sofern. Auf das Beispiel von Durán bezogen bedeutet dies: Er glaubt feststellen zu können. sollten sehen. auf den er selbst sich in seiner eigenen Sprache zu beziehen bereits gewohnt ist. Er beobachtet. dass eine Religion gewisse semantische Gehalte ausdrücke. welches die G e g e n s tä n d e seien. auf den sich die Azteken beziehen wollen. um die es in den betrachteten Ausdrücken gehe. 137. die man auf ihre Übersetzbarkeit in die Sprache der Philosophie hin durchgehen könne.16 dann verstehe ich ihn so. indem mit einem oder mehreren referierenden Ausdrücken zu verstehen gegeben wird. und ob wir bereit sind. worüber gesprochen wird. und sollten schließlich beurteilen. 1991: 131. der Gott ist. welche E ig e n s c h a f te n (bzw. und dass sie ihn als ein einziges Gegenüber betrachten.Transposition – Übersetzung – Übertragung 151 sprechhandlungstheoretisch zu untermauern. beziehen können. körperlich oder geistig. konkret oder abstrakt. dass dieses Zusprechen z u Re c h t geschehe. 2001: 21. Für den Fall der Referenz bedeutet das: Die G e g e n s tä n d e . „dass diese Leute etwas von der Dreieinigkeit wussten“. dass er vorschlägt. 29). über ihn eine inhaltlich äquivalente Aussage zu machen. ob die Philosophie ‚aus eigener Kraft‘ bestätigen könne. und dies gilt auch für den komplexen Sprechakt ‚eine Proposition ausdrücken‘. trotz dieser drei ‚Namen‘. ob wir uns auf den fraglichen Gegenstand auch selbst. wir sollten als Philosophen ausfindig machen. als beim propositionalen Übersetzungsmodell die semantischen Beziehungen der Referenz und der Prädikation als stets dieselben angesehen werden. 16 –––––––— Habermas (2004: 158. Er versteht ferner den Ausdruck Herz als gleichbedeutend mit Geist und kommt auf diese Weise zu der bereits zitierten Meinung. Wenn Habermas davon spricht. welche Relationen) ihnen zugesprochen würden. . Eine mit erkenntnistheoretischen Interessen erfolgende Übersetzung würde nach dem skizzierten Modell in den folgenden Schritten geschehen: Zunächst muss der propositionale Gehalt der jeweiligen Äußerung herausgearbeitet und von nicht sachbezogenen Aspekten getrennt werden. der sich aus diesen beiden Teilakten zusammensetzt. auf die sich der Mensch mit seiner Sprache bezieht. Habermas ist Searle in der Übernahme der Form gefolgt und setzt sie als selbstverständlich voraus. Sich auf etwas beziehen oder etwas klassifizieren heißt dem gemäß immer dasselbe. in unserer eigenen Sprache. sind zwar verschiedenartig: Sie können tot oder lebendig sein. .. Entsprechend wird nun auch für die Handlung der Referenz unterstellt. die von Frege kanonisch dargestellt wurden. so ist auch schon beim Vorgang des Notierens die Art des Zuordnungsschritts vom Ton zur Note immer dieselbe. auch wenn zwischen den G e g e n s tä n d e n große Unterschiede bestehen mögen.B. wie beim Transponieren der Schritt ‚zwei Töne höher setzen‘ immer derselbe ist. wenn er unter den epistemischen Modalitäten speziell den des G la u b e n s von dem des W is s e n s unterscheidet und erläutert. Denn so. Schneider profan oder heilig.] die sich auf die personale Autorität eines Lehrers berufen“17. Aber das s e ma n tis c h e V e r h ä ltn is zwischen dem benennenden Ausdruck und dem benannten Gegenstand ist in allen Fällen von Referenz gleich. Von der gegliederten Melodie führt ein einfacher Schritt zur gegliederten Notation in A-Dur. dem Namen Lisa). Die Inhaltsseite von Aussagen ist Habermas zu Folge stets nach Freges Modell des Fallens eines Ge17 –––––––— Habermas (2007: 389). die dann als eine einfache Zuordnung einzelsprachlicher Wörter erscheint (Lisa – Eliza). also um propositionale Gehalte. die Puppe beim Aufräumen in die richtige Kiste zu geben) oder mehrere Gegenstände zueinander in Beziehung zu setzen. also Sätze mit einem historischen Index. in der Religion gehe es um „[.. das neutrale Dritte für jede Übersetzung.B. Die A r t der inhaltlichen Strukturiertheit des resultierenden Satzes erscheint dann ebenso konstant wie die Art der Strukturiertheit von Melodien aus der Sicht der klassischen Notation.. nämlich diejenigen. sie sei immer dieselbe: Sie verbindet einen Gegenstand aus einer bereits gegliederten Welt (z. bilden die Akte von Referenz und Prädikation das tertium comparationis. insofern ist schon der ‚Übergang‘ von der Welt in die Sprache der Transposition ähnlich.152 Hans J. an dem die These des „Tractatus“ von der Struktur-Isomorphie zwischen der Welt und der Sprache fortlebt: Wo es um die Darstellung von Sachverhalten geht.B. Entsprechendes gilt für die Prädikation: Immer geht es darum. und ein weiterer einfacher Schritt transponiert dieses Notat in C-Dur. Und dies ist der Punkt. Diese Verbindung wird wie ein leibliches Ergreifen oder wie ein Erblicken eines Gegenstandes gedacht: Das Greifen oder Sehen ist stets dasselbe. weil ja die Beziehungen zwischen den Wörtern und den Sachen (bei Wörtern derselben Kategorie) und die Beziehungen zwischen den Wörtern untereinander (bei logisch gleich strukturierten Sätzen) überall dieselben sind. Dies macht die Nähe zur Notation aus. [. einen Gegenstand zu klassifizieren (z. gleichgültig. . dann sehe ich in diesen Schritten ein Festhalten an den genannten Resten des Transpositionsmodells. ob es sich um Viertelnoten oder Achtelnoten handelt. eine Puppe im Kinderzimmer) mit einem Zeichen (z.] Offenbarungswahrheiten. Wenn nun Habermas sich ausdrücklich und unter Berufung auf Frege für die Beibehaltung der Trennung des I n h a lts einer Aussage von ihrem e p is te mis c h e n Mo d u s ausspricht. Transposition – Übersetzung – Übertragung 153 genstandes unter einen Begriff zu denken; die Aussagen der Religion unterscheiden sich von denen des Alltags und der Wissenschaft dann nicht s e ma n tis c h (d.h. nicht durch die A r t ihres Bedeutungsvollseins), sondern allein inhaltlich (von welchem speziellen Gegenstand sie handeln). Sie betreffen nach dieser Deutung Gegenstände, von denen es kein öffentlich zugängliches Wissen gibt; von ihnen gibt es nur geglaubte Wahrheiten in „partikularen Sprachgemeinschaften“.18 Die geglaubten Wahrheiten sind bei diesem Verständnis aber lo g is c h von derselben Art wie die öffentlichen Wahrheiten. Sich zu einer Religion zu bekennen, heißt demgemäß (u.a.), sich einer solchen partikularen Sprachgemeinschaft anzuschließen und eine Reihe von Aussagen allein aufgrund der personalen Autorität des betreffenden Lehrers für wahr zu halten. So ergibt sich das folgende Bild: Im Prinzip wissen wir alle, worum es sich z.B. bei den Göttern und Geistern handelt. Die verschiedenen Religionsgemeinschaften vertrauen aber jeweils anderen Lehrern und halten entsprechend andere Aussagen über sie für wahr. Was eine A u s s a g e und was W a h r h e it ist, was es heißt, sich a u f e in e n G e g e n s ta n d z u b e z ie h e n und etwas ü b e r ih n a u s z u s a g e n , haben wir als sprachkompetente Wesen ein für alle Mal gelernt, und dafür ist es gleichgültig, ob es sich um Äpfel und Birnen, um Dreiecke und Kreise oder um göttliche Wesen handelt. Wenn es interkulturellen Streit gibt, betrifft dieser die E x is te n z und die E ig e n s c h a f te n solcher im Prinzip b e k a n n te r W e s e n , aber n ic h t die Semantik der zugehörigen Ausdrucksweisen. 6. Ich komme nun zum letzten der drei Modelle, dem der ‚Übertragung‘. Jeder Übersetzer weiß, dass er nach dem eben betrachteten Modell vom ‚propositionalen Gehalt‘ im Alltag nicht arbeiten kann. Wer sich an Frege orientiert, könnte den Grund dafür in der Tatsache sehen, dass in den Sätzen der Alltagssprache neben dem sachlichen Inhalt viel ‚Unsachliches‘ transportiert wird, wie etwa das Normative, das Evaluative und das Expressive. Er könnte ferner auf idiomatische Ausdrücke verweisen, auf metaphorisches und analoges Reden, von dem man zugesteht, es lasse sich nicht ‚Wort für Wort‘ übersetzen und müsse daher in die fremde Sprache ‚sinngemäß übertragen‘ werden. Ein Propositionalist wird aber zugleich meinen, das metaphorische und analoge Reden sei dort, wo es um Sachverhalte gehe, also im ‚öffentlichen‘ –––––––— 18 Ebd. 154 Hans J. Schneider Teil des Alltags und in der Wissenschaft, überflüssig und durch wörtliches Reden ersetzbar. Ich meine dagegen, der s p ä te Wittgenstein19 habe gezeigt, dass dies ein Irrtum ist und dass selbst der Strukturaspekt der Sprache und damit auch der Bereich des ‚sachlichen‘ Redens unvermeidbar metaphorische Züge trägt. Zwar gibt es auf der untersten Ebene der Sprachen Ausdrucksmittel, die im Kinderzimmer im Zusammenhang des Sortierens handlicher Gegenstände erlernt wurden und daher die propositionale Form auch semantisch erfüllen: Die Puppe Lisa wird herausgegriffen und in die für sie vorgesehene Schachtel gegeben, so wie Searle es beschrieben hat. Aber diese Sprachf o r me n werden mit wachsender sprachlicher Kompetenz sehr bald ü b e r tr a g e n 20 auf Bereiche, in denen sie ganz anders funktionieren, etwa wenn es um Schmerzen, Gefühle oder religiöse Dinge geht. Dort werden diese Formen ‚analog‘ benutzt: Sich auf einen Schmerz zu beziehen (oder auf die Eifersucht oder auf das Himmelreich) ist kein Referenzakt wie der sprachliche Zugriff auf die Puppe, obwohl er in der Oberflächengrammatik so erscheint. Die Vorherrschaft e in e r Form (auch der ‚logischen Form‘) der Darstellung entsteht Wittgenstein zufolge aus solchen Übertragungsschritten, sie ist also ein Resultat unserer Bevorzugung einer Ausdrucksform. Wir b e h a n d e ln ungleiche Bereiche sprachlich gleich und e r z e u g e n so eine formale Universalität, die wir dann fälschlich in den Sachen zu sehen meinen. Die Gleichheit der Form ist deshalb in vielen Fällen eine Oberflächenerscheinung. In diesem Sinne sind die Begriffe ‚Gegenstand‘ und ‚Eigenschaft‘ (und mit ihnen die Begriffe ‚Referieren‘, ‚Prädizieren‘ und ‚Proposition‘) f o r ma le Begriffe, weder Klassifizierungen für vorgefundene Aspekte der Welt, noch für über-einzelsprachlich charakterisierbare Akte, die eine Sprechhandlungsstruktur bilden könnten, auf die bezogen die konkreten Äußerungen in einer bestimmten Sprache nur Realisierungen wären.21 Der Irrtum, auf den uns die Philosophie des späten Wittgenstein verweist, ist also die Meinung, Freges Logik habe d ie Struktur propositionaler Gehalte beliebiger Sprachen ein für alle Mal aufgedeckt. Entsprechend heißt seine Gegenthese: Erst wenn wir die tiefen Verschiedenheiten sehen, die es im s p r a c h lic h e n H a n d e ln unter den gleichen Oberflächen gibt, haben wir die letzten Reste der Notationstheorie der Sprache und des Transpositionsmodells der Übersetzung hinter uns gelassen. Ich füge hinzu: Erst dann können wir sehen, worum es in der interkulturellen Kommunikation (oder im Gespräch zwischen Theologie und Philosophie) geht. –––––––— 19 20 21 Wittgenstein (1953); vgl. Schneider (1992, Kap. IV). Ich spreche hier von ‚syntaktischen Metaphern‘, von der Ü b e r t r a g u n g einer F o r m . Vgl. Schneider (1992). Für eine auf Robert Brandom bezogene Kritik an der Idee universaler Sprachformen vgl. auch Schneider (2001). Transposition – Übersetzung – Übertragung 155 Ich will diese These Wittgensteins an einer aktuellen Frage verdeutlichen: Sind die Ausdrücke sich auf einen Schmerz beziehen, und sich auf Gott beziehen semantisch gleichartig oder ungleichartig mit Ausdrücken wie sich auf einen Gehirnvorgang beziehen oder sich auf Alpha Centauri beziehen? Für den oberflächengrammatisch orientierten Blick sind Schmerzen etwas Ähnliches wie Prozesse im Gehirn; nach der Identitätstheorie spricht derjenige, der von seinen Schmerzen berichtet, sogar ‚eigentlich‘ über sein Gehirn. Die Aussagen, die er macht, müssten sich dann, wie es scheint, in Aussagen über sein Gehirn ü b e r s e t z e n lassen.22 Nach Wittgenstein trügt dieser Eindruck. Er meint, der medizinische Laie könne sich mit dem Wort Schmerz nicht auf Vorgänge im Gehirn beziehen, weil er von ihnen gar nichts wisse. Da Schmerzen aber auch nicht einfach ‚Dinge‘ wie Stühle oder Bäume sind, kommen wir zu einer Klärung nur dadurch, dass wir uns auf die tatsächliche Funktion unserer Schmerz-Äußerungen besinnen. Dies geschieht durch eine Vergegenwärtigung von Handlungsweisen und ‚Lebensformen‘, in denen solche Äußerungen ihren Ort haben. Und ich meine, dass auch in den heiklen Fällen der interkulturellen Kommunikation der Weg zum Verständnis oft über die Praxis führt. Erst dort zeigt sich, ob eine Ähnlichkeit des Ausdrucks eine Oberflächenerscheinung ist oder nicht. Wittgenstein formuliert im Zusammenhang seiner Erörterung des Ausdrucks das Denken dazu eine allgemeine Lehre. Seiner grammatischen Form nach scheint dieser substantivische Ausdruck einen V o r g a n g oder ein T u n zu bezeichnen. Da wir aber am Körper der Person, die denkt, keinen solchen Vorgang und keine Handlung erkennen können, stellen wir uns einen unkörperlichen Vorgang vor. Er wendet sich gegen dieses Bild und schreibt: Denken ist kein unkörperlicher Vorgang, der dem Reden Leben und Sinn leiht, und den man vom Reden ablösen könnte [...] – Aber wie: „kein unkörperlicher Vorgang“? Kenne ich also unkörperliche Vorgänge, das Denken aber ist nicht einer von ihnen? Nein; das Wort „unkörperlicher Vorgang“ nahm ich mir zu Hilfe, in meiner Verlegenheit, da ich die Bedeutung des Wortes „denken“ auf primitive Weise erklären wollte. Man könnte aber sagen „Denken ist ein unkörperlicher Vorgang“, wenn man dadurch die Grammatik des Wortes „denken“ von der des Wortes „essen“, z.B., unterscheiden will. Nur erscheint dadurch der Unterschied der Bedeutungen zu gering. (Ähnlich ist es, wenn man sagt: die Zahlzeichen seien wirkliche, die Zahlen nicht-wirkliche Gegenstände.) Eine unpassende Ausdrucksweise ist ein sicheres Mittel, in einer Verwirrung stecken zu bleiben. Sie verriegelt gleichsam den Aus23 weg aus ihr. –––––––— 22 23 Zum Geist-Gehirn-Problem aus einer von Wittgenstein inspirierten Sicht vgl. Schneider (2005, 2007a, 2008a). Wittgenstein (1953, Teil I, § 339). 156 Hans J. Schneider Es scheint mir aufschlussreich, die Frage, ob das Denken ein unkörperlicher V o r g a n g ist, zu vergleichen mit der sich bei Todorov nahe legenden Frage, ob Gott eine unkörperliche P e r s o n ist. Man kann sich leicht einen pantheistischen Religionsphilosophen vorstellen, der (parallel zu Wittgensteins erstem Satz) sagt: ‚Gott ist keine unkörperliche Person, die dem Weltenlauf Sinn leiht, und die man von ihm ablösen könnte.‘ Entsprechend würde Wittgensteins Rückfrage lauten: ‚Kenne ich also unkörperliche Personen, Gott ist aber nicht eine von ihnen?‘ Dies würde er wohl verneinen, und er könnte die Versuchung, einen solchen Satz zu äußern, durch die Erläuterung verständlich machen, dahinter stehe die Absicht, die Bedeutung des Wortes Gott auf p r i mi t i v e W e i s e zu erklären. ‚Primitiv‘ ist in beiden Fällen eine der Erklärung zugrunde liegende Gleichsetzung auf der Basis grammatischer Formen. Das Substantiv Denken scheint einen Vorgang zu bezeichnen, das Substantiv Gott eine Person, und der Ausdruck unkörperlich eine Eigenschaft des Vorgangs bzw. der Person. Es gäbe demnach verschiedene Arten von Vorgängen und verschiedene Arten von Personen, und es erscheint dann so, als würde auch die eingangs formulierte negative Aussage (‚Gott ist keine unkörperliche Person‘) mit der Unterstellung arbeiten, es gehe um eine Zuordnung, nämlich um die Entscheidung, zu welcher der im Prinzip bekannten Unterarten ein fraglicher Gegenstand gehöre, zu den körperlichen oder den unkörperlichen. Entscheidend ist nun Wittgensteins Aussage, bei der positiven Formulierung (‚Denken ist ein unkörperlicher Vorgang‘) erscheine der Unterschied der Bedeutungen z u g e r in g . Auf den religiösen Fall bezogen würde eine entsprechende Aussage lauten, man könne sich zwar mit der Aussage behelfen, Gott sei eine unkörperliche Person, wenn man auf den Unterschied in der Verwendung der Wörter Gott und Goethe hinweisen wolle, aber auch in diesem Fall lasse man einen g r o ß e n Bedeutungsunterschied z u g e r in g erscheinen. Genau dies ist der Einwand, den ich gegen das Vorgehen von Habermas erhebe, wenn er die S e ma n tik religiösen Redens nach dem Muster des propositionalen Gehalts deutet und sagt, das Besondere dieses Redens sei nur eine Sache des epistemischen Modus der Aussage. Wird etwas einem Lehrer g e g la u b t, oder wird es (mit öffentlich einklagbarem Anspruch) als ein W is s e n geäußert? Auch hier scheint mir zu gelten: Diese Auffassung lässt den Bedeutungsunterschied z u g e r in g e r s c h e in e n , denn sie unterstellt, bei Gott wüssten wir so gut wie bei Goethe im P r in z ip , wovon die Rede ist; Unsicherheiten gebe es allenfalls bei der Glaubwürdigkeit der betreffenden Zeugen. Was es im Fall des Ausdrucks Denken heißt, dass dieser Unterschied größer ist als er nach der besprochenen Erläuterung erscheint, erklärt Wittgenstein durch eine Analogie zur Mathematik: Wer den Unterschied zwischen Transposition – Übersetzung – Übertragung 157 den (materiellen) Z a h lz e ic h e n und den (geistigen) Z a h le n mit Hilfe des Begriffspaars ‚wirklich/nicht-wirklich‘ erkläre, der lasse einen g r o ß e n Unterschied k le in erscheinen. Von einer Zahl zu sagen, sie sei durch zwei teilbar, ist für Wittgenstein etwas g a n z anderes als von einem Z a h lz e ic h e n zu sagen, es werde durch einen Sprung in der Tafel zweigeteilt. Gegen die von Habermas mit Berufung auf Dummett verteidigte Lehre von der semantischen Uniformität der Proposition setzt Wittgenstein also die These, das Referieren auf einen Gegenstand sei keineswegs immer dasselbe und es seien keineswegs nur die Gegenstände, die verschiedenartig seien, nämlich körperliche oder unkörperliche Personen, wirkliche oder nicht-wirkliche (z.B. mathematische) Gegenstände. Dies erscheine nur auf der oberflächengrammatischen Ebene so. Die ‚tiefere‘ Ebene erreichen wir, wenn wir die jeweilige Praxis ansehen, in deren Kontext die Ausdrücke Denken, Gott und die Zahl 24 ihren Ort haben. Die Praxis, die wir beherrschen müssen, um über Zahlen reden zu können, geht über die Praxis des Benennens und Klassifizierens von Gegenständen (bildlich gesprochen: über das Aufräumen im Kinderzimmer) entscheidend hinaus. Die arithmetische Kompetenz ist nur oberflächlich, nur ‚formal‘ beschrieben, wenn wir sagen, wer sie erworben habe, habe mit den Zahlen eine n e u e A r t v o n G e g e n s tä n d e n kennen gelernt, wie jemand, der bisher nur Pferde und Kühe kannte und nun erstmalig mit Elefanten oder Giraffen zu tun hat. ‚Zahlen kennen lernen‘ ist d e r A r t n a c h etwas anderes als ‚Elefanten kennen lernen‘. Dasselbe würde ich für den Bereich der sogenannten mentalen Gegenstände und auch für den religiösen Bereich geltend machen.24 Die Praxis, über das eigene ‚Innere‘ zu sprechen, verlangt (wie die spirituelle Praxis) das Einüben neuer Handlungsweisen, es reicht nicht, die bereits vorhandenen Kompetenzen des Referierens und Klassifizierens auf neue Entitäten auszudehnen. Der Unterschied zwischen den Kulturen ist nicht nur eine Differenz der Meinungen über der Art nach bekannte Objekte, an deren Existenz die einen glauben, die anderen nicht. Daher erscheint mir die von Todorov referierte Überzeugung Duráns, die Spanier und die Azteken bezögen sich auf denselben dreieinigen Gott, so lange naiv, als nicht ausbuchstabiert ist, wie die Praxis in der jeweiligen Kultur aussieht, in der das auftritt, was Durán als einen solchen Bezug interpretiert. Die interkulturelle Kommunikation wäre in den schwierigen Fällen also eine über Praktiken und Lebensformen, nicht über propositionale Gehalte, die für jedermann schon vor allen Verständigungsbemühungen semantisch zugänglich sind und auf die bezogen wir uns nur noch für eine angemessene epistemische Einstellung zu entscheiden hätten. –––––––— 24 Vgl. Schneider (2008b). – Berlin: Akademie-Verlag. Herta Nagl-Docekal (Hgg.) (2007). Nelson (1995): Sprachen der Kunst. Über die Polarität von Handlung und Struktur in der Sprache.M. – Frankfurt a. S. Rudolf. – (2007): „Replik auf Einwände. – Frankfurt a. Wolf-Jürgen. – Frankfurt a. – (2001): „Universale Sprachformen? Zu Robert Brandoms ‚expressiver Deduktion‘ der Gegenstand-Begriff-Struktur“. Schneider. 411–415.M. Ein Symposium mit Jürgen Habermas.) (2007): Hirn als Subjekt? Philosophische Grenzfragen der Neurobiologie.a. S. Jürgen (1991): „Exkurs: Transzendenz von innen. – (2007a): „Abstraktion statt Subtraktion. Akademie Verlag. 151–191. In: Stefan Majetschak (Hg. – Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Festschrift für Jürgen Habermas. Klaus Günther (Hgg.) (2004): Recht – Geschichte – Religion. S. 155–185.: Suhrkamp.: Texte und Kontexte. – (2007b): „‚Wertstofftrennung?‘ Zu den sprachphilosophischen Voraussetzungen des Religionsverständnisses von Jürgen Habermas“. S. S.) (2007). Rudolf Langthaler (Hgg. Logische und anthropologische Ortsbestimmungen. S. Geert Keil (Hgg.: Peter Lang.) (2007). Herta Nagl-Docekal (Hgg. – Berlin: Akademie-Verlag. – Bern u. Nachdruck in: Hans-Peter Krüger (Hg. 223–239. In: Herta Nagl-Docekal.) (2008): Der Ort der Vernunft in der natürlichen Welt. 127–156.): Wittgensteins ‚große Maschinenschrift‘. Habermas.V.) (2007). In: Hans-Peter Krüger (Hg. Rudolf Langthaler (Hgg.) (2007): Glauben und Wissen. In: Rudolf Langthaler.M. Krüger. In: Rudolf Langthaler. Hans J.) (2004). 743–759. Untersuchungen zum philosophischen Ort des Big Typescripts (TS 213) im Werk Ludwig Wittgensteins.M.: Suhrkamp. S. Transzendenz ins Diesseits“. Nagl-Docekal.158 Hans J. In: Ders. – (2001): Glauben und Wissen. (Lütterfelds/Raatzsch/Vossenkul). S. Eine Auflösung des Leib-Seele Problems“. In: Lutz Wingert.): Die Öffentlichkeit der Vernunft und die Vernunft der Öffentlichkeit. Langthaler. 79–98. ed. S. Ein Blick mit Ludwig Wittgenstein auf Gerhard Roth“. – In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 53. Schneider Literatur Cramm. 366–414.: Suhrkamp. Hans-Peter (Hg. Deutsche Ludwig Wittgenstein Gesellschaft e. Herta Nagl-Docekal (Hgg. Die Bedeutung Kants für die Gegenwart. Goodman. – Wien: Oldenbourg. Wittgenstein Studien. Entwurf einer Symboltheorie. Herta. .: Suhrkamp. 141–160. – (2004): „Die Grenze zwischen Glauben und Wissen“. – Frankfurt a.M. – (2005): „Reden über Inneres. Reaktion auf Anregungen“. Vom Notationssystem zur Autonomie der Grammatik im ‚Big Typescript‘“. – (2006): „Satz – Bild – Wirklichkeit. (1992): Phantasie und Kalkül.: Suhrkamp. – Frankfurt a. – (2005): System und Performanz. . Das Problem des Anderen. Christian (1997): Schrift und Sprache. Geert Keil (Hgg. 327–340. – Berlin: de Gruyter.: Suhrkamp. 88–102. Kritische Edition. Tzvetan (1985): Die Eroberung Amerikas.M. – Frankfurt a. Auch in: Wolf-Jürgen Cramm. S. – New York: Macmillan.: Suhrkamp. – Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Festschrift für Christian Thiel. Stetter. hg. Volker Peckhaus (Hgg. – Paderborn: mentis.Transposition – Übersetzung – Übertragung 159 – (2008a): „Ein ‚Rätsel des Bewusstseins‘ – für wen?“ In: Peter Bernhard. – Frankfurt a. – (1989): Logisch-philosophische Abhandlung.M. Ludwig (1953): Philosophische Untersuchungen / Philosophical Investigations. – (2008b): Religion. Todorov.M. von Brian McGuinness und Joachim Schulte.): Methodisches Denken im Kontext. Symboltheoretische Grundlagen von Medientheorie und Sprachwissenschaft. Mit einem unveröffentlichten Brief Gottlob Freges. Wittgenstein. S.) (2008). – Frankfurt a. Tractatus logico-philosophicus.: Suhrkamp. . . in dem sich Politiker – auch solche mit hoher formaler Bildung – ohne Scheu trauen. Dazu sollen hier zwei Beispiele näher betrachtet werden: (1) Bundeskanzler Gerhard Schröder im Bundestagswahlkampf 2005 beim TV-Duell mit Angela Merkel. die in schriftlicher Kommunikation nie und nimmer tragfähig wären. Anschaulichkeit und/oder Inszenierung von moralischem Involvement.und eines Logikbegriffs überhaupt (Stetter 1999: insbesondere 37ff. dass relevante Teile des Publikums (oder auch das jeweilige journalistische oder politische Gegenüber) es durchschauen.Josef Klein Über die strategische Ausnutzung kognitiver Kontrollschwächen bei Mündlichkeit Eine politolinguistische Miszelle Dass Schriftlichkeit bei Konstruktion und Rezeption komplexer Zusammenhänge der Mündlichkeit vor allem in logischer Hinsicht überlegen ist. oder mag es zumindest gelingen. gepaart mit erheblicher Akzeptanz bei den Rezipienten.1 Die Aufmerksamkeit gilt dabei dem Mehrwert. Bedingung für deren Erfolg sind gemeinhin stimmliche. Zügigkeit des Formulierens. Um Letzteres soll es in diesem kleinen Beitrag gehen. (2) CDU-Generalsekretär Heiner Geißler 1984 auf dem Höhepunkt der Flick-Parteispendenaffäre im „ZDF-Hearing“. sondern ist durch die neuere Schriftforschung in den einzelnen Facetten dieser Überlegenheit vielfach expliziert worden. kaum aber dem diesbezüglichen Minderwert von Mündlichkeit. Heute wird vor allem das Fernsehen als Medium genutzt. 321ff. Unter günstigen Umständen lässt sich auf diese Weise erheblich punkten. ohne die Sorge zu haben. Sie sind spektakulär in dem extremen Grad an sachlogischer und formallogischen Defizienz. (Die – aus Gründen der besseren Lesbarkeit literal verschrifteten – Texte mögen auch –––––––— 1 Die Überlegenheit reicht von der Befreiung der Rede vom Zwang zu Stereotypisierung und Formelhaftigkeit (Ong 1987: 39ff.) . nicht allzu sehr in die Ecke gedrängt zu werden. Vor allem in argumentativer Bedrängnis bieten sich Rettungsringe der Mündlichkeit an. mimische und gestische Darstellung von Selbstsicherheit. kann heute nicht nur als intuitiver Common-Sense-Eindruck gelten.) bis zur Ermöglichung der Konstitution eines Sprach. sachlogisch und/oder formallogisch groteske Verstöße zu begehen. den die Schriftlichkeit bietet. nämlich die Rentenversicherung ähnlich aufzubauen wie die Kfz-Versicherung. eine Chance gehabt? Wohl nur. dass er die wirkliche Beziehung zur Lebenswirklichkeit verloren hat. es gibt das umlagefinanzierte System mit dem damals von uns eingeführten demographischen Faktor.2005. dass Altersaufwendungen erst im Alter besteuert werden sollen. Dazwischen noch ein Scharmützel.und Steuerrechtler Kirchhof. gibt es tatsächlich die Vorstellung von Paul Kirchhof einer kompletten Privatisierung? Merkel: Es gibt zwei Säulen. das verunsichert Menschen doch. Das zeigt. […] Das ist jedenfalls sehr stark verunsichernd. Es folgt der Versuch einer Richtigstellung auf der Systemebene mit lauter unerklärten Fachbegriffen auf engstem Raum: zwei Säulen.162 Josef Klein dazu dienen. Hätte Merkel gegen Schröders Kirchhof-Attacke bei dem Publikumssegment. Was macht Schröder daraus? Er verschiebt das Ganze von der Systemebene. die Leser/-innen dieses ernsten Bandes ein wenig zum Schmunzeln zu bringen.9. den ehemaligen Verfassungsrichter und Heidelberger Staats. Verwirrend für die meisten Zuschauer. Damit sagt der Mann doch. moralische Empörung zu inszenieren. Und eine kapitalgedeckte Säule. kapitalgedeckte Säule. demographischer Faktor. Diese Runde ging an Schröder – wie die meisten in den 90 Fernseh-Minuten. Es geht um die Rentenpolitik und um den Kandidaten der Union für das Amt des Finanzministers. wenn sie. mit gleich unseriöser Münze auf . die – vor allem bei fachlich ungebildeten Rezipienten – der Komplexitätsverarbeitung mündlicher Rede gesetzt sind. man müsse Menschen genau so behandeln wie Sachen. Während Schröder ganz auf die Chance der Mündlichkeit zu kognitiver Ungenauigkeit und Unredlichkeit setzt. statt Schröder auf der Diskursebene des Fachlichen zu korrigieren. wider besseres Wissen. Schröder ist mit seiner Art des Duellierens von über 70 % der Zuschauer zum Sieger erklärt worden. nachgelagerte Besteuerung. dass wir einen Riesenfehler machten. Und dann hat Paul Kirchhof über die nachgelagerte Besteuerung gesprochen. Kirchhof hatte Versicherungssysteme unter dem Aspekt der Effizienz und der Finanzierbarkeit gegeneinander abgewogen. verzerrt es zur Gleichsetzung von Mensch und Auto und verschafft sich so die Gelegenheit. umlagefinanziertes System. wenn wir das täten. Wie reagiert Merkel? Nonverbal gibt sie – während Schröders Beitrag kurz im Bild – deutliche mimische Zeichen von Nervosität.) Zunächst der Ausschnitt aus dem Duell Schröder/Merkel vom 4. Schröder: […] ich glaube. Den Sie abgelehnt haben. Aber das macht nichts – Schröder: Soll ich Ihnen sagen warum? Merkel: Sie haben ihn inzwischen ja auch wieder eingeführt. […] Moderator: Kann man das noch mal klären. Das heißt. wer wann was eingeführt und abgeschafft hat. verkennt Merkel die Grenzen. Frau Merkel. auf das Schröder zielt – emotionalisierbare rentenpolitisch Ahnungslose –. was dieser Professor aus Heidelberg vorgeschlagen hat. Auf dem Höhepunkt der Flick-Parteispendenaffäre entspinnt sich zwischen den Journalisten Trutz Beckert und Friedhelm Ost als Doppelinterviewer und Geißler gleich zu Beginn der Sendung folgendes disputartiges Frage-Antwort-Spiel: Beckert: Herr Geißler. wenn er das getan hätte. Auch nach der Untersuchung hunderter politischer TV-Talkshows und ähnlicher Formate unter dem Aspekt trickreicher Mündlichkeit zur Kaschierung von Sünden gegen die universellen Kommunikationsgebote der Informativität.Kognitive Kontrollschwächen bei Mündlichkeit 163 der Emotionsebene heimgezahlt hätte – etwa indem sie sich echauffiert hätte: „Wie können Sie Paul Kirchhof so missverstehen. muss offen bleiben. die man beiden als machtbewussten Persönlichkeiten zutrauen muss – im Rahmen von Schriftlichkeit. von Flick hat die CDU in den Jahren von 70 bis 80 ungefähr 10 Millionen bekommen. Klein (1996). –––––––— 2 Vgl. hat sie circa 500 Millionen an Spenden gesammelt. Ihm geht es um die Menschen. Und ich habe in dieser Zeit kein einziges Mal erlebt. Und nichts anderes will Paul Kirchhof: Dass unsere Kinder genauso zuverlässig auf die Rentenversicherung vertrauen können wie wir heute auf die Kfz-Versicherung!“ Ob Frau Merkel. die Unbestechlichkeit der politischen Institutionen vertrauen können.11. wie viel von dieser halben Milliarde von Großunternehmen wie etwa Flick kommt? Geißler: Nein. das kann ich Ihnen nicht sagen. seit 1969. wäre er zur Tür hinausgeflogen. wenn ihr die Idee einer solchen Gegenattacke gekommen wäre. verbunden mit dem Wunsch. Zu der Spannung zwischen den universellen kommunikationsethischen Normen und strategischen Kommunikationsmaximen vgl. Sie wissen doch selber: Die deutsche Kfz-Versicherung ist sicher.1984 mit CDU-Generalsekretär Heiner Geißler unerreicht. ich persönlich. eine politische Entscheidung herbeizuführen. . Ich bin jetzt sieben Jahre Generalsekretär der CDU. Aber ich kann Ihnen was Grundsätzliches sagen: Die politischen Parteien haben eine Antwort zu geben auf die berechtigte Frage. Grice (1975). Aber eines scheint mir sicher: Bei aller Unverfrorenheit. sie realisiert hätte. was die Dichte und Vielzahl von Logikverstößen. der Wahrheit bzw. deren raffinierte Kaschierung und die Kaltschnäuzigkeit der Vorwärtsverteidigung auf engstem Raum betrifft. etwa im Interview mit einer angesehenen überregionalen Tageszeitung. würden wir weder von Schröder noch von Merkel noch von einem anderen Spitzenpolitiker Derartiges lesen können. als sie in die Opposition geraten ist. Plausibilität. der Wahrhaftigkeit. nicht um Autos. Und auf diese Frage möchte ich uneingeschränkt ja sagen. der Relevanz und der Verständlichkeit2 bleibt eine Passage aus der Sendung „ZDF-Hearing: Ist die Republik käuflich?“ vom 14. Können Sie sagen. ob die Bürger auf die Integrität. war zehn Jahre Landesminister. dass irgendjemand an mich herangetreten ist mit einer Spende. sicherer jedenfalls als das Rentenkonzept ihrer Regierung. den Spendenmillionen der CDU. aber das passt ja in das Weltbild von. indem er drei Dinge gleichzeitig tut: (1) Er verschiebt das Thema vom Unangenehm-Konkreten. wirft er diesem vor. anzunehmen. Mit seiner negativen Antwort ist die erste Interview-Frage erledigt. Geißler nutzt diese Regel. so hätte er allerdings damit rechnen müssen. Das betrifft allerdings lediglich die semantisch-propositionale Ebene. also genau das. so greift Geißler es mit kann ich Ihnen nicht sagen in der ‚wörtlichen‘ Bedeutung auf: im Sinne von vermögen. die erfragten Angaben zum Anteil der Großindustrie an den Spenden für die CDU zu machen. in der Lage sein. Ist wirklich der Fall Geld gegen politische Entscheidung ganz ungewöhnlich? Geißler: Es hat möglicherweise Versuche gegeben. die in ihrem Privatleben meist nur mit 3. Klein-Moritz. zumal in der damaligen Situation öffentlicher Erregung über das gerade ans Licht gekommene Parteispendenwesen. 800 Delegierte auf einem Parteitag lassen sich nicht beeinflussen durch Spenden gegenüber einzelnen Delegierten. Ob er tatsächlich nicht in der Lage war. zeigt nicht gerade der Fall Flick ganz deutlich und. 8oder 9-stellige Zahl er genannt hätte – das Gros der Zuschauer. die Unbestechlichkeit der politischen Institutionen insgesamt. wie man sieht. dass durch eine Spende die Willensbildung oder der Willensbildungsprozess einer politischen Partei beeinflusst werden könnte. mit der Hergabe von Geld verbunden sind.164 Josef Klein Ost: Aber Herr Geißler. auch der Fall Barzel. (3) Damit dieser unverfrorene Rollendiebstahl nicht auffällt und akzeptabel wird. (2) Er tut das in Form einer Frage. und 250 Bundestagsabgeordnete einer Fraktion auch nicht. auf Fragen mit mehr als einem Satz zu reagieren. Hätte er sie gemacht. auf das angenehmere Allgemeine. diese ‚berechtigte Frage‘ sozusagen im Namen der ‚Bürger‘ zu stellen. Geißler weiß natürlich. dass seine Antwort auf die selbstgestellte Frage (uneingeschränkt ja sagen) gewagt und darum begründungsbedürftig ist. unzulässig zu verallgemeinern.bis 5-stelligen Beträgen zu tun haben. was er gerade selbst praktiziert hat – allerdings mit einem wichtigen logi- . empört gewesen wäre. dass man dem Interviewten Gelegenheit gibt. Das ist bei einer großen Volkspartei absolut unmöglich. nicht wahr. Auf der formatbezogenen pragmatischen Ebene gilt dagegen die Regel. kann dahingestellt bleiben. dass – gleichgültig welche 7-. […] Geißler beginnt mit einer Umdeutung: Hatte Beckert können als Fragen-spezifisches Höflichkeits-können – fast synonym mit bitte – geäußert. die er dann selbst beantwortet – das bedeutet: Geißler interviewt sich hier selbst. beansprucht er. Als der Interviewer Ost zwei konkrete Gegenbeispiele anführt. die Vertrauenswürdigkeit der politischen Institutionen insgesamt. dass doch ganz konkrete Wünsche mit der Hergabe von Spenden. Hier stützt der ehemalige Jesuitenschüler sich auf zwei Fehlschlüsse: Zunächst zieht er einen Induktionsschluss vom Einzelfall der eigenen Unbestechlichkeit auf die Integrität. gepaart mit weitgehender Unkenntnis der Machtmechanik bei den Zuschauern. dass die Interviewer kein angemessenes Gegenmittel fanden. die Entscheidung. dass). bei der ersten Rezeption der Video-Aufzeichnung jeweils so gut wie nichts davon bemerkten. ich persönlich. dass dies die Zuschauer abschreckt. . Expertenautorität (sieben Jahre Generalsekretär der CDU. Darauf. Er verschweigt die Tatsache. die auf die Entscheidung Einfluss nehmen. … zehn Jahre Landesminister) und moralisierender Deftigkeit (wäre er zur Tür hinausgeflogen). Beim Argumentieren mit den quantitativen Verhältnissen in politischen Gremien bei gleichzeitiger Unterschlagung der Ungleichheit von Einflusschancen setzt Geißler auf die Suggestivität von Zahlen. dass Geißler hier ‚rhetorisch geschickt‘ agiere? Es ist der gehäufte Einsatz von Kaschiertechniken. Um die Unsäglichkeit des induktiven Schlusses von der Unbestechlichkeit eines einzigen Politikers auf die Integrität und Unbestechlichkeit der politischen Institutionen insgesamt zu überspielen. denen der Verfasser die Passage vorgeführt hat. weil er nach seinem Rückzug vom Partei. dass die Medienresonanz – in den 80er Jahren vor allem als Kolumne ‚Fernsehkritik‘ in Tageszeitungen – für Geißler durchaus positiv war und dass viele Gruppen innerhalb und außerhalb der Universität. Relevanz und Fairness so zu realisieren.und Fraktionsvorsitz von Flick jahrelang Beraterhonorare ohne adäquate Gegenleistung erhalten hatte. äußerstenfalls ein vages Gefühl bekundeten. dass es bei der Vorbereitung von Entscheidungen nicht bloß auf die Zahl der Abstimmenden ankommt. Zur Immunisierung gegen potentielle Zweifel werden diese obendrein dem Weltbild von Klein-Moritz zugeordnet – in der Hoffnung. indem er das im Namen der ‚Bürger‘ zu tun vorgibt. habe das wegen der großen Zahl der Mitglieder in den Entscheidungsgremien keine Bedeutung. wurde schon hingewiesen. setzt er auf die suggestive Wirkung einer Kombination von Authentizität (ich bin jetzt […]. diese Häufung von Verstößen gegen Logik. dass er die Wachsamkeit von Zuschauern gegenüber der Usurpation der Interviewerrolle einzuschläfern versucht. denn durch Stimmen aus der Parteispitze wird eine Vielzahl ‚einfacher‘ Delegierter oder Abgeordneter mehr als aufgewogen – etwa durch die von Rainer Barzel. die Geißler die Massierung der Verstöße erlaubt. Geißler macht so das Qualitative. sondern vor allem auf das politische Gewicht derer.Kognitive Kontrollschwächen bei Mündlichkeit 165 schen Unterschied: Durch die Gegenbeispiele hat Ost Geißlers Allsatz-ähnliche Behauptung in ihrem Allgemeingültigkeitsanspruch in der Tat widerlegt. der gerade als Bundestagspräsident hatte zurücktreten müssen. Selbst wenn es einzelne schwarze Schafe gebe. ich habe in dieser Zeit kein einziges Mal erlebt. Plausibilität. eine solch selbstbild-schädliche Position einzunehmen. Der zweite Fehlschluss ist der von der Quantität auf die Qualität. ausschließlich von einer quantitativen Größe abhängig. Wie hat Geißler es geschafft. – Frankfurt a. – New York/San Francisco/London: Academic Press. 1982) Stetter. Walter. Jerry L.): Sprachstrategien und Dialogblockaden.): Syntax and Sematics. 41–58. – Berlin/New York: de Gruyter. durchschaut zu werden. Josef (1996): „Dialogblockaden. Herbert Paul (1975): „Logic and Conversation“. In: Josef Klein. als Rezipient unter den Bedingungen von Mündlichkeit. das nächste Bild beanspruchen schon die Aufmerksamkeit. Man stutzt – und liest noch einmal. . die wir dargestellt haben. Selbst wenn man als Zuschauer stutzt – die nächste Äußerung. gegebenenfalls mehrmals. Hajo Diemannshenke (Hgg.M. ist schon verflogen. 3: Speech Acts. dann in weit raffinierterer Ausführung. Ong. Beim Lesen ist das bekanntlich anders: Speicher und Gespeichertes sind präsent. Klein. Gefahr. – Opladen: Westdeutscher Verlag. (1987): Oralität und Literalität. J. Vol. verbunden mit schnellem Sprecherwechsel und optischer Präsenz der Kommunizierenden das Geäußerte präziser kognitiver Kontrolle zu unterwerfen. 3–29.166 Josef Klein Dass die Kaschierstrategien Erfolgschancen haben. Literatur Grice. bevor man es sicher speichern konnte. S. ist im Wesentlichen der Schwierigkeit geschuldet. und was uns stutzig gemacht hat. Christian (1999): Schrift und Sprache. Morgan (Hgg.: Suhrkamp Verlag. Dysfunktionale Wirkungen von Sprachstrategien auf dem Markt der politischen Kommunikation“. S. Da laufen die Kniffe. In: Peter Cole. Darum finden wir sie in Schrifttexten von Politkern nur selten und wenn. (Engl. IV. Schriftgeschichte und Schriftbild . . Er untersucht die „Hintergrundmetaphern“ philosophischer Diskurse. Kern der Kritik ist vor allem die Vernachlässigung der historisch-kulturellen Dimension von Metaphern (Zinken/Hellsten/Nerlich 2008). Beide perspektivieren die Materialität von Schreiben und Schrift auf unterschiedliche Weise. das Schriftsystem. die eine theoriekonstitutive Funktion haben. Leitend sind dabei . Seit der griechischen Antike prägen zwei mächtige Metaphern die westliche Reflexion von Schreiben und Schrift: die textile Metapher des Spinnens und Webens sowie die Körpermetapher. Die Untersuchung von Metaphern im historisch-kulturellen Kontext ihrer Zeit war und ist das Ziel der ideengeschichtlich geprägten Metaphorologie. Diese Einsicht droht im Zuge der kognitiven Wende der Metapherntheorie verloren zu gehen. Insbesondere die Arbeiten von George Lakoff und Mark Johnson (1980. die sie angezettelt. ‚kanalisiert‘ in dem. werden wir im folgenden exemplarisch nachzeichnen. indem sie den Rahmen des Erkennbaren abstecken: „wir [sind] durch Bildervorrat und Bilderwahl bestimmt. was überhaupt sich uns zu zeigen vermag und was wir in Erfahrung bringen können. die zweite hingegen auf das Medium des Schreibens. ausgearbeitet und in Texten weitergegeben haben. ²1999: 91f. Zettel: „sind wir durch Bildervorrat und Bilderwahl bestimmt“ Metaphern haben eine Geschichte.“ (Blumenberg 1960. deren Name und Programm mit dem Werk von Hans Blumenberg verbunden ist.Mareike Buss & Jörg Jost Die Schrift als Gewebe und als Körper Eine metaphorologische Skizze 1. den Text. Wie diese Metaphern unseren Blick auf die beiden Phänomene im einzelnen organisieren.) In dieser Tradition der Blumenbergschen Metaphorologie sehen wir unsere Analyse von Schriftmetaphern. Allerdings ist der objektivistisch-universalistische Anspruch kognitiver Metapherntheorien nicht unwidersprochen geblieben. 1999) postulieren die kognitive Verankerung von Metaphern als metaphorische Konzepte und damit ihren universalen Charakter. Sie sind eng verwoben mit den Kulturen und Traditionen. Die erste bezieht sich auf den Prozess und das Produkt des Schreibens. welche verstellen sie? 2. das als „Metapher für Sprache. wenn er das ganze System der Sprache „mit einem ungeheuren Gewebe vergleich[t]. Für die Bedeutung des Text-Begriffs spielen die Eigenschaften des Gewebes eine konstitutive Rolle. hierzu auch Greber 2002). eine Lücke im Wortschatz zu schließen.1 Dass die Katachrese als verbum proprium Erfolg hatte. . Hier akzentuiert die Metapher der Sprache als Gewebe bestimmte Merkmale des Webens und des Gewebten und bezieht sie vermittels einer „unerhörten Prädikation“ (Debatin 1997: 54) auf Merkmale von Sprache(n). das Charakteristische an Sprache hervorzuheben. Die textile Struktur entsteht aus der Verkettung von einander ähnlichen Teilen. textura bedeutet Geflecht oder Gewebe und texere bezeichnet die handwerklichen Tätigkeiten flechten und weben. Da es für schriftliche Artefakte und ihre Herstellung keine Benennung gab – Harlizius-Klück (2004: 19) weist in diesem Zusammenhang auf ein bis dahin fehlendes „verbum proprium des Geschriebenen“ hin –. Die Leistung des metaphorischen Ausdrucks ist es. „Essentiellement. zeigt sich in ihrer Lexikalisierung (Text ist ein Lemma des Lexikons geworden). Das „richtige Verbinden von Elementen“ ist. kennzeichnend für das Webereiparadigma. die Familienähnlichkeiten (im Sinne Wittgensteins) aufweisen und in ihrer Verwobenheit jeweils aufeinander Bezug nehmen (vgl. Sie bezahlt diesen Erfolg mit dem Verblassen und schließlich gar dem Tod ihrer metaphorischen Bedeutung: Text wird ebenso 1 –––––––— Die Gewebemetaphorik dient schon Humboldt dazu.170 Mareike Buss & Jörg Jost zwei Fragestellungen: Wie werden die Metaphern gebraucht? Und: Welche schrifttheoretischen Einsichten ermöglichen. die in der Verknüpfung von Teilen zu einem Ganzen bestehen. Schrift und Text aufzufassen“ ist. c’est-à-dire le tissu des signifiants“ (Barthes 1978: 16). in dem jeder Theil mit dem andren und alle mit dem Ganzen in mehr oder weniger deutlich erkennbarem Zusammenhange stehen“ (Humboldt WW 3: 446 („Sprachbau und Entwicklung des Menschengeschlechts“)). das mehr ist als die Summe seiner Teile. Der Textbegriff diente als Katachrese zunächst dazu. worauf die lateinischen Substantive textus und textura ebenso hinweisen wie das Verb texere. bediente man sich per analogiam eines Bereichs. die allen Sprachen gemeinsamen Mechanismen und Wirkungsweisen zu fokussieren. der dem Text und seiner Herstellung in vielerlei Hinsicht ähnlich ist: der Textiltechnik bzw. Weberei. le texte. so Harlizius-Klück (2007: 510). „Ungeheure Gewebe“ „Ungeheure Gewebe“ und „textile Texte“ – die Metaphern des Spinnens und Webens sowie des Textilen sind zentrale Bildbereiche in der theoretischen Auseinandersetzung mit Sprache und Text. Textus. d. das aus dieser als Produkt schriftlicher Artikulation hervorgeht. Notwendig werden solche Re-Metaphorisierungen.h. like a sheet of paper. Der mit Darstellungen der Apokalypse des Johannes gewebte Wandteppichzyklus „L’Apocalypse“ (1373–80) – eine Arbeit von Nicolas Bataille.“ (Kruger 2001: 29). Die Schrift – auf dem Papier oder am Bildschirm – formt den Text. ihrer Struktur und Technik sowie in ihrer Eigenschaft. der Textur. but also bestowing (or preserving) power. um sinnlich vorstellbar zu werden. „weil die abstraktere Bedeutung sich aufgrund eines spezifischen historischen Vergessens als eigentliche. ist das einmal hinsichtlich des Schreibens interessant. Wenn Kruger textilen Artefakten metaphorisch eine ‚Grammatik‘ und damit Strukturiertheit und Ordnung zuerkennt und von in die Textilien eingewobenen kommunikativen Absichten spricht. Whether the heavily brocaded robe of a bishop. „The connection between weaving (textiles) and language (texts) becomes so entangled as to be almost impossible to separate. Vor dem begriffsgeschichtlichen Hintergrund sind textile Attribuierungen von Text und Textur strenggenommen „Re-Metaphorisierung[en]“ (Harlizius-Klück 2004: 19). their language consisting of a grammar of fiber. zum anderen im Hinblick auf die Materialisierung von Text. Black 1962: 41). nackte durchgesetzt hat und nun nachträglich einer Einkleidung zu bedürfen scheint. macht Kruger (2001: 11) mit Blick auf die Bedeutung textiler Kunst in der Literatur deutlich: Whether decorating floors. Textgeflecht oder dem geflochtenen Text. Wie eng diese Verbindung zwischen Textilem und Text ist. or a translucent veil hung before a face – these textiles. the colorfully woven jacket of a Peruvian merchant. dem dicht gewebten Text. Man begegnet ihnen in gebräuchlichen Ausdrücken wie beispielsweise dem Text als Gewebe. communicating not only cultural meaning. Raum und Zeit überwindende materielle Träger von Narration und Bedeutung zu sein. cloth was woven with attention to invention. das materiale Substrat. des Textes als Gewebe verbindet textile Merkmale untrennbar mit dem Geschriebenen. Die Metaphorik des textilen Textes bzw. Textur a ls Gewebe wahr (vgl. Durch das Raster des metaphorischen Ausdrucks betrachtet nehmen wir Text bzw. Das neuerlich gebrauchte ‚alte‘ Kleid des textilen Textes wirft die Frage nach den Kennzeichen textiler Metaphorik auf sowie nach ihrem Einfluss auf die schrifttheoretische Konzeption von Text und Textur. Auch die am Webstuhl verwobenen Fäden formen textile Texturen. der später in engem Austausch mit dem bislang unbekannten und daher nach seinem Wir- .). Für Black (1962: 33) ist dies das Los der Katachrese im Falle ihres Erfolges.“ (ebd. die im Begriff der Textur aufgeht. convey meaning. Analogien zwischen Gewebe und geschriebenem Text bestehen in ihrer Herstellung. dem Textgewebe.Die Schrift als Gewebe und als Körper 171 wie Textur heute nicht mehr a ls Metapher wahrgenommen. genauer: die Textur. design and dye. walls or bodies. ist ebenso materialisiertes textiles Substrat symbolischer Handlungen wie das Bekleidungsstück mit Logo und Namensschriftzug oder den Initialien seines Trägers. Wittgenstein verdeutlicht das am Begriff der Zahl und fragt: „Warum nennen wir etwas ‚Zahl‘?“ (PU §67). Die textile Metaphorik erlaubt nun einen Blick auf das Sediment selbst: materialisierte s p r a c h lic h e H a n d lu n g e n . an dieses angeknüpft. wenn diese getragen und wahrgenommen werden. Beim Schreiben sedimentiert die Bedeutung in der Textur und bildet den „Raum für ein Handeln am Text“ (Stetter 1997: 296) heraus – ähnlich den zu Stoff gewobenen Fäden. was geschrieben is t und gelesen w ir d [.. um zu zeigen. dass die Frage nach dem Wesentlichen der Sprache nicht darauf abzielen kann. mit ihm verwoben wird: Und wir dehnen unseren Begriff der Zahl aus. das allen Sprachen Gemeinsame anzugeben. Leser-Textes unterschieden werden kann: „Text ist dasjenige. daß viele Fasern ineinander übergreifen. Das Spinnen des Fadens geht seinem Verweben ebenso (chrono)logisch voraus wie die in Sprachspielen konstituierten Handlungen ihren Sedimentierungen in der Textur.bzw. PU §65–66). weil sich durch sie der Ort des logos in der Textur bestimmen lässt und die Textur als materiales Produkt vom mentalen Konstrukt des Schreiber. Das Benennen beruht zunächst auf dem Erkennen von Ähnlichkeiten zwischen dem aktuellen Benennen und einer vergleichbaren sprachlichen Verwendungsweise – hier kommt der Begriff der Familienähnlichkeit ins Spiel. (PU §67) . Die kommunikative Absicht wird bei Bekleidungsstücken erst erkennbar.. In seinen „Philosophischen Untersuchungen“ gebraucht Wittgenstein denn auch die Metaphorik des Spinnens. die u n te r das Sprachspiel fällt. Metaphorisch sind sie gesponnenen Fäden vergleichbar. Schrifttheoretisch ist die Differenzierung von Textur und Text bedeutsam.] Textur ist Text im Modus des Präteritums“ (Stetter 1997: 294). Stattdessen müsse man nach ihren verschiedenen Weisen verwandtschaftlicher Beziehungen und Ähnlichkeiten fragen (vgl. indem die aktuelle Benennung. wenn durch Bezugnahme das Logo oder der Namensschriftzug zum Symbol und also bedeutungsvoll wird („Ich wähle meine Kleidung bewusst aus“). was geschrieben und verstanden w ir d . il se pare d’un ensemble de signes qui l’identifient et le différencient“ (Heilbrunn 2005: 170). Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin. sondern darin. die zu Textur verwoben und in einer geordneten Struktur fixiert werden. Sodann wird der Extensionsbereich des Sprachspiels „Benennen einer Zahl“ erweitert. daß irgend eine Faser durch seine ganze Länge läuft. „A partir du moment où le tissu entre dans un circuit marchand. wie wir beim Spinnen eines Fadens Faser an Faser drehen. die Textur das.172 Mareike Buss & Jörg Jost kungsort genannten Naumburger Meister (1394–1439) stand –. Die Metapher vom Text als Gewebe bezieht sich in den Kategorien dieser analytischen Differenzierung strenggenommen auf die materialisierte Form des Textes: seine Textur. nämlich auf der Tatsache. ist tief in unserer Kultur verwurzelt. die Ähnlichkeiten aufweisen und gemeinsam ein Sprachspiel dadurch herausbilden. Es enthält einen historisch wahren Kern. entwickeln sich die Sprachspiele erst durch den Gebrauch ähnlicher sprachlicher Handlungen. wie das Verspinnen einzelner Fäden erst Struktur erzeugt. dass sie sich aneinanderreihen und ineinandergreifen und so ein festes Beziehungsgefüge bilden. Allerdings erhebt nun die mimetische Auffassung das historische Konstruktionsprinzip der Alphabetschrift – die phonematische Analyse des Gesprochenen – zu ihrem .. denn die Alphabetschrift beruht ja tatsächlich auf der Anpassung der phönizischen Konsonantenschrift an die phonematischen Gegebenheiten des Altgriechischen. sie bilde die Strukturen der gesprochenen Sprache ab. Schriftkörper In der westlichen Tradition gerät Schrift stets in Verbindung mit der gesprochenen Sprache in den Blick der theoretischen Analyse. Rationalzahl.). die eben eine differenzierte Auszeichnung von Konsonanten und Vokalen in der Schrift erforderlich machten (vgl. 1984: 16) – die Prädikate des einen Bereichs (Spinnen) ‚passen‘ nicht zu denen des anderen Bereichs (Benennen) – macht die strukturellen Zusammenhänge deutlich. reelle Zahl etc. ist die Verwobenheit und das Ineinandergreifen von sprachlichen Handlungen wie dem Benennen. ähnlich einer textilen Struktur. die Dichte aufweist und Festigkeit. und gleicherweise de[n] Begriff des Spiels als logische Summe entsprechender Teilbegriffe“ (PU §68) ergeben und zu Texturen verwoben sind. 3. die zwischen dem Spinnen des Garns einerseits und sprachlichen Handlungen wie dem Benennen andererseits bestehen.Die Schrift als Gewebe und als Körper 173 Was Wittgenstein hier zeigt. Haarmann 1998: 267ff. als Repräsentation oder Verkörperung des Gesprochenen. Fäden und Verknüpfungspunkte hinter dem Ganzen zurücktreten. Denn so. Der in der Metapher kalkulierte Kategorienfehler (Ryle 1949. die unter dem Mikroskop betrachtet aus einzelnen und in einer losen Beziehung zueinander stehenden Fasern besteht. deren einzelne Fasern. dass Schrift in diesem Kulturkreis in der Regel implizit mit Alphabetschrift gleichgesetzt und dass die Alphabetschrift wiederum als Lautschrift gedacht wird. die aneinander anknüpfend und miteinander versponnen „die logische Summe jener einzelnen miteinander verwandte[n] Begriffe: Kardinalzahl. Diese Sichtweise beruht auf einem historisch kontingenten Umstand. die aber mit bloßem Auge betrachtet Fäden und – mit wachsendem Abstand – ein dichtes Gewebe darstellen. die Auffassung also. Das „Mimesis-Bild der Alphabetschrift“ (Stetter 2005: 101). „Das Wort vom Wort. stillgestellt wird. Insbesondere der Gedanke der Glie- . die neben den Metaphern des Spinnens und Webens als grundlegende Denkfigur der Schrifttheorie gelten kann: der Metapher des Körpers.“ (Herbold 2004: 7) Die Metaphorisierung der Schrift als Körper des gesprochenen Wortes hebt zunächst auf die phänomenal-materiale Differenz von flüchtigem Laut und statischer Schrift ab. das Fleisch ward. Stetter 1997: 281f. „daß sie Bilder für das sinnvoll nicht wahrnehmbare Ganze eines sozialen Gebildes liefert. wie Stetter (1997. die Vorstellung eines gegliederten Ganzen. insbesondere natürlich der Alphabetschrift. Schrift erlaubt – in den Worten Krämers (2005: 47) – textuelle „Flächenfixierung“ und hieraus resultiert „die zeitresistente Stabilität der Schrift.und Lesedidaktik. vgl. Die intellectuelle Thätigkeit.“ Diese beiden Aspekte – die Stillstellung flüchtiger Phänomene und. bleibt ihre zentrale Projektionsleistung dieselbe: Sie zielt vor allem darauf. eine Verwechslung mit gravierenden Folgen sowohl für die theoretische Reflexion der Schrift als auch für die praktische Schreib. wie das folgende Zitat von Humboldt exemplifiziert: Die Sprache ist das bildende Organ des Gedanken. fixiert auf Pergament. ist […] bis heute programmatisch für die die christlich-abendländische Gesellschaft prägende rhetorische Engführung des Körpers mit der (heiligen) Schrift. durchaus innerlich. Papyrus oder Papier. in der Folge.“ (Lüdemann 2007: 169) Obwohl die Metaphorik über die Jahrhunderte auf ganz unterschiedliche Weise begrifflich ausgearbeitet wurde. die im „Ton der Rede“ sinnlich fassbar wird.174 Mareike Buss & Jörg Jost systematischen Funktionsprinzip (vgl. wird durch den Ton in der Rede äusserlich und wahrnehmbar für die Sinne. Die Körpermetapher wird vornehmlich in einem ganz anderen Zusammenhang verwendet. durchaus geistig.: 84 („Buchstabenschrift und Sprachbau“)) Ungreifbar wie die menschliche Seele ist die „intellectuelle Thätigkeit“. wie auch beim handgreiflichen Umgehen mit den Zeichen. zu plausibilisieren. das mehr ist als die Summe seiner Teile. aber erst als Schriftkörper. nämlich zur Metaphorisierung von gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen in der Rede von der Gesellschaft als sozialem Körper. dessen konkrete Verfaßtheit durch den Vergleich mit der Verfaßheit natürlicher Körper gerechtfertigt werden soll. Ihre Leistung besteht hier darin. 2005) nachgewiesen hat. die Manipulierbarkeit der so gewonnenen Gegenstände – gelten seit der Antike als zentrale Funktionen und Leistungen von Schrift. Dies ist.). und erhält durch die Schrift einen bleibenden Körper. und gewissermassen spurlos vorübergehend. Das Mimesis-Bild der Alphabetschrift ist mit einer Metapher verbunden. bleibt und so einer genauen und wiederholten Betrachtung unterzogen werden kann. auch ebd. die von Nutzen ist sowohl bei der Speicherung und Übertragung. (Humboldt WW 3: 191 („Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaues“). ). dass sie selbst wiederum als Metapher verwendet wird. Die Alphabetschrift fixiert nicht nur das flüchtige. lat. führt die Alphabetschrift die Gliederung der Sprache in kleinere Einheiten (Wörter. tritt eine Folge diskreter Elemente. Silben. weil er das Konstruktionsprinzip der Alphabetschrift gleichsam dokumentiert: „An die Stelle eines modulierten Kontinuums. Bestimmung und Bezeichnung der einzelnen Articulationen. dass sie allein erst die Einsicht in die Gliederung derselben vollendet. dass sie sprachliche Strukturen eben sinnlich fassbar macht: Wodurch die Buchstabenschrift noch viel wesentlicher […] auf die Sprache wirkt. Gleichzeitig markieren Gelenke aber auch die anatomischen Grenzen der einzelnen Körperglieder (membra). Hirsch 1996). werden nicht die Grundtheile des Sprechens erkannt. um die Strukturen von Gegenständen anderer Ordnungen zu beschreiben (vgl. Denn ohne die Unterscheidung. die schon bei den Vorsokratikern […] als Grundbestandteile der Rede gedeutet werden.2 Erst im lateinischen articulus verbindet sich die Idee der Gliederung mit der des konkreten (Schrift)Körpers. sie stellt auch seine Struktur vor Augen. aber auch die holistische Vorstellung von Teil-Ganzes-Verhältnissen sind für die Übertragung der Körpermetapher auf die Schrift von Bedeutung. Noch Humboldt sieht ihren Vorzug im Vergleich zu anderen Schriftsystemen gerade darin. Laute) vor. Hirsch 1996: 44f. ist dadurch. Schrifttheoretisch ist dieser Begriff interessant. Dabei ist stoicheion – ebenso wie gramma – in den frühesten Belegen zugleich Bezeichnung für ‚Buchstabe‘ und ‚Laut‘. gesprochene Wort. und das Gefühl davon allgemeiner verbreitet. d ie stoicheia. d e s logos. erst später wird eine systematische Unterscheidung zwischen den beiden Zeichentypen vorgenommen (vgl. (Humboldt WW 3: 98 („Buchstabenschrift und Sprachbau“)) –––––––— 2 Für griechische Philosophen wie Platon stellt die Alphabetschrift sogar abstrakte Teil-Ganzes-Verhältnisse so anschaulich vor Augen. Ebenso wie die Gelenke die Gliederung des Körpers vor Augen stellen. zum Alphabet als ganzem oder ihre Zusammensetzung zu größeren Einheiten wie Silben und Wörtern kann der weiteren Analyse unterzogen werden. Die Griechen nennen die Elemente der Alphabetschrift stoicheia. articuli. also ein Teil des Körpers. Blößner 1998: 198. das Bewegungen ermöglicht. Hand oder Arm. Der Begriff des stoicheions hebt die Gliederungsleistung der Alphabetschrift in abstracto hervor.Die Schrift als Gewebe und als Körper 175 derung. Ein articulus ist zunächst ein Gelenk. seien dies Finger. ‚Glieder einer Reihe‘ oder auch ‚Grundbestandteile‘. Nur ihr Verhältnis zueinander. . und der Begriff der Gliederung wird nicht durch die ganze Sprache durchgeführt.“ (Stetter 1997: 281) Diese Grundbestandteile können weder in kleinere Elemente geteilt noch können sie isoliert und für sich genommen analysiert werden. 3 Etwas verspielter. die gedruckten Buchstaben nach den Proportionen des menschlichen Körpers zu gestalten. Grundsätzlicher gesprochen ist die Fixierung der Sprache als Schriftkörper nach Humboldt überhaupt die Möglichkeitsbedingung von metasprachlicher Reflexion: „Ihre allgemeinste Wirkung [der Schrift] ist. sondern auch – terminologisch und figürlich – in einer bestimmten Medienp r a x is : der (Buch)Druckkunst. wenn man sagt. nicht mehr teilbaren Einheiten zu ermöglichen.: 84.: 92) Die besondere Leistung der Alphabetschrift besteht also darin.“ (ebd. qu’on dit autrement Lettres Antiques. <heading>. die vom Homo-Mensura-Satz des Protagoras geprägt sind. liegt unserer Rede genauso die Körpermetapher zugrunde wie dem typographischen Terminus typeface. . Wenn wir heute von Briefkopf. dass sie die Sprache fest heftet und dadurch ein ganz andres Nachdenken über dieselbe möglich macht.: 338 („Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaues“)) Erst in der Form ihrer schriftlichen Fixierung – und zwar unabhängig vom einzelnen Schriftsystem – kann Sprache Gegenstand von Reflexion und „feinere[r] Bearbeitung“ (ebd.). als wenn das verhallende Wort bloss im Gedächtniss eine bleibende Stätte findet. Das sicherlich berühmteste Beispiel hierfür ist der „Champ fleury“ (1529) von Geofroy Tory. auch ebd. denn sie stellt der „Seele die Articulation der Töne vor […] und man behauptet nicht zuviel. teilweise auch derb-erotisch. Kopf.und Fußzeile. Fußnote oder eben Textkörper sprechen (nicht zuletzt in den Markup-Tags <head>. wie die von Giovannino de’ Grassi (1350–1398) oder Giovanni Battista Bracelli (tätig ca.“ (ebd. vgl. Als materialisierte Figur taucht der Schriftkörper in typographischen Renaissancetraktaten auf. 3 –––––––— Der vollständige Titel lautet (in leicht normalisierter Schreibung): „Champ fleury. der vorschlägt. <body> usw. präsentieren sich hingegen die sogenannten alfabeti figurati. 1616–50).: 85 („Buchstabenschrift und Sprachbau“)) werden. Die Körpermetaphorik spielt aber nicht nur in der Schrifttheorie eine zentrale Rolle. dass durch das Alphabet einem Volke eine ganz neue Einsicht in die Natur der Sprache aufgeht. die Analyse des Aufbaus und der Gliederung einer Sprache bis zu den letzten.176 Mareike Buss & Jörg Jost Die Alphabetschrift macht die Artikulationsarbeit einer Sprachgemeinschaft auf eine spezifische Weise sichtbar. & vulgairement Lettres Romaines proportionnées selon le Corps & Visage humain“. Au quel est contenu L’art & Science de la deue & vraye Proportion des Lettres Attiques. der Fixierung und Aufbewahrung von Wissen über lange Zeiträume. 1: Giovanni Battista Bracelli (1632): „Alfabeto Figurato“ Die Tradition der anthropomorphisierten (Druck-)Buchstaben findet – natürlich in erotisch entschärfter Form – in den illustrierten Abecedarien des 18. . Auch die Körpermetaphorik lenkt den Blick auf bestimmte Eigenschaften der Schrift. Dies ist besonders augenfällig in der Metaphorisierung einer zentralen kulturellen Leistung der Schrift. Jahrhunderts ihre Fortsetzung und wird schließlich im 20. andere treten dagegen in den Hintergrund. und 19.4 –––––––— 4 Assmann (³2006) hat die unterschiedlichen theoretischen Positionen zum Verhältnis von Schrift und Gedächtnis seit der Antike im einzelnen rekonstruiert. so etwa von Erté (1929) oder in Rowland Schermans „Love Letters“ (1975). Diese Umarbeitung der Metaphorik gibt es schon bei Platon (etwa im „Phaidros“). Im Prozess der metaphorischen Bezugnahme werden bestimmte Eigenschaften eines Gegenstandes hervorgehoben. in der späteren schriftkritischen Tradition wird sie zu einem immer wiederkehrenden Topos. In diesem Sinne wirken Metaphern wie Filter (vgl. Black 1962: 41). Rede und Schrift werden einander als lebendiger und toter (Gedanken-)Körper gegenübergestellt. während sie andere verdeckt. Jahrhundert von Künstlern unterschiedlicher Ausrichtung wieder aufgenommen. Dazu wird die Körpermetaphorik in einer bestimmten Weise weiter ausgestaltet: Der Unterschied zwischen lebendigem und totem Körper rückt in den Mittelpunkt.Die Schrift als Gewebe und als Körper 177 Abb. um zwei unterschiedliche Einschätzungen der Aufbewahrungsleistung der Schrift vorzutragen. Während das Spinnen der Fäden und das Weben von Texturen den Blick ebenso auf die Tätigkeit des Schreibens lenkt wie auf das hergestellte Artefakt. wie reich und weitverbreitet sie sein möge. der die Metapher des toten Schriftkörpers in seinen schrifttheoretischen Reflexionen nutzt. dass kulturelles Wissen im persistenten Medium der Schrift ganz anders tradiert werden kann als im ephemeren Medium des gesprochenen Wortes: „In Schrift gefasste Werke und Literaturen tragen ihn [den Gedanken] dann gleichsam mumienartig verschlossen über Klüfte hinweg. geht die Sprache erst angeblicher Reinigung. den Text. welche die lebendige Wirksamkeit nicht zu überspringen vermag. auch ebd. zum anderen die Möglichkeit der Tradierung von Wissen. erlaubt die Körpermetaphorik eine Reflexion der Gliederungs. (Humboldt WW 3: 28 („Sprachcharakter und Literatur“). 4. zum einen die Veranschaulichung der Gegliedertheit von Sprache. um verstanden werden zu können (vgl. sich ihrer materialen und medialen Spezifik in einer ganz bestimmten und zwar durch den metaphorischen Filter akzentuierten Weise zu nähern. Etwas anders verhält es sich mit einer weiteren Umdeutung der Metapher des Schriftkörpers: Die Bildung einer Literatur gleicht der Bildung der Verknöcherungspunkte in dem alternden menschlichen Körperbau. die immer wieder der Versinnlichung bedarf. Allerdings erkennt er an. und von dem Augenblick an wo der frei in Rede und Gesang ertönende Laut in den Kerker der Schrift gebannt wird.und Aufbe- .: 331 („Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaus“)) An dieser doppelten Perspektivierung der Schrift als mumienartigem Aufbewahrungsort bzw. ebd. Saum Den Text als Gewebe und die Schrift als Körper zu denken heißt.: 418). Grundsätzlich betrachtet auch er Schrift – gemäß der Tradition – als „todte und kalte Aufzeichnung“ lebendiger Rede (Humboldt WW 3: 602 („Sprachbau und Entwicklung des Menschengeschlechts“)). vgl.“ (Humboldt WW 2: 359 („Schiller und der Gang seiner Geistesentwicklung“)) Im Grunde fasst Humboldt mit der Metapher der Schrift als Mumie die beiden für ihn zentralen Leistungen der Schrift in ein prägnantes Bild. als knöchernem Kerker der lebendigen Rede lässt sich Humboldts ambige Bewertung dieser Kulturtechnik deutlich ablesen. dann Verarmung und endlich ihrem Tode zu.178 Mareike Buss & Jörg Jost Eine Ausnahme stellt Humboldt dar. Allerdings stellen die Gewebe.: Suhrkamp.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. einer jener „G r u n d b e s tä n d e der philosophischen Sprache […]. Aleida (³2006): Erinnerungsräume. – Ithaca et al. Studies in Language and Philosophy. Darüber hinaus haben wir gezeigt. Hans (1960. – In: Dialectica 31. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. – München: Beck. Die unauflösbare Verbindung von Schrift und Gewebe. Karlfried Gründer (Hgg. Vielmehr konstituieren sie die für unsere Kultur typischen Auffassungen dieser Gegenstände: „some metaphors enable us to see aspects of reality that the metaphor’s production helps to constitute“ (Black 1977: 454) Mit anderen Worten: Wir können in unserer Kultur Text und Schrift gar nicht losgelöst von diesen Metaphern denken. ist ein Spezifikum der westlichen Begriffsgeschichte. Blößner. Band 10: St–T. – Paris: Seuil. Text ist eine „absolute Metapher“ im Blumenbergschen Sinne. In: Joachim Ritter. Max (1977): „More about Metaphor“. Norbert (1998): „Stoicheion“.: Cornell University Press. prononcée le 7 janvier 1977. im Chinesischen und auch im Japanischen kein Äquivalent zu unserem Begriff des Textes – außer dem englischen Lehnwort text. so wurde deutlich. Black.“ (Blumenberg 1960. – Frankfurt a. die sich nicht ins Eigentliche. Barthes.Die Schrift als Gewebe und als Körper 179 wahrungsleistung vor allem eines bestimmten Schriftsystems. in die Logizität zurückholen lassen. die wir auch ohne sie erkennen und beschreiben könnten.und die Körpermetaphorik nicht einfach Eigenschaften von Text und Schrift in den Vordergrund. Die Schrift is t Körper und der Text Gewebe – in der theoretischen Reflexion ebenso wie im alltäglichen Sprachgebrauch. In: Models and Metaphors. ²1999): Paradigmen zu einer Metaphorologie. S. – Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. die historischen und kulturellen Kontexte metaphorischer Prägungen mitzureflektieren. 25–47. Das Nachdenken über Schrift und Text dürfte sich daher in diesen Kulturen substantiell von dem in unserer Kultur unterscheiden. Black. Leçon inaugurale de la chaire de sémiologie littéraire du Collège de France. 431–457. 197–200. Literatur Assmann. Tatsächlich gibt es im Koreanischen. Blumenberg. dass es unabdingbar ist. S. S. In asiatischen Kulturen existiert diese Metaphorik nicht. . ²1999: 10) Auf einige schrifttheoretische Implikationen dieses Befundes haben wir hingewiesen. Roland (1978): Leçon.M. der Alphabetschrift. Max (1962): „Metaphor“. – Frankfurt a. – Köln et al. Benoît (2005): „Logo“.: Campus. In: Gernot Grube. Stetter.: Suhrkamp. Kathryn Sullivan (2001): Weaving the Word. Ellen (2004): Weberei als episteme und die Genese der deduktiven Mathematik. – Weilerswist: Velbrück. Lüdemann. – (2007): „Weben.M. Kulturtechnik zwischen Auge. 23–57. – In: Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption 6. von Andreas Flitner. Studien zur Tradition des Wortflechtens und der Kombinatorik. Sybille Krämer (Hgg. S. Poetologische Metaphorik und Literaturtheorie.: Böhlau. 1984): The Concept of Mind. Harald (1998): Universalgeschichte der Schrift. Haarmann. In: Ralf Konersmann (Hg. Wilhelm von (81996): Werke in fünf Bänden. In: Wolfgang Luutz (Hg.180 Mareike Buss & Jörg Jost Debatin. Herbold. 41–49. Erika (2002): Textile Texte. Ulrike (1996): „Das Alphabet als Modell. S. Ryle. Mark Johnson (1980): Metaphors We Live By. – Chicago: Chicago University Press. Bernhard (1997): „Metaphern der Kommunikation und Kommunikation durch Metaphern“. – Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Astrid (2004): Eingesaugt und rausgepresst.: Suhrkamp.M. 53–66. – Paris: Babylone. Klaus Giel – Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft [=Humboldt WW]. Theorien der Kommunikation. – London: Associated University Press.): Wörterbuch der philosophischen Metaphern. Symboltheoretische Grundlagen von Medientheorie und Sprachwissenschaft. – München: Fink. Patrice Hugues (Hgg. Buchstabieren der Welt bei Demokrit und Platon“. 170–172. – (1999): Philosophy in the Flesh: The Embodied Mind and Its Challenge to Western Thought.): Wörterbuch der philosophischen Metaphern. Werkausgabe in 8 Bänden. – Leipzig: Leipziger Universitätsverlag (Leipziger Schriften zur Philosophie 8). Hand und Maschine. Humboldt. Hirsch. et al. Harlizius-Klück. [= PU] . Spinnen“. Wittgenstein.): Das ‚Andere‘ der Kommunikation. Band 1. – Frankfurt a. – Frankfurt a. 498–518. – New York: Basic Books. Werner Kogge. – (2005): System und Performanz. Krämer. George.): Dictionnaire culturel du tissue. Susanne (2007): „Körper. S. Greber. Gilbert (1949. – Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Organismus“.): Schrift. Kruger. S. In: Régis Debray. – Chicago: University of Chicago Press. The Metaphorics of Weaving and Female Textual Production. Christian (1997): Schrift und Sprache.M. Heilbrunn. – Würzburg: Königshausen & Neumann. – Berlin: Edition Ebersbach. 168–182. Sybille (2005): „‚Operationsraum Schrift‘: Über einen Perspektivenwechsel in der Betrachtung der Schrift“. S. S. Ludwig (121999): Philosophische Untersuchungen. In: Ralf Konersmann (Hg. Verschriftlichungen des Körpers und Verkörperungen der Schrift. Lakoff. Hg. In: Giovanni Battista Bracelli: Gravures. – Berlin: de Gruyter. S. Éd. Jörg. Band 2: Sociocultural Situatedness. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Bracelli. 1975): „Alfabeto figurato“. par Maxime Préaud. Giovanni Battista (1632. . and Mind. 363-385. Iina Hellsten. Brigitte Nerlich (2008): „Discourse metaphors“. (Hgg.): Body. – Paris: Éditions du Chêne [Dossiers Graphiques du Chêne].Die Schrift als Gewebe und als Körper 181 Zinken. Language. In: René Dirven et al. . Thomas Niehr Frakturschrift und Purismus – eine unheilige Allianz Die Re-Ideologisierung von Schriftarten im 21. besonders interessant. Polenz 1996: 280) Und in der Tat fällt es weder leicht. Einleitung Bereits vor mehr als zehn Jahren stellte Peter von Polenz bilanzierend fest: „Das Zeitalter des deutschen Schriftartenfetischismus ist vorüber. Immerhin scheint mir die . Weiterhin möchte ich der Frage nachgehen. dann muss sie ja gute Gründe für dieses Ziel geltend machen können. die möglicherweise im Zusammenhang mit der Konnotation von Frakturschriften stehen? Verfolgt der BfdS etwa unter dem Deckmantel der Schrift. auf Anhieb halbwegs nachvollziehbare Gründe für eine Re-Ideologisierung von Schriftarten zu finden. Wenn eine Vereinigung es sich heutzutage auf ihre Fahnen schreibt. noch kann man sich vorstellen.“ (v. der auf eine lange Tradition zurückblickt. Schließlich geht es auch noch um die Geschichte des BfdS. Ich möchte im Folgenden zunächst die Argumente vorstellen und prüfen. Bis ich den „Bund für deutsche Schrift und Sprache“ kennenlernte. Jahrhundert 1. dass heutzutage jemand den aussichtslos scheinenden Kampf für oder gegen bestimmte Schriftarten aufzunehmen bereit wäre. hätte ich es nicht für möglich gehalten. macht den Verein. ob Frakturschriften eine bestimmte Konnotation haben – unabhängig davon. die Frakturschriften wieder einzuführen. dass es aber doch vereinsmäßig organisierte Bestrebungen gibt. die der Bund für deutsche Schrift und Sprache (BfdS) zugunsten der Frakturschrift anführt. Frakturschriften zugunsten der verbreiteten und leichter lesbaren Antiquaschriften wieder einzuführen. der – anders als beispielsweise der Verein deutsche Sprache – eine fast hundertjährige Vereinsgeschichte vorzuweisen hat: Lassen sich hier ideologische Momente erkennen. Dass parallel zu diesen Bemühungen auch noch puristische Argumente gegen die Verwendung von Anglizismen angeführt werden – der Bund nennt sich schließlich auch „Bund für deutsche Sprache“ –. ob diese Konnotation zu Recht oder zu Unrecht besteht. die auf den folgenden Seiten sicherlich nicht erschöpfend beantwortet werden können.und Sprachpflege eine reaktionäre Ideologie? Dies ist ein Bündel von Fragen. e-welt. von Polenz (1994ff.htm <02.und Kleingartenvereine sowie Kegel-. geschrieben mit den verschiedensten Schreibwerkzeugen. Dabei legt er großen Wert darauf. dass sie sich zur Verfolgung solcher Ziele gerne in Vereinen organisieren.184 Thomas Niehr Annäherung an den BfdS mithilfe dieser Fragen einige Aspekte aufdecken zu helfen.und Fußballvereine. die sich die Pflege der deutschen Sprache auf die Fahnen geschrieben hat. Bd.. Jahrhundert ist hier der Allgemeine Deutsche Sprachverein zu nennen. Gerade den Deutschen wird in diesem Zusammenhang nachgesagt. Jahrhundert zurückreicht. sofern dadurch nicht die Rechte anderer berührt werden.“2 Und selbstverständlich gibt es unterschiedliche „gebrochene“ Schriften wie beispielsweise die Rotunda oder eben die Fraktur.3 1 2 3 –––––––— Vgl. 2. die bis in das 16.07>. Mit dem Bund für deutsche Sprache und Schrift gibt es ein Pendant. Jahrhundert dürfte der Verein deutsche Sprache die mitgliederstärkste Organisation sein. die bei der Selbstdarstellung des BfdS vollkommen aus dem Blick geraten.(Fraktur) und Schreibschrift (Sütterlin). Dementsprechend gibt es hierzulande Taubenzüchter-. -gesellschaften eine lange Tradition.11. dass sich unter diese Oberbegriffe eine Vielzahl von Schriftarten subsumieren lassen. das sich in erster Linie der Pflege der deutschen Schriften widmet. Weiterhin haben auch die Sprachvereine bzw. Gesang.net/bfds_2003/bund/schriftgeschichte2. sich für nahezu beliebige Ziele einzusetzen.).1 Für das 19. Unter deutschen Schriften versteht der BfdS im Wesentlichen deutsche Druck. im 21.und Schreibschriften Prinzipiell ist es in einem freiheitlich organisierten Staatswesen jedem Bürger überlassen. Modelleisenbahn. auch die Abbildungen bei Haarmann (1998: 475). http://www. 2: 112ff. Die Wiederbelebung der deutschen Druck. Vgl. . das ist eine Vielzahl von Stilformen. Diese Reihe ließe sich leicht fortsetzen. So sei Sütterlin nicht die einzige deutsche Schreibschrift: „Deutsche Schreibschrift. und 20. org/wiki/Bild:Gebrochene_Schriften. Vgl.07>. liegen nicht auf der Hand. Kommt es innerhalb eines Wortes vor. in der heutigen Zeit plausible Argumente für die generelle Ersetzung von Antiqua. fällt damit die Nahtstelle –––––––— 4 5 http://de. sicherer gelesen. Deshalb ist in einem ersten Schritt nach Gründen zu fragen. Dies wirkt sich besonders in deutschen Texten vorteilhaft aus. – Die meisten Frakturschriften laufen schmaler. die der BfdS für seine Position anführt. Und auch Argumente dafür.Frakturschrift und Purismus – eine unheilige Allianz 185 Abb. Auf seiner Homepage hat der BfdS in vier Punkten die Vorteile von Fraktur. – Das Schluß-s zeigt durch seine auffallende Form signalhaft das Ende eines Wortes an.wikipedia. um danach die Plausibilität dieser Gründe zu eruieren.durch Frakturschriften zu finden. dazu Kapr (1993) und Killius (1999). .und Schreibschriften wieder in den Schulen zu lehren.png <03. – Die Buchstaben unterscheiden sich überhaupt stärker voneinander und werden somit rascher bzw.gegenüber Antiqua-Schriften zusammengefasst: – Mehr Buchstaben haben Ober.und Unterlänge. Damit ragen sie auffälliger aus dem Zeilenband heraus und werden so schneller vom Auge erfaßt. so daß auf einen Blick mehr Buchstaben erfaßt werden können. deutsche Druck. 1: Gebrochene Schriftarten4 Abgesehen von den zweifelsohne interessanten Details der Geschichte der Schriftarten5 fällt es – bei aller Differenzierung – schwer. weil hier eine Silbe durchschnittlich mehr Buchstaben enthält als in den meisten anderen europäischen Sprachen.11. 8 Außerdem ist die Verwechslungsgefahr derartiger Ausdrücke in realen Texten wohl als äußerst gering einzuschätzen. Und in Texten.). Dies war einer der Gründe für das Frakturverbot der Nazis. vgl. die aufgrund der Augenbewegungen die Lesbarkeit verschiedener Schriften zu bewerten versuchten. Da in Frakturschriften ein spezielles Schluss-s vorhanden sei. Ernst (Hg.11. die das Auge leichter und schneller aufnimmt als die gleichförmigen Zeilenbänder der Antiqua.htm <03. Bei der Fraktur kommt es immer wieder zu Wortbildern. Kapr (1993: 81f. Jahrhunderts einen Versuch. Wer aber unbedingt Sätze wie die folgenden bilden möchte. die die bessere Lesbarkeit der Frakturschriften unter Beweis stellen sollten. vgl. indem er sich zur Verdeutlichung der Bindestrich-Schreibung bedient: –––––––— 6 7 8 http://www. Die Versuche genügen heutigen Standards nicht. allerdings argumentiert Campe differenzierter als der BfdS und sieht durchaus auch Nachteile der Frakturschrift.).“ – Berlin. Möglicherweise bezieht sich der BfdS mit diesen Punkten auf die experimentellen Versuche von Wiegand und Niemeyer aus dem Jahre 1927. dazu die Vorrede Campes zu seiner Übersetzung von „Der Einsiedler von Warkworth“. Wac+tube (Wachs-Tube).07>.).net/bfds_2003/bund/schriftgeschichte. http://www. könne damit die Fuge eines zusammengesetzten Wortes verdeutlicht werden. Selbst Campe sieht schon. In: Crous.). Gerade Ausländer schätzen diese Lesehilfe sehr.11. Dieses Beispiel ist geradezu symptomatisch für die wirklichkeitsferne Argumentation des BfdS. werden vermutlich auch nicht beide Lesarten eines solchen nicht-eindeutigen Kompositums gleichzeitig vorkommen. vgl. Insbesondere von Ausländern werde dieses Phänomen geschätzt.6 Insgesamt also scheinen die Frakturschriften besser lesbar als die Antiquaschriften. zit. Auch Johann Heinrich Campe startete bereits gegen Ende des 18.07>.net/bfds_2003/bund/schriftgeschichte.). Rück (1993: 255f. um sich für eine der möglichen Lesarten zu entscheiden. vgl. dazu Kapr (1993: 72f. die Vorteile der Fraktur gegenüber der Antiqua herauszustellen. .e-welt. kann seinen Lesern natürlich auch in Antiqua eine Hilfestellung geben.186 Thomas Niehr (Fuge) eines zusammengesetzten Wortes ins Auge.e-welt. die nicht nur der Illustration möglicher Leseschwierigkeiten dienen. Dies zeige sich insbesondere bei Komposita. denn normalerweise bietet ja der Kontext ausreichend Anhaltspunkte.) (1925): Campe-Fraktur. „Der Einsiedler von Warkworth. Zunächst dürfte gerade unter ‚Ausländern‘ die Kenntnis der sogenannten „deutschen“ Schriftarten nicht besonders weit verbreitet sein.) sowie Wehde (2000: 280 ff. dass die „cultiviertesten Nationen Europens“ die römische Schrift (also die Antiqua) der Fraktur vorziehen. deren erster Bestandteil mit einem s ende bzw.htm <03. beschreibt Hartmann (1999: 73f. Die noch älteren experimentellen Versuche. deren zweiter Bestandteil mit einem s beginne. dazu Killius (1999: 281ff. Deshalb gebe eine Frakturschrift häufig den „Wortgehalt eindeutiger wieder“7: Wacstube (Wach-Stube) vs. nach Killius (1999: 285). ).) und Stöckl (2004: 6f. S. vgl. dass die Vielzahl der auf modernen Computern zur Verfügung stehenden Schriftarten dann unangemessen eingesetzt wird und so zu einem Typographie-Chaos beitrüge. und zwar aus mehreren Gründen. „Mit der neuen Optik möchte der Verlag nach eigenen Angaben seinen Lesern den Einstieg leichter machen. Oktober 2007 nicht mehr in Frakturschrift zu setzen. die häufig historische Texte in Frakturschrift lesen (z. Allenfalls Lesern. Diese wurde als ‚Eintrittshürde‘12 gesehen und keineswegs als besonders lesefreundliche Schrifttype. Von professionellen Typographen wird seitdem beklagt. die Schriften Kants in der Akademie-Ausgabe oder die Weimarer Ausgabe der Werke Luthers). Dass im übrigen Buchstaben aus Frakturschriften „rascher und sicherer“ gelesen werden.de/ZDFheute/inhalt/7/0. (http://www.Frakturschrift und Purismus – eine unheilige Allianz 187 (1) In der Wach-Stube fand sich eine Wachs-Tube. Von daher dürften sich Schüler des 21. Dies gilt genauso für Erwachsene. Die Computertechnologie macht es allerdings möglich. dazu den Ratgeber von Willberg/Forssman (1999) sowie auch Brekle (1994: 223ff. die diese Schriftarten vielleicht im Schulunterricht noch kennengelernt haben – um sie danach nie wieder oder allenfalls auf Grußkarten oder Urkunden zu lesen. solche Schriften per Tastatur zu erzeugen. (2) Auch ein Drucker-Zeugnis ist ein Druck-Erzeugnis. Hintergrund der Befragung ist die seit Jahren sinkende Auflage der ‚FAZ‘“. Kommentar-Titel seit dem 5. 9 –––––––— Vgl. dass das Gegenteil der Behauptungen richtig ist: Für nahezu alle heutigen Leser dürften Antiqua-Schriften leichter zu erfassen sein als Frakturschriften.3672.00. muss nicht besonders erwähnt werden.html) 10 11 12 . darf man mit Fug und Recht bezweifeln. 199. Möglicherweise aus dem gleichen Grund hat der BfdS die meisten der Texte auf seiner Homepage in Antiqua gesetzt und lediglich die Navigationsleiste in Fraktur gehalten.B.und deutschen Schreibschriften. dass sie wohl eher noch gelesen als geschrieben werden können. dazu weiter unten.11 Nicht zuletzt deshalb hat man sich bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) dazu entschieden.zdf. Dass Frakturschriften ohnehin niemand ohne kalligraphische Ausbildung (handschriftlich) schreiben kann.7007879. bereitet das Lesen von Frakturschriften keine Schwierigkeiten. Zunächst werden diese Schriftarten ja – wie der BfdS beklagt9 – im Schulunterricht nicht (mehr) gelehrt.10 Insgesamt kann man also guten Gewissens davon ausgehen. Für die deutschen Schreibschriften (wie beispielsweise Sütterlin) gilt analog. Eine repräsentative Befragung habe deutliche ‚Eintrittshürden‘ gezeigt. Jahrhunderts durchaus schwer tun beim Lesen von Fraktur. ) sowie Stukenbrock (2007: 321ff. 3: 271ff. wenn man die puristischen Bestrebungen des Vereins mit der „Konnotation“ von Frakturschriften in Verbindung sieht. 1941 zur Auflösung gezwungen und 1951 wiederbegründet wor–––––––— 13 Zur Geschichte des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins vgl. dass er 1918 gegründet. . Polenz (1994ff. v.188 Thomas Niehr Abb. Die Geschichte des BfdS und die Konnotation von Frakturschriften Ähnlich wie der Allgemeine Deutsche Sprachverein13 hat auch der BfdS eine unrühmliche Geschichte. Dies erweist sich jedoch als vorschnell.. Allerdings blendet der BfdS Teile dieser Geschichte aus. Spinnerei abtun.). wenn er auf seiner Homepage äußerst knapp vermerkt. 2: Die Internetpräsenz des BfdS Dabei könnte man es bewenden lassen und die Behauptungen des BfdS als verschrobene aber harmlose Liebhaberei bzw. Bd. 3. M. Im Auftrag des Führers wird Herr Reichsleiter Amann zunächst jene Zeitungen und Zeitschriften. in dem es heißt: Der Führer wünscht nicht derartige gewaltsame Eindeutschungen und billigt nicht die künstliche Ersetzung längst ins Deutsche eingebürgerter Fremdworte durch nicht aus dem Geist der deutschen Sprache geborene und den Sinn der Fremdworte meist nur unvollkommen wiedergebende Wörter. zit. In den Nationalsozialistischen Monatsheften wird bereits im Februar 1941 angemerkt.. Polenz 1996: 277) ebenso hart wie bereits vorher den Allgemeinen Deutschen Sprachverein Hitlers „Fremdwort-Erlass“ vom 19. An die unsinnige Behauptung. tatsächlich jedoch lässt sich an den zeitgenössischen Schriften die konservativ-nationale Grundtendenz des Vereins ablesen: Die –––––––— 14 15 16 Vgl. so hatten die Verantwortlichen des BfdS ihren Verein zum „Sprachrohr des schon von Anfang an mit völkisch-politischen Ressentiments besetzten ‚Kampfes‘ für eine eigene ‚deutsche‘ Schrift“ gemacht (Hopster 1985: 58)..]16 Dieses Verbot traf die „deutschtümelnden Mitläufer“ des BfdS (v.12.14 Denn das Verbot der Nazis kam für den BfdS durchaus überraschend aufgrund einer „Kehrtwende der nationalsozialistischen Schriftartenpolitik“ (v. nach Schiewe 1998: 162) So wie sich der Allgemeine Deutsche Sprachverein den Nazis angedient hatte. oder deren Auslandsverbreitung erwünscht ist.).Frakturschrift und Purismus – eine unheilige Allianz 189 den sei. In Wirklichkeit besteht die sogenannte gotische Schrift aus Schwabacher Judenlettern. das nicht zur Veröffentlichung bestimmt war. Die Verwendung der Schwabacher Judenlettern durch Behörden wird künftig unterbleiben. werden künftig nur mehr in Normal-Schrift gefertigt werden. setzten sich die in Deutschland ansässigen Juden bei Einführung des Buchdrucks in den Besitz der Buchdruckereien und dadurch kam es in Deutschland zu der starken Einführung der Schwabacher Judenlettern. http://www. Am heutigen Tage hat der Führer [. wird in den Dorfschulen und Volksschulen nur mehr die Normal-Schrift gelehrt werden. gez. dazu Hopster (1985: 62ff.. . dass diese Behauptung fachlich nicht vertretbar sei. Rundschreiben Martin Bormanns. es handele sich um „Schwabacher Judenlettern“.] Sobald dies schulbuchmässig möglich ist.htm <04.] entschieden. auf Normal-Schrift umstellen. dergl. (Zit. Januar 1941. dass die Antiqua-Schrift künftig als NormalSchrift zu bezeichnen sei.). die bereits eine Auslandsverbreitung haben. Bormann [.. Genau wie sie sich später in den Besitz der Zeitungen setzten. nach Rück (1993: 263). wie folgt begründet: Die sogenannte gotische Schrift als eine deutsche Schrift anzusehen oder zu bezeichnen ist falsch.07>. dazu Rück (1993: 258f.net/bfds_2003/index. November 1940. glaubte selbst in NS-Kreisen niemand.. [. Polenz 1996: 277). Strassenschilder u.. Vgl. Das Frakturverbot vom August/September 194115 wurde bereits in einem Rundschreiben Martin Bormanns vom 3. Zwar hatte der BfdS sich schon in der Weimarer Zeit als unpolitische Organisation stilisiert. Ernennungsurkunden für Beamte.e-welt. vgl. Einzelheiten und personelle Verflechtungen zwischen beiden Organisationen schildert Hartmann (1999: 131f. Dies scheint mir zweifelsohne richtig zu sein. nach Hartmann (1999: 95f. dass der Vorsitzende des BfdS seit 1933 der Sachbearbeiter für Sprache und Schrift im Reichministerium des Inneren.20 Unabhängig von dieser historisch interessanten Frage bleibt zu klären. Man könnte nun weiterhin behaupten. Die Umstände der Auflösung des BfdS schildert Hartmann (1999: 303ff.19 Wenn der BfdS sich auf seiner Internetpräsenz heute als eine von den Nazis verfolgte Organisation darstellt.18 Im Übrigen darf nicht vergessen werden. dass auch die Sätze (5) und (6) keine inhaltlichen Unterschiede aufweisen. dass so wie Wörter nicht lügen können. Dazu passt die freundschaftliche Verbundenheit zwischen Deutschem Sprachverein und dem Bund für deutsche Schrift in dieser Zeit. dass es zwischen Satz (3) und (4) keinen inhaltlichen Unterschied gebe. In diesem Punkt gibt es Analogien zwischen unterschiedlichen Schriftarten und unterschiedlichen Sprachen. wiewohl hier zweifelsohne verschiedene Schriftarten – nämlich DS Normal-Fraktur und Garamond – verwendet wurden.). die sich ihrem Inhalt gegenüber indifferent verhalten. gewesen war.). (4) Mit einem modernen Textverarbeitungssystem kann man leicht verschiedene Schriftarten kombinieren. die NSDAP als „Problemlöser der Schriftfrage“ (Wehde 2000: 277). auch Schriftarten per se keine (politische) Bedeutung zukommt. Nun mag man dagegen zu Recht einwenden. inwieweit heute ein ‚unpolitisches‘ Eintreten für „deutsche“ Schriften möglich ist und ob der BfdS anders als in seiner Vergangenheit nun eine Organisation ist. (6) The cat is on the mat. zit. . Georg Usadel. (5) Die Katze ist auf der Matte. Vgl. dann kann man in der Tat nur feststellen.). Allerdings schließt dies ja keines–––––––— 17 18 19 20 Zitate aus Vereinszeitschriften der Jahre 1926 und 1927.190 Thomas Niehr deutsche Schrift galt dem BfdS als „ein Spiegel des reichen deutschen Volkstums“ und als „Wahrzeichen deutscher Wesensart“17. die lediglich ein vom Aussterben bedrohtes Kulturgut vor dem Vergessen bewahren möchte. (3) Mit einem modernen Textverarbeitung+system kann man leict versciedene Scriftarten kombinieren. Man muss in diesem Kontext daran erinnern. dass hier jemand „dank Naziverbot in der Gloriole der Résistance mit dem Anspruch auf Wiedergutmachung hausieren [kann]“ (Rück 1993: 260). Hopster (1985: 58). In gleicher Weise kann man gute Argumente dafür anführen. dass auch Schriftarten nicht sozusagen ‚reine Formen‘ sind. Dr. allein schon deshalb. Arier oder Sonderbehandlung. Diese leben übrigens auch heutzutage noch auf Schmuckkarten. Als Beispiele sei an die bekannten Schriftzüge Coca-Cola. etwa die Abbildung bei Meier (2007: 63). die Microsoft als Standard-Schrift für Windows Vista einsetzt.“ (Willberg 1993: 101) In diesem Zusammenhang ist es zu sehen. dass es Gebrauchs-Unterschiede zwischen den klassischen Frakturschriften und den sogenannten „Schaftstiefel-Grotesken“ gibt. Vgl. auch Willberg/Forssman (1999: 12). noch be–––––––— 21 22 23 24 25 Freilich ist dies eine undifferenzierte Wahrnehmung. die den größeren Teil der Geschichte der Frakturschriften ignoriert. der darüber entbrannt ist. Allerdings dürfte es kaum gelingen.25 Es lässt sich weiterhin zeigen. die für sich spricht. Dies trifft einerseits auf solche Schriftarten zu.Frakturschrift und Purismus – eine unheilige Allianz 191 wegs aus. Vgl. sind sie ein Wirtschaftsgut. an die Schrift auf dem Desktop von Windows XP (Tahoma) oder auch an charakteristisch gestaltete Kürzel wie AEG. das der bekannten Schriftart Frutiger Next der Firma Linotype nachempfunden sei. Da Schriftschnitte – dies gilt zumindest für die qualitativ hochwertigen – von Grafikern Buchstabe für Buchstabe entworfen werden müssen. Urkunden und Bierreklamen weiter.). Frankreich und England gerne Frakturschriften eingesetzt.22 So wie also Wörter bestimmte Konnotationen haben und bestimmte Assoziationen hervorrufen können. wenn Frakturschriften heute als „Nazi-Schrift“ verschrien sind.21 Es kommt deshalb auch nicht von ungefähr. da diese Schriftart der Helvetica äußerst ähnlich sehe. gerne mit solchen Schriftarten versehen. Weiterhin wird bei solchen Vergleichen übersehen. die wir mit bestimmten Produkten oder Konzernen verbinden. An ihrer unschuldigen Form bleibt haften. Zur Kennzeichnung von ‚Tradition‘ werden auch in den Niederlanden. http://www. Rasse. was man mit ihr getrieben hat. vgl. ob die Schriftart Segoe.).24 andererseits – zumindest in Deutschland – auch auf die Frakturschrift. Willberg (1993: 102f. Man denke an ideologisch aufgeladene Ausdrücke des Nationalsozialismus wie Zucht. Entsprechende Vorwürfe hatte es bereits gegen den Einsatz von Arial gegeben.23 so können auch Schriftarten ein ‚Image‘ bekommen. Tempo. So erklärt sich der Streit. dass es doch historisch belastete Wörter gibt und dass es auch belastete Schriftarten geben kann: „Schrift ist nicht nur Form.12. vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich Wehde (2000: 290ff. nationalsozialistische Charakteristika dieser Schriftarten aus ihren Formmerkmalen herzuleiten. In der DDR hatten die Frakturschriften offenbar kein Nazi-Image. Esso und RWTH erinnert. Zur Wirkung von Frakturschriften vgl.de/newsticker/meldung/71604 <04. Rück (1993: 253). . weil sich ähnliche Formmerkmale auch an serifenlosen Antiqua-Schriftschnitten (sogenannten ‚Grotesk-Schriften‘) im Umfeld des Konstruktivismus und Funktionalismus nachweisen lassen. dass entsprechend rechtslastige Kreise ihre Embleme und Homepages etc. weil die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nicht zum Thema gemacht wurde oder allenfalls als ein „Problem des Westens“ angesehen wurde. nicht ein Plagiat sei. dass weder die Schriftgestalter.heise. vgl.07>. an graphisch gestaltete Namenszüge wie Siemens. Die nationalsozialistische Schriftpolitik machte sich diese Position nun allerdings keineswegs zu Eigen.28 Unabhängig davon bleibt festzuhalten. Standarte. sondern wurde selbstverständlich auch von national-konservativen Kreisen zu Anfang des 20. Großdeutsch. (Meier 2007: 62f. noch die Entstehungszeit dieser Schriftarten diese zu nationalsozialistischen Schriftenarten machen. Wenn eine solche Konnotation aber mit bestimmten Schriftarten verbunden ist. dass bestimmte Schriftarten sehr wohl als Zeichen des Nationalsozialismus gedeutet werden können. (Wehde 2000: 292f.192 Thomas Niehr stimmte Schriftnamen wie National. wenn ihm durch Interpretation Bedeutung zugeschrieben wird.: 45. daß sie – durch entsprechenden Gebrauch und durch metasprachliche Bedeutungszuschreibung – konnotativ weitgehend als nationalsozialistisch codiert sind. Schrift erhält dann einen „Bildcharakter“26 und kann „subtile Bedeutungen entfalten [. Jahrhunderts so gesehen. modifizieren und verstärken“27: Unter semiotischer Perspektive wird dann ein visuelles Phänomen zum Zeichen..)..].] insbesondere für die Gegenwart gilt. Gotenburg. sondern erhalten neben dem sprachlichen Inhalt eine eigene Bedeutung. . [. Dies trifft nicht nur auf die heutige Zeit zu. Die jeweiligen Erlasse (Verdeutschungsverbot bzw. sondern funktionalisierte sie: Die Schriftpolitik der Nationalsozialisten nutzt die Schriftfrage vielmehr als flexibles Mittel wirtschaftlicher.: 276).. sondern im gesamten Druckwesen“ (ebd. Ebd. (Wehde 2000: 274) Anders als die unbedingten Verfechter der Frakturschrift verfolgten die Nazis „das strategische Ziel der Durchsetzung funktional differenzierter Zweischriftigkeit – nicht allein im Schulunterricht. die mittels eines Codes oder eines komplexeren Codesystems mit einer Inhaltsebene in Korrelation tritt. dass typo–––––––— 26 27 28 Stöckl (2004: 14). Dementsprechend kommt Wehde zu dem Schluss. kultureller und imperialer Machtpolitik und paßt ihre Maßnahmen in diesem Bereich den jeweiligen politischen Zielvorgaben pragmatisch an. Frakturverbot) waren nur die politisch-administrativen Bestätigungen dieser strategischen Sichtweisen. so ging es ihnen bei ihrer Schriftpolitik auch nicht um konsequente Durchsetzung der Frakturschreibung. Hier ist eine deutliche Parallele zur Fremdwortpolitik zu sehen: So wie es den Nazis bei ihrer Sprachpolitik keineswegs um strenge Fremdwortvermeidung ging. sondern kann allenfalls durch einen bestimmten Gebrauch mit ihnen assoziiert werden. die den sprachlichen Code überformen.). Es erhält dadurch eine (visuelle) Ausdrucksebene.. Und genau dies ist den Frakturschriften in Deutschland widerfahren. Das Nationalsozialistische ist diesen Schriftarten also nicht inhärent. dann sind diese kein neutrales Medium mehr. Sie werden – so zitiert die Vereinszeitschrift des BfdS das Buch „Abriß der lateinischen Paläographie“ – vorwiegend verwendet. Stöckl (2004: 25f. Dies ist nun allerdings auch ein starkes Indiz dafür. Selbstverständlich ist die Zeitschrift in Frakturschrift gesetzt. . Sie verunreinigten das Deutsche mit Brocken aus dem Lateinischen und Griechischen. wenn man sich in diesem Kontext die puristischen Bestrebungen des BfdS anschaut. insbesondere natürlich um die Pflege der deutschen Sprache (vgl. Stetter (1997. Die Pflege der deutschen Sprache in „Die deutsche Schrift“ Die Vereinszeitschrift des BfdS erscheint vierteljährlich unter dem Titel „Die deutsche Schrift“. 4. u. Die deutsche Schrift (2/2002: 4). vgl. Die deutsche Schrift (4/2006: 27). neonazistische Propaganda. Freilich wird dieses Argument vom BfdS scharf zurückgewiesen. –––––––— 29 30 31 Vgl.a. Funde aus dem „Weltnetz“ wie auch Zeitungsartikel ab. Ähnlich wie den Auffassungen des Vereins deutsche Sprache (VdS) liegt auch denen des BfdS eine naive Sprachauffassung zugrunde. 2007). nämlich den Kampf gegen Fremdwörter sowie den Kampf gegen die Rechtschreibreform31 und den Kampf für gutes Deutsch. vgl. Vgl. – Dass man die Rechtschreibreform und ihre Genese allerdings auch mit rationalen linguistischen Argumenten kritisieren kann. um „Altertümlichkeit oder reaktionäre Gesinnung“ zu signalisieren.Frakturschrift und Purismus – eine unheilige Allianz 193 graphische Zeichen konnotativ semiotisiert werden (können)29 – dies ist Grundlage der bereits erwähnten graphischen Gestaltung von Markennamen. Die „alte“ Rechtschreibregelung wird als „Erwachsenen-Rechtschreibung“ bezeichnet. dass das vehemente Eintreten für die Verwendung von Frakturschriften nicht als politisch indifferent zu beurteilen ist. 2006.30 Dies wird insbesondere deutlich. dazu (in Anlehnung an Eco) ausführlich Wehde (2000: 87ff. wenn sie ausländisches Wesen vergöttern und fremde Sitten und Sprache nachahmten. teilweise auch um „Sprachpflege“. den Krieg sowie rechte bzw. 3). Abb.) sieht als Konnotationen von Frakturschriften die NS-Zeit. In den Artikeln geht es teilweise – wie in der Internet-Präsenz – um die Erhaltung von Frakturschriften. So wird etwa zustimmend Opitz mit den Worten zitiert.) sowie Stöckl (2004: 13). Unter Sprachpflege versteht der BfdS offenbar dreierlei. sofern sie thematisch einschlägig sind. die gebildeten Landsleute trügen ihrer Muttersprache wie ihrem Vaterlande Verachtung entgegen. Sie druckt namentlich gekennzeichnete Artikel. hat Christian Stetter in zahlreichen Publikationen gezeigt. .“ (Die deutsche Schrift 1/2002: 12) Abb. [.. 3: Vierteljahrsschrift „Die Deutsche Schrift“ Die Sprachkritik des BfdS ist dadurch gekennzeichnet. [.] Wechseln wir die von Opitz genannten Sprachen gegen das Englische und das Amerikanische aus [.. Italienischen und Spanischen.. vgl. beispielsweise Law (2002).32 In diesem Zusammenhang ist dann auch die Rede von der „Verluderung der Sprache“ (Die deutsche Schrift 2/2002: 4). Spitzmüller (2005. Schneider (2008). sie seien durch synonyme deutsche Ausdrücke zu ersetzen.194 Thomas Niehr dem Französischen. aber grundlegenden linguistischen Positionen zuwider läuft..] Es sei an der Zeit. daß sie sich darauf besännen. für die Reinheit ihrer Sprache einzutreten. 2007) und Niehr (2002).. dass Anglizismen als überflüssig angesehen werden. Sie zeigt sich scheinbar an folgenden Beispielen: –––––––— 32 Dass eine solche Position – wie sie vehement insbesondere vom Verein deutsche Sprache vertreten wird – zwar eine lange Tradition hat.] finden wir ihn außerordentlich zeitgemäß. muss hier nicht weiter ausgeführt werden. . das die Betriebssysteme Windows XP und Vista für die systemeigene firewall vorsehen. Die wörtliche Übersetzung von Firewall ist „Feuerwand“. Wahrig (2006: 297). wenn das Wort im Kontext des „Rechnerwesens“ verwendet wird. sondern „die Firewall“. sondern Brandmauer lautet.: 6) Hier werden lediglich die Leser des Artikels in die Irre geführt. Administration und Ressourcen [. Feuerwand ist weder im aktuellen Duden noch im Wahrig verzeichnet – der Ausdruck dürfte eher die Bedeutung ‚Wand aus Feuer‘ haben. aber der Leser liest eben nicht „die Feuerwand“. Denkt er dabei an den Wall.: 5. – und das ist weiblich und bedeutet „Wand“. aus einer Mauer und einer Weltkugel – der eigene Rechner wird also durch die firewall von schädlichen Einflüssen der äußeren „Online-Welt“ (Internet. dazu Eisenberg (1999a: 421.) Die Überlegungen im Anschluss an diese Passage verdeutlichen. dass firewall im Deutschen als Femininum dekliniert wird: Üblicherweise wird für ein „Fremdwort“. von der Infrastruktur einer Stadt. (Ebd. die das Übergreifen von Feuer verhindern soll. Vgl. Aber hier geht es nicht um einen Wall. ähnlich Duden (2007: 330). (Ebd. oder beim Rechnerwesen von dem (!) mail und von der (!) Firewall. nämlich erstens weil die „wörtliche“ Übersetzung von firewall. Sind diese Wörter nun schon sprachliches Allgemeingut? Dabei sollte doch der Schreiber oder Redner bedenken: unverstandene Fremdwörter gehen an Auge und Ohr vorbei. Hervorhebungen im Original in Antiqua.]. bestätigt sich dieser Eindruck: Nur vereinzelt wird Feuerwand im Sinne von firewall verwendet. ansonsten allerdings mit dem aktuellen Sprachgebrauch nichts zu tun haben. Der Wall ist eine Aufschüttung und kann auch Feuer abhalten. Dementsprechend besteht das Ikon.. dann ergeben sich witzige ‚Übersetzungen‘ vom Typ skinhead: Hautkopf. Nur folgerichtig ist es auch. 461) sowie (1999b: 23): „Mit traumwandlerischer Sicherheit . Tut man es dennoch. die Brandmauer. ist er schon in die Irre geleitet. the firewall.Frakturschrift und Purismus – eine unheilige Allianz 195 Da liest man von der Präsenz eines Künstlers [.. häufig jedoch im Zusammenhang mit Waldbränden und Gasexplosionen.. Legislaturperioden. sondern um das englische Wort wall. Hier seien häufig „Übersetzungsfallen“ verborgen: Im Deutschen gibt es das Feuer und den Wall.34 –––––––— 33 34 Brandmauer bezeichnet eine starke Mauer ohne Öffnungen zwischen zwei aneinanderstoßenden Häusern. dt. E-mail) abgeschirmt. dass der Verfasser dieses Artikels eine merkwürdige Auffassung von der „Übersetzung“ von Ausdrücken von einer in die andere Sprache hat.33 und weil man zweitens lexikalisierte Komposita eben nicht Wort für Wort übersetzen kann. dessen Genus nicht klar ersichtlich ist.. vgl. die eine (besonders bedrohliche) „Wand aus Feuer“ entstehen lassen. daher auch: die firewall. (zumal ein deutscher Artikel vor dem englischen Wort steht). Wenn man Feuerwand „googelt“.]. das Genus des nächsten semantischen Äquivalents gewählt: So ergibt sich: engl. keineswegs Feuerwand. Kontinuität. von Alternativen. die allenfalls zu polemischen Bemerkungen gegen die Verwendung von „Fremdwörtern“ taugen. die eine gezielte Benachteiligung der Deutschen und ihrer Sprache insinuieren.“ (Ebd. Dies ist ein nationalistischer Topos. Es wird lediglich seine „rege aufklärende Tätigkeit“ (Die deutsche Schrift 1/2002: 15) erwähnt.) Auch hier wird die unrühmliche braune Vergangenheit gezielt ausgeblendet und der Eindruck erweckt. Schließlich heißt es lapidar: „1943 wurde der Deutsche Sprachverein – ebenso wie unser Bund bereits 1941 – zur Selbstauflösung gezwungen. aber sprachlich eher unerwünscht. So heißt es in einem Artikel zur Stellung der deutschen Sprache in internationalen Organisationen: „So bleibt uns Deutschen wohl die bisherige Rolle erhalten: Als Zahler in internationalen Organisationen immer willkommen.). der das Bild eines von anderen Nationen ausgebeuteten Volks entstehen lässt. Da der Rechtsnachfolger des ADSV – die Gesellschaft für deutsche Sprache – „nur mehr Sprachbeobachtung. . die davon ausgehen. wenn sich im Ausland die Begeisterung für Deutschland und die deutsche Sprache in Grenzen hält oder erst gar nicht aufkommt. eine interessante Untersuchung zu derartigen Sprachratgebern aus dem 20. auch die Sprachpflege immer stärker zu beachten“ (Die deutsche Schrift 2/2002: 4). aber keine tätige Sprachpflege“ ausübe (ebd.“ Auch die weiteren sprachpflegerischen Bemühungen des BfdS gehen über die bekannte konservative Stilkritik nicht hinaus. Wem nützt es? – möchte man fragen. die solch sprachkritische Bemerkungen häufig begleitet. Nahe verwandt damit sind dunkle Verschwörungstheorien. so wird auch die Geschichte des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins verfälscht. für die exemplarisch Namen wie Eduard Engel.196 Thomas Niehr Insoweit könnte man die Fremdwortkritik des BfdS. Einerseits zeigt sich dies in einer selektiven Wahrnehmung der Geschichte: So wie schon die Geschichte des BfdS im Internet um das Mitläufertum in der Zeit des Dritten Reichs gekürzt wurde. „sah sich der Bund für deutsche Schrift veranlaßt.“ (Die deutsche Schrift 4/2002: 13). Andererseits wird die „Sprachpflege“ des BfdS gerne mit Ressentiments gewürzt. daß die Globalarchitekten genau –––––––— 35 finden die fremden Substantive das passende Genus. dass auch innerhalb Deutschlands eine gezielte Unterwanderungskampagne geplant werde: „Offenbar ist es gewissen Personenkreisen in Deutschland nur recht. Jahrhundert ist Law (2007).“ (Ebd. ad acta legen und sich mit sinnvolleren Dingen beschäftigen. sozusagen als Eintrittskarte ins Deutsche.: 28). Eine Antwort auf diese Frage lässt ebenfalls nicht lange auf sich warten: „Es ist wahrscheinlich.35 Interessant ist jedoch ein spezieller Zungenschlag in den sprachkritischen Bemerkungen des BfdS. ein rechtschaffener unpolitischer Verein sei von den Nazis verfolgt worden. Gustav Wustmann und Wolf Schneider stehen können. die über das gerade illustrierte Niveau kaum je hinauskommt. Er deutet auf eine ideologisch geprägte Haltung. Mithin sei die deutsche Sprache „gefährdet“ und „bedroht“ von einer „Überfremdung“. [.12. einem pensionierten Oberstudiendirektor. nach dem andere Völker ihre Interessen zu wahren verstehen.] Unsere Muttersprache gilt anscheinend den heute Einflußreichen als Freiwild. Dies wird deutlich. wenn Delbanco die Auffassung vertritt.] wäre weitaus schwieriger als etwa den Löwenzahn.net/bfds_2003/bund/schriftgeschichte. daß unsere Volksvertreter aus falschem Demokratieverständnis („jeder darf sprechen – und schreiben – wie er will“) und aufgrund Mangels [sic!] an Verantwortungsgefühl für unsere Sprache nichts gegen deren fortschreitende Schwächung unternehmen werden. .htm <04. Griechen. Diese Sicht der Dinge kommt auch in einem Briefwechsel aus den Jahren 2000 und 2001 mit dem damaligen Geschäftsführer und späteren Ehrenvorsitzenden des Vereins.. [.. Sowohl deutsche Sprache wie auch „deutsche Schrift“ erweisen sich nach dieser Vorstellung als vom Aussterben bedroht..Frakturschrift und Purismus – eine unheilige Allianz 197 dieses Ziel haben. doch ist in Deutschland kein Kultusminister bereit. während Araber.“ (Die deutsche Schrift 2/2004: 12).. (Pfalzgraf 2006: 137) Zusammenfassend bemerkt Pfalzgraf zu diesen Argumenten. das Deutsche werde „geringschätzig behandelt“ und sei „fremdsprachigen Einflüssen schutzlos preisgegeben“. Israeli. sondern vielmehr eine Bedrohung für die Sprache darstellen.e-welt. Besonders interessant ist der Zusammenhang derartiger Bemerkungen mit bestimmten Bemerkungen zur „Schriftpflege“: Zwar gilt das Verbot der Verwendung von Frakturschriften nicht mehr. während lediglich die Deutschen fahrlässig oder sogar mutwillig ihr überliefertes Kulturgut preisgeben..07>) Auch hier wird wieder ein Topos aktiviert. dass fremdsprachige Einflüsse auf das Deutsche nicht als Bereicherung anzusehen sind.] ist der sprachideologische Fremdwortdiskurs. Chinesen.. Dieses Aussterben scheint allerdings von „gewissen Personenkreisen“ – hierzu zählen offenbar auch die Kultusminister in Deutschland – nicht nur in Kauf genommen. sondern sogar aktiv betrieben zu werden.] Mehrmals wird die Auffassung vertreten.). (http://www. sie unter Schutz stellen zu lassen [. der deutschen Schrift den zum Überleben erforderlichen Platz in der Schule einzuräumen.36 Helmut Delbanco schreibt im Namen des BfdS: Leider ist aus unserer Sicht die Wahrscheinlichkeit groß. (Pfalzgraf 2006: 134). Russen und viele andere Völker aus guten Gründen an ihrem überlieferten Kulturgut festhalten. –––––––— 36 Auszüge aus diesem Briefwechsel sind nachzulesen bei Pfalzgraf (2006: 133ff. die die Position des BfdS markieren: Stark vertreten [. zum Ausdruck. nämlich die geistige Leistungsfähigkeit muttersprachlicher Biotope zu brechen. So unsinnig es zweifelsohne ist. Die eigentümliche Kombination von Schrift. –––––––— 37 Stukenbrock (2005) zeigt. so fahrlässig ist es. Wie man sich dieses Vorgehen allerdings konkret vorzustellen hat – darüber kann der Leser nur spekulieren.198 Thomas Niehr Spätestens mit einer derartigen Argumentation hat der BfdS alle nötigen Bestandteile seiner nationalistischen Verschwörungs. so stellen sich die angeführten Argumente sehr schnell als wenig stichhaltig heraus. die aus dem Verbot beider Vereine durch die Nationalsozialisten implizit ableitet. die Kultur eines Volkes von innen und außen zu zerstören. . bis zum 20. Jahrhundert die gleichen nationalistischen fremdwortpuristischen Topoi immer wieder verwendet wurden. gegen seine Unterdrücker vorzugehen. ergibt jedoch eine brisante Mischung. Dies liegt einerseits an der tendenziösen Darstellung der Geschichte des BfdS wie auch der des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. Andererseits kommt ein spezifischer nationalistisch intonierter Purismus hinzu: Fremdwörter dienen dann in erster Linie dazu. es handele sich um Organisationen. die den BfdS kennzeichnet. Ein Volk. Fazit Betrachtet man die Erwägungen des BfdS zur Wiedereinführung der Frakturschriften. das seiner Schrift und seiner Sprache – und damit wesentlicher Teile seiner Identität – beraubt wird. aus jeder unreflektierten Verwendung von Frakturschriften gleich auf rechtsextreme Tendenzen des Schreibers schließen zu wollen. die über konservative Sprach. Auch die Fremdwortkritik des Vereins bedient sich bekannter Argumente. ist nicht dazu geeignet. die Möglichkeit der Konnotation von Schriftarten überhaupt als Problem wahrzunehmen. Eine solche Darstellung. hat das Recht.und Unterwanderungstheorie37 beisammen.und Stilkritik noch hinausgeht. die von Linguisten allesamt leicht widerlegt werden können und auch bereits widerlegt worden sind. die sich seinerzeit nichts hätten zuschulden kommen lassen. wenn nicht gar die Pflicht – so legen solche Überlegungen nahe –.und Sprachkritik. dass vom 17. die spezielle Geschichte der Frakturschriften in Deutschland einfach auszublenden und diese als ein erhaltenswertes Kulturgut wie viele andere darzustellen. 5. Otto Ludwig (Hgg. 1–3. Puristische Reaktionen im 17. – Frankfurt/New York: Campus. S. Aufl. Meier. Ein Vergleich der Sprach. (1994): „Typographie“. – (2007): Sprachratgeber und Stillehren in Deutschland (1923–1967). Christina (1999): Die Antiqua-Fraktur-Debatte um 1800 und ihre historische Herleitung. Herbert E. Silvia (1999): Fraktur oder Antiqua. Hopster. et al. Kapr. Killius. Internetpräsenz: http://www.Volk‘ und die Schrift. Jahrhunderts“. 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Ferie‘). The birth of J. Sie ist von oben nach unten und von rechts nach links zu lesen: „Utsukushii tsuma issho desu. Es handelt sich um die Überschrift einer Nissan-Werbung.2 Abb.Sonja Häffner Kanji Eine symboltheoretische Einordnung 1. Fremdwörter nicht-chinesischen Ursprungs werden mit Katakana und sinojapanisch-japanische Mischwörter mit Kanji und/oder Kana geschrieben. Black 1997)3 –––––––— 1 2 3 Schriftsystem beziehe ich auf die Einzelsprache. Vgl. attestiert den japanischen Kanji keinen vorhersagbaren Bezug zum oralen Symbolschema: „There is nothing in the appearance of the character […] to indicate how the terms are to be pronounced“ (DeFrancis 1989: 139). Ich werde im Folgenden eine Analyse vorschlagen. Doch zwischen beiden Skripten besteht ein großer Unterschied. Der erste grobe Fehler. ein großer Verfechter der phonologischen Universalität.6 sondern nur Hanze. .7 Selbst DeFrancis (1989). DeFrancis (1989: 58ff. DeFrancis (1989: 131ff. die sich erstens spezifisch auf die Funktionsweise der Kanji bezieht und die zweitens die Probleme der linguistischen Beschreibung umgeht: Ein symboltheoretischer Ansatz. die Verwendung von Kanji folge wie Alphabet. der in der Struktur der Sprache und der Evolution im Gebrauch der Zeichen in China und Japan begründet liegt. –––––––— 4 5 6 7 8 Vgl. dass ihre Beschreibung aus einer linguistischen Perspektive geschieht.4 die anderen bezeichnen Kanji als logographisch. Vgl. Denn hieran scheiden sich die Geister. Stetter (2005).5 Die Debatte um die Funktionsweise der Kanji geht jedoch meist in zweifacher Hinsicht von vornherein fehl. die keine Korrelation zwischen Zeichen und phonologischen Spracheinheiten zulassen. ist die Gleichsetzung von chinesischen Schriftzeichen (Hanze) mit den in Japan gebräuchlichen chinesischen Schriftzeichen (Kanji). In keiner der landläufigen Einteilungen der Schrifttypen erscheinen Kanji. der dabei unterläuft. der auf der Notationstheorie Nelson Goodmans und auf Christian Stetters linguistischer Weiterführung in „System und Performanz“ basiert. Die einen behaupten. Goodman (1976) und (1988). Vgl.). Coulmas (1982: 77) und Sampson (1985: 179). schriftunabhängige Beschreibungskategorien und ergänzt die linguistischen Kategorien. wenn es um die Festlegung universaler Schriftprinzipien geht.) und Coulmas (1996: 1382ff.206 Sonja Häffner Im Folgenden geht es um Kanji. Dadurch werden die unterschiedlichen Schrifttypen allererst vergleichbar und im Anschluss daran wird man die F r a g e nach universalen Funktionsprinzipien der Schrift sinnvoll stellen können. Das zweite Problem bei der Klassifizierung der Kanji besteht darin.8 eröffnet neue.und Silbenschriften phonologischen Prinzipien. Stalph (1996: 1413).). die durch ihre alphabetische Fundierung wenig Spielräume für Schrifttypen lässt. Stetter (2005: 224).11 Um Siginifiant und Signe auseinanderzuhalten. also das Signe linguistique. eine Gruppe von 214 der vielen tausend Kanji. aus denen Kanji gebildet werden können. Traditionell werden zur Artikulation eines Radikals 8 Basis-Striche verwendet. Ein Bezugsbereich (range) ist der Extensionsbereich des sprachlichen Zeichens. Vgl. der die Bezugnahme des Symbolschemas auf eine semantische Kategorie oder eine orale Wortform herstellt. Ein Kanji setzt sich in der Regel aus anderen Kanji zusammen. Anordnungen zur Schreibung und Schreibabfolge der Striche. eine Liste mit 214 sog. Dafür lassen sich auch jeweils explizite Artikulationsschemata finden:9 Kanji-Lexika. spreche ich im Folgenden von Radikal als Artikulationsschema und von Schlüssel. So wie die Wörter in Alphabetschriften gemäß der Buchstabenfolge im Alphabet.). und 273ff. fungieren dabei traditionell als Kompositionseinheit der anderen Kanji und als Ordnungsprinzip der Lexika. Radikal und Strich als problematisch. Stetter (2005: 88f. Zum zweiten wird damit oft die Funktion eines Kanji-Bestandteils bezeichnet. sozusagen der Signifiant (auf der LangueEbene). Symbolschema bezeichnet den Signifiant in seiner bezugnehmenden Funktion.). Stalph (1989: 30f. Radikal und Strich gebraucht. Radikalen.1 Zur literalen Artikulation des Kanji Die artikulatorischen Einheiten des Kanji-Systems Zur Beschreibung der Gestalt eines sinojapanischen Zeichens werden traditionell die Kategorien Kanji. die zur Konstitution von Symbolschemata verwendet wird. Die Radikale (bushu). 9 –––––––— Artikulationsschema wird der Typ einer Form genannt. Ein einfaches Beispiel dafür ist 明 (‚Licht‘). einen Bezugsbereich zu eröffnen. Dabei dient oft das chinesische Zeichen Yong 永 als Muster für die Grundformen der Striche. 2.10 Radikale sind selbst wieder nach der Anzahl der sie konstituierenden Striche geordnet. Zum einen werden damit die Einheiten bezeichnet. das sich aus den Kanji 日 (‚Sonne‘) und 月 (‚Mond‘) zusammensetzt.12 Die Liste der Radikale umfasst allerdings nicht alle und auch nicht nur die kleinsten kombinierbaren Elemente. Goodman (1976: 72). 10 11 12 . Deshalb erweist sich die Anwendung linguistischer Kategorien wie Graphem und distinktives Merkmal auf die traditionellen Kategorien Kanji. wenn das Radikal die Funktion hat. Der Begriff des Radikals ist ambivalent. Vgl.Kanji 207 2. Vgl. Das Artikulationsschema der Striche wird als zweites traditionelles Ordnungsprinzip in Kanji-Lexika verwendet. Vgl. Denn die Radikale sind kein Produkt einer Analyse gemäß heutigen (westlichen) linguistischen Maßstäben. Anm. in denen sie artikuliert sind. das in vielen Fällen zumindest dem westlichen Betrachter auf den ersten Blick als unartikulierte Einheit erscheint. Hadamitzky (1995: 59). wobei einer der waagerechten Striche seine Richtung wechselt. wenn man gemäß der konventionellen Anleitungen schreiben gelernt hat. … z. b.18 –––––––— 13 14 15 16 17 18 Vgl. oder zusammengesetzt. sechs Striche. 96). Zumindest für Japaner handelt es sich bei Strichen also um ein grundlegendes Artikulationsschema. c. Wer gelernt hat.13 Abb. Vgl. so sind die Radikale gemäß der Anzahl der Striche geordnet. Entsprechend schreibt Coulmas (2003: 53): „Chinese characters have an internal structure conforming to the principle of double articulation. Das Radikal 日 besteht aus vier Strichen. Stalph (1985: 39f. Each character. Ein Radikal ist nur für Schreibkundige in Strichen artikuliert. 2: Exemplifikation der Basis-Striche nach Coulmas (1989)14 Dabei spielt es keine Rolle. geordnet sind. Vgl. kann es als solches ‚lesen‘.) und Hadamitzky (1995: 58). Ein Radikal weist durchschnittlich zwischen zehn und elf Striche auf.208 Sonja Häffner also a. Vgl. ein Radikal als Abfolge von Strichen zu schreiben. ist eine Benutzung der Lexika nur effektiv möglich.). kann also auf solche Artikulationsschemata abgebildet werden. Stalph (1985: 39f. ist. ob das Radikal atomar. Hadamitzky (1995: 65). wie 明. bei denen die Anzahl und Form der Basisstriche variiert (vgl. Coulmas 1989: 98 und Stalph 1989: 66. Dieses visuelle Merkmal geht durch den Druck verloren. Da das Ordnungsprinzip der KanjiLexika auf der Strichzahl der Schlüsselradikale beruht. Es lassen sich auch noch andere explizite Artikulationsschemata finden.15 Die Abfolge der Striche beim Schreiben ist festgelegt.16 so dass man auch hier von einem digitalen Strichschema zumindest in der Zeichenkonstruktion sprechen kann.17 Im handschriftlichen Radikal wäre der Pinselansatz deutlich zu erkennen und damit eben auch die Strichfolge. Das Radikal. Die Zählung der Striche eines Kanji basiert auf der Reihenfolge. die häufigsten Radikale einer Tageszeitung haben ca. a . und zwar einem senkrechten und drei waagerechten. wie 日. in der sie geschrieben werden. Hadamitzky (1995: 56). Vgl. noch der in der Schriftlinguistik häufig anzutreffenden Definition. der Analogizität des Schrifttyps Herr zu werden.T. die selbst nicht mehr sinnvoll in weniger effektiv differenzierte Bestandteile zerlegt werden können. 47 Radikale erscheinen übrigens nicht unter den Kanji-Graphemen. Er hat die 214 Radikale sogar auf nur 79 „Grapheme“ reduziert. aber eines. zeichendistinktiv wirkenden Zeichen bzw. im beschriebenen Sinne nicht weiter spaltbaren. is composed of a fixed number of meaningless strokes. dass die Menge der fast 500 Kanji-Grapheme als Einzelfälle memoriert werden müssten. Die sog. Doch ist ihre Menge ungleich größer als die alphabetischer Grapheme und zudem schwierig zu typologisieren. Deshalb modifiziert Stalph (1989) die Minimalpaaranalyse und erhält so zwar effektiv differenzierte „Kanji-Grapheme“. Von den 485 Kanji-Graphemen werden allerdings 378 auch als bedeutungstragende Zeichen verwendet. Die Dichte der Kanji führt zu der o. –––––––— 19 meaningful unit. die „an prominenter Stelle ein anderes Radikal enthalten“ (Hadamitzky 1984: 95) und die „als Ordnungselement für nur sehr wenige (etwa fünf oder weniger) oder nur sich selbst dienen“ (Hadamitzky 1984: 95).945 Kanji aus dem Jahr 1981. von denen einige selbst zusammengesetzt sind. Medien und Schulen verbindlich sind – lin g u is tis c h analysiert. Kanji-Grapheme entsprechen also weder dem Verständnis von Graphemen als kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten (im Gegensatz zu bedeutungstragenden Einheiten). großen Anzahl von Kanji-Graphemen. indem er z. Einen ganz anderen Weg als Stalph (1989) mit seiner linguistischen Analyse und Zielsetzung hat Hadamitzky (1984) bei der Gestaltung seines Wörterbuches eingeschlagen. d. solche zusammengesetzte Radikale ausgeschlossen hat. alle kleinsten.“ Vgl. indem es die Anzahl der Einzelfälle reduziert. Die klassische Minimalpaaranalyse ergibt zwar eine Menge von Strichen mit bedeutungsunterscheidender Funktion. Die linguistische Analyse von Stalph (1989) bringt zum Vorschein. auch Coulmas (1989: 98). Zeichenformen“ (Stalph 1989: 71). dass das Kanji-System in einem großen Ausmaß analogisch fundiert ist.g. . Das bedeutet konkret. ein Graphem sei die visuelle Repräsentation eines Phonems. aber immer noch mehr als doppelt soviel „Kanji-Grapheme“ (485) wie Radikale. Stalph (1989) hat den Joyo-Kanji-Bestand – das ist eine offizielle Liste von 1. ob die Striche die Rolle von Graphemen im Kanji-System einnehmen.19 Unter Kanji-Graphemen versteht Stalph (1989) „alle einfachen. So erhält man zwar kein linguistisch adäquates Artikulationsschema.Kanji 209 Nun stellt sich die Frage. die für Behörden. Aus dieser Perspektive betrachtet ist die Auswahl von 214 Kanji als Radikale. das die Zuordnung der Token zu Typen vereinfacht. eine Strategie.h. Vgl. –––––––— 20 21 22 23 Vgl. Stalph (1989: 133). Die Konstruktion eines (neuen) Kanji muss in weit größerem Maße auf Analogiebildung beruhen als die Konstruktion eines neuen alphabetischen Wortes. in der sie als Schlüssel der Bezugnahme oder besser: Ausgangspunkt der Bezugnahmekette fungieren.B. Stalph (1989: 133) und Hadamitzky (1995:45).210 Sonja Häffner 2. das die interne Struktur eines Kanji und die Distribution seiner Teile betrifft.21 Traditionell werden die Radikale nach der Position klassifiziert. Die Radikale lassen sich je nach ihrer Position innerhalb der 17 Artikulationsschemata zu Typen zusammenfassen. das in den meisten Fällen selbst weiter formatiert ist. Doch ihre Anordnung ist nicht beliebig.23 hen tsukuri kanmuri ashi kamae tare nyo Abb. Hier sind nur sieben Artikulationsschemata aufgeführt. Insgesamt unterscheidet man sieben solcher Schlüsselpositionen. Alle Kanji haben ein gemeinsames Artikulationsschema: ein Quadrat. Im Unterschied zur alphabetischen Artikulation gibt es allerdings keinerlei Korrespondenzen zwischen der Anordnung und Zusammensetzung der Radikale und der Binnenstruktur des oralen Artikulationsschemas. 3: Die Schlüsselpositionen der Radikale Den zusammengesetzten Kanji unterliegt ein Artikulationsschema. Diese werden je nach Formatierung zu den hier genannten sieben Obergruppen gezählt. ebd.a. über die Wohlgeformtheit eines Kanji.22 Die darunter jeweils subsumierten ‚Schlüsselradikale‘ haben entsprechend ihrer Position Eigennamen wie die Buchstaben unseres Alphabets auch. Vgl. Vgl. Dazu zählen u. Artikulationsschemata wie ⿰ ⿱ ⿲ ⿳ ⿴ ⿵ ⿷ ⿸ ⿹ ⿺. Mit dieser Unabhängigkeit von der oralen Artikulation geht eine größere Freiheit und Vielfalt in der Anordnung der Radikale einher.20 Den Kanji 明 (‚Licht‘) und 林 (‚Wald‘) ist z. Es fehlt das ‚leere‘ Formatierungsquadrat sowie mehrfach geteilte Formatierungen wie ⿲ ⿳.2 Die räumliche Anordnung der Radikale Radikale können auf vielfältige Weise miteinander kombiniert werden. Dies erlaubt letztlich Urteile über die Zugehörigkeit eines Tokens zum KanjiSystem. um ein neues Symbolschema zu bilden. Es werden 17 solcher Schemata gezählt. Diese Analogiebildung ruht auf den Beziehungen zwischen der Anordnung der Radikale und ihren Bezugnahmen auf. . oder anders gesagt. Hadamitzky (1995: 47). das Artikulationsschema ⿰ gemeinsam. 26 27 28 .27 Dass eine solch doppelte Funktion sprachlicher Einheiten nichts speziell Kanji-Artiges ist. die zwei Formatierungsräume umfassen. Vgl. Stalph (1985: 73). also in Verbindungen. sondern aus Graphemen zusammengesetzte Morpheme. Coulmas (1989) schreibt den chinesischen Zeichen dementsprechend eine doppelte Funktion zu: When occurring by themselves.24 Allerdings b e z e i c h n e n (im Sinn von ‚denotieren‘) Kanji und damit auch als solche verwendete Radikale nicht Wörter oder Morpheme.h. d. Isoliert verwendet. sondern e x e mp l i f i z i e r e n Morpheme. Das <auf> unterscheidet dieses Wort von anderen wie Antrag. Doch in der deutschen Alphabetschrift sind es nicht die Grapheme.28 24 25 –––––––— Coulmas (1989: 98). also als Wort auf. wenngleich es mit Sicherheit nicht die k le in s te bedeutungsunterscheidende Einheit der deutschen Alphabetschrift ist. Im Englischen zählt dazu <a>. wenn sie nicht Teil eines Kanji sind.1 Bezugnahmen des Symbolschemas Bezugsobjekte Die Mehrheit der Radikale können als Kanji. nämlich genau dann. they serve the sense-determinative function of designating a word.26 Viele Kanji erscheinen allerdings nur in Kanji-Komposita. Doppelrollen von Graphemen sind die absolute Ausnahme. dass ein Wort neben seiner denotierenden Funktion immer auch als Beispiel für seine Eigenschaften fungiert (eine Art ‚totum pro parte‘). 3. Betrag. but when occurring as parts of other characters. als denotierendes Symbolschema. und exemplifizieren gebundene Morpheme. Vgl. <au>. Coulmas (1982: 60). im Deutschen evtl. die auf etwas Bezug nehmen.25 hauptsächlich lexikalische Stammmorpheme. verwendet werden. they serve the sense-discriminative function of differentiating the composite character from others that are similar. Vortrag. Vgl. Exemplifizieren heißt.Kanji 211 3. Goodman (1988: 124). zeigt ein Blick auf das deutsche Wort Auftrag. bezeichnet es eine bestimmte räumliche Lage eines bestimmten Objekts im Verhältnis zu einem anderen Objekt und exemplifiziert die Präposition auf. Goodman (1976: 148ff. bezogen auf ein reinjapanisches Wort. die in Minuskeln geschriebenen dem reinjapanischen Wortschatz. wird der Lexembegriff im Japanischen vom Oralen her definiert. dass ein und dasselbe Kanji sich sowohl auf ein reinjapanisches Phonomorphem (Kun-Lesung) als auch auf ein sinojapanisches Phonomorphem (On-Lesung) beziehen kann. Vgl. jedes Symbol sich auf genau ein Objekt einer Klasse bezieht und das Objekt nicht auch Element einer anderen Klasse ist.32 Die Mehrheit der JoyoKanji (60 %) hat mindestens eine sinojapanische und eine reinjapanische Lesung. Atomar ist ein Zeichen dann. ist dies auch bei Kanji möglich: literale und orale Morpheme können aufeinander bezogen werden. 38 % der Joyo-Kanji beziehen sich allein auf sinojapanische orale Morpheme. ders. Vgl. dass – wie oben dargelegt – weder atomare noch zusammengesetzte Kanji die phonematische Artikulation des Morphems denotieren.33 Eine weitere große Gruppe von Kanji bezieht sich allein auf orale sinojapanische Symbolschemata. Vgl.212 Sonja Häffner 3. Stalph (1996: 1416). wenn jeder Einzelfall sich genau und nur einem Typen zuordnen lässt. . Denn durch die Anfügung der Flexionszeichen –––––––— 29 30 31 32 33 34 35 36 Notational ist ein Symbolsystem dann.31 Nur so ist es möglich. Doch diese literal-oralen Beziehungen sind nicht notational.34 Die atomaren Einheiten der Schrift korrespondieren also nicht mit den phonematischen und silbischen Artikulationsschemata.35 Anders als im Deutschen.29 Nur 127 der 1945 Joyo-Kanji beziehen sich in verschiedenen syntaktischen Kontexten eindeutig und konstant auf ein orales Artikulationsschema.30 Dies korrespondiert damit. während es. Darüber hinaus gibt es auch auf lexematischer Ebene nicht immer eine Eins-zu-eins-Relation: E i n orales sinojapanisches Lexem wie DAIGAKU korrespondiert mit der Abfolge zweier Kanji: 大学. Vgl. Die in Majuskeln geschriebenen Wörter gehören dem sinojapanischen Wortschatz an. Das Graphem <c> ist atomar.). wo die Spationierung im Literalen den Wortbegriff prägt. Stalph (1989: 151).2 Das Verhältnis zum Oralen Ebenso wie alphabetische Wörter auf orale Wörter abgebildet werden können. wenn es nicht aus weiteren Einzelteilen besteht. das Graphem <ch> ist zusammengesetzt. 1985: 51.36 Die Beziehung zwischen Kanji und oralen reinjapanischen Morphemen ist aber nicht durchgängig isomorph. allein die Kombination der le x ik a lis c h e n Mo r p h e me abbildet. vor allem auf gebundene orale Morpheme. Phonomorphem bezeichnet hier ein Morphem im Medium des Oralen. Ein mehrgliedriges literales Token exemplifiziert in der Regel auch ein sinojapanisches W o r t . da die zum Wort gehörigen grammatischen Morpheme durch Okurigana exemplifiziert werden. Okurigana sind eine Art Flexionszeichen im Hiragana-Skript. 2 % allein auf reinjapanische Morpheme. entwickelt worden. die sich auf Konkreta beziehen. Vgl.3 Die Art und Weise der Bezugnahme Die traditionelle Beschreibung der Bezugnahmeweisen der Kanji heißt Rikusho. die die Arbitrarität der Bezugnahme betreffen.37 Auch das Verhältnis zwischen Kanji und sinojapanischen Morphemen ist komplexer. aber nicht identisch sind.Kanji 213 Okurigana werden im Oralen oft die Morphemgrenzen verwischt. In beiden Fällen handelt es sich bei der Art der Bezugnahme um eine einfache Denotation. Stalph (1985: 47).).38 Als Grenzfall der Redundanz können die 64 Kanji gelten.39 Diese Dichte im literal-oralen Verhältnis im Verband mit dem Ausmaß an Homophonie im sinojapanischen Wortschatz hat zur Folge. die hier nicht weiter berücksichtigt werden. so dass das Kanji im oralen Medium allein noch der Anfangssilbe des Lexems entspricht. die allesamt auf das e in e sinojapanische orale Artikulationsschema SHO bezogen werden können. Vgl. DeFrancis (1989: 139f.41 Sie umfasst sechs Kategorien. Er gibt leider nicht an. Arbitrarität gilt. Gegenstand sind vielmehr die Kategorien. ebd: 21.) und Stalph (1996: 1417). S h ij i-Kanji sind indikative Zeichen. Vgl.: 1417f. im einen Fall basierend auf visueller Ähnlichkeit. 3. ja als die menschliche Sprache auszeichnendes Merkmal. dass sich die Bezugnahmegebiete der oralen und literalen Symbolschemata zwar überschneiden. Coulmas (1982: 63ff. Sie ist in China ca.). ebd. die Markierung von grammatischen Morphemen durch Okurigana und die Homophonie im sinojapanischen Wortschatz führen also zum A u s e i n a n d e r f a l l e n d e s l i t e r al e n u n d d e s o r a l e n S i g n e . Dies ist auf die Adaptionsstrategien hinsichtlich der chinesischen Zeichen in Japan zurückzuführen. als es zunächst scheint. als Grenzfall der Ambivalenz das Kanji. Die On/Kun-Lesungen. das auf 61 verschiedene orale sinojapanische Morphemschemata bezogen werden kann. im anderen auf konzeptueller –––––––— 37 38 39 40 41 Vgl. wie zum Beispiel 二 ‚zwei‘. Stalph (1985: 124f. Vgl. Dennoch ist laut Stalph (1996) die Abbildung von Kanji auf die jeweilige Lesung immer eindeutig durch den Kontext bestimmt. -veränderung eines Kanji beziehen. Es ist sowohl äußerst redundant als auch ambivalent. ebenso wie die doppelte Artikulation. .40 Das Auseinanderfallen der sprachlichen Modi geht einher mit ganz spezifischen Weisen der Bezugnahme. Chr. wie zum Beispiel 山 ‚Berg‘. S h o k e i-Kanji sind piktographische Zeichen. die sich auf Abstrakta beziehen. um welches Kanji es sich handelt. 100 n. wovon zwei sich auf die Bedeutungserweiterung bzw. können Kanji bzw. Der Anteil der Shiji.B. or represents t h e f a c t t h a t x is a melon“ (Goodman 1976: 9). Insofern kann man 明 (‚Licht‘) durchaus als semantisch komposit bezeichnen.44 –––––––— 42 43 44 Dass auch solche Ähnlichkeitsrelationen lediglich Aspekte des Gegenstandes sind. Die Bezugnahmegebiete der Zeichen stehen in einer Relation.214 Sonja Häffner Ähnlichkeit mit dem Bezugsobjekt. and these compliants of components stand in the relation called for by the correlation in question between modes of inscription combination and certain relationships among objects. die ihm zugeschrieben werden. Vgl. Hadamitzky (1984: 96). Doch sind nicht alle Kai’i-Kanji heute noch als semantisch komposit zu bezeichnen. Vgl. an dem Pferde eins nach dem andern angebunden werden wie einzeln zur Gegenüberstellung geführte. K a i’ i-Kanji sind Kombinationen zweier Kanji und ihrer Bezugnahmen. Hinsichtlich der Arbitrarität solcher Kanji muss man hier zugeben. da die beiden Bezugsgebiete von 日 (‚Sonne‘) und 月 (‚Mond‘) sich in der Eigenschaft der Helligkeit überschneiden. .42 Sowohl solche piktographischen als auch die indikativen Zeichen exemplifizieren mittels ihrer Gestalt Eigenschaften des Bezugsobjekts.und Shokei-Kanji am Kanji-Wortschatz ist allerdings äußerst gering. dass die Zusammensetzung der Kanji relativ motiviert ist. z. die eine Vereinfachung der Zeichen zur Folge hatte. Aber ist dieses Kanji auch semantisch komposit im Sinne Goodmans? Where each compliant of a compound inscription is a whole made up of compliants of component inscriptions. „und daraus auf eine Bedeutung ‚ein Ort. Auch Hadamitzky (1984) wendet sich mit Hinweis auf die Schriftreform. 口 ‚Gegenüberstellung‘ und 馬 ‚Pferd‘ bestimmt. handgefesselte Kriminelle‘“ (Stalph 1985: 141) schließt. Sie sind also alles andere als arbiträr. the whole inscription is composite (Goodman 1976: 146). Stalph (1985: 21) und Hadamitzky (1995: 44). but rather represents x a s a man or represents x t o b e a mountain. Stalph (1985) zeigt dies exemplarisch am Beispiel 駅 (‚Bahnhof‘). 明 (‚Licht‘) aus 日 (‚Sonne‘) und 月 (‚Mond‘). basierend auf bestimmten seiner Eigenschaften bzw. Dafür stellt das Rikusho zwei Kompositionsprinzipien bereit: Kai’i und Keisei. Radikale selbst wieder zu Kanji kombiniert werden. gegen die Funktionalität der Schlüsselradikale und damit gegen die Möglichkeit einer semantisch basierten Entzifferung. wie dies im Übrigen auch bei deutschen Komposita und Verbindungen aus gebundenen und freien Morphemen der Fall ist.43 Wie oben schon besprochen. Eigenschaften. die mit der Kombination der Zeichen korreliert. das ein japanischer Forscher als Komposition aus 人 ‚Handfesseln‘. hat Goodman (1976) in „Languages of Art“ gezeigt und im Begriff der representation-as gefasst: „A picture never merely represents x. das Kanji 問 (‚Frage‘). ‚Frage‘. wobei in unserem Fall nur die Bezugnahme von 門 auf MON interessiert. Neben ‚Tor‘ kann es sich nämlich noch auf ‚hören‘. Also wird mit dem Kanji 問 auf das Bezugsobjekt ‚Frage‘ referiert. Es teilt mit einem der Bezugsobjekte von MON. Dies wird in der Beurteilung auch vom Bildungsniveau des Sprechers abhängen. Diese Vielfältigkeit der Bezugnahmeobjekte des oralen Symbolschemas MON wird durch den zweiten Teil des Kanji-Kompositums 口 (‚Mund‘) eingeschränkt. kann man nicht pauschal sagen. KU. die Eigenschaft des Oralen und der Äußerung. die die größte Gruppe der Kanji ausmachen. Er eröffnet das Bezugnahmegebiet des Kanji. Weiterhin denotieren sie bestimmte Bezugsobjekte –––––––— 45 Vgl.Kanji 215 Weil oft etymologische Kenntnisse vorhanden sein müssen. KO. das allerdings in seinen Bezugnahmen äußerst ambivalent ist. von denen eines als bedeutungstragendes Element und das andere als lauttragendes Element fungiert. Letztlich ist in jedem Einzelfall zu prüfen. MON) und 口 (‚Mund‘. das aus 門 (‚Tor‘. Stalph (1985: 61). Die exemplifizierten Zeichen 口 und 門 wiederum beziehen sich auf orale Symbolschemata. Abb. . 4: Bezugnahmekette eines Keisei-Kanji am Beispiel 問 Das Keisei-Kanji exemplifiziert zum einen die Formen 口 und 門 und natürlich ihre Kombination als auch die Bezugnahme zum oralen Symbolschema MON. ‚Literatur‘. Dazu zählt z. um Kanji in ihre Radikale zu zerlegen und um davon ausgehend die Bezugnahme herzustellen. nämlich ‚Frage‘. kuchi) zusammengesetzt ist. Der umschlossene Teil der Inskription ist der semantische Spezifikator: 口 (‚Mund‘). 門 bezieht sich auf das Bezugsobjekt ‚Tor‘ und das korrespondierende orale Symbolschema MON.B. K e i s e i-Kanji.45 kombinieren zwei Kanji. dass sie semantisch komposit sind. ob ein Kanji als komposit oder primitiv gelten kann. ‚Muster‘ oder ‚Wappen‘ beziehen. die von den Teilbedeutungen wegführen. Deshalb sind sie oftmals als semantisch primitiv zu definieren. dass die relative Motiviertheit der Zusammensetzung eines Kanji sich nicht von selbst aufdrängt und semantische und phonologische Analogien vielfach verborgen liegen bzw. Die Keisei-Kanji sind aufgrund ihrer komplexen Bezugnahmeketten. In diesem Fall allerdings vermittelt durch die Bezugnahme auf das orale Lexemschema. zwar zusammengesetzt. Wenngleich diese Art der Bezugnahme weitaus komplexer erscheint als die der Kai’i-Kanji. logographischen Schrifttypen wie z. so ist auch diese Zusammensetzung motiviert. Die Gesamtbedeutung des Ganzen korreliert jedoch in diesem Fall nicht mit dem Verhältnis der Teilbedeutungen zueinander.B. aber semantisch primitiv. durch die Fluktuanz der Sprache nicht mehr einfach erschlossen werden können. dass ihre semantische Komposition oft nicht transparent ist. nämlich mit von ihm denotierten Gegenständen. Doch dies ist auch im Alphabet nicht der Fall. Die Existenz einer Liste mit den Kanji. korreliert seine Bezugnahme nicht mit der seiner Teile (sonst wäre es nämlich komposit). die durch die Anordnung der Teil-Kanji gefordert wird. in diesem Fall phonologisch. deutet jedoch darauf hin.216 Sonja Häffner (‚Mund‘) und Gegenstände (‚Tor‘). Allein der Ursprung der Motiviertheit der syntagmatischen Beziehungen ist ein anderer. die man für den alltäglichen Gebrauch benötigt und die während der Schulzeit jedem Japaner Kanji für Kanji vermittelt werden. wenn seine Bedeutung sich nicht aus der Kombination der Bedeutungen seiner Teile ergibt und nicht leer ist. Diese Gegenstände bilden mit den anderen die jeweiligen Bezugnahmegebiete. Das Verhältnis zur Oralität unterscheidet tatsächlich das KanjiSkript sowohl von phonographischen. . dass die Binnenstruktur der –––––––— 46 Semantisch primitiv ist ein Zeichen. Auch das orale Symbolschema MON eröffnet ein Bezugnahmegebiet. den chinesischen Hanze. Das zeigt sich syntaktisch darin.und Keisei-Kanji festzuhalten. in jenem semantisch.46 4. Zusammenfassend ist für die Kai’i. Wenn ein zusammengesetztes Symbolschema semantisch primitiv ist. Die Kombination der Radikale zum Kanji. sozusagen die syntagmatischen Beziehungen der Artikulationsschemata des Kanji sind nicht arbiträr. Zur Klassifikation von Kanji Schrifttypen werden gemeinhin nach dem Verhältnis zwischen ihren atomaren Einheiten und den phonologischen Einheiten der gesprochenen Sprache klassifiziert. syllabographischen als auch von morphosyllabischen bzw. Es liegt hier allerdings ein etwas anderer Graphembegriff vor. semantisch primitives Kanji und Radikal sind dasselbe in unterschiedlicher Funktion. dass es bei den atomaren primitiven und den mehrgliedrigen kompositen Einheiten durchaus eine Kompatibilität linguistischer und japanisch-literaler Kategorien gibt. Als Graphem definiert er allein die atomaren Radikale. Graphem. Mehrgliedrig ist ein Zeichen. D a s V e r h ä ltn is v o n b e d e u tu n g s tr a g e n d e n u n d b e d e u tu n g s u n te r s c h e id e n d e n E le me n te n is t a ls o a u c h u n te r s c h ie d lic h o r g a n is ie r t. Es zeigt sich außerdem darin. Im Unterschied zum alphabetischen Graphem sind Radikale aber zudem auch bedeutungstr a g e n d . Vgl. Am ehesten sind sie als distinktive Merkmale zu interpretieren. Graphem wird hier als kleinste bedeutungsu n te r s c h e id e n d e Einheit verstanden. Da dies kein geringer Unterschied in der Anwendung des Graphembegriffs ist. Morphem. ihn tatsächlich nur für die uns bekannten alphabetischen Grapheme zu verwenden. wodurch sich ihre Anzahl extrem verringert. dass (deshalb) literales und orales Signe auseinanderfallen: Kanji machen komplexe (und je nach Typ unterschiedliche) Bezugnahmen auf. die traditionellen Klassifikationen (Strich. primitiv und komposit)47 in Beziehung zu setzen. Nun geht es darum. auch Fußnoten 31 und 46. – Das zeigt die Tabelle (atomares.Kanji 217 Kanji in hohem Maße analogisch organisiert ist und auf die Binnenstruktur des Oralen nicht abbildbar ist. Die Striche haben bei Hadamitzky (1995) keine sprachsystematische Funktion. Diese Gegenüberstellung zeigt. . aber keine Deckungsgleichheit. Kanji) mit linguistischen (distinktives Merkmal. der sowohl der Analogizität der Kanji gerecht wird und dennoch einen Vergleich zur deutschen Alphabetschrift anhand linguistischer Kategorien erlaubt. zusammengesetzt. lässt sich der oben erwähnte Ansatz von Hadamitzky (1995) verwenden. Als Mittelweg zwischen der traditionellen und linguistischen Analyse. Radikal. Sie fungieren als rein graphische Artikulationsschemata der Radikale. wenn es den kleinsten Formatierungsraum des Zeichens überschreitet.) 47 –––––––— Diese Kategorien basieren auf Goodman (1976 und 1988). schlage ich vor. Lexem) und symboltheoretischen Kategorien (schematisch atomar. mehrgliedrig und semantisch vakant. denen in der Oralität nichts entspricht. dass diese a lp h a b e tis c h e n linguistischen Kategorien in der Typisierung von Schriften nicht blind Anwendung finden können. Die vorliegende Beschreibung des Kanji-Skripts zeigt also nicht nur. Die Zuordnung des Kanji-Tokens zum Kanji-Typ wird extensional durch die Wiederholung im Gebrauch der Sprachgemeinschaft gesichert und intensional durch die Bezugnahme auf das explizite Artikulationsschema des Kanji-Typs im Lexikon. . 5: Symboltheoretische Klassifikation der Kanji und linguistische Spracheinheiten auf der Basis von Hadamitzky (1995) und Goodman (1976) Das Prinzip der doppelten Artikulation bezieht sich auf das Verhältnis von Form und Bedeutung. weil jede Realisierung eines gegebenen Phonems in einem bestimmten Wort mit den anderen Realisierungen desselben Phonems in jedem anderen Wort solidarisch bleibt. sieht Martinet (1968) vor allem in der Sicherung der „Stabilität“ und Arbitrarität des Zeichens: Was aber die Verschiebung der Signifikanten verhindert und ihre Autonomie gegenüber den Signifikaten garantiert.218 Semantische Klassifikation Schematische Klassifikation Atomar vakant primitiv Sonja Häffner komposit Strich Distinktives Merkmal Radikal / Kanji Graphem Radikal / Kanji Kanji Mehrwortlexem Kanji-Folge Zusammengesetzt Morphem Mehrgliedrig Wortgruppenlexem Abb. Die Rolle der zweiten Gliederungsebene. aus einseitigen Einheiten. dass Kanji anders funktionieren. doppelte Artikulation und Arbitrarität auf den alphabetischen Schrifttyp zugeschnitten sind. gleichgültig ob dessen Artikulationseinheiten differenziert oder dicht sind. ist die Tatsache. Die konkrete Ausformung dieser Universalien variiert jedoch so stark. Die Ansätze von Goodman und Stetter stellen für dieses Vorhaben einen nützlichen Ausgangspunkt dar. sondern auch. die der kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten. dass die u n iv e r s a le n linguistischen Kategorien Graphem. über die der Wortinhalt deshalb keine Gewalt hat. […] Die Phoneme als Produkte der zweiten sprachlichen Gliederung erweisen sich somit als die Garanten der Willkürlichkeit des Zeichens (Martinet 1968: 18). daß sie in den wirklichen Sprachen aus Phonemen zusammengesetzt sind. – (1996): „Das japanische Schriftsystem“. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung. Jürgen (1985): Kanji-Theorie und Kanji-Studien in Japan seit 1945. – Stanford: Stanford University Press. André (1968): Synchronische Sprachwissenschaft. – In: Referate des VI.M. The Diverse Oneness of Writing Systems. Coulmas. In: Hartmut Günther. – (1989): The Writing Systems of the World. Otto Ludwig (Hgg. – [http://www.: Suhrkamp. – Weilerswist: Velbrück. Writing and its Use. Writing and its use.: Langenscheidt. Deutschen Japanologentages in Köln. DeFrancis. – Indianapolis: Hackett. Paul D. – Berlin et al. – Wiesbaden: Harrassowitz. Hadamitzky. – (2003): Writing Systems. 1380–1387. Geoffrey (1985): Writing Systems.): Schrift und Schriftlichkeit. Christian (2005): System und Performanz. An Introduction to their Linguistic Analysis. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung. Symboltheoretische Grundlagen von Medientheorie und Sprachwissenschaft. Goodman. – (1989): Grundlagen einer Grammatik der sinojapanischen Schrift. Stalph. S. Catherine Z. A Linguistic Introduction. – . – Berlin et al. Wolfgang (1984): „Radikalkur? Bericht über praktische Versuche zur Vereinfachung des klassischen Radikalsystems“. 4. . S. Martinet. S. – London: Routledge.edu. Nelson (21976): Languages of Art.2). Band 2.2). (1997): „Reading Japanese for Daily Life“.au/ education/langs/jpn/intro/intro1. Sampson. John (1989): Visible Speech. 2004). 92–102. Band 2.ntu.und Kommunikationswissenschaft 10. Kanji und Kana 1. In: Hartmut Günther. – München: Hueber. Elgin (1988): Reconceptions in Philosophy and other Arts and Sciences. Otto Ludwig (Hgg. – Cambridge: Cambridge University Press. – Frankfurt a. – Bochum: Studienverlag Brockmeyer. Studien und Forschungen. 1413–1427. – (1995): Langenscheidts Handbuch und Lexikon der japanischen Schrift.htm] (anges.Kanji 219 Literatur Black. Florian (1982): Über Schrift. – Oxford: Blackwell. – Berlin et al.: de Gruyter (Handbücher zur Sprach.: de Gruyter (Handbücher zur Sprach. Stetter.): Schrift und Schriftlichkeit. – Honolulu: University of Hawaii.und Kommunikationswissenschaft 10. 7. – (1996): „Typology of Writing Systems“. . In dieser Arbeit wird erstmal ein wenig beachteter Diskurs zur Verschriftung des Japanischen vorgestellt. Chinesische Schrift und japanische Oralität Die Heian-Zeit (794–1185) wird in der japanischen Geschichtsschreibung als eine relativ friedliche Periode und als Blütezeit der buddhistischen Schriftphilologie geschildert. die bestehenden Vorstellungen zur japanischen Schrifttradition anhand einer historisch-philologischen Vorgehensweise kritisch zu hinterfragen. In modernen japanischen Texten werden vier verschiedene Aufschreibesysteme miteinander kombiniert: Kanji. Katakana sei eigens zur dem Zweck geschaffen worden. Nicht nur japanische Muttersprachler sind in der Regel davon überzeugt.Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung Die Verschriftung des Japanischen vollzieht sich in einem komplexen Wechselspiel zwischen japanischer Mündlichkeit und der Begegnung mit fremden Schriftsystemen. Weiter gilt es. In der Regel handelte es sich hierbei um buddhistische heilige Schriften oder chinesische Klassiker. die zur Ausprägung des heutigen japanischen Laut.und Schriftsystems führte: Die Auseinandersetzung mit dem Chinesischen. Katakana und Romaji. Unter Gebildeten und Adeligen war es fernerhin üblich. Der folgende Beitrag versucht. Während in europäischen Klöstern lateinische. Hiragana. griechische oder arabische Schriften kopiert und übersetzt wurden. dem Sanskrit und mit dem lateinischen Alphabet. Ausländische Namen und Begriffe werden heute mit der Notationsmatrix Katakana dargestellt. in dessen Verlauf ein längst vergessenes und auf indischen Wurzeln beruhendes Laut.und Schriftsystem in den Wettstreit mit Transliterationssystemen der westlichen Welt trat. schrieben japanische Mönche und Schriftgelehrte chinesische Originale und SanskritUrtexte ab. 1. Lautmuster fremder Sprachen im Japanischen nachzuzeichnen. die ursprüngliche Entwicklung nachzuzeichnen. Auch die Einführung lateinischer Buchstaben in Japan und die damit einhergehende lateinische Umschreibung des Japanischen wird gelegentlich als ‚kultureller Innovationsschub‘ der Moderne gewertet. hin und wieder Gedichte oder kleine Abhandlungen zur . galt es doch. mit dessen Hilfe sich chinesisch geschriebene Originaltexte im Einklang mit dem japanischen Sprachgefühl mühelos rezipieren und reproduzieren ließen. Die Grundlagen hierzu wurden im Evolutionsprozess der Kana-Zeichen gelegt. bei japanisch vorgetragenen Versionen im chinesischen Text zwischen den Zeilen verschiedene diakritische Zeichen und Kürzel anzubringen. Diese Schriften wurden unter Anleitung erfahrener Deklamatoren teils auf chinesisch gelesen. gleich mehrere Hürden zu bewältigen: Ganz abgesehen von der chinesischen Aussprache mit ihrer Konturtoncharakteristik. die – was stille Lektüre wie auch lautes Lesen anging – für chinesische Gelehrte nicht mehr nachvollziehbar und ausschließlich japanischen Muttersprachlern zugänglich war. und im Prozess der Deklamation chinesisch-basierter Texte galt es. Anhand chinesischer Originaltexte studierende Schüler wurden nun angehalten. eine Art ‚Verkehrszeichen‘ in Kombination mit ‚Lautzeichen‘ zu erfinden. Der Unterschied zwischen gesprochenem Chinesisch und Japanisch war eklatant. Angesichts der großen Unterschiede zwischen japanischer und chinesischer Syntax war diese Aufgabe jedoch nicht gerade einfach zu bewerkstelligen. Gegenüber dem Chinesischen als isolierender Sprache stand das Japanische als agglutinierender Sprachtypus.222 Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup japanischen Historie zu verfassen. Auch kamen im Chinesischen keine Flexionen bzw. Desweiteren waren die im Japanischen zahlreich auftretenden Partikel (Honorifika. In Klöstern und Gelehrtenkreisen der alten Hauptstadt Nara hatten Schriftgelehrte ihren Schülern zunächst chinesische buddhistische Texte im Original vorgelegt. teils aber auch nach japanischer Manier. Das Aufschreibesystem hierfür lieferte die chinesische Schrift. flexionsähnliche Elemente wie im Japanischen vor. Als Beispiel für eine solche Aufschreibepraxis sei die älteste japanische Schriftquelle.) im Chinesischen nicht oder in völlig anderer Konstellation vorhanden. Kasuspartikel etc. trat im Japanischen auch eine völlig abweichende Wortstellung auf. das „Kojiki“ (‚Aufzeichnung alter Geschehnisse‘) genannt. um wichtige und schwierige Stellen so exakt zu markieren. japanisch-orale Version des Textdokumentes. In diesem Prozess entstand eine beliebig reproduzierbare. japanische Oralität zwischen den (chinesischen) Zeichen und Zeilen entstehen zu lassen. Allerdings wurden die chinesisch geschriebenen Texte nicht selten in einer speziellen Schreibart verfasst. dass sie später ohne Mühe als japanische . Hierzu bedurfte es einer flexiblen Kombination aus Simultanübersetzung in Verbindung mit mnemotechnischen Hilfsmitteln. Man benötigte also ein Verfahren. Jahrhunderts niedergeschrieben wurde. das zu Beginn des 8. Eine völlig neuartige Lesetechnik war gefordert. die es dem Leser auf ökonomische Weise ermöglichte. An verschiedenen Stellen werden hier chinesische Schriftzeichen entgegen ihrer ursprünglichen Lautung und Bedeutung ‚zweckentfremdet‘ und zur Darstellung des damals gesprochenen Japanischen eingesetzt. 1 zeigt eine kaiserliche Verordnung (Senmyo) jener Zeit. Zwischen den einzelnen Zeichen und Zeilen bleibt wenig Raum zur Plazierung diakritischer Zeichen oder kurzer Anmerkungen. Manche Zeichen erforderten eine Vielzahl von Pinselstrichen. Vor diesem Hintergrund bedeutete ökonomisches Schreiben auch stets einen . Verschiedene Verfahren kamen hier zur Anwendung: Zum einen bediente man sich im nahezu unerschöpflichen chinesischen Zeichenvorrat und reservierte bestimmte Zeichen exklusiv für die Darstellung des Japanischen. einige darunter waren äußerst komplex und mussten mit bis zu 60 separaten Pinselansätzen geschrieben werden.Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung 223 Version wieder aus dem chinesischen Originaltext herausgelesen werden konnten. Die Schrift verläuft vertikal von rechts nach links. Abb. 1 (aus: Kobayashi 1998: 55) Abb. Zeile an Zeile eng beschrieben. ersetzt. Als mnemotechnische Hilfe kamen kleingeschriebene Zeichen zur Anwendung. Im Laufe der Zeit wurden diese Zeichen mehr und mehr durch vereinfachte Versionen. Abb. wollte man die gehörten Informationen lückenlos ins Schriftbild synchronisieren. Katakana bedeutet ‚Fragment-Register‘. das heute Katakana genannt wird. die sich noch bequem zwischen den Zeilen einfügen ließen. die sich über die Jahre hinweg weiterentwickelten. Kanji-Fragmente und -Kursiva aus wenigen Strichen. Kürzel und verschiedene stenographische Verfahren brachten einen wesentlichen Zeitgewinn. Jede buddhistische Schule pflegte ihre eigenen Hilfs-Fragmentzeichen. So entstand ein Schriftregister.224 Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup Kampf gegen die Zeit. chinesische Kanji-Minuskeln. 2 (aus: Kobayashi 1998: 82) . mnemotechnischen und später löschbaren Kommentaren versehen zu lassen. Jh. Auf diese Weise wurde das chinesische Wissen in japanische Oralität überführt. sondern auch die Katakana standen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Werkzeugen. diese Texte unter Berücksichtigung der Mnemohilfen und Kommentare solange auf japanisch zu rezitieren. Es handelt sich um eine Schriftrolle mit einem buddhistischen Sutrentext. Durch einen glücklichen Umstand blieb das hier gezeigte Dokument mit den vollständigen Anmerkungen in ungelöschtem Zustand erhalten. sozusagen in ‚Echtzeit‘. Der Originaltext wurde vertikal mit schwarzer Tusche geschrieben. um das Originalschriftbild wieder in den Urzustand zu versetzen. Chinesische Originaltexte konnten nun. im Japanischen dagegen unverzichtbaren Flexionen und Postpositionen als Punktoder Strichmatrix in die Kanji-Texte integriert. Klosterschüler wurden angehalten. . Nicht nur die Kanji. sogenannte Okototen. Zwischen den Zeilen verlaufende Anmerkungen in weißer Farbe sind als frühe Katakana und diakritische Zeichen zu erkennen. Schon bald begannen mathematisch wie literarisch gebildete Gelehrte. und die Anmerkungen konnten durch Überschreiben mit einer speziellen Lösung leicht wieder gelöscht werden. Die weiße Tusche wurde aus Muschelkalk hergestellt. 2 zeigt einen Text aus der mittleren Heian-Zeit (10. Nach Abschluss dieser Einprägungsphase wurden die Kommentare schließlich durch den in Wasser getränkten Pinsel wieder gelöscht. wurde regelmäßig geübt. und das chinesische Textoriginal stand für den nächsten Schüler und weitere Lernprozesse in seiner Ursprünglichkeit erneut zur Verfügung. Abb. japanisch synchronisiert werden: Die Klosterschüler setzten während der Vorlesung des Meisters mit ihren in weiße Tusche getauchten Pinseln gezielt Punkte.Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung 225 An dieser Stelle sei ein Blick auf das Instrumentarium und die Schreibtechnik geworfen. die Systematik und das Organisationsgefüge der Kanji auf das Japanische abzubilden: So wurden die im chinesischen Schriftbild nicht vorhandenen. chinesische Dokumente aus dem originalen Schriftbild auf japanisch vorzulesen und sie von Klosterschülern mit kurzschriftartigen. mit denen solche Texte verfasst wurden. an entsprechende Kanji-Koordinaten und transformierten die chinesischen Texte simultan in eine reproduzierbare japanische Version. die als Memoria-Utensilien die Konservierung des Wissens bewirkten. bis sie in der Lage waren. den Text lediglich aus dem chinesischen Schriftbild zu erschließen. Diese Praxis.). Es demonstriert eine grundlegende Vorgehensweise im damaligen japanischen Schriftdiskurs – die Weitergabe oralen Wissens unter Beibehaltung der Originalität der Schriftquelle. ihre Dekodierung erforderte ein gehobenes Maß an Bildung und Zugang zu geheimem Wissen. Die hier geschilderte Entwicklung begann gegen Ende des 8. .h. Jahrhunderts war die Verschriftung des Japanischen unter Zuhilfenahme der chinesischen Schrift so weit fortgeschritten. ‚O-Koto-Punkte‘ ableitete. Jahrhunderts und führte zu einer 400jährigen kulturellen und intellektuellen Blütezeit. An den Ecken und Seiten und in der Mitte sind schwarze Punkte mit entsprechenden Lesungen eingezeichnet. Solche Okototen-Texte waren ausschließlich für Eingeweihte reserviert. Dieses Punkt-Strichmatrix-Verfahren zur Fixierung japanischer Oralität in chinesischen Texten wurde in verschiedenen Schulen zu hochkomplexen Aufschreibesystemen weiterentwickelt. Gelehrte verschiedener buddhistischer Schulen und asiatischer Länder trafen im Ninnaji-Tempel in Kyoto zusammen. Zu Beginn des 9. Die ersten beiden Punkte auf der rechten Seite (oben rechts. dass Texte ohne Mühe auf japanisch fixiert und gelesen werden konnten. und es entspann sich ein Schriftdiskurs.226 Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup Abb. 3 (aus: Kobayashi 1998: 87) Abb. Mitte rechts) markieren die Lesungen O und Koto. der seine Spuren in den japanischen Texten bis zur Neuzeit hinterließ. d. aus denen sich die Bezeichnung Okototen. 3 verdeutlicht das Prinzip: Das Kanji ist durch ein Quadrat repräsentiert. Sanskrit diente als Aufschreibesystem sakraler buddhistischer Texte zur oralen Weitergabe. ein Schriftsystem. Als zwei herausragende japanische Mystiker sind K u k a i und S a ic h o zu nennen. Die Brahmi wie auch die Siddhamatrika zählen zu den Sanskritschriften. Als buddhistische Mystiker pflegten sie nicht nur über die Bedeutung von Schriften. Später sollten auch die sino-japanischen Sanskrit-Philologen und -Grammatiker von seinen Studien profitieren. Jahrhundert aus der runenhaft anmutenden Brahmi-Schrift entwickelt hatte. Dieser Trend begann während der Tang-Dynastie (618– 907). philologische Quellenstudien zu treiben. Im Sanskrit standen Logos. Ein chinesischer Mönch namens I J in g hatte sich in kritischer Auseinandersetzung mit der Übersetzungstheorie von SanskritTexten ins Chinesische befasst. Die Siddhamatrika-Schrift ermöglichte aufgrund ihrer hochentwickelten Systematik besonders differenzierte Ausdrucksformen. um sich dort auf dem Festland buddhistischen Quellenstudien zu widmen. als sie zu Beginn des 9. Als Philologen entwickelten sie darüber hinaus ein besonderes Gespür für die phonetischen Feinheiten der urbuddhistischen Sanskrit-Sprache. die sich in den Sutren widerspiegelten. die China und seinen umliegenden Ländern eine hohe kulturelle Blüte bescherte. in dem Sanskrit-Forschung auf höchstem Niveau betrieben wurde. sondern auch über den Sinn kosmischer Laute. Man verwendete damals die Siddhamatrika-Schrift (auch: Siddham). die von den Mystiker-Buddhisten genauestens erforscht und beschrieben wurde. Diese beiden Mönche bereisten zu Beginn der japanischen Heian-Zeit das Nachbarland China. Ton und Melos gleichberechtigt nebeneinander und miteinander in einer Wechselwirkung. Das China der Tang galt als das Land. Dieser Mönch I Jing wie auch sein Zeitgenosse Ch i G u a n g werden in China und in Japan als die Begründer der historischen Sanskrit-Forschung angesehen.Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung 227 2. einer Periode. Sanskrit-Lautekosmos und Kana-Lautmatrix Die Begegnung mit einem weiteren hochentwickelten Schriftsystem. Erste Sanskritforschungen sind aus der Zeit zwischen dem ausgehenden achten und dem Beginn des neunten Jahrhunderts belegt. Unter buddhistischen Schriftgelehrten war es üblich. Kukai war in China mit Mönchen aus dem berühmten indischen Nalanda-Kloster in Kontakt gekommen und hatte sich unter deren Anleitung ins . Als Wissenschaftler betrieben sie interdisziplinäre Forschung und beschäftigten sich intensiv mit phonetischen Problemstellungen. dem Sanskrit. Kukai und Saicho brachten diese Schrift nach Japan. Jahrhunderts aus China zurückkehrten und sie in Japan unter der Bezeichnung Shittan einführten. zu meditieren. sollte für die weitere Entwicklung der japanischen Schrift richtungsweisend sein. das sich seit dem 6. Sobald das Schreibgerät auf die Unterlage trifft. In Japan hingegen hielt sich die Siddhamatrika in der durch die Mönche überlieferten Form. Jeder andere Laut führt über das A. Diese wurden in Japan damals Mata genannt. da während seines Aufenthaltes auf dem chinesischen Festland wegen politischer Unruhen die Landwege nach Indien unterbrochen waren.1 Das A als universelles Lautprinzip bildet den Bezugspunkt sämtlicher Schriftzeichen. die sie in die Lage versetzte. Allein mit dem Öffnen des Mundes sind alle Voraussetzungen für das A erfüllt. sondern das A nahm eine ganz besondere Stellung ein – wie Kukai in seiner Einführung ins Shittan beschrieb: Das A ist der natürlichste Laut. Die Shittan-Schrift zur Zeit Kukais verfügte über 16 Vokale. Sie wurde regelmäßig zum Entwurf von Mantras und für Abschriften von Sutren benutzt. in dem sich das A manifestiert.2 Und dieses A-Kürzel lässt sich in jedem beliebigen Shittan-Zeichen nachweisen. Es ist auf ein kalligraphisches Kürzel reduziert (Abb. 4 Noch in der modernen japanischen Kalligraphie ist dieses A in jedem Zeichen präsent: Die Kalligraphen legen großen Wert auf eine vollendete ‚erste‘ Pinselberührung mit dem Papier. entsteht an der Berührungsfläche unweigerlich ein Punkt. Die indischen Mönche waren davon überzeugt. Somit ist das A die Mutter aller Laute. 4). die in Form eines A-ten (‚A-Punkt‘) oder 1 2 –––––––— „Bonji-Shittan-Jibo-narabini-Shakui“ (‚Kommentierte Einführung ins SanskritShittan‘). dass jede kosmische Lautäußerung mit einem A beginnen müsse: In der gesprochenen Sprache ist das A durch die Mundbewegung vorgegeben. In: Kukai (1984: 417). Kawakatsu (1944: 22). Der Weg nach Indien blieb ihm verschlossen. Der erste im Shittan-System auftretende Vokal war das A. Mit dem Shittan-System erhielten die Japaner eine Schrift. Weiterhin standen 34 Konsonanten zur Verfügung. das Lautinventar der eigenen Sprache anhand von Vokalen und Konsonanten schriftlich genau abbilden zu können. Kukai verfasste außerdem ein Kompendium zur Einführung in die Geheimnisse der Shittan unter dem Titel: „Kommentierte Einführung ins Sanskrit-Shittan“. die sogenannten Taimon.228 Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup Studium der Siddhamatrika vertieft. Die Original Siddhamatrika-Texte wurden in Indien später durch das Devanagri ersetzt. Dieses wurde jedoch nicht nur als erster Vokal einer Reihe betrachtet. Abb. Und auch in der Schrift kann kein einziges Zeichen ohne diesen Schöpfungsakt niedergeschrieben werden – das A ist allgegenwärtig. . 3 (K(A) ) Das solitäre A tritt als Kurzvokal oder als Langvokal AH in Erscheinung: In der Kombination Konsonant-Vokal treten die Vokale als Kürzel auf. Als Beispiel sei der erste Konsonant der Siddhamatrika angeführt. also genau mit dem Punkt. Dieser Konsonant bezeichnet einen unaspirierten K-Laut. . Die in Japan eingeführte Shittan-Matrix verfügte über ein Inventar von 34 Konsonanten und 16 Vokalen. wie bereits erwähnt. Vokale und Konsonanten konnten anhand ihrer Stellung identifiziert werden: In Konsonant-Vokal-Zusammensetzungen standen die Konsonanten stets im Zentrum. wobei für Vokale jeweils die Peripherie des Zeichens reserviert war. der sich durch sämtliche Zeichen des archaischen indischen SiddhamatrikaKosmos zieht. Im Falle von Konsonantenhäufung in einem Schriftzeichen wurden die Konsonantenkürzel zu einem einzigen quadratischen Zeichen zusammengesetzt. gleichzeitig aber auch K(A). während die Vokale als Kürzel an den oberen oder unteren Ecken ‚angedockt‘ wurden. in jedem Shittan-Zeichen präsent ist. die in den Schriftzeichen zu quadratischen Blöcken kombiniert wurden. Es gab keinen Unterschied zwischen Minuskeln und Majuskeln. da das A. Das Langvokal-Kürzel (AH) wird durch ein kleines Häkchen an der rechten oberen Ecke symbolisiert: (AH) K(A)+AH=KAH: + = –––––––— 3 Alle folgenden Schriftbeispiele aus: Shuchiin-Daigaku-Mikkyo-Gakkai (1983: 258).Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung 229 Hosshin-ten (‚Ursprungspunkt‘) zu erfolgen hat. einer höchst produktiven Ära der Wissenschaften und Künste. unternahm der Mönch K e ic h u erstmals den Versuch. K(A)+U=KU + = Das K(A) erscheint im oberen Teil gestaucht und schafft somit Raum für das U-Kürzel im unteren Drittel. Anhand der hier gezeigten Beispiele ist zu erkennen.und Laute-Kosmos repräsentierte. Die in der Original-Shittan-Matrix vorhandenen Elemente zur Bezeichnung von Konsonanten und Vokalen ersetzte er durch sinojapanische K a n j izeichen. in der die originalen Shittan-Zeichen lediglich durch sinojapanische Elemente ersetzt wurden. Die nachstehende Tabelle (Abb. Zusammensetzungen mehrerer Konsonanten und Vokale zu einem Zeichen waren erlaubt. Angesichts dieser Fülle von Möglichkeiten zur schriftlichen Lautnotation bestand für K u k a i wohl kein Zweifel an der Vollkommenheit des Shittan. Keichu beherrschte seinerzeit neben dem Shittan auch die chinesische Schrift.230 Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup Das Vokalzeichen für U: Das entsprechende U-Kürzel: Kombination K(A) mit U. Jahrhunderts). Wäre er mit dem lateinischen Alphabet vertraut gewesen. Im Jahre 806 brachte er zahlreiche Shittan-Sutren nach Japan und legte damit die Grundlage für die phonetische Klassifizierung des japanischen Lautinventars. 5) mag auf den ersten Blick als ein auf KanjiZeichen basierendes Schriftstück anmuten. nach welchem Grundmuster Konsonanten und Vokale im Shittan kombiniert wurden. hätte er vermutlich auch mit lateinischen Buchstaben experimentiert. Mit einem Grundzeichensatz von lediglich 51 Elementen wurden so an die 10. das einen höchst beeindruckenden Schrift. es handelt sich jedoch um eine reine Shittan-Matrix. anhand der Shittan-Matrix die grundlegende phonologische Systematik des Japanischen zu erschließen. .000 Lautäußerungen schriftlich fixiert. Während der Genroku-Periode (Ende des 17. Der phonetische Begriffsapparat des Sanskrit lieferte jedoch den Beweis. und zwar durch die beiden oralen Elementpaare Mata (‚Vokal‘) und Taimon (‚Konsonant‘).Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung 231 Abb. Die Ordnung der Laute wurde in einer Matrix dargestellt und anhand dieser Matrix ließen sich sämtliche Lautäußerungen des Kosmos. selbständige Lautwelten zu generieren. Es ist ideal geeignet. die Laute verschiedener Sprachen (wie auch die der eigenen) seien rein zufällig. Laut für Laut geduldig verfeinert [. sozusagen aus einem Chaos heraus. 1931 in Frankreich) beschrieb nach seinen Studien an der Columbia University diesen universellen Charakter des indischen Phonetiksystems: Das Sanskrit ist die künstliche Sprache schlechthin. Intellektuellen und Spirituellen umfassend. Gefühlsmäßigen. die Natur der Phänomene vom . 5: Keichu.) Die Begegnung mit dem höchst entwickelten phonologischen System des Sanskrits eröffnete chinesischen und japanischen Mystikern völlig neue Horizonte – war man doch über Generationen hinweg davon ausgegangen. die vermittels der Sanskritphoneme beschrieben werden kann.] und dabei alle Stufen des Körperlichen. dass jedem Lautekosmos eine bestimmte Ordnung innewohnt. entstanden.. Die Mata wurde als „alles hervorbringendes Mutterelement“ aufgefasst und war in der Lage.. Der Sanskritforscher Jean Le Mee (geb. bekannte wie bislang noch niemals vernommene – über die Mata und Taimon – verschriften. In Verbindung mit den Taimon ergab sich ein weiteres Spektrum von Lautäußerungen. „Wajiseiransho“ (‚Ordnung des Lautschatzes mit japanischer Schrift‘) (aus: Mabuchi 1993: 50f. die sich damals jedoch an der portugiesischen Orthographie orientierte und somit korrekterweise portugiesische Umschrift genannt werden müsste. Der Titel des ältesten erhaltenen Werkes lautete: „Sanctos no Gosagveo no vchi Nvqigaqi“ (‚Eine Auswahl der Heiligenlegenden‘). Diese Anwendungsbreite im Reiche der Natur läßt diese höchst künstliche Sprache paradoxerweise zur allernatürlichsten Sprache werden. . brachte sein Confrater Valignani die erste Druckerpresse nach Shimabara. deren linguistische Rezeption bereits seit der Heian-Zeit ausschließlich dem phonologischen System der ShittanMatrix folgte. dass die damaligen Kyushu-Dialekte von Kagoshima und Amakusa im portugiesischen Lautund Schriftsystem aufgingen. Abb. 18 darunter erschienen in lateinischer Umschrift.4 Diese „künstliche Sprache schlechthin“. Es folgte der Sprache der portugiesischen Missionare – mit der Konsequenz. –––––––— 4 Le Mee (1975: 12). Valignani ließ in Amakusa eine Reihe weiterer Bücher herausgeben. liefert den Schlüssel zur phonetischen Disposition jener japanischen Intellektuellen.232 Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup Geistigen bis zum Körperlichen zu beschreiben. 41 Jahre später. Lateinische Schrift und Shittan-Romanisierung Im Jahre 1549 betrat der portugiesische Jesuitenmissionar Francisco du Xavier in Kagoshima auf der südlichsten Hauptinsel Kyushu erstmals japanischen Boden. 1590. 6 zeigt das benutzte Transliterationssystem. zur Sprache der Natur. die Jean Le Mee hier als „allernatürlichste Sprache“ ins Feld führt. Im nahegelegenen Ort Amakusa wurden für die ersten japanischen Christen katholische Bücher gedruckt. 3. 6 (aus: Kokugo-Gakkai 1955: 966) .Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung 233 Abb. die Missionare des Landes verwiesen und der Besitz christlicher Abzeichen und Bücher untersagt. ti. In diesem System wurden die Konsonanten auf englisch-amerikanische Weise verschriftet. jedoch mit ti an. dass er an den Koordinaten für die japanisch schi. Die lateinische Schrift in Japan blieb. das unter dem Namen Hepburn-System (Hebon-Shiki) weite Verbreitung erlangen sollte. Prominente japanische Sprachwissenschaftler der Rangaku-Ära verfassten in den Folgejahren zahlreiche wissenschaftliche Werke und gingen dazu über.234 Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup 1613 wurde das portugiesische Christentum in Japan verboten. die Vokale dagegen ähnlich dem 5 –––––––— Kokugo-Gakkai (1955: 966). wobei die Mata (oe) als holländisches Exotikum durchaus nicht stört. Dies bedeutete jedoch nicht das endgültige Aus für Kontakte mit der christlichen Welt. dass Arai sich zweifelsohne in der Shittan-Tradition bewegte. Seine Alphabet-K a n a -Matrix unterscheidet sich von der portugiesischen in einigen wesentlichen Punkten:5 ka ki koe ke ko sa si soe se so ta ti toe te to Auf den ersten Blick mag Arais Darstellung lediglich als ‚holländische Variante‘ der zuvor beschriebenen portugiesischen Kana-Matrix erscheinen. und an die Stelle der ausgewiesenen Katholiken traten nun die eher nicht missionarisch gesinnten und kalvinistisch-pragmatischen Holländer. Bei genauer Prüfung fällt jedoch auf. die eben diese Verbindung ti als Taimon und Mata für die zweite Stelle in der T-Reihe vorsieht. eigene Versuche zur systematischen Transkribierung des Japanischen unter Verwendung des westlichen Alphabets anzustellen. 1859 betrat James Curtis Hepburn. toe schreibt. Missionar der American Presbyterian Church. Ende des 17. da die U-Vokale bei Arai nun mit einem oe wiedergegeben werden. in dem er ein für seine Zwecke modifiziertes Transliterationssystem vorstellte. tschi und tsu gesprochenen Silben nicht etwa der holländischen Konvention folgt. im Alter von 44 Jahren erstmals japanischen Boden. sondern sich nahezu getreu an die alte Shittan-Matrix hält (=Taimon+Mata) und si. die auf deutsch wie tschi auszusprechen ist. Sie erschienen als angenehme Handelspartner und Ideenbringer. und mit ihnen begann eine Ära der Hollandstudien (Rangaku). Arai gibt die zweite Stelle der T-Reihe. Hepburn lernte Japanisch und veröffentlichte 1867 in Tokyo ein japanisch-englisches Wörterbuch. Jahrhunderts unternahm der Historiker und Sprachforscher Arai Hakuseki schriftwissenschaftliche Studien und schrieb japanische Texte mit westlichen Buchstaben (Romaji Kibun). Diese Wahl deutet darauf hin. . die bisherige Romanisierung des Japanischen zu überdenken und eine lateinische Normverschriftung zu entwickeln.Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung 235 Italienischen oder Deutschen gelesen. Abb. deren Auswirkungen bis in den Bereich von Schrift und Sprache zu spüren waren. . NHK 2004: 55) Das Jahr 1 der Ära des Kaisers Meiji (1868) markierte in Japan den Umbruch zur Moderne: Innerhalb kürzester Zeit wurden sämtliche Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens von einer Internationalisierungswelle erfasst. Unter Intellektuellen. die japanische Aussprache unter Verwendung des lateinischen Alphabets auf Anhieb einigermaßen verständlich reproduzieren zu können (Abb. 7). die japanischen Muttersprachlern wie Ausländern aller Kulturkreise gleichermaßen entgegenkomme. denn es eröffnete dem nicht japanisch sprechenden englischsprachigen Teil der Welt erstmals die Möglichkeit. Für Ausländer ohne Japanischkenntnisse stellte das Hepburn-System eine praktische Hilfe dar. 7: Hiragana. die nun vermehrt im Ausland studierten. Katakana (aus: Nihongo Online. Radio Japan. wurden Forderungen laut. . Band 16‘) und „Hatsuon Ko“ (‚Überlegungen zu Lautäußerungen. das sich in Japan zur sogenannten Goju-Onzu (‚50-Laute‘)Matrix entwickelt hatte. Professor an der Kaiserlichen Universität Tokyo und Träger des Kulturordens. Tanakadate dagegen ging pragmatisch und (im Sinne der Shittan-Tradition) streng phonologisch vor. sondern auch praktisch mit verschiedenen Fremdsprachen in Berührung gekommen. Professor für Maschinenbau. Er kombinierte die Konsonanten und Vokale ohne den Umweg über die englische Aussprache. phonologische Experimente an einem Phonographen vorzunehmen. Sein Schüler Takuro Tanaka. der als Physiker ebenfalls an der Universität Tokyo lehrte. sondern in idealer Weise bereits vorhandene Schriftsysteme im Japanischen ergänzte: Aikitsu Tanakadate. so wie es durch die Shittan-Tradition der Taimon und Mata überliefert wurde. Hiermit wurde die Aussprache für das englisch geschulte Ohr nachempfunden. Nach Hepburn war die T-Reihe wie folgt darzustellen: ta chi tsu te to. Band 17‘). indem sie den Tonträger falsch herum rotieren ließen. der ein ausgefeiltes System erdachte. Dynamik der Kana-Matrix und ihre internationale Verschriftung Es sollte ein Geophysiker sein.6 An der Universität Tokyo pflegte Tanakadate mit seinem schottischen Kollegen Sir James Alfred Ewing. unterstütze ihn in seinen Studien und schrieb später das „Romaji Kokuji-Ron“ (‚Abhandlung zur landesweiten Verbreitung der lateinischen Schrift‘) (1930). indem er an fest definierte Konsonanten die Vokalkomponenten anfügte. publizierte im Jahre 1885 in der Zeitschrift der Japanischen Gesellschaft für Physik zwei wichtige Abhandlungen zur Romanisierung des Japanischen. Beide hatten ein Auslandsstudium in Deutschland absolviert und waren nicht nur theoretisch.236 Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup 4. das nicht nur auf die phonologischen Bedürfnisse japanischer Muttersprachler zugeschnitten war. und begeisterter Tüftler. basierend auf phonologischen Überlegungen: „Romazi Yoho Iken“ (‚Gedanken zur praktischen Romanisierung. In seiner T-Reihe zur „praktischen Romanisierung“ war das T auf jeder Stufe präsent und wurde nicht durch englischsprachige Konventionen verdrängt: ta ti tu te to –––––––— 6 Kusakabe (1977: 356f. Tanakadates Romanisierungssystem folgte strikt dem Lautsystem der Siddhamatrika.). um so den lautlichen Gesetzmäßigkeiten verschiedener Sprachtypen auf die Spur zu kommen. Palmer. einen begeisterten Brief an Baron Inouye. der Leiter des Japanisch-Deutschen Kultur-Institutes in Tokyo zählte zu den kompromisslosen Befürworten eines Romanisierungssystems nach japanischen Vorstellungen. das „für alle Ausländer gleichermaßen“ zu begreifen sei. dass es sich nach Palmers Überzeugung um „ein vollständiges und in sich geschlossenes Aufschreibesystem“ handle. Die Vorteile dieses Romazi-Systems lagen nicht nur für Japaner auf der Hand. Wilhelm Gundert. stellt es doch eine höchst bedeutende nichtjapanische Quelle zur Philologie der japanischen Schrift und Sprache dar: –––––––— 7 Tanakadate (1930: 16). der linguistische Berater des damaligen Erziehungsministeriums. und setzte sich nachdrücklich für die Verbreitung des „Japanese System of Roman Writing“ des Herrn Dr. ihre Sprache (ohne den umständlichen Umweg über das Englische) innerhalb kürzester Zeit in lateinischen Buchstaben schreiben zu können. rather. es stelle in der Tat ein Aufschreibesystem dar. Auch Prof.7 Aus den vorstehenden Zeilen lässt sich unschwer ablesen. and equally comprehensible to all foreigners. Einem langen Brief an die Adresse Tanakadates lässt sich entnehmen. a complete and consistent system of writing worked out by Japanese scholars in accordance with the nature of the Japanese grammar and system of sound-mutations. it is.E. Hepburn. Unlike the system associated with the name of Dr. favouring no special foreign language. A. Dr. not merely an ingenious adaption of English consonant representation and of certain English pronunciation habits. Dieses System garantiere dafür. It has also the advantage of neutral internationality.Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung 237 Damit hatte er den Bezug zum K a n a-System geschaffen und japanischen Schulkindern die Möglichkeit eröffnet. Ungeachtet der Länge dieses Schreibens soll es an dieser Stelle in seinem vollen Wortlaut wiedergegeben werden. den Minister für das Eisenbahnwesen. Im Japanischen bewanderte namhafte Gelehrte verschiedener Nationen beglückwünschten Tanakadate zu seinem Werk und stellten ihrerseits die Vorteile heraus. mit wieviel Engagement und Sympathie sich Gundert für die japanische Sache und Kultur einsetzte. the „Japanese System of Roman Writing“ is in every way admirable. So schrieb H. sondern auch den „Vorteil einer neutralen Internationalität“ biete. It is. Tanakadate ein: Viewed from the standpoint of modern phonetic research. sich ein wenig mit den Eigenheiten der japanischen Aussprache befassen zu wollen. Darüber hinaus bot dieses System eine neutrale Verschriftung des Japanischen für Japanischlerner aller Kulturkreise – die Bereitschaft vorausgesetzt. „keine Fremdsprache besonders zu bevorzugen“. . das nicht nur „der Natur der japanischen Grammatik“ entspreche. tschi. Maru-no-uti.238 Japanisch-Deutsches Kultur-Institut Nihon Kogyo Club Sehr verehrter Herr Professor. während nur Ihr System dieser Regelmässigkeit gerecht wird (kati. dass auch シャ ジャ チャ ヂャder phonetischen Intention nach mit kya und nya auf derselben Linie liegen. hi und die Assimilation in hu sind in ihrer zwingenden Regelmässigkeit für jeden Japaner selbstverständlich und bedürfen so wenig eines besonderen Zeichens wie die offenkundige Palatalisierung in ki. dass sa-si-su. Die Mitteilungen. kata wie kaki. gi gegenüber ka. zya. wo ich mich ernsthaft mit Ihrem System japanisch-nationaler Lateinschrift beschäftigt habe. katsu. zi. war ich von seiner Richtigkeit und seiner Überlegenheit über alle anderen Transkriptionsversuche überzeugt und habe mich dazu privat und öffentlich in Wort und Schrift bekannt. tu. Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup Den 11. ji. Das von Hepburn geschaffene System erzeugt meiner Erfahrung bei japanischen Schülern stets Verwirrung. deren Erlernung sehr wenig Schwierigkeiten bereitet. kata). Tokyo-si. tsu. kaku. schi. ga. Im japanischen Lautsystem sind es nur jene acht einander ähnlichen Fälle. Ebenso entstellen diese Schreibungen die schöne Regelmässigkeit in der Abwandlung der japanischen Verbalstämme (kachi. Januar 1930. Von dem Tage an. welche Sie mir neulich über die Fortschritte der von Ihnen geleiteten Bewegung für „Nipponsiki Romazi“ zu machen die Güte hatten. du. in welchem die organischen Zusammenhänge des japanischen Lautmechanismus sinnfällig zur Darstellung gelangen. da es sich genau an das herkömmliche Kana-System anschliesst und doch viel weniger Schriftzeichen erfordert. ti. tya. di. sind für mich eine Quelle aufrichtiger Befriedigung. dya. denn es ist das einzige. Nur Ihr System macht es deutlich. Durch fremdartige Schreibungen wie shi. Aehnliche Fälle organischen Lautwandels ohne schriftliche Kenntlichmachung lassen sich in den europäischen Sprachen hundertfach aufweisen und müssen von Ausländern stets besonders gelernt werden. Ihr System trägt seinen Namen „Nipponsiki“ mit vollem Recht. katu. fu werden diese organischen Zusammenhänge verdunkelt. za-zi-zu. ta-ti-tu. Für japanische Schulkinder – und das ist die Hauptsache – ist Ihr System spielend leicht zu erlernen. chi. . dschi. und schreibt deshalb mit gutem Recht sya. da-di-du und hahi-hu ebenso eine organische Reihe bilden wie ka-ki-ku oder na-ni-nu. Nur Ihr System macht es deutlich. kaka). Die Palatalisierung in den Silben si. ohne dass sie doch eine richtige Aussprache der japanischen Laute gewährleisten. ci. auf die Nerven geht und seine Freude an japanischen Studien beeinträchtigt. der allein zum Ziel führt. Vergleichen Sie. die Frage nach dem besten System der japanischer Lateinschrift nicht mit dem Kampf zwischen chinesischer Schrift. der mir verbesserungswürdig erschien. dass Teile der japanischen Verwaltung diese Entscheidung bereits getroffen haben. über welche das Ausland zu befinden hat? Entspricht es nicht der Würde Japans. gerät auf Abwege. Um diesen letzten Streit zu entscheiden. Herrn Prof. kana und Lateinschrift zu vermengen. sondern an der Schwierigkeit. Aber ist das eine Frage. A. Aber schon heute ist es an der Zeit. W. oder die Japan betreffenden Teile des Jahrbuchs Minerva! Es ist ein Bild der Verwirrung. Das aber liegt nicht am System. dass die übrigen Teile nachfolgen. des langen ô mit solcher Sorgfalt und solch feinem Takte durchgearbeitet. Mit den aufrichtigsten Wünschen für den endgültigen Erfolg Ihrer guten Sache bin ich in vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener (gez. Dr.Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung 239 Ihr System ist auch hinsichtlich nebensächlicher Fragen wie Wortverbindung und -trennung. Gundert. dass ich keinen Punkt nennen könnte. Ihrem wissenschaftlichen Takte ist es gelungen. die mit der Schaffung einer nationalen Orthographie verbundenen Probleme in ihrer ganzen Tragweite zu überschauen. des finalen n. und jeder schreibt. die japanischen Namen in europäischen Atlanten. so verliert der Streit im Ausland seinen Sinn. Ihr System hat nur einen Fehler. kleiner und grosser Anfangsbuchstaben. dass es nicht schon längst allgemeine Anerkennung gefunden hat. bitte. TOKYO8 –––––––— 8 Tanakadate (1930: 34–37). ist die Zeit wohl noch nicht gekommen. und jeder wird sich diese Schrift als offizielle japanische Orthographie bereitwillig aneignen. Es fehlt nur noch. in Büchern über Japan. TANAKADATE.und Ausland wird das Japanische mit lateinischen Buchstaben geschrieben. wie das Japanische zu schreiben sei. Wenn das offizielle Japan selbst sich zu der japanisch-nationalen Lateinschrift bekennt. Ich halte es für wichtig. der sich mit japanischen Dingen befassen möchte.) Dr. Im In. welche allein dem Wesen des japanischen Lautsystems gerecht wird? Es ist hoch erfreulich. Leiter des Japanisch-Deutschen Kultur-Instituts. das jedem Ausländer. . Die Folge ist ein allgemeiner Streit im Auslande darüber. jedem Gesichtspunkt sein Recht widerfahren zu lassen und so den goldenen Mittelweg zu finden. wie es ihm gutdünkt. dass sich das offizielle Japan für ein bestimmtes System der Lateinschrift entscheidet. und der ist. Wer nur einzelne Gesichtspunkte betont. diese Entscheidung selbst zu treffen? Und wird diese Entscheidung dann nicht für diejenige Schreibart ausfallen müssen. and inadequate. herausbilden konnte. –––––––— 9 Die konsequent durchgeführte Romanisierung des Japanischen. In der vorliegenden Arbeit wurde anhand bislang wenig beachteten Quellenmaterials aufgezeigt. um so einen Zugang zu dessen innerstem Wesen zu erlangen. aufbauend auf der historischen Entwicklung des japanischen Schriftsystems. Though I do not feel my views are of any special value. Gundert gepriesene) Nipponshiki-Romanisierungssystem. but gives uniform conventional representation following the Japanese system of sound change. that it is based on the historical development of the language. basierend auf der Entwicklungsgeschichte der japanischen Kana-Matrix. Dear. Tanakadate. vier Jahre vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor. Seine Kritik richtet sich gegen den Versuch. das Fremde lediglich mit seinem eigenen Maßstab zu bewerten und diesen Maßstab als Kriterium der Aneignung letztlich zu institutionalisieren. 8). ließ das japanische Parlament per Kabinettsbeschluss die japanische Version der lateinischen Kana-Matrix zur einzig verbindlichen Schreibweise erklären (Abb. I believe that it is of fundamental importance to the development of the Japanese language that such a system should be officially authorized and adopted. The Hepburn system was useful for everyday purposes. Tanakadate entwickelte (und von W. The ‚Japanese system of Roman writing‘ has the advantages that it is consistent. I have been interested in the question of transliterating Japanese during the whole of my 26 years residence in Japan. Tokyo. . Seiner Auffassung nach kommt es darauf an. C. inconsistent. but as soon as one begins to use it for scientific linguistic purposes one finds it misleading.240 Soichiro Itoda & Hans-Joachim Knaup Gundert äußert hier erstaunlich moderne Gedanken – plädiert er doch bei der ‚Begegnung mit dem Fremden‘ für eine aktive Auseinandersetzung auf sprachlicher und schriftlicher Ebene. – Yours sincerely. when it was first introduced. 1929.B. Sansom (signed)“ (Tanakadate 1930: 15). wurde auch im folgenden Schreiben aus der Britischen Botschaft in Tokyo als erstrebenswert und von „fundamentaler Wichtigkeit“ betont: „British Embassy. that it does not use Roman letters as representing (say) English or Italian sounds which only approximate to Japanese sounds. wie sich das von A. 24th December.9 1937. Dr. Damit war eine einheitliche lateinische Schreibung vorgegeben und das Hepburn-System offiziell aus dem Verkehr gezogen. das Fremde in seiner ursprünglichen Struktur zu erkennen und zu verinnerlichen. .12.Japanischer Schriftdiskurs zwischen Oralität und Literalisierung 241 Abb. wurde in Tokyo auf Betreiben der Siegermacht USA eine erneute Korrektur in der Orthographie-Regelung vorgenommen und – wiederum per Kabinettsbeschluss – die ehemalige Hepburn-Schreibung als gleichwertiges und international gültiges Transliterationssystem neben der bisher offiziell anerkannten japanischen Romanisierungsmatrix rehabilitiert. 8 (aus: Tanakadate 1930: 24) Nur 17 Jahre später. am 9.).1954.10 Seither stehen in Japan zwei Romanisierungssysteme friedlich nebeneinander. 10 –––––––— Nishio/Hisamatsu (1969: 436f. Kokumin Kokka. In: Haruo Shirane.‘) Band 4.): „Iwanami Koza Nihongo“ (‚Iwanami Studienreihe Japanisch‘). Kukai.‘) – Tokyo: Ofu. Kamei. Jean (1975): Hymns from the Rig Veda.‘) (Ausgabe in 8 Bänden). (‚Geschichte der japanischen Sprache.‘) – Tokyo: Taishukan Shoten. Tamaru. Yoshinori (1998): Zusetsu Nihon no Kanji. Shuchiin-Daigaku-Mikkyo-Gakkai (Hg. Toshio. Kobodaishi (1984): Zenshu. Hiroshi. Kaneko (Hgg. Makoto (1999): „Kanji – Sono Shoki.): Sozosareta Koten – Kanon Keisei.und ausländischer Persönlichkeiten zum allgemein verbindlichen Gebrauche des Japanischen Romanisierungssys- . Le Mee. S. (‚Fallstudie zur Geschichte des Japanischen.): Nihongo no Rekishi. Kazuo (2006): Sittansho no Kenkyu.‘) – Tokyo: Iwanami Shoten.‘) – Tokyo: Kokugo Kyoiku Kenkyukai. Kanichi. (‚Illustrierte japanische KanjiGeschichte. – New York: Alfred A. Mabuchi. (‚Handbuch indischer Schrift. Senichi Hisamatsu (Hgg.) (1983): Bonji Taikan. Seiya Abe.) (2002): Kesu Sutadhi Nihongo no Rekishi. Takashi. – Tokyo: Chikuma Shobo. Tokihiko Ofuji. (‚Materialien zur Geschichte der Vermittlung von japanischer Sprache und Schrift. – Tokyo: Heibonsha.) 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