Siegfried Brandt Wöchentliche Brandt - Kolumne Augen auf in Wroclaw! Wo sind die Krasnoludki? Auf unserer Reise durch Niederschlesien
besuchten wir auch Breslau oder wie es heute Oberschlesien vor zwei Jahren, die Breslauer Zwerge. Damals waren es ca. 90, heute sollen es über 300 sein. Die Breslauer Zwerge sind eine Touristenattraktion in Breslau geworden. Wer sich auf die Suche nach den Winzlingen mit Zipfelmütze macht, entdeckt die Stadt aus einer pflasternahen Perspektive. Also Augen auf in Wroclaw! Wo sind die Krasnoludki? Sie klettern Laternenpfähle empor, sitzen auf Fensterbänken, hängen an Hauswänden, drohen in die Oder zu plumpsen oder lümmeln auf Plätzen herum. Sie sind etwa 30 Zentimeter groß und aus Bronze gegossen. Über dreihundert dieser kniehohen Zwerge soll es in Breslaus restaurierter Altstadt geben, keiner weiß genau, wie viele es wirklich sind. Denn immer wieder kommen neue hinzu, während andere verschwinden. Es heißt, sie werden entführt. Um die Entführungen zu verhindern, werden sie heute mit GPS ausgestattet, um sie orten zu können. Ein echter Technologiesprung in der Zwergen Welt. Die eigene ZwergenWebseite www.krasnale.pl bestätigt die Technologiehöhe. Die bronzenen lustigen Wichtel bevölkern Gassen, Marktplätze und Grünflächen. Ihre Herkunft geht auf eine schöne alte
Zeitzeuge, Essayist, r.e.d.
[email protected]
heißt Wrocław und trafen dort „alte Bekannte“, die Krasnale, aus unserer ersten Reise nach
WÖCHENTLICHE BRANDT - KOLUMNE
Dipl.-Ing. Siegfried Brandt,
21/2016
Sage zurück. Der Legende nach halfen die Zwerge einst den ersten Siedlern bei der Stadtgründung. Sie sollen auch den bösartigen Oderkobold, der den Menschen arg zugesetzt hatte, überlistet und ihn einen Kerker im Eulengebirge geworfen haben. Aus Dankbarkeit für die Rettung vor dem bösen Kobold boten die Menschen den kleinen Helfern an, mit ihnen zusammen in Breslau zu leben. Und damit bin ich bei dem Punkt, der mir für meine Kolumnen passgerecht erscheint: Wie geht man mit Diktaturen um?
Brandt Kolumne
Seite 1 von 2
24.01.2016
Anfang der 80iger Jahre entlud sich die Wut der Polen über Kriegsrecht und Unterdrückung in der Solidarność Bewegung. Aber der Surrealist und Happening Künstler Waldemar Fydrych wollte der martialisch anmutenden Protestaktionen der Solidarność etwas anderes entgegensetzen. Er wählte die Farbe Orange. Die Orange Alternative „Pomarańczowa Alternatywa“ war eine politischkünstlerische Bewegung in Polen mit spontanen Aktionen zum Beispiel „Demonstrationen im Zwergen Kostüm.“ Kritik am kommunistischen Regime in Polen wurde geübt und ein gusseiserner Zwerg („Papa Zwerg“) in der Wrocławer Altstadt aufgestellt. Zwerge als allgegenwärtiges Symbol des Widerstandes. Die Aktivisten der "Orangenen Alternative" organisierten spontane Demonstrationen in Zwergen Kostümen, sprühten abstrakte Zwergen-Graffiti auf die Farbflächen, die durch das Übermalen regimekritischer Sprüche entstanden waren. Inspiriert von der holländischen Kabouterbewegung stichelten sie mit dadaistisch-absurden und humorvollen Methoden gegen das Regime: Sie skandierten zu Tausenden "Wir lieben Lenin", sangen vor dem Schimpansen Gehege im Wroclawer Zoo Stalin-Hymnen oder demonstrierten unter der Parole "Nieder mit der Hitze!" Als die Miliz die Demonstrationen mit Gewalt auflösen und die Teilnehm er festnehmen wollte, erklärten sie augenzwinkernd, sie seien keine Menschen, sondern Zwerge, und für diese gelte das Versammlungsverbot nicht. Die Zwerge wurden zum Symbol für politischen Widerstand. Zu Happenings kamen sie mit orangefarbenen Zipfelmützen und fragten die Obrigkeit: Warum sollten Zwerge verhaftet werden? Sie verteilten Toilettenpapier, wenn es mal wieder Mangelware war, was das Regime schwer nervte. So wurden die Breslauer Zwerge zum Symbol eines geistreichen Widerstandes und Sinnbild der wohl farbenfrohesten antikommunistischen Opposition in Polen und gaben das kommunistische Regime der Lächerlichkeit preis. Dieser Bewegung zu Ehren wurde 2004 der erste handtellergroße Zwerg in der Swidnicka Straße aufgestellt, bei der Uhr, wo sich seinerzeit die "Orange Alternative" zu ihren Aktionen versammelte. "Die Zwerge sind inzwischen so etwas wie die kleinen Botschafter unserer Stadt", sagt Elisabeth, unsere Fremdenführerin mit viel Empathie in der Stimme für die Leistungen dieses Widerstandes. Erschaffen werden die Zwerge von verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern Breslaus wie Martin Luczkowski. Bekannt sind von ihm 18 Figuren, darunter ein Sträfling hinter Gittern mit Eisenkugel am Bein, die bereits von Tausenden Touristen angefasst wurde. Auch die Ateliergemeinschaft von Beata ZwolaskaHolod, Marta Mirynowska, Paul Osöbka, Anna Bujak Bujak, Grazia Hubert und Margaret Kaszyska Habieda hat sich auf die Figurenproduktion spezialisiert - vom Entwurf bis zum Guss.
Siegfried Brandt Wöchentliche Brandt – Kolumne Brandt Kolumne
Seite 2 von 2
23.05.2016